JudikaturBVwG

W274 2298188-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
30. April 2025

Spruch

W274 2298188-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch Mag. Lughofer als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , syrischer Staatsangehöriger, XXXX , vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, Pulverturmgasse 4/2/R01, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 28.07.2024, Zl. 1361022805/231366580, wegen § 3 AsylG, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung zu Recht:

Der allein gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides gerichteten Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer, BF) stellte nach Einreise in das Bundesgebiet ohne gültige Einreisepapiere am 17.07.2023 vor der PI Schwechat (Fremdenpolizei) einen Antrag auf internationalen Schutz und gab bei seiner Erstbefragung am selben Tag an, in Syrien herrsche seit 2011 Krieg und er wolle sich nicht am Krieg beteiligen. Ihm drohe die Einziehung zur syrischen Armee.

Vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) gab der BF am 07.06.2024 zusammengefasst an, er stamme aus XXXX in der Nähe von XXXX in Nordwestsyrien. Seine Muttersprache sei zwar Kurdisch, doch spreche er besser Arabisch.

Als er drei Jahre alt gewesen sei, sei er mit seiner Familie nach Aleppo gezogen. Dort habe er bis zu seiner Ausreise in die Türkei im Jahr 2014 im Stadtteil Sheikh Maqsood gelebt. In Aleppo habe er sechs Jahre die Schule besucht und anschließend als Schneider gearbeitet. 2015 habe er XXXX geheiratet, mit der er zwei Kinder (geboren 2016 und 2017) habe. Seine Frau, seine Kinder, seine Eltern und zwei seiner Geschwister seien in der Türkei aufhältig.

Als Kurde habe er in Syrien keine Rechte und werde vom Regime und von der Opposition unterdrückt. Er dürfe seine Sprache offiziell nicht lernen. Da er XXXX geboren sei, müsse er den Wehrdienst bei der syrischen Armee leisten. Nachdem am 01.04.2013 die FSA Aleppo erobert habe, sei er gezwungen gewesen, in sein Heimatdorf XXXX zu reisen. Er habe Angst vor dem syrischen Regime und vor einer Rekrutierung durch die YPG gehabt, XXXX sei damals unter kurdischer Kontrolle gestanden.

Eine Woche vor seiner Ausreise habe ein kurdischer Funktionär seinem Vater mitgeteilt, dass er zu den kurdischen Milizen einrücken müsse. Deswegen sei er dann ausgereist.

Vom Wehrdienst bei der syrischen Armee wolle er sich nicht freikaufen. Die Region Afrîn werde inzwischen von den Türken bzw. der von diesen unterstützten SNA kontrolliert. Diese unterdrückten die Kurden.

Im Falle einer Rückkehr nach Aleppo würde ihn das Regime als Verräter hinrichten, bei einer Rückkehr nach Afrîn würden ihn die dortigen Oppositionellen hinrichten. Im kurdischen Selbstverwaltungsgebiet würden sogar Minderjährige rekrutiert werden und ihm drohe dort ebenfalls die Zwangsrekrutierung. Er sei ein friedlicher Mensch und wolle nicht kämpfen. In Afrîn könne er nicht leben.

Der BF legte seinen syrischen Personalausweis im Original und mehrere ihn, seine Frau und seine Kinder betreffende Kopien aus dem syrischen Personenstandsregister und dem syrischen Familienbuch vor.

Mit dem bekämpften Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte dem BF den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).

Die belangte Behörde stellte fest, die Identität des BF stehe fest. Er sei Syrer, Kurde, Sunnit und in Aleppo aufgewachsen. Er sei keinen Rekrutierungsversuchen durch das syrische Regime oder sonstige Konfliktparteien ausgesetzt gewesen. Es drohe zwar mit hinreichender Wahrscheinlichkeit eine Rekrutierung durch das syrische Regime, es habe aber keine glaubhaft verinnerlichte Überzeugung gegen das Regime oder gegen den Dienst an der Waffe festgestellt werden können, sodass die Rekrutierung für den BF persönlich kein Problem darstelle. Es sei dem BF möglich, sich durch eine Wehrersatzgebühr dauerhaft vom Wehrdienst freikaufen zu können.

Das Fluchtvorbringen sowohl hinsichtlich des Militärdienstes beim syrischen Regime als auch den Kurden sei unglaubwürdig.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dem BF drohe keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe.

Allein gegen Spruchpunkt I. wendet sich die Beschwerde des BF wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem primären Antrag, dem BF nach mündlicher Verhandlung und Beiziehung eines landeskundigen Sachverständigen Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der BF brachte zusammengefasst vor, die Fluchtgründe bestünden einerseits in der Furcht, im syrischen Bürgerkrieg, der in seiner Heimatregion besonders tobe, zwischen die Fronten zu geraten, andererseits in Verfolgung aus politischen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe wegen seiner Herkunft sowie der Gefahr von Verfolgung wegen seiner Weigerung, am Krieg teilzunehmen und der daraus folgenden ihm vorgeworfenen politischen Gegnerschaft seitens des Regimes. Bereits die politische Verfolgung des BF bedinge die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft. Verstärkt werde die Gefährdung durch seine Herkunft aus Aleppo, seine kurdische Volkszugehörigkeit sowie seine familiären Beziehungen und seine pazifistische Grundeinstellung. Der BF sei entgegen seiner Verpflichtungen als syrischer Staatsbürger nicht in das Militär eingetreten. Aufgrunddessen sei der BF ein gefährlicher Gegner des syrischen Regimes und er wäre im Falle einer Rückkehr in intensiver Gefahr, sofort verhaftet und gefoltert zu werden, ebenso wie einer Verfolgung durch die kurdischen Milizen. Auf die Gefahr der Zwangsrekrutierung durch die syrische Armee wie auch durch die von keiner Region der Welt als legitim anerkannte kurdische Selbstverwaltung gehe die belangte Behörde nicht ein. Tatsächlich sei er durch die kurdischen bewaffneten Milizen oder die türkische Besatzungsmacht gefährdet. Der BF stamme aus Aleppo und habe den Wehrdienst verweigert. Auch die Forderung, der BF solle dem völlig illegitim regierenden Assad-Regime tausende Dollar zahlen, sei sowohl unzumutbar als auch im Grunde eine Aufforderung zu einer mit Strafe bedrohten Handlung gemäß § 11 Sanktionengesetz 2010.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen, dem Bundesverwaltungsgericht vor, wo sie am 28.08.2024 einlangte.

Mit Schreiben vom 30.12.2024 gewährte das Verwaltungsgericht dem BF ein individuelles Parteiengehör, in dem auf die geänderte Lage in Syrien aufgrund des Sturzes von Baschar al-Assad im Dezember 2024 verwiesen und ihm die Gelegenheit gegeben wurde, binnen vier Wochen zu den geänderten Verhältnissen Stellung zu nehmen und darzulegen, ob noch eine gegründete Furcht vor Verfolgung aus einem Konventionsgrund bestehe bzw. ob eine mündliche Verhandlung weiterhin für notwendig erachtet werde.

Mit Stellungnahme vom 29.01.2025 teilte der BF mit, dass er seine Beschwerde aufrechterhalte. Der BF lehne sowohl HTS als auch YPG ab. Die zukünftige staatliche Ausgestaltung in Syrien sei ungeklärt. Die Hoffnung bestehe, dass der Bürgerkriegszustand endgültig beendet sei, aber dies stehe nicht fest. Aktuell regiere ohne die geringste Legitimation die von der IS nur im Detail differenzierbare HTS und der BF befürchte daher durchaus Verfolgung aufgrund seiner klaren Ablehnung des Islamismus.

Am 03.04.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in der der BF als Partei vernommen und die vorgelegten Urkunden eingesehen wurden.

Das Gericht hielt fest, prinzipiell bei Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen von Asyl von den aktuellen Länderberichten der Staatendokumentation (hier Syrien) auszugehen, wobei die letzte Vollversion vom März 2024 datiere und daher nicht die aktuellen Entwicklungen seit Anfang Dezember 2024 beinhalte, die im Wesentlichen mit dem Sturz von Bashar al-Assad zusammenhingen, es bleibe aber für gewisse Hintergründe, die nicht durch die aktuellen Entwicklungen überholt seien, relevant. Dem RV wurden sodann Länderinformationen „Aktuelle Entwicklungen in Syrien, Stand 01.04.2025“, erstellt u.a. anhand von Presseberichten mit Verweisen auf die Quellen, übergeben und mitgeteilt, dass sich das Gericht im Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen auch an diesen Quellen orientiere. Vor allem werde auch auf die allerjüngsten Entwicklungen, die Kämpfe zwischen Alawiten und Milizen insbesondere im Nordwesten von Syrien und eine getroffene Einigung mit den Kurden, verwiesen. Darüber hinaus werde festgehalten, dass nach wie vor eine Aktualisierung des LIB der Staatendokumentation Syrien nicht bestehe und unabsehbar sei und sich das Gericht bedarfsfalls auch am aktuellen Bericht der EUAA zu Syrien, an einer Anfragebeantwortung zur Rekrutierungspraxis vom 21.03.2025 und an den letzten 19 Regional Flash Updates des UHNCR orientiere.

Der BF führt dazu persönlich aus, er gehöre „zur Minderheit“. Er werde sicher im Falle einer Rückkehr durch die HTS, eine terroristische Organisation, verfolgt. Selbst ins Kurdengebiet könne er nicht einreisen, da er einst vor einer Rekrutierung geflüchtet sei. Damals hätten die Kurden die Jüngeren rekrutiert. Sie seien auch zu seinem Vater und hätten diesem gesagt, dass er sich den Kurden anschließen müsse, um den Wehrdienst abzuleisten. Deshalb gäbe es diese Gefahr im Falle der Rückkehr.

Syrien kümmere den BF nicht mehr. Er wolle auch dort nicht mehr hin und hier in Österreich etwas erreichen.

Die Beschwerde ist im Ergebnis nicht berechtigt:

Aufgrund des Akteninhaltes und den Ergebnissen der mündlichen Verhandlung steht folgender Sachverhalt fest:

Zum Beschwerdeführer:

Der BF wurde am XXXX in XXXX bei XXXX (nahe der türkischen Grenze in Afrin) im Gouvernement Aleppo geboren, ist syrischer Staatsangehöriger, Kurde und Sunnit. Er zog im Alter von drei Jahren von seinem Geburtsort nach Aleppo, in den mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadtteil Sheikh Maqsood und verblieb dort bis zu seiner Ausreise in die Türkei 2014. Der BF ist seit 2015 mit XXXX verheiratet und hat mit dieser zwei Kinder, geboren 2016 und 2017. Seine Ehefrau und seine Kinder leben in der Türkei. Die Eltern des BF und zwei seiner Geschwister leben ebenfalls in der Türkei.

Die kurdischen Stadtteile Aleppos, wozu auch Sheikh Maqsood gehört, stehen unter der Kontrolle von kurdischen Milizen (YPG bzw. SDF), wobei im März 2025 ein Abkommen zwischen der Syrischen Regierung und der SDF geschlossen wurde, wonach sich diese zurückziehen werden. Der Umsetzungsstatus ist unklar. Der Rest Aleppos wird seit dem Machtwechsel im Dezember 2024 von der neuen syrischen Regierung unter Al Scharaa kontrolliert.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF Gefahr liefe, in Sheikh Maqsood (samt näherer Umgebung) durch das (nicht mehr existierende) syrische Regime zum Militärdienst rekrutiert bzw. wegen dessen Verweigerung oder aus sonstigen Gründen (etwa wegen seiner Volkszugehörigkeit) bestraft zu werden.

Nicht festgestellt werden konnte, dass der BF eine Woche vor seiner Ausreise durch eine Mitteilung an seinen Vater, dass der BF innerhalb einer einwöchigen Frist zum kurdischen Militär müsse, durch dieses rekrutiert wurde. Nicht festgestellt werden konnte auch, dass er 2013 wegen der Bürgerkriegswirren in sein Geburtsdorf zurückkehrte.

Nach den Vorschriften der AANES sind Männer ab dem vollendeten achtzehnten Lebensjahr wehrpflichtig, allerdings nur, wenn sie im Jahre 1998 oder später geboren worden sind. Nicht festgestellt werden konnte, dass dem BF im Falle einer Rückkehr in seine Heimatstadt Aleppo mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer zwangsweisen Rekrutierung durch die kurdischen Streitkräfte droht.

Wer den Selbstverteidigungsdienst verweigert, muss in der Regel länger als gesetzlich vorgesehen bei den Selbstverteidigungskräften dienen, wird darüber hinaus aber nicht bestraft. Außerdem werden Wehrpflichtige im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht grundsätzlich nicht an der Front eingesetzt und es ist keine Teilnahme an Kriegsverbrechen oder sonstigen völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen zu erwarten.

Es kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der BF in Syrien von durch HTS-Angehörige begangenen Menschenrechtsverletzungen betroffen wäre.

Es kann auch nicht festgestellt werden, dass dem BF im Falle einer Rückkehr aufgrund seiner ethnischen Abstammung als Kurde aus Afrin mit maßgeblicher Wahrscheinlich Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zur kurdischen Volksgruppe bzw. der Volksgruppe von Kurden aus Afrin droht.

Der BF ist in Österreich unbescholten.

Zur relevanten Situation in Syrien:

Im Jahr 2011 erreichten die Umbrüche in der arabischen Welt auch Syrien. Als die zunächst friedlichen Proteste großer Teile der Bevölkerung Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und ein Ende des von Baschar al-Assad geführten Ba‘ath-Regimes verlangten, reagierte dieses mit massiver Repression gegen die Demonstranten, vor allem durch den Einsatz von Armee und Polizei, sonstiger Sicherheitskräfte und staatlich organisierter Milizen (Shabiha). So entwickelte sich im Laufe der Zeit ein immer komplexer werdender bewaffneter Konflikt.

Ab März 2020 trat der Konflikt in eine Patt-Phase ein, in der sich im Wesentlichen drei Gebiete mit statischen Frontlinien herausbildeten. Dabei kontrollierte die syrische Regierung unter Präsident Assad („syrisches Regime“) rund 60% des syrischen Staatsgebietes, während der Nordosten Syriens unter Herrschaft kurdischer Kräfte stand, mit der Türkei alliierte Rebellengruppen Teile des Nordens kontrollierten und die islamistische Gruppierung Hay’at Tahrir ash-Sham über einen Teil der Provinzen Idlib und Aleppo im Nordwesten herrschte (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation (LIB) vom 27.03.2024, S. 16).

Für männliche syrische Staatsbürger war im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von 18 bzw. 21 Monaten in der Syrischen Arabischen Armee (SAA) des syrischen Regimes gesetzlich verpflichtend. Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehrten, mussten mit Zwangsrekrutierung rechnen. Laut Gesetz waren in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu verpflichtet, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer militärärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wurde man einberufen, um den Wehrdienst zu leisten, sofern kein Ausnahmegrund (Studium, medizinische Gründe, einziger Sohn der Familie) vorlag (LIB, S. 119). Nach Ableistung des Wehrdienstes blieb ein syrischer Mann Reservist und konnte bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden (LIB, S. 124). Eine Durchsetzung der Wehrpflicht durch Zwangsrekrutierung war dem syrischen Regime im Wesentlichen nur im eigenen Herrschaftsgebiet möglich (LIB, S. 123f.).

Wehrdienstverweigerung wurde aber vom syrischen Regime zuletzt nicht mehr unbedingt als Ausdruck einer oppositionellen Gesinnung betrachtet. Das Regime war sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land lediglich verlassen hatten, um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich gegen Bezahlung einer Geldsumme von der Wehrpflicht freizukaufen (LIB, S. 144).

Personen, die unter dem Verdacht standen, sich oppositionell zu engagieren, oder als regimekritisch wahrgenommen wurden, unterlagen einem besonders hohen Folterrisiko seitens des Regimes. In vielen Fällen wurden auch Familienmitglieder solcher Personen als vermeintliche Mitwisser oder für vermeintliche Verbrechen ihrer Angehörigen inhaftiert (LIB, S. 165).

Das sowohl von den USA als auch den UN als Terrororganisation eingestufte Milizenbündnis HTS versuchte in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Ihr wurden in dieser Zeit Menschenrechtsverletzungen (auch gegenüber religiösen Minderheiten), darunter u.a. willkürliche Verhaftungen, mangelnde Rechtsstaatlichkeit, gewaltsame Niederschlagung von Protesten sowie das Verschwindenlassen von Personen vorgeworfen (LIB, S. 11, 35, 90, 169).

Kurzinformation der Staatendokumentation zur Sicherheitslage und politischen Lage vom 10.12.2024:

„Nach monatelanger Vorbereitung und Training starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) die Operation ‚Abschreckung der Aggression‘ – auf […] Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. (…)

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort. Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12.

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab. Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen. Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein, nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten. Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab. Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor. Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind, und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben. Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt, die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen. Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt.

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad. Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt. […]

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo. Im Zuge der Operation ‚Morgenröte der Freiheit‘ (auf Arabisch رال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein.

[…]

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet. Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen. Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union und der Türkei als Terrororganisation eingestuft. Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden. Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien. Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren. […]

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt. Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben.“

Auszüge aus der „Informationssammlung zu Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad“ des ECOI

Vorgeschichte

Am 27.11.2024 startete die militante islamistische Gruppe HTS, deren Kontrolle sich bis dahin auf Teile der Provinzen Aleppo und Idlib beschränkt hatte, mit verbündeten Rebellenfraktionen eine Großoffensive im Nordwesten Syriens. Die Rebellen eroberten zunächst Aleppo, die zweitgrößte Stadt des Landes. Am 05.12.2024 fiel die Stadt Hama und zwei Tage darauf die drittgrößte Stadt Syriens, Homs (BBC, 08.12.2024; Der Standard, 08.12.2024; ISPI, 08.12.2024). Am 08.12.2024 marschierten die von HTS angeführten Rebellen in Damaskus ein. Am selben Tag verließ Baschar al-Assad das Land (ARD, 08.12.2024).

Wichtigste Rebellengruppen

Die syrischen Gruppen, die Al-Assad gestürzt und die Hauptstadt Damaskus eingenommen haben, sind heterogen (ARD, 08.12.2024) mit teils gegensätzlichen Ideologien und langfristigen Zielen (DW, 09.12.2024; Reuters, 09.12.2024):

HTS

Die mächtigste Gruppe in Syrien, die den Vormarsch der Rebellen anführte, ist die islamistische Gruppe HTS. Sie begann als offizieller al-Qaida-Ableger in Syrien unter dem Namen Nusra-Front und verübte bereits zu Beginn des Aufstandes gegen Assad Angriffe in Damaskus. Die Gruppe durchlief mehrere Namensänderungen und gründete schließlich als HTS eine Regierung in der Provinz Idlib, im Nordwesten Syriens. Die USA, Türkei und andere stufen HTS und ihren Anführer, Ahmed al-Scharaa (auch Abu Mohammed al-Dscholani genannt), als Terroristen ein (Reuters, 08.12.2024; BBC, 08.12.2024; DW, 09.12.2024).

Syrische Nationalarmee (SNA)

Die SNA ist eine zersplitterte Koalition unterschiedlicher bewaffneter Gruppen (DW, 09.12.2024), die mit direkter türkischer Militärunterstützung einen Gebietsabschnitt entlang der syrisch-türkischen Grenze hält (Reuters, 08.12.2024). Trotz interner Spaltungen pflegen viele SNA-Fraktionen enge Bindungen zur Türkei, wie die Sultan-Suleiman-Schah-Brigade, die al-Hamza-Division und die Sultan-Murad-Brigade. Andere Fraktionen der Gruppe versuchen trotz ihrer Zusammenarbeit mit der Türkei ihre eigenen Ziele durchzusetzen (DW, 09.12.2024). Als HTS und verbündete Gruppen aus dem Nordwesten Anfang Dezember auf von Assads Regierung kontrolliertes Gebiet vorrückten, schloss sich ihnen auch die SNA an und kämpfte im Nordosten sowohl gegen Regierungstruppen als auch kurdisch geführte Kräfte (Reuters, 08.12.2024). Der Vormarsch der Rebellen gegen die Regierungstruppen wurde Berichten zufolge von der Türkei unterstützt (ARD, 08.12.2024).

Syrische Demokratische Kräfte (SDF)

Die SDF sind ein Bündnis kurdischer und arabischer Milizen, das von den USA und ihren Verbündeten unterstützt wird. Sie kontrollieren den größten Teil Syriens östlich des Euphrats, sowie einige Gebiete westlich des Flusses. Mit der aktuellen Offensive kam es auch zu Kämpfen zwischen den SDF und der SNA (Reuters, 08.12.2024).

Sonstige

Neben den genannten Gruppen gibt es in Syrien eine Vielzahl lokaler Gruppierungen, die sich gegen al-Assad gestellt haben. Diese vertreten ein breites Spektrum islamistischer und nationalistischer Ideologien. Im Norden schlossen sich einige von ihnen dem Militäroperationskommando des HTS an. Im Süden dominierende Gruppen erhoben sich in der aktuellen Situation und nahmen den Südwesten Syriens ein (Reuters, 08.12.2024).

Neueste Entwicklungen:

Die neue Übergangsregierung und Ahmed Al-Scharaa

Mohammed Al-Baschir, der bis zum Sturz Baschar Al-Assads die mit HTS verbundene Syrischen Heilsregierung im Nordwesten Syriens geleitet hatte, wurde am 10.12.2024 als Interimspremierminister mit der Leitung der Übergangsregierung des Landes bis zum 01.03.2025 beauftragt (MEE, 10.12.2024; Al Jazeera, 10.12.2024). Die Minister der Syrischen Heilsregierung übernahmen vorerst die nationalen Ministerposten. Laut dem Congressional Research Service (CRS) seien einige Regierungsbeamte und Staatsangestellte der ehemaligen Regierung weiterhin im Regierungsapparat beschäftigt (CRS, 13.12.2024). Am 21.12.2024 ernannte die Übergangregierung Asaad Hassan Al-Schaibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister. Beide seien Verbündete des HTS-Anführers Ahmed Al-Scharaa (Al-Jazeera, 21.12.2024). Am 29.12.2024 legte Al-Scharaa in einem Interview mit dem saudischen Fernsehsender Al-Arabiyya dar, dass es bis zu vier Jahre dauern könne, bis Wahlen stattfinden werden, da die verschiedenen Kräfte Syriens einen politischen Dialog führen und eine neue Verfassung ausarbeiten müssten (AP, 29.12.2024). Die Ausarbeitung einer solchen könnte bis zu drei Jahre in Anspruch nehmen. Die Rebellengruppe HTS soll im Rahmen eines nationalen Dialoges aufgelöst werden (DiePresse.com, 29.12.2024).

Al-Scharaa erklärte am 17.12.2024, dass alle Rebellenfraktionen aufgelöst und in die Reihen des Verteidigungsministeriums integriert werden würden (The Guardian, 17.12.2024; DiePresse.com, 24.12.2024). Am 29.12.2024 sagte Al-Scharaa in einem Interview, dass das syrische Verteidigungsministerium plant, auch die kurdischen Milizen in seine Reihen aufzunehmen. Es gebe Gespräche mit den SDF zur Lösung der Probleme im Nordosten Syriens (Kurdistan24, 29.12.2024). Am 10.01.2025 bestätigte der Kommandeur der SDF, Mazloum Abdi, dass sich seine Streitkräfte in ein umstrukturiertes syrisches Militär integrieren würden (Shafaq News, 10.01.2025). AFP berichtete am 08.01.2024, dass laut einem Sprecher des Southern Operations Room, einer Koalition bewaffneter Gruppen aus der südlichen Provinz Dara‘a, die am 06.12.2024 gebildet wurde, um beim Sturz Assads zu helfen, die Kämpfer Südsyriens nicht mit einer Auflösung ihrer Gruppen einverstanden seien. Sie könnten sich jedoch eine Integration in das Verteidigungsministerium in ihrer momentanen Form vorstellen (France24, 08.01.2025).

Am 29.12.2024 wurde eine Liste mit 49 Personen, die zu Kommandeuren der neuen syrischen Armee ernannt wurden, veröffentlicht. Unter den Namen sind einige HTS-Mitglieder, sowie ehemalige Armeeoffiziere, die zu Beginn des syrischen Bürgerkrieges desertierten. Laut Haid Haid, einem beratenden Mitarbeiter beim britischen Think Tank Chatham Haus, wurden die sieben höchsten Ränge mit HTS-Mitgliedern besetzt. Laut einem weiteren Experten seien auch mindestens sechs Nicht-Syrer unter den neuen Kommandeuren (France24, 30.12.2024; DiePresse.com, 30.12.2024).

Die neue Führung hatte sich seit ihrer Machtübernahme verpflichtet, die Rechte der Minderheiten zu wahren (The New Arab, 07.01.2025). Anfang Jänner 2024 kündigte das Bildungsministerium der Übergangsregierung auf seiner Facebook-Seite einen neuen Lehrplan für alle Altersgruppen an, der eine stärker islamische Perspektive widerspiegelt und alle Bezüge zur Assad-Ära aus allen Fächern entfernt. Zu den vorgeschlagenen Änderungen gehörte unter anderem die Streichung der Evolutionstheorie und der Urknalltheorie aus dem naturwissenschaftlichen Unterricht. Aktivisten zeigten sich besorgt über die Reformen (BBC News, 02.01.2025).

Herrschaftsbereich der Demokratischen Autonomen Verwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES) und der SDF:

Die von der Türkei unterstützte SNA führte ihre Offensive gegen die SDF und das Gebiet der DAANES fort. Die SNA nahm in den vergangenen Tagen Gebiete der nordwestlichen Region Shahba sowie die Stadt Manbidsch ein. Am 10.12.2024 griffen SNA-Kämpfer den strategisch wichtigen Tischreen-Staudamm unter kurdischer Kontrolle in der Provinz Aleppo an (Rudaw, 10.12.2024), und rückten auf die Stadt Kobanê vor (Al-Monitor, 10.12.2024). Am 11.12.2024 kam es nach Vermittlungen der US-Behörden zu einem Waffenstillstand in der Stadt Manbidsch. Das Abkommen sieht den Abzug der (mit den SDF verbündeten) „Manbij Military Council Forces“ vor (SOHR, 11.12.2024). Am 17.12.2024 wurde dieser Waffenstillstand bis zum Ende derselben Woche verlängert (Reuters, 17.12.2024). Am 18.12.2024 trat ein Waffenstillstandsabkommen in der Region Ain Al-Arab (auch Kobanê) in Kraft (SOHR, 18.12.2024). Die SDF warfen der Türkei und ihren Verbündeten vor, sich nicht an das Waffenstillstandsabkommen zu halten und ihre Angriffe südlich von Kobanê fortzusetzen. Zur gleichen Zeit gingen Einwohner der nordostsyrischen Stadt Qamischli auf die Straße, um den Widerstand der SDF gegen die Angriffe protürkischer Kämpfer in der Region zu unterstützen (France24, 19.12.2024). Am 21.12.2024 wurden laut SDF fünf ihrer Kämpfer bei Angriffen durch von der Türkei unterstützte Streitkräfte auf die Stadt Manbidsch getötet (Reuters, 21.12.2024). Das Pentagon erklärte am 30.12.2024, dass der Waffenstillstand zwischen der Türkei und den von den USA unterstützten SDF rund um die Stadt Manbidsch anhält (Reuters, 30.12.2024). Am selben Tag behauptete die SDF, dass die Türkei zwei Militärstützpunkte in der Nähe von Manbidsch aufbaut und mehrere Militärfahrzeuge und Radarsystem von den SDF zerstört wurden (Rudaw, 30.12.2024). Zur gleichen Zeit kam es erneut zu Schusswechseln zwischen von der Türkei unterstützen Kräften und den SDF. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) griffen türkische Streitkräfte und mit ihnen verbündete bewaffnete Gruppen das Dorf al-Terwaziyah südlich von Slouk im ländlichen Raqqa mit schwerer Artillerie und Maschinengewehren an, was anschließend zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führte. Spezialeinheiten der SDF drangen in Stellungen von durch die Türkei unterstützen Fraktionen im Dorf Al-Reyhaniyah in der Nähe von Tel Tamer in der Provinz Hasaka ein (Kurdistan24, 30.12.2024). Anfang Jänner 2025 kamen bei Zusammenstößen in mehreren Dörfern rund um die Stadt Manbidsch über hundert Menschen ums Leben (The New Arab, 05.01.2025). SOHR berichtete von heftigen Kämpfen in der Region von Manbidsch zwischen der SNA und der SDF und steigenden Opferzahlen (Shafaq News, 09.01.2025).

Am 11.12.2024 übernahm die Koalition ehemaliger oppositioneller Kräfte unter HTS-Führung die vollständige Kontrolle über die ostsyrische Stadt Deir ez-Zor (Al Jazeera, 11.12.2024). Im Osten der Provinz Deir ez-Zor kam es zu Demonstrationen und der Forderung, die von HTS geführten Streitkräfte sollten die Kontrolle über das Gebiet übernehmen. Einige Kommandanten der SDF seien in Folge desertiert (Syria Direct, 13.12.2024).

Erklärungen der UN-Organisationen (Sicherheit, Sozioökonomische Situation, Flüchtlinge)

UNHCR berichtet, dass zwischen dem Beginn der Offensive am 27.11.2024 und dem 11.12.2024 etwa eine Million Menschen aus den Provinzen Aleppo, Hama, Homs und Idlib vertrieben wurden. Berichten zufolge kehrten im selben Zeitraum Tausende syrische Flüchtlinge aus dem Libanon ins Land zurück. Auch aus der Türkei kehrten Flüchtlinge in den Nordwesten Syriens zurück. Gleichzeitig flohen einige Syrer in den Libanon (UNHCR, 11.12.2024).

Der UN-Nothilfekoordinator Tom Fletcher berichtet am 17.12.2024 über kritische Engpässe bei Nahrungsmitteln, Treibstoff und Vorräten aufgrund unterbrochener Handelsrouten und Grenzschließungen (UN News, 17.12.2024).

Laut UNICEF benötigen 7,5 Million Kinder in Syrien humanitäre Hilfe. Mehr als 2,4 Millionen Kinder gehen nicht zur Schule, und eine weitere Million Kinder läuft Gefahr, die Schule abzubrechen. Auch die Gesundheitsversorgung ist fragil. Fast 40% der Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen sind teilweise oder vollständig funktionslos. Fast 13,6 Millionen Menschen benötigen Wasser, Sanitäranlagen und Hygienedienste; und 5,7 Millionen Menschen, darunter 3,7 Millionen Kinder, benötigen Nahrungsmittellieferungen (UNICEF, 18.12.2024).

Die UN berichtet, dass es in der Woche vom 23.12.2024 weiterhin zu Feindseligkeiten und Unsicherheiten in den Provinzen Aleppo, Homs, Hama, Latakia, Tartus, Deir ez-Zor und Quneitra kam. Aufgrund der angespannten Sicherheitslage waren humanitäre Einsätze mit 30.12.2024 in mehreren Gebieten weiterhin ausgesetzt. Im November hatten rund zwei Millionen Menschen in ganz Syrien Nahrungsmittelhilfe in unterschiedlicher Form erhalten. Die instabile Sicherheitslage in den ländlichen Gebieten von Hama, Quneitra, Latakia und Tartus beeinträchtigte die Möglichkeit des Schulbesuches für Kinder (UN News, 30.12.2024).

Mit 29.12.2024 haben 94 der 114 von UNHCR unterstützten Gemeindezentren in ganz Syrien ihre Arbeit wiederaufgenommen. Seit dem 27.11.2024 haben sich 58.500 Personen an die Gemeindezentren gewandt, um Zugang zu Schutz zu erhalten. Laut UNHCR kehrten zwischen dem 08.12.2024 und dem 29.12.2024 58.400 Personen nach Syrien (hauptsächlich aus dem Libanon, Jordanien und der Türkei) zurück. Seit Anfang 2024 (bis zum 29.12.2024) waren ungefähr 419.200 syrische Flüchtlinge zurückgekehrt; die Mehrheit von ihnen nach Raqqa (25%), Aleppo (20%) und Daraa (20%) (UNHCR, 30.12.2024).

Der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, erklärte in seinem Briefing an den UN-Sicherheitsrat am 08.01.2025, dass sich die Sicherheitssituation in einigen Regionen zwar verbesserte, es jedoch weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama kam. Bewaffnete Gruppen, darunter der IS und über 60 Gruppen mit widersprüchlichen Agenden würden ebenfalls eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens darstellen. Pederson berichtete weiters über den oben beschriebenen Konflikt zwischen SNA und SDF, sowie die Verstöße Israels. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen und über 620.000 waren Binnenflüchtlinge. Die am Tischreen-Staudamm verursachten Schäden schränkten die Wasser- und Stromversorgung für mehr als 400.000 Menschen ein (UN News, 08.01.2025).

Weiteres

Human Rights Watch bestätigt am 16.12.2024 den Fund eines Massengrabes im südlichen Damaskus (HRW, 16.12.2024). Am 18.12.2024 startete der erste kommerzielle Flug seit dem Sturz von Baschar Al-Assad, ein Inlandsflug nach Aleppo, vom Flughafen Damaskus (Al-Jazeera, 18.12.2024).

Am Abend des 23.12.2024 setzten Unbekannte in Al-Suqaylabiyah in der Provinz Hama einen öffentlichen Weihnachtsbaum in Brand. Eine Person sei festgenommen worden, hieß es aus Kreisen der örtlichen Sicherheitsbehörden. Der Baum solle ausgebessert werden. Es würden keine Beleidigungen irgendeines Teiles des syrischen Volkes geduldet. Seit der HTS-Machtübernahme fürchten Christen und andere Minderheiten Repressionen. „Wir haben das Recht, Angst zu haben“, sagte Priester Andrew Bahi der dpa in Damaskus. Die Atmosphäre bleibe zweideutig. Die Aussagen der neuen Führung seien jedoch beruhigend. HTS-Anführer Ahmed al-Scharaa hatte nach Assads Sturz wiederholt betont, alle Volksgruppen in dem gespaltenen Land müssten respektiert und berücksichtigt werden. Ein christlicher Bewohner von Damaskus sagte, bisher habe es keine Beleidigungen oder Auseinandersetzungen mit der von den Rebellen gebildeten Übergangsregierung gegeben. „Wir haben die Geschäfte und Häuser nicht so dekoriert, wie wir es gewohnt sind, obwohl uns niemand davon abgehalten hat“, sagte er. In den sozialen Medien kursierten aber Berichte, die ihm Angst machten (DiePresse.com, 24.12.2024).

Ebenfalls rund um Weihnachten soll Berichten zufolge in Nordsyrien ein alawitischer Schrein in Brand gesetzt worden sein, was zu Protesten Tausender Alawiten an mehreren Orten des Landes führte. In Homs soll ein Demonstrant getötet worden sein, als Sicherheitskräfte das Feuer eröffneten, um die Menge zu zerstreuen. Die neue Regierung verhängte eine Ausgangssperre und sprach von Gerüchten, die von Assad-Anhängern ausgenützt würden, um das Land zu destabilisieren. Wer genau für den Angriff verantwortlich sei, bleibe laut Innenministerium unklar (ZEIT ONLINE, 25.12.2024).

Am 27.12.2024 töteten Anhänger von Baschar Al-Assad 14 Menschen bei Zusammenstößen mit Soldaten der neuen Regierung im Westen des Landes, nahe der Stadt Tartus (BBC News, 27.12.2024).

Syriens neuer Geheimdienstchef Anas Khattab hat die Auflösung aller Geheimdienstorganisationen und eine grundlegende Neuorganisation dieses Bereiches angekündigt (DiePresse.com, 29.12.2024).

Die Übergangsregierung in Syrien hat erstmals eine Frau zur geschäftsführenden Direktorin der Zentralbank ernannt. Maysaa Sabrine habe bereits zuvor wichtige Ämter in der Zentralbank innegehabt, darunter die Position der ersten stellvertretenden Direktorin, teilte die Regierung mit. Die Zentralbankchefin ist bereits die zweite Frau in einer Schlüsselposition der neuen Regierung, die das Land nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Bashar al-Assad übernommen hat. Anfang Dezember war Aisha al-Dibas zur Leiterin des Büros für Frauenangelegenheiten ernannt worden (DiePresse.com, 30.12.2024).

Am 07.01.2025 landete der erste internationale Flug seit der Absetzung von Al-Assad auf dem internationalen Flughaften von Damaskus (Al-Jazeera, 07.01.2025).

Anfang Jänner 2024 verfügten die USA eine sechsmonatige Ausnahme von den Sanktionen, eine sogenannte Generallizenz, um humanitäre Hilfe nach dem Ende der Herrschaft von Baschar al-Assad in Syrien zu ermöglichen. Die Ausnahme, die bis zum 07.07.2025 gültig ist, erlaubt bestimmte Transaktionen mit Regierungsinstitutionen, darunter Krankenhäuser, Schulen und Versorgungsunternehmen auf Bundes-, Regional- und lokaler Ebene sowie mit HTS verbundenen Einrichtungen in ganz Syrien. Zwar wurden keine Sanktionen aufgehoben, die Lizenz erlaubt jedoch auch Transaktionen im Zusammenhang mit dem Verkauf, der Lieferung, der Speicherung oder der Spende von Energie, einschließlich Erdöl und Strom, nach oder innerhalb Syriens. Darüber hinaus erlaubt sie persönliche Überweisungen und bestimmte energiebezogene Aktivitäten zur Unterstützung der Wiederaufbaubemühungen (Reuters, 06.01.2025). Nach der Ausnahme von den Sanktionen kündigte Katar eine Hilfe bei der Finanzierung einer 400-prozentigen Erhöhung der Gehälter im öffentlichen Sektor an, die die syrische Übergangsregierung zugesagt hatte (Reuters, 07.01.2025).

Aktuelle Entwicklungen Syrien (Stand 01.04.2025)

Die neue Übergangsregierung unter der Führung von Ahmed al-Scharaa wird von einer Reihe an hochrangigen Treffen ausländischer diplomatischer und politischer Vertreter legitimiert. Am 30.12.2024 besuchte der ukrainische Außenminister Andri Sibiha seinen neuen syrischen Amtskollegen, Asaad Hassan al-Shaibani, in Damaskus und sicherte Syrien Unterstützung zu. Gefolgt vom EU Diplomat, Michael Ohnmacht, reisten zuletzt die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock sowie ihr Amtskollege Jean-Noël Barrot in enger Absprache mit der EU-Außenbeauftragten Kaja Kallas im Auftrag der EU nach Damaskus, wodurch sich bereits ein politischer Neuanfang zwischen Syrien und Europa abzeichnete.

Auch Nachbarstaaten nahmen die Beziehungen zu Syrien wieder auf. Auf Einladung reiste Najib Mikati am 11.01.2025 als erster libanesische Premierminister seit 2010 nach Syrien, um sich mit Ahmed al-Sharaa in Damaskus zu treffen. Am 15.01.2025 besuchte der neue syrische Außenminister Asaad Hassan al-Shaybani gemeinsam mit dem syrischen Verteidigungsminister Murhaf Abu Kasra und Geheimdienstchef Anas Chattab erstmals die Türkei. Dabei fand ein Treffen mit dem türkischen Außenminister sowie mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan statt.

Der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus wurde am 07.01.2025 wieder aufgenommen.

Seit dem Machtwechsel am 08.12.2024 kehrten zuletzt – schätzungsweise 115.000 – insbesondere in benachbarte Staaten geflüchtete Syrer in ihre Heimat zurück.

1.2.11. Die Vereinigten Staaten von Amerika lockerten die Sanktionsbedingungen zur Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien für eine Dauer von sechs Monaten. Hilfsorganisationen und Firmen, die lebenswichtige Güter liefern, wird eine Ausnahmegenehmigung erteilt.

Kurz nach dem Machtwechsel versammelten sich hunderte Männer und Frauen friedlich miteinander auf den Straßen Damaskus um ihre Meinung für ein vereintes Syrien, Demokratie, Frauenrechte, einer freien, pluralistischen Gesellschaft und einen säkularen Staat kundzutun. Diese Demonstrationen fanden insbesondere unter Anwesenheit patrouillierender HTS-Kämpfer statt, welche keinerlei Repressionsmaßnahmen gegen Demonstrierende setzten, sondern vielmehr um Entspannung bemüht waren.

Den Vertretern der HTS-Übergangsregierung ist bisher ein sehr gemäßigtes Auftreten beizumessen, zumal sich diese ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat. Sie spricht sich etwa für Minderheitenschutz aus, bekennt sich zu einer „nationalistisch-religiösen Haltung“ und zum endgültigen Bruch mit Organisationen wie al-Quaida oder dem IS.

Quellen:

Dass der syrische Geheimdienst aufgelöst werden soll, basiert auf den medial bekanntgewordenen Aussagen des neu ernannten Geheimdienstchef Anas Chattab. [Tagesschau 29.12.2024] Dieser beklagte „die Unterdrückung und Tyrannei des alten Regimes" unter Assad und kündigte damit eine Neuorganisation des Sicherheitsapparats an. "Die Sicherheitsdienste des alten Regimes waren zahlreich und vielfältig, aber allen war gemeinsam, dass sie dem Volk aufgezwungen wurden, um es fünf Jahrzehnte lang zu unterdrücken", so Chattab.

Offizielle Besuche diplomatischer und politischer Vertreter aus dem Westen und Nachbarländern Syriens, allen voran die Reise der deutschen Außenministerin sowie des französischen Außenministers nach Damaskus, sowie der Besuch des libanesischen Premierministers, sind ebenso breit medial bekannt geworden [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024], [ENR 03.01.2025], [Reuters 11.01.2025]. Ebenso wie der kürzlich erfolgte Besuch von Vertretern der syrischen Übergangsregierung in der Türkei [FR 17.01.2025].

2.2.9. Der Umstand, dass der internationale Flugbetrieb am Flughafen Damaskus am 07.01.2025 wiederaufgenommen werden konnte, am 11.01.2025 der erste kommerzielle Flug seit 13 Jahren der Fluglinie Qatar Airways landete und künftig dreimal wöchentlich eine Verbindung zwischen Doha und Damaskus geplant ist, lässt ebenso auf eine Normalisierung und Aufnahme internationaler Beziehungen schließen [NZZ 11.01.2025], [Qatar 02.01.2025], [ORF 07.01.2025].

Der Umstand, dass sich viele geflüchtete Syrer auf dem Weg zurück in ihre Heimat machen, ist insbesondere dem UNHCR Regional Flash Update #8 vom 02.01.2025 zu entnehmen. Demnach kehren ganze Familien, aber auch Frauen und Kinder allein nach Syrien zurück, während Familienväter zwischenzeitlich noch im Ausland verbleiben, um finanzielle Mittel für den Neubeginn in Syrien zu erwirtschaften [UNHCR Flash Update #8].

Dass die Vereinigten Staaten von Amerika Teile der Sanktionen im Hinblick auf die Erleichterung von humanitär Hilfe in Syrien lockerten, ist medialen Berichten wie etwa [TA 06.12.2024], [Die Presse 07.01.2025] sowie dem Iran Update vom Institute for the Study of War vom 07.01.2025 zu entnehmen.

Die friedlich abgehaltenen Demonstrationen sind ebenso medialen Berichten zu entnehmen: [TAZ 20.12.2024], [FAZ 20.12.2024].

Die Feststellung, dass sich die HTS ideologisch und theologisch neu ausgerichtet hat [LMD 01/2025] und sich im Gesamten sehr gemäßigt präsentiert, folgt insbesondere aus der Annäherung westlicher politischer und diplomatischer Vertreter sowie medial bekannt gewordene Äußerungen von Vertretern der Übergangsregierung sowie dem Umstand, dass keine gegenteiligen Berichte internationaler Medien und Organisationen hervorgekommen sind. Ebenso basiert die Feststellung, dass die neue Übergangsregierung versprach, Minderheiten zu schützen, auf medial bekanntgewordene Aussagen hochrangiger Vertreter der HTS. [ZDF 03.01.2025], [Tagesschau 29.12.2024].

Allerneueste Entwicklungen (jeweils NZZ online):

Erstmals seit dem Sturz von Bashar al Asad ist eine Delegation des russischen Aussenministeriums in Damaskus zu Gesprächen mit den neuen Machthabern eingetroffen. Der Status der russischen Militärbasen in Syrien ändere sich vorerst nicht, teilte Vizeaussenminister Michail Bogdanow, einer der zwei Delegationsleiter, nach den Sondierungsgesprächen am Dienstag (28. 1.) mit. «Das ist eine Frage weiterer Verhandlungen.» Moskau setze auf eine weitere Zusammenarbeit.

Die Aussenminister der EU-Staaten haben eine schrittweise Lockerung von Sanktionen gegen Syrien gebilligt. Das am Montag (27. 1.) bei einem Treffen in Brüssel vereinbarte Vorgehen sieht vor, den neuen Machthabern Anreize zu geben, eine echte Demokratie in Syrien aufzubauen. Dabei besteht auch die Hoffnung, dass Hunderttausende syrische Flüchtlinge in der EU eines Tages in ihre Heimat zurückkehren können. Die EU-Aussenbeauftragte Kaja Kallas sagte nach dem Treffen, die Lockerungen sollten den Wiederaufbau erleichtern und Syrien helfen, wieder auf die Beine zu kommen. Zugleich betonte sie, der Plan beinhalte auch, Lockerungen wieder rückgängig zu machen, wenn die neuen Machthaber Schritte einleiten, die aus EU-Sicht in die falsche Richtung gehen. Zu den Sanktionen, die aufgehoben werden sollen, gehören demnach vor allem Massnahmen, die die Energieversorgung negativ beeinträchtigen und den Personen- und Warenverkehr erschweren. Zudem sind auch Lockerungen für den Bankensektor geplant.

Bewaffnete Gruppen in Syrien haben einen Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Atta al-Hariri habe den IS im Osten Syriens angeführt, hiess es aus Quellen in der syrischen Übergangsregierung. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London, die die Lage in Syrien mit einem Netzwerk aus Aktivisten verfolgt, bestätigte am Montag (27. 1.) die Festnahme und Details der Aktion.

Bei mutmasslichen Racheakten in Syrien sind 39 Personen getötet worden. Dies berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag (27. 1.). Die Gewalt soll sich gegen Anhänger des gestürzten Präsidenten Bashar al-Asad und Mitglieder religiöser Minderheiten gerichtet haben. In dem Zusammenhang spricht die Beobachtungsstelle von Hinrichtungen und «willkürlichen Massenverhaftungen». Die Taten hätten sich Mitte vergangener Woche rund um die Grossstadt Homs ereignet und wurden laut der Beobachtungsstelle von militanten Gruppen verübt, die keine Anhänger der neuen Übergangsregierung sein sollen. Unabhängige Bestätigungen liegen derzeit nicht vor.

Bei einem israelischen Luftangriff im Süden Syriens sind laut Angaben von Aktivisten am Mittwoch (15. 1.) mindestens drei Personen getötet worden. Der Drohnenangriff in der Provinz Kunaitra habe einen syrischen Militärkonvoi mit Soldaten der neuen Übergangsregierung getroffen, meldete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Eine weitere Person sei schwer verletzt worden. Israels Militär machte zunächst keine Angaben zu Opfern.

In der syrischen Hauptstadt Damaskus ist am Samstag (11. 1.) ein terroristischer Anschlag des IS auf die Sayeda-Zinab-Moschee vereitelt worden. Das meldet die staatliche Nachrichtenagentur Sana unter Berufung auf den Geheimdienst. Die IS-Mitglieder seien verhaftet worden, bevor sie das Attentat ausüben konnten.

Erstmals seit dem Machtwechsel in Syrien hat Russlands Präsident Wladimir Putin mit dem Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa telefoniert. Das teilte der Kreml am Mittwoch (12. 2.) mit und sprach von einem «umfassenden Meinungsaustausch zur aktuellen Lage in Syrien». Die syrische Präsidentschaft in Damaskus bestätigte das Telefonat, nannte aber keine Details. Die russische Seite habe ihre Unterstützung für die Einheit und Souveränität Syriens erklärt, hiess es in der Kreml-Mitteilung. Putin habe Hilfe angeboten, um die soziale und wirtschaftliche Lage in Syrien zu verbessern. Die Mitteilung ging nicht darauf ein, dass Russland bis zum Sturz des langjährigen Machthabers Bashar al-Asad vor zwei Monaten dessen Schutzmacht war – und ihm nach seinem Sturz Asyl gewährt hatte.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat am Donnerstag (6. 2.) mit dem syrischen Übergangspräsidenten Ahmed al-Sharaa telefoniert und diesen dabei nach Frankreich eingeladen. Das teilte die syrische Präsidentschaft mit. Aus Paris gab es für die Einladung zunächst keine Bestätigung. Wie es aus dem Élysée-Palast hiess, habe Macron die Initiative für das Telefonat mit Blick auf die internationale Syrien-Konferenz ergriffen, die am Donnerstag kommender Woche in Paris organisiert wird. Macron habe den Wunsch geäussert, dass der von den Interimsbehörden eingeleitete Prozess den Bestrebungen des syrischen Volkes in vollem Umfang gerecht wird. Auch habe Macron die Treue Frankreichs zu den demokratischen Kräften in Syrien betont und zu deren vollständiger Integration in den syrischen Übergangsprozess aufgerufen, hiess es in Paris.

Die erste Präsidentenwahl nach dem Machtwechsel in Syrien wird laut Angaben des Interims-Staatschefs erst in vier bis fünf Jahren stattfinden. In einem ersten Interview im syrischen Fernsehen nach seiner Ernennung am Montag (3. 2.) äusserte sich Ahmed al-Sharaa vage über die politische Zukunft des Landes. Die künftige Regierung werde Syrien repräsentieren, aber vor allem auf der Kompetenz der Individuen beruhen, sagte al-Sharaa. Weiteren Nachfragen der Fernsehjournalisten wich al-Sharaa aus. Er erklärte zudem, sich zunächst auf eine Reform der syrischen Wirtschaft konzentrieren zu wollen. Die Korruption der alten Regierung habe die ökonomische Lage schwer beeinträchtigt, so al-Sharaa. «Wir müssen viele Institutionen reformieren, um eine erfolgreiche Wirtschaft zu schaffen und das Land für Investitionen attraktiv zu machen.» Ziel sei es auch, dass sich viele Syrerinnen und Syrer für die Rückkehr in ihr Land entscheiden.

Die kurdisch dominierten Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) sind mit den neuen syrischen Machthabern zu einer Einigung gelangt. Die SDF, die einen Grossteil des erdölreichen Nordostens Syriens kontrollieren, erklärten sich bereit, sich in die syrischen staatlichen Institutionen zu integrieren. Dazu unterzeichneten sie ein Abkommen, wie die syrische Präsidentschaft am Montag (10. 3.) mitteilte. Das Abkommen sieht eine vollständige Einstellung der Kampfhandlungen vor und wurde vom syrischen Interimspräsidenten Ahmed al-Sharaa und dem Kommandeur der SDF, Mazloum Abdi, unterzeichnet. Gemäss der Vereinbarung werden alle zivilen und militärischen Einrichtungen im Nordosten Syriens in den Staat integriert, der damit die Kontrolle über die Grenzen, die Flughäfen sowie die Öl- und Gasfelder übernimmt. Die SDF erklärten sich bereit, die Regierung bei der Bekämpfung von Überresten des gestürzten Regimes von Präsident Bashar al-Asad und jeglicher Bedrohung der Sicherheit und Einheit Syriens zu unterstützen.

Das syrische Verteidigungsministerium hat am Montag (10. 3.) den Abschluss der Militäroperationen gegen die verbliebenen Loyalisten des gestürzten Machthabers Bashar al-Asad vermeldet. Bei den Zusammenstössen mit den neuen islamistischen Machthabern sind laut Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mehr als 1000 Personen ums Leben gekommen. Wie die in Grossbritannien ansässige Organisation berichtet, wurden dabei 745 Zivilisten, darunter Frauen und Kinder getötet und exekutiert. In der Küstenregion Syriens war es am vergangenen Donnerstag und Freitag zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des gestürzten Ex-Präsidenten Bashar al-Asad und Sicherheitskräften der neuen Machthaber gekommen. Die Region gilt als Hochburg al-Asads, der zur religiösen Minderheit der Alawiten gehört.

Bei Gefechten im Grenzgebiet zwischen Libanon und Syrien sind mehrere Menschen getötet worden. Auf syrischer Seite seien seit Ausbruch der Gefechte am Sonntagabend (16. 3.) mindestens zehn Personen gestorben, berichtete das syrische Staatsfernsehen. Das libanesische Gesundheitsministerium meldete sieben Tote und 52 Verletzte im Land. Laut dem syrischen Verteidigungsministerium gerieten am Sonntag drei Soldaten der Übergangsregierung in Syrien in einen Hinterhalt der libanesischen Hizbullah-Miliz. Deren Kämpfer hätten die Soldaten in der Provinz Homs entführt, in den Libanon verschleppt und dort getötet. Laut Angaben der libanesischen Armee wurden Orte in Libanon aus Syrien beschossen. Der Hizbullah wies jede Verantwortung zurück.

Die israelische Luftwaffe soll in der syrischen Hauptstadt Damaskus ein Wohngebäude bombardiert haben. Das berichtete die syrische Nachrichtenagentur Sana. Laut dem israelischen Armeeradio soll der Angriff der islamistischen Terrororganisation Palästinensischer Islamischer Jihad gegolten haben, der sein Hauptquartier im Gebäude eingerichtet haben soll. Der israelische Verteidigungsminister Israel Katz erklärte dazu, es werde keine Immunität für islamistischen Terror gegen Israel geben – weder in Damaskus noch anderswo. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, dass zwei Raketen eingeschlagen seien. Das Gebäude sowie angrenzende Häuser hätten darauf gebrannt. Ob es Tote gab, war zunächst unklar.

Der amerikanische Aussenminister Marco Rubio hat am Dienstag (11. 3.) die am Tag zuvor getroffene Übereinkunft in Syrien positiv bewertet. «Die Vereinigten Staaten begrüssen die kürzlich angekündigte Vereinbarung zwischen den syrischen Übergangsbehörden und den Demokratischen Kräften Syriens, den Nordosten in ein vereintes Syrien zu integrieren», sagte Rubio in einer Erklärung. «Die Vereinigten Staaten bekräftigen ihre Unterstützung für einen politischen Übergang, der eine glaubwürdige, nicht-konfessionsgebundene Regierungsführung als den besten Weg zur Vermeidung eines weiteren Konflikts zeigt. Wir werden die Entscheidungen der Übergangsbehörden weiterhin beobachten und nehmen mit Sorge die jüngste tödliche Gewalt gegen Minderheiten zur Kenntnis», fügte Rubio hinzu.

Das israelische Militär hat laut eigenen Angaben am Freitag (21. 3.) zwei syrische Militärstützpunkte angegriffen. In der Begründung hiess es, dass diese angeblich über «militärstrategische Fähigkeiten» verfügen. In einer Erklärung bezeichnete das Militär die Stützpunkte als Tadmur und T4.

Israels Luftwaffe hat laut eigenen Angaben einen Militärflughafen im Zentrum des Nachbarlandes Syrien angegriffen. Es seien Anlagen der früheren syrischen Regierung von Bashar al-Asad auf den Stützpunkten Palmyra sowie auf dem Militärflugplatz Tiyas zwischen Homs und Palmyra getroffen worden, teilte das Militär in der Nacht auf Samstag (22. 3.) seinem Telegram-Kanal mit. Diese stellten eine Bedrohung für die Bewohner Israels dar, hiess es. Die Angaben des israelischen Militärs liessen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen. Man werde auch weiterhin jegliche Bedrohung für den Staat Israel beseitigen, hiess es.

Die Kurden im Nordosten Syriens haben sich am Sonntag (30. 3.) gegen die neue Regierung gestellt und lehnen diese ab. Laut der Autonomen Verwaltung im Norden und Osten Syriens (AANES) spiegele das Kabinett nicht die Vielfalt des Landes. Die AANES sehe sich nicht an Entscheidungen der neuen Regierung gebunden. Am Samstag hatte Syriens islamistischer Übergangspräsident Ahmed al-Sharaa eine neue Regierung mit 22 Ministern berufen, darunter auch erstmals eine Frau. Hind Kabawat wird als Ministerin für Soziales und Arbeit zuständig sein. Sie ist Christin. Die Kurden werfen den Islamisten unter al-Sharaa vor, die Macht in nur einer Hand zu bündeln, so wie der gestürzte Langzeitherrscher Bashar al-Asad. Die kurdisch kontrollierten Gebiete machen rund 30 Prozent Syriens aus.

Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der persönlichen Umstände des BF, seiner Familie, des Zeitpunktes seiner Ausreise aus Syrien und der Aufenthaltsorte der Familienmitglieder beruhen auf den diesbezüglich unbedenklichen Angaben des BF gegenüber der Polizei, dem BFA sowie dem erkennenden Gericht sowie den von ihm vorgelegten unbedenklichen syrischen Urkunden. Bereits die belangte Behörde ging von einer feststehenden Identität aus.

Dass eine Verfolgungsgefahr durch das Assad-Regime, auf die sich der BF (auch) berufen hat, nicht mehr besteht, ergibt sich daraus, dass Baschar al-Assad nicht mehr syrischer Präsident ist und sein Regime infolge der erfolgreichen, Ende November 2024 gestarteten HTS-geführten Großoffensive nicht mehr existiert. Dem vermochte der BF weder in seiner Stellungnahme noch in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Gericht substantiiert entgegen zu treten. Dem BF wurde bereits im Rahmen des Parteiengehörs, insbesondere unter Verweis auf die Kurzinformation der Staatendokumentation zur Sicherheitslage und politischen Lage vom 10.12.2024, vorgehalten, dass die Soldaten der von Assad befehligten SAA vom Armeekommando außer Dienst gestellt worden seien, für diese eine Generalamnestie erlassen worden sei und aktuell in Syrien keine staatliche Wehrpflicht bestehe (Stand 11.03.2025).

Dies wird auch durch den Country of Origin Information Report „Syria: Country Focus“ der Europäischen Asylagentur EUAA vom März 2025, S. 24, bestätigt:

„The transitional government further abolished conscription [Wehrflicht, Anm. des Gerichtes], except in situations such as national emergencies. According to Samir Saleh, member of the military command in Damaskus countryside, the Syrian army is going to be an army of volunteers in which the population will be encouraged to participate, with the aim to secure the country`s borders.“

Der BF, der sich im bisherigen Verfahren vor dem Sturz des Assad-Regimes auf den Fluchtgrund einer möglichen Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime und die kurdischen bewaffneten Milizen gestützt hatte, gründet sein nunmehriges Asylvorbringen nun ganz allgemein auf Furcht vor der „dschihadistischen Terrorgruppierung“ HTS, eine mögliche Zwangsrekrutierung durch die YPG sowie Verfolgung als Kurde, im Speziellen als Kurde aus Afrin.

Laut der aktuellen Version der Syria-Live-Map (https://syria.liveuamap.com) steht Sheikh Maqsood unter der Kontrolle kurdischer Milizen, weshalb die diesbezügliche Feststellung getroffen werden konnte.

Betreffend eine mögliche Rekrutierung durch die Streitkräfte der kurdischen Selbstverwaltung schilderte der BF vor der belangten Behörde, eine Woche vor seiner Ausreise sei ein Funktionär der Kurden gekommen und habe seinem Vater mitgeteilt, dass er bei den Kurden zum Militär müsse. Daher sei er „nach einer Woche Frist“ ausgereist und seine Familie sei nach einem Jahr in die Türkei nachgereist (BFA, S. 8). Er verneinte „persönliche Rekrutierungsversuche durch das Regime oder die Kurden“ (BFA, S. 9).

In der Beschwerde machte der BF lediglich ganz allgemeine Angaben hinsichtlich einer Gefahr einer Zwangsrekrutierung „auch durch die kurdische Selbstverwaltung“, ebenso wie in der Stellungnahme vom 29.01.2025.

Vor Gericht gab er an, „sie“ hätten seinem Vater eine einwöchige Frist gegeben, damit er sich der YPG anschließe (BVwG, S. 5). Er stamme ursprünglich aus dem Dorf XXXX in Afrin. Er sei damals unterwegs bei Freunden gewesen. Als er zu Hause angekommen sei, seien zwei vermummte Männer bei ihnen zu Hause gestanden. Sie hätten seinem Vater gesagt, der BF müsse sich ihnen anschließen. Er habe Angst bekommen, sein Vater ebenso. Sie hätten seinem Vater dann eine einwöchige Frist gegeben, binnen der der BF sich stellen hätte müssen (BVwG, S.6).

Aufgrund der diesbezüglich unklaren Aussage erfolgte die Rückfrage, ob der BF diese vermummten Männer gesehen habe, was der BF verneinte. Protokolliert wurde diesbezüglich: „Ich hätte das anders formulieren müssen, da damals nur mein Vater und meine jüngeren Geschwister anwesend waren“.

Schon diese Aussage ist in sich widersprüchlich, zumal der BF zunächst angab, als er zu Hause angekommen sei, seien zwei vermummte Männer bei ihnen zu Hause gestanden (was auf eine Wahrnehmung dieser Männer durch den BF schließen läßt). Der BF konnte nicht aufklären, weshalb er diese Männer in weiterer Folge nicht gesehen haben will. Allerdings weicht die gesamte Aussage vor Gericht von jener vor dem BFA ab, zumal er vor der belangten Behörde angegeben hatte, „ein Funktionär der Kurden“ sei bei seinem Vater gewesen.

Davon abgesehen ist aber auch nicht glaubwürdig, dass der BF zu diesem Zeitpunkt (2014) wieder in XXXX lebte:

Er gab zunächst vor der belangten Behörde an, mit seinen Eltern nach Aleppo gezogen zu sein, als er drei Jahre alt gewesen sei. Über ausdrückliche Frage gab er in weiterer Folge an, er sei in Aleppo aufgewachsen und habe bis zur Ausreise dort gelebt (BFA S 5). Er gab zwar in weiterer Folge an, am 01.04.2013 sei die FSA in Aleppo einmarschiert und darum seien sie gezwungen gewesen, in ihr Heimatdorf XXXX zu flüchten, das unter Kontrolle der Kurden gewesen sei (BFA S 8). Allerdings gab der BF vor Gericht an, dass er nach dem Revolutionsausbruch 2011 nach XXXX zurückgekehrt sei (BVwG S 7 u. 8).

Es wäre zwar im Hinblick auf die Bildungssituation des BF nachvollziehbar, wenn er sich nicht mehr genau an einzelne Daten und Jahreszahlen erinnern könnte. Im Hinblick auf die genaue Angabe des Datums 01.04.2013 auch vor der belangten Behörde und der mehrmaligen Nennung der Jahreszahl 2011 ist hier aber - auch im Zusammenhalt mit den sonstigen Aussagen (wonach er bis zu seiner Ausreise in Aleppo gelebt habe) - von wesentlichen Widersprüchen auszugehen, die zu einer diesbezüglichen Unglaubwürdigkeit führen.

Dies gilt auch für die Aussagen des BF im Verhältnis zur Berichtslage für die Wehrpflicht im Gebiet der demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien des letztgültig veröffentlichten LIB Syrien vom März 2024 im Zusammenhalt mit der Anfragebeantwortung Ecoi.net zu Syrien „Rekrutierungspraxis der Übergangsregierung, Rekrutierungen durch andere bewaffnete Gruppen“ vom 21.03.2025:

Das Dekret Nr. 3 beschränkt die Selbstverteidigungspflicht auf Männer, die 1998 oder später geboren wurden (LIB S 157, Anfragebeantwortung S 7). Der BF fällt mit seinem Geburtsjahr XXXX deutlich außerhalb diese Gruppe.

Es ist ihm auch nicht gelungen, individuelle Umstände glaubhaft zu machen, weshalb er im Einzelfall von einer Zwangsrekrutierung betroffen sein sollte, insbesondere als er bereits mehr als zehn Jahre außerhalb Syriens gelebt hat.

Die Feststellungen zur Selbstverteidigungspflicht bei den kurdischen Milizen in der AANES beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsblatt zu Syrien. Nach der maßgeblichen Berichtslage (LIB und ACCORD-Anfragebeantwortung [a-12201-2] vom 07.09.2023) werden seit einem Dekret aus dem Jahr 2021 nur mehr die Jahrgänge 1998 und jünger für diesen Wehrdienst (zwangs-)rekrutiert, sobald sie ihren 18. Geburtstag erreicht haben.

Was die Konsequenzen für Verweigerer des Wehrdienstes bei den kurdischen Milizen betrifft, ist auf die Länderinformationen (siehe etwa die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 06.09.2023 [a-12188-2]) zu verweisen: Demnach werden Wehrdienstverweigerer höchstens ein bis zwei Wochen inhaftiert, um einen passenden Einsatzort für sie zu finden; danach ist der (allenfalls aufgrund der vorherigen Verweigerung um ein Monat verlängerte) Wehrdienst abzuleisten. Es gibt jedoch keine Hinweise darauf, dass Wehrdienstverweigerer wegen ihrer Wehrdienstverweigerung gefoltert oder sonst einer unmenschlichen Behandlung unterworfen werden. Außerdem werden Wehrpflichtige grundsätzlich nicht im aktiven Kampf (sondern in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz) eingesetzt und ist auch nicht davon auszugehen, dass Wehrpflichtige gezwungen werden, sich an völkerrechtswidrigen Militäraktionen zu beteiligen.

Die Feststellung, dass der BF nach einer Rückkehr nach Syrien nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von Menschenrechtsverletzungen durch HTS-Angehörige betroffen wäre, fußt auf folgenden Erwägungen:

Es ist glaubhaft, dass es vor der zum Sturz des syrischen Regimes führenden Offensive in den HTS-beherrschten Gebieten im Nordwesten Syriens (in der Provinz Idlib und angrenzenden Provinzen) zu Menschenrechtsverletzungen seitens der HTS-Machthaber kam. Die der HTS-Regierung in Idlib vorgeworfenen Menschenrechtsverletzungen betrafen vor allem Frauen, (vermeintliche) Oppositionelle und Angehörige von Minderheiten (z.B. Christen). Dass der männliche BF, der Sunnit und nicht durch oppositionelle Aktivitäten in Erscheinung getreten ist, im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsort, der nunmehr unter HTS-Kontrolle steht, Opfer derartiger Menschenrechtsverletzungen werden könnte, ist nicht zu erwarten. Der BF hat diesbezüglich auch nichts Konkretes vorgebracht.

Die Negativfeststellung hinsichtlich einer Verfolgungsgefahr als Angehöriger der kurdischen Minderheit als solche ergibt sich aus dem aus den Berichten ersichtlichen Umstand, dass zwar die Kurden in Syrien zu Zeit des Assad Regimes unterschiedlichster Diskriminierung unterworfen waren, allerdings eine zahlmäßig sehr bedeutende Minderheit darstellen (über 2 Mio. Menschen) und aufgrund der aktuellen politischen Entwicklungen von einer gewissen Konsolidierungssituation in Syrien auch im Hinblick auf Minderheiten auszugehen ist. Diesbezüglich ist insbesondere auf die Einigung der syrischen demokratischen Kräfte (SDF) mit den neuen syrischen Machthabern am 10.03.2025 mit dem Ziel der Integration aller ziviler und militärischer Einrichtungen im Nordosten Syriens in den syrischen Staat und die Erklärung der SDF, die Regierung bei der Bekämpfung von Überresten des gestürzten Regimes vom Präsident Assad zu unterstützen, zu verweisen (siehe die dem BF in der Verhandlung zur Kenntnis gebrachten „aktuelle Entwicklungen Syrien, Stand 19.03.2025)“.

Nicht verkannt wird, dass es in diesem Zusammenhang auch Rückschläge gibt und nach einzelnen Meldungen die am 30.03.2025 getroffene Einigung allenfalls vorübergehend abgelehnt worden seien soll.

Weder daraus noch aus der sonstigen Berichtslage ist auch nur annähernd abzuleiten, dass den Kurden als Gesamtheit Verfolgung in einem Ausmaß droht, wie dies der BF vor Gericht in Bezug auf die Alawiten angenommen hat. Die am Anfang der Verhandlung, noch vor Beginn der Vernehmung, geäußerte Furcht, weil es erst vor einigen Tagen zur Eskalation und zur Tötung von Alawiten gekommen sei, fürchte er als Kurde ebenso durch die Islamisten getötet zu werden, ist aufgrund der Berichtslage nicht begründet. Tatsache ist, dass im Rahmen eines versuchten Aufstands ehemaliger Anhänger des gestürzten Präsidenten Assad, die der religiösen Gruppierung der Alawiten angehörten, diese mit syrischen Armeeeinheiten und Milizen aufeinandertrafen und über 1.000 Opfer zu beklagen waren. Daraus ist nach der Berichtslage aber nicht annähernd abzuleiten, dass das aktuelle Regime „Bestrafungsaktionen“ gegen Bevölkerungsgruppen wie die Kurden vornimmt. In keiner Weise ist daraus abzuleiten, dass den Kurden in ihrer Gesamtheit als Bevölkerungsgruppe Verfolgung „aus islamistischen Motiven“ seitens der Regierung droht.

Wenn der BF in weiterer Folge ausführte, er werde als Kurde aus Afrin „anders betrachtet“, so lebte er nach den Feststellungen lediglich während der ersten drei Lebensjahre in Afrin, sodann bis 2014 in Aleppo. Als Herkunftsort ist daher Aleppo heranzuziehen. Dass der BF als in einem Dorf in Afrin geborener Kurde mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit im Fokus der aktuellen Regierung steht und diesbezüglich gezielter Verfolgung unterliegen würde, ist der Berichtslage nicht zu entnehmen. Solche Umstände wurden durch den BF auch im Rahmen des Verfahrens nicht durch Berichte unterlegt.

Dem BF ist es daher insgesamt nicht gelungen, unter Berücksichtigung der aktuellen Berichtslage nach dem Sturz des Assad Regimes eine für ihn aktuell drohende Bedrohungslage darzutun, die eine gegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Konventionsgründe (im besonderen aufgrund Zugehörigkeit zur Ethnie der Kurden) begründen würde.

Die Unbescholtenheit des BF in Österreich ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die auszugsweise wiedergegebenen aktuellen Länderberichte zu Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes sowie rezente Medienberichte. Die zitierte Kurzinformation der Staatendokumentation zum Machtwechsel in Syrien vom 10.12.2024 wurde dem BF im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Das infolge des Machtwechsels veraltete LIB vom 27.03.2024 wurde dort zitiert, wo es trotz dieses Machtwechsels nach wie vor Aktualität besitzt, oder wo es um einen Vergleich mit der Situation vor dem Machtwechsel geht.

Angesichts der Aktualität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf verschiedenen voneinander unabhängigen dort wiedergegebenen Quellen beruhen und ein übereinstimmendes, in sich schlüssiges und nachvollziehbares Gesamtbild liefern, besteht für das Gericht kein Grund, an der Richtigkeit dieser Angaben zu zweifeln.

Was der BF mit seinem „Antrag auf Beiziehung eines landeskundigen Sachverständigen“ konkret bezweckt, legte er nicht dar. Die zur rechtlichen Beurteilung erforderlichen Feststellungen konnten auf Basis der oben genannten Quellen getroffen werden. Die Bestellung eines Sachverständigen ganz allgemein zur Situation in Syrien scheitert – neben der Nichtverfügbarkeit eines solchen - schon aufgrund der mangelnden Eingrenzung des Beweisthemas.

Rechtlich folgt:

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm in seinem Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Heimatstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, insbesondere, wenn sie Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht oder er einen Asylausschlussgrund gesetzt hat.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 11 und 12 AsylG ist Verfolgung jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, Verfolgungsgrund ein in Art. 10 StatusRL genannter Grund.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art. 9 der StatusRL muss eine Verfolgungshandlung i.S.d. GFK aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sein, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellt oder in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, die so gravierend sind, dass eine Person davon in ähnlicher Weise betroffen ist, bestehen.

Unter anderem können in diesem Sinne folgende Handlungen als Verfolgung gelten: Anwendung physischer oder psychischer, einschließlich sexueller Gewalt; gesetzliche, administrative, polizeiliche und/oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewendet werden; unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung; Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung; Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 2 StatusRL fallen; Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die Furcht eines Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob der Antragsteller tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt AZ 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht vor dieser Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern darauf, ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, dass dem Asylwerber in seinem Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der politischen Gesinnung oder der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe droht.

Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt es nicht bloß auf die tatsächliche politische Gesinnung an, auch eine seitens des Verfolgers dem Asylwerber unterstellte politische Gesinnung ist asylrechtlich relevant.

Im Fall der Behauptung einer asylrelevanten Verfolgung durch die Strafjustiz im Herkunftsstaat bedarf es einer Abgrenzung zwischen der legitimen Strafverfolgung („prosecution“) einerseits und der die Gewährung von Asyl rechtfertigenden Verfolgung aus einem der Gründe des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK („persecution“) andererseits. Keine Verfolgung im asylrechtlichen Sinn ist im Allgemeinen in der staatlichen Strafverfolgung zu erblicken. Allerdings kann auch die Anwendung einer gesetzlich für den Fall der Zuwiderhandlung angeordneten, jeden Bürger des Herkunftsstaates gleichermaßen treffenden Sanktion unter bestimmten Umständen eine Verfolgung im Sinne der GFK aus einem dort genannten Grund sein; etwa dann, wenn das den nationalen Normen zuwiderlaufende Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen jede Verhältnismäßigkeit fehlt.

Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Einziehung zum Wehrdienst sowie der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen. Dabei kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern und Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen − wie etwa der Anwendung von Folter − jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zur Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (zu alledem VwGH 28.03.2023, Ra 2023/20/0027, m.w.N.).

Zum Beschwerdeführer:

Wie dargestellt, berief sich der BF, der sich im bisherigen Verfahren vor dem Sturz des Assad-Regimes auf den Fluchtgrund einer möglichen Zwangsrekrutierung durch das syrische Regime und die kurdischen bewaffneten Milizen gestützt hatte, nunmehr ganz allgemein auf Furcht vor der „dschihadistischen Terrorgruppierung“ HTS, eine mögliche Zwangsrekrutierung durch die YPG sowie Verfolgung als Kurde, im Speziellen als Kurde aus Afrin.

Wie festgestellt, existiert das syrische Regime unter Baschar al-Assad seit dem Umsturz im Dezember 2024 nicht mehr. Der Befürchtung des BF einer Einberufung zum Militärdienst bei der syrischen Armee mit der Gefahr der Beteiligung an Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist damit der Boden entzogen. Eine Verfolgung (aus welchen Gründen auch immer) durch das nicht mehr vorhandene Regime ist daher nicht anzunehmen. Wie festgestellt, finden derzeit keine Zwangsrekrutierungen statt.

Davon abgesehen stellt – wie oben dargestellt - die Furcht vor der Einziehung zum Wehrdienst sowie der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes die Gewährung von Asyl rechtfertigen. Im konkreten Fall liegen aber weder Anhaltspunkte vor, dass dem BF im Fall einer – ohnehin nicht drohenden – Einberufung eine Beteiligung an völkerrechtswidrigen Kriegshandlungen oder eine unverhältnismäßige Strafe im Fall einer Verweigerung droht.

Zur Gefahr im Zusammenhang mit einer Einziehung zu den Selbstverteidigungskräften der YPG:

Der vor 1998 geborene, zweiunddreißigjährige BF unterliegt – wie festgestellt – nicht der Selbstverteidigungspflicht bei den kurdischen Milizen der AANES.

Es kamen auch keine individuellen Umstände hervor, die eine maßgebliche Gefahr einer Heranziehung des BF zu militärischen Zwecken der YPG begründen würden oder den BF in diesem Zusammenhang gefährden könnten. Insbesondere war der behauptete vom BF vereitelte Rekrutierungsversuch 2014, wie oben ausführlich begründet, nicht glaubhaft.

Darüber hinaus lässt sich die dargestellte Rechtsprechung zur Asylrelevanz der Wehrdienstverweigerung sinngemäß auch auf eine Verweigerung des Dienstes bei den kurdischen Selbstverteidigungseinheiten im Rahmen der in der AANES geltenden Selbstverteidigungspflicht anwenden.

Selbst wenn man aber annähme, dass er bei diesen Milizen wehrpflichtig wäre, geht aus den vorliegenden Länderberichten hervor, dass Männern, die sich weigern, diesen Dienst zu leisten weder eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird noch unverhältnismäßige Strafen drohen. Tatsächlich ist die einzige Strafe, die Wehrdienstverweigern in der AANES drohen, die Verlängerung des Wehrdienstes um einen Monat.

Schließlich besteht derzeit mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit auch kein Anlaß, von einer Gefahr einer Teilnahme an völkerrechtswidrigen Militäraktionen ausgehen zu müssen, sodass sich der BF auch nicht darauf berufen kann, Verfolgungshandlungen im Sinne des Art. 9 Abs 2 lit. e der StatusRL ausgesetzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des EuGH betrifft diese Bestimmung zwar alle Militärangehörigen einschließlich des logistischen und unterstützenden Personals, und auch die bloß mittelbare Beteiligung an Kriegsverbrechen; allerdings muss es bei vernünftiger Betrachtung plausibel erscheinen, dass der Asylwerber durch die Ausübung seiner Funktionen „eine für die Vorbereitung oder Durchführung der Verbrechen unerlässliche Unterstützung leisten“ würde (EuGH 26.02.2015, C-472/13 (Shepherd), Rn. 46). Nach der aktuellen Berichtslage ist es nicht wahrscheinlich, dass der BF sich im Rahmen eines – ohnehin nicht anzunehmenden - Wehrdienstes bei den kurdischen Milizen der AANES gezwungen sähe, an völkerrechtswidrigen Militäraktionen teilzunehmen, zumal Wehrpflichtige in der Regel nicht an der Front, sondern für vergleichsweise ungefährliche Tätigkeiten wie etwa den Objektschutz eingesetzt werden.

Die Furcht, sich den Gefahren auszusetzen, die die Ableistung eines Militärdienstes im Kontext eines bewaffneten Konfliktes mit sich bringt, findet keine Deckung in den Verfolgungsgründen von Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108).

Seine Furcht vor der „dschihadistischen Terrorgruppierung“ HTS stellte der BF an die Spitze seiner letzten Stellungnahmen nach dem Sturz des Assad-Regimes: Seiner Ansicht nach habe „jeder vernünftige Mensch […] begründete Furcht vor der Rückkehr in ein von einer jihadistischen Terrorgruppierung regiertes Land.“ Damit legt der BF aber selbst dar, aus seiner Sicht hier einer allgemeinen Gefahr, aber keiner konkret gegen ihn gerichteten Bedrohung ausgesetzt zu sein. Wenn der BF eine Gefahr für ihn als Kurde aus der „Tötung von Alawiten vor einigen Tagen“ (BVwG S 5) ableiten möchte, ist ihm zu entgegnen, dass bei diesem Vorkommnis der Anlaß von einem alwitischen Aufstand ausging und offenbar auch die Verbindung zum bisherigen Regime eine Rolle spielte, was für den BF als Angehörigen der kurdischen Ethnie keine Rolle spielt und somit nicht in Ansätzen von einer Vergleichbarkeit auszugehen ist. Wie in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, trägt die aktuelle Berichtslage keine allgemein seitens der Regierung al Scharaa gegen die Kurden gerichtete Bedrohungslage insbesondere, als politische Einigungsbemühungen betreffend einer Eingliederung der kurdischen Strukturen in den Gesamtstaat formal schon erfolgreich waren und derzeit Umsetzungsbemühungen bestehen. Darüber hinaus ist der Berichtslage auch zu entnehmen, dass die HTS als solche aufgelöst ist und zumindest Bemühungen der Regierung bestehen, die Vielfalt der Ethnien und politischen Kräfte in der derzeitigen Regierung abzubilden. Dem BF ist es nicht annähernd gelungen darzutun, dass von der derzeitigen Regierung eine konkrete asylrelevante Gefahr für den BF ausgeht.

Betreffend die vorgebrachte Verfolgung als Kurde, im Speziellen als Kurde aus Afrin, ist auf den schon in der Beweiswürdigung kurz dargestellten Umstand zu verweisen, dass der BF nach den Feststellungen lediglich während der ersten drei Lebensjahre in Afrin, sodann aber bis zu seiner Ausreise 2014 in Aleppo lebte, weshalb als Herkunftsort Aleppo heranzuziehen ist. Der BF hat auch nicht dargelgt, weshalb allein die Tatsache seines Geburtsortes und seiner drei ersten Lebensjahre in Afrin für ihn unter Zugrundelegung der aktuellen Verhältnisse in Syrien eine Bedrohung darstellen sollte.

Sicherheitslage:

Im Umstand, dass im Heimatland des BF infolge eines mehr als zehn Jahre andauernden Bürgerkrieges eine schlechte Sicherheitslage herrscht, liegt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK begründet (VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310; VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.

Zur Volatilität der Lage in Syrien:

Das Verwaltungsgericht verkennt nicht, dass sich die Lage in Syrien in der ersten Dezemberhälfte des Jahres 2024 sehr rasch verändert hat, dass eine neuerliche Lageveränderung durchaus möglich ist und dass noch weitgehend unklar ist, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln wird. Seit dem Sturz des Assad-Regimes am 8. Dezember 2024 gab es allerdings – von den Kämpfen zwischen der SNA und den SDF im Norden abgesehen – keine größeren Kampfhandlungen mehr. Zudem sprechen die zuletzt stattgefundenen Besuche hochrangiger Vertreter der Europäischen Union sowie die Lockerung der Sanktionen gegenüber Syrien seitens der USA und der EU für eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse in Syrien. Es wäre untunlich, mit einer Entscheidung zuzuwarten, bis völlige Klarheit über die künftigen Verhältnisse herrscht, weil nicht abschätzbar ist, ob und wann ein solches Szenario eintritt. Die verfügbaren aktuellen Berichte zur Lage in Syrien wurden – im Wesentlichen nach vorheriger Gelegenheit zur Stellungnahme – dem Verfahren zugrunde gelegt. Der volatilen Sicherheitslage in Syrien wurde durch die Gewährung subsidiären Schutzes ohnehin Rechnung getragen.

Zu berücksichtigen ist auch, dass nach der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Darlegung der entfernten Möglichkeit einer Verfolgung nicht für eine nach § 3 Abs. 1 AsylG erforderliche Glaubhaftmachung einer Verfolgung im Sinne der zum Entscheidungszeitpunkt anzustellenden Prognose genügt (VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, m.w.N.; VwGH 22.01.2021, Ra 2021/01/0003). Eine potentiell immer und zumal im generell volatilen Syrien mögliche Änderung der Lage zum Schlechteren für einen konkreten Beschwerdeführer kann daher nicht zu einer Asylgewährung führen. Sollte sich die Lage in Syrien dergestalt ändern, dass dem subsidiär schutzberechtigten Beschwerdeführer in Syrien (konkret absehbare) asylrelevante Verfolgung droht, steht ihm schließlich die Möglichkeit offen, einen Folgeantrag zu stellen.

Zu den Gewaltereignissen im März in der syrischen Küstenregion:

Die Gewalteskalation Anfang März in den Gouvernements Latakia, Tartus, Hama und Homs hatte regional begrenzte Konflikte zwischen von Alawiten geführten Milizen und HTS zum Gegenstand. Diese wieder zum Stillstand gekommenen Entwicklungen rechtfertigen nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes im gegenständlichen Verfahren nicht die Annahme, dass dem aus dem Gouvernement Aleppo stammenden BF asylrelevante Verfolgung droht. Zudem kommt dem BF ohnehin derzeit subsidiärer Schutz zu.

Dem BF ist es daher auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgungsgefahr maßgeblicher Intensität, die ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Ausspruch über die Unzulässigkeit der Revision folgt dem Umstand, dass im Wesentlichen Umstände des Einzelfalles zu beurteilen waren und im Rahmen der dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden wurde.

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