JudikaturBVwG

W227 2289075-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
29. April 2025

Spruch

W227 2289075-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde des syrischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 22. Jänner 2024, Zl. 1329399310/223268943, nach einer mündlichen Verhandlung am 6. Februar 2025, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger sunnitisch-muslimischen Glaubens und Angehöriger der arabischen Volksgruppe, stellte am 17. Oktober 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag brachte er vor, dass er Angst vor dem Krieg in Syrien habe. Aus Syrien sei er 2015 illegal ausgereist. Sein Vater habe über die Ausreise entschieden. Seine Eltern und vier Geschwister würden in der Türkei leben.

2. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 9. Oktober 2023 gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an:

Er stamme aus dem Ort XXXX , Provinz Deir ez-Zor, sei aber in Saudi-Arabien geboren, weil seine Eltern dort gearbeitet hätten. Im Jahr 2003 oder 2004 sei er mit seiner Familie nach Syrien zurückgekehrt. Im Jahr 2014 oder 2015 sei er gemeinsam mit seiner Familie in die Türkei ausgereist. Er habe in Syrien ca. neun Jahre lang die Grundschule in XXXX besucht und nebenbei in einem kleinen Restaurant gearbeitet. Einer seiner Onkel, zu dem er in Kontakt stehe, lebe in XXXX , Syrien. Er selbst sei ledig und habe keine Kinder. Seine Eltern würden mit einer Kimlik in der Türkei leben. Der Beschwerdeführer habe ca. sieben Jahre in der Türkei gewohnt, bis er wegen Rassismus ausgereist sei.

Er werde für den Militärdienst gesucht. Die Syrian Democratic Forces (SDF) würden seine Heimatregion beherrschen, alle aus Deir ez-Zor als Araber und Sunniten ansehen und gegen sie kämpfen. Seine Nachbarn im Heimatort seien Kurden und hätten ihn dem sogenannten Islamischen Staat (IS) zugeordnet, weshalb er weder das Gebiet, noch die Kurden gemocht habe. Der IS habe den Beschwerdeführer zwingen wollen, die Schule zu besuchen. Daraufhin habe sein Vater ihm verboten, in die Schule zu gehen. Daher habe ihn der IS mit 100.000 syrischen Lira bestraft und den Beschwerdeführer gezwungen, wieder in die Schule zu gehen. Der IS habe Kinder rekrutiert und sie gezwungen, Gewalt zu sehen. Es sei damals zu einem Krieg zwischen den Kurden und dem IS gekommen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung von Asyl ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.), und erteilte ihm eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkt III.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:

Es liege keine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers durch das Assad-Regime vor. Eine solche habe er auch nicht ausreichend substantiiert darlegen können. Der Beschwerdeführer habe zudem selbst angegeben, dass der IS im Herkunftsgebiet nicht mehr aktiv sei. Es gebe keinerlei Anhaltspunkte zu Fahndungsmaßnahmen gegen ihn. Jedoch bestehe aufgrund der derzeitigen Wirtschaftslage bei einer Rückkehr die Gefahr, dass sich der Beschwerdeführer keine ausreichende Lebensgrundlage schaffen könne.

4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig die gegenständliche Beschwerde, in welcher er zusammengefasst vorbrachte:

Er sei nach seiner Geburt mit seiner Familie nach Syrien zurückgekehrt und habe bis zum Kriegsbeginn in XXXX gelebt. Dann sei er mit seiner Familie nach XXXX gezogen, da der Vater des Beschwerdeführers nach Kriegsbeginn Probleme mit der Regierung gehabt habe. Der Beschwerdeführer habe XXXX somit nicht freiwillig verlassen, weshalb XXXX der Herkunftsort des Beschwerdeführers sei. Er verweigere aus Gewissensgründen den Wehrdienst in der syrischen Armee und die „Selbstverteidigungspflicht“ bei den SDF. Ihm drohe daher Verfolgung aufgrund der Unterstellung einer politischen Gesinnung. Auch befürchte er eine Verfolgung aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung. Eine legale Einreise nach Syrien über den Landweg sei mangels gültigem Reisedokument nicht möglich.

5. Am 6. Februar 2025 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer befragt wurde.

6. Mit Schreiben vom 7. April 2025 führte das Bundesverwaltungsgericht weitere Länderinformationen zu Syrien in das Verfahren ein und gewährte den Verfahrensparteien die Möglichkeit, dazu schriftlich Stellung zu nehmen.

7. Der Beschwerdeführer nahm im Wesentlichen wie folgt Stellung:

Zwar sei eine Verfolgungsgefahr durch das Assad-Regime nicht mehr gegeben, er fürchte jedoch eine Verfolgung durch die SDF umso mehr. Aufgrund der Kämpfe zwischen den SDF und der von der Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) könne davon ausgegangen werden, dass die SDF nunmehr wieder verstärkt Truppen mobilisieren und Männer für den Kampf zwangsrekrutieren würden. Der Beschwerdeführer verweigere die „Selbstverteidigungspflicht“ bei den SDF aus Gewissensgründen. Daher würde dem Beschwerdeführer eine oppositionelle Haltung unterstellt und er unter unmenschlichen Bedingungen inhaftiert werden. Im Falle einer Zwangsrekrutierung würde er gezwungen werden, Kriegsverbrechen zu begehen. Die kurdischen Machthaber handelten die Sanktionen für Wehrdienstverweigerer betreffend in ähnlicher Weise wie das Assad-Regime.

Zudem stehe der Beschwerdeführer der Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) kritisch gegenüber. Frühere Berichte würden nahelegen, dass die HTS brutal gegen Andersdenkende vorgegangen sei. Auch rufe UNHCR aufgrund der nach wie vor unsicheren Lage in Syrien dazu auf, derzeit keine zwangsweisen Rückführungen nach Syrien durchzuführen. Wegen der volatilen Lage sei die gegenständliche Sache nicht entscheidungsreif. Zudem lägen keine Länderberichte vor, auf deren Basis eine tragfähige Prognoseentscheidung hinsichtlich der Zuerkennung von internationalem Schutz getroffen werden könnte.

Die belangte Behörde äußerte sich nicht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Zum Beschwerdeführer

Der am XXXX geborene Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben, spricht Arabisch und gehört der arabischen Volksgruppe an. Er wurde in XXXX , Saudi-Arabien, geboren und zog als Kleinkind mit seiner Familie für ca. zwei Jahre in das Dorf XXXX Anschließend zog er gemeinsam mit seiner Familie freiwillig in den Ort XXXX , Provinz Deir ez-Zor, aus dem sein Vater stammt und wo der Beschwerdeführer bis Ende 2014 lebte. Dieser Ort wird derzeit von lokalen Milizen kontrolliert; die Region um den Heimatort des Beschwerdeführers wird von den SDF und der HTS kontrolliert (siehe https://syria.liveuamap.com, abgerufen am 29. April 2025). Der Beschwerdeführer besuchte in Syrien neun Jahre lang die Schule und arbeitete nebenbei in einem Restaurant.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Seine Kernfamilie lebt heute in der Türkei.

Am 1. Jänner 2015 reiste der Beschwerdeführer in die Türkei ein, wo er etwa sieben Jahre lebte. Im Oktober 2022 reiste er nach Österreich ein, wo er am 17. Oktober 2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der Beschwerdeführer ist gesund und strafrechtlich unbescholten (siehe Strafregister).

1.2. Zum Fluchtvorbringen

Für den Beschwerdeführer besteht keine Gefährdung im Zusammenhang mit einer Einziehung in einen Wehrdienst durch die HTS oder wegen einer illegalen Ausreise aus Syrien im Jahr 2015. Selbst für den Fall der Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ der SDF durch den Beschwerdeführer droht ihm durch diese keine Verfolgung wegen der Unterstellung einer politischen Gesinnung.

Auch besteht für den Beschwerdeführer derzeit keine Gefährdung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit.

Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und hat sich nicht oppositionell gegen die SDF oder die HTS betätigt. Er hat keine verinnerlichte oppositionelle politische Gesinnung gegenüber der SDF oder der HTS.

1.3. Zur hier relevanten Situation in Syrien:

1.3.1. Regierungsführung unter der Übergangsverwaltung

Politischer Übergang

Nach dem Sturz der Regierung von Bashar Al-Assad am 8. Dezember 2024 wurde eine Übergangsverwaltung geschaffen. Der ehemalige Premierminister Mohammed Al-Jalali übertrug die Macht formell an Mohammed al-Bashir, den neu ernannten Übergangspremierminister, um die Fortführung der staatlichen Aufgaben zu gewährleisten, wie Al-Jalali erklärte, einschließlich der Zahlung der Gehälter im öffentlichen Dienst.

Al-Sharaa erklärte, dass die Organisation nationaler Wahlen bis zu fünf Jahre dauern könnte, da die Wahlinfrastruktur erst wieder aufgebaut werden müsse. Er versicherte ferner, dass Syrien als „Republik mit einem Parlament und einer Exekutivregierung“ strukturiert sein werde.

Am 29. Dezember 2024 skizzierte Ahmad al-Sharaa einen mehrjährigen Fahrplan, der die Ausarbeitung einer neuen Verfassung innerhalb von drei Jahren und anschließende Wahlen vorsieht, sowie Pläne für eine Konferenz des nationalen Dialogs zur Förderung von Versöhnung und Inklusion. Als Teil des Übergangsprozesses betonte Al-Sharaa die Bedeutung der Bewahrung der nationalen Einheit und lehnte den Föderalismus ab. Erste Verhandlungen wurden mit den SDF und dem Kurdischen Nationalrat (KNC) geführt, um die kurdischen Gruppierungen in den politischen Prozess einzubeziehen. Die ursprünglich für Anfang Januar geplante Konferenz für den nationalen Dialog wurde jedoch verschoben, um ein breiteres Vorbereitungskomitee einzusetzen, in dem alle Teile der syrischen Gesellschaft vertreten sind. Er fand schließlich am 25. Februar 2025 statt, dem vorbereitende Workshops auf lokaler Ebene vorausgegangen waren. Er trat in Damaskus mit rund 600 Teilnehmern zusammen und betonte in seiner Abschlusserklärung die territoriale Integrität Syriens, verurteilte die israelischen Angriffe und forderte einen Rückzug. Ferner wurde die Annahme einer vorläufigen Verfassungserklärung, die Bildung eines vorläufigen Legislativrats und die Ausarbeitung eines Entwurfs für eine ständige Verfassung mit Schwerpunkt auf Menschenrechten und Freiheit festgelegt. In der Abschlusserklärung wurde ferner die Bedeutung der Beteiligung von Frauen, der friedlichen Koexistenz und der Einrichtung von Mechanismen für den laufenden nationalen Dialog hervorgehoben. Die Konferenz wurde jedoch als übereilt organisiert und unzureichend repräsentativ kritisiert.

Ende Januar 2025 erklärte die Übergangsregierung die Verfassung Syriens aus dem Jahr 2012 für ungültig und löste das Parlament, das Militär und die Sicherheitsorgane der früheren Regierung auf. Al-Sharaa erklärte, er werde einen legislativen Interimsrat einrichten, der die Regierung bis zur Verabschiedung einer neuen Verfassung unterstützen soll.

Regierungsbildung

Nach der Machtübernahme in Damaskus setzte die HTS eine geschäftsführende Regierung ein, die sich hauptsächlich aus Beamten der ehemaligen Syrischen Heilsregierung (SSG) in Idlib zusammensetzte, was Al-Sharaa als eine vorübergehende Maßnahme zur Aufrechterhaltung der Stabilität und Wiederherstellung der wichtigsten Dienste bezeichnete. Zunächst übernahmen Minister der SSG nationale Ministerposten, wobei einige Beamte und Staatsbedienstete der früheren Regierung in ihren Positionen blieben, um die Kontinuität zu gewährleisten.

Am 10. Dezember 2024 wurde Mohammed Al-Bashir, ein Ingenieur aus dem Gouvernement Idlib und ehemaliger Leiter der SSG im Nordwesten Syriens, die zusammen mit der HTS gegründet wurde, zum Interimspremierminister ernannt. Seine Amtszeit und die der Übergangsregierung sollte am 1. März 2025 enden, aber Ende Januar 2025 gab es noch keinen Termin für Wahlen in Syrien. In der Zwischenzeit wurde Ahmad Al-Sharaa, der Anführer der HTS, zum De-facto-Führer Syriens ernannt. Am 29. Januar 2025 wurde Al-Sharaa zum Präsidenten für die Übergangszeit ernannt.

Am 21. Dezember 2024 ernannte die Übergangsregierung Asaad Hassan Al-Shibani zum Außenminister und Murhaf Abu Qasra zum Verteidigungsminister, die beide als Verbündete von Al-Sharaa bekannt waren. Weitere Ernennungen betrafen Mohamed Abdel Rahman als Innenminister, Mohammed Yaqoub Al-Omar als Informationsminister, Mohamed Taha Al-Ahmad als Minister für Landwirtschaft und Bewässerung, Nazir Mohammed Al-Qadri als Bildungsminister und Shadi Mohammed Al-Waisi als Justizminister, die alle zuvor in der Heilsregierung tätig waren. Darüber hinaus übernahmen Fadi Al-Qassem, Mohamed Abdel Rahman Muslim, Hossam Hussein und Basil Abdul Aziz das Amt des Ministers für Entwicklung, des Ministers für lokale Verwaltung und Dienstleistungen, des Ministers für Stiftungen und des Wirtschaftsministers. Anas Khattab (auch bekannt unter seinem Pseudonym Abu Ahmad Hudood), ein früherer Führer der Nusra-Front, wurde zum Leiter des Allgemeinen Nachrichtendienstes ernannt. Die Ernennung von Maher Al-Sharaa zum Gesundheitsminister löste eine Kontroverse aus, da er der Bruder von Al-Sharaa ist. Die neue Regierung umfasste auch eine Frau, Aisha Al-Debs, als Direktorin des Büros für Frauenangelegenheiten.

Militärische Reformen

Vor ihrem Einmarsch in Damaskus am 8. Dezember verpflichtete sich die HTS, den institutionellen Rahmen Syriens beizubehalten, und verkündete später eine Generalamnestie für Soldaten der syrischen Armee. Die Übergangsregierung leitete daraufhin einen Einigungsprozess ein, der die Wiedereingliederung zahlreicher ehemaliger Regierungs- und Militärangehöriger erleichterte, darunter auch hochrangige Beamte, von denen einige, wie z. B. Fadi Saqr, in erhebliche Kriegsvergehen verwickelt waren. Neben den Verfahren zur freiwilligen Wiedereingliederung verfolgte die Military Operations Administration (MOA), die übergeordnete Kommandozentrale der neuen HTS-geführten Übergangsverwaltung, Personen, die sich der Wiedereingliederung entzogen. Im Rahmen dieser Aktionen wurden frühere Offiziere verhaftet, während andere freigelassen wurden, nachdem festgestellt worden war, dass sie nicht an Übergriffen beteiligt gewesen waren. Nach Angaben von Etana gab es Bedenken wegen mangelnder Verfahren, da Berichten zufolge Hinrichtungen von Milizionären auf niedriger Ebene stattfanden, die von den Behörden als isolierte Racheakte der Gemeinschaft dargestellt werden. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR), eine im Vereinigten Königreich ansässige Überwachungsorganisation, berichtete Mitte Jänner, dass 8. 000 Personen innerhalb weniger Tage in den MOA-Zentren in Sallamiyah, Hama, Versöhnungsabkommen geschlossen haben. Die Zahl der Offiziere und Angehörigen der Streitkräfte der früheren Regierung in Gefängnissen wie Adra, Hama und Harim stieg auf über 9. 000 an, darunter 2. 000, die aus dem Irak zurückkehrten. Die meisten wurden verhaftet, nachdem sie bei Razzien oder an Kontrollpunkten ertappt worden waren. Die Übergangsregierung schaffte außerdem die Wehrpflicht ab, außer in Situationen wie nationalen Notfällen. Laut Samir Saleh, Mitglied des Militärkommandos im Umland von Damaskus, wird die syrische Armee eine Freiwilligenarmee sein, in der die Bevölkerung ermutigt wird, sich zu beteiligen, mit dem Ziel, die Grenzen des Landes zu sichern. Frühere Überläufer, wie z.B. Offiziere der Freien Syrischen Armee (FSA), werden je nach ihrer Expertise einen besonderen Status innerhalb der Struktur des Verteidigungsministeriums erhalten. Auch wurde am 29. Dezember eine Liste von 49 neuen Militärkommandeuren veröffentlicht, darunter Mitglieder der HTS, übergelaufene Offiziere der syrischen Armee und mindestens sechs Nicht-Syrer, wobei die sieben höchsten Positionen Berichten zufolge von HTS-Mitgliedern besetzt werden.

Schließlich verpflichtete sich die Übergangsregierung, alle Rebellengruppen in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Zwischen Jänner und Februar 2025 bemühten sich die Interimsministerien für Verteidigung und Inneres, alle bewaffneten Gruppierungen in einer einzigen Militär- und Polizeitruppe zu vereinen. Das Verteidigungsministerium berichtete, dass mehr als 70 Gruppierungen aus sechs Regionen der Integration zugestimmt hätten, und es wurde ein Oberster Ausschuss eingerichtet, der die militärischen Mittel, einschließlich Personal, Basen und Waffen, regelt. Am 29. Jänner verkündete die Übergangsregierung formell die Auflösung aller Oppositionsparteien und militärischen Gruppierungen, wobei jedoch unklar blieb, inwieweit dies auf die SDF zutraf. Die SDF widersetzten sich zunächst der Integration, insbesondere nachdem ihr Vorschlag, sich als halbautonome Einheit anzuschließen, vom Verteidigungsministerium abgelehnt worden war und sie beschuldigt wurden, die Verhandlungen zu verzögern. Anfang März wurde jedoch bekannt gegeben, dass die SDF eine Vereinbarung zur Integration ihrer Streitkräfte und zivilen Einrichtungen in die neue syrische Regierung unterzeichnet hatte. Bis Mitte Februar hatte die Übergangsregierung rund 100 bewaffnete Gruppierungen, darunter die von den USA unterstützte Syrian Free Army, erfolgreich in ein neues syrisches Militär und Verteidigungsministerium integriert. Einige Gruppierungen, wie die von Ahmad al-Awda in Südsyrien und verschiedene drusische Militärgruppen, leisteten jedoch weiterhin Widerstand. Die bewaffneten Gruppierungen des Gouvernements Sweida blieben vollständig intakt, mit zwei neuen militärischen Gremien, die im Jänner entstanden.

(EUAA Syria: Country Focus aus März 2025, S. 20 ff – eigene Übersetzung mit Hilfe des KI-Instruments „DeepL“)

1.3.2. Zum Wehrdienst bei der HTS

Manche Quellen berichten, dass die Rekrutierung durch regierungsfreundliche Milizen im Allgemeinen auf freiwilliger Basis geschieht. Personen schließen sich häufig auch aus finanziellen Gründen den National Defense Forces (NDF) oder anderen regierungstreuen Gruppierungen an (FIS 14.12.2018). Andere Quellen berichten von der Zwangsrekrutierung von Kindern im Alter von sechs Jahren durch Milizen, die für die Regierung kämpfen, wie die Hizbollah und die NDF (auch als „shabiha“ bekannt) (USDOS 29.7.2022). In vielen Fällen sind bewaffnete regierungstreue Gruppen lokal organisiert, wobei Werte der Gemeinschaft wie Ehre und Verteidigung der Gemeinschaft eine zentrale Bedeutung haben. Dieser soziale Druck basiert häufig auf der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religionsgemeinschaft (FIS 14.12.2018). Oft werden die Kämpfer mit dem Versprechen, dass sie in der Nähe ihrer lokalen Gemeinde ihren Einsatz verrichten können und nicht in Gebieten mit direkten Kampfhandlungen und damit die Wehrpflicht umgehen könnten, angeworben. In der Realität werden diese Milizen aber trotzdem an die Front geschickt, wenn die SAA Verstärkung braucht bzw. müssen die Männer oft nach erfolgtem Einsatz in einer Miliz trotzdem noch ihrer offiziellen Wehrpflicht nachkommen (EUAA 10.2023). In manchen Fällen aber führte der Einsatz bei einer Miliz tatsächlich dazu, der offiziellen Wehrpflicht zu entgehen, bzw. profitierten einige Kämpfer in regierungsnahen Milizen von den letzten Amnestien, sodass sie nach ihrem Einsatz in der Miliz nur mehr die sechsmonatige Grundausbildung absolvieren mussten um ihrer offiziellen Wehrpflicht nachzugehen, berichtet eine vertrauliche Quelle des niederländischen Außenministeriums (NMFA 8.2023).

Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023). In den von den beiden Gruppierungen kontrollierten Gebieten in Nordsyrien herrscht kein Mangel an Männern, die bereit sind, sich ihnen anzuschließen. Wirtschaftliche Anreize sind der Hauptgrund, den Einheiten der SNA oder HTS beizutreten. Die islamische Ideologie der HTS ist ein weiterer Anreiz für junge Männer, sich dieser Gruppe anzuschließen. Im Jahr 2022 erwähnt der Danish Immigration Service (DIS) Berichte über Zwangsrekrutierungen der beiden Gruppierungen unter bestimmten Umständen im Verlauf des Konfliktes. Während weder die SNA noch HTS institutionalisierte Rekrutierungsverfahren anwenden, weist die Rekrutierungspraxis der HTS einen höheren Organisationsgrad auf als die SNA (DIS 12.2022). Im Mai 2021 kündigte HTS an, künftig in ldlib Freiwilligenmeldungen anzuerkennen, um scheinbar Vorarbeit für den Aufbau einer „regulären Armee“ zu leisten. Der Grund dieses Schrittes dürfte aber eher darin gelegen sein, dass man in weiterer Zukunft mit einer regelrechten „HTS-Wehrpflicht“ in ldlib liebäugelte, damit dem „Staatsvolk“ von ldlib eine „staatliche“ Legitimation der Gruppierung präsentiert werden könnte (BMLV 12.10.2022). Die HTS rekrutiert auch gezielt Kinder, bildet sie religiös und militärisch aus und sendet sie an die Front (SNHR 20.11.2023).

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27. März 2024, S. 155 f)

1.3.3. Zu den SDF

Die SDF umfassen nach Angaben ihres Kommandeurs Mazloum Abdi etwa 100. 000 Mitglieder. Sie sind ein Militärbündnis, in dem die kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) eine wichtige Rolle spielen. Neben der YPG gibt es regionale Militärräte wie den Militärrat von Deir ez-Zor, den Manbij-Rat und den Raqqa-Rat, deren primäre Aufgabe es ist, ihre eigenen Gebiete zu schützen.

Als HTS-geführte Gruppen Ende November 2024 Aleppo einnahmen, startete die SNA eine gleichzeitige Operation in der Provinz Aleppo, die zu Zusammenstößen mit den SDF westlich des Euphrat führte. In der Zwischenzeit nahmen die SDF den Rückzug der syrischen Regierungstruppen und ihrer pro-iranischen Verbündeten zum Anlass, ihre Gebiete in Deir ez-Zor zu erweitern. Unter dem militärischen Druck der von der Türkei unterstützten Kräfte und der mit den neuen Behörden in Damaskus verbündeten Kräfte zogen sich die SDF aus mehreren Städten am Euphrat in den Gouvernements Raqqa und Deir ez-Zor zurück. Einem SDF-Sprecher zufolge bestand das Ziel darin, die kurdischen Gebiete weiter östlich zu schützen und einen Durchbruch der SNA am Tishreen-Staudamm zu verhindern. Dies führte dazu, dass die SNA die Kontrolle über mehrere Städte wie Manbij und Tall Rifaat verlor. Abgesehen von direkten Zusammenstößen führten die SDF auch Drohnenangriffe auf SNA-Stellungen durch, die als eine neu entstehende Fähigkeit beschrieben werden.

Während des Berichtszeitraums sahen sich die SDF mit Überläufen von arabischen SDF-Mitgliedern konfrontiert. Ein von Syria TV zitierter Wehrpflichtiger aus einem Stützpunkt in der Region Al-Shaddadi berichtete, dass die SDF die Entlassung von Wehrdienstrekruten gestoppt hätten, da etwa 80 Rekruten aus dem Stützpunkt geflohen seien, während eine Quelle, die den SDF nahe steht, erklärte, dass die Desertionsrate der Wehrpflichtigen nach dem Sturz von Bashar Al-Assad in einigen Gebieten des südlichen Gouvernements Hassaka und im ländlichen Deir ez-Zor mehr als 90 % erreicht habe. Darüber hinaus sind mehrere Kommandeure des Militärrats von Deir ez-Zor übergelaufen und haben den Euphrat überquert, um in Gebiete unter der Kontrolle der MOA zu fliehen. Mehrere Quellen berichteten von Zusammenstößen zwischen Stammesmilizen und den SDF im Gouvernement Deir ez-Zor, wobei Stammeskämpfer die SDF aus mehreren Orten entlang des Euphrat im östlichen Deir ez-Zor vertrieben haben.

Mazloum Abdi erklärte im Jänner 2025, dass eine ihrer Hauptforderungen eine dezentralisierte Verwaltung sei, die es den SDF ermögliche, sich als einheitlicher militärischer Block in das Verteidigungsministerium zu integrieren. Interimsverteidigungsminister Murhaf Abu Qasra lehnte diesen Vorschlag jedoch ab. Ende Jänner 2025 schienen die Verhandlungen zwischen den SDF und der Übergangsverwaltung ins Stocken geraten zu sein, was unter anderem auf die unsichere Haltung der neuen US-Regierung zurückzuführen war. Die eintägige Konferenz zum Nationalen Dialog, die von der Übergangsregierung am 25. Februar organisiert wurde, versammelte zwar 600 Personen aus ganz Syrien, lud aber keine SDF-Vertreter ein. Darüber hinaus störte die Türkei Berichten zufolge die Verhandlungen zwischen dem Verteidigungsministerium und den SDF und bestand auf einer vollständigen Auflösung der SDF und lehnte Kompromissversuche ab, wie z.B. die vorgeschlagene Umsiedlung von PKK-nahen Kämpfern in den Irak oder den Iran. Im März 2025 unterzeichneten die SDF-Führer jedoch eine Vereinbarung mit der Regierung, ihre bewaffneten Kräfte und zivilen Einrichtungen in die neue syrische Regierung zu integrieren. Das Abkommen sieht eine vollständige Einstellung der Feindseligkeiten vor und verlangt von den SDF, die Kontrolle über Grenzposten, den Flughafen und wichtige Öl- und Gasfelder abzugeben. Außerdem erkennt es die kurdische Minderheit als integralen Bestandteil Syriens an und sichert ihr politische Vertretung und Beteiligung zu. Das Abkommen entstand inmitten zunehmender Unsicherheit über die Rolle der USA in der Region und diplomatischer Bemühungen mehrerer westlicher Länder, die sich für die Integration der SDF in den neuen syrischen Staat einsetzen, wobei Experten davon ausgehen, dass die SDF wahrscheinlich ihre geschwächte Verhandlungsposition erkannte.

(EUAA Syria: Country Focus aus März 2025, S. 50 ff – eigene Übersetzung mit Hilfe des KI-Instruments „DeepL“)

1.3.4. Zur „Selbstverteidigungspflicht“ bei den SDF

Einsatzgebiet von Wehrpflichtigen

Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die SDF erfolgt dagegen freiwillig (DIS 6.2022).

Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hasakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).

Rekrutierungspraxis

Die Aufrufe für die „Selbstverteidigungspflicht“ erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim „Büro für Selbstverteidigungspflicht“ ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird – z. B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022). Das Wehrpflichtgesetz von 2014 wird laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen mit Gewalt durchgesetzt. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Jungen und Mädchen (AA 2.2.2024).

Wehrdienstverweigerung und Desertion

Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB Damaskus 12.2022). Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die „Militärpolizei“ unter seiner Adresse. Die meisten sich der „Wehrpflicht“ entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).

Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das „Selbstverteidigungspflichtgesetz“ auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 2.2.2024), während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der „Wehrpflicht“ um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft „für eine Zeitspanne“. Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Ähnliches berichteten ein von ACCORD befragter Experte, demzufolge alle Wehrdienstverweigerer nach dem Gesetz der Selbstverteidigungspflicht gleich behandelt würden. Die kurdischen Sicherheitsbehörden namens Assayish würden den Wohnort der für die Wehrpflicht gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (ACCORD 6.9.2023). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB Damaskus 12.2022). Einem von ACCORD befragten Syrienexperten zufolge hängen die Konsequenzen für die Wehrdienstverweigerung vom Profil des Wehrpflichtigen ab sowie von der Region, aus der er stammt. In al-Hasakah beispielsweise könnten Personen im wehrpflichtigen Alter zwangsrekrutiert und zum Dienst gezwungen werden. Insbesondere bei der Handhabung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern in der AANES gehen die Meinungen der Experten auseinander. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Araber gleichermaßen, aber einem Experten zufolge könne die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Ein anderer Experte wiederum berichtet von Beleidigungen und Gewalt gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern (ACCORD 6.9.2023).

Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (DIS 6.2022).

Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (DIS 6.2022; vgl. EB 12.7.2019).

(Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien vom 27. März 2024, S. 158 f)

1.3.5. Rückkehr aus dem Ausland

Nach Schätzungen des UNHCR kehrten zwischen dem 8. Dezember 2024 und Ende Februar 2025 etwa 297.292 Syrer aus dem Ausland nach Syrien zurück. Von diesen Flüchtlingen kehrten 53 % aus dem Libanon, 25 % aus der Türkei und 14 % aus Jordanien zurück. Bei der freiwilligen Rückkehr aus der Türkei, die sich nach Angaben der türkischen Regierung zum 30. Dezember 2024 auf 35.114 belief, handelte es sich hauptsächlich um Syrer, die allein zurückkehrten, einschließlich Personen, die vor der Wiedervereinigung mit ihren Familien die Lage in Syrien beurteilen wollten.

Nach Angaben des UNHCR waren von Anfang 2024 bis Ende Februar 2025 die Gouvernements, in welche Rückkehrer hauptsächlich heimkehrten Aleppo (mit schätzungsweise 143.680 Rückkehrern) und Raqqa (112.951 Rückkehrern), gefolgt von Dar’a (72.007), Homs (69.624), Rural Damaskus (62.738) und Idlib (46.273).

Es ist nicht klar, ob jede Rückkehr dauerhaft ist. Laut einem Bericht von Refugees International kehren viele Syrer zurück, um ihre Grundstücke zu begutachten, die Sicherheit und die wirtschaftlichen Bedingungen nach dem Zusammenbruch des Assad-Regimes zu bewerten oder sich mit ihrer Familie wieder zu vereinigen. Für andere ist die Rückkehr eher eine Notwendigkeit als eine Wahl, da die sich verschlechternden Bedingungen in den Aufnahmeländern – gekennzeichnet durch wirtschaftliche Not, steigende Lebenshaltungskosten und begrenzte Möglichkeiten – das Leben zunehmend untragbar gemacht haben.

(EUAA Syria: Country Focus aus März 2025, S. 91 f – eigene Übersetzung mit Hilfe des KI-Instruments „DeepL“)

1.3.6. Änderungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht in der Demokratischen Autonomieverwaltung Nord- und Ostsyriens (DAANES)

Syria TV, ein syrischer Fernsehsender im Besitz des katarischen Fadaat Media Network, mit Hauptsitz in Istanbul, berichtet, dass die SDF mit Mitte Jänner den Prozess der Demobilisierung von Rekruten, die ihren Selbstverteidigungsdienst abgeleistet hätten, gestoppt habe. Ein Wehrpflichtiger habe gegenüber Syria TV berichtet, dass er sein Pflichtjahr des Selbstverteidigungsdienstes zwei Monate zuvor beendet habe, die SDF sich jedoch weigere, ihn - wie Hunderte andere Rekruten - zu entlassen (Syria TV, 31. Jänner 2025).

Syria TV veröffentlicht im Februar 2025 einen Artikel über das Leben im Nordosten Syriens. Laut einem Interviewpartner aus Deir-ez Zor würden junge Männer in der Region von der SDF verhaftet und zwangsrekrutiert werden (Syria TV, 1. Februar 2025).

Es konnten keine weiteren Informationen zur Durchsetzung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht, insbesondere gegenüber Arabern, in Deir-ez Zor gefunden werden.

Die kurdischen Nachrichtendienste Firat News Agency (ANF News) und Hawar News Agency (ANHA) berichten im Dezember 2024 und Jänner 2025 von einem Aufruf zur Generalmobilmachung („general mobilisation“) in Nordost-Syrien (ANHA, 18. Dezember 2024; ANF News, 10. Jänner 2025; ANF News, 11. Jänner 2025; ANF News, 14. Jänner 2025). Die Nachrichtendienste berichten von Bürger·innen aus unterschiedlichen Orten, die sich zusammenschließen würden, um die Region zu verteidigen (ANF News, 5. Jänner 2025; ANF News, 10. Jänner 2025; ANF News, 14. Jänner 2025; ANHA, 18. Dezember 2024; ANHA, 31. Dezember 2024; ANHA, 6. Jänner 2025). Laut ANF News seien diese Personen Freiwillige (ANF News, 11. Jänner 2025).

Laut Syria TV gebe es mit Stand Ende Jänner 2025 nur begrenzte Rekrutierungsmaßnahmen von Wehrpflichtigen, da die SDF in der derzeitigen Situation nicht zu derartigen Operationen in der Lage sei. Laut einer anonymen Quelle würde die SDF jedoch alle Optionen prüfen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, einschließlich der Vergrößerung der Anzahl ihrer Streitkräfte (Syria TV, 31. Jänner 2025).

Syria TV schreibt in einem Artikel über die Desertion von SDF-Mitgliedern vom Jänner 2025, dass sich die SDF bei der Bewachung von öffentlichen Gebäuden, sowie Sicherheitszentren und Militärstützpunkten hauptsächlich auf Wehrpflichtige verlassen würden (Syria TV, 31. Jänner 2025).

Laut dem oben genannten Interviewpartner von Syria TV aus Deir-ez Zor würden Wehrpflichtige an die Front geschickt werden (Syria TV, 1. Februar 2025).

Laut The Century Foundation (TCF) würden Wehrpflichtige in Nordost-Syrien Gefahr laufen in den Kampf, um die Kontrolle in der Region, hineingezogen zu werden (TCF, 3. Februar 2025).

(ACCORD-Anfragebeantwortung, Selbstverteidigungsdienst der DAANES vom 24. Februar 2025)

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt stützt sich auf die im Rahmen der Feststellungen jeweils in Klammer angeführten Beweismittel und im Übrigen auf nachstehende Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Diese beruhen auf den stringenten Angaben des Beschwerdeführers im bisherigen Verfahren sowie auf den vorgelegten Unterlagen (Auszug aus dem syrischen Personenstandsregister). Insbesondere die Feststellung hinsichtlich des Herkunftsortes beruht auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsniederschrift vom 6. Februar 2025 [VHS], S. 3 f).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen:

Zunächst ist festzuhalten, dass die Möglichkeit einer Verfolgung des Beschwerdeführers durch das Assad-Regime wegen der Verweigerung des Wehrdienstes oder der illegalen Ausreise aus Syrien im Jahr 2015 in Anbetracht des – sich aus den Länderinformationen zu Syrien unzweifelhaft ergebenden – Machtwechsels in Syrien jedenfalls nicht (mehr) anzunehmen ist.

In Bezug auf allfällige Befürchtungen einer (Zwangs-)Rekrutierung durch die HTS ist darauf hinzuweisen, dass diese nach den aktuellen Länderinformationen als Übergangsregierung die Wehrpflicht abgeschafft hat und aus der syrischen Armee eine Armee aus Freiwilligen machen möchte (siehe dazu unter Punkt II.1.3.1.). Zudem ergibt sich aus den Länderinformationen, dass die HTS schon vor der Machtübernahme Rekrutierungen lediglich auf freiwilliger Basis durchführte und den Zivilisten in den von ihr kontrollierten Gebieten keine Wehrpflicht auferlegte (siehe dazu unter Punkt II.1.3.2.).

Weiters konnte keine (hier relevante) Verfolgung des Beschwerdeführers durch die SDF aufgrund der Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ festgestellt werden. So wurden die bewaffneten kurdischen Kräfte mittlerweile in die neue syrische Regierung integriert (siehe dazu unter Punkt II.1.3.3.). Überdies ergibt sich aus den Länderinformationen, dass selbst die Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ von den kurdischen Autonomiebehörden nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung angesehen wurde (vgl. dazu unter Punkt II.1.3.4.).

Schließlich übte der Beschwerdeführer weder in Syrien öffentliche Kritik an den kurdischen Machthabern, noch äußerte er sich jemals – außer einmal in einem in Österreich besuchten Sprachkurs – öffentlich kritisch über diese (vgl. VHS, S. 6 f).

In Anbetracht der Anzahl an Syrern, welche alleine zwischen dem 8. Dezember 2024 und Ende Februar 2025 nach Syrien zurückkehrten (siehe dazu unter Punkt II.1.3.5.), ist davon auszugehen, dass auch der Beschwerdeführer problemlos nach Syrien einreisen könnte.

2.3. Die Feststellungen zur Situation in Syrien beruhen auf den genannten – in das Verfahren eingeführten – Quellen. Das KI-Instrument „DeepL“ wurde als Übersetzungstool herangezogen, weil es derzeit eines der besten europäischen Übersetzungstools ist. Angesichts der Seriosität dieser Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an deren Richtigkeit zu zweifeln. Auch brachten die Parteien nichts Gegenteiliges vor. Ein aktuelleres (insbesondere die Situation nach dem Sturz des Assad-Regimes darstellende) Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Syrien ist derzeit nicht verfügbar. Es sind jedoch keine Gründe ersichtlich, warum die Feststellungen zu den kurdischen Machthabern und zur HTS vor dem Sturz des Assad-Regimes nicht nunmehr zur Prognose deren Verhaltens herangezogen werden könnten.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Antrag abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Flucht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“

3.1.2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der „Asylentscheidung“ immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe.

Art. 9 Abs. 3 der Statusrichtlinie verlangt eine Verknüpfung zwischen den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen einerseits und den Verfolgungsgründen andererseits. Dafür reicht es zwar nach der jüngeren Ansicht des UNHCR aus, dass der Konventionsgrund ein maßgebender beitragender Faktor ist und er nicht als einziger oder überwiegender Grund für die Verfolgung oder das Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen nachgewiesen werden muss. Das bedeutet aber nicht, dass für die Gewährung von Asyl auf die Prüfung eines kausalen Zusammenhanges zwischen der Verfolgungshandlung (oder dem Fehlen von Schutz vor Verfolgung) und einem Verfolgungsgrund im Sinn der GFK verzichtet werden könnte (vgl. zum Fehlen eines solchen kausalen Zusammenhanges etwa VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0336 bis 0341, m.w.N., wonach eine nur auf kriminellen Motiven beruhende Verfolgung keinem der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründe zugeordnet werden kann und eine allein auf einem solchen Grund beruhende Verfolgung die Asylgewährung nicht zu rechtfertigen vermag).

Es bedarf unter Bedachtnahme auf die Verhältnisse in Syrien immer einer Beurteilung unter Einbeziehung aller konkreten Umstände des Einzelfalls, ob im Fall der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes eine Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aus asylrechtlich relevanten Gesichtspunkten droht. Da nach der Rechtsprechung die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung nicht genügt, ist es für die Gewährung von Asyl nicht ausreichend, derselben eine bloß theoretisch denkbare Möglichkeit eines Verfolgungsszenarios zugrunde zu legen (siehe zum Ganzen VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0619, m.w.N.).

Aus asylrechtlicher Sicht kann es nicht darauf ankommen, ob die Einreise in einen verfolgungs-sicheren Landesteil aus der Sicht des potentiellen Verfolgers legal stattfindet, sondern nur, ob die den Grenzübergang beherrschenden Autoritäten eine Einreise in das sichere Gebiet zulassen (siehe VwGH 10.06.2024, Ra 2024/01/0003).

3.1.3. Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Die belangte Behörde erkannte dem Beschwerdeführer in Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides den Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund des Krieges und der vorherrschenden allgemein schlechten Sicherheitslage in Syrien zu.

Umstände, wonach dem Beschwerdeführer auch der Status eines Asylberechtigten zu gewähren wäre, haben sich hingegen (weiterhin) nicht ergeben.

Wie festgestellt und in der Beweiswürdigung ausgeführt, droht dem Beschwerdeführer keine Gefahr, von der HTS oder den SDF zwangsrekrutiert zu werden. Zudem würde eine (allfällige) Verweigerung der „Selbstverteidigungspflicht“ von den kurdischen Autonomiebehörden nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung angesehen werden.

Damit fehlt es für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten an einem Konnex zu einem in der GFK genannten Grund. Dabei ist auch darauf hinzuweisen, dass dem Schutz vor drohenden willkürlichen Zwangsakten (etwa der Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Streitkräfte) die – dem Beschwerdeführer bereits zuteil gewordene – Gewährung subsidiären Schutzes dient (vgl. wieder VwGH 28.02.2024, Ra 2023/20/0619).

Somit ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine ihm drohende asylrelevante Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK glaubhaft zu machen, weshalb die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen.

Folglich ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass dem Beschwerdeführer in Syrien keine asylrelevante Verfolgung droht, entspricht der oben angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

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