Spruch
W215 2266562-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. STARK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Arabische Republik Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.12.2022, Zahl 1297683100/220516217, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG), in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl Nr. 1/1930 (B-VG), in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. erstinstanzliches Verfahren:
Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich ein und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
In der Erstbefragung am XXXX gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen an:
„…9.1 Wann haben Sie den Entschluss zur Ausreise aus Ihrem Herkunftsstaat gefasst?
XXXX
9.2 Hatten Sie anlässlich Ihres Verlassens des Herkunftsstaates ein bestimmtes Reiseziel (Zielland)?
Ja.
9.2.1 Falls ja, welches und warum wollten Sie dieses bestimmte Land erreichen?
Österreich, da man hier gut leben kann.
9.3 Wann und womit haben Sie ihren/n Heimat/Herkunftsstaat/Aufenthalts verlassen?
Abreise aus Wohnort: XXXX
Ausreise aus Herkunftsstaat: Syrien
[…]
11. Warum haben Sie Ihr Land verlassen (Fluchtgrund):
In Syrien muss ich meinen Militärdienst absolvieren, das wollte ich nicht. In unserem Dorf wurde auf Personen geschossen, das war die Freie Armee. Meine Frau und meine Kinder habe ich zurückgelassen, da ich nicht genug Geld hatte damit alle flüchten konnten. Ich werde mit dem Leben bedroht.
Ich habe hiermit alle Gründe und die dazugehörigen Ereignisse angegeben, warum ich nach Österreich gereist bin. Ich habe keine weiteren Gründe einer Asylantragstellung.
11.1 Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat?
Ich habe Angst um mein Leben, und das meiner Familie.
11.2. Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen? Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihrem Heimatstaat mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen? Wenn ja, welche?
Nein
12…“
In der niederschriftlichen Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.08.2022 gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auszugsweise an:
„…F.: Schildern Sie die Gründe, warum Sie Ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, von sich aus vollständig, detailliert und wahrheitsgemäß. Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit Ihres Vorbringens beeinträchtigen können. Soweit Sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden Sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.
A: Nachdem im Jahr XXXX unser Dorf beschossen wurde, haben wir in XXXX gelebt und im XXXX kehrte ich in unser Dorf zurück und wollte unser Haus anschauen. Dort wurde ich gleich von der Freien Armee geschlagen und ich wurde am Kopf verletzt und sie behaupteten, dass ich zu den kurdischen Kräften gehöre. Nachdem ich heftig geschlagen wurde, war ich bewusstlos. Ich bin dann aufgewacht und habe andere Verletzte auch bei mir gesehen. Dann ist ein alter Mann gekommen und ich habe ihm Geld bezahlt und er brachte mich wieder zu meiner Familie nach XXXX .
F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie ihren Herkunftsstaat verlassen haben?
A: Ich wurde telefonisch von der freien Armee mit dem Tod bedroht.
[…].
F.: Sind Sie im Heimatland vorbestraft?
A: Nein.
F: Waren Sie im Heimatland inhaftiert?
A: Ja, für ca. 3 Monate im Jahr XXXX von der Behörde in XXXX weil sie behaupteten, dass ich die Regierung kritisiert habe. Ich habe Geld für die Entlassung bezahlt. Nachgefragt: 250.000 syrische Lira, mein Name ist aber an den Checkpoints vorgemerkt.
F: Hatten Sie Probleme mit den Behörden im Heimatland?
A.: Nein. Außer die 3 Monate Haft.
F.: Bestehen gegen Sie aktuelle staatliche Fahndungsmaßnahmen wie Haftbefehl,
Strafanzeige, Steckbrief, etc.?
A.: Ja, wegen dem weil ich die Regierung kritisiert habe.
F.: Sind oder waren Sie politisch tätig?
A.: Nein.
F.: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?
A.: Nein …“
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 30.12.2022, Zahl 1297683100-220516217, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Spruchpunkt I. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und in Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberichtigung für subsidiär Schutzberechtigte erteilt.
Mit Verfahrensanordnung vom 30.12.2022 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
2. Beschwerdeverfahren:
Nur gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.12.2022, zugestellt am 04.01.2023, wurde fristgerecht mit Schriftsatz vom 26.01.2023 gegenständliche Beschwerde wegen unrichtigen Feststellungen, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben Darin wird kurz zusammengefasst angeführt, dass dem Beschwerdeführer als Oppositioneller und Furcht vor Rekrutierung vor dem syrischen Regime geflüchtet sei und ihm zudem Rekrutierung seitens kurdischer Kräfte drohe. Danach wird auszugsweise das bisherige Vorbringen wiederholt.
Die Beschwerdevorlage vom 02.02.2023 langte am 03.02.2023 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Mit Ladungen vom 27.04.2023 wurde für den 03.07.2023 zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung im Bundesverwaltungsgericht anberaumt.
Am 28.06.2023 langte eine schriftliche Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 27.06.2023 im Bundesverwaltungsgericht ein.
Zur Beschwerdeverhandlung am 03.07.2023 erschien der Beschwerdeführer in Begleitung seiner Vertreterin. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hatte sich bereits vorab mit Schreiben vom 13.06.2023 entschuldigt. Es wurden die Quellen der zur Entscheidungsfindung herangezogenen Länderinformationen dargetan. Die Parteien verzichteten auf Einsichtnahme und Ausfolgung. Das Bundesverwaltungsgericht räumte den Verfahrensparteien vor Schluss der Verhandlung eine Frist zur Abgabe von Stellungnahmen ein.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.02.2024, Zahl W215 2266562-1/9E, wurde die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, als unbegründet abgewiesen und die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, für nicht zulässig erklärt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom XXXX , Ra XXXX , wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Verfahrenshilfe abgewiesen.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom XXXX , eingelangt im Bundesverwaltungsgericht am 04.10.2024, wurde ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden (Art. I Abs. 1 Bundesverfassungsgesetzt BGBl. Nr. 390/1973) verletzt worden ist und das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.02.2024 aufgehoben.
Am 15.04.2025 langte ein Fristsetzungsantrag gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 2 B-VG im Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
a) Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers:
Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stehen fest. Er gehört der Volksgruppe der Kurden an, Religionsbekenntnis sunnitischer Islam. Der Beschwerdeführer stammt ursprünglich aus XXXX , im Gouvernement XXXX , lebte jedoch vor seiner Ausreise mit seiner Familie in der XXXX des Gouvernements XXXX .
b) Zum bisherigen Verfahrensverlauf:
Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt illegal nach Österreich und stellte am XXXX einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 30.12.2022, Zahl 1297683100/220516217, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in Spruchpunkt I. bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und in Spruchpunkt III. gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberichtigung für subsidiär Schutzberechtigte erteilt.
Nur gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der in Österreich subsidiär Schutzberechtigte Beschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde.
Es wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht anberaumt, danach mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.02.2024, Zahl W215 2266562-1/9E, die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, als unbegründet abgewiesen und die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, für nicht zulässig erklärt.
Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom XXXX , Ra XXXX , wurde ein Antrag des Beschwerdeführers auf Verfahrenshilfe abgewiesen.
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom XXXX , wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.02.2024 aufgehoben.
Am 15.04.2025 langte ein Fristsetzungsantrag gemäß Art. 133 Abs. 1 Z 2 B-VG im Bundesverwaltungsgericht ein, der an den Verwaltungsgerichtshof weitergeleitet wurde.
c) Zu den Fluchtgründen:
Dem Beschwerdeführer wurde, wegen der allgemein unsicheren Lage in der Arabischen Republik Syrien, in Österreich vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.
Der Beschwerdeführer lebte bis zum Jahr XXXX zusammen mit seiner großen, wohlhabenden Familie in XXXX und danach in der Stadt XXXX . Seine Familie lebt nach wie vor im Herkunftsstaat und ist immer noch wohlhabend.
XXXX war von XXXX bis XXXX unter Kontrolle der XXXX , von XXXX bis XXXX unter Kontrolle der SDF (Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens), steht seit XXXX unter Kontrolle der Operation Peace Spring und stand es am 01.04.2025 immer noch.
Die Stadt XXXX steht bereits seit XXXX unter Kontrolle der SDF (Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens) und stand es am 01.04.2025 immer noch.
Aus 1. Feststellungen d zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat geht hervor, dass das syrische Assad-Regime im Dezember 2024 entmachtet wurde.
Es kann weder festgestellt werden, der Beschwerdeführer von der ehemaligen syrischen Assad-Regierung gesucht wird, damit er seinen Militärpflichtdienst absolviert noch, dass er zum Reservedienst einberufen wurde, oder in Zukunft vom ehemaligen Assad-Regime einberufen werden wird.
Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr von der aktuellen syrischen Übergangsregierung zwangsrekrutiert werden würde noch, dass ihn die SDF rekrutieren würde.
Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aktuell vom ehemaligen Assad-Regime oder dessen syrischen Nationalarmee (SNA) gesucht wird, weil er im Herkunftsstaat Mitglied einer politischen Partei gewesen sein, oder von XXXX an Demonstrationen gegen das Assad-Regime teilgenommen haben soll.
Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer von den Behörden in der Stadt XXXX im Jahr XXXX oder XXXX drei Monate lang inhaftiert war, weil er die Assad-Regierung kritisiert haben soll.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführe aktuell in XXXX , vom gestürzten Assad-Regime gesucht wird, weil er sich im Jahr XXXX in einem Café kritisch gegen die Assad-Regierung geäußert hat.
Es kann weder festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Ausreise während das Assad-Regimes an der Macht war, noch, dass er wegen seiner Asylantragstellung in Österreich, in Zukunft verfolgt werden wird.
Es kann nicht mit der nötigen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer von syrischen Nationalarmee (SNA) im XXXX am Kopf verletzt wurde, nachdem er von dieser bei einem Besuch in XXXX , fälschlicherweise beschuldigt worden war, mit den dort bis XXXX an der Macht gewesenen SDF (Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens), zusammenzuarbeiten.
Zudem kann nicht mit der nötigen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer, auf Grund seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit, in XXXX , verfolgt werden könne.
d) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat:
1. Accord, Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation, ecoi.net, Syrien, Arabische Republik, Übersicht zum Land, vom 27.03.2025:
Kurzüberblick
Syrien lässt sich in vier topografische Regionen unterteilen: den westlichen Küstenstreifen, die bewaldeten Berge im Nordwesten, die landwirtschaftlich genutzte Steppe, in der auch die wichtigsten Städte wie Damaskus, Aleppo, Homs, Hama und Al-Qamischli liegen, und schließlich die Wüstenregion (Britannica Online Encyclopaedia, 12. Oktober 2022b). Diese Wüstenregion, auch Badia genannt, erstreckt sich über vier Provinzen und nimmt weite Teile des Landeszentrums ein (MEI, 17. April 2020).
Die Mehrheit der Bevölkerung ist arabisch, eine kurdische Minderheit lebt vor allem im Nordosten des Landes. Darüber hinaus gibt es im Land armenische und turkmenische Gemeinschaften sowie syrischsprachige Assyrer·innen (Britannica Online Encyclopaedia, 12. Oktober 2022b). Schätzungen zufolge sind etwa drei Viertel der Bevölkerung sunnitische Muslim·innen, zu denen Araber·innen, Kurd·innen und andere kleinere Gemeinschaften gehören. Weitere muslimische Gruppen wie Alawit·innen, Ismailit·nnen und Schiit·innen machen zusammen etwa 13 Prozent der Bevölkerung aus. Der Anteil der christlichen Bevölkerung wird auf zwischen 2,5 und 10 Prozent geschätzt (USDOS, 26. Juni 2024). Die südliche Provinz Suwayda wird größtenteils von Drus·innen bewohnt (Malcolm H. Kerr Carnegie Middle East Center, 29. August 2022).
Zirka 56 Prozent der Bevölkerung Syriens leben in urbanen Zentren (Statista, 10. November 2022) und 44 Prozent in ländlichen Gebieten. Vor 2011 hat fast die Hälfte der Bevölkerung als Teil des zentral geplanten Landwirtschaftssektors ihren Lebensunterhalt verdient (FAO, 24. April 2022).
Der Nordosten des Landes wird aufgrund der großen Zahl dort ansässiger arabischer Stämme als stammesbezogene Gesellschaft gesehen. Aber auch in anderen Teilen des Landes, wie in der Provinz Daraa im Süden des Landes, spielen Stämme eine wichtige Rolle, obwohl im Zuge des Konflikts die Stammesverbindungen ein Stück weit an Bedeutung verloren haben. (TWI, 26. März 2019)
Historische Entwicklung der Konflikte
1946 wurde Syrien von Frankreich aus der Mandatsherrschaft in die Unabhängigkeit entlassen (BBC News, Stand: 14. Januar 2019). Nach Jahren politischer Instabilität kam Hafiz Al-Assad als Führer der Baath-Partei 1970 durch einen Putsch an die Macht und regierte das Land über Jahrzehnte hinweg in autoritärem Stil (CFR, 11. November 2011). Die Macht blieb weiter in den Händen der alawitischen Al-Assad-Familie als im Jahr 2000 Bashar Al-Assad, der Sohn von Hafiz, die Regierung übernahm (Al Jazeera, 10. Oktober 2011). 2011 kam es zu ersten Protesten für Demokratie in der südlichen Stadt Daraa, die sich bis zum Sommer desselben Jahres auf das ganze Land ausbreiteten. Die Regierung ging mit Gewalt gegen die Demonstrant·innen vor (BBC News, 11. März 2016; CFR, 17. März 2021). Im Laufe des Jahres 2012 entwickelte sich die Situation zu einem Bürgerkrieg, der zunehmend zu einer Spaltung der Konfliktparteien entlang religiöser und konfessioneller Linien führte (SWP, Dezember 2021, S. 2-3) und die de-facto-Autonomie der kurdischen Gebiete im Nordosten des Landes (genannt Rojava oder Democratic Autonomous Administration of North and East Syria, DAANES) zur Folge hatte (Qantara, 7. Februar 2022). Die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) infiltrierte Syrien und etablierte 2014 ein Kalifat in Ostsyrien und Westirak, was die Freie Syrische Armee (FSA) dazu zwang, an zwei Fronten sowohl gegen Regierungstruppen als auch gegen den IS zu kämpfen (Bertelsmann Stiftung, 23. Februar 2022, S. 5). Die Türkei führte 2016, 2018 und 2019 mehrere Operationen auf syrischem Gebiet durch, um kurdische Kräfte aus dem Grenzgebiet zu verdrängen (MEE, 30. November 2022). Mit Unterstützung der libanesischen Hisbollah und folglich des Iran für die syrische Regierung im Jahr 2013, dem Eintritt von Russland in den Krieg im Jahr 2015 sowie den Invasionskampagnen der Türkei im Norden des Landes und dem Engagement der USA gegen den IS wurde Syrien immer mehr zum internationalen Schlachtfeld (BPB, 18. Juni 2020). Während die Frontlinien mit März 2020 größtenteils erstarrten (The Carter Center, März 2022, S. 3), wurde die Zivilbevölkerung durch Fassbombenangriffe des Regimes auf Wohngebiete (SNHR, 15. April 2021) und Belagerungstaktiken einzelner Konfliktparteien in Mitleidenschaft gezogen (MSF, vermutlich 2021). Auch chemische Waffen kamen zum Einsatz (UN Security Council, 29. April 2022).
Laut Angaben der Vereinten Nationen vom Mai 2023 wurden ab Kriegsbeginn bis 2022 fast 307.000 Zivilist·innen getötet (OHCHR, 11. Mai 2023). Die syrische oppositionelle Beobachtungsstelle Syrian Observatory for Human Rights (SOHR) geht von weitaus höheren Opferzahlen aus und gibt an, dass im Laufe der zehn Jahre des Krieges etwa 606.000 Personen getötet wurden (SOHR, 1. Juni 2021). Laut dem Syrian Network for Human Rights (SNHR) sind mit März 2023 über 230.000 syrische Zivilist·innen seit Kriegsbeginn getötet worden, davon mehr als 15.000 durch Folter. Weitere 155.000 wurden laut SNHR willkürlich inhaftiert oder Opfer von Verschwindenlassen und circa 14 Millionen vertrieben (SNHR, 15. März 2023).
Die Jahre des Konflikts, das große Erdbeben 2023, die wirtschaftliche Instabilität im Libanon und in der Türkei, der Krieg in der Ukraine, sowie die Einführung strengerer US-Sanktionen und eine schwere Dürre im Land führten zu einer problematischen wirtschaftlichen Situation im Land (World Bank, Sommer 2023, S.7).
Am 27. November 2024 startete die militante islamistische Gruppe Hayat Tahrir al-Scham (HTS), deren Kontrolle sich bis dahin auf Teile der Provinzen Aleppo und Idlib beschränkt hatte, mit verbündeten Rebellenfraktionen eine Großoffensive im Nordwesten Syriens. Die Rebellen eroberten zunächst Aleppo, gefolgt von Hama und Homs (BBC News, 9. Dezember 2024). Unterdessen rückten Rebellenkräfte aus dem Süden Syriens in die Stadt Daraa vor und erlangten die Kontrolle über mehr als 90 Prozent der Provinz, während sich die Regierungstruppen sukzessive zurückzogen (Rudaw, 7. Dezember 2024). Am 8. Dezember 2024 erklärten die Rebellen den Sieg in Damaskus. Der syrische Präsident Baschar al-Assad verließ noch am selben Tag das Land und beantragte Asyl in Russland, wo ihm Aufnahme gewährt wurde (Tagesschau, 8. Dezember 2024). Anschließend übernahm HTS de facto die Kontrolle als Regierungspartei und setzte eine Übergangsregierung ein (Al Jazeera, 29. Jänner 2025). HTS-Vorsitzender Ahmad Al-Scharaa, der zuvor unter dem Nom de Guerre Abu Mohammed Al-Dscholani bekannt war (BBC News, 16. Dezember 2024), übernahm Anfang Dezember de facto die Macht in Syrien und wurde am 29. Jänner 2025 zum Übergangspräsidenten ernannt (The Guardian, 29. Jänner 2025). Weitere Informationen zu den Entwicklungen rund um den Sturz von Präsident Assad finden Sie hier.
Anfang 2025 kommt es laut dem UN-Sondergesandten für Syrien, Geir Pedersen, weiterhin zu Unruhen in den Küstenregionen, Homs und Hama. Bewaffnete Gruppen, darunter die Gruppe Islamischer Staat – und über 60 Gruppen mit einander tlw. widersprechenden Agenden – stellen eine anhaltende Bedrohung für die territoriale Integrität Syriens dar. Außerdem herrscht ein anhaltender Konflikt zwischen den Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) der DAANES und der von der Türkei unterstützen Syrischen Nationalarmee (SNA); und israelische Luftangriffe und Verstöße gegen das Truppenentflechtungsabkommen von 1974 über den Golan wecken laut dem Sondergesandten Bedenken hinsichtlich der Souveränität Syriens. Auch die humanitäre Lage war nach wie vor kritisch: Fast 15 Millionen Syrer·innen benötigten Gesundheitsversorgung, 13 Millionen waren von akuter Ernährungsunsicherheit betroffen (UN News, 8. Jänner 2025) und die Zahl der durch eskalierende Gewalt neu Vertreiben stieg bis Ende Jänner 2025 auf 652.000 (UN News, 30. Jänner 2025).
Regionen und Akteure
Die Übergangsregierung von Ahmad Al-Scharaa kontrolliert den Großteil der westlichen Städte und ländlichen Gebiete Syriens. Im Süden widersetzen sich Kräfte unter der Führung des ehemaligen Rebellen Ahmad Al-Awda sowie andere Fraktionen einer Integration in die neue syrische Armee. Im Norden hält die protürkische Syrische Nationalarmee (SNA) die Gebiete um Afrin und Dscharabulus sowie zwischen Tal Abyad und Ras al-Ain unter ihrer Kontrolle. Der Nordosten Syriens wird weiterhin von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert (wobei diese Gespräche mit Al-Scharaa führen) (TWI, 28. Februar 2025).
Die US-Forschungsorganisationen Institute for the Study of War (ISW) und Critical Threats (CT) veröffentlichen auf folgender Webseite eine regelmäßig aktualisierte Karte mit den Kontrollgebieten der verschiedenen Konfliktparteien in Syrien:
ISW - Institute for the Study of War und CT – Critical Threats: Interactive Map: Assessed Control of Terrain in Syria, 25. März 2025 https://storymaps.arcgis.com/stories/1933cb1d315f4db3a4f4dcc5ef40753a
Quellen
Al Jazeera: Assad’s Alawites: The guardians of the throne, 10. Oktober 2011 https://www.aljazeera.com/features/2011/10/10/assads-alawites-the-guardians-of-the-throne
Al Jazeera: Syria’s Ahmed al-Sharaa named president for transitional period, 29. Jänner 2025 https://www.aljazeera.com/news/2025/1/29/syrias-ahmed-al-sharaa-named-president-for-transitional-period
BBC News: Syria: The story of the conflict, 11. März 2016 https://www.bbc.com/news/world-middle-east-26116868
BBC News: Syria Profile – Timeline, Stand: 14. Januar 2019 http://www.bbc.com/news/world-middle-east-14703995
BBC News: What just happened in Syria and who's in charge?, 9. Dezember 2024 https://www.bbc.co.uk/news/articles/c99x0l1d432o
BBC News: Assad says he didn't intend to leave Syria, statement claims, 16. Dezember 2024 https://www.bbc.com/news/articles/c5yd0zz5edqo
Bertelsmann Stiftung: BTI 2022 Country Report Syria, 23. Februar 2022 https://www.ecoi.net/en/file/local/2069699/country_report_2022_SYR.pdf
BPB – Bundeszentrale für politische Bildung: Kriege und Konflikte – Syrien, 18. Juni 2020 https://www.bpb.de/themen/kriege-konflikte/dossier-kriege-konflikte/54705/syrien/
Britannica Online Encyclopaedia: Syria, Facts Stats, 12. Oktober 2022a https://www.britannica.com/facts/Syria
Britannica Online Encyclopaedia: Syria, People, 12. Oktober 2022b https://www.britannica.com/place/Syria/The-winds
Carter Center (The): The State of the Syrian National Army, März 2022 https://www.cartercenter.org/resources/pdfs/peace/conflict_resolution/syria-conflict/2022/state-of-the-syrian-national-army-march-2022.pdf
CFR – Council on Foreign Relations: Remembering Hafez al-Assad, 11. November 2011 https://www.cfr.org/blog/remembering-hafez-al-assad
CFR – Council on Foreign Relations: Syria’s Civil War: The Descent Into Horror, 17. März 2021 https://www.cfr.org/article/syrias-civil-war
CIA – Central Intelligence Agency: The World Fact Book – Syria, 13. März 2025 https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/syria/
FAO – Food and Agricultural Organization of the United Nations: FAO in Syria, 24. April 2022 https://www.fao.org/syria/fao-in-syria/syria-at-a-glance/en/
Guardian (The): Rebel leader Ahmed al-Sharaa made transitional president of Syria, 29. Jänner 2025 https://www.theguardian.com/world/2025/jan/29/rebel-leader-ahmad-al-sharaa-made-transitional-president-of-syria
ISW - Institute for the Study of War und CT – Critical Threats: Interactive Map: Assessed Control of Terrain in Syria, 25. März 2025 https://storymaps.arcgis.com/stories/1933cb1d315f4db3a4f4dcc5ef40753a
Malcolm H. Kerr Carnegie Middle East Center: Making the Druze Choose, 29. August 2022 https://carnegie-mec.org/diwan/87771
MEE – Middle East Eye: Turkey's looming invasion of Syria tests US-Kurdish ties, 30. November 2022 https://www.middleeasteye.net/news/turkeys-looming-invasion-syria-tests-us-kurdish-ties?ref=nl
MEI – Middle East Institute: The growing threat of ISIS in Syria’s Badia, 17. April 2020 https://www.mei.edu/publications/growing-threat-isis-syrias-badia
MSF – Medecins Sans Frontieres: Syrien Belagert, vermutlich 2021 https://www.msf.org/de/Syrien-ohne-Ausweg-belagert
OHCHR – UN Office of the High Commissioner for Human Rights: Behind the data: Recording civilian casualties in Syria, 11. Mai 2023 https://www.ohchr.org/en/stories/2023/05/behind-data-recording-civilian-casualties-syria
Qantara: Kurdish autonomy in northeast Syria, Between Assad and Erdogan, 7. Februar 2022 https://en.qantara.de/content/kurdish-autonomy-in-northeast-syria-between-assad-and-erdogan
Rudaw: Syrian rebels announce capturing southern city of Daraa, 7. Dezember 2024 https://www.rudaw.net/english/middleeast/syria/061220246
SNHR – Syrian Network for Human Rights: In Nine Years, the Syrian Regime Has Dropped Nearly 82,000 Barrel Bombs, Killing 11,087 Civilians, Including 1,821 Children, 15. April 2021 https://snhr.org/blog/2021/04/15/56121/
SNHR – Syrian Network for Human Rights: On the 12th Anniversary of the Popular Uprising: A Total of 230,224 Civilians Documented as Dead, including 15,275 Who Died due to Torture, 154,871 Arrested and/or Forcibly Disappeared, and Roughly 14 Million Syrians Displaced, 15. März 2023 https://snhr.org/blog/2023/03/15/on-the-12th-anniversary-of-the-popular-uprising-a-total-of-230224-civilians-documented-as-dead-including-15275-who-died-due-to-torture-154871-arrested-and-or-forcibly-disappeared-and-roughly-14/
SOHR – Syrian Observatory for Human Rights: Total death toll | Over 606,000 people killed across Syria since the beginning of the “Syrian Revolution”, including 495,000 documented by SOHR, 1. Juni 2021 https://www.syriahr.com/en/217360/
Statista: Syria: Urbanization from 2011 to 2021, 10. November 2022 https://www.statista.com/statistics/455937/urbanization-in-syria/
SWP – Stiftung Wissenschaft und Politik: Civil War in Syria, Dezember 2021 https://www.swp-berlin.org/publications/products/comments/2012C43_ass_wmm.pdf
Tagesschau: Wie Assad gestürzt wurde - und was das bedeutet, 8. Dezember 2024 https://www.tagesschau.de/syrien-sieg-rebellen-entwicklung-100.html
TWI – The Washington Institute for Near East Policy: The Role of Syrian Tribes: Betting on a Lost Cause, Fikra Forum, 26. März 2019 https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/role-syrian-tribes-betting-lost-cause
TWI – The Washington Institute for Near East Policy, Fikra Forum: Rebuilding Syria May Require Federalism, 28. Februar 2025 https://www.washingtoninstitute.org/policy-analysis/rebuilding-syria-may-require-federalism
UNHCR – United Nations High Commissioner for Refugees: Syria Refugee Crisis Explained, 13. März 2025 https://www.unrefugees.org/news/syria-refugee-crisis-explained/
UN News: ‘A Syrian-led future’: Security Council highlights priorities ahead, 8. Jänner 2025 https://news.un.org/en/story/2025/01/1158836
UN News: Syria: Hostilities and aid challenges persist across devastated country, 30. Jänner 2025 https://news.un.org/en/story/2025/01/1159596
UN Security Council: Syria’s Failure to Remedy Pending Issues of Chemical Weapons Use Is ‘Wake Up Call’ for International Community, Disarmament Chief Tells Security Council, 9026th meeting, SC/14877, 29. April 2022 https://press.un.org/en/2022/sc14877.doc.htm
USDOS – US Department of State: 2023 Report on International Religious Freedom: Syria, 26. Juni 2024 https://www.ecoi.net/de/dokument/2111572.html
World Bank: Syria Economic Monitor, The Economic Aftershocks of Large Earthquakes, Sommer 2023 https://openknowledge.worldbank.org/bitstreams/d3f5dc06-058a-4c6a-a169-4f6534d84ec4/download
2. Accord, Anfragebeantwortung zu Syrien, Strukturen und wichtige Akteur·innen der interimistischen Regierung sowie der neuen Übergangsregierung, Dominante Strömungen, a-12595, vom 29.03.2025:
Informationen zu Strukturen der interimistischen Regierung (9. Dezember 2024 – 29. März 2025)
Laut einem Bericht des Middle East Institute (MEI) vom März 2025 habe sich seit dem 9. Dezember 2024 in Damaskus eine interimistische Regierung („interim governement“) gebildet, die von Hayat Tahrir al-Sham (HTS) (MEI, März 2025, S. 5) und einer Koalition ihrer Oppositionsverbündeten dominiert werde (MEI, März 2025, S. 5). HTS wird als islamistische Gruppe, die die finale Offensive gegen die frühere Assad-Regierung angeführt habe, beschrieben (FDD, 28. Jänner 2025). Al Jazeera berichtet im Jänner 2025, dass die HTS nach der Absetzung Assads de facto zur Regierungspartei geworden sei und eine interimistische Regierung eingesetzt habe, die sich größtenteils aus Beamten zusammensetzt, die zuvor in der von der HTS kontrollierten Provinz Idlib die lokale Regierung geführt hätten (Al Jazeera, 29. Jänner 2025).
Die HTS sei 2017 die dominierende Kraft in Idlib im Nordwesten Syriens geworden. Um Bedenken gegenüber der Regierung einer militanten Gruppe auszuräumen, habe die HTS als ihren politischen und administrativen Arm die „Heilsregierung“ (Syrian Salvation Government, SSG) gegründet. Die SSG habe wie ein Staat funktioniert, mit einem Premierminister, Ministerien und lokalen Abteilungen, die Bereiche wie Bildung, Gesundheit und Wiederaufbau beaufsichtigt hätten. Gleichzeitig sei ein religiöser Rat, der sich am islamischen Recht, der Scharia, orientiert habe, eingerichtet worden (Vision of Humanity, 12. Februar 2025). Die HTS habe in Idlib für Frauen strenge islamische Kleidervorschriften, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, der Bildung und der Beschäftigung ebenso durchgesetzt wie islamische Strafen für Handlungen, die nach sunnitisch-extremistischer Ideologie als Verbrechen gelten würden (Livingstone, 11. Februar 2025).
Das nach Zusammenbruch der Assad-Regierung im Dezember 2024 entstandene Machtvakuum sei schnell durch ein Flickwerk von Regierungsstrukturen („patchwork of governance structures“) ausgefüllt worden. In einigen Regionen würden die Überreste der Bürokratie der früheren Regierung unter den Übergangsbehörden weiterhin funktionieren, während in anderen Regionen neu gegründete lokale Regierungsstellen versuchen würden, die Kontrolle zu übernehmen (MEI, März 2025, S. 6). Laut einem Artikel von Robert F. Worth vom März 2025 seien in weiten Teilen des Landes die einzigen Zeichen von staatlicher Autorität Gruppen bärtiger Bewaffneter an Kontrollpunkten und Mitglieder des HTS Dawah-Büros, die den Islam mit Liedern und durch Rezitationen verbreiten würden. Die Verwaltungsbeamten der interimistischen Regierung seien so überlastet, dass sie an vielen Orten kaum noch die Grundzüge eines Staates aufrechterhalten könnten (Worth, 24. März 2025). Die Strukturen im Nordosten Syriens würden weiterhin unabhängig von Damaskus funktionieren (MEI, März 2025, S. 6).
Laut dem monatlichen Ausblick des Security Council Reports vom März 2025 sei der Anführer der HTS, Ahmed Al-Sharaa, am 29. Jänner 2025 zum interimistischen Präsidenten ernannt worden und die interimistische Regierung habe versprochen, eine integrative Übergangsregierung zu bilden, die die Vielfalt Syriens repräsentiere. Am 14. Februar 2025 habe der amtierende Außenminister bekräftigt, dass am 1. März 2025 eine neue syrische Regierung, die die Diversität des Landes widerspiegeln werde, ihr Amt antreten solle (Security Council Report, 1. März 2025; siehe auch Le Monde, 29. Jänner 2025). Wahlen würden laut Al-Sharaa in ungefähr vier bis fünf Jahren abgehalten werden (VOA, 30. Dezember 2024; Al Jazeera, 13. März 2025).
Akteur·innen der interimistischen Regierung (9. Dezember 2024 – 29. März 2025)
Le Monde berichtet Ende Jänner 2025, dass der Premierminister der interimistischen Regierung, Mohammad Al-Bashir, ein Kabinett aus konservativen islamistischen Technokraten zusammengestellt habe, in dessen Mittelpunkt drei prominente Persönlichkeiten stehen würden, die bereits alle in der Regierung Idlibs tätig gewesen seien: Außenminister Assad Hassan Al-Shaibani, Verteidigungsminister Murhaf Abu Qasra und der Geheimdienstchef Anas Khattab Sharaa (Le Monde, 30. Jänner 2025).
Laut The Media Line sei es im Jänner 2025 zu einer ersten großen Umorganisation gekommen. Der Premierminister habe Innenminister Mohammed Abdul Rahman durch Ali Abdulrahman Keda ersetzt (The Media Line, 22. Jänner 2025).
Laut der International Crisis Group werde die interimistische Regierung von Mitgliedern der ehemals dschihadistischen Gruppe Hayat Tahrir al-Sham angeführt. Al-Sharaa und Anas Khattab, der Geheimdienstchef der Übergangsregierung, würden weiterhin UN-Sanktionen unterliegen (International Crisis Group, 28. Februar 2025).
Karam Shaar Advisory, ein neuseeländisches Beratungsunternehmen mit Schwerpunkt auf der Wirtschaft und Politik Syriens, veröffentlicht einen monatlichen Newsletter mit Analysen und Daten zu Entwicklungen in Syrien. In der Ausgabe von März 2025 analysiert Karam Shaar Advisory die Zusammensetzung der interimistischen Übergangsregierung („caretaker government“), da die Ernennungen ein Bild davon vermitteln würden, wer die Macht innehabe und wie der interimistische Präsident regiere. Karam Shaar Advisory habe dafür die Hintergründe von 21 Ministern und 154 hochrangigen Beamt·innen analysiert, die zwischen dem 8. Dezember 2024 und dem 20. Februar 2025 ernannt worden seien (Karam Shaar Advisory, März 2025, S. 2). Eine Analyse der Zugehörigkeit der Übergangsregierung habe ergeben, dass 12 Minister mit der ehemaligen „Heilsregierung“ von Idlib (Syrian Salvation Government, SSG) in Verbindung gestanden seien (Karam Shaar Advisory, März 2025, S. 3). Die SSG, bestehend aus zivilen Technokraten, wurde 2017 in der Provinz Idlib von der das Gouvernement Idlib kontrollierenden HTS eingesetzt (Al Jazeera, 15. Dezember 2024). Die SSG werde oft als die administrative Erweiterung der HTS angesehen. Die derzeitige Führung scheine eher auf niedrigeren Ebenen bereit zu sein, ihre Macht mit Personen zu teilen, die nicht mit der SSG in Verbindung stehen würden, was auf 138 der analysierten hochrangigen Beamt·innen zutreffe. Die starke HTS-Präsenz unter den Ministern werfe Fragen zur Autonomie und zum politischen Spielraum der Übergangsregierung auf. Was die militärische Zugehörigkeit der Mitglieder der Übergangsregierung und ihrer Beamt·innen betreffe, würden viele in die Kategorie „unbekannt“ fallen, insbesondere unter den hochrangigen Positionen. Ein militärischer Hintergrund schließe zwar eine effektive Regierungsführung nicht aus, deute aber auf die anhaltende Rolle bewaffneter Akteure in der Politik hin (Karam Shaar Advisory, März 2025, S. 3). Was die geografische Herkunft des Kabinetts betreffe, seien Gebiete, die in der Vergangenheit von der HTS kontrolliert worden seien, überrepräsentiert. Rund 24 Prozent des Kabinetts stamme aus Idlib. Dies würde auf Kosten anderer Gouvernements gehen, wie insbesondere Latakia, Tartus, As-Suwayda und Damaskus, die vor dem Sturz der Regierung von Assad unter dessen Kontrolle gestanden seien. Ebenfalls unterrepräsentiert seien Gebiete, die von der SDF kontrolliert würden (Karam Shaar Advisory, März 2025, S. 4). Was die Repräsentation der Geschlechter betreffe, herrsche in der Übergangsregierung eklatante Ungleichheit. Alle Minister seien männlich. Unter den leitenden Beamt·innen seien nur 8 Prozent Frauen (Karam Shaar Advisory, März 2025, S. 3). In Bezug auf die religiöse Zugehörigkeit zeige die Übergangsregierung nur eine begrenzte Vielfalt. Alle 21 Minister seien Muslime, hauptsächlich Sunniten, von fünf sei nicht bekannt, welcher Ausrichtung („sect“) des Islam sie angehören. Die Besetzung weiterer Führungspositionen sei ähnlich homogen, nur drei Christen und ein Druse würden sich unter den 154 analysierten Beamt·innen finden. Diese eingeschränkte Vertretung Syriens werfe Fragen hinsichtlich der Fähigkeit der Übergangsregierung auf, alle Gruppen bei der Regierung des Landes zu repräsentieren (Karam Shaar Advisory, März 2025, S. 4).
Laut einem bereits oben angeführten Artikel von Le Monde vom 30. Jänner seien der Außenminister Al-Shaibani, Verteidigungsminister Abu Qasra und Geheimdienstchef Khattab das Rückgrat der neuen Machtstruktur, die sich in Damaskus um Al-Sharaa konsolidiert habe. Sie seien langjährige Kollegen von Al-Sharaa (Le Monde, 30. Jänner 2025). Am 13. März berichten mehrere Quellen, dass ein Nationaler Sicherheitsrat eingerichtet worden sei (DW, 13. März 2025; The Media Line, 13. März 2025; France 24, 13. März 2025). Der Rat werde Entscheidungen im Hinblick auf die nationale Sicherheit des Landes treffen (France 24, 13. März 2025; siehe auch DW, 13. März 2025). Al-Sharaa sitze dem Rat vor, dem außerdem der Außenminister, Innenminister, Verteidigungsminister und der Geheimdienstchef angehören würden, neben drei weiteren Sitzen (The Media Line, 13. März 2025).
Ahmed Al-Sharaa
Ahmad Al-Sharaa sei in Saudi Arabien als Sohn syrischer Eltern geboren worden. In den späten 1980er Jahren sei seine Familie zurück nach Syrien gezogen. 2003 habe sich Ahmad Al-Sharaa al-Qaida im benachbarten Irak angeschlossen und habe gegen die amerikanische Besatzung gekämpft. Im Irak habe er laut amerikanischen Beamt·innen einige Jahre in einem US-amerikanischen Gefängnis verbracht (The New York Times, 30. Jänner 2025). Laut Nordic Monitor sei Al-Sharaa im August 2012 vom damaligen Anführer des Islamischen Staats (ISIS) Abu Bakr Al-Baghdadi damit beauftragt worden, einen syrischen Ableger aufzubauen (Nordic Monitor, 2. Jänner 2025). Die New York Times berichtet, dass Al-Sharaa, der früher unter dem Decknamen Abu Mohammad Al-Jolani bekannt gewesen sei, zu Beginn des syrischen Bürgerkriegs nach Syrien zurückgekehrt sei und dort einen al-Qaida-Ableger gegründet habe, die Nusra-Front. Er habe schließlich die Verbindung zu al-Qaida aufgelöst und die Nusra-Front sei Hayat Tahrir al-Sham (HTS) geworden (The New York Times, 30. Jänner 2025; siehe auch VOA, 24. Dezember 2024). Die HTS werde von den USA, der EU und der Türkei als terroristische Organisation gelistet (Al Jazeera, 15. Dezember 2024) und habe eine Geschichte von Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen (New Lines Magazine, 25. Februar 2025). Worth beschreibt Al-Sharaa als früheren Dschihadisten und als Figur, die früher Schrecken verbreitet habe (Worth, 24. März 2025). Nachdem er im Dezember 2024 an die Macht gekommen sei, scheine er versucht zu haben, sich von seiner militanten Vergangenheit zu distanzieren, indem er seine Kampfuniform ab- und Anzug und Krawatte angelegt habe, berichtet die New York Times im Jänner (The New York Times, 30. Jänner 2025). Er habe eine gemäßigtere Haltung eingenommen und sich für die Errichtung eines Staates ausgesprochen, der auf Toleranz und Koexistenz zwischen den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen beruhe (VOA, 24. Dezember 2024). Laut Worth habe Al-Sharaa in Reden und Interviews außerordentliche Zurückhaltung an den Tag gelegt und versprochen, auf Rache zu verzichten und Syrien auf moderate und integrative Weise wieder aufzubauen. Er habe darüber gesprochen, wie wichtig es sei, über eine revolutionäre Denkweise hinauszugehen, die zwar „ein Regime stürzen, aber keinen Staat aufbauen“ könne. Al-Sharaa würde sichtlich versuchen, weder die vielen Islamisten in seinem Lager noch die westlichen Länder zu verprellen, die den Schlüssel zur finanziellen Zukunft Syriens in der Hand halten würden (Worth, 24. März 2025). David Livingstone hinterfragt in einem Artikel vom Februar 2025, ob Al-Sharaa’s Darstellung des Wandels vom sunnitischen Extremisten zum gemäßigten Islamisten glaubwürdig sei. Außerdem müsse er sich der Realität einer militanten Basis von Kämpfern stellen, die wahrscheinlich nicht Krieg geführt hätten, um eine fortschrittliche und integrative Regierung in Damaskus zu etablieren (Livingstone, 11. Februar 2025).
Geheimdienstchef Anas Khattab
The New Arab widmet Ende Dezember 2024 dem Chef des syrischen Geheimdienstes einen Artikel, der berichtet, dass Khattab 2012 von den USA und 2014 von den Vereinten Nationen auf die Liste des internationalen Terrorismus gesetzt worden sei. The New Arab bezieht sich auf Syria TV, wonach Khattab eine Vergangenheit im Sicherheits-und Geheimdienstbereich habe und in jungen Jahren 2003 in den Irak gezogen sei (The New Arab, 27. Dezember 2024), wo er im damaligen Islamischen Staat im Irak (ISI) das Kommando über die Grenzen zu Syrien übernommen habe (The New Arab, 27. Dezember 2024). Im Jahr 2012 habe sich Anas Khattab der Nusra-Front angeschlossen und sei ein enger Vertrauter von Al-Sharaa geworden. Khattabs Ernennung zum Geheimdienstchef sei von Analysten kritisiert worden, die befürchten würden, dass seine neue Rolle Extremisten ermutigen könne (The New Arab, 27. Dezember 2024). Laut Nordic Monitor würde ein Bericht des türkischen Innenministeriums von 2021 die Beteiligung Khattabs und Al-Sharaas an terroristischen Aktivitäten, insbesondere in Syrien und ihre Verbindungen zu dschihadistischen Netzwerken dokumentieren (Nordic Monitor, 2. Jänner 2025). Im Kabinett der neuen Übergangsregierung, die am 29. März 2025 ernannt wurde, sei Anas Khattab zum Innenminister ernannt worden (DW, 30. März 2025).
Verteidigungsminister Abu Qasra
The National berichtet Ende Dezember 2024, dass die Sorge wachse, dass die syrische Übergangsregierung islamistischen Extremisten formelle Regierungsrollen übertrage, nachdem Verteidigungsminister Abu Qasra auch ausländische Kämpfer für hochrangige militärische Posten eingesetzt habe. Der Verteidigungsminister habe Militante befördert, wie beispielsweise Abdulsalam Yasin Ahmad, stellvertretenden Vorsitzenden der Turkistan Islamic Party. Diese Fraktion habe nach dem Sturz der Assad-Regierung in einem Video zu globaler Gewalt aufgerufen (The National, 31. Dezember 2024). Abu Qasra sei auch in der neuen Übergangsregierung Verteidigungsminister (DW, 30. März 2025).
Justizminister Al-Waisi
Am 5. Jänner schreibt The Times, dass die Ernennungen in der Übergangsregierung Bedenken hinsichtlich ihrer Absichten für das Land ausgelöst hätten. Shadi Al-Waisi, der im Dezember zum Justizminister Syriens ernannt worden sei, sei in zwei 2015 gedrehten Videos zu sehen, bei denen Frauen hingerichtet worden seien. In einem Video sei er, der als Jurist für die Nusra Front gearbeitet habe, zu sehen, als ihn eine Frau anflehe, ihre Kinder ein letztes Mal sehen zu dürfen. Er trete beiseite und gebe einem bewaffneten Mann ein Zeichen, der sie daraufhin auf die Knie zwinge und ihr in den Hinterkopf schieße. In dem zweiten Video würde der Justizminister das Todesurteil für eine andere Frau verlesen, die der Prostitution beschuldigt werde. Ein ranghohes Mitglied der HTS habe einer Fact-Checking Organisation erklärt, dass die Aufnahmen im Zusammenhang mit den Exekutionen eine Phase widerspiegeln würden, die sie hinter sich gelassen hätten (The Times, 5. Jänner 2025). Al-Waisi wurde als Justizminister in der am 29. März 2025 ernannten neuen Übergangsregierung abgelöst (Enab Baladi, 30. März 2025).
Frauenbeauftragte Aisha al-Dibs
Aisha Al-Dibs, weibliches Mitglied der interimistischen Regierung und für Frauenangelegenheiten zuständig, glaube, dass Frauen „nicht über die Prioritäten ihrer gottgegebenen Natur hinausgehen sollten“ (The Times, 5. Jänner 2025). Informationen zum Verbleib von Aisha Al-Dibs in der neuen Übergangsregierung vom 29. März 2025 konnten nicht gefunden werden.
Bildungsminister Nazir Muhammad Al-Qadri
Der Bildungsminister [Nazir Muhammad Al-Qadri] habe Schulbücher geändert, um ihnen einen islamischeren Anstrich zu geben, sei nach Kritik aber wieder zurückgerudert (The Times, 5. Jänner 2025). Die New York Times berichtet am 6. Jänner 2025, dass Bezüge zum früheren Präsidenten Bashar Al-Assad und seinem Vater aus den Texten entfernt worden seien und ebenso Bilder von prä-islamischen Gottheiten. Auch eine Königin aus römischen Zeiten sei aus einigen Texten entfernt worden. Der Schritt sei von Lehrer·innen und anderen Syrer·innen kritisiert worden, die sich auch an der Tatsache gestoßen hätten, dass die Änderungen undurchsichtig und ohne Miteinbeziehung von Lehrer·innen und der Öffentlichkeit vorgenommen worden seien. Kritiker·innen würden in den Änderungen und der Art ihrer Anordnung beunruhigende Anzeichen dafür erkennen, wie die neue Regierung ein vielfältiges Land regieren wolle. Eine weitere Änderung betreffe die Übersetzung eines Verses aus dem Koran. Der letzte Vers im ersten Kapitel des Koran beziehe sich auf „die, die in die Irre gehen“. Im vorhergehenden Lehrbuch für Islamkunde sei der Ausdruck als „die, die vom rechten Weg abgekommen seien“ definiert. Nach den Änderungen werde der Ausdruck nun als „Christen und Juden“ definiert (New York Times, 6. Jänner 2025). Al-Qadri wurde als Bildungsminister in der am 29. März 2025 ernannten neuen Übergangsregierung abgelöst (Enab Baladi, 30. März 2025).
Die vorläufige Verfassung vom 13. März 2025
Am 13. März 2025 habe der interimistische Präsident Ahmad Al-Sharaa eine Verfassungserklärung unterzeichnet, die eine fünfjährige Übergangszeit abdecke (The Guardian, 13. März 2025; Al Jazeera, 13. März 2025). Laut einem Onlinebeitrag von Euronews vom 14. März 2025 würde diese vorläufige Verfassung das Land unter der Herrschaft von Al-Sharaa’s Gruppe belassen, während er verspreche, die Rechte aller Syrer·innen während einer Übergangsphase von fünf Jahren zu schützen (Euronews, 14. März 2025).
Der am 13. März veröffentlichte Text der vorläufigen Verfassung sehe die Einrichtung eines Volkskomitees („People’s Committee“) vor, das als Übergangsparlament fungieren solle, bis eine dauerhafte Verfassung verabschiedet werde und Wahlen abgehalten würden. Zwei Drittel der Mitglieder des Volkskomitees würden von einem durch den interimistischen Präsidenten bestellten Ausschuss ernannt und ein Drittel von Al-Sharaa selbst. Ein neuer Ausschuss, der eine dauerhafte Verfassung entwerfen solle, werde gebildet (AP, 13. März 2025).
Artikel eins der vorläufigen Verfassungserklärung nenne den Namen „Arabische Republik Syrien“ als identitätsstiftend, während Artikel drei festlege, wie dies bereits in früheren Verfassungen der Fall gewesen sei, dass die Religion des Präsidenten der Republik der Islam sei und die islamische Rechtsprechung die Hauptquelle der Gesetzgebung darstelle. Artikel vier lege fest, dass Arabisch die offizielle Sprache des Landes sei. Artikel zehn besage, dass syrische Bürger·innen vor dem Gesetz gleich seien, was ihre Rechte und Pflichten betreffe, und zwar ohne Diskriminierung aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit („race“), Religion, Geschlecht oder Abstammung („lineage“) (Enab Baladi, 17. März 2025). Euronews berichtet im bereits oben genannten Artikel vom 14. März, dass es in der vorläufigen Verfassung heiße, dass der syrische Staat „entschlossen sei, alle Formen des gewalttätigen Extremismus zu bekämpfen und dabei Rechte und Freiheiten zu respektieren“ (Euronews, 14. März 2025).
Laut einem Artikel von Human Rights Watch (HRW) vom 25. März 2025 sehe die Verfassungserklärung ein starres Präsidialmodell vor, bei dem das Parlament nicht in der Lage sei, den Präsidenten des Amtes zu entheben, Minister·innen zu bestätigen oder zu entlassen oder die Exekutivgewalt zu kontrollieren (HRW, 25. März 2025). Syrische Rechtsexperten hätten laut einem Artikel von Enab Baladi vom 17. März 2025 darauf hingewiesen, dass die Befugnisse des Präsidenten nicht klar definiert seien und es keine Mechanismen gebe, um ihn bei Fehlern zur Rechenschaft zu ziehen. Auch die Rechenschaftspflicht der Minister sei nicht klar definiert (Enab Baladi, 17. März 2025). HRW berichtet in dem bereits oben angeführten Artikel vom 25. März, dass die Verfassungserklärung, die der interimistische Präsident Ahmed Al-Sharaa gebilligt habe, dem Präsidenten weitreichende Befugnisse, unter anderem über Ernennungen in der Justiz und Legislative verleihe, ohne jegliche Kontrolle. Die weitreichende Machtbefugnis des Präsidenten werfe ernsthafte Bedenken hinsichtlich der Nachhaltigkeit („durability“) der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes von Menschenrechten auf. Obwohl die Unabhängigkeit der Justiz bekräftigt werde, würden klare Schutzmaßnahmen, um sie in der Praxis zu gewährleisten, fehlen. Artikel 47 erteile dem Präsidenten die Befugnis, alle sieben Mitglieder des Obersten Verfassungsgerichts zu ernennen, ohne parlamentarische oder sonstige Kontrolle. Der Präsident verfüge auch über die nahezu vollständige Kontrolle bei den Ernennungen der Legislative. Laut Artikel 24 ernenne der Präsident persönlich ein Drittel der Mitglieder des Übergangsparlaments, während die restlichen zwei Drittel von einem Ausschuss gewählt würden, dessen Mitglieder wiederum vom Präsidenten ernannt würden. Als Präsident würde Al-Sharaa auch die Exekutivkontrolle ausüben, gemeinsam mit einem Kabinett von Ministern, die er allein ernennen und entlassen könne, wie die Artikel 31 und 35 der vorläufigen Verfassungserklärung festlegen würden (HRW, 25. März 2025). Die Deutsche Welle berichtet in einem Artikel vom 18. März, dass Verfassungsexpert·innen darauf hingewiesen hätten, dass Minderheiten in der vorläufigen Verfassung keine Erwähnung finden würden (DW, 18. März 2025). Voice of America berichtet am 14. März, dass die kurdisch geführte Autonome Verwaltung in Nord- und Ostsyrien, eine de facto zivile Behörde, die mit den Syrian Democratic Forces (SDF) verbunden sei und fast ein Drittel des syrischen Territoriums kontrolliere, die erste gewesen sei, die die vorläufige Verfassung ablehne und sie als ausgrenzend bezeichnet habe (VOA, 14. März 2025).
Am 25. März habe Al-Sharaa angekündigt, dass die Übergangsregierung 22 Ministerposten umfassen werde, die mehrheitlich mit „Neulingen“ besetzt würden. Dies deute laut Critical Threats Project (CTP) und dem Institute for the Study of War (ISW) darauf hin, dass er die 22 bestehenden Ministerposten ersetzen werde. Wahrscheinlich werde auch das Amt des Premierministers Mohammed Al-Bashir aufgelöst (CTP ISW, 25. März 2025, S. 1).
Die neue Übergangsregierung vom 29. März 2025
Mehrere Quellen berichten, dass der interimistische syrische Präsident Al-Sharaa am 29. März 2025 eine neue Übergangsregierung eingesetzt habe (Al Jazeera, 30. März 2025; France 24, 29. März 2025; The New York Times, 30. März 2025), die fünf Jahre lang regieren solle, bis eine Verfassung verabschiedet werde und Wahlen abgehalten werden könnten (MEE, 30. März 2025). Die neue Übergangsregierung bestehe aus 22 Ministern und einer Ministerin (Al Jazeera, 30. März 2025; MEE, 30. März 2025) und habe keinen Premierminister mehr (Euronews, 30. März 2025; Al Jazeera, 30. März 2025). Al Jazeera berichtet, dass erwartet werde, dass Al-Sharaa die Exekutive leiten werde (Al Jazeera, 30. März 2025), während Euronews schreibt, dass ein Generalsekretär die Regierung leiten werde (Euronews, 30. März 2025).
Das Kabinett der 23 Minister·innen werde laut einem Artikel der Deutschen Welle von engen Vertrauten Al-Sharaas dominiert, die Schlüsselpositionen innehätten (DW, 30. März 2025). Laut New York Times habe Al-Sharaa dafür gesorgt, dass ein Großteil der Staatsmacht in seiner Hand bleibe, die mächtigsten Ministerien habe er für seine Verbündeten und Anhänger behalten. Er habe die Leitung des Verteidigungs- und Außenministeriums engen Verbündeten überlassen und er habe seinen ehemaligen Geheimdienstchef, Anas Khattab, zum Innenminister gemacht. Sieben der ernannten Minister hätten der ehemaligen Provinzverwaltung in Idlib [Syrian Salvation Government, Anmerkung ACCORD] angehört. Al-Sharaa habe aber auch neun unabhängige Minister ernannt, darunter Technokraten und ehemalige Aktivisten, und er habe fünf Minister angelobt, die in den ersten Jahren der Assad-Regierung tätig gewesen seien, bevor das Land in den Bürgerkrieg abgerutscht sei (The New York Times, 30. März 2025).
Asaad Al-Shaibani sei weiterhin Außenminister und Murhaf Abu Qasra bleibe Verteidigungsminister (France 24, 29. März 2025; DW, 30. März 2025). Anas Khattab, Geheimdienstchef der interimistischen Regierung, sei zum Innenminister ernannt worden (DW, 30. März 2025; The New York Times, 30. März 2025). Mohammed Al-Bashir, der als Premierminister an der Spitze der interimistischen Regierung gestanden sei, sei zum Energieminister ernannt und mit der Wiederbelebung des Elektrizitäts- und Ölsektors beauftragt worden (Euronews, 30. März 2025).
Für die neue Übergangsregierung seien Minister·innen jeder der wichtigsten Minderheiten ernannt worden (The New York Times, 30. März 2025): Yarub Badr, ein Alawit, sei der neue Verkehrsminister. Amgad Badr, der der syrischen Minderheit der Drusen angehöre, werde das Landwirtschaftsministerium leiten. Die erfahrene Oppositionelle Hind Kabawat, eine Christin und langjährige Gegnerin Assads, sei zur Ministerin für Soziales und Arbeit ernannt worden. Sie sei die erste Frau, die von Al-Sharaa ernannt worden sei (DW, 30. März 2025) und auch die einzige Frau unter den 23 Minister·innen (The New York Times, 30. März 2025). Der Bildungsminister namens Mohammad Turko ist Mitglied der kurdischen Minderheit (MEE, 30. März 2025).
Dem Kabinett würden keine Vertreter·innen der von den USA unterstützten und von Kurd·innen geführten Syrian Democratic Forces (SDF) oder der autonomen Zivilverwaltung im Nordosten Syriens angehören (Euronews, 30. März 2025). Am 30. März habe die kurdisch geführte Verwaltung im Nordosten Syriens die neu gebildete Regierung in Damaskus zurückgewiesen und erklärt, dass sie es versäumt habe, die Minderheiten des Landes einzubeziehen. Die Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) habe erklärt, dass sie sich nicht an die Umsetzung oder Durchsetzung der von dieser Regierung getroffenen Entscheidungen gebunden fühle (MEE, 30. März 2025).
Die Minister·innen der neuen Übergangsregierung
Außenminister: Asaad Al-Shaibani
Verteidigungsminister: Murhaf Abu Qasra
Innenminister: Anas Khattab
Justizminister: Mazhar Al-Wais
Minister für religiöse Stiftungen: Muhammad Abu Al-Khair Shukri
Minister für Höhere Bildung: Marwan Al-Halabi
Ministerin für Arbeit und Soziales: Hind Kabawat
Energieminister: Mohammed Al-Bashir
Finanzminister: Mohammed Yosr Bernieh
Wirtschaftsminister: Nidal Al-Shaar
Gesundheitsminister: Musab Nazzal Al-Ali
Minister für Lokale Verwaltung: Mohammad Anjarani
Minister für Notfälle und Katastrophen: Raed Al-Saleh
Minister für Kommunikation (Enab Baladi, 30. März 2025) bzw. Minister für Kommunikation und IT (The New Arab, 30. März 2025): Abdulsalam Haykal
Landwirtschaftsminister: Amjad Badr
Bildungsminister: Mohammed Abdul Rahman Turko
Minister für öffentliche Arbeiten und Wohnungswesen („Public Works and Housing“): Mustafa Abdul Razzaq
Kulturminister: Mohammad Yassin Al-Saleh
Minister für Sport und Jugend: Mohammed Saleh Hamid
Tourismusminister: Mazen Al-Salhani
Minister für Verwaltungsentwicklung: Muhammad Iskaf
Verkehrsminister: Yarub Badr
Medienminister (Enab Baladi, 30. März 2025) bzw. Informationsminister (The New Arab, 30. März 2025): Hamza Mustafa
(Enab Baladi, 30. März 2025; The New Arab, 30. März 2025)
Quellen: (Zugriff auf alle Quellen am 3. April 2025)
ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation: Anfragebeantwortung zu Syrien: Idlib: Situation von Frauen in den von der Hay’at Tahrir al-Sham (HTS) kontrollierten Gebieten, vor allem alleinstehende Frauen [a-12520], 12. Dezember 2024 https://www.ecoi.net/de/dokument/2119371.html
Al Jazeera: What to know about Syria’s new caretaker government, 15. Dezember 2024 https://www.aljazeera.com/news/2024/12/15/what-to-know-about-syrias-new-caretaker-government
Al Jazeera: Syria’s Ahmed al-Sharaa named president for transitional period, 29. Jänner 2025 https://www.aljazeera.com/news/2025/1/29/syrias-ahmed-al-sharaa-named-president-for-transitional-period
Al Jazeera: Syria’s al-Sharaa signs temporary constitution, 13. März 2025 https://www.aljazeera.com/news/2025/3/13/syrias-al-sharaa-signs-five-year-temporary-constitution
Al Jazeera: Syrian president al-Sharaa unveils transitional government, 30. März 2025 https://www.aljazeera.com/news/2025/3/30/syrian-president-unveils-transitional-government
Alma Research and Education Center, 30. Dezember 2024 https://israel-alma.org/syrias-transitional-government/
AP – Associated Press: Syrian leader signs constitution that puts the country under an Islamist group’s rule for 5 years, 13. März 2025 https://apnews.com/article/syria-constitution-assad-alsharaa-4caa2074f20155c2399451d9669e435b
·CRS – Congressional Research Service: Al Qaeda: Background, Current Status, and U.S. Policy, aktualisiert 6. Mai 2024a https://www.congress.gov/crs-product/IF11854
CRS – Congressional Research Service: The Islamic State: Background, Current Status, and U.S. Policy, aktualisiert 6. Mai 2024b https://www.congress.gov/crs_external_products/IF/PDF/IF10328/IF10328.26.pdf
CRS – Congressional Research Service: Syria: Transition and U.S. Policy, aktualisiert 11. März 2025 https://www.congress.gov/crs_external_products/RL/PDF/RL33487/RL33487.175.pdf
CSIS – Center for Strategic International Studies: Examining Extremism: Hayat Tahrir Al-Sham (HTS), 3. August 2023 https://www.csis.org/blogs/examining-extremism/examining-extremism-hayat-tahrir-al-sham-hts
CTP - Critical Threats Project ISW - Institute for the Study of War: Iran Update, 25. März 2025 https://www.understandingwar.org/sites/default/files/Iran%20Update%2C%20March%2025%2C%202025%20%28PDF%29.pdf
DW – Deutsche Welle: Syria's interim president creates national security council, 13. März 2025 https://www.dw.com/en/syrias-interim-president-creates-national-security-council/a-71905119
DW – Deutsche Welle: No quotas: How can new Syrian government be inclusive?, 18. März 2025 https://www.dw.com/en/no-quotas-how-can-new-syrian-government-be-inclusive/a-71964960
DW – Deutsche Welle: Syria's interim president forms new transitional government, 30. März 2025 https://www.dw.com/en/syrias-interim-president-forms-new-transitional-government/a-72085409
Enab Baladi: Controversy over identity and presidential powers, 17. März 2025 https://english.enabbaladi.net/archives/2025/03/syrian-constitutional-declaration-controversy-over-identity-and-presidential-powers/
Enab Baladi: Al-Sharaa names new Syrian government, 30. März 2025 https://english.enabbaladi.net/archives/2025/03/al-sharaa-names-new-syrian-government/
Euronews: Syria's interim president signs temporary constitution amid ongoing conflict, 14. März 2025 https://www.euronews.com/2025/03/14/syrias-interim-president-signs-temporary-constitution-amid-ongoing-conflict
Euronews: Syria swears in new transitional government on the eve of Eid-al-Fitr, 30. März 2025 https://www.euronews.com/2025/03/30/syria-swears-in-new-transitional-government-on-the-eve-of-eid-al-fitr
FDD – Foundation for Defense of Democracies: How China’s Repressive Policies Could Fuel the Jihad, 29. April 2020 https://www.fdd.org/analysis/2020/04/29/how-chinas-repressive-policies-could-fuel-the-jihad/
FDD – Foundation for Defense of Democracies: Syrian Government Uses Islamic Teaching to Recruit, Train New Security Forces, 28. Jänner 2025 https://www.fdd.org/analysis/2025/01/28/syrian-government-uses-islamic-teaching-to-recruit-train-new-security-forces/
France 24: Syria's interim president announces formation of national security council, 13. März 2025 https://www.france24.com/en/middle-east/20250313-syria-interim-president-announces-formation-of-national-security-council-sharaa-bashar-al-assad
France 24: Syria's interim president Ahmed al-Sharaa announces new transitional government, 29. März 2025 https://www.france24.com/en/live-news/20250329-%F0%9F%94%B4-syria-s-interim-president-ahmed-al-sharaa-announces-formation-of-new-transitional-government
Guardian (The): Syria’s leader proclaims ‘new history’ after signing constitutional declaration, 13. März 2025 https://www.theguardian.com/world/2025/mar/13/syrias-leader-proclaims-new-history-after-signing-constitutional-declaration
HRW – Human Rights Watch: Syria: Constitutional Declaration Risks Endangering Rights, 25. März 2025 https://www.hrw.org/news/2025/03/25/syria-constitutional-declaration-risks-endangering-rights
International Crisis Group: Rethinking UN Sanctions on Syria’s Interim Leaders, 28. Februar 2025 https://www.crisisgroup.org/middle-east-north-africa/east-mediterranean-mena/syria/rethinking-un-sanctions-syrias-interim
Jamestown Foundation: Jihad in China? Marketing the Turkistan Islamic Party, 17. März 2011 https://jamestown.org/program/jihad-in-china-marketing-the-turkistan-islamic-party/
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Kuiper, Matthew J.: Da’wa, Oxford Bibliographies (Hg.), aktualisiert 27. Juni 2018 https://www.oxfordbibliographies.com/display/document/obo-9780195390155/obo-9780195390155-0252.xml
Le Monde: Syria: Rebel leader Ahmed al-Sharaa named transitional president, 29. Jänner 2025 https://www.lemonde.fr/en/international/article/2025/01/29/syria-rebel-leader-ahmed-al-sharaa-named-transitional-president_6737571_4.html
Le Monde: Syrian transitional cabinet is stocked with Ahmad al-Sharaa's loyalists, 30. Jänner 2025 https://www.lemonde.fr/en/international/article/2025/01/10/syrian-transitional-cabinet-is-stocked-with-ahmed-al-sharaa-s-loyalists_6736898_4.html
Livingstone, David: The two faces of Syria’s interim government, In: The Interpreter, 11. Februar 2025 https://www.lowyinstitute.org/the-interpreter/two-faces-syria-s-interim-government
Media Line (The): Syria’s Caretaker Government Reshuffles Cabinet To Bolster Transition Efforts, 22. Jänner 2025 https://themedialine.org/top-stories/syrias-caretaker-government-reshuffles-cabinet-to-bolster-transition-efforts/
Media Line (The): Syria’s President Establishes National Security Council Amid Growing Unrest, 13. März 2025 https://themedialine.org/top-stories/syrias-president-establishes-national-security-council-amid-growing-unrest/
MEE – Middle East Eye: Syria reveals new religiously diverse interim government, 30. März 2025 https://www.middleeasteye.net/news/syria-reveals-new-religiously-diverse-interim-government
MEI - Middle East Institute: Reimagining Syria. A Roadmap for Peace and Prosperity Beyond Assad, März 2025 https://www.mei.edu/sites/default/files/Reimagining%20Syria.pdf
National (The): Syria's Hayat Tahrir Al Sham gives foreign Islamist fighters defence roles in bid to consolidate security, 31. Dezember 2024 https://www.thenationalnews.com/news/mena/2024/12/31/syrias-hayat-tahrir-al-sham-gives-extremists-defence-roles-in-bid-to-consolidate-security/
New Arab (The): Who is Syria’s new intelligence chief, Anas Khattab?, 27. Dezember 2024 https://www.newarab.com/news/who-syrias-new-intelligence-chief-anas-khattab
New Arab (The): What to know about Syria's new cabinet and its top ministers, 30. März 2025 https://www.newarab.com/news/what-know-about-syrias-new-cabinet-and-its-top-ministers
New Lines Magazine: Syria’s New Rulers Are Working To Unify Military Power, 25. Februar 2025 https://newlinesmag.com/reportage/syrias-new-rulers-are-working-to-unify-military-power/
New York Times (The): Al-Assad Is Out, but So Is a Revered Queen: Textbook Changes Unsettle Syrians, 6. Jänner 2025, https://www.nytimes.com/2025/01/06/world/middleeast/syria-government-school-changes.html
New York Times (The): What We Know About Ahmed al-Shara, Syria’s Interim President, 30. Jänner 2025 https://www.nytimes.com/2025/01/30/world/europe/syria-president-ahmed-al-shara.html
New York Times (The): Syrians Wake Up to a New Government, 30. März 2025 https://www.nytimes.com/2025/03/30/world/middleeast/syria-new-transitional-government.html
Nordic Monitor: Syria’s new intelligence chief, Khattab, tied to Turkey’s spy agency, MIT, 2. Jänner 2025 https://nordicmonitor.com/2025/01/syrias-new-intelligence-chief-khattab-serves-as-liaison-to-turkeys-spy-agency-mit/
Security Council Report: March 2025 Monthly Forecast, 1. März 2025 https://www.securitycouncilreport.org/monthly-forecast/2025-03/syria-77.php
Times (The): Fears for Syrian women as former al-Qaeda hardliners take senior roles, 5. Jänner 2025 https://www.thetimes.com/world/middle-east/article/fears-for-syrian-women-as-former-al-qaeda-hardliners-take-senior-roles-kq7jzs7zk (erhältlich bei Factiva)
Vision of Humanity: What happens next when a terrorist group overthrows a government?, 12. Februar 2025 https://www.visionofhumanity.org/what-happens-next-when-a-terrorist-group-overthrows-a-government/
VOA – Voice of America: Syrians welcome new rulers' pledge of moderation but are concerned about extremists in their midst, 24. Dezember 2024 https://www.voanews.com/a/syrians-welcome-new-rulers-pledge-of-moderation-but-are-concerned-about-extremists-in-their-midst-/7912678.html
VOA – Voice of America: Syria’s election timetable sparks debate, 30. Dezember 2024 https://www.voanews.com/a/syria-election-timetable-sparks-debate/7918897.html
VOA – Voice of America: Analysts see flaws in Syria's temporary constitution, 14. März 2025 https://www.voanews.com/a/analysts-see-flaws-in-syria-s-temporary-constitution/8011117.html
Worth, Robert F.: Can One Man Hold Syria Together?, In: Atlantic (The), 24. März 2025 https://www.theatlantic.com/international/archive/2025/03/syria-assad-downfall-sharaa/682135/
Zelin, Aaron Y.: New Syrian Government Starter Pack, In: Jihadology+, 30. März 2025 https://www.jihadologyplus.com/p/new-syrian-government-starter-pack?utm_source=substack utm_medium=email#media-bcb6ce79-a0b2-41f2-bbb3-5a51f8418f64
3. BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland), Kurzer Überblick zu aktuellen Entwicklungen (Sicherheitslage, Politik, Wirtschaft) in ausgewählten Ländern, 31.03.2025, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw14-2025.pdf?__blob=publicationFile v=2:
Trotz des zwischen der Übergangsregierung und dem Kommandeur der sog. Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) unterzeichneten Abkommen über die Eingliederung der SDF in den syrischen Staatsapparat und einem Waffenstillstand kam es in der vergangenen Woche weiterhin zu Beschuss und Kämpfen im Osten des Gouvernements Aleppo. Bei den kämpfenden Fraktionen handelt es sich auf der einen Seite um die SDF und auf der anderen Seite um die sog. Syrische Nationalarmee (SNA), die maßgeblich von der Türkei unterstützt und beeinflusst wird. Darüber hinaus erfolgen regelmäßig türkische Luftangriffe auf Ziele der SDF. Die SNA gelten nominell bereits als in das syrische Militär integriert, bestehen de facto jedoch in Kommandostruktur, Loyalität und Führung in unveränderter Form weiter. Auch die Gehälter ihrer Kämpfer sollen bislang zumindest teilweise nicht von der Übergangsregierung gezahlt werden. Die syrische Übergangsregierung bezog zu den andauernden Kämpfen nicht offiziell Stellung. Im Rahmen der Kämpfe wurden in den vergangenen Wochen von keiner Seite maßgebliche Verluste oder Gewinne verzeichnet. Immer wieder werden beiden Seiten Angriffe vorgeworfen, die auch zivile Opfer forderten. Beide bestreiten jedoch für derartige Vorfälle verantwortlich zu sein. Das Institute for the Study of War berichtete allerdings von einer viertägigen Pause, bevor Kämpfe und Angriffe am 22.03.2025 fortgesetzt wurden. Auch am 27.03. und 28.03.2025 erfolgten demnach keine Kämpfe und Angriffe zwischen den beiden Seiten.
Am 29.03.2025 verkündete Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Shar’a die Personalien der neuen Übergangsregierung, welche 23 Ministerien enthalten wird. Während zentrale Ministerien, darunter das Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Justizministerium weiterhin von HTS-nahen Figuren besetzt werden, wurden neben Vertretern der drusischen, kurdischen und alawitischen Minderheit auch politische Aktivisten sowie eine Christin in die Regierung aufgenommen. Insgesamt entstammen sieben Minister der vormaligen durch HTS dominierten Regierung in Idlib.
4. BAMF, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland), Kurzer Überblick zu aktuellen Entwicklungen (Sicherheitslage, Politik, Wirtschaft) in ausgewählten Ländern, 24.03.2025, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2025/briefingnotes-kw13-2025.pdf?__blob=publicationFile v=4:
Im Rahmen der ersten von der EU organisierten Geberkonferenz zu Syrien seit dem Machtwechsel wurden am 17.03.2025 Hilfsgelder von mehr als 5,8 Mrd. EUR zur Unterstützung der Übergangsregierung in humanitären und Sicherheitsangelegenheiten zugesagt. 2,5 Mrd. EUR sollen in den Jahren 2025 und 2026 von der EU bereitgestellt werden. Deutschland will zusätzlich 300 Mio. EUR durch die UN und Partnerorganisationen beisteuern. Auch syrische Geflüchtete in Jordanien, Libanon, Irak und der Türkei sollen durch diese Gelder unterstützt werden. Nicht zuletzt aufgrund ausbleibender US-Hilfen blieb die Gesamtsumme unter dem Niveau der Vorjahreskonferenz von 7,5 Mrd. EUR zurück. Angaben des Leiters des UN-Entwicklungsprogramms (UNDP) zufolge sei die Entwicklung Syriens durch den langjährigen Konflikt um 40 Jahre zurückgeworfen worden und würde mindestens zehn Jahre benötigen, um auf das Vorkriegsniveau zurückkehren zu können.
5. ISW, US-Forschungsorganisationen Institute for the Study of War, Syrien, Stand 04.04.2025 (https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-april-4-2025):
Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) haben am 04.04.2025 im Rahmen eines jüngsten Abkommens mit der syrischen Übergangsregierung mit dem Rückzug aus zwei historisch kurdischen Vierteln in Aleppo-Stadt begonnen. In den syrischen sozialen Medien kursierten am 04.04.2024 Aufnahmen eines Konvois von Kämpfern, die die Flaggen der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) hissten und die Stadtteile Sheikh Maqsoud und Ashrafieh verließen. Lokale syrische Medien berichteten, dass sich mindestens 500 SDF-Kämpfer aus den Vierteln zurückzogen und in Tabqa in der Provinz Raqqa im von den SDF kontrollierten Gebiet eintrafen. Die syrischen Übergangsregierungstruppen überwachten den Abzug. Lokale Quellen verbreiteten ein Video der syrischen Übergangsregierung, die den SDF-Konvoi in der Nähe von Deir Hafer begleitet. Es wird erwartet, dass sich die SDF-Einheiten in Deir Hafer und Maskanah in den kommenden Tagen in Richtung der Provinz Rakka zurückziehen werden.
Der Rückzug der SDF aus Scheich Maqsoud und Ashrafiyeh ist Teil der Umsetzung des Abkommens vom 01.04.2025 zwischen den SDF und der syrischen Interimsregierung. Die syrische Übergangsregierung und die SDF tauschten am 03.04.2025 über 200 Gefangene aus. Syrische Medien berichteten, dass viele SDF-Mitglieder sich in den kommenden Tagen weiter zurückziehen werden, bevor die Viertel vollständig unter Kontrolle der Regierung kommen. Das syrische Interims-Innenministerium entsandte Sicherheitskräfte in die beiden Viertel, um die SDF zu verstärken. Kurdische Medien berichteten, dass Mitglieder der internen Sicherheitskräfte der SDF (auch bekannt als Asayish), aus Sheikh Maqsoud und Ashrafiyeh, in örtliche Polizeikräfte integriert werden.
6. ISW, US-Forschungsorganisationen Institute for the Study of War, Syrien, Stand 18.04.2025 (https://understandingwar.org/backgrounder/iran-update-april-18-2025):
Die Vereinigten Staaten werden etwa 600 der derzeit stationierten 2.000 US-Soldaten abziehen und die restlichen 1.400 US-Soldaten werden in Syrien stationiert bleiben. Die Vereinigten Staaten hatten zwischen 2019 und 2024 rund 900 US-Soldaten in Syrien. Beamten gaben an, dass die Vereinigten Staaten nach 60 Tagen prüfen werden, ob sie zusätzliche Truppen aus Syrien abziehen sollen. Ein vollständiger Rückzug der USA aus Syrien würde die Anti-ISIS-Mission im Irak und in Syrien ernsthaft untergraben und ein Vakuum schaffen, das der IS zur Wiederherstellung ausnutzen könnte. Die US-Streitkräfte versorgen die SDF mit wichtigen nachrichtendienstlichen und logistischen Unterstützungen und unterstützen die SDF-Einheiten bei der Verwaltung und Sicherung von Gefangenenlagern in Nordsyrien. Es wird erwartet, dass das syrische Verteidigungsministerium (MoD) bald in den Nordosten Syriens entsandt wird, um die SDF im Rahmen eines jüngsten Integrationsabkommens aufzufüllen, aber es ist unwahrscheinlich, dass die Truppen des Verteidigungsministeriums zumindest kurzfristig einen geeigneten Ersatz für die US-Truppen darstellen werden. Die Truppen der syrischen Übergangsregierung, die zum ersten Mal in den von den ehemaligen SDF kontrollierten Gebieten stationiert sind, werden Zeit brauchen, um ihre Truppen zu organisieren und ihre neuen Einsatzgebiete zu verstehen. Berichten zufolge führte die internationale Koalition am 18.04.2025 eine gemeinsame Patrouille mit den SDF und dem Verteidigungsministerium entlang der Autobahn M4 zwischen Ain Issa und Tal Tamr durch, wahrscheinlich in Vorbereitung auf den Einsatz des Verteidigungsministeriums in der Region.
Berichten zufolge haben die Vereinigten Staaten am 17.04.2025 ein Waffenstillstandsabkommen zwischen der Türkei und den von den USA unterstützten Demokratischen Kräften Syriens (SDF) ausgehandelt. Der SDF-Kommandeur Mazloum Abdi führte eine SDF-Delegation zu einem Treffen mit türkischen Beamten am Tischreen-Staudamm, was das erste direkte Treffen zwischen den beiden Seiten darstellte. Die Türkei und die von der Türkei unterstützte Syrische Nationalarmee (SNA) haben von November 2024 bis Ende März 2025 fast täglich Angriffe auf Stellungen der SDF im Nordosten Syriens durchgeführt. Türkische Beamte haben immer wieder gefordert, dass die SDF sich vollständig entwaffnen und in das syrische Verteidigungsministerium integrieren, bevor sie ein Waffenstillstandsabkommen erreichen. Es ist unklar, wie die Bedingungen dieses Waffenstillstandsabkommens aussehen und inwieweit die SDF frühere türkische Forderungen erfüllt haben.
2. Beweiswürdigung:
a) Zu den persönlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers:
Die Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers konnten, nach Vorlage seines syrischen Reisepasses im Original, bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt werden. Die Feststellungen zur Volksgruppe, Religionszugehörigkeit und zu den Wohnorten beruhen auf den diesbezüglich gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens.
b) Zum bisherigen Verfahrensverlauf:
Die Feststellungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und dem Beschwerdeakt des Bundesverwaltungsgerichts; für eine ausführlichere Darstellung siehe I. Verfahrensgang.
c) Zu den Fluchtgründen:
Der Beschwerdeführer lebte bis zum Jahr XXXX zusammen mit seiner großen, wohlhabenden Familie in XXXX , im Gouvernement XXXX , im XXXX der Arabische Republik Syrien. Nur der XXXX . Danach lebte er, bis zur Reise nach Österreich, in der XXXX des Gouvernements XXXX .
Da die beiden Orte nur ca. XXXX Kilometer voneinander entfernt im XXXX Gouvernement liegen, musste der Beschwerdeführer seine Heimatregion, bis zu seiner nach Österreich, nicht verlassen.
Dass die Familie des Beschwerdeführers und zudem auch noch drei Brüder sowie eine Schwester mit deren Familien, nach wie vor im Herkunftsstaat leben und immer noch wohlhabend sind, ergibt sich aus den Angaben des Beschwerdeführers:
„…F: Wie geht es Ihren Brüdern in Syrien?
A: […] Jetzt arbeiten Sie und leben in Syrien und haben keine Probleme…“ (niederschriftliche Befragung am 26.08.2022)
„…R: Sie sitzen in Österreich und wollen Asyl, finden aber nichts dabei, Autoverkäufe im Herkunftsstaat abzuwickeln? Wäre das nicht gefährlich?
P: Ich brauche Geld und das Auto befand sich in einem Regimegebiet.
R: Warum macht das nicht Ihre Familie für Sie, sondern ein Rechtsanwalt?
P: Ich habe einen privaten Rechtsanwalt, wir sind eine wohlhabende Familie. Wir haben Grundstücke und Häuser. Der Rechtsanwalt verwaltet unser Vermögen. Nachgefragt: Der Rechtsanwalt hat sich in XXXX aufgehalten, aktuell befindet er sich in XXXX …“ (Verhandlungsschrift Seite 06)
Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom XXXX , wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.02.2024 aufgehoben und auszugsweise ausgeführt:
„…Der Beschwerdeführer brachte als Fluchtgründe vor, ihm drohe eine Zwangsrekrutierung zum Militärdienst von Seiten des syrischen Regimes oder der kurdischen Streitkräfte. Zudem befürchte er, auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden sowie wegen seiner oppositionellen Gesinnung vom syrischen Regime und der "Syrian National Army" (SNA) verfolgt zu werden.
Hinsichtlich seiner Verfolgung wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden gab der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an, dass er in seinem Heimatort von der SNA geschlagen und am Kopf verletzt sowie telefonisch mit dem Tod bedroht worden sei, weil er zu den kurdischen Kräften gehöre. Auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer vor, dass er seit XXXX , als die SNA in XXXX einmarschiert sei, wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit von der SNA beschuldigt werde, mit den "Syrian Democratic Forces" (SDF) zusammenzuarbeiten.
Das Bundesverwaltungsgericht stellt fest, dass der Beschwerdeführer ein Angehöriger der Volksgruppe der Kurden sei und aus XXXX stamme, das bis XXXX unter Kontrolle der Kurden gestanden sei und seit XXXX unter Kontrolle der türkischen Militäroperation Friedensquelle sei. Den Feststellungen des angefochtenen Erkenntnisses liegen Länderberichte zugrunde, welche zur Lage der Kurden in den türkisch kontrollierten Gebieten folgende Informationen enthalten:
"Im Zuge der türkischen Militäroperation Friedensquelle im Nordosten von Syrien Anfang XXXX kam und kommt es Berichten zufolge zu willkürlichen Tötungen von Kurden durch Kämpfer der – mit den türkischen Truppen affiliierten – Milizen der SNA sowie zu Plünderungen und Vertreibungen von Kurden, Jesiden und Christen (ÖB 1.10.2021). […] Auch in den von der Türkei bzw. der Türkei-nahen SNA kontrollierten Gebieten im Norden Syriens kam es vielfach zu Übergriffen und Verhaftungen, die laut UNCOI insbesondere die kurdische Zivilbevölkerung betreffen. In vielen Fällen befänden sich Kurdinnen und Kurden hier laut der UN-Kommission in einer doppelten Opferrolle: Nach einer früheren Zwangsrekrutierung durch die kurdischen SDF in vorherigen Phasen des Konflikts mit der Türkei würden sie nun für eben diesen unfreiwilligen Einsatz von der SNA verfolgt und inhaftiert."
In seiner Begründung legt das Bundesverwaltungsgericht sodann dar, dass es eine drohende Gefahr einer Verfolgung des Beschwerdeführers auf Grund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Kurden durch die SNA als nicht wahrscheinlich erachtet: Der Beschwerdeführer habe nämlich erst sehr spät im Beschwerdeverfahren den Fluchtgrund der Verfolgung wegen Volksgruppenzugehörigkeit behauptet. Zudem habe er zuletzt in XXXX , einer seit XXXX durchgehend kurdisch kontrollierten Stadt, gelebt. Ferner lebe seine Familie aktuell "unbehelligt im Herkunftsstaat", "was nicht gerade für die Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit spricht."
Bei der Begründung übersieht das Bundesverwaltungsgericht jedoch zum einen, dass der Beschwerdeführer bereits vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seine Verfolgung wegen der Volksgruppenzugehörigkeit vorbrachte. Zum anderen geht das Bundesverwaltungsgericht aktenwidrig davon aus, dass der Beschwerdeführer aus der Stadt XXXX und nicht – wie das Bundesverwaltungsgericht zuvor selbst feststellte – aus XXXX stammt. Das Bundesverwaltungsgericht hätte daher das Fluchtvorbringen in Bezug auf XXXX prüfen, und sich mit der Lage in den Gebieten unter Kontrolle der Militäroperation Friedensquelle auseinandersetzen müssen. Das Bundesverwaltungsgericht hat überdies außer Acht gelassen, dass zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die Leitlinien der Asylagentur der Europäischen Union (European Agency for Asylum – EUAA) (Country Guidance: Syria, Februar 2023, S 97) bei Kurden aus von der SNA kontrollierten Gebieten grundsätzlich davon ausgingen, dass eine begründete Furcht vor Verfolgung besteht (vgl. bereits VfGH 19.9.2023, E 720/2023).
Damit hat das Bundesverwaltungsgericht seine Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt unterlassen und ist vom Akteninhalt abgegangen und hat damit Willkür geübt (zur gebotenen Auseinandersetzung mit aktuellen Berichten und Leitlinien der EUAA vgl. zB VfSlg. 20.358/2019, 20.372/2020; VfGH 19.9.2023, E 720/2023) …“
Die Lage im Herkunftsstaat hat sich aufgrund der Entmachtung des syrischen Assad-Regimes im Dezember 2024, somit nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vom XXXX , geändert, weshalb der Beschwerdeführer weder glaubhaft machen kann, dass er aktuell, von der ehemaligen syrischen Assad-Regierung gesucht wird, damit er seinen Militärpflichtdienst absolviert noch, dass er zum Reservedienst einberufen wurde, oder in Zukunft vom ehemaligen Assad-Regime einberufen werden wird.
Aus einer Accord Anfragebeantwortung zu Syrien vom 25.03.2025, a-12592-1, https://www.ecoi.net/de/dokument/2123131.html, geht zusammengefasst hervor, dass mehrere Quellen im Februar 2025 berichteten, dass der Präsident der syrischen Übergangsregierung, Ahmed Al-Scharaa, erklärt habe, dass er die Wehrdienstpflicht abgeschafft habe und stattdessen auf freiwillige Rekrutierung setze.
Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, zumal es sich um einen bereits XXXX jährigen Mann handelt, aktuell im bloß hypothetischen Fall seiner Rückkehr (er lebt als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich), von der syrischen Übergangsregierung in deren Einflussbereich rekrutiert werden würde.
Aus der zuvor genannten Accord Anfragebeantwortung zu Syrien vom 25.03.2025, a-12592-1, geht zudem zusammengenfasst hervor, dass Mitte März 2025 Quellen von einer zwischen Ahmad Scharaa und Mazloum Abdi, dem Leiter der SDF, getroffenen Einigung, die Ende 2025 umgesetzt werden solle, berichteten. Die Vereinbarung sehe vor, alle „zivilen und militärischen Einrichtungen“ in Nordost-Syrien der Verwaltung des syrischen Staates zu unterstellen. Der von CNN dazu interviewten Wissenschaftlerin am Center for Strategic and International Studies Natasha Hall zufolge sei zu dem Zeitpunkt unklar, wie die Integrierung der SDF in die Institutionen des syrischen Staates aussehen werde. Zum Zeitpunkt der Berichterstattung sei es der SDF erlaubt, ihre Struktur und ihre Waffen zu behalten. In einem arabischsprachigen Artikel von März 2025 von Al Jazeera wird ein Mann zitiert, der an den zu der Zeit bestehenden Protesten in Deir ez-Zor teilgenommen habe. Er habe unter anderem darauf hingewiesen, dass SDF-Kräfte Verhaftungskampagnen in den von der SDF kontrollierten Gebieten durchgeführt hätten, in deren Rahmen Dutzende junge Männer unter dem Vorwurf der Gruppe Islamischer Staat (IS) beitreten zu wollen, verhaftet und zwangsrekrutiert worden seien. In einem arabischsprachigen Artikel von Jänner 2025 zitiert Al Jazeera den Wissenschaftler Amir Al-Mithqal, dem zufolge die Demokratischen Kräfte Syriens (Syrian Democratic Forces, SDF) aufgrund eines Mangels an kurdischen Kräften ethnische Araber zwangsrekrutiert hätten. Ende Jänner 2025 berichtet Syria TV, dass seit dem Sturz der Assad-Regierung über 5.000 Männer die SDF verlassen hätten, indem sie übergelaufen oder geflohen seien. Einer der SDF nahestehenden Quelle zufolge bestehe ein Mangel an Kräften in den Reihen der SDF und diese sei nicht imstande neue Rekrutierungskampagnen in der Region zu starten. Es würden nur begrenzt Rekrutierungsoperationen durchgeführt, und zwar hauptsächlich im Gouvernement XXXX . Der Quelle zufolge prüfe die SDF sämtliche Optionen, um ihre Militär- und Sicherheitskräfte zu stärken, unter anderem durch den Aufbau neuer Kräfte. Mitte Jänner habe die SDF die Demobilisierung von Wehrpflichtigen, die ihre Wehrpflicht bereits abgeleistet hätten, aufgrund des bedeutenden Anstiegs an Desertionen und Überläufen in ihren Kreisen gestoppt. Die SDF sehe für jeden Mann, der das Alter von 18 Jahren erreicht habe und zwischen 1998 und 2006 geboren sei, eine einjährige Wehrpflicht vor. Ein von der SDF zwangsrekrutierter Mann habe Syria TV erzählt, dass er seinen Wehrdienst vor zwei Monaten erfüllt habe und die SDF sich ohne Angabe von Gründen weigern würde, ihn aus der Pflicht zu entlassen. Davon seien hunderte andere Personen betroffen. Mehrere Quellen berichten im Februar 2025 von der Entführung eines Minderjährigen durch SDF-nahe Kräfte im Viertel Scheich Maqsoud in Aleppo zum Zweck der Zwangsrekrutierung. Er sei den Quellen zufolge von der Revolutionären Jugend entführt worden. Einem Artikel von Basnews von Februar 2025 zufolge sei der Minderjährige zum Zweck der Zwangsrekrutierung durch die Volksverteidigungseinheiten (YPG) von der Revolutionären Jugend entführt worden. Zudem sei zuvor ein Minderjähriger in der Stadt Kobane von der Revolutionären Jugend entführt worden. Ende Februar 2025 berichtet das syrische Netzwerk für Menschenrechte namens RASD Syria von der Entführung eines 12-jährigen Mädchens, ebenfalls aus dem Viertel Scheich Maqsud. Das Mädchen sei Mitte Februar von der SDF nahestehenden Kräften entführt und in ein Kinderrekrutierungslager gebracht worden. Obwohl die Eltern das Mädchen gesucht hätten, hätten sie es nicht finden können. Der Quelle zufolge würden SDF-Kräfte weiterhin Kinder festnehmen und sie unter Zwang in Kinderrekrutierungslagern festhalten. Diese und andere Übertretungen hätten in der Zeit, die der Berichterstattung vorangegangen sei, zugenommen. Auch Entführungen und Rekrutierungen von Kindern durch die der SDF nahestehenden Revolutionären Jugend hätten zugenommen.
Der Beschwerdeführer ist weder minderjährig noch hat er in jenen Orten gelebt, in denen Minderjährige von Rekrutierungen betroffen waren. Er ist bereits XXXX Jahre alt und im Jahr XXXX geboren. Somit ist er zwar über 18 Jahre alt, da er aber nicht zwischen 1998 und 2006, geboren wurde, ist nicht davon auszugehen, dass er im Fall einer (derzeit bloß hypothetischen) Rückkehr in die Stadt XXXX von den SDF zum Wehrdienst eingezogen wird.
Nach dem Sturz der Assad-Regierung kann der Beschwerdeführer seine Behauptung, vom ehemaligen Assad-Regime oder dessen syrischen Nationalarmee (SNA) gesucht zu werden, weil er im Herkunftsstaat Mitglied einer politischen Partei war, oder von XXXX an Demonstrationen gegen das Assad-Regime teilgenommen haben soll, nicht glaubhaft machen.
Nur der Vollständigkeit halber wird nochmals auf die nicht glaubhaften Ausführungen des Beschwerdeführers im letzten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts verwiesen und diese auch zum Inhalt dieses Erkenntnisses erklärt:
„…Er kann zudem, auf Grund gravierender Widersprüche im Vorbringen, nicht glaubhaft machen im Herkunftsstaat Mitglied einer politischen Partei gewesen zu sein:
„…F.: Sind oder waren Sie politisch tätig?
A.: Nein.
F.: Sind oder waren Sie Mitglied einer politischen Partei?
A.: Nein.
F: Waren Familienangehörige Mitglied einer politischen Partei?
A: Nein.
[…]
F.: Ich beende jetzt die Befragung, haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr
Heimatland zu verlassen, vollständig geschildert?
A.: Ja.
F: Die Entscheidung wird unter anderem unter Heranziehung der landeskundlichen Feststellungen zu Syrien begründet. Sie können jederzeit Einsicht in diese Unterlagen nehmen.
A: Befragt gebe ich an, dass ich diese landeskundlichen Feststellungen nicht ausgehändigt bekommen möchte, da ich weiß, wie es in meinem Heimatland zugeht und dies allgemein aus den Medien bekannt ist.
Es wird jetzt rückübersetzt.
F.: Haben Sie den Dolmetscher während der g e s a m t e n Einvernahmen einwandfrei verstanden?
A.: Ja
F.: Hat der Dolmetscher das rückübersetzt, was Sie gesagt haben?
A.: Ja…“ (niederschriftliche Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.08.2022)
„…R: Wer konkret verfolgte Sie aktuell weshalb konkret?
P: Ich werde vom syrischen Regime verfolgt, weil ich erstens Kurde bin und zweitens, weil ich an friedlichen Demonstrationen teilgenommen habe.
R: Gibt es sonst noch Gründe, weshalb Sie vom syrischen Regime verfolgt werden?
P: Der dritte Grund ist, dass ich Mitglied einer Partei bin.
[…]
R: In Ihrer Stellungnahme vom 27.06.2023 bringen Sie völlig neu vor, dass Sie Parteimitglied von XXXX sind. Weshalb bringen Sie das erst dermaßen spät im Verfahren vor?
P: Wenn man in Syrien sagt, dass man ein Mitglied einer Partei ist, wird man inhaftiert. Ich hatte daher in Österreich Angst zu erzählen, dass ich Mitglied einer Partei bin.
R: Es ging doch um Ihr Asylverfahren, sämtliche Fluchtgründe und Befürchtungen.
P: Es wurde mir im Asylverfahren gesagt, dass ich nur auf die Fragen antworten soll. Diese Frage wurde mir nicht gestellt
[…]
R: Seit wann sind Sie Parteimitglied?
P: Ich glaube, seit dem Jahr XXXX …“ (Verhandlungsschrift Seiten 07 und 10)
Wäre der Beschwerdeführer Parteimitglied gewesen und wäre deshalb von der syrischen Regierung gesucht worden, hätte er die konkrete Frage im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht ausdrücklich verneint, oder dies spätestens in seiner Beschwerde vorgebracht, aber nicht erst in seiner fünf Tage vor der Beschwerdeverhandlung eingelangten Stellungnahme.
Die Behauptung des Beschwerdeführers der Partei im Jahr XXXX beigetreten zu sein rundete das Bild seiner persönlichen Unglaubwürdigkeit ab, da aus 1. Feststellungen d zur aktuelle Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers hervorgeht, dass diese XXXX erst im Jahr XXXX gegründet wurde.
Die vom Beschwerdeführer in Kopie vorgelegte angebliche Bestätigung der XXXX vom 15.06.2023 ist jedenfalls nicht geeignet eine tatsächliche Parteimitgliedschaft glaubhaft zu machen. Es ist nicht zu übersehen, dass dieses in Deutsch verfasste Schreiben wörtlich endet mit:
„… Mit freundlichen Grüßen
XXXX “
XXXX heißen würde, findet sich auf der angeblichen Bestätigung XXXX , weshalb dieses „Gefälligkeitsschreiben“ eines XXXX kein taugliches Beweismittel darstellt.
Die Ausführungen zu Unglaubwürdigkeit gelten sinngemäß auch für die erstmals fünf Tage vor der Beschwerdeverhandlung behauptete Verfolgung wegen angeblicher Teilnahme an Demonstrationen in der Arabischen Republik Syrien:
„…R: Gibt es neue Asylgründe von denen Sie bisher in keiner Ihrer niederschriftlichen Befragungen erzählt haben?
P: Ich habe an Demonstrationen teilgenommen, ich werde vom syrischen Regime gesucht.
[…]
R: In Ihrer Stellungnahme vom 27.06.2023 bringen Sie völlig neu vor, dass Sie von XXXX an Demonstrationen in der Arabischen Republik Syrien teilgenommen haben. Weshalb bringen Sie das erst dermaßen spät im Verfahren vor?
P: Bei der Erstbefragung war der Dolmetscher aus Ägypten, ich konnte ihn nicht sehr gut verstehen und beim BFA wurde mir gesagt, dass ich nur die Fragen beantworten soll
[…]
R: Warum haben bis letzte Woche kein Wort bezüglich Ihres Strafurteils angegeben, sondern haben sogar ausdrücklich danach gefragt, in der niederschriftlichen Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angegeben nicht vorbestraft zu sein:
„… Sind Sie im Heimatland vorbestraft?
A: Nein…“ (Anmerkung: niederschriftliche Befragung im Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 26.08.2022 Akt BFA Seite 41)
P: War das bei der Erstbefragung?
R: Nein, beim BFA. Warum haben Sie die Frage ausdrücklich verneint?
P: Beim zweiten Interview war die selbe Situation wie heute, ich durfte nur konkrete Fragen beantworten.
[…]
R: Laut Ihrer vorgelegten Übersetzung wurde Ihnen am XXXX bestätig, dass Sie ein XXXX vom XXXX wegen einer Teilnahme an einer Demo haben. Wie kommt es, dass Sie dennoch bis XXXX im Herkunftsstaat gelebt haben und danach nie wieder verurteilt wurden, wenn Sie doch bis XXXX demonstriert haben?
P: Ich habe mich in einem Ort aufgehalten, wo das syrische Regime nicht an der Macht war ...“ (Verhandlungsschrift Seiten 06 und 11f)
Der vom Beschwerdeführer in Kopie vorgelegte angebliche XXXX vom XXXX ist jedenfalls kein taugliches Beweismittel die fünf Tage vor der Beschwerdeverhandlung nachgeschobenen Gründe für die Flucht des Beschwerdeführers aus der Arabischen Republik Syrien am XXXX zu unterstützen. Im dieser Kopie wird zwar der Name des Beschwerdeführers und XXXX genannt, es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum ein XXXX für Demonstrationen XXXX . Es gibt zudem XXXX :
Auf Grund der persönlichen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers kann auch nicht festgestellt werden, dass er im Jahr XXXX , somit XXXX Jahre vor seiner Ausreise, von syrischen Behördenvertretern willkürlich angehalten wurde (diesen während der dreimonatigen Anhaltung nicht aufgefallen wäre, dass der Beschwerdeführer gesucht wird, weil er von einem XXXX im Jahr XXXX verurteilt wurde), sich freikaufen konnte und seither von der syrischen Regierung zusätzlich auch noch als Oppositioneller gesucht wird, weil er sich nach der Anhaltung in einem Kaffeehaus kritisch gegen die Regierung geäußert hat. …“
Nachdem die Stadt XXXX bereits seit XXXX unter Kontrolle der kurdischen geführten SDF (Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens) steht, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, von den dortigen Behörden drei Monate lang inhaftiert worden zu sein, weil er die Assad-Regierung kritisiert haben soll. Aber selbst bei Wahrunterstellung könnte er nach Vertreibung des Assad-Regimes nicht glaubhaft machen, deswegen in Zukunft Probleme im Herkunftsstaat zu bekommen.
Aufgrund der Entmachtung des Assad-Regimes im Dezember 2024 kann der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, aktuell in XXXX vom gestürzten Assad-Regime gesucht zu werden, weil er sich im Jahr XXXX in einem Café kritisch gegen die Assad-Regierung geäußert hat.
Nach dem Sturz des Assad-Regimes ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, dessen Ausreise erfolgte als das Assad-Regime noch an der Macht war, wegen dieser Ausreise Probleme bekommen wird.
Asylantragstellungen in Österreich unterliegen dem Datenschutz, was dem Beschwerdeführer in der Beschwerdeverhandlung mitgeteilt wurde (Verhandlungsschrift Seite 03), weshalb diese Vertretern von Herkunftsstaaten nicht zur Kenntnis gelangen.
Im Zweifel kann zugunsten des, ansonsten persönlich nicht glaubhaften, Beschwerdeführers nicht mit der nötigen Gewissheit ausgeschlossen werden, dass er von syrischen Nationalarmee (SNA) im XXXX am Kopf verletzt wurde, nachdem er von dieser bei einem Besuch in XXXX , fälschlicherweise beschuldigt worden sein soll, mit den dort bis XXXX an der Macht gewesenen SDF (Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens), zusammenzuarbeiten.
Aus einer (mittlerweile historischen) Accord Anfragebeantwortung zu Syrien vom 20.12.2024, a-12504-1, https://www.ecoi.net/de/dokument/2119377.html, - die noch nicht die Entwicklungen ab Anfang Dezember 2024 berücksichtigt - geht zusammengefasst hervor, dass Enab Baladi in einem Artikel vom März 2024 erklärte, dass um das Gebiet mit den Städten Ras al-Ain und Tel Abyad herum Frontlinien mit den Syrischen Demokratischen Kräften (Syrien Democratic Forces, SDF) verlaufen würden und die türkische Grenze die einzige Verbindung zur Außenwelt sei. In einem Artikel vom September 2024 berichtet Enab Baladi, dass es Bewohner·innen von XXXX zwar möglich sei, in die Stadt XXXX (unter Kontrolle der DAANES, Anmerkung ACCORD) zu reisen, dies jedoch mit hohen Kosten verbunden sei. Aufgrund der Sicherheitslage und politischen Bedingungen sei die Möglichkeit einer direkten Reise zwischen den zwei Gebieten unwahrscheinlich. Dies habe zu Schmuggelrouten geführt, wobei Vermittler und Schmuggler exorbitante Gebühren als Gegenleistung für eine sichere Durchreise verlangen würden. Laut Enab Baladi koste die Reise mit Stand September 2024 pro Person 150 U.S. Dollar (142 Euro). Dies sei ein Betrag, den viele Bewohner·innen nur schwer aufbringen könnten. Eine Studentin, die in der Vergangenheit von XXXX nach XXXX für ihr Studium gefahren sei, habe berichtet, dass sie nicht in das vierte Jahr habe aufsteigen können, da im Jahr zuvor aufgrund militärischer Zusammenstöße zwischen den SDF und der Syrischen Nationalarmee (SNA) die Straßen gesperrt gewesen seien und eine Durchreise nicht möglich gewesen sei. Ein Schmuggler habe gegenüber Enab Baladi erklärt, dass die für die Schmuggeloperationen Verantwortlichen aufgrund der strengen Sicherheitsmaßnahmen der SDF Schwierigkeiten hätten, Einwohner über die Hauptstraßen nach XXXX zu transportieren. Der Artikel wiederholt die Aussage des obigen Artikels vom März 2024, dass die türkische Grenze die einzige Verbindung zur Außenwelt sei. Es konnten keine weiteren Informationen zur Möglichkeit sich zwischen dem Grenzstreifen mit türkischer Präsenz und der DAANES zu bewegen gefunden werden.
Aus einer (ebenfalls historischen) Anfragebeantwortungen von Accord vom 22.11.2024 a-12487, https://www.ecoi.net/de/dokument/2118038.html, zur Lage von Kurden in den türkisch kontrollierten Gebieten vor Dezember 2024, geht unter anderem zusammengefasst hervor, dass die damalige syrischen Nationalarmee SNA zwar offiziell der syrischen Übergangsregierung unterstellt war, faktisch jedoch bereits damals den türkischen Streitkräften und Geheimdiensten unterstand, ebenso militärische und zivile Polizeikräfte der Region. Laut Human Rights Watch setzten türkischen Behörden die Volksverteidigungseinheit (YPG) und die Frauenverteidigungseinheit (YPJ), die größten Komponenten der kurdisch geführten Demokratischen Kräfte Syriens (SDF), mit der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gleich, welche sie als Terrororganisation ansehen. Aus diesem Grund hätten Kurd·innen, die als loyal gegenüber der SDF angesehen würden, weil sie in der Vergangenheit in Gebieten unter SDF-Kontrolle gelebt und ihr Land bewirtschaftet hätten, die Hauptlast der dokumentierten Übergriffe zu tragen. Die Kurdische Demokratische Einheitspartei in Syrien berichtete auf ihrer Webseite im März 2024 von sechs Fällen willkürlicher Inhaftierungen von Kurd·innen innerhalb eines Monats (zwischen Anfang Februar und Anfang März 2024) durch den türkischen Geheimdienst und die Militärpolizei wegen Zugehörigkeit zur früheren Autonomieverwaltung. Ceasefire Centre for Civilan Rights und YASA dokumentierten Vorfälle gezielter außergerichtlicher Tötungen durch bewaffnete Gruppen und den türkischen Geheimdienst. Der Bericht nennt den Fall eines 32-jährigen Kurden aus dem Dorf Kafrom, der in Abstimmung mit dem türkischen Geheimdienst von einer bewaffneten Gruppe entführt worden sei. Fünfzehn Tage später sei seine Leiche auf einem Ackerfeld gefunden worden und habe Spuren von Folter aufgewiesen. NPA berichtet am 08.10.2024, dass es in Ras Al-Ayn (auch Sere Kaniye genannt) und Tell Abyad zu Massenvertreibung gekommen sei. Laut NPA sei die kurdische Bevölkerung von Ras Al-Ayn von rund 70.000 auf 42 Personen geschrumpft. In Tell Abyad hätten Kurd·innen früher 30 Prozent der Bevölkerung ausgemacht. Es seien mit Oktober 2024 nur noch wenige Familien übrig.
Wie aus 1. Feststellungen d zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat hervorgeht, lebt eine kurdische Minderheit vor allem im Nordosten des Landes. Im Laufe des Jahres 2012 entwickelte sich die Situation zu einem Bürgerkrieg, der zunehmend zu einer Spaltung der Konfliktparteien entlang religiöser und konfessioneller Linien führte und die de-facto-Autonomie der kurdischen Gebiete im Nordosten des Landes. Die Türkei führte 2016, 2018 und 2019 mehrere Operationen auf syrischem Gebiet durch, um kurdische Kräfte aus dem Grenzgebiet zu verdrängen. Im Norden hält die protürkische Syrische Nationalarmee (SNA) die Gebiete um Afrin und Dscharabulus sowie zwischen Tal Abyad und Ras al-Ain unter ihrer Kontrolle. Der Nordosten Syriens wird weiterhin von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert (wobei diese Gespräche mit Al-Scharaa führen) (TWI, 28. Februar 2025). Voice of America berichtet am 14.03.2025, dass die kurdisch geführte Autonome Verwaltung in Nord- und Ostsyrien, eine de facto zivile Behörde, die mit den Syrian Democratic Forces (SDF) verbunden sei und fast ein Drittel des syrischen Territoriums kontrolliere, die erste gewesen sei, die die vorläufige Verfassung ablehne und sie als ausgrenzend bezeichnet habe. Der Bildungsminister namens Mohammad Turko ist Mitglied der kurdischen Minderheit. Dem Kabinett gehören keine Vertreter·innen der von den USA unterstützten und von Kurd·innen geführten Syrian Democratic Forces (SDF) oder der autonomen Zivilverwaltung im Nordosten Syriens an. Am 30.03.2025 habe die kurdisch geführte Verwaltung im Nordosten Syriens die neu gebildete Regierung in Damaskus zurückgewiesen und erklärt, dass sie es versäumt habe, die Minderheiten des Landes einzubeziehen. Die Autonome Verwaltung Nord- und Ostsyriens (AANES) habe erklärt, dass sie sich nicht an die Umsetzung oder Durchsetzung der von dieser Regierung getroffenen Entscheidungen gebunden fühle. Am 29.03.2025 verkündete Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Shar’a die Personalien der neuen Übergangsregierung, welche 23 Ministerien enthalten wird. Während zentrale Ministerien, darunter das Außen-, Innen-, Verteidigungs- und Justizministerium weiterhin von HTS-nahen Figuren besetzt werden, wurden neben Vertretern der drusischen, kurdischen und alawitischen Minderheit auch politische Aktivisten sowie eine Christin in die Regierung aufgenommen. Die Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) haben am 04.04.2025 im Rahmen eines jüngsten Abkommens mit der syrischen Übergangsregierung mit dem Rückzug aus zwei historisch kurdischen Vierteln in Aleppo-Stadt begonnen. In den syrischen sozialen Medien kursierten am 04.04.2024 Aufnahmen eines Konvois von Kämpfern, die die Flaggen der Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der Frauenverteidigungseinheiten (YPJ) hissten und die Stadtteile Sheikh Maqsoud und Ashrafieh verließen. Kurdische Medien berichteten, dass Mitglieder der internen Sicherheitskräfte der SDF (auch bekannt als Asayish), aus Sheikh Maqsoud und Ashrafiyeh, in örtliche Polizeikräfte integriert werden.
Zusätzlich zu 1. Feststellungen d zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers geht aus dem Bericht von EUAA, European Union Agency for Asylum, Syria, Country Focus, März 2025, (https://euaa.europa.eu/sites/default/files/publications/2025-03/2025_03_EUAA_COI_Report_Syria_Country_Focus.pdf), unter anderem hervor:
In Bezug auf die kurdische Gemeinschaft hielt Al-Sharaa nach der Übernahme der Kontrolle ein erstes Treffen mit einer hochrangigen SDF-Delegation ab, um die Grundlage für künftige Gespräche zu schaffen. Seine Äußerungen deuteten darauf hin, dass die Übergangsverwaltung nicht mit dem Anti-SDF-Ansatz der von der Türkei unterstützten SNA übereinstimmte. Dennoch bezeichnete Mohammed A. Salih, ein auf kurdische und regionale Fragen spezialisierter Wissenschaftler, seine Äußerungen als unklar und nicht unterstützend für die kurdischen Ziele. Nach der raschen Einnahme von Aleppo durch die von der HTS geführte Offensive Ende November zwangen die SNA-Kräfte Tausende von kurdischen Zivilisten zur Flucht westlich des Euphrat. In Aleppo hatten die Kurden in erster Linie mit der HTS zu tun, die sich moderat und offen für einen Dialog gezeigt hat. Im Gegensatz dazu geriet die SNA in Manbij immer wieder in Konflikt mit den SDF. Die durchgehende Existenz der SDF wurde von den Organisatoren der Nationalen Dialogkonferenz als Grund für den Ausschluss der halbautonomen kurdischen Verwaltung und der ihr nahestehenden Einrichtungen von der Konferenz angegeben.
Während des gesamten Januars kam es zu weiteren Wohnraums- und Eigentumsverletzungen, als vertriebene kurdische Einwohner versuchten, nach Afrin, einer mehrheitlich kurdisch bewohnten Region im Umland von Aleppo, und in die umliegenden Gebiete zurückzukehren. Berichten zufolge wurden sie von den SNA-Kräften gezwungen, bis zu 10 000 USD für die Rückgabe ihrer Häuser zu zahlen. Gleichzeitig nahmen SNA-Gruppierungen im Januar mindestens 10 Kurden in Afrin fest, wobei die Lösegeldforderungen für die Freilassung auf über 1 000 USD pro Person anstiegen. Bis Mitte Februar hatte sich für die Kurden in Afrin trotz des Einsatzes von Sicherheitskräften aus Damaskus in der Stadt am 7. Februar nur wenig geändert. Berichten zufolge hielten die Misshandlungen durch verschiedene Gruppierungen in Afrin an. Zurückkehrende Bewohner stellten fest, dass ihre Häuser von Kämpfern oder Zivilisten besetzt waren, die für ihre Abreise erhebliche Geldsummen verlangten, obwohl die früheren Bewohner von der Übergangsverwaltung förmliche Zusicherungen für ihre Rückkehr erhalten hatten. Gegen Ende Februar besuchte Al-Sharaa Afrin und traf sich mit lokalen kurdischen Vertretern, die ihre Beschwerden vortrugen; daraufhin sagte er zu, die Gruppierungen in der Stadt durch offizielle Sicherheitskräfte zu ersetzen und die gegen die kurdische Gemeinschaft gerichteten Übergriffe anzugehen.
Nachdem der ursprüngliche Heimatort des Beschwerdeführers XXXX , im Gouvernement XXXX , nach wie vor unter Kontrolle der Operation Peace Spring ist, sich daher bezüglich des türkischen Einflusses nichts geändert hat, kann das Bundesverwaltungsgericht nicht mit der nötigen Gewissheit ausschließen, dass der Beschwerdeführer, wegen seiner kurdischen Volksgruppenzugehörigkeit, im Fall einer hypothetischen Rückkehr in XXXX verfolgt werden könnte.
Der Beschwerdeführer ist deshalb bereits im Jahr XXXX mit seiner Familie in die XXXX des Gouvernements XXXX umgezogen. Das Gouvernement XXXX liegt im XXXX des Landes und aus 1. Feststellungen d zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat geht hervor, dass der XXXX Syriens weiterhin von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert wird.
d) Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers beruhen auf den in der Beschwerdeverhandlung dargetanen Informationsquellen und stammen aus den jeweils zitierten Berichten; wobei sich 1. bis 4. auf der Webseite der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl finden. Die Parteien des Beschwerdeverfahrens haben keinen Einwand gegen die Heranziehung dieser Informationsquellen erhoben. Die herangezogenen Berichte und Informationsquellen stammen hauptsächlich von staatlichen Institutionen oder diesen nahestehenden Einrichtungen und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, Zweifel an deren Objektivität und Unparteilichkeit aufkommen zu lassen. Die inhaltlich übereinstimmenden Länderberichte befassen sich mit der aktuellen Lage in der Arabischen Republik Syrien.
Da der Beschwerdeführer bereits als subsidiär Schutzberechtigter in Österreich lebt, sind diesbezügliche Themen (z.B. medizinische Versorgung, Grundversorgung, …) nicht Gegenstand dieses Verfahrens.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
In Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen.
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG, in der Fassung BGBl. I Nr. 87/2012, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Asylstatus zum einen nicht zwingend erforderlich, dass bereits in der Vergangenheit Verfolgung stattgefunden hat, zum anderen ist eine solche „Vorverfolgung“ für sich genommen auch nicht hinreichend. Entscheidend ist, ob die betroffene Person vor dem Hintergrund der zu treffenden aktuellen Länderfeststellungen im Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei Rückkehr in ihren Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (VwGH 26.11.2020, Ra 2020/18/0384).
Wie bereits weiter oben 2. Beweiswürdigung c zu den Fluchtgründen ausgeführt, kann derzeit einer Verfolgung des Beschwerdeführers im ursprünglichen Heimatort XXXX , im Gouvernement XXXX im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, nicht mit der nötigen Gewissheit ausgeschlossen werden.
Kann Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden, und kann ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden, so ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen (innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind (§ 11 Abs. 1 AsylG).
Der Beschwerdeführer hat, wie weiter oben 2. Beweiswürdigung c zu den Fluchtgründen ausgeführt, in den Jahren vor seiner Ausreise problemlos in der Stadt XXXX im Gouvernement XXXX , welche bereits seit XXXX unter Kontrolle der SDF (Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens) steht, gelebt und seine wohlhabende, kurdische Familie kann immer noch problemlos dort leben.
Der Beschwerdeführer hat im Asylverfahren nicht glaubhaft machen können, dass er in den Jahren vor seiner Ausreise in der Stadt XXXX asylrelevante Problem gehabt hat, oder in Zukunft haben wird.
Der XXXX Syriens wird nach wie vor von den kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräften (SDF) kontrolliert. Den Länderfeststellungen ist nicht zu entnehmen, dass sich die Kontrolle der Operation Peace Spring in letzter Zeit ausgeweitet hätte, oder davon auszugehen wäre, dass die SDF ihren, schon in den letzten XXXX Jahren ausgeübten, Einfluss in der Stadt XXXX , oder im bei weitem überwiegenden Teil des Gouvernements XXXX , verliert.
Der Einflussbereich der Operation Peace Spring (Anmerkung: siehe dazu die XXXX des XXXX , hellbeigen Abschnitts im Norden des Landes, der Teil des XXXX Gouvernements XXXX ist, auf der Landkarte vom 18.04.2025 auf Seite 20 dieses Erkenntnisses) – ist im Gegensatz zur SDF (Anmerkung: siehe dazu den viel größeren violetten Bereich ebenfalls im Norden, vor allem aber auch noch im XXXX im Gouvernements XXXX ) – innerhalb des Gouvernements XXXX viel kleiner.
Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer, sollte er zu seiner Familie in die Stadt XXXX zurückkehren, dort nicht verfolgt wird und dies für ihn eine zumutbare Fluchtalternative darstellt.
Aus dem UNHCR Regional Flash Update 23, Syrien, vom 17.04.2025, https://reporting.unhcr.org/syria-situation-crisis-regional-flash-update-23, geht unter anderem hervor, dass laut UNHCR von 08.12.2024 bis 17.04.2025 rund 437.226 syrische Staatsangehörige über die Grenzen von Nachbarstaaten nach Syrien zurückgekehrt sind und bis zum 10.04.2025 1,05 Millionen Binnenvertriebene (IDPs) an ihre Wohnorte. Der türkische Innenminister gab am 16.04.2025 bekannt, dass zwischen dem 09.12.2024 und 13.04.2025 175.512 Syrer (33.730 Familien) freiwillig aus Türkei nach Syrien zurückgekehrt sind.
Somit könnte dem in Österreich subsidiär Schutzberechtigten kurdischen Beschwerdeführer eine (bloß hypothetische) Rückkehr in die Stadt XXXX bzw. den bei weitem größten Teil des Gouvernements XXXX in XXXX des Landes zugemutet werden. Das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass der Beschwerdeführer einen innerstaatliche Fluchtalternative in seinem Wohnort vor seiner Ausreise in seinem Heimatgouvernement XXXX hat und dorthin, umgekehrt zum Ausreiseweg, zurückkehren könnte.
Zusammengefasst kann der Beschwerdeführer somit, nur im ursprünglichen Heimatort und im sehr kleinen Einflussbereichs der Operation Peace Spring in seinem Heimatgouvernement XXXX , eine mögliche Verfolgung wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit, glaubhaft machen, hat aber eine innerstaatliche Fluchtalternative an seinen letzten Wohnort, der XXXX im Heimatgouvernement XXXX liegt bzw. XXXX dessen XXXX ist.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl ist daher abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revisionen:
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG, in der Fassung BGBl. I Nr. 51/2012, nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Dieses Erkenntnis beschäftigt sich vor allem mit der Erforschung und Feststellung von Tatsachen und der Beschwerdeführer kann zwar eine theoretisch bestehende Gefahr wegen seiner Volksgruppenzughörigkeit im ursprünglichen Heimatort XXXX bzw. in einem sehr kleinen Teil des Gouvernements XXXX , aber keine Verfolgung im Fall seiner Rückkehr zu seiner wohlhabenden, seit mehr als XXXX Jahre problemlos in der Stadt XXXX , der XXXX des Gouvernements XXXX , lebenden Familie, glaubhaft machen.