Spruch
W286 2310995-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a DEUTSCH-PERNSTEINER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2025, Zl. 1335252602-250265755, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 25.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Am gleichen Tag fand die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Der Beschwerdeführer gab als Fluchtgrund an, Afghanistan aus finanziellen Gründen verlassen zu haben, es gebe dort keine Arbeit und keine Zukunft für ihn. Er habe Angst vor den Taliban.
3. Im Folgenden reiste der Beschwerdeführer nach Deutschland. Am 05.12.2022 stellte der Beschwerdeführer in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz.
4. Am 18.01.2023 stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) das Asylverfahren gem. § 24 Abs. 2 AsylG ein, da der Aufenthaltsort des Beschwerdeführers weder bekannt noch leicht feststellbar war. Der Beschwerdeführer war von seiner Meldeadresse abgemeldet worden und es lag keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet vor.
5. Am 23.01.2023 langte ein Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands bei der belangten Behörde ein.
6. Am 20.12.2023 wurde der Beschwerdeführer von Deutschland nach Österreich überstellt.
7. Am 27.02.2024 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen. Er gab dabei im Wesentlichen an, Paschtune und Moslem zu sein und aus XXXX in der Provinz Nangarhar zu stammen. Er verfüge über zwölf Jahre Schulbildung und habe in Afghanistan als Reinigungskraft gearbeitet. Für ein Universitätsstudium habe er sich vorbereitet, er sei aber nicht an der Universität gewesen. Seine Mutter, seine beiden Schwestern, ein Bruder, fünf Onkel und drei Tanten väterlicherseits und vier Onkel und drei Tanten mütterlicherseits würden in Afghanistan leben. Sein Vater lebe seit über 25 Jahren in XXXX . Die Onkel würden arbeiten und seine Mutter finanziell unterstützen, auch der in XXXX in einem Hotel arbeitende Vater unterstütze die Familie, wirtschaftlich gehe es der Familie gut. Zu den Gründen für das Verlassen Afghanistans befragt, brachte er vor, dass er sich für die Universität vorbereitet und nebenbei gearbeitet habe. Nach der Machtübernahme der Taliban hätten sich „die Tore für Bildung geschlossen“ – da er aber ein großes Interesse an Bildung habe, habe er in ein anderes Land und sich bilden wollen. Er habe keine andere Wahl gehabt als sein Land zu verlassen, um sich hier ein Leben aufzubauen – er sei wegen der Bildung ausgereist. Zudem gab er an, anlässlich eines Friseurbesuchs seien er, ein Freund und die Friseure von Taliban geschlagen worden zu sein, weil diese nicht wollten, dass sie sich rasieren und die Haare gemacht bekämen.
8. Mit Bescheid vom 16.03.2024, Zl. 1335252602/223752250, wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) ab, erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel gem. § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Ihm wurde eine 14-tägige Frist ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung zur freiwilligen Ausreise eingeräumt (Spruchpunkt VI.).
9. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 21.03.2024 zugestellt.
10. Im Folgenden reiste der Beschwerdeführer erneut nach Deutschland. Am 15.04.2024 stellte der Beschwerdeführer erneut in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz.
11. Am 16.04.2024 langte neuerlich ein Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands bei der belangten Behörde ein. Diesem wurde am selben Tag zugestimmt.
12. Mit Note vom 08.10.2024 teilte das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der belangten Behörde mit, dass die für den 08.10.2024 angesetzte Überstellung des Beschwerdeführers storniert werden müsse, da dieser flüchtig sei. Es gelte die 18-monatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO.
13. Am 19.02.2025 wurde der Beschwerdeführer nach Österreich überstellt.
14. Am 19.02.2025 stellte der Beschwerdeführer in Österreich erneut einen Antrag auf internationalen Schutz.
15. Am 20.02.2025 fand die Erstbefragung – Folgeantrag Asyl des Beschwerdeführers vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Auf die Fragen, warum er einen neuerlichen Asylantrag stelle und was sich seit der Rechtskraft konkret gegen seinem bereits entschiedenen Verfahren – in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat – verändert habe, gab der Beschwerdeführer an, als die Taliban gekommen seien und die Macht übernommen haben, seien alle geflohen und er sei auch geflohen. Gefragt, was er bei der Rückkehr in die Heimat befürchte, gab er an, solange die Taliban dort seien, möchte er nicht zurück in die Heimat. Die Frage, ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, oder die Todesstrafe drohe, oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, verneinte der Beschwerdeführer. Gefragt, seit wann ihm die Änderungen der Situation/seiner Fluchtgründe bekannt seien, gab er an: „Das waren immer schon meine Fluchtgründe.“. Er sei von den Taliban gezwungen worden, das Land zu verlassen, weil diese sehr unmenschliche Dinge getan hätten und deswegen sei er ausgereist. Außerdem gab er an, dass er ab April 2024 in Deutschland in XXXX gewesen sei – er kenne dort Freunde und habe gewusst, dass diese dort seien, das sei auch der Grund gewesen, warum er nach Deutschland gegangen sei. Er werde jetzt aber nicht mehr nach Deutschland gehen. In Österreich habe er Freunde, die in Wien leben würden.
16. Der Beschwerdeführer wurde am 04.03.2025 im Zulassungsverfahren vor der belangten Behörde einvernommen. Dort brachte er im Wesentlichen vor:
„LA: Leiden Sie an irgendwelchen schwerwiegenden Krankheiten?
VP: Nein.
…
LA: Haben Sie in der Erstbefragung am 20.02.2025 die Wahrheit gesagt?
VP: Ja.
LA: Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?
VP: Nein.
…
LA: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Ihren Angehörigen in Afghanistan?
VP: Es war ein paar Tage vor dem Fasten, genau weiß ich es nicht.
LA: Was haben Ihre Verwandten erzählt?
VP: Sie haben gefragt, wie es mir geht und ob ich schon aus dem Gefängnis rausgekommen bin und schon Dokumente habe.
LA: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt zu Ihrem Vater?
VP: Vorgestern Nacht habe ich mit ihm gesprochen. Er ist in XXXX .
LA: Sie haben am 25.11.2022 einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen wurde. Warum stellen Sie einen neuerlichen Antrag?
VP: Ich habe damals einen Asylantrag gestellt, ich habe eine Adresse für ein Camp bekommen, da sollte ich mich hinbegeben. Als ich hin bin, habe ich keine Platz zum Schlafen bekommen, deshalb war ich fünf Tage auf der Straße. Ich bin dann mit einem Freund nach Deutschland
Frage wird wiederholt.
VP: Die österreichische Behörde wollte, dass ich zurückkomme.
LA: Hat sich bezüglich der Ausreisegründe, die Sie im ersten Verfahren angegeben haben, etwas geändert?
VP: Nein.
LA: Haben Sie außer den Problemen, die Sie im ersten Verfahren angegeben haben, noch weitere?
VP: Nein, es gibt keine weiteren Gründe. Als die Taliban die Regierung übernommen haben sind sie sehr grausam vorgegangen. Viele Menschen sind geflohen, also bin ich auch geflohen.
LA: Wo haben Sie sich, nachdem Sie Österreich verlassen haben, aufgehalten?
VP: Ich bin in die Schweiz, dann weiter nach Frankreich und dann nach Belgien und Deutschland.
LA: Haben Sie Verwandte oder sonstige Angehörige in Österreich?
VP: Ich habe nur Freunde.
LA: Haben Sie in einem anderen Staat der europäischen Union Verwandte oder Angehörige?
VP: In der EU nicht, ein Bruder ist in Großbritannien.
LA: Seit wann sind Sie wieder in Österreich?
VP: Seit 20.02.2025.
LA: Wie geht’s Ihrer Familie in Afghanistan?
VP: Es geht ihnen gut.
…
Anmerkung: Ihnen wird eine Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG 2005 ausgehändigt. Anhand dieser Verfahrensanordnung wurde Ihnen zur Kenntnis gebracht, dass geplant ist Ihren Antrag in Österreich wegen entschiedener Sache (wird erklärt) zurückzuweisen.
LA: Möchten Sie dazu Stellung nehmen?
VP: Was heißt das jetzt für mich?
AW wird über die Bedeutung der VAO hingewiesen.
VP: Ich müsste doch hier etwas bekommen. Österreich wollte, dass ich zurückkomme.
AW wird über die Bedeutung der Dublin-VO aufgeklärt.
VP: Wo ist das die Menschlichkeit? Wo bekomme ich Dokumente? Ich habe so viel durchgemacht. Ich habe 9500 USD ausgegeben. In Afghanistan sind die Taliban, da will ich nicht zurück.
LA: Außerdem sind Sie verpflichtet eine Rückkehrberatung in Anspruch zu nehmen.
VP: Ich bin jetzt 2 Wochen da, ich habe die grüne Karte bekommen, normalerweise bekommt man doch die weiße Karte.
AW wird über das Zulassungsverfahren aufgeklärt.
LA: Außerdem haben Sie die Möglichkeit Einsicht in die Länderberichte zu Ihrem Herkunftsstaat zu nehmen und eine Stellungnahme dazu abzugeben. Möchten Sie das?
VP: Was soll ich damit, ich weiß, wie die Lage in Afghanistan ist.
AW wird über die Bedeutung der Länderinformationen im Verfahren hingewiesen.
VP: Dann nehme ich sie.
…
LA: Ich beende jetzt die Einvernahme. Hatten Sie ausreichend Zeit, Ihre Angaben zu machen?
VP: Ja.
LA: Wollen Sie noch etwas angeben, was Ihnen besonders wichtig erscheint?
VP: Nein, es ist nur, wenn man sagt, dass ich hierherkommen soll, sollte man auch Dokumente bekommen.
17. Am 04.03.2025 wurde dem Beschwerdeführer die Verfahrensanordnung gem. §29 Abs. 3 AsylG ausgefolgt. Darin wurde ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt ist, seinen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
18. Am 26.03.2025 wurde der Beschwerdeführer erneut vor der belangten Behörde einvernommen. Dabei brachte er im Wesentlichen Folgendes vor:
„LA: Haben Sie in der letzten Einvernahme am 04.03.2025 die Wahrheit gesagt?
VP: Ja.
LA. Möchten Sie etwas korrigieren oder ergänzen?
VP: Worum geht es heute?
AW wird neuerlich auf den Einvernahmegegenstand hingewiesen.
VP: Ich möchte noch mehr angeben. Ich habe ja nur über die Probleme berichtet. Ich möchte heute die ganze Wahrheit erzählen.
LA: Bitte.
VP: Wenn eine Regierung stürzt, sind die Menschen gezwungen das Land zu verlassen…
LA: Nein, es geht um Ihre persönliche Situation.
VP: Es gibt keine Bildungsmöglichkeiten in Afghanistan. Ich möchte die Chance auf Bildung bekommen. Manchmal ist es für junge Menschen notwendig aufgrund der dortigen Kultur, das Land zu verlassen. Dort ist man als junger Mensch eingesperrt. Das andere ist, dass es finanzielle Schwierigkeiten gibt, es gibt keine Arbeit, das Leben ist sehr schwer.
Aufgrund des Krieges ist das Leben dort in Gefahr. Aufgrund der jetzigen Regierung sind die Menschen gezwungen das Land zu verlassen. Es gibt dort keine Menschlichkeit. Es spielt keine Rolle, ob man ein Mann oder eine Frau ist, man hat dort keine Rechte. Die medizinische Versorgung ist sehr schlecht, wenn man in einem Dorf lebt, kann man nicht zum Arzt, man muss weit gehen, um zu einem Arzt zu kommen. Diese ganze Situation zwingt einen auszureisen, um sich ein besseres Leben zu ermöglichen.
Ich habe sehr viel durchgemacht, um hierher zu kommen, ich war vielen Misshandlungen ausgesetzt. Die pakistanische Polizei hat mich drei Tage inhaftiert, mich gequält. Im Iran wurden wir von Verbrechern festgehalten. Es wurden Videos an die Familie geschickt und sie verlangten Lösegeld. Ich kam mit viele Schwierigkeiten hierher, wieso bekomme ich kein Asyl. Warum habe ich die grüne Karte bekommen? Ich bin ja nicht im Dublin-Verfahren.
Das wars.
LA: Was meinen Sie damit, dass Sie in Afghanistan keine Chance auf Bildung haben?
VP: Es gibt dort keine Bildung.
LA: Es gibt Schulen und Universitäten.
VP: Um richtige Bildung zu bekommen, sind viele in andere Länder ausgereist.
LA: Welche Bildung hätten Sie gerne?
VP: Ich möchte dadurch meine Zukunft sichern.
LA: Machen Sie es konkret. Was hätten Sie gerne?
VP: Ich möchte gerne Arzt werden. Ich habe Apotheker gelernt.
LA: Laut der Erstbefragung am 25.11.2022 haben Sie lediglich die Grundschule absolviert, und weder gearbeitet noch eine Berufsausbildung gemacht.
VP: Das habe ich bei meiner Einreise angegeben, stimmt das? Da hatte ich kein Interview.
LA: In der Einvernahme am 27.02.2024 gaben Sie an, dass Sie sich auf die Uni vorbereitet hätten und als Reinigungskraft gearbeitet hätten – von einer Apothekerausbildung gaben Sie nichts an.
VP: Wir waren einige Leute, die haben alle eine negative Entscheidung bekommen. Zu dieser Zeit gab es ein Messerattentat von einem Afghanen, ich glaube wir haben deswegen eine negative Entscheidung bekommen.
LA: Was meinen Sie damit, dass weder Männer noch Frauen Rechte haben in Afghanistan?
VP: So ist es doch, man hat keine Rechte. Da werden die Menschen gezwungen das Land zu verlassen.
LA: Da Ihr Verfahren im Zulassungsverfahren entschieden wird, haben Sie keinen Anspruch auf eine weiße Karte.
VP: Wie lange wird es noch dauern?
LA: Ich hoffe, dass ich bald dazu kommen, den Bescheid zu erlassen. Möchten Sie zu den Länderinformationen eine Stellungnahme abgeben?
VP: Nein, ich kann sie nicht lesen, sie sind auf Deutsch.
LA: Ihnen wird nun mitgeteilt, dass weiterhin beabsichtigt ist, Ihren Asylantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Möchten Sie dazu noch etwas angeben?
VP: Wieso machen Sie das?
LA: Da Sie der behördlichen Anordnung das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen nicht nachgekommen sind und da Ihnen im gegenständlichen Verfahren keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wird, ist beabsichtigt ein zweijähriges Einreiseverbot gegen Sie zu erlassen. Möchten Sie dazu etwas angeben?
VP: Dann bin ich gezwungen nach XXXX zu reisen, da ist mein Bruder. Mir gefällt Europa, ich möchte hierbleiben.
LA: Ich beende jetzt die Befragung. Wollen Sie noch etwas vorbringen, was nicht zur Sprache gekommen ist und Ihnen wichtig erscheint?
VP: Sonst gibt es nichts, ich möchte nur hier bleiben, Bildung bekommen und die Sprache lernen.
…“
19. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27.03.2025 wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 19.02.2025 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG) erließ die belangte Behörde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Absatz 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Absatz 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.). Die belangte Behörde erließ gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 FPG, gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).
Die belangte Behörde begründete diese Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
„Beweiswürdigung
… betreffend die Feststellungen zu Ihren Vorverfahren sowie zu den Gründen für Ihren neuen Antrag auf internationalen Schutz:
Der Feststellung zu Ihrem Vorverfahren ergibt sich aus dem Akteninhalt, insbesondere aus dem verfahrensabschließenden Bescheid vom 16.03.2024.
Im gegenständlichen Verfahren brachten Sie keine neuen Gründe vor. In der Erstbefragung gaben Sie an, dass der Grund für den Antrag in der Machtergreifung der Taliban lag und dass Sie deshalb nicht in Ihre Heimat zurückmöchten. Das wären schon immer Ihre Fluchtgründe gewesen.
Auch in der Einvernahme am 04.03.2025 gaben Sie zu den Gründen für den gegenständlichen Antrag lediglich an, dass Österreich gewollte hätte, dass Sie zurückkommen. Weiter gaben Sie an, dass Sie die Ausreisegründe, die Sie im Vorverfahren angegeben haben, nicht geändert hätten. Auf neuerliche Nachfrage gaben Sie an, dass Sie keine neuen Gründe hätten.
In der Einvernahme am 26.03.2025 ergänzten Sie schließlich, dass Sie keine Chance auf Bildung hätten. Dieses Vorbringen haben Sie bereits im Vorverfahren erstattet. Auch gaben Sie an, dass weder Frauen noch Männer in Afghanistan Rechte haben würden. Auf Nachfragen gaben Sie lediglich an, dass das so wäre, man hätte keine Rechte. Da würden Menschen gezwungen das Land zu verlassen.
…
Weiter gaben Sie an, dass das Leben aufgrund des Krieges in Gefahr wäre. Dazu ist festzuhalten, dass sich aus den Länderinformationen zweifelsfrei ergibt, dass die Sicherheitslage in Ihrer Herkunftsprovinz Nangarhar ausreichend gegeben ist. Dies wurde auch im Vorverfahren festgestellt.
Weiter gaben Sie an, dass das Leben in Afghanistan sehr schwer wäre. Es würde keine Arbeit und finanzielle Schwierigkeiten geben. Im Vorverfahren wurde festgehalten, dass Ihr Vater eine Landwirtschaft besitzt und Ihnen Arbeit geben würde. Sie könnten daher in Ihrem Herkunftsland auch wieder Fuß fassen.
Im gegenständlichen Verfahren gaben Sie diesbezüglich an, dass Sie Kontakt zu Ihren Angehörigen in Afghanistan und zu Ihrem Vater haben würden. Er wäre in XXXX . Ihrer Familie in Afghanistan würde es gut gehen. Aufgrund Ihrer Angaben ergaben sich keine Hinweise, dass Sie bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine ausweglose Lage geraten würden.
Daher ist auch diesbezüglich kein geänderter Sachverhalt feststellbar.
Es ergab sich daher kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der zu einer neuerlichen inhaltlichen Entscheidung berechtigen würde.
Betreffend die Feststellungen zu Ihrem Privat- und Familienleben:
In Österreich verfügen Sie über keine Verwandten oder sonstige Angehörige.
Die Feststellung zu Ihrer Aufenthaltsdauer seit Ihrer Überstellung aus Deutschland ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Daher ist die Verhältnismäßigkeit der vorigen Rückkehrentscheidung nach wie vor nicht anzuzweifeln.
Betreffend Gründen für Erlassung eines Einreiseverbotes:
Die Feststellung, dass Sie der behördlichen Anordnung das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen, nicht nachgekommen sind, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Dass Sie sich in Österreich dem Verfahren entzogen haben, ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt. Dass Sie sich auch in Deutschland entzogen haben, ergibt sich aus der Mitteilung der deutschen Behörden vom 08.10.2024. Darin teilten die deutschen Behörden mit, dass Sie flüchtig wären. Daher wurde die Überstellungsfrist auf 18 Monate verlängert.
Daher steht auch fest, dass Sie nicht gewillt sind, behördlichen Anordnungen Folge zu leisten.
Dass Ihnen im gegenständlichen Verfahren keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt wird, ergibt sich daraus, dass der Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wird.
…
E) Rechtliche Beurteilung
…
Zu den Spruchpunkten I und II:
…
Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, ergab sich im gegenständlichen Verfahren kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt. Von einer wesentlichen Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes iSd § 68 AVG seit rechtskräftigem Abschluss des ersten Asylverfahrens kann nicht die Rede sein.
…
Wie bereits festgestellt, ergab sich auch hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat keine entscheidungswesentliche Änderung.
Es konnte im Vergleich zu den Feststellungen des Erstverfahrens kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt werden.
Da sich die allgemeine Lage wie auch Ihr körperlicher Zustand seit der letzten Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich geändert haben, kann davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in Ihrem Herkunftsstaat keine Gefahr der Verletzung der Artikel 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 und 13 zur Konvention bedeuten würde.
Da weder in der maßgeblichen Sachlage – und zwar im Hinblick auf jenen Sachverhalt, der in Ihrer Sphäre gelegen ist, noch auf jenen, welcher von Amts wegen aufzugreifen ist – noch im Begehren und auch nicht in den anzuwendenden Rechtsnormen eine Änderung eingetreten ist, welche eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages nicht von vornherein als ausgeschlossen erscheinen ließe, steht die Rechtskraft des Bescheides 1335252602/223752250 vom 16.03.2024, rechtskräftig am 19.04.2024, Ihrem neuerlichen Antrag entgegen, weswegen das Bundesamt zu seiner Zurückweisung verpflichtet ist.
…
Zu Spruchpunkt IV.:
Bereits Vorverfahren wurde festgestellt, dass durch die Rückkehrentscheidung nicht unzulässig in Ihre Rechte nach Art. 8 EMRK eingegriffen wird.
Seither haben sich keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben. Vielmehr haben Sie Österreich selbstständig verlassen und reisten nach Deutschland. Seit Ihrer Rücküberstellung halten Sie sich erst wenige Wochen in Österreich auf. Es sind im Verfahren keine Hinweise hervorgekommen, die die getroffene Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung nunmehr in Frage stellen würden.
…
Aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens liegen auch sonst keine Hinweise für eine derartige Integration bzw. Verfestigung in Österreich, die einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegenstehen würde.
Im Rahmen einer umfassenden Interessensabwägung ist daher festzustellen, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Ihrem privaten Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegen.
Daher ist die Rückkehrentscheidung nach § 9 Abs. 1-3 BFA-VG zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG hat zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist (§ 58 Abs. 2 AsylG).
…
Zu Spruchpunkt VII.:
…
Die Aufzählung des § 53 FPG ist demonstrativ und demnach nicht als enumerativ abschließend anzusehen, was auch eindeutig aus dem Gesetzestext hervorgeht, nachdem klar festgestellt wird, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit insbesondere gegeben ist, wenn einer der aufgezählten Tatbestände des § 53 Abs. 2 FPG vorliegt. Es sind daher weitere Verhaltensweisen, welche die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährden, jedenfalls auch geeignet ein Einreiseverbot zu rechtfertigen.
In Ihrem Fall bedeutet das:
Soweit eine Rückkehrentscheidung ohne Einreiseverbot verfügt wurde und der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung nicht fristgerecht freiwillig nachkommt, ist die Erlassung einer neuen Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot zu prüfen. In diesem Fall kann nämlich nicht mehr von einer nur geringfügigen Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung gesprochen werden. In Ihrem Fall gilt, Sie sind Ihrer Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen.
Ihr Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid 1335252602/223752250 vom 16.03.2024, rechtskräftig am 19.04.2024, abgewiesen und es wurde eine Rückkehrentscheidung gegen Sie erlassen. Es wurde Ihnen auch eine 14tägige Frist zu Ausreise eingeräumt. Sie kamen dieser Verpflichtung jedoch nicht nach. Vielmehr entzogen Sie sich dem Verfahren und stellten nach Ihrer Rückkehr aus Deutschland neuerlich einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz.
Sie haben den Geltungsbereich der Rückführungsrichtlinie trotz Aufforderung nicht verlassen. Dieses Fehlverhalten konnte in keine der oben genannten Ziffern des § 53 FPG subsumiert werden, ist jedoch geeignet die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gefährden und widerläuft auch den Interessen des Art. 8 EMRK. Umgehungen (Missachtung) der Vorschriften des FPG und der aus diesen Bundesgesetz ableitenden Bescheide sind keinesfalls als mindere oder geringfügige Fehlverhalten einzustufen, da auch zB die unrechtmäßige Einreise oder der unrechtmäßige Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen nachhaltig das Sicherheitsgefühl der Wohnbevölkerung beeinflussen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, Kommentar, 2016, §53 3. RV 2144 XXIV.GP).
Bei einem Fremden, dem bloß ein unrechtmäßiger Aufenthalt zur Last gelegt wird, kann dies im Einzelfall unterbleiben (VwGH, 2011/21/0237). Im konkreten Fall liegt allerdings nicht nur ein illegaler Aufenthalt vor, sondern der Ausreisebefehl nach einem negativen Asylverfahren wurde missachtet, was keinesfalls als nur geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen gewertet werden kann. Unter Verweis auf die Rechtsprechung des VwGH und VfGH steht fest, dass ein öffentliches Interesse daran besteht, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 2007/01/0479).
Auch haben Sie sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland dem Verfahren entzogen. Auch hieraus lässt sich ableiten, dass Sie keineswegs gewillt sind, den behördlichen Anordnungen Folge zu leisten.
Aus Art. 11 der Rückführungsrichtlinie ergibt sich, dass Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverboten einhergehen, falls keine Frist zur freiwilligen Ausreise eingeräumt wurde oder falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde.
In Ihrem Fall sind beide Sachverhalte verwirklicht. Ihr Vorverfahren wurde am 19.04.2024 rechtskräftig abgeschlossen. Sie haben die eingeräumte Frist zur freiwilligen Ausreise jedoch ungenützt verstreichen lassen.
Außerdem haben Sie den gegenständlichen Antrag missbräuchlich gestellt und da kein neuer entscheidungswesentlicher Sachverhalt zu einer neuen inhaltlichen Entscheidung berechtigen würde, wird der Antrag – wie oben ausgeführt – wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Daher wird Ihnen auch keine neuerliche Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.
Ein Fehlverhalten kann auch dann zur Beurteilung der Gefährdungsprognose herangezogen werden, wenn diese nicht zu einer gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Bestrafung geführt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 26.01.2010, 2008/22/0890, sowie schon zur Rechtslage nach dem FPG 1997 jenes vom 12.01.2000, 99/21/0357).
Sie sind keineswegs gewillt die österreichische Rechtsordnung und die aus dieser Rechtordnung in Rechtskraft erwachsenen Entscheidungen der Behörden oder Gerichte zu achten und beachten. Daher kann die Behörde nur zum Schluss kommen, dass Ihr Aufenthalt in Österreich jedenfalls eine Gefahr für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Ihre Verhaltensweise zeigt eindeutig, dass Sie nicht gewillt sind, sich den Entscheidungen der österreichischen Behörden und Gerichten gegenüber zu fügen und sich rechtskonform zu verhalten, dies lässt auch für die Zukunft nichts Gutes vermuten. Wenn Sie schon zum jetzigen Zeitpunkt, nicht bereit sind, sich den in Österreich festgelegten rechtlichen und gesellschaftlichen Regeln zu unterwerfen, so kann die Behörde nur eine negative Zukunftsprognose Ihre Person betreffend befunden.
Wie bereits zur Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung geprüft und festgestellt, sind Ihre familiären und privaten Anknüpfungspunkte in Österreich nicht dergestalt, dass sie einen Verbleib in Österreich rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletzt in Ihrem Fall Art. 8 EMRK nicht. Es muss daher nun, unter Berücksichtigung des in § 53 Abs. 2 FPG genannten Tatbestandes ebenso davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit Ihrem persönlichen Interesse an einem Verbleib in Österreich überwiegt.
Weiters hat die Behörde bei Ihrer Entscheidung Artikel 11 Abs 3 RückführungsRL zu berücksichtigen, wonach in Einzelfällen aus humanitären Gründen von der Verhängung eines Einreiseverbots abgesehen werden kann. Hier ist zu vermerken, dass humanitäre Gründe in Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung geprüft wurden. Da derartige humanitäre Gründe nicht vorliegen, da sonst erstens eine Rückkehrentscheidung nicht zulässig und zweitens ein humanitäres Aufenthaltsrecht zu erteilen gewesen wäre, ist auch in diesem Einzelfall nicht von der Verhängung eines Einreiseverbotes abzusehen.
Die Gesamtbeurteilung Ihres Verhaltens, Ihrer Lebensumstände sowie Ihrer familiären und privaten Anknüpfungspunkte hat daher im Zuge der von der Behörde vorgenommenen Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig ist, die von Ihnen ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Das ausgesprochene Einreiseverbot ist daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten. Aufgrund Ihrer strafrechtlichen Unbescholtenheit wurde mit nur zwei Jahren weniger als die Hälfte der maximal verhängbaren Höhe (fünf Jahre) ausgeschöpft.
…“
20. Gegen diesen am 28.03.2025 ordnungsgemäß zugestellten Bescheid erhob der im Beschwerdeverfahren durch die BBU GmbH vertretene Beschwerdeführer am 10.04.2025 fristgerecht Beschwerde.
Die Beschwerde führt im Wesentlichen aus, dass das „erstinstanzliche Verfahren“ noch nicht rechtskräftig sei, da der Beschwerdeführer, der am 21.03.2024 den Bescheid übernommen habe, in Deutschland binnen in Österreich offener Rechtsmittelfrist einen Asylantrag gestellt habe, bereits am 16.04.2024 sei ein Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands eingegangen. Dieser in Deutschland gestellte Asylantrag sei „im Rahmen der Analogie als „Beschwerde“ gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 16.03.2024 zu werten“. Nach § 17 Abs. 7 AsylG gelte ein in der Rechtsmittelfrist gestellter Antrag auf internationalen Schutz als Beschwerde; dies sei auch auf Anträge, die in einem anderen Mitgliedsstaat gestellt worden seien, anwendbar. Verwiesen werde auf VwGH 19.03.2013, 2011/21/0128, wonach ein in einem anderen Mitgliedsstaat gestellter Folgeantrag automatisch als neuer Antrag in Österreich gelte, ohne dass es eines nochmaligen Schutzersuchens in Österreich bedürfe. Aufgrund des in Deutschland gestellten, als Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.03.2024 zu wertenden Asylantrags sei das „erstinstanzliche Asylverfahren“ des Beschwerdeführers nicht am 19.04.2024 in Rechtskraft erwachsen und sei in der Folge fortzusetzen.
Außerdem wird in der Beschwerde ein „ergänzendes Vorbringen“ erstattet, wonach der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen hätte, da ihm von den Taliban vorgeworfen worden wäre, dass er ein Spion der damaligen Regierung gewesen wäre, weil eine unmittelbar neben dem Haus der Familie des Beschwerdeführers befindliche „Station“ der Taliban durch einen Regierungsangriff zerstört worden sei und zu diesem Zeitpunkt lediglich der Beschwerdeführer als einziges männliches Mitglied seiner Familie zuhause gewesen wäre – ihm werde nun (zu Unrecht) vorgeworfen, dass er Informationen über die „Taliban Station“ an die Regierung weitergegeben hätte und drohe ihm asylrelevante Verfolgung wegen einer von den Taliban abweichenden politischen Gesinnung. Der Beschwerdeführer habe dies im ersten Asylverfahren nicht vorgebracht, da er damals keine Beweismittel gehabt hätte und sich gedacht hätte, dass es dann keinen Sinn mache, diese Umstände der belangten Behörde mitzuteilen. Vor wenigen Monaten, also „nach rechtskräftiger Entscheidung erster Instanz“ habe der Beschwerdeführer zwei Drohbriefe erhalten, die von den Taliban an den Dorfvorsteher und von diesem der Familie des Beschwerdeführers übergeben worden seien, diese habe den Beschwerdeführer verständigt – Fotos der beiden Drohbriefe befänden sich als Beweismittel im Anhang der Beschwerde. Die belangte Behörde hätte den Beschwerdeführer nicht ausreichend belehrt, dass bei einem Folgeantrag nur jene Gründe relevant seien, die seit der ersten rechtskräftigen Entscheidung neu entstanden seien – bei entsprechender Aufklärung hätte der Beschwerdeführers bereits in der Einvernahme das dargestellte „ergänzende Vorbringen“ erstattet und sei – dies mit Verweis auf die UNHCR-Richtlinien – eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers anzunehmen.
Hinsichtlich der aktuellen Sicherheits- und Versorgungslage gibt die Beschwerde Auszüge aus der dem Bescheid zugrunde liegenden Staatendokumentation wieder – daraus ergebe sich eine desaströse Versorgungslage in Afghanistan. Es sei auch keine Verbesserung der Lage seit der Machtübernahme der Taliban, wie die belangte Behörde zu argumentieren versuche, ersichtlich. Das Vorbringen des Beschwerdeführers sei daher nicht von vornherein ungeeignet, ein anderes Ergebnis zu erzielen als im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren. Die belangte Behörde habe in ihrer Einvernahme bzw. Entscheidung die derzeitige katastrophale Situation in Bezug auf die Grundversorgung bzw. die Situation im Fall einer Rückkehr mangels im Bescheid enthaltenen Länderinformationen weder ermittelt noch berücksichtigt, weshalb die Entscheidung mangelhaft sei.
Zum Einreiseverbot bringt die Beschwerde vor, dieses werde von der belangten Behörde durch eine missbräuchliche Folgeantragstellung und das Nichtvorbringen eines neuen Sachverhalts begründet. Der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass sein erstes Asylverfahren bis dato nicht rechtskräftig sei und damit keine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung bestehe und dass er aufgrund der vorgelegten Drohbriefe sehr wohl einen neuen entscheidungswesentlichen Sachverhalt vorgebracht habe. Aufgrund der Entscheidung im ersten Verfahren sei der Beschwerdeführer derart psychisch überfordert gewesen, dass er in einer Kurzschlussreaktion nach Deutschland weitergereist sei. Er möchte sich dafür entschuldigen, aber betonen, dass er durch dieses Verhalten in keinster Weise die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet habe. Die Verhängung eines zweijährigen Einreiseverbots sei absolut ungerechtfertigt.
Schließlich wurde beantragt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
21. Die belangte Behörde legte die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten am 14.04.2025 dem Bundesverwaltungsgericht vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Rechtskraft des Vorverfahrens:
Der Bescheid der belangten Behörde vom 16.03.2024, mit dem der erste, am 25.11.2022 in Österreich gestellte Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers abgewiesen, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und eine vierzehntägige Frist zur freiwilligen Ausreise gesetzt wurde, wurde dem Beschwerdeführer am 21.03.2024 zugestellt. Nach ungenütztem Ablauf der Rechtsmittelfrist erwuchs dieser Bescheid am 19.04.2024 in Rechtskraft.
1.2. Zur Person des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Paschtunen an und ist muslimisch-sunnitischen Glaubens. Seine Muttersprache ist Paschtu.
Der Beschwerdeführer stammt aus dem XXXX in der Provinz Nangarhar in Afghanistan.
Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan zwölf Jahre die Schule besucht, zudem hat er als Reinigungskraft gearbeitet.
Die Familie des Beschwerdeführers, konkret seine Mutter, seine beiden Schwestern, sein Bruder, fünf Onkel und drei Tanten väterlicherseits und vier Onkel und drei Tanten mütterlicherseits leben in Afghanistan. Sein Vater lebt seit über 25 Jahren in XXXX . Die Onkel arbeiten und unterstützen seine Mutter finanziell, auch der in XXXX in einem Hotel arbeitende Vater unterstütze die Familie. Wirtschaftlich geht es der Familie gut. Der Beschwerdeführer steht mit den Familienmitgliedern in Kontakt und kann von diesen Unterstützung erhalten.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren, lebensbedrohenden Krankheiten – er ist gesund.
1.3. Zu den Fluchtgründen und zur Rückkehrsituation des Beschwerdeführers:
Seit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über den ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache sind keine entscheidungswesentlichen Änderungen hinsichtlich der Fluchtgründe des Beschwerdeführers, seiner Rückkehrsituation oder der im Fall anzuwendenden Rechtsvorschriften eingetreten.
Die individuellen Umstände des Beschwerdeführers und die Situation im Herkunftsstaat haben sich im Vergleich zum bereits rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren nicht entscheidungsrelevant geändert.
1.4. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Regionen Afghanistans
Letzte Änderung 2025-01-30 08:04
STDOK-OSIF 7.9.2023a
Afghanistan verfügt über 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind. Auf einer Fläche von 652.230 Quadratkilometern (CIA 25.11.2024) leben ca. 35 (NSIA 7.2024) bis 40,1 Millionen Menschen (CIA 25.11.2024). Es grenzt an sechs Länder: China (91 km), Iran (921 km) Pakistan (2.670 km), Tadschikistan (1.357 km), Turkmenistan (804 km), Usbekistan (144 km) (CIA 25.11.2024). Seit der beinahe kampflosen Einnahme Kabuls am 15.8.2021 steht Afghanistan nahezu vollständig unter der Kontrolle der Taliban (AA 12.7.2024; vgl. EUAA 1.11.2024).
Kabul-Stadt
Letzte Änderung 2025-01-30 08:05
STDOK-OSIF 7.9.2023b
Kabul-Stadt ist die Hauptstadt Afghanistans und verfügt über eine geschätzte Einwohnerzahl zwischen 4,589.000 (CIA 25.11.2024) und ca. 5,766.181 Personen (NSIA 7.2024). Die Stadt ist aufgeteilt in 22 Bezirke und verfügt über einen internationalen Flughafen, der sich im 15. Stadt-Bezirk befindet (AAN 2019). Die Bevölkerung besteht aus Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus sowie Kutschi (PAN o.D.; vgl. NPS o.D.a).
Ost-Afghanistan
Letzte Änderung 2025-01-30 08:06
STDOK-OSIF 8.9.2023d
Der Osten Afghanistans grenzt an Pakistan und ist ein wichtiger Teil des paschtunischen Heimatlandes, dessen Stammeseinfluss sich bis nach Westpakistan erstreckt. Jalalabad, die Hauptstadt der Provinz Nangarhar, liegt auf halbem Weg zwischen Torkham (Ende des Khyber-Passes/Grenze zu Pakistan) und Kabul. Sie gilt als die wichtigste afghanische Stadt im Osten und als das Tor nach Afghanistan vom Khyber-Pass aus. Berge und Täler (oft sehr abgelegen) dominieren die Region (NPS o.D.d). In der östlichen Region liegt die durchschnittliche Temperatur im Winter bei etwa 10 Grad (IOM 2.12.2024).
Distrikte nach Provinz (NSIA 4.2022)
Kabul: Bagrami, Chahar Asyab, Dehsabz, Estalef, Farza, Guldara, Kabul, Kalakan, Khak-e-Jabar, Mir Bacha Kot, Musahi, Paghman, Qara Bagh, Shakar Dara, Surubi/Surobi/Sarobi
Kapisa: Alasay, Hesa Awal Kohistan, Hesa Duwum Kohistan, Koh Band, Mahmud Raqi, Nijrab, Tagab
Khost: Ali Sher (Tirzayee), Baak, Gurbuz, Jaji Maidan, Khost (Matun), Manduzay (Esmayel Khil), Muza Khel, Nadir Shah Kot, Qalandar, Sabari (Yaqubi), Shamul, Spera, Tanay
Kunar: Bar Kunar (auch Asmar), Chapa Dara, Sawkay (auch Chawkay), Dangam, Dara-e-Pech (auch Manogi), Ghazi Abad, Khas Kunar, Marawara, Narang wa Badil, Nari, Noorgal, Sar Kani, Shigal, Watapoor sowie der temporäre Distrikt Sheltan
Laghman: Alingar, Alishing, Dawlat Shah, Mehtarlam, Qarghayi, Bad Pash (also Bad Pakh)
Logar: Azra, Baraki Barak, Charkh, Khar War, Khushi, Mohammad Agha, Pul-e-Alam
Nangarhar: Achin, Bati Kot, Behsud, Chaparhar, Dara-e-Nur, Deh Bala (auch Haska Mena), Dur Baba, Goshta, Hesarak, Jalalabad, Kama, Khugyani, Kot, Kuzkunar, Lalpoor, Muhmand Dara, Nazyan, Pachiragam, Rodat, Sher Zad, Shinwar, Surkh Rud
Paktia: Ahmadaba, Jaji, Dand Patan, Gardez, Jani Khel, Laja Ahmad Khel (auch Laja Mangel), Samkani (auch Chamkani, Tsamkani), Sayyid Karam (auch Mirzaka), Shwak, Wuza Zadran, Zurmat sowie die vier temporären Distrikte Laja Mangel, Mirzaka, Garda Siray, Rohany Baba
Paktika: Barmal, Dila Wa Khushamand, Gomal, Giyan, Jani Khel, Mata Khan, Nika (Naka), Omna, Surobi, Sar Rawzah, Sharan, Turwo, Urgoon, Wazakhwah, Wormamay, Yahya Khel, Yosuf Khel, Zarghun Shahr (auch Khairkot), Ziruk sowie die vier temporären Distrikte Shakeen, Bak Khil, Charbaran, Shakhil Abad
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2025-01-31 16:37
[Anm.: In diesem Kapitel werden aufbereitete Daten von verschiedenen Quellen dargestellt. Aufgrund der unterschiedlichen Methodologien bzw. Definitionen können die Daten voneinander abweichen. Für weitere Informationen sei auf das Kapitel Länderspezifische Anmerkungen verwiesen.]
Seit der Machtübernahme der Taliban in Kabul am 15.8.2021 ist das allgemeine Ausmaß des Konfliktes zurückgegangen (AI 24.4.2024; vgl. UNAMA 27.6.2023). Nach Angaben der Vereinten Nationen gab es beispielsweise weniger konfliktbedingte Sicherheitsvorfälle wie bewaffnete Zusammenstöße, Luftangriffe und improvisierte Sprengsätze (IEDs) (UNGA 28.1.2022) sowie eine geringere Zahl von Opfern unter der Zivilbevölkerung (UNAMA 27.6.2023; vgl. UNAMA 7.2022). Die Hilfsmission der Vereinten Nationen in Afghanistan (UNAMA) und Amnesty International (AI) haben jedoch weiterhin ein erhebliches Ausmaß an zivilen Opfern (AI 24.4.2024; vgl. UNAMA 27.6.2023) durch vorsätzliche Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen (IEDs) dokumentiert (UNAMA 27.6.2023).
Nach Angaben der Vereinten Nationen entwickelten sich die sicherheitsrelevanten Vorfälle seit der Machtübernahme der Taliban folgendermaßen:
19.8.2021 - 31.12.2021: 985 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 91 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 28.1.2022)
1.1.2022 - 21.5.2022: 2.105 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 467 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 15.6.2022)
22.5.2022 - 16.8.2022: 1.642 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 77,5 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 14.9.2022)
17.8.2022 - 13.11.2022: 1.587 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 23 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 7.12.2022)
14.11.2022 - 31.1.2023: 1.088 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 10 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 27.2.2023)
1.2.2023 - 20.5.2023: 1.650 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 1 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 20.6.2023)
20.5.2023 - 31.7.2023: 1.259 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 1 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 18.9.2023)
1.8.2023 - 21.10.2023: 1.414 sicherheitsrelevante Vorfälle (Rückgang von 2 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 1.12.2023)
1.11.2023 - 10.1.2023: 1.508 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 38 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 28.2.2024)
1.2.2024 - 13.5.2024: 2.505 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 55 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 13.6.2024)
14.5.2024 - 31.7.2024: 2.127 sicherheitsrelevante Vorfälle (Anstieg von 53 % gegenüber dem Vorjahr) (UNGA 9.9.2024)
Nachfolgende Grafik zeigt den Verlauf der sicherheitsrelevanten Vorfälle zwischen Jänner 2023 und Dezember 2024 laut ACLED an. Unterteilt wurde diese vom OSIF-Projekt der Staatendokumentation erstellte Grafik in die Vorfallsarten battles, explosions/remote violence sowie violence against civilians. [für weitere Informationen zu Datenerfassung und Methodologie von ACLED sei auf die entsprechende Passage im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen verwiesen]:
erstellt vom Projekt OSIF der Staatendokumentation basierend auf Daten von ACLED (ACLED 13.1.2025)
Wie den oben aufgeführten Daten von ACLED (ACLED 13.1.2025) und den Vereinten Nationen zu entnehmen ist, sind die sicherheitsrelevanten Vorfälle in Afghanistan im Jahr 2024 angestiegen. Dies hängt laut den Vereinten Nationen vor allem mit vermehrten Zwischenfällen im Zusammenhang mit Betäubungsmitteln (UNGA 9.9.2024; vgl. UNGA 13.6.2024, UNGA 28.2.2024) und Grundstückstreitigkeiten zusammen (UNGA 9.9.2024; vgl. UNGA 13.6.2024) und war zum Teil auf die Bemühungen der Taliban-Behörden zurückzuführen, das Verbot des Mohnanbaus durchzusetzen (UNGA 13.6.2024).
erstellt vom Projekt OSIF der Staatendokumentation basierend auf Daten des Uppsala Conflict Data Program (UCDP) (UCDP 9.12.2024)
Auch die vom Uppsala Conflict Data Program (UCDP) erfassten Vorfälle zeigen dieses Bild. Mit Beginn des Jahres 2022 gehen die sicherheitsrelevanten Vorfälle deutlich zurück. In der ersten Jahreshälfte 2024 ist jedoch wieder ein Anstieg zu verzeichnen. Bei jenen sicherheitsrelevanten Vorfällen, die den ISKP betreffen, erkennt man einen Rückgang im Laufe der letzten Jahre, wobei auch hier ein leichter Anstieg in der ersten Jahreshälfte 2024 zu erkennen ist (UCDP 9.12.2024). [Für weitere Informationen zu Datenerfassung und Methodologie von UCDP sei auf die entsprechende Passage im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen verwiesen]:
Laut Angaben der Vereinten Nationen hatten sich die Aktivitäten des ISKP nach der Machtübernahme der Taliban zunächst verstärkt (UNGA 28.1.2022; vgl. UNGA 15.6.2022, UNGA 14.9.2022, UNGA 7.12.2022). Im Lauf der Jahre 2022 (UNGA 7.12.2022; vgl. UNGA 27.2.2023) und in 2023 nahmen diese Aktivitäten jedoch wieder ab (UNGA 20.6.2023; vgl. UNGA 18.9.2023, UNGA 1.12.2023). Ein Trend, der sich auch 2024 fortsetzt (UNGA 28.2.2024). Ziele der Gruppierung sind die schiitischen Hazara (AI 24.4.2024; vgl. UNAMA 22.1.2024, UNGA 13.6.2024, UNGA 28.2.2024), ausländische Staatsbürger (UNGA 9.9.2024) sowie Mitglieder der Taliban (UNGA 9.9.2024; vgl. UNGA 13.6.2024, UNGA 28.2.2024). Die Taliban führen weiterhin Operationen gegen den ISKP durch (UNGA 13.6.2024), unter anderem in Nangarhar (UNGA 9.9.2024).
Ende 2022 und während des Jahres 2023 nehmen die Zusammenstöße zwischen bewaffneten Gruppierungen und den Taliban weiter ab (UNGA 27.2.2023; vgl. UNGA 20.6.2023, UNGA 18.9.2023). Dieser Trend setzt sich auch im Jahre 2024 fort. Nach dem Dafürhalten der Vereinten Nationen stellt die bewaffnete Opposition mit 2024 weiterhin keine nennenswerte Herausforderung für die territoriale Kontrolle der Taliban dar (UNGA 9.9.2024; vgl. UNGA 13.6.2024, UNGA 28.2.2024). Die Nationale Widerstandsfront und die Afghanische Freiheitsfront gehen mit einer "Hit-and-Run"-Taktik gegen die Taliban-Sicherheitskräfte vor, greifen deren Posten und Fahrzeuge an und verübten Hinterhalte und gezielte Tötungen (UNGA 9.9.2024).
Mit Verweis auf das United Nations Department of Safety and Security (UNDSS) berichtet IOM (International Organization for Migration), dass organisierte Verbrechergruppen in ganz Afghanistan an Entführungen zur Erlangung von Lösegeld beteiligt sind. 2023 wurden 21 Entführungen dokumentiert, 2024 waren es, mit Stand Februar 2024, zwei. Anscheinend werden nicht alle Entführungen gemeldet, und oft zahlen die Familien das Lösegeld. Die meisten Entführungen (soweit Informationen verfügbar waren) fanden in oder in der Nähe von Wohnhäusern statt und nicht auf der Straße. Von den 21 im Jahr 2023 gemeldeten Entführungen ereigneten sich vier in Kabul. Zwei der Vorfälle in Kabul betrafen die Entführung ausländischer Staatsangehöriger, wobei nur wenige Einzelheiten über die Umstände der Entführungen bekannt wurden. Die Taliban-Sicherheitskräfte reagierten aktiv auf Entführungsfälle. Im Juni 2023 leiteten die Taliban beispielsweise in Kabul eine erfolgreiche Rettungsaktion eines entführten ausländischen Staatsangehörigen. In der Provinz Balkh führte eine Reaktion der Taliban gegen die Entführer im Februar 2023 zum Tod eines Entführers und zur Festnahme von zwei weiteren Personen (IOM 22.2.2024).
In einem Interview durchgeführt von EUAA in Kooperation mit dem schwedischen Migrationsamt (Migrationsverket), der Staatendokumentation und Landinfo gab ein afghanischer Forscher befragt zur Sicherheitslage an, dass die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle in Afghanistan zurückgegangen ist. Es gibt, seiner Einschätzung nach, keine Region in Afghanistan, in welcher oppositionelle Gruppen offen die Kontrolle haben. In Provinzen wie Panjsher, Baghlan, Badakhshan, Kunduz und Takhar, in denen es in der Vergangenheit zu Kämpfen zwischen den Taliban und verschiedenen Gruppierungen gekommen ist, verlief der Verkehr normal und Einheimische in der Region erzählten dem Forscher, dass es keine Zwischenfälle geben würde. Betreffend die Kapazitäten des NRF hatte er nur wenig Informationen, er schreibt dem ISKP jedoch zumindest die Möglichkeit operativer Aktivitäten zu, wobei er anfügt, dass die Taliban immer effizienter bei der Aushebung von ISKP-Zellen zu werden scheinen. Dies zeigt sich in einer entspannteren Sicherheitslage in beispielsweise Kabul und Herat. Der Forscher schließt daraus, dass weder der ISKP noch andere Gruppierungen aktuell wirklich ein Problem für die Taliban sind (VQ AFGH 3 1.10.2024).
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul-Stadt, Herat-Stadt und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 68,3 % der Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass diese Ergebnisse nicht auf die gesamte Region oder das ganze Land hochgerechnet werden können. Die Befragten wurden gefragt, wie sicher sie sich in ihrer Nachbarschaft fühlen, was sich davon unterscheidet, ob sie sich unter dem Taliban-Regime sicher fühlen oder ob sie die Taliban als Sicherheitsgaranten betrachten, oder ob sie sich in anderen Teilen ihrer Stadt oder anderswo im Land sicher fühlen würden. Das Sicherheitsgefühl ist auch davon abhängig, in welchem Ausmaß die Befragten ihre Nachbarn kennen und wie vertraut sie mit ihrer Nachbarschaft sind und nicht darauf, wie sehr sie sich in Sachen Sicherheit auf externe Akteure verlassen. Nicht erfasst wurde in der Studie, inwieweit bei den Befragten Sicherheitsängste oder Bedenken in Hinblick auf die Taliban oder Gruppen wie den ISKP vorliegen. In Bezug auf Straßenkriminalität und Gewalt gaben 70,7 % bzw. 79,7 % der Befragen an, zwischen September und Oktober 2021 keiner Gewalt ausgesetzt gewesen zu sein. An dieser Stelle ist zu beachten, dass die Ergebnisse nicht erfassen, welche Maßnahmen der Risikominderung von den Befragten durchgeführt werden, wie z. B.: die Verringerung der Zeit, die sie außerhalb ihres Hauses verbringen, die Änderung ihres Verhaltens, einschließlich ihres Kaufverhaltens, um weniger Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, sowie die Einschränkung der Bewegung von Frauen und Mädchen im Freien (ATR/STDOK 18.1.2022).
Im Dezember 2022 wurde von ATR Consulting erneut eine Studie im Auftrag der Staatendokumentation durchgeführt. Diesmal ausschließlich in Kabul-Stadt. Hier variiert das Sicherheitsempfinden der Befragten, was laut den Autoren der Studie daran liegt, dass sich Ansichten der weiblichen und männlichen Befragten deutlich unterscheiden. Insgesamt gaben die meisten Befragten an, sich in ihrer Nachbarschaft sicher zu fühlen, wobei die relativ positive Wahrnehmung der Sicherheit und die Antworten der Befragten, nach Meinung der Autoren, daran liegt, dass es vielen Befragten aus Angst vor den Taliban unangenehm war, über Sicherheitsfragen zu sprechen. Sie weisen auch darauf hin, dass die Sicherheit in der Nachbarschaft ein schlechtes Maß für das Sicherheitsempfinden der Menschen und ihre Gedanken über das Leben unter dem Taliban-Regime ist (ATR/STDOK 3.2.2023).
Sicherheitsrelevante Vorfälle und zivile Opfer nach Provinzen (25.11.2023 - 25.11.2024)
Letzte Änderung 2025-01-31 16:37
erstellt vom Projekt-OSIF der Staatendokumentation basierend auf Daten von ACLED (ACLED 13.1.2025) und UCDP (UCDP 9.12.2024)
Laut den von ACLED erfassten Daten fanden in allen drei angeführten Bereichen die meisten der Vorfälle in Ost-Afghanistan statt, wobei hier vor allem in Kabul ein Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle stattfand (ACLED 13.1.2025).
Im Zeitraum zwischen 25.11.2023 und 25.11.2024 gab es die meisten zivilen Opfer (mehr als 60 %), gemäß UCDP, in Nord-Afghanistan. Ca. ein Viertel (100) gab es in Ost-Afghanistan. 30 Todesopfer gab es in Zentralafghanistan, 17 in West-Afghanistan und 2 in Süd-Afghanistan. Auf Provinzebene gab es die meisten Todesopfer in Badakhshan (168), gefolgt von Kabul (56) und Baghlan (44) (UCDP 9.12.2024).
[Anm.: Für weitere Informationen zu Datenerfassung und Methodologie von ACLED und UCDP sei auf die entsprechende Passage im Kapitel Länderspezifische Anmerkungen verwiesen]
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2025-01-14 15:59
Die in der Vergangenheit von Afghanistan unterzeichneten oder ratifizierten Menschenrechtsabkommen werden von der Taliban-Regierung, wenn überhaupt, nur sehr eingeschränkt anerkannt; es wird ein Islamvorbehalt geltend gemacht, wonach islamisches Recht im Falle einer Normenkollision Vorrang hat (AA 26.6.2023).
Seit dem Sturz der gewählten Regierung haben die Taliban die Menschenrechte und Grundfreiheiten der afghanischen Bevölkerung zunehmend und in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt. Insbesondere Frauen und Mädchen wurden in ihren Rechten massiv eingeschränkt und aus den meisten Aspekten des täglichen und öffentlichen Lebens verdrängt (UNICEF 9.8.2022; vgl. AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023).
Die Taliban-Führung hat ihre Anhänger verschiedentlich dazu aufgerufen, die Bevölkerung respektvoll zu behandeln (AA 26.6.2023). Es gibt jedoch Berichte über grobe Menschenrechtsverletzungen durch die Taliban nach ihrer Machtübernahme im August 2021 (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023, USDOS 20.3.2023a, UNGA 1.12.2023), darunter Hausdurchsuchungen (AA 26.6.2023), Willkürakte und Hinrichtungen (AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023). Es kommt zu Gewalt und Diskriminierung gegenüber Journalisten (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.1.2023, AfW 15.8.2023) und Menschenrechtsaktivisten (FH 1.2023; vgl. FIDH 12.8.2022, AA 26.6.2023, AfW 15.8.2023). Auch von gezielten Tötungen wird berichtet (HRW 11.1.2024; vgl. AA 26.6.2023). Menschenrechtsorganisationen berichten auch über Entführungen und Ermordungen ehemaliger Angehöriger des Staatsapparats und der Sicherheitskräfte (AA 26.6.2023; vgl. HRW 11.1.2024, AfW 15.8.2023). Weiterhin berichten Menschenrechtsorganisationen von Rache- und Willkürakten im familiären Kontext - also gegenüber Familienmitgliedern oder zwischen Stämmen/Ethnien, bei denen die Täter den Taliban nahestehen oder Taliban sind. Darauf angesprochen, weisen Taliban-Vertreter den Vorwurf systematischer Gewalt zurück und verweisen wiederholt auf Auseinandersetzungen im familiären Umfeld. Eine nachprüfbare Strafverfolgung findet in der Regel nicht statt (AA 26.6.2023). Die NGO Afghan Witness berichtet im Zeitraum vom 15.1.2022 bis Mitte 2023 von 3.329 Menschenrechtsverletzungen, die sich auf Verletzungen des Rechts auf Leben, des Rechts auf Freiheit von Folter, der Pressefreiheit, der Versammlungsfreiheit, der Rechte der Frauen und mehr beziehen. Für denselben Zeitraum gibt es auch immer wieder Berichte über die Tötung und Inhaftierung ehemaliger ANDSF-Mitglieder. Hier wurden durch Afghan Witness 112 Fälle von Tötungen und 130 Inhaftierungen registriert, wobei darauf hingewiesen wurde, das angesichts der hohen Zahl von Fällen, in denen Opfer und Täter nicht identifiziert wurden, die tatsächliche Zahl wahrscheinlich höher ist (AfW 15.8.2023).
Die Taliban ließen wiederholt friedliche Proteste gewaltsam auflösen. Es kam zum Einsatz von scharfer Munition (AA 26.6.2023; vgl. HRW 12.10.2022, Guardian 2.10.2022) und es gibt auch Berichte über Todesopfer bei Protesten (FH 24.2.2022, AI 15.8.2022).
Afghan Witness konnte zwischen dem ersten und zweiten Jahr der Taliban-Herrschaft einige Unterschiede erkennen. So gingen die Taliban im ersten Jahr nach der Machtübernahme im August 2021 hart gegen Andersdenkende vor und verhafteten Berichten zufolge Frauenrechtsaktivisten, Journalisten und Demonstranten. Im zweiten Jahr wurde hingegen beobachtet, dass sich die Medien und die Opposition im Land aufgrund der Restriktionen der Taliban und der Selbstzensur weitgehend zerstreut haben, obwohl weiterhin über Verhaftungen von Frauenrechtsaktivisten, Bildungsaktivisten und Journalisten berichtet wird. Frauen haben weiterhin gegen die Restriktionen und Erlasse der Taliban protestiert, aber die Proteste fanden größtenteils in geschlossenen Räumen statt - offenbar ein Versuch der Demonstranten, ihre Identität zu verbergen und das Risiko einer Verhaftung oder Gewalt zu verringern. Trotz dieser Drohungen sind Frauen weiterhin auf die Straße gegangen, um gegen wichtige Erlasse zu protestieren (AfW 15.8.2023).
Ethnische Gruppen
Letzte Änderung 2025-01-14 15:59
In Afghanistan leben laut Schätzungen zwischen 34,3 (NSIA 4.2022) und 38,3 Millionen Menschen (8am 30.3.2022; vgl. CIA 1.2.2024). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (STDOK 7.2016; vgl. CIA 1.2.2024), da die Behörden des Landes nie eine nationale Volkszählung durchgeführt haben. Es ist jedoch allgemein anerkannt, dass keine der ethnischen Gruppen des Landes eine Mehrheit bildet, und die genauen prozentualen Anteile der einzelnen Gruppen an der Gesamtbevölkerung Schätzungen sind und oft stark politisiert werden (MRG 5.1.2022).
Die größten Bevölkerungsgruppen sind Paschtunen (32-42 %), Tadschiken (ca. 27 %), Hazara (ca. 9-20 %) und Usbeken (ca. 9 %), gefolgt von Turkmenen und Belutschen (jeweils ca. 2 %) (AA 26.6.2023).
Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.3.2023a).
Die Taliban gehören mehrheitlich der Gruppe der Paschtunen an. Seit der Machtübernahme der Taliban werden nicht-paschtunische Ethnien in staatlichen Stellen zunehmend marginalisiert. So gibt es in der Taliban-Regierung z. B. nur wenige Vertreter der usbekischen und tadschikischen Minderheit sowie lediglich einen Vertreter der Hazara (AA 26.6.2023).
Die Taliban haben wiederholt erklärt, alle Teile der afghanischen Gesellschaft zu akzeptieren und ihre Interessen berücksichtigen zu wollen. Aber selbst auf lokaler Ebene werden Minderheiten, mit Ausnahmen in ethnisch von Nicht-Paschtunen dominierten Gebieten vor allem im Norden, kaum für Positionen im Regierungsapparat berücksichtigt, da diese v. a. paschtunischen Taliban-Mitgliedern vorbehalten sind. Darüber hinaus lässt sich keine klare, systematische Diskriminierung von Minderheiten durch die Taliban-Regierung feststellen, solange diese den Machtanspruch der Taliban akzeptieren (AA 26.6.2023).
Paschtunen
Letzte Änderung 2024-04-10 20:16
Ethnische Paschtunen sind mit ca. 42 % der Gesamtbevölkerung die größte Ethnie Afghanistans (MRG 5.2.2021a; vgl. AA 26.6.2023). Sie sprechen Paschtu/Pashto; als Verkehrssprache sprechen viele auch Dari. Sie sind sunnitische Muslime und leben hauptsächlich im Süden und Osten des Landes (MRG 5.2.2021a; vgl. Print 21.9.2021). Sie teilen sich in zwei große Gruppen auf - Durrani und Gheljai (auch Ghilzai or Ghilzay) - und in weitere Untergruppen von mehr als hundert kleineren Stämmen. Die Durrani sind vor allem in den südlichen Provinzen des Landes wie Kandahar, Zabul, Helmand, Uruzgan, sowie verstreut in anderen Provinzen verbreitet, während die Gheljai eher in Provinzen wie Paktia, Logar, Khost, Paktika, Maidan Wardak und anderen anzutreffen sind (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Traditionell waren die Paschtunen nomadisierende oder halbnomadische Viehzüchter, Ackerbauern und Händler. Seit langer Zeit sind sie in Städten ansässig geworden, wo sie verschiedensten Tätigkeiten nachgehen. Paschtunische Stämme waren stets die militärische Stütze des afghanischen Königshauses und wurden dafür mit einigen Privilegien (Steuervergünstigungen, weitgehende Autonomie in inneren Angelegenheiten u. a.) versehen (STDOK 1.7.2016).
Bei den Paschtunen haben Familienstand, Stammeseinfluss, Besitz und Einfluss einen hohen Stellenwert. Ein hoher Anteil von Männern in paschtunischen Familien gilt als ein Zeichen der Stärke. Aufgrund der bedeutenden Rolle der Familie kann individuelles Fehlverhalten auch der Familie schaden und unschuldige Familienmitglieder zu Opfern machen. Die meisten Paschtunen bevorzugen Ehen mit anderen Paschtunen und sind ggf. mit der Heirat von nahen Verwandten einverstanden. Ehen zwischen Paschtunen und Mitgliedern anderer Ethnien wie Hazara, Usbeken oder Tadschiken sind selten (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Paschtunwali
Letzte Änderung 2024-04-10 20:16
Die Sozialstruktur der Paschtunen basiert auf dem Paschtunwali-Kodex (oder Pukhtunwali-Kodex) (MRG 5.2.2021a; vgl. STDOK/VQ AFGH 4.2024, STDOK 7.2016), der als Verhaltens- und Moralsystem angesehen werden kann. Obwohl die paschtunischen Stämme unterschiedliche Sitten und Gebräuche haben, ist der gemeinsame Nenner all dieser Stämme der Paschtunwali-Kodex, und alle Paschtunen sind verpflichtet, ihn zu befolgen. Paschtunwali umfasst bestimmte Verhaltensgrundsätze, die sich im Laufe der Geschichte herausgebildet haben und die von Generation zu Generation durch Jirgas, Volksversammlungen (Marakas) und traditionelle Erziehung weitergegeben werden (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Obwohl es nicht schriftlich niedergelegt oder genau definiert ist, stellt es den Kern der sozialen Verhaltensregeln der Paschtunen dar (STDOK 1.7.2016).
Die Einhaltung der Grundsätze des Paschtunwali sind den Paschtunen sehr wichtig, und jede Missachtung wird mit harten Strafen geahndet. Das Paschtunwali umfasst Verhaltensregeln, in denen Macht, Stolz und Ehre einen besonderen Platz einnehmen, und im Prinzip wird Macht eingesetzt, um Ehre und Stolz zu bewahren. Während die paschtunische Sprache eine hohe Bedeutung hat, sind Dinge wie Alkohol, Glückspiel oder Ehebruch laut Paschtunwali verboten (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Das Paschtunwali umfasst Verhaltensregeln, durch deren Umsetzung die Rechte des Einzelnen in gewisser Weise gesichert werden, z. B. die Achtung des Eigentums anderer, das Verbot der Vergewaltigung, die Bestrafung von Mördern, der Schutz der Dorfbewohner, die finanzielle Hilfe für arme Menschen sowie der Schutz gefährdeter Menschen. Doch gleichzeitig hat ein Teil der bestehenden Gesetze im Rahmen des Paschtunwali negative Auswirkungen und kann die soziale Stabilität bedrohen, wie z. B. Rache, Verbot der Ausbildung von Mädchen, Zwangsehe, Fortbestehen von Feindschaft über lange Zeit und damit einhergehende bewaffnete Auseinandersetzungen (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Obwohl die ehemalige afghanische Regierung in den zwanzig Jahren vor der Machtübernahme der Taliban 2021 zahlreiche Einrichtungen für den Zugang der Menschen zur Justiz und zu den Justizbehörden geschaffen hat, haben die Menschen aufgrund der unsicheren Lage in einigen Gebieten und der weitverbreiteten Korruption im Justizsystem kein Vertrauen in diese Behörden [Anmerkung: der ehemaligen Regierung] (STDOK/Nassery 4.2024). Vor allem in ländlichen Gebieten lösen Paschtunen Probleme und Streitigkeiten meist mit den Mechanismen des Paschtunwali (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Auch wenn die Umsetzung des Paschtunwali und seiner speziellen Gesetze in den Zentren der Großstädte nachgelassen haben, so bedeutet dies jedoch nicht das völlige Verschwinden des Paschtunwali in diesen Regionen. Zwar sind Paschtunen in ländlicheren Gebieten generell eher gegen die (höhere) Bildung von Mädchen, während die Bewohner von größeren Städten dem eher offen gegenüber stehen. Andere Bereiche des Paschtunwali haben aber nach wie vor große Bedeutung für alle Paschtunen, auch jene die in den städtischen Zentren des Landes leben (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Im Folgenden werden die wichtigsten Teile des Paschtunwali erörtert:
Jirga und Maraka
Jirgas und Marakas sind Versammlungen zwischen Ältesten der jeweiligen Gemeinschaften und den Konfliktparteien, um Streitigkeiten zu lösen, wobei Marakas eher bei kleineren Differenzen angewandt werden. Marakas werden auch abgehalten, um Freundschaften zu schließen und die Gemeinschaft zu fördern. Eine Jirga hat qualitativ und quantitativ einehöhere Wertigkeit als eine Maraka und wird angewandt, um größere Probleme und Konflikte (wie zum Beispiel Mord, Land- oder Ehestreitigkeiten) zu lösen. So ist die Loya Jirga beispielsweise die größte Jirga des Landes, die auch dafür genutzt wurde, die Verfassung der ehemaligen Regierung zu beschließen. Die Ältesten bzw. die Gelehrten der Gemeinschaft fungieren hierbei als Richter und entscheiden in den einzelnen Fällen, was Tage, aber auch Wochen oder Monate dauern kann (STDOK/VQ AFGH 4.2024: vgl. STDOK 1.7.2016).
Ein afghanischer Journalist gab an, dass die Taliban seit ihrer Machtübernahme versuchen, den Jirga-Mechanismus unter die Verwaltung ihrer Regierung zu bekommen, um ethnische Konflikte zu lösen. Die Taliban versuchen hierbei, einen Waffenstillstand zu verhandeln, notfalls mit Gewalt, um im Anschluss durch Gespräche und Vermittlung zwischen den Parteien im Rahmen einer Jirga Frieden zu schließen und den Konflikt beizulegen. So reisten Taliban-Regierungsbeamte beispielsweise mehrfach in die Provinzen Khost, Paktia und Paktika, um Streitigkeiten im Rahmen von Jirgas zu lösen (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Bad o Por (Blutpreis)
Der Preis, um gewisse Feindschaften und Streitigkeiten zu lösen, nennt sich Bad o Por. Wenn eine Person, oder ein Mitglied einer Familie, die Rechte anderer verletzt oder gegen die Grundsätze des Paschtunwali verstößt, muss sie den Preis bzw. Bad o Por zahlen. Je nach Art und Bedeutung der Streitigkeit kommt es hierbei zur Zahlung eines Geldbetrages, der Ausrichtung eines Festes oder einer Entschuldigung. Bei größeren Streitigkeiten werden jedoch auch umstrittene Handlungen wie das "Verschenken" von Frauen an die Gegenseite angewandt, um den Konflikt beizulegen (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Vor allem Streitigkeiten, die die Ehre (der Familie) betreffen, sind sehr heikel. Dazu gehören beispielsweise das unerlaubte Fortlaufen eines Mädchens von zu Hause oder vorehelicher Geschlechtsverkehr. So erklärt ein paschtunischer Stammesältester, dass, wenn ein Mann mit einer Frau unerlaubt flieht, er zwei Möglichkeiten hat: Entweder er kehrt nie wieder zurück oder er zahlt Bad o Por. Hier muss im Rahmen einer Jirga entschieden werden, dass die Frau zu ihm gehört, und er muss den Vater des Mädchens auszahlen. Dann kann er der Ehemann der Frau werden. Die Frau hingegen wird aus ihrer Familie ausgestoßen und ihr wird auch das Erbrecht entzogen (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Als die Taliban die Macht in Afghanistan übernahmen, wurde mittels speziellem Erlass die Zwangsverheiratung von Frauen (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. Independent 19.1.2024) und die Abgabe von Mädchen für Bad o Por verboten. Die Taliban fügten hinzu, dass Stämme, die sich nicht an diesen Erlass hielten, mit schweren Strafen belegt würden (STDOK/VQ AFGH 4.2024). Die Zwangsverheiratung von Mädchen zur Beilegung von Feindseligkeiten ist unter den Paschtunen in den Provinzen jedoch immer noch weit verbreitet (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. AA 26.6.2023, AI 7.8.2023).
Badal (Vergeltung, Blutfehden) und Nanawatai (Abbitte leisten)
Badal, bedeutet in Paschto "Vergeltung" und soll die Gerechtigkeit wiederherstellen oder an den Übeltätern Rache nehmen (STDOK 1.7.2016). Die Feindschaft zwischen Familien und Stämmen beginnt manchmal mit sehr kleinen Vorfällen und entwickelt sich schließlich zu einer großen Feindschaft. Zu diesen Fällen gehören beispielsweise verbale Auseinandersetzungen um Land, Spannungen um die Stammesführung oder körperliche Auseinandersetzungen zwischen den Jugendlichen zweier Stämme (STDOK/VQ AFGH 4.2024), die nach und nach größer und größer werden und Jahre oder auch Generationen andauern können (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. STDOK 1.7.2016). So führt ein paschtunischer Ältester aus, dass die Strafe für Mord der Tod ist, und dass sich daraus eine Feindschaft entwickeln kann, der Dutzende andere Menschen zum Opfer fallen können. Feindseligkeiten können durch Jirgas (oder im Falle "kleiner" Streitigkeiten durch Marakas) beendet werden und es kommt, wie bereits ausgeführt, weiterhin zur "Schenkung" von Frauen, um Feindseligkeiten zu beenden (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Eine längere Blutfehde kann jedoch auch durch Versöhnung, genannt Nanawatai (Abbitte leisten) vermieden werden. Hinter Nanawatai steht der Gedanke, dass sich jemand seinem Gegner vollständig unterwirft und ausliefert, ihn um Verzeihung bittet und um den Erlass des Badal, das von ihm eingefordert werden soll. Wer Abbitte leistet, muss dann um jeden Preis geschützt werden. Außerdem muss Flüchtigen vor der Justiz Zuflucht gewährt werden, bis die Lage nach dem Paschtunwali entschieden ist. Nanawatai wird jedoch in Fällen von Namoos (Bewahrung der Keuschheit der Frauen) abgelehnt oder wenn jemand anderer als der Ehemann einer Frau beischlief (STDOK 1.7.2016).
Gastfreundschaft (Mailmastia oder Melmastiya) und Schutz (Panah)
Die paschtunische Kultur betrachtet den Gast als eine ehrenwerte und wichtige Person und bezeichnet ihn sogar als einen Freund Gottes. Mailmastia bedeutet allen Besuchern Gastfreundschaft und tief empfundenen Respekt entgegenzubringen, unabhängig von Rasse, Religion, nationaler Zugehörigkeit und wirtschaftlichem Status und ohne Erwartung einer Belohnung oder von Vorteilen. Die Paschtunen haben großen Respekt vor ihren Gästen und bemühen sich sehr, sie glücklich und zufrieden zu machen. In der paschtunwalischen Kultur wird dem Gast ein gutes Essen zubereitet, eine Unterkunft geboten und er darf nicht belästigt werden. Gastfreundschaft spielt eine besondere Rolle, wenn es darum geht, Feindschaften zu überwinden, Freundschaften zu schließen und Stammesherausforderungen zu meistern. Mit einem Fest oder einer Bewirtung wollen die Familien ihre wirtschaftliche Stärke und ihr familiäres Können unter Beweis stellen. Wenn der Gast mit dem Essen, der Gastfreundschaft und der Unterstützung des Gastgebers zufrieden ist, ist der Gastgeber ebenso stolz und zufrieden (STDOK/VQ AFGH 4.2024; vgl. STDOK 1.7.2016).
Die Paschtunen legen besonderen Wert auf Schutz und Sicherheit. Bei den Paschtunen ist es verboten, jemandem zu schaden, der bei einer Familie oder einem Stamm Zuflucht gesucht hat. Nachdem sie jemandem Zuflucht gewährt haben, halten die Paschtunen kleine Marakas ab, um über das Schicksal der Person zu entscheiden. Es sollte jedoch klargestellt werden, dass die Aufnahme einer Person, die ein Verbrechen wie Mord begangen hat, von den paschtunischen Stämmen nicht akzeptiert wird und dazu führt, dass der Asylsuchende nach einer kurzen Jirga wieder aus dem Stamm verstoßen wird (STDOK/VQ AFGH 4.2024).
Anmerkung: Ausführliche Informationen zu Paschtunen und dem Paschtunwali können dem Themenbericht der Staatendokumentation: Pashtuns and the Pashtunwali und dem dem Dossier der Staatendokumentation (7.2016) entnommen werden.
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung 2025-01-14 15:59
Afghanistan befindet sich aktuell weitgehend unter der Kontrolle der Taliban; Widerstandsgruppen gelingt es bislang nicht oder nur vorübergehend, effektive territoriale Kontrolle über Gebiete innerhalb Afghanistans auszuüben. Dauerhafte Möglichkeiten, dem Zugriff der Taliban auszuweichen, bestehen daher gegenwärtig nicht. Berichte über Verfolgungen machen deutlich, dass die Taliban aktiv versuchen "Ausweichmöglichkeiten" im Land zu unterbinden (AA 26.6.2023).
Nach der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 war der Reiseverkehr zwischen den Städten im Allgemeinen ungehindert möglich (USDOS 20.3.2023a). Die Taliban setzen jedoch Kontrollpunkte ein, um den Verkehr innerhalb des Landes zu regeln, und es wird berichtet, dass sie Reisende durchsuchen und nach bekannten oder vermeintlichen Regimegegnern fahnden. Außerdem werden Mobiltelefone und Social-Media-Aktivitäten der Reisenden überprüft (FH 9.3.2023). So wurde im Jahr 2022 berichtet, dass zwischen dem Flughafen von Kabul und der Stadt Kabul bewaffnete Taliban Kontrollpunkte besetzen und die Straßen patrouillierten (VOA 12.5.2022; vgl. NPR 9.6.2022). Einem ehemaligen afghanischen Militärkommandanten zufolge überprüfen Taliban-Kräfte die Namen und Gesichter von Personen an Kontrollpunkten anhand von "Listen mit Namen und Fotos ehemaliger Armee- und Polizeiangehöriger" (HRW 30.3.2022). Meistens handelt es sich um Routinekontrollen (IOM 22.2.2024), bei denen nur wenig kontrolliert wird (SIGA 25.7.2023). Wenn jedoch ein Kontrollpunkt aus einem bestimmten Grund eingerichtet wird, kann diese Durchsuchung darauf abzielen, bestimmte Gegenstände wie Drogen, Waffen oder Sprengstoff aufzuspüren. Kontrollpunkte, die von den Taliban besetzt sind, sind über ganz Afghanistan verteilt und befinden sich in der Regel entlang der Hauptversorgungsrouten und in der Nähe der Zugänge zu größeren Städten. Die Haltung und der Umfang der Durchsuchungen an diesen Kontrollpunkten variieren je nach Sicherheitslage. Darüber hinaus werden je nach Bedarf Kontrollpunkte und Straßensperren für Suchaktionen, Sicherheitsvorfälle oder VIP-Bewegungen eingerichtet (IOM 22.2.2024).
Seit Dezember 2021 ist es afghanischen Frauen untersagt, ohne einen Mahram Fernreisen zu unternehmen. Innerhalb besiedelter Gebiete konnten sich Frauen freier bewegen, obwohl es immer häufiger Berichte über Frauen ohne Mahram gab, die angehalten und befragt wurden (USDOS 20.3.2023a). Das Taliban-Ministerium für die Verbreitung von Tugend und die Verhinderung von Lastern hat es Fahrern verboten, allein reisende Frauen mitzunehmen (RFE/RL 19.1.2022; vgl. DW 26.12.2021). Zu darüber hinausgehenden Bewegungseinschränkungen liegen IOM-Afghanistan keine offiziellen Berichte vor. Es gab jedoch Fälle, in denen Bürger misshandelt wurden, weil sie sich nicht an die von den Taliban auferlegten üblichen Regeln hielten. IOM berichtet auch über eine steigende Anzahl von Vorfällen, bei denen UNSMS-Personal (United Nations Security Management System) vorübergehend angehalten wurde, wobei hier die Vorgehensweise der Taliban je nach Ort unterschiedlich ist (IOM 22.2.2024).
Anm.: Mahram kommt von dem Wort "Haram" und bedeutet "etwas, das heilig oder verboten ist". Im islamischen Recht ist ein Mahram eine Person, die man nicht heiraten darf, und es ist erlaubt, sie ohne Kopftuch zu sehen, ihre Hände zu schütteln und sie zu umarmen, wenn man möchte. Nicht-Mahram bedeutet also, dass es nicht Haram ist, sie zu heiraten, von einigen Ausnahmen abgesehen. Das bedeutet auch, dass vor einem Nicht-Mahram ein Hijab getragen werden muss (Al-Islam TV 30.10.2021; vgl. GIWPS 8.2022).
Grundversorgung und Wirtschaft
Letzte Änderung 2025-01-31 16:38
Nach der Machtübernahme verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage massiv (AA 26.6.2023; vgl. WB 19.3.2024, UNDP 18.4.2023), was vor allem auch mit der Einstellung vieler internationaler Hilfsgelder zusammenhängt (WB 19.3.2024; vgl. UNDP 18.4.2023, NH 31.1.2024). Die humanitäre Lage bleibt angespannt (AA 26.6.2023; vgl. WB 19.3.2024). Nach der Machtübernahme der Taliban waren große Teile der Bevölkerung zunehmend auf humanitäre Hilfe angewiesen (IOM 1.9.2022; vgl. IR 17.8.2023). Waren es im Jahr 2022 24,4 Millionen Menschen (ca. 60 % der Bevölkerung) (IOM 1.9.2022; vgl. UNOCHA 1.2023), so stieg diese Zahl bis Januar 2023 auf 28,3 Millionen (UNOCHA 1.2023). Im Jahr 2024 benötigten etwa 23,7 Millionen Menschen (mehr als die Hälfte des Landes) humanitäre Hilfe aufgrund der Nachwirkungen von vierzig Jahren Krieg, der jüngsten politischen Umwälzungen und wirtschaftlicher Instabilität. Auch häufige Naturkatastrophen und der Klimawandel haben Auswirkungen auf die humanitäre Lage im Land (UNOCHA 6.2024; vgl. EC 8.10.2024). Während Afghanistan gute Fortschritte bei der Aufrechterhaltung von Stabilität und Sicherheit gemacht zu haben scheint, hat sich die afghanische Wirtschaft von dem erheblichen Produktionsrückgang seit 2020 nicht erholt. Dies ist größtenteils auf eingeschränkte Bankdienstleistungen und Operationen des Finanzsektors, Unterbrechungen in Handel und Gewerbe, geschwächte und isolierte wirtschaftliche Institutionen und fast keine ausländischen Direktinvestitionen oder Geberunterstützung für die produktiven Sektoren zurückzuführen (UNDP 12.2023).
Die Wirtschaft stabilisierte sich ab Mitte 2022 wieder (USIP 8.8.2022; vgl. WB 10.2022) und im Jahr 2023 gab es einige Anzeichen für eine leichte wirtschaftliche Verbesserung (USIP 10.8.2023). Die Inflation ging zurück (WB 31.7.2023) und ging im April 2023 in eine Deflation über (WB 3.10.2023). Dies (FEWS NET 9.3.2024), in Verbindung mit günstigeren Wetterbedingungen für die Produktion von Nahrungsmitteln (FEWS NET 21.6.2024), führte zu Preissenkungen bei Lebensmitteln (REACH 21.6.2024; vgl. WFP 11.7.2024). In weiterer Folge sank die akute Ernährungsunsicherheit in der Bevölkerung zwischen April und Oktober 2023 von 40 % auf 29 % (WB 4.2024). Die Wirtschaft stagnierte in weiterer Folge jedoch (WB 4.2024; vgl. UNDP 7.3.2024) und die sozioökonomische Situation in Afghanistan ist weiterhin durch Armut, Ernährungsunsicherheit und Arbeitslosigkeit gekennzeichnet (WB 4.2024).
Laut einem Bericht des World Food Programmes hatten im Dezember 2023 38 % der Haushalte im Rahmen der Nahrungsmittelaufnahme hohe Bewältigungsstrategien aufzuwenden, was einen Rückgang um 5 % gegenüber September 2023 bedeutet. Zu diesen verbrauchsorientierten Bewältigungsstrategien zählen beispielsweise der Kauf billigerer Nahrungsmittel, das Borgen von Lebensmitteln von Verwandten oder Freunden, die Einschränkung der Portionsgröße bei Erwachsenen oder das Reduzieren der Anzahl der Mahlzeiten pro Tag (WFP 11.2.2024). Weitere Strategien zur Bewältigung der grundlegenden Bedürfnisse der Haushalte sind die Aufnahme von Schulden, der Verkauf von Eigentum (UNOCHA 23.12.2023; vgl. ACAPS 3.6.2024), Betteln (ACAPS 3.6.2024), die (Zwangs)verheiratung von Mädchen (UNOCHA 23.12.2023), Kinderarbeit (STC 2023; vgl. UNOCHA 23.12.2023) oder der Verkauf von Organen (NYT 19.3.2024; vgl. FR24 28.2.2022).
Im Hinblick auf die Frage der Lebenserhaltungskosten in Afghanistan gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Regionen Afghanistans sowie dem städtischen und ländlichen Bereich. Aber auch die diesbezüglichen Quellen weichen teilweise voneinander ab. So gibt ein Experte aus Afghanistan an, dass ein durchschnittliches Drei-Zimmer-Appartement in Kabul ca. 14.000 AFN in Monat an Miete kostet. Für die Lebenserhaltungskosten einer fünf- bis sechsköpfigen Familie würde noch einmal ca. derselbe Betrag benötigt. Damit würde sich die monatlichen Lebenserhaltungskosten für eine fünf- bis sechsköpfige Familie auf ca. 28.000 AFN belaufen (STDOK/VQ AFGH 4 8.12.2024). Eine weitere in Afghanistan lebende Quelle gibt an, dass die monatlichen Lebenserhaltungskosten stark vom Lebensstandard und den wirtschaftlichen Bedingungen abhängig sind. Die folgende Tabelle zeigt monatliche Kosten für Alleinstehende und Familien für die verschiedenen Bereiche und unterscheidet zwischen städtischen und ländlichen Gebieten. Kosten in Afghani (AFN) mit Stand Dezember 2024 (RA KBL 7.12.2024):
Eine von IOM durchgeführte Befragung betreffend den monatlichen Lebenserhaltungskosten in Afghanistan ergab hingegen die folgenden Daten (IOM 2.12.2024).
[Anm.: Aufgrund der enormen Unterschiede zwischen den Inhalten der beiden Quellen und auch zwischen den Zahlen von IOM vom Dezember 2024 (IOM 2.12.2024) und September 2024 (IOM 17.9.2024) wurde bei IOM nachgefragt.]
Laut IOM ergibt sich die Diskrepanz zwischen den im IOM-Bericht vom September 2024 angegebenen Mietpreisspannen und den jüngsten Daten (Dezember 2024) zu den monatlichen Lebenshaltungskosten in erster Linie aus Unterschieden im Profil der Befragten, wie z. B. der finanziellen Situation und der Art der gemieteten Unterkunft. Im September befragte IOM Afghanistan Personen mit mittlerem Einkommen, die Wohnungen zwischen 5.500 und 15.000 AFN mieteten. In den Daten vom Dezember 2024 befragte IOM Afghanistan eine vielfältigere Gruppe von Schlüsselpersonen, darunter auch Befragte mit sehr niedrigem Einkommen (die in einfachen Unterkünften leben), und legte den Schwerpunkt auf die Kosten, die nur zur Deckung der Grundbedürfnisse wie Unterkunft, Lebensmittel und Hygieneprodukte erforderlich sind. Es gibt erhebliche Unterschiede bei den Mindestmietpreisen in Afghanistan sowie bei den Unterbringungsstandards, was zu niedrigeren durchschnittlichen Gesamtmietkosten in den neueren Daten beiträgt. Menschen mit besseren finanziellen Bedingungen neigen dazu, in gut ausgestatteten Wohnungen zu leben, während Menschen mit niedrigerem Einkommen sich für günstigere Optionen entscheiden. Diese Ungleichheit wird durch das Fehlen standardisierter Mietpreise, die von den zuständigen Behörden festgelegt werden, noch verschärft. Aus diesem Grund ist die im Dezember 2024 gemeldete Spanne der Mietkosten größer und umfasst auch sehr günstige Wohnungen (2.000 AFN/Monat), wobei die Standards in solchen Unterkünften sehr niedrig sind (IOM 9.1.2025b).
Auch bei Preisen für Güter und Dienstleistungen kann es zu unterschiedlichen Kosten je nach Region kommen. Zur Veranschaulichung dessen folgt nun eine Darstellung der Preise für Winterkleidung und Winterschuhe in den unterschiedlichen Teilen Afghanistans, welche von IOM-Afghanistan vor Ort recherchiert wurden (Preise in AFN). Winterkleidung ist in Afghanistan erhältlich und wird sowohl importiert wie auch vor Ort produziert (IOM 2.12.2024).
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im Dezember 2022 in Kabul durchgeführten Studie gaben 90 % der Befragten an, Schwierigkeiten bei der Deckung der Grundbedürfnisse zu haben (ATR/STDOK 3.2.2023).
Eine weitere Studie, die im Januar 2023 vom Assessment Capacities Project (ACAPS) in der Provinz Kabul durchgeführt wurde, ergab, dass die Haushalte sowohl in den ländlichen als auch in den städtischen Gebieten Kabuls Schwierigkeiten hatten, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen. Als dringendste Probleme nannten die Haushalte unsichere Lebensmittelversorgung und unzureichende Kleidung für die Wintersaison (ACAPS 16.6.2023).
Im November 2024 führte ATR Consulting eine weitere Studie in Kabul durch. Hier gaben 12 % der Befragten an, dass sie grundlegende Konsumgüter wie Kleidung oder Schuhe für die Mitglieder ihrer Familie zur Verfügung stellen können, während dies 21 % der Befragten gerade noch möglich ist. 41 % schaffen es kaum diese Güter zur erwerben und 26 % ist dies gar nicht möglich. 37 % der Befragten haben immer Zugang zu den notwendigen Hygieneprodukten, zu denen alle Produkte für die persönliche Hygiene wie Seife, Shampoo, Zahnpasta, Lotion, Desinfektionsmittel, Damenhygieneprodukte usw. gehören. 26 % der Befragten haben gerade noch Zugang zu den notwendigen Hygieneprodukten, während 28 % kaum Zugang und 9 % keinen Zugang zu den notwendigen Hygieneprodukten haben (STDOK/ATR 14.1.2025).
Pensionssystem
Laut einem Rechtsanwalt in Kabul ist das Rentensystem in Afghanistan derzeit ausgesetzt (RA KBL 19.2.2024). Im Sommer 2022, etwa ein Jahr nach der Übernahme, kündigten die Taliban an, die Scharia-Grundlage für Renten zu prüfen. Später, im Oktober 2022, wurde ein vom Kabinett ratifizierter Pensionsplan dem Obersten Führer Hibatullah Akhundzada zur Genehmigung vorgelegt, wobei das Finanzministerium vorschlug, vier Milliarden Afghani (rund 46 Millionen US-Dollar) für die Bezahlung der Renten im öffentlichen Sektor bereitzustellen (AAN 22.5.2024; vgl. AAN 17.4.2023). Das reichte kaum aus, um die jährlichen Pensionskosten der Regierung zu decken, die laut jüngsten Schätzungen von BBC bei 12,5 Milliarden Afghani (175 Millionen US-Dollar) liegen (AAN 22.5.2024; vgl. BBC 9.4.2024). Darin waren auch nicht die Rückstände enthalten, die den Rentnern für 2021 und 2022 geschuldet wurden (AAN 22.5.2024). Im April 2024 kündigten die Taliban an, dass Rentensystem abzuschaffen und die Rentenbeiträge nicht mehr von den Gehältern des derzeitigen zivilen und militärischen Personals abzuziehen. Betreffend Rentenregelungen für Arbeitnehmer im Privatsektor sowie für Personen, die keiner formellen Beschäftigung nachgehen, sind keine vollständigen Informationen bekannt (AAN 22.5.2024). Mit Stand August 2024 bleibt das Pensionssystem in Afghanistan weiterhin außer Kraft (8am 26.8.2024).
Naturkatastrophen
Afghanische Haushalte sind nach wie vor stark von Naturkatastrophen betroffen und anfällig für Klimaschocks (FEWS NET 6.7.2024; vgl. AI 24.4.2024), darunter Dürren (UNOCHA 2024; vgl. ADB 4.2024), Überflutungen (FEWS NET 6.7.2024; vgl. ADB 4.2024) und Erdbeben (ADB 4.2024; vgl. IDMC 14.5.2024). Afghanistan hat unter den Ländern mit niedrigem Einkommen in den letzten 40 Jahren die meisten Todesopfer durch Naturkatastrophen zu beklagen und steht weltweit auf Platz 5 der klimatisch am stärksten gefährdeten Länder (UNDP 18.4.2023).
Im März 2023 kam es zu einem schweren Erdbeben im Norden Afghanistans (REU 22.3.2023; vgl. FR24 22.3.2023). Berichten zufolge kamen bei Überschwemmungen im Juli 2023 mindestens 47 Menschen in elf Provinzen ums Leben (PAN 27.7.2023). Die durch heftige saisonale Regenfälle verursachten Sturzfluten haben Häuser sowie Hunderte von Quadratkilometern landwirtschaftlicher Nutzfläche teilweise oder vollständig zerstört (UNHCR 1.8.2023; vgl. AJ 24.7.2023). Betroffene Provinzen waren vor allem Kabul, Maidan Wardak und Ghazni (AJ 24.7.2023), aber auch die Provinzen Kunar, Paktia, Khost, Nuristan, Nangarhar, Paktika und Helmand hatten Opfer zu verzeichnen (PAN 27.7.2023).
Am 7.10.2023 kam es zu einem schweren Erdbeben in Herat, gefolgt von zusätzlichen Nachbeben (UN News 16.10.2023; vgl. UNOCHA 16.10.2023). Das Epizentrum des Bebens war der Distrikt Zendahjan (AP 12.10.2023), den UNOCHA zusammen mit den Distrikten Herat und Enjil als die am stärksten betroffenen Regionen identifizierte (UNOCHA 20.10.2023). Berichten zufolge wurden ganze Dörfer zerstört (CNN 15.10.2023), und Tausende Menschen getötet (AP 11.10.2023; vgl. AAN 11.11.2023). Nach Angaben von UNOCHA waren mehr als 275.000 Menschen in neun Distrikten direkt von den Erdbeben betroffen (UNOCHA 16.11.2023a), die mindestens 1.480 Todesopfer und 1.950 Verletzte forderten (UNOCHA 16.11.2023b). Mehr als 8.429 Häuser wurden zerstört und weitere 17.088 stark beschädigt (UNOCHA 20.10.2023).
Nach Angaben von UNOCHA sind im Jahr 2024 mit Stand 5.10.2024 mehr als 180.200 Menschen von Naturkatastrophen betroffen. Neben 528 Todesfällen und 838 Verletzten wurden auch 14.899 Häuser beschädigt und 6.511 zerstört. Besonders betroffen waren im Jahr 2024 die Provinzen Ghor, Nangarhar und Baghlan, wobei es auch in anderen Teilen des Landes zu Naturkatastrophen kam (UNOCHA 5.10.2024).
Armut und Lebensmittelunsicherheit
Letzte Änderung 2025-01-30 08:43
Afghanistan gehört zu den ärmsten Ländern der Welt (WB 1.7.2024) mit der weltweit höchsten Prävalenz von unzureichender Ernährung (WFP 25.6.2023). Seit 2021 ist in Afghanistan eine leichte Verbesserung der Ernährungssicherheit zu verzeichnen, obwohl das Land in den letzten Jahren mit einer Reihe bedeutender Herausforderungen konfrontiert war. Dazu gehören der politische Übergang im August 2021, die Auswirkungen der COVID-19-Pandemie und mehrere Naturkatastrophen wie Überschwemmungen, Erdbeben und Dürren. Darüber hinaus bewältigt das Land den Zustrom afghanischer Rückkehrer aus den Nachbarregionen, die weiterhin die Ressourcen belasten und die Ernährungssicherheit beeinträchtigen (WFP 9.7.2024; vgl. IPC 7.1.2025). Auch der Afghanistan Welfare Monitoring Survey (AWMS) vom Oktober 2023 deutet darauf hin, dass sich die Ernährungssicherheit afghanischer Haushalte seit den Monaten nach der Machtübernahme der Taliban am 15.8.2021 verbessert hat, auch wenn die meisten von ihnen ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können. Dies spiegelt sich in einem Rückgang der Haushalte wider, die von einer akuten Nahrungsmittelkrise berichten (WB 10.2023).
Laut einem Bericht des World Food Programme (WFP) sank der Anteil der Haushalte mit mangelhaftem Nahrungsmittelverbrauch im Juni 2023 kurzfristig auf 48 %, stieg jedoch im Dezember 2023 wieder auf 54 %, wobei Haushalte mit weiblichem Haushaltsvorstand sowie Haushalte mit Menschen mit Behinderung überproportional von den negativen Ergebnissen beim Lebensmittelkonsum betroffen sind (WFP 11.2.2024). Auch der Afghanistan Welfare Monitoring Survey (AWMS) vom Oktober 2023 deutet darauf hin, dass sich die Ernährungssicherheit afghanischer Haushalte seit den Monaten nach der Machtübernahme der Taliban am 15.8.2021 verbessert hat, auch wenn die meisten von ihnen ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen können. Dies spiegelt sich in einem Rückgang der Haushalte wider, die von einer akuten Nahrungsmittelkrise berichten (WB 10.2023).
In der Periode September bis Oktober 2024 sind nach Schätzungen der IPC ca. 11,6 Millionen Menschen (25 % der Gesamtbevölkerung) von einem hohen Maß an akuter Ernährungsunsicherheit betroffen, die in IPC-Phase 3 oder höher (Krise oder schlimmer) eingestuft wird. Davon befinden sich etwa 1,8 Millionen Menschen (4 % der Gesamtbevölkerung) in IPC-Phase 4 (Notfall) und etwa 9,8 Millionen Menschen (21 % der Gesamtbevölkerung) in IPC-Phase 3 (Krise). Diese leichte Verbesserung der Ernährungssicherheit ist auf eine verbesserte landwirtschaftliche Produktion, das Ausmaß der humanitären Nahrungsmittel- und landwirtschaftlichen Nothilfe im Zeitraum 2023/2024 und eine verbesserte Kaufkraft der Haushalte zurückzuführen. Für den Zeitraum November 2024 bis März 2025, der mit der kalten Jahreszeit zusammenfällt, prognostiziert IPC, dass 14,8 Millionen Menschen (32 % der Gesamtbevölkerung) in die IPC-Phase 3 oder höher (Krise oder schlimmer) eingestuft werden. Darunter fallen 3,1 Millionen Menschen (7 % der Gesamtbevölkerung) in Phase 4 und 11,6 Millionen (25 % der Gesamtbevölkerung) in Phase 3. Des Weiteren wird durch IPC prognostiziert, dass im Zeitraum Juni 2024 und Mai 2025 fast 3,5 Millionen Kinder im Alter von 6 bis 59 Monaten an akuter Unterernährung leiden oder voraussichtlich daran erkranken werden (IPC 7.1.2025). Anm.: Erklärungen zu den einzelnen IPC-Phasen finden sich am Ende des Kapitels.
Die folgende Grafik zeigt die Lebensmittelunsicherheit von September bis Oktober 2024 und die prognostizierte (November 2024 bis März 2025) Lebensmittelunsicherheit in Afghanistan nach Angaben von IPC (IPC 7.1.2025).
IPC 7.1.2025
Die Lebensmittelpreise sind seit der Machtübernahme durch die Taliban zunächst gestiegen (IOM 12.1.2023; vgl. WEA 17.7.2022), was die prekäre Lebensmittelversorgung für einen Großteil der Bevölkerung verstärkte (AA 26.6.2023). Ab Mitte 2022 begannen die Lebensmittelpreise wieder langsam zu sinken (WFP 18.2.2024). Ein Trend, der sich auch im Jänner 2024 fortsetzt. So lagen die Preise für Grundnahrungsmittel zu diesem Zeitpunkt etwa 1 bis 3 % niedriger als im Dezember 2023 und 20 bis 35 % niedriger als im Vorjahr. Der Preisrückgang ist in erster Linie auf die Aufwertung des Afghani zurückzuführen, der den Import von Lebensmitteln förderte. Darüber hinaus hat die laufende Einfuhr von Nahrungsmitteln aus den Nachbarländern, insbesondere aus Kasachstan, Iran und Pakistan, wesentlich zur Aufrechterhaltung eines stabilen Marktangebots beigetragen, was wiederum zu niedrigeren Preisen für wichtige Nahrungsmittel geführt hat (FEWS NET 28.2.2024).
Nachfolgend eine Grafik, erstellt durch das Projekt OSIF der Staatendokumentation, mit Vergleichspreisen bestimmter Güter in den Provinzen Kabul und Bamyan vor und nach der Machtübernahme durch die Taliban, basierend auf Daten des World Food Programme (WFP):
erstellt vom Projekt OSIF der Staatendokumentation basierend auf Daten des World Food Programme (WFP) (WFP 27.9.2024)
In beiden Regionen zeigt sich eine ähnliche Entwicklung. In fast allen Fällen steigen die Preise bis Mitte 2022 an, um dann langsam wieder zu fallen. Mit Stand Mitte 2024 sind die Preise in einigen Fällen sogar unter dem Niveau vor der Taliban-Machtübernahme, in den anderen Fällen gleichen sie sich langsam an (WFP 27.9.2024).
Mitarbeiter von IOM-Afghanistan befragten im Jänner 2024 Einzelhandelsgeschäfte auf den lokalen Märkten in Afghanistan und sammelten Informationen aus erster Hand für die Städte Kabul, Herat und Mazar-e Sharif (IOM 22.2.2024). Mit Stand September 2024 bleiben diese Preise nach Angaben von IOM stabil (IOM 17.9.2024). Die nachfolgende Tabelle zeigt die Ergebnisse:
IOM 22.2.2024, die Umrechnung EUR zu AFN wurde mit Stand 21.2.2024 von IOM durchgeführt.
Im Zuge einer im Auftrag der Staatendokumentation von ATR Consulting im November 2021 in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif durchgeführten Studie gaben 3,6 % der Befragten an, dass sie in der Lage seien, ihre Familien ausreichend mit Lebensmitteln zu versorgen. 53 % der Befragten in Herat, 26 % in Balkh und 12 % in Kabul gaben an, sie könnten es sich nicht leisten, ihre Familien ausreichend zu ernähren. Ebenso gaben 33 % der Befragten in Herat und Balkh und 57 % der Befragten in Kabul an, dass sie kaum in der Lage sind, ihre Familien ausreichend zu ernähren (ATR/STDOK 18.1.2022). In der ein Jahr später durchgeführten Studie von ATR Consulting in Kabul gaben ca. 53 % der Befragten an, dass sie kaum in der Lage sind, die Familie mit ausreichend Lebensmitteln zu versorgen (ATR/STDOK 3.2.2023).
Laut einer weiteren von ATR Consulting im November 2024 durchgeführten Studie in Kabul gaben 16 % der Befragten an, ausreichend Nahrung für ihre Familie bereitstellen zu können, während dies 32 % der Befragten gerade noch möglich ist. 42 % haben Probleme bei der Bereitstellung von ausreichender Nahrung und 10 % ist dies nicht möglich (STDOK/ATR 14.1.2025).
Anm.: Die Integrated Food Security Phase Classification (IPC) bietet eine gemeinsame Skala für die Einstufung des Schweregrads und des Ausmaßes von Ernährungsunsicherheit und akuter Unterernährung, welche die Genauigkeit, Transparenz, Relevanz und Vergleichbarkeit von Analysen zur Ernährungssicherheit und Ernährung für Entscheidungsträger verbessert:
Phase 1 (keine/minimale Mängel): Die Haushalte sind in der Lage, den Grundbedarf an Nahrungsmitteln und anderen Gütern zu decken, ohne atypische und nicht nachhaltige Strategien zur Beschaffung von Nahrungsmitteln und Einkommen anzuwenden.
Phase 2 (Gestresst): Gestresste Haushalte haben einen minimal adäquaten Nahrungsmittelkonsum, können sich aber einige wesentliche Non-Food-Ausgaben nicht leisten, ohne Stressbewältigungsstrategien anzuwenden.
Phase 3 (Krise): Krisenhaushalte entweder: - haben Lücken im Nahrungsmittelkonsum, die sich in einer hohen oder überdurchschnittlichen akuten Unterernährung widerspiegeln; oder - sind nur knapp in der Lage, den Mindestnahrungsmittelbedarf zu decken, aber nur unter Aufzehrung der wesentlichen Existenzgrundlagen oder durch Krisenbewältigungsstrategien.
Phase 4 (Notfall): Nothaushalte entweder: - haben große Nahrungsmittellücken, die sich in einer sehr hohen akuten Unterernährung und einer hohen Sterblichkeitsrate niederschlagen; oder - sind in der Lage, große Nahrungsmittellücken auszugleichen, aber nur durch die Anwendung von Strategien zur Sicherung des Lebensunterhalts und die Auflösung von Vermögenswerten.
Phase 5 (Katastrophe/Hungersnot): In den Haushalten herrscht ein extremer Mangel an Nahrungsmitteln und/oder anderen Grundbedürfnissen, selbst wenn die Bewältigungsstrategien voll ausgeschöpft werden. Hunger, Tod, Elend und ein extrem kritisches Maß an akuter Unterernährung sind offensichtlich. (Für eine Einstufung als Hungersnot muss ein Gebiet ein extrem kritisches Niveau an akuter Unterernährung und Sterblichkeit aufweisen) (IPC 8.2021).
Wohnungsmarkt
Letzte Änderung 2025-01-30 09:01
Die Dynamik der Mietpreise in städtischen Zentren wie Kabul, Herat und Mazar-e Sharif wird von verschiedenen Faktoren beeinflusst, darunter Lage, Ausstattung und die allgemeine Qualität der Unterkunft (IOM 22.2.2024).
Die afghanische Nachrichtenagentur Pajhwok Afghan News hatte im September 2022 bei Immobilienhändlern in den Kabuler Stadtteilen Shahr-i-Naw, Khoshal Khan und Qasaba Informationen über Kauf- und Verkaufspreise sowie Mietkosten eingeholt (PAN 19.9.2022). Demnach sanken Mietpreise für Häuser und Grundstücke nach dem Regierungswechsel im Jahr 2021 um 60 %. Im Jahr 2022 stiegen die Preise jedoch wieder um 50 %. So lag die Miete für eine Dreizimmerwohnung vor der Machtübernahme der Taliban im August 2021 je nach Stadtteil zwischen 8.000 AFN und 35.200 AFN. In den ersten Tagen des Talibanregimes sank der Preis auf zwischen 4.250 AFN und 25.400 AFN und mit September 2022 lag der Preis zwischen 5.000 AFN und 19.800 AFN (PAN 19.9.2022). Ein afghanischer Wirtschaftsexperte gab an, dass zwar die Preise für Wohnungen und Autos seit der Machtübernahme durch die Taliban stark gesunken wären, jedoch gleichzeitig auch die Kaufkraft der Menschen erheblich gesunken ist (WEA 17.7.2022).
Folgende Tabelle zeigt Informationen von IOM (International Organization for Migration), die im Jänner 2024 Daten zu Mietpreisen pro Monat vor Ort bei Vermietern und Hauseigentümern in Kabul, Herat und Mazar-e Sharif erhoben hat. Sie sind nach der Anzahl der Betten in der Wohnung geordnet und bieten Einblicke in die Schwankungen der Mietpreise in verschiedenen Wohnumgebungen (IOM 22.2.2024). Mit September 2024 sind die nachfolgenden Preise, nach Angaben von IOM, weiterhin aktuell (IOM 17.9.2024).
IOM 22.2.2024 die Umrechnung EUR zu AFN wurde mit Stand 21.2.2024 von IOM durchgeführt.
Eine von IOM im Dezember 2024 durchgeführte Studie zu den Lebenserhaltungskosten in Afghanistan legt teilweise deutlich niedrigere Kosten für Miete bzw. Unterkunft nahe (IOM 2.12.2024). Der Grund für diese Unterschiede wurde im Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft erklärt.
Eine weitere in Kabul ansässige Quelle gab an, dass sich die Preise mit Stand Dezember 2024 für eine einfache Unterkunft im städtischen Bereich zwischen 8.000 - 12.000 AFN für Alleinstehende und zwischen 10.000 - 30.000 AFN für Familien bewegen. Im ländlichen Bereich belaufen sich die Kosten zwischen 4.000 - 7.000 AFN (Alleinstehende) und 8.000 - 20.000 (Familien) (RA KBL 7.12.2024).
Ein Mitte Dezember 2024 erschienener Artikel berichtet davon, dass die Preise für Mietwohnungen im Jahr 2024 wieder angestiegen sind. Ein Afghane berichtet beispielsweise, dass die Miete seiner 4-Zimmer-Wohnung nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul 5.000 AFN betrug, nun aber auf 12.000 AFN erhöht wurde. Immobilienmakler berichten, dass in den innerstädtischen Bezirken Kabuls die Mieten um ca. 40 % und in den Außenbezirken um ca. 20 - 30 % gestiegen sind (AAN 15.12.2024).
In einer von der Staatendokumentation in Auftrag gegebenen und von ATR Consulting im November 2021 durchgeführten Studie gaben die meisten der Befragten in Herat (66 %) und Mazar-e Sharif (63 %) an, in einer eigenen Wohnung/einem eigenen Haus zu leben, während weniger als 50 % der Befragten in Kabul angaben, in einer eigenen Wohnung/einem eigenen Haus zu leben. Von jenen, die Miete bezahlten, gaben 54,3 % der Befragten in Kabul, 48,4 % in Balkh und 8,7 % in Herat an, dass sie 5.000 bis 10.000 AFN pro Monat Miete zahlten. In Kabul mieteten 41,3 % der Befragten Wohnungen/Häuser für weniger als 5.000 AFN pro Monat, in Herat 91,3 % und in Balkh 48,4 %. Nur 4,3 % der Befragten in Kabul mieteten Immobilien zwischen 10.000 und 20.000 AFN, während kein Befragter in Herat und Balkh mehr als 10.000 AFN für Miete zahlte (ATR/STDOK 18.1.2022).
Laut der Studie, die ATR Consulting im Dezember 2022 in Kabul durchführte, leben ca. 58 % der Befragten in Mietwohngen bzw. -häusern, während der Rest Hausbesitzer sind. Von den Befragten, die in einer Mietwohnung leben, bezahlen ca. 60 % weniger als 5.000 AFN im Monat an Miete und ca. 33 % zwischen 5.000 und 10.000 AFN (ATR/STDOK 3.2.2023).
Laut einer weiteren von ATR Consulting im November 2024 durchgeführten Studie in Kabul gaben 94 % der Befragten an, entweder mit ihrer Kernfamilie und/oder mit weiteren Familienmitgliedern im selben Haus zu wohnen. 40 % der Befragen sind Eigentümer des Hauses bzw. des Appartements in dem sie wohnen und 60 % leben in Mietverhältnissen. Im Hinblick auf die finanzielle Situation gaben 40 % der Befragten an, sich die Wohnkosten leisten (18 %) bzw. gerade noch leisten zu können, während 60 % entweder Probleme haben (49 %), die Kosten aufzubringen, oder sich die Wohnverhältnisse gar nicht leisten können (11 %) (STDOK/ATR 14.1.2025).
Anm.: Wechselkurse, so nicht anders angegeben, wurden zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der jeweiligen Quelldokumente errechnet, diese können sich im Laufe der Zeit geändert haben.
Arbeitsmarkt
Letzte Änderung 2025-01-31 16:38
Fast alle Arbeitsverhältnisse in Afghanistan sind informell (Schwörer 30.11.2020; vgl. SEM 11.12.2024). Ihr Anteil hat seit der Taliban-Machtübernahme zugenommen, da in der formellen Wirtschaft viele Arbeitsplätze verloren gingen. Einer Schätzung von Juli 2024 zufolge wurden zu diesem Zeitpunkt rund 74 % des Bruttoinlandprodukts von der informellen Wirtschaft erbracht (ACAPS 30.7.2024; vgl. SEM 11.12.2024).
Als Folge der Machtübernahme der Taliban ist der Arbeitsmarkt vor allem in den Städten geschrumpft und seitdem gingen (mit Stand September 2024) mehr als eine halbe Million Arbeitsplätze verloren (IOM 17.9.2024). Auch Nominal- und Reallöhne gingen nach der Machtübernahme der Taliban erheblich zurück (HRW 8.8.2022; vgl. WB 3.10.2023), obwohl sich die Löhne für qualifizierte und ungelernte Arbeit seitdem erholt haben und sogar über dem Wert vor der Machtübernahme liegen (WB 3.10.2023; vgl. WFP 11.7.2024).
Seit die Taliban im August 2021 wieder an die Macht gekommen sind, haben sie über 50 Dekrete erlassen, die darauf abzielen, die öffentlichen und privaten Rollen von Frauen einzuschränken (IOM 17.9.2024). Die von den Taliban verhängten Arbeitsbeschränkungen haben zu einer verzweifelten Situation für viele Frauen geführt, welche die einzigen Lohnempfängerinnen ihrer Familien waren (AI 7.2022; vgl. IOM 17.9.2024), was durch die humanitäre und wirtschaftliche Krise in Afghanistan noch verschärft wird (IOM 17.9.2024; vgl. UNDP 18.4.2023). Laut Erhebungen der Weltbank ist die Arbeitslosigkeit bei Frauen in allen Altersgruppen deutlich höher als bei Männern (WB 10.2023). [Weitere Informationen zu Frauen am Arbeitsmarkt finden sich im Kapitel Politische Partizipation und Berufstätigkeit von Frauen.]
WB 10.2023
Seit der Machtübernahme ist Berichten zufolge die Kinderarbeit und die Anzahl der Bettler deutlich gestiegen (IOM 12.1.2023; vgl. WB 10.2023). Der Anstieg der Kinderarbeit könnte auch mit der Schließung von Schulen und Universitäten für Frauen sowie mit der vorherrschenden Konzentration auf religiöse Lehren in Schulen für Männer zusammenhängen. In Afghanistan ist Kinderarbeit vor allem in ländlichen Gebieten vorzufinden (IOM 12.1.2023). Kinder werden beispielsweise bei der Herstellung von Ziegeln (AJ 26.9.2022) oder in Kohleminen als Arbeiter eingesetzt (NPR 31.12.2022).
Nach Angaben von IOM (Stand Februar 2024) liegt der durchschnittliche Tageslohn in Kabul zwischen 300 und 500 AFN, was die vielfältigen wirtschaftlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten in der Hauptstadt widerspiegelt. Für Herat gibt der Bericht an, dass der durchschnittliche Tageslohnempfänger eine etwas geringere Spanne von 250 bis 350 AFN erhält. In Mazar-e Sharif schließlich liegt der durchschnittliche Tageslohn bei 200 AFN. Diese Unterschiede bei den Tageslöhnen in den einzelnen Städten verdeutlichen die lokalen wirtschaftlichen Bedingungen, die Faktoren wie die Zusammensetzung der Industrie, die Nachfrage nach Arbeitskräften und die regionale wirtschaftliche Entwicklung umfassen und ein differenziertes Verständnis der wirtschaftlichen Widerstandsfähigkeit in den verschiedenen städtischen Zentren ermöglichen (IOM 22.2.2024). Laut IOM blieben diese Beträge mit September 2024 aktuell (IOM 17.9.2024). Im Juli 2024 berichtet das World Food Programme (WFP), dass die Löhne für gelernte und ungelernte Arbeiter gestiegen sind. So verdient ein ungelernter Arbeiter im Schnitt 317 AFN pro Tag, während das Durchschnittsgehalt eines gelernten Arbeiters 655 AFN beträgt (WFP 11.7.2024). Das erwartete monatliche Durchschnittseinkommen für ungelernte Vollzeitarbeiter liegt mit Juli 2024 bei 3.362 AFN, womit nur 64 % des Warenkorbs des WFP (5.232 AFN) finanziert werden können (WFP 12.8.2024).
Laut einer von ATR Consulting im November 2024 durchgeführten Studie in Kabul waren 67 % der Befragten in Vollzeit berufstätig (51 der Männer und 10 % der Frauen), während 8 % angaben, gelegentlich Arbeit zu haben. 28 % der Befragten (69 % der weiblichen Befragten) gaben an, Hausfrau zu sein, und 23 % der Befragten bezeichneten sich als arbeitslos (STDOK/ATR 14.1.2025).
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2024-03-29 09:47
Die drastische Kürzung der finanziellen und technischen Entwicklungshilfe für das öffentliche Gesundheitssystem Afghanistans seit der Machtübernahme durch die Taliban im August 2021 hat das Gesundheitssystem des Landes schwer geschädigt (HRW 12.2.2024; vgl. MaA 29.6.2023). Der daraus resultierende Mangel an ausreichenden Gesundheitsdiensten betrifft Millionen von Afghanen und macht die Bevölkerung anfällig für Krankheiten und andere Folgen unzureichender medizinischer Versorgung (HRW 12.2.2024; vgl. MSF 18.12.2023).
Hilfsorganisationen haben versucht, den Wegfall internationaler Mittel für das öffentliche Gesundheitswesen auszugleichen, und haben mit dem Rückgang der Mittel für humanitäre Hilfe nach 2022 ihren Schwerpunkt auf unmittelbare Hilfsmaßnahmen verlagert. Durch die vorübergehende Unterstützung der öffentlichen Krankenhäuser unmittelbar nach August 2021 konnte ein völliger Zusammenbruch verhindert werden. Dennoch mussten aufgrund fehlender Mittel Kliniken schließen und lokale Hilfsgruppen berichten von Engpässen bei Medikamenten und Ausrüstung (HRW 12.2.2024). Auch eine Menschenrechtsaktivistin aus Afghanistan berichtet davon, dass der Zugang zu Medikamenten sehr begrenzt ist. Während Antibiotika, Schmerzmittel und allgemeine Gesundheitsmedikamente noch eingeführt werden, sind spezifische Medikamente, z. B. jene zur Behandlung von Krebs, in Afghanistan nicht erhältlich. Menschen können auch nicht mehr so einfach wie früher in die Nachbarländer reisen, um sich behandeln zu lassen und Medikamente zu kaufen (MaA 29.6.2023).
In den öffentlichen Krankenhäusern, die unter direkter Aufsicht der afghanischen Regierung stehen, sind seit dem Regimewechsel sowohl die Qualität der Versorgung als auch die Zahl der Mitarbeiter erheblich zurückgegangen (IOM 12.1.2023). Die Kapazität des Gesundheitspersonals im öffentlichen Sektor ist gering (HC 31.12.2022; vgl. UNOCHA 1.2023), auch aufgrund der Einschränkungen von Frauen im Hinblick auf Beschäftigung und Bewegungsfreiheit (HRW 12.2.2024; vgl. MaA 29.6.2023). Ebenso konzentrieren sich die am besten qualifizierten Gesundheitsfachkräfte in den Städten und den gut ausgestatteten Provinzen. Gleichzeitig können Bevölkerungsverschiebungen und die Abwanderung in städtische Zentren die bestehenden Gesundheitsdienste in städtischen Gebieten überlasten. Obwohl es in den städtischen Zentren zahlreiche Gesundheitseinrichtungen gibt, gab die städtische Bevölkerung häufig an, dass Medikamente oder Behandlungen für sie zu teuer seien (UNOCHA 1.2023). Eine Menschenrechtsaktivistin aus Afghanistan weißt in diesem Zusammenhang auf den generellen Mangel an (vor allem weiblichen) Ärzten hin. Viele seien auch unterqualifiziert bzw. praktizieren, ohne ihre Ausbildung abgeschlossen zu haben (MaA 29.6.2023).
Durch die schlechte wirtschaftliche Lage vieler Afghanen sind diese nicht mehr in der Lage, ihre medizinischen Ausgaben zu bestreiten (HRW 12.2.2024) oder sich und ihre Familien ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Viele Afghanen leiden daher an Unterernährung (HRW 12.2.2024; vgl. WFP 7.2.2024), von welcher nach Einschätzung von Human Rights Watch auch Millionen von Kindern betroffen sind (HRW 12.2.2024). UNICEF schätzte die Zahl der von akuter Unterernährung betroffenen Kinder für das Jahr 2023 auf rund 2,3 Millionen (UNICEF 7.8.2023).
In Afghanistan gibt es Ausbrüche von Infektionskrankheiten wie beispielsweise Masern, akute Atemwegsinfektionen (ARI) oder akute wässrige Diarrhöe (AWD) (WHO 18.3.2024). Infektionskrankheiten wie AWD und Cholera sind die Folge von und ein Katalysator für schlechte humanitäre Bedingungen, einschließlich schlechter sanitärer Einrichtungen, Wasserqualität und -menge, Unterernährung, geringeren Schulbesuchs, schlechten Gesundheitszustands und geringeren Einkommens. Besonders betroffen sind Kinder in ländlichen Haushalten, was teilweise auf Unterschiede in der sanitären Infrastruktur zurückgeführt werden kann (UNOCHA 1.2023). So wurden im Jahr 2023 beispielsweise 25.856 Fälle von Masern und 6,8 Millionen Fälle von AWD berichtet (UNICEF 2024).
COVID-19
Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf, folgende Website der WHO: https://covid19.who.int/region/emro/country/af mit täglich aktualisierten Zahlen zu kontaktieren.
Bis 31.8.2023 gab es laut WHO 232.843 bestätigte Fälle von COVID-19 in Afghanistan. Nach Angaben der WHO haben mehr als 18 Millionen Afghanen zumindest eine Impfdosis erhalten und mehr als 16 Millionen sind vollständig geimpft (WHO 18.3.2024). Seit Beginn der Pandemie hat sich COVID-19 über das ganze Land ausgebreitet. Die erste Welle erstreckte sich Berichten zufolge von Ende April bis Juni 2020; die zweite Welle begann im Oktober 2020 und dauerte bis Ende Dezember 2020; die dritte Welle begann Berichten zufolge im April 2021 und dauerte bis Mitte August 2021. Die vierte Welle endete im März 2022 (Asady/Sediqi/Habibi 28.6.2022). Im Sommer 2022 sah sich Afghanistan einem weiteren Anstieg der COVID-19-Fälle ausgesetzt und innerhalb von zwei Monaten wurden mehr als 11.700 Fälle registriert. Es wurde berichtet, dass die Menschen trotz der Zunahme an Erkrankungen keine Angst mehr haben würden und keine Präventivmaßnahmen ergreifen (PAN 8.9.2022).
Bis zur Machtübernahme der Taliban waren landesweit insgesamt 38 COVID-19-Krankenhäuser in Betrieb, die alle von internationalen Gebern finanziert wurden. Daneben wurden im Rahmen der COVID-19-Notfallmaßnahmen auch Krisenreaktionsteams (Rapid Response Teams, RRTs) und Distriktzentren (District Centers, DCs) eingerichtet, um Risikokommunikationsveranstaltungen durchzuführen, Proben von Verdachtsfällen zu sammeln, Kontaktpersonen ausfindig zu machen und Ratschläge für leichte und mittelschwere Fälle zu geben, die zu Hause behandelt werden sollten. Diese Maßnahmen trugen entscheidend dazu bei, die Belastung der für COVID-19 zuständigen Krankenhäuser zu verringern, sodass sie sich auf die Behandlung schwerer und kritischer Fälle konzentrieren konnten. Nach dem Zusammenbruch der vorherigen Regierung wurden alle Finanzmittel und Unterstützungen für die COVID-19-Notfallmaßnahmen gekürzt, und die meisten Krankenhäuser mussten ihren Betrieb einstellen, weil es an Mitteln, Ärzten, Medikamenten und sogar Heizmaterial mangelte. Der Mangel an Gesundheitspersonal für die Entnahme von Proben verdächtiger Personen und der Mangel an Kits für labordiagnostische Tests waren in den meisten Distrikten Afghanistans auch 2022 nach wie vor die größten Herausforderungen. Das hohe Maß an finanzieller Unsicherheit in mehreren Teilen des Landes hat große und direkte negative Auswirkungen auf die Bereitstellung und Abdeckung von Gesundheitsdiensten für die breite Öffentlichkeit. Viele Menschen, die ihre erste Impfung mit dem COVID-19-Impfstoff erhalten haben, konnten die nächste Dosis nicht erhalten, weil der
Rückkehr
Letzte Änderung 2025-01-30 11:56
Anm.: Für weitere Informationen zum Thema Afghanische Flüchtlinge in Iran und Pakistan sei auf das betreffende Kapitel verwiesen.
Auch wenn es nur wenig Informationen zu Rückkehrern aus Europa nach Afghanistan gibt, berichten das österreichische BMI (Bundesministerium für Inneres) (BMI 27.3.2024) und andere Quellen (MEE 1.6.2022; vgl. AAN 20.1.2024, DRC 28.11.2022), dass es auch nach der Machtübernahme der Taliban zur freiwilligen Rückkehr afghanischer Staatsbürger kommt (MEE 1.6.2022; vgl. AAN 20.1.2024). Dem Afghanistan Analysts Network (AAN) zufolge kehren auch einige Mitarbeiter der ehemaligen Regierung und internationaler NGOs nach Afghanistan zurück, darunter ein Mitarbeiter einer NGO, der mit seiner Familie nach zwei Jahren Aufenthalt in Dänemark nach Afghanistan zurückkehrte (AAN 20.1.2024). Auch die Nachrichtenagentur Middle East Eye berichtet von der freiwilligen Rückkehr von Afghanen, darunter Mitarbeiter von internationalen NGOs (MEE 1.6.2022) und nach Angaben von EUAA gibt es auch freiwillige Rückkehrer aus den USA (EUAA 12.2023). Die Taliban haben am 16.3.2022 eine Kommission unter Leitung des Taliban-Ministers für Bergbau und Petroleum ins Leben gerufen, die Mitglieder der ehemaligen wirtschaftlichen und politischen Elite überzeugen soll, nach Afghanistan zurückzukehren. Im Rahmen dieser Bemühungen sollen inzwischen 200 mehr oder weniger prominente Persönlichkeiten nach Afghanistan zurückgekehrt sein, darunter auch ehemalige Minister und Parlamentarier. Die Taliban-Regierung trifft widersprüchliche Aussagen darüber, ob es den Rückkehrern gestattet sein wird, sich politisch zu engagieren (AA 26.6.2023).
Am 30.8.2024 wurden erstmals seit der Machtübernahme der Taliban afghanische Staatsangehörige aus Deutschland nach Afghanistan abgeschoben. Nach Angaben der deutschen Bundesregierung handelt es sich dabei um "afghanische Straftäter, afghanische Staatsangehörige, die sämtlich verurteilte Straftäter waren, die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen" (Standard 30.8.2024; vgl. Spiegel 30.8.2024). Die insgesamt 28 abgeschobenen Afghanen wurden nach ihrer Rückkehr nach Kabul durch die Taliban angehalten und ins Gefängnis gebracht. Kurz darauf wurden sie nach Auskunft der Taliban wieder auf freien Fuß gesetzt (Spiegel 6.9.2024; vgl. AN 10.9.2024), nach einer schriftlichen Zusicherung, dass sie keine Verbrechen in Afghanistan begehen würden (AMU 8.9.2024). In einem Interview, welches am 16.9.2024 veröffentlicht wurde, bestätigte ein Taliban-Sprecher, dass alle aus Deutschland rückgeführten afghanischen Staatsbürger freigelassen wurden. Sie wurden mithilfe der Vermittlung eines Staates, mit dem die Taliban "freundschaftliche Beziehungen" führen, eingeflogen. Auch sind die Taliban laut dem Sprecher bereit, auch in Zukunft abgeschobene Afghanen aus Deutschland aufzunehmen (Fokus 16.9.2024).
IOM hat aufgrund der aktuellen Lage vor Ort die Option der Unterstützung der freiwilligen Rückkehr und Reintegration seit 16.8.2021 für Afghanistan bis auf Weiteres weltweit ausgesetzt. Es können somit derzeit keine freiwilligen Rückkehrer aus Österreich nach Afghanistan im Rahmen des Projektes RESTART III unterstützt werden. IOM Afghanistan hält jedoch die Kommunikation mit ehemaligen Rückkehrern aufrecht, um humanitäre Hilfe anzubieten, die Stabilisierung der Gemeinschaft zu unterstützen und die interne Migration in Zusammenarbeit mit den Taliban-Behörden, humanitären Partnern und lokalen Gemeinschaften zu steuern. IOM Afghanistan wendet verschiedene Methoden an, um mit ehemaligen unterstützten Rückkehrern in Afghanistan in Kontakt zu bleiben. Dazu gehören das Engagement in den Gemeinden, eine zentralisierte Datenbank (Displacement Tracking Matrix [DTM]) und die direkte Kommunikation als Folgemaßnahme, insbesondere mit den Begünstigten, die von IOM direkt mit ihren Diensten durch Überwachungs- und Folgebesuche unterstützt wurden (IOM 22.2.2024; vgl. IOM 17.9.2024).
Das deutsche Auswärtige Amt geht davon aus, dass die Taliban zurückkehrende Personen im Rahmen ihrer allgemeinen Praxis im Umgang mit der Zivilbevölkerung behandeln. Die Bedrohung der persönlichen Sicherheit ist im Einzelfall das zentrale Hindernis für zurückkehrende Personen. Auch vor dem Hintergrund der faktischen Kontrolle der Taliban über alle Landesteile lässt sich die Frage einer möglichen Gefährdung im Einzelfall nicht auf einzelne Landesteile, etwaige Sicherheitsrisiken durch Terrorismus oder lokale Kampfhandlungen begrenzen. Entscheidend für die individuelle Sicherheit der Personen bleibt, nach dem Dafürhalten des Auswärtigen Amtes, vielmehr die Frage, wie die Person von der Taliban-Regierung und dritten Akteuren wahrgenommen wird (AA 12.7.2024).
Nach Einschätzung von UNAMA besteht die Möglichkeit, dass im Ausland straffällig gewordene Rückkehrende, wenn die Tat einen Bezug zu Afghanistan aufweist, in Afghanistan zum Opfer von Racheakten z. B. von Familienmitgliedern der Betroffenen werden können; auch eine erneute Verurteilung durch das von den Taliban kontrollierte Justizsystem ist nicht ausgeschlossen, wenn der Fall den Behörden bekannt würde (AA 12.7.2024). Im Hinblick auf jene verurteilten Straftäter, welche im August 2024 aus Deutschland nach Afghanistan rückgeführt wurden, sagte ein Sprecher der Taliban, dass gegen diese kein Strafverfahren in Afghanistan vorliegen würde. Sollte dies der Fall gewesen sein, wären sie einem Richter vorgeführt worden. Er gab weiters an, dass den Taliban keine Informationen über die in Deutschland begangenen Straftaten vorliegen (Fokus 16.9.2024).
Rückkehrunterstützung des österreichischen Staates
Letzte Änderung 2025-01-09 14:36
[Dieses Kapitel basiert auf Informationen, die von der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) mit Stand Dezember 2024 zur Verfügung gestellt worden sind (BMI 6.12.2024). Im Bereich der Rückkehrunterstützung kann es zu kurzfristigen Änderungen kommen. Für weitere Informationen sei auf die entsprechende Seite der BBU verwiesen].
Die Mitarbeiter der Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH) informieren individuell über die Möglichkeiten der freiwilligen Rückkehr bzw. die verfügbaren Unterstützungsleistungen.
Die Rückkehrunterstützung umfasst folgende Leistungen:
Kostenlose individuelle Beratung zur freiwilligen Rückkehr einschließlich Antragsstellung auf finanzielle Unterstützung durch die BBU
Organisatorische Unterstützung bei der Reisevorbereitung
Übernahme der Heimreisekosten
Finanzielle Starthilfe in Höhe von bis zu € 900
Reintegrationsprogrammteilnahme nach der Rückkehr im Zielland
Ein Rechtsanspruch auf diese Unterstützungsleistungen besteht nicht. Die Bewilligung erfolgt durch das österreichische Bundesamt für Fremdwesen und Asyl (BFA). Weitere Informationen zu den aktuellen Unterstützungsangeboten (Rückkehrunterstützung inkl. Reintegrationsunterstützung) sind auf der Webseite www.returnfromaustria.at verfügbar.
Die BBU unterstützt sowohl bei der Reiseplanung und der Flugbuchung als auch bei der Beschaffung von Heimreisedokumenten, einer ggf. notwendigen medizinischen Versorgung sowie mit der Übernahme der Rückreisekosten. Organisatorische Unterstützung kann grundsätzlich in jeder Verfahrenskonstellation gewährt werden. Voraussetzung für die Gewährung der Übernahme der Heimreisekosten ist die Mittellosigkeit der rückkehrenden Person.
Finanzielle Starthilfe
Die Höhe der finanziellen Starthilfe ist in einem degressiven Modell geregelt und staffelt sich nach dem Zeitpunkt der Antragstellung auf unterstützte freiwillige Rückkehr:
Während des laufenden asyl- oder fremdenrechtlichen Verfahrens bis ein Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 900,00 pro Person; ab einem Monat nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung: € 250,00 pro Person
Kernfamilien: Maximalbetrag von € 3.000 pro Familie
Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden.
Kriterien für den Erhalt der finanziellen Starthilfe und der Reintegrationsunterstützung (Ausnahmen im Einzelfall möglich):
Freiwillige Ausreise
Finanzielle Bedürftigkeit bzw. Mittellosigkeit
Erstmaliger Bezug der Unterstützungsleistung
Nachhaltigkeit der Ausreise
Keinerlei Evidenz eines Sicherheitsrisikos durch die freiwillige Rückkehr
Keine schwere Straffälligkeit
Ausgeschlossen vom Bezug der finanziellen Starthilfe sind EWR-Bürger, Personen aus den Westbalkan-Staaten sowie Staatsangehörige von Ländern mit visumsfreier Einreise nach Österreich (z. B. Georgien, Moldawien). Sonderkonstellation: Für vulnerable Rückkehrende aus diesen Regionen, die grundsätzlich von der finanziellen Starthilfe ausgeschlossen wären, kann nach individueller Einzelfallprüfung durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) ein einmaliger Betrag von € 250,00 pro Person gewährt werden
Reintragrationsunterstützung
Für 42 Herkunftsländer können freiwillige Rückkehrer im Sinne des Leitgedankens "Rückkehr mit Perspektiven" Reintegrationsunterstützung im Wert von bis zu € 3.500 beantragen.
Die Abwicklung des Reintegrationsangebots erfolgt mit den Kooperationspartnern:
Frontex (EU Reintegrationsprogramm EURP)
IOM Österreich (Reintegrationsprogramm RESTART IV)
Caritas Österreich (Reintegratonsprogramm IRMA plus III)
OFII (französische Migrationsbehörde „French Office for Immigration and Integration“)
ETTC (im Irak tätige NGO „European Technology and Training Centre“)
Im Rahmen der Reintegrationsprogramme erhalten Rückkehrende umfassende Unterstützung bei der Wiedereingliederung in ihrem Herkunftsland. Dazu gehören individuelle, persönliche Beratung und vorwiegend Sachleistungen z. B. wirtschaftliche, soziale und psychosoziale Hilfen. Die Programme bieten ein breites Spektrum an Leistungen, um einen optimalen Einsatz der Mittel zu gewährleisten.
Weitere Informationen zu den jeweiligen Programmen bzw. für welche Herkunftsländer diese angeboten werden, sind den oben angeführten Seiten zu entnehmen (BMI 6.12.2024).
1.5. Zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2022, sohin etwa seit zweieinhalb Jahren in Österreich und in Deutschland auf. Seit seiner letzten Überstellung nach Österreich hält er sich hier seit zwei Monaten auf. Er hat keine Verwandten in einem Mitgliedsstaat. In Deutschland und in Österreich hat er Freunde. Der Beschwerdeführer hat weder in sprachlicher, noch in wirtschaftlicher oder sozialer Hinsicht bedeutsame Integrationsschritte gesetzt. Es liegt bei ihm keine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche, individuelle Integration vor. Seit dem letzten Erlass einer Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer haben sich in seinem Privat- und Familienleben keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben.
Er entzog sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren.
Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Er hat dort den weit überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens verbracht, die Schule besucht, gearbeitet und hat dort ein großes und tragfähiges familiäres Netzwerk, in das er zurückkehren kann.
1.6. Zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbots
Der Beschwerdeführer stellte 25.11.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, er entzog sich dann aber dem Verfahren, indem er nach Deutschland reiste und dort am 05.12.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Das in Österreich geführte Asylverfahren musste daraufhin eingestellt werden und konnte erst, nachdem ein Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands einging und der Beschwerdeführer am 20.12.2023 von Deutschland nach Österreich überstellt wurde, weitergeführt werden.
Nach negativem Ausgang des Asylverfahrens – ihm wurde kein Schutzstatus gewährt und es wurde eine Rückkehrentscheidung samt vierzehntägiger Frist für die freiwillige Ausreise erlassen – begab sich der Beschwerdeführer, nachdem ihm dieser Bescheid am 21.03.2024 zugestellt worden war, wieder nach Deutschland. Seiner sich aus der Rückkehrentscheidung ergebenden Ausreiseverpflichtung kam er nicht nach. Am 15.04.2024 stellte der Beschwerdeführer erneut in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz.
Nachdem die österreichischen Behörden dem am 16.04.2024 gestellten deutschen Wiederaufnahmeersuchen am selben Tag zugestimmt hatten, entzog sich der Beschwerdeführer der Überstellung. Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge teilte am 08.10.2024 mit, dass die für den 08.10.2024 angesetzte Überstellung des Beschwerdeführers storniert werden müsse, da dieser flüchtig sei. Es gelte die 18-monatige Überstellungsfrist des Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO.
Am 19.02.2025 wurde der Beschwerdeführer nach Österreich überstellt und stellte in Österreich erneut einen Antrag auf internationalen Schutz, der wegen entschiedener Sache zurückzuweisen war.
2. Beweiswürdigung:
Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:
Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten der belangten Behörde und des Bundesverwaltungsgerichts.
2.1. Die Zustellung des Bescheids vom 16.03.2024 im ersten Verfahren ist durch den im Akt einliegenden Rückschein – wonach dieser am 21.03.2024 zugestellt wurde – zweifelsfrei dokumentiert (Akt Erstverfahren AS 191), daraus ergibt sich auch der Ablauf der Rechtsmittelfrist mit 19.04.2024. Im Übrigen, insbesondere hinsichtlich des Beschwerdevorbringens, in dem der Eintritt der Rechtskraft bestritten und in der aufgrund der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz in Deutschland am 15.04.2024 von der Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.03.2024 binnen offener Rechtsmittelfrist ausgegangen wird, wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen.
2.2. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers beruhen auf jenen Feststellungen, die im rechtskräftig gewordenen Bescheid der belangten Behörde vom 16.03.2024 getroffen wurden und die im Wesentlichen auf den Angaben des Beschwerdeführers beruhen (Akt Erstverfahren AS 92ff bzw. Bescheid BFA 16.03.2024 S. 12). Es ergaben sich im gegenständlichen Verfahren keine Änderungen betreffend den im ersten Verfahren festgestellten Sachverhalt. Vielmehr bestätigte der Beschwerdeführer auch im gegenständlichen Verfahren seine Identität und Herkunft (AS 5), auch zu Schulbildung und Berufserfahrung ergaben sich nichts Anderes (AS 63). Zudem gab der Beschwerdeführer auch im gegenständlichen Verfahren in der Einvernahme vom 04.03.2025 an, dass er in Kontakt mit seiner Familie in Afghanistan stehe, ebenso mit seinem in XXXX lebenden Vater, und dass es seiner Familie gut geht (AS 32 und 33), sodass hier von einem unveränderten Sachverhalt auszugehen ist. Schließlich ist auch hinsichtlich des guten Gesundheitszustandes des Beschwerdeführers im gegenständlichen Verfahren keine Änderung hervorgekommen.
2.3. Die Prüfung der Fluchtgründe war bereits Gegenstand des vorangegangenen, rechtskräftig abgeschlossenen Rechtsganges.
Der Beschwerdeführer hat im nunmehrigen Verfahren keine neuen Fluchtgründe vorgebracht. Vielmehr gab er bei der Erstbefragung an, dass, als die Taliban gekommen seien, alle geflohen seien und auch er geflohen sei – solange die Taliban dort seien, möchte er nicht zurück in die Heimat. In den Einvernahmen vor der belangten Behörde verneinte er die Frage, ob sich bezüglich der im ersten Verfahren angegebenen Asylgründe etwas geändert habe und er verneinte auch die Frage, ob es außer den im ersten Verfahren angegebenen Gründen noch weitere Gründe gebe (AS 33). Er stützte sich ganz überwiegend auf sein Begehren, gute Bildungsmöglichkeiten zu bekommen und führte im Übrigen die allgemein angespannte Situation hinsichtlich Bildung, Sicherheit, Rechte der Frauen und medizinischer Versorgung ins Treffen (AS 62).
Im ersten Asylverfahren hatte er ebenfalls das Verlassen seines Heimatlandes mit finanziellen Gründen und dem Wunsch nach Arbeit und einer Zukunft für sich begründet (Erstbefragung Akt zum Erstverfahren AS 15), in der Einvernahme vor der belangten Behörde im Erstverfahren hatte er ebenfalls ausgeführt, dass seit der Machtergreifung der Taliban „die Tore für Bildung geschlossen“ seien und dass der Wunsch nach Bildung ihn zur Ausreise bewogen hätte, zudem sei die Lage nach dem Sturz (Anm. der Regierung Ghani) sehr schlecht gewesen und er führte ein singuläres Ereignis, bei dem er und andere anlässlich eines Friseurbesuch geschlagen worden wären, ins Treffen (Akt zum Erstverfahren AS 75 und 76).
Seit dem rechtskräftigen Abschluss des vorhergehenden Asylverfahrens sind daher keine maßgeblichen Änderungen des Sachverhaltes oder der im gegenständlichen Fall anzuwendenden Rechtsvorschriften eingetreten.
Das „ergänzende Vorbringen“ in der Beschwerde, das tatsächlich ein erstmals erstattetes Vorbringen zu einer dem Beschwerdeführer schon vor seiner Ausreise aus Afghanistan von Taliban unterstellten Spionagetätigkeit und daraus in Form von Drohbriefen resultierenden Bedrohung ist, war ebenfalls nicht geeignet, zu einer anderen Beurteilung der Sachlage zu führen: Hierzu sei schon an dieser Stelle festgehalten, dass die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen hat, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden. Das – erstmals überhaupt in der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid erstattete – Vorbringen zu einer Bedrohung durch Taliban ist für die gegenständliche Entscheidung, ob entschiedene Sache vorliegt, irrelevant.
Unbeschadet dessen ist festzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdevorbringen samt vorgelegten Fotos von Drohbriefen keinen glaubhaften Kern zuzubilligen vermag – insbesondere, weil schon die Beschwerdebehauptung, dass der Beschwerdeführer dies im ersten Asylverfahren nicht vorgebracht hätte, weil er keine Beweismittel gehabt hätte und deshalb davon ausgegangen wäre, dass dieses Vorbringen keinen Sinn mache, nicht nachvollziehbar ist. Noch viel weniger nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer, der dem Beschwerdevorbringen nach „vor wenigen Monaten“ zwei Drohbriefe (diese datieren mit 05.07. 2024 und 19.08.2024, vgl. AS 187 und 189) erhalten hätte, dies mit keinem Wort im Rahmen des Verfahrens über seinen Folgeantrag erwähnt hätte – die Erstbefragung und die Einvernahmen vor der belangten Behörde liegen erst wenige Wochen zurück, der Beschwerdeführer wäre da also schon in Besitz der „Beweismittel“ gewesen. Dass der nicht nur im Erstverfahren, sondern auch nun, nachdem er am 19.02.2025 erneut einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt hatte, mit keinem Wort eine ihn konkret betreffende, schon vor seiner Ausreise aus Afghanistan bestanden habende Bedrohung durch Taliban, und auch Drohbriefe aus Juli und August 2024 völlig unerwähnt ließ, konterkariert wiederum die Beschwerdebehautpung, dass er dieses Vorbringen im ersten Verfahren überhaupt nicht erstattet hätte, weil er keine Beweismittel gehabt hätte – schließlich hat er es auch nun, nachdem er über Beweismittel verfügt hätte, im Folgeantragverfahren in der Erstbefragung und beiden Einvernahmen vor der belangten Behörde mit keinem Wort erwähnt.
Es sind zudem seit dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz in der Sache keine Änderungen in den im Fall anzuwendenden Rechtsvorschriften eingetreten.
Dass sich die individuellen Umstände des Beschwerdeführers seit dem rechtskräftig abgeschlossenen ersten Asylverfahren nicht entscheidungsrelevant geändert haben, ergibt sich daraus, dass sich weder hinsichtlich seiner persönlichen Eigenschaften, insbesondere seiner Gesundheit (und der sich daraus ergebenden Arbeitsfähigkeit) noch hinsichtlich seines familiären Netzes in Afghanistan im gegenständlichen Verfahren irgendwelche Änderungen hervorkaman.
2.4. Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen (siehe oben Punkt 1.4.) gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation in Afghanistan ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben und insbesondere für das BFA notorisch sind (Quellen der Staatendokumentation des BFA bzw. von UNHCR).
Dass sich seit der Erlassung des Bescheids vom 16.03.2024 in Afghanistan allgemein und für den gegenständlichen Fall relevant eine entscheidungswesentliche Lageveränderung ergeben hätte, kann in diesem Fall verneint werden. Die Lage in Afghanistan stellt sich seit der Machtübernahme der Taliban diesbezüglich im Wesentlichen unverändert dar, wie sich das erkennende Gericht durch ständige Beachtung der aktuellen Quellenlage (u. a. durch Einschau etwa in die aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation) versichert hat.
Die Verfahrensparteien haben diese Feststellungen nicht substantiiert bestritten.
2.5. Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem unstrittigen Akteninhalt. Dass er keine Verwandten in einem Mitgliedsstaat hat, ergibt sich aus seinen Angaben, nach denen lediglich ein Bruder in Großbritannien lebe. Dass er in Deutschland und in Österreich Freunde habe, gab er ebenso selbst an (Akt gegenständliches Verfahren AS 33). Dass der Beschwerdeführer weder in sprachlicher, noch in wirtschaftlicher oder sozialer Hinsicht bedeutsame Integrationsschritte gesetzt hat, ergibt sich ebenso aus dem Akteninhalt, der keinerlei Anhaltspunkte für eine wesentliche Verfestigung des Beschwerdeführers bietet. Insbesondere ergibt sich das Nichtvorliegen wesentlichen Integrationsleistungen aus einer Zusammenschau der Ausführungen zur Rückkehrentscheidung im Bescheid der belangten Behörde vom 16.03.2024 (vgl. insb. AS 174 im Akt des Erstverfahrens) mit den im gegenständlichen Verfahren gemachten Angaben des Beschwerdeführers, die keine Hinweise auf eine wesentliche Änderung der Situation seit dieser Entscheidung geben. Davon ging auch die belangte Behörde im nun angefochtenen Bescheid aus: „Bereits Vorverfahren wurde festgestellt, dass durch die Rückkehrentscheidung nicht unzulässig in Ihre Rechte nach Art. 8 EMRK eingegriffen wird.
Seither haben sich keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben. Vielmehr haben Sie Österreich selbstständig verlassen und reisten nach Deutschland. Seit Ihrer Rücküberstellung halten Sie sich erst wenige Wochen in Österreich auf. Es sind im Verfahren keine Hinweise hervorgekommen, die die getroffene Feststellung der Verhältnismäßigkeit der Rückkehrentscheidung nunmehr in Frage stellen würden.“ (vgl. Bescheid S. 67, AS 140) – die Beschwerde setzt dem nichts entgegen.
Dass der Beschwerdeführer sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren entzog, ergibt sich aus dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere dem Auszug aus dem IZR, den Mitteilungen der deutschen Behörden und den in beiden Bescheiden dargestellten, unbestritten gebliebenen Verfahrensgängen. Auch dies vermag die Beschwerde nicht zu entkräften – siehe dazu auch die Erwägungen unter Punkt 2.6..
2.6. Die Feststellungen zu den Gründen für die Erlassung eines Einreiseverbots, die deutlich zeigen, dass sich der Beschwerdeführer sowohl in Österreich als auch in Deutschland den asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren entzog, beruhen auf dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere dem Auszug aus dem IZR, den Mitteilungen der deutschen Behörden und den in beiden Bescheiden dargestellten, unbestritten gebliebenen Verfahrensgängen. Soweit die Beschwerde der belangten Behörde entgegenhält, dass der Beschwerdeführer aufgrund einer psychischen Überforderung damit, dass er mit Bescheid vom 16.03.2024 kein Aufenthaltsrecht erhalten hätte, in einer Art „Kurzschlussreaktion“ nach Deutschland weitergereist wäre, stellt sich dies, eine bloße Schutzbehauptung dar: Insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer bereits 2022, nachdem er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, nach Deutschland reiste, dort wieder einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, und sich so dem Verfahren in Österreich entzog und durch seine Rücküberstellung nach Österreich und dem hier weitergeführten Verfahren sehr wohl in Kenntnis über die Zuständigkeit Österreichs (und Nichtzuständigkeit Deutschlands) war, er also in diesem Wissen – und trotzdem ihm aus dem Bescheid vom 16.03.2024 seine Rückkehrverpflichtung nach Afghanistan bekannt war – wieder nach Deutschland reiste und, dort erneut am 15.04.2024 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte, kann von einer „Kurzschlussreaktion“ nicht mehr die Rede sein. Das insbesondere auch deshalb nicht, weil es ihm freigestanden wäre, auch dann noch (schließlich ist eine „Kurzschlussreaktion“ schon begrifflich ein zeitlich stark begrenztes Ereignis) nach Österreich zurückzukehren (einer Wiederaufnahme wurde ja noch am 16.04.2024 zugestimmt) bzw., wie angeordnet, seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen.
Beides tat der Beschwerde aber nicht – vielmehr entzog er sich (erneut) und galt in Deutschland als flüchtig, sodass er erst Monate später, nämlich im Februar 2025, nach Österreich überstellt werden konnte. Die Verhaltensweise des Beschwerdeführers – konkret, dass er sich mehrfach in Deutschland und in Österreich asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren entzog und immer wieder (unberechtigte) Anträge auf internationalen Schutz stellte – zeigt deutlich, dass sein Verhalten keineswegs mit einer „Überforderung“ zu erklären ist, sondern der Beschwerdeführer diese Handlungen bewusst setzte, um sich den Verfahren zu entziehen. In diesem Lichte ist den Erwägung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer seiner sich aus der bereits gegen ihn ergangenen Rückkehrentscheidung ergebenden Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen ist, er sich den Verfahren entzog, nicht gewillt ist, dem behördlichen Anordnungen Folge zu leisten und er nach Rückkehr aus Deutschland erneut einen (mangels Vorbringens eines neues entscheidungswesentlichen Sachverhalts) unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz stellte, und er aufgrund dieses Verhaltens eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt, beizupflichten.
Die Beschwerde geht insofern fehl, als sie behauptet, dass die belangte Behörde das Einreiseverbot (nur) auf den missbräuchlich gestellten Folgeantrag und das mangelnde neue Sachverhaltsvorbringen gestützt hätte – das trifft allerdings, wie dargestellt, nicht zu, vielmehr begründete die belangte Behörde das Einreiseverbot (zutreffend) damit, dass der Beschwerdeführer der Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachkam, sondern die Pflicht zur freiwilligen Ausreise ungenützt verstreichen habe lassen, er sich in Deutschland und Österreich Verfahren entzog und mit dem nun erlassenen Bescheid aufgrund der Zurückweisung wegen entschiedener Sache auch keine Frist für die freiwillige Ausreise mehr gesetzt werde. Insofern konnte die Beschwerde die Begründung der belangten Behörde nichts Tragfähiges entgegensetzen.
Die Beschwerde geht außerdem insoweit ins Leere, als sie ausführt, der Beschwerdeführer gehe davon aus, dass sein erstes Asylverfahren bis dato nicht rechtskräftig sei und somit auch keine rechtskräftige Ausreiseverpflichtung bestehe, außerdem durch die vorgelegten Drohbriefe (Anm. die wohlgemerkt erstmals in ebendieser Beschwerde eine Erwähnung finden) sehr wohl einen neuen, entscheidungswesentlichen Sachverhalt vorgebracht hätte: Zum einen ist auf die oben dargestellten, darüber hinausgehenden Gründe für das erlassene Einreiseverbot zu verweisen. Hinsichtlich des erstmals in der Beschwerde gegen den zurückweisenden Bescheid erstatteten Vorbringens zum Vorwurf der Spionage und zu Drohbriefen wird auf die Ausführungen unter Punkt 2.3. verwiesen – dieses Vorbringen hat er im Verfahren vor der belangten Behörde eben nicht erstattet, sondern erstmals im Beschwerdeverfahren. Unbeschadet dessen ist das Beschwerdevorbringen unschlüssig: Wäre der Beschwerdeführer, wie behauptet, tatsächlich davon ausgegangen, dass der eine Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz und eine Rückkehrentscheidung beinhaltende Bescheid der belangten Behörde vom 16.03.2024 nicht rechtskräftig wäre, dann hätte er nicht am 19.02.2025 in Österreich wieder einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, weil diese Antragsstellung unter der Prämisse eines noch anhängigen Beschwerdeverfahrens keinen erkennbaren Sinn gehabt hätte. Zudem hätte der Beschwerdeführer, wäre er davon ausgegangen, dass die gegen ihn mit Bescheid vom 16.03.2024 ergangene Entscheidung nicht rechtskräftig wäre, irgendwann einmal geäußert, dass er eben davon ausginge, dass das erste Verfahren noch offen wäre. Dies insbesondere deshalb, weil er vom Moment der (Folge-)Antragstellung an mehrfach mit dem rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens konfrontiert wurde: Bereits in der Erstbefragung wurde er darauf hingewiesen, dass sein Verfahren bereits rechtskräftig entschieden worden ist (AS 8), und vor der belangten Behörde wurde er sowohl in der Einvernahme vom 04.03.2025 als auch in jener am 26.03.2025 mehrfach und auch ausdrücklich auf den rechtskräftigen Abschluss des ersten Verfahrens hingewiesen (etwa AS 33: „Sie haben am 25.11.2022 einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen wurde. Warum stellen Sie einen neuen Asylantrag?“); außerdem wurde ihm auch die Verfahrensanordnung gem. § 29 Abs. 3 AsylG ausgehändigt, mit der ihm zur Kenntnis gebracht wurde, dass sein Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen werden wird. Vor diesem Hintergrund kann der Beschwerdebehauptung, er wäre davon ausgegangen, dass der Bescheid der belangten Behörde vom 16.03.2024 nicht rechtskräftig wäre, nicht gefolgt werden. Dass der Beschwerdeführer die rechtlichen Erwägungen, die in der Beschwerde ausgeführt sind (also: § 17 Abs. 7 AsylG in Zusammenschau mit VwGH 19.03.2013, 2011/21/0128) bereits selbst angestellt hätte, kann anhand seiner Angaben in den Einvernahmen vor der belangten Behörde ebenfalls nicht nachvollzogen werden – jedenfalls hat er derartiges in keiner Einvernahme geäußert, obwohl ihm mehrfach vorgehalten wurde, dass die belangte Behörde von einer entschiedenen Sache ausgeht.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchpunkt I. A)
3.1. Zur Rechtskraft des im ersten Verfahren ergangenen Bescheides der belangten Behörde vom 16.03.2024
3.1.1. Die Beschwerde geht davon aus, dass das „erstinstanzliche Verfahren“ (gemeint ist damit offenbar das Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers) noch nicht rechtskräftig sei, da der Beschwerdeführer, der am 21.03.2024 den Bescheid übernommen habe, in Deutschland binnen in Österreich offener Rechtsmittelfrist einen Asylantrag gestellt habe, bereits am 16.04.2024 sei ein Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands eingegangen. Dieser in Deutschland gestellte Asylantrag sei „im Rahmen der Analogie als „Beschwerde“ gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 16.03.2024 zu werten“. Nach § 17 Abs. 7 AsylG gelte ein in der Rechtsmittelfrist gestellter Antrag auf internationalen Schutz als Beschwerde; dies sei auch auf Anträge, die in einem anderen Mitgliedsstaat gestellt worden seien, anwendbar. Verwiesen werde auf VwGH 19.03.2013, 2011/21/0128, wonach ein in einem anderen Mitgliedsstaat gestellter Folgeantrag automatisch als neuer Antrag in Österreich gelte, ohne dass es eines nochmaligen Schutzersuchens in Österreich bedürfe. Aufgrund des in Deutschland gestellten, als Beschwerde gegen den Bescheid vom 16.03.2024 zu wertenden Asylantrags sei das „erstinstanzliche Asylverfahren“ des Beschwerdeführers nicht am 19.04.2024 in Rechtskraft erwachsen und sei in der Folge fortzusetzen.
3.1.2. § 17 Abs. 7 AsylG 2005 normiert, dass ein in der Rechtsmittelfrist gestellter weiterer Antrag auf internationalen Schutz als Beschwerde oder Beschwerdeergänzung gegen den zurückweisenden oder abweisenden Bescheid des Bundesamtes gilt.
Aus den erläuternden Bemerkungen (952 der Beilagen XXII. GP S. 44) ergibt sich zu § 17 Abs. 7 AsylG 2005, dass, wenn ein Asylwerber in der Berufungsfrist einen neuen Antrag stellt, dieser nicht als Folgeantrag behandelt wird, sondern als Berufung. Somit wird einerseits dem im österreichischen Recht nicht bewanderten Asylwerber der Zugang zur Berufungsinstanz erleichtert, andererseits der Behörde ein Werkzeug gegen fortlaufende Folgeanträge in die Hand gegeben.
Die Vorgängerbestimmung dazu, § 32 Abs. 5 AsylG 1997, normiert, dass ein Folgeantrag, der innerhalb der Berufungsfrist gestellt wird, als Berufung gewertet und als solche behandelt wird.
Aus den erläuternden Bemerkungen zur Vorgängerbestimmung des § 32 Abs. 5 AsylG 1997 (120 der Beilagen XXII. GP) ergibt sich: „Derzeit ist es durch das Einbringen mehrerer Asylanträge in der Folge möglich, auf unbestimmte Zeit im Bundesgebiet zu bleiben, da Asylwerber ab Stellung des Asylantrags auch dann für fremdenpolizeiliche Maßnahmen nicht in Frage kommen, wenn sie bereits ein Asylverfahren mit für sie negativem Ausgang durchlaufen haben. Daher wird im Konzept vorgeschlagen, Folgeanträge, die in der Rechtsmittelfrist gestellt werden, ex lege als Berufung zu werten und darüber hinaus bei Vorliegen einer rechtskräftigen abweisenden oder zurückweisenden Entscheidung die negative Entscheidung erster Instanz über weitere Anträge, die bis zu zwölf Monaten nach der ersten Entscheidung getroffen werden (res iudicata), vor Rechtskraft vollstreckbar zu machen. Dieses Konzept bietet auch nach einem bereits rechtskräftig negativen Bescheid die Möglichkeit, neue, Tatsachen vorzubringen und schließt damit den Zugang zum Asylverfahren nicht aufgrund einer früheren rechtskräftig negativen Entscheidung aus.“.
3.1.3. Das erkennende Gericht kommt zur Ansicht, dass die Regelung des § 17 Abs. 7 AsylG 2005 erkennbar nur auf in Österreich gestellte Anträge auf internationalen Schutz anzuwenden ist. Die erläuternden Bemerkungen zu § 17 Abs. 7 AsylG 2005 und auch jene zur Vorgängerbestimmung des § 32 Abs. 5 AsylG 1997 geben keinen Anhaltspunkt dafür, dass auch in anderen Mitgliedsstaaten während einer in Österreich noch offenen Rechtsmittelfrist gestellte (Folge-)Anträge auf internationalen Schutz als Beschwerde gegen vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erlassene Bescheide gelten sollte. Es ist nicht zu ersehen, dass die nationale Regelung des § 17 Abs. 7 AsylG auch in Fällen gelten sollte, in denen während in Österreich noch offener Rechtsmittelfrist in einem anderen Mitgliedsstaat ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wird.
3.1.4. Das erkennende Gericht verkennt nicht die Entscheidung VwGH 19.03.2013, 2011/21/0128, aus der sich ergibt: „Im Ergebnis besteht damit nach der Dublin II-Verordnung die Pflicht des auf- oder wiederaufnehmenden Staates, den in einem anderen Mitgliedstaat gestellten Asylantrag, und sei es auch ein "Folgeantrag", bei dem ohne vorherige Prüfung nicht beurteilt werden kann, ob neue Fluchtgründe geltend gemacht werden, ohne weiteres einer Prüfung zuzuführen. Diese hat - siehe Art. 2 lit. e Dublin II-Verordnung - "gemäß dem einzelstaatlichen Recht" zu erfolgen, was - aus österreichischem Blickwinkel - aber voraussetzt, dass ein Antrag auf internationalen Schutz bereits als gestellt gilt. Die Antragstellung (im Sinn des schon mehrfach erwähnten § 17 Abs. 1 AsylG 2005) markiert nämlich den formalen Beginn des Asylverfahrens. Nur einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann - von im gegebenen Zusammenhang nicht näher in Betracht kommenden Sonderfällen abgesehen - gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden. Vor diesem Hintergrund muss die Regelung des § 17 Abs. 1 AsylG 2005 in Dublinfällen aber als - ungewollt - lückenhaft verstanden werden, hatte der Gesetzgeber doch ohne Zweifel die Absicht, sein Asylverfahrensregime mit der Dublin II-Verordnung kompatibel zu gestalten. Diese planwidrige Unvollständigkeit ist gemäß der erwähnten Absicht zur Erfüllung der unionsrechtlichen Vorgaben so zu beheben, dass ein Asylantrag auch dann als gestellt anzusehen ist, wenn sich die Republik Österreich im Hinblick auf die ihr nach der Dublin II-Verordnung zukommende Zuständigkeit zur (Wieder-)Aufnahme eines Fremden bereit erklärt, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Asylantrag gestellt hat und der gemäß den einschlägigen Überstellungsmodalitäten (vgl. dazu allgemein Art. 7 Abs. 1 der Durchführungsverordnung zur Dublin II-Verordnung) nach Österreich gelangt ist. Eines (nochmaligen) Schutzersuchens bedarf es nicht.“
Dieser Entscheidung liegt aber eine andere Konstellation zugrunde, als sie im gegenständlichen Fall gegeben ist, nämlich die Verhängung der Schubhaft im Kontext einer Wiederaufnahme Österreichs nach der Dublin II Verordnung (nach in Österreich negativ abgeschlossenem Asylverfahren) und einem zwischenzeitlich in Irland gestellten Antrag auf internationalen Schutz. Dass zu dieser Konstellation getroffenen Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs auch in einem Fall wie dem gegenständlichen passend wären, ist für das erkennende Gericht nicht ersichtlich.
3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235).
Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen durfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).
Dem geänderten Sachverhalt muss Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).
Der Beschwerdeführer behauptete im gegenständlichen Verfahren ein solches Fortbestehen seiner bereits im Vorverfahren angegebenen Ausreisegründe und brachte somit keinen neuen Sachverhalt vor, sondern bekräftige lediglich einen Sachverhalt, über den bereits rechtskräftig abgesprochen wurde:
Die Prüfung der Fluchtgründe des Beschwerdeführers war Gegenstand des vorangegangenen abgeschlossenen Rechtsganges. Im Rahmen des dem rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 16.03.2024 war das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen in Hinblick auf dessen Wahrheits- bzw. Glaubhaftigkeitsgehalt und Asylrelevanz untersucht und letztlich abschließend beurteilt worden.
Der Beschwerdeführer hat im nunmehrigen Rechtsgang keine neuen Fluchtgründe vorgebracht, vielmehr hat er sich bei der Erstbefragung und den Einvernahmen vor der belangten Behörde auf die Fluchtgründe des Erstverfahrens bezogen. Auch brachte er keine seit Erlass des Bescheides im ersten Verfahren eingetretenen Änderungen hinsichtlich seines Privatlebens oder seiner Rückkehrsituation in Afghanistan vor.
Die maßgeblichen Gründe, die den Beschwerdeführer zum vormaligen Zeitpunkt zum Verlassen seines Heimatlandes bewogen haben mögen, haben sich daher seit seinem ersten Asylverfahren nicht verändert, und liegt seinem neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz derselbe Sachverhalt zugrunde wie zum Zeitpunkt des Verfahrens über seinen vorherigen Antrag auf internationalen Schutz.
Das Vorbringen im gegenständlichen Verfahren enthält somit keine neue Bedrohungssituation, die vor dem Abschluss des Vorverfahrens nicht gegeben gewesen wäre.
Die Zurückweisung durfte sich auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen – da die Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen hat, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind, und derartige Gründe im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden können, geht das Beschwerdevorbringen zu einer Verfolgung durch Taliban (unterstellte Spionagetätigkeit, Drohbriefe), zu dem er im verwaltungsbehördlichen Verfahren überhaupt kein Vorbringen erstattete, ins Leere.
Da sich somit insoweit weder die Sach- noch die Rechtslage seit dem rechtskräftigen Bescheid der belangten Behörde vom 16.03.2024 geändert hat, wies die belangte Behörde den Folgeantrag zu Recht hinsichtlich des Status des Asylberechtigten zu Recht nach § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides
Da sich der Antrag auf internationalen Schutz auch auf die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten richtet, sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, bei den Asylbehörden geltend zu machen, zumal nur sie dem Asylwerber diesen Schutzstatus zuerkennen können. Die zur Rechtslage des § 8 AsylG 1997 ergangene gegenteilige Rechtsprechung des VwGH (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 09.11.2004, 2004/01/0280, mwN) ist daher im Anwendungsbereich des AsylG 2005 nicht mehr zutreffend. Vielmehr sind für Folgeanträge nach dem AsylG 2005 die Asylbehörden auch dafür zuständig, Sachverhaltsänderungen in Bezug auf den subsidiären Schutzstatus einer Prüfung zu unterziehen (VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344-8).
Auch im Hinblick auf die Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ergab sich im gegenständlichen Fall kein neu entstandener relevanter Sachverhalt.
Unter Berücksichtigung der sowohl bereits im Zuge des rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahrens getroffenen, als auch der im gegenständlichen Folgeantragsverfahren von der belangten Behörde eingebrachten Länderfeststellungen ist weiterhin nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr „außergewöhnliche Umstände“ im Sinne einer Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK drohen würden, da die belangte Behörde die mit der Machtübernahme der Taliban im August 2021 einhergehenden Folgen auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan sowie die persönliche Situation des Beschwerdeführers berücksichtigt hat und zum Ergebnis gelangt ist, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Heimatregion nicht grundsätzlich ausgeschlossen erscheint und aufgrund seiner individuellen Situation insgesamt auch möglich ist. Ein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 und 3 EMRK wurde von der belangten Behörde daher nicht festgestellt.
Der Beschwerdeführer hat im Falle einer Rückkehr ein soziales Netz bzw. soziale Anknüpfungspunkte, seine Familie lebt in einer wirtschaftlich guten Situation. Darüber hinaus handelt es sich beim Beschwerdeführer um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann, der im Herkunftsstaat in der Lage sein wird, sich notfalls mit Hilfstätigkeiten ein ausreichendes Einkommen zu sichern. Es wäre daher nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Gefahr geraten würde, in eine hoffnungslose Lage zu kommen.
Da zusammengefasst keine Anhaltspunkte für eine maßgebliche Änderung des Sachverhalts im Hinblick auf die allgemeine Situation in Afghanistan bzw. sonstige allgemein bekannte Tatsachen, die von der belangten Behörde von Amts wegen zu berücksichtigen gewesen wären, vorliegen, und auch die individuellen Umstände des Beschwerdeführers in seinem Heimatland berücksichtigt wurden, ging die belangte Behörde richtigerweise davon aus, dass im gegenständlichen Fall eine relevante Sachverhaltsänderung seit dem rechtskräftigen Abschluss des letzten (inhaltlich abgeschlossenen) Asylverfahrens insgesamt nicht eingetreten ist, und wies den neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz folgerichtig auch hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurück.
Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.
3.4. Zu Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides:
Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG liegen nicht vor, wobei dies weder im Verfahren noch in der Beschwerde behauptet wurde. Der Beschwerdeführer befindet sich erst wieder seit Februar 2025 im Bundesgebiet, und sein Aufenthalt ist nicht geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt.
Daher war die Beschwerde gegen den Spruchpunkt III. gemäß § 57 AsylG als unbegründet abzuweisen.
3.5. Zu den Spruchpunkten IV. bis VI. des angefochtenen Bescheides:
3.5.1. Gemäß § 10 Abs. 1 AsylG sowie gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ein Aufenthaltstitel gem. § 57 von Amts wegen nicht zu erteilen ist.
Diese Bestimmungen sind auch bei der Zurückweisung eines Folgeantrags nach § 68 Abs. 1 AVG anzuwenden, da weiterhin eine rechtskräftige abweisende Entscheidung gemäß §§ 3 und 8 AsylG vorliegt (vgl. VwGH 19.11.2015, Ra 2015/20/0082). Dies gilt nur, sofern keine mit einem Einreiseverbot verbundene aufrechte Rückkehrentscheidung vorliegt oder neue Tatsachen im Hinblick auf ein Einreiseverbot hervorkommen oder entstehen (vgl. § 59 Abs. 5 FPG).
Wird durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung gem. § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens iS des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthalts und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl- Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung jedenfalls begründet, insbesondere darauf, ob diese auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.
Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie.
Der Beschwerdeführer hat weder in Österreich noch in einem anderen Mitgliedstaat Angehörigen oder Verwandte. Die Rückkehrentscheidung stellt daher keinen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Familienleben dar.
Das Recht auf Achtung des Privatlebens sichert dem Einzelnen zudem einen Bereich, innerhalb dessen er seine Persönlichkeit frei entfalten und erfüllen kann.
Bereits im ersten – mit am 21.03.2024 zugestellten Bescheid vom 16.03.2024 – wurde festgestellt, dass durch die Rückkehrentscheidung nicht unzulässig in die Rechte des Beschwerdeführers nach Art. 8 EMRK eingegriffen wird.
Seither haben sich – wie bereits die belangte Behörde zutreffend herausgearbeitet hat – keine entscheidungswesentlichen Änderungen ergeben. Vielmehr hat der Beschwerdeführer erneut Österreich verlassen ist nach Deutschland gereist, wo er, nachdem er am 15.04.2024 dort einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellte, in der Folge untertauchte und sich einer Rücküberstellung nach Österreich entzog, sodass diese erst am 19.02.2025 vollzoogen werden konnte. Seit seiner Rücküberstellung hält der Beschwerdeführer sich erst wenige Wochen in Österreich auf. Insgesamt ist nicht nur seine Aufenthaltsdauer in Österreich kurz, sondern ist auch in Beachtung seiner Aufenthalte in anderen Mitgliedsstaaten festzuhalten, dass der Beschwerdeführer sich insgesamt erst seit 25.11.2022 im Raum der Mitgliedstaaten – und innerhalb dieser ganz überwiegend in Deutschland und in Österreich – aufhält, sodass die Aufenthaltsdauer von knapp zweieinhalb Jahren sich als kurz erweist.
Die Ausweisung eines Fremden, dessen Aufenthalt lediglich auf Grund der Stellung von einem oder mehreren Asylanträgen besteht, und der weder ein niedergelassener Migrant noch sonst zum Aufenthalt im Aufenthaltsstaat berechtigt ist, stellt in Abwägung zum berechtigten öffentlichen Interesse einer wirksamen Einwanderungskontrolle keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privatleben dieses Fremden dar, wenn dessen diesbezüglichen Anträge abgelehnt werden, zumal der Aufenthaltsstatus eines solchen Fremden während der ganzen Zeit des Verfahrens als unsicher gilt (EGMR 08.04.2008, Nnyanzi, 21878/06).
Aus dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens liegen auch sonst keine Hinweise für eine derartige Integration bzw. Verfestigung vor, die einer Ausweisung im Hinblick auf Art. 8 Abs. 1 EMRK entgegenstehen würde:
Der Beschwerdeführer hält sich seit November 2022, sohin etwa seit zweieinhalb Jahren in Österreich und in Deutschland auf. Seit seiner letzten Überstellung nach Österreich hält er sich hier seit zwei Monaten auf. Er hat keine Verwandten in einem Mitgliedsstaat. In Deutschland und in Österreich hat er Freunde. Der Beschwerdeführer hat weder in sprachlicher, noch in wirtschaftlicher oder sozialer Hinsicht bedeutsame Integrationsschritte gesetzt. Es liegt bei ihm keine ausgeprägte und verfestigte entscheidungserhebliche, individuelle Integration vor.
Er entzog sich sowohl in Österreich als auch in Deutschland asyl- und fremdenrechtlichen Verfahren. Der Beschwerdeführer ist mit den Gepflogenheiten in Afghanistan vertraut. Er hat dort den weit überwiegenden und prägenden Teil seines Lebens verbracht, die Schule besucht, gearbeitet und hat dort ein großes und tragfähiges familiäres Netzwerk, in das er zurückkehren kann.
In Erwägung des öffentlichen Interesses an der Außerlandesschaffung und den nur sehr gering ausgeprägten gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib, ergibt sich in einer Gesamtabwägung, dass aufgrund der sehr kurzen Aufenthaltsdauer, die noch dazu aufgrund eines „unsicheren“ Aufenthaltsstatus´ wesentlich relativiert ist, der nicht gegeben bzw. allenfalls nur sehr rudimentär gegeben Integration in sprachlicher und sozialer sowie wirtschaftlichen Hinsicht, und der bestehenden Bindungen an den Herkunftsstaat, dass seinem Verbleib jedenfalls schwerer wiegende öffentliche Interessen entgegenstehen und der Beschwerdeführer eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellt (vgl. dazu die umfassenden Erwägungen zum Einreiseverbot).
Insgesamt ist daher die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen ihn in einer Gesamtbetrachtung der nach § 9 BFA-VG zu berücksichtigenden Umstände zulässig, geboten und verhältnismäßig. Die Rückkehrentscheidung ist zur Verwirklichung der in Art. 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele, namentlich der Verhinderung strafbarer Handlungen, des Schutzes der öffentlichen Ordnung, der Gesundheit sowie der Rechte und Freiheiten anderer, dringend geboten. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG stellt sohin keine Verletzung des Beschwerdeführers in seinem Recht auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art 8 EMRK dar und ist zurecht erlassen worden. Die von der belangten Behörde erlassene Rückkehrentscheidung ist daher nicht zu beanstanden.
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides war daher ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
Daher ist die Rückkehrentscheidung, wie bereits die belangte Behörde festhielt, zulässig. Eine Prüfung der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG hat zu unterbleiben, da die Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist (§ 58 Abs. 2 AsylG). Dem setzte auch die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid nichts entgegen.
3.5.2. Gem. § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gem. § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist gem. § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder 13 zur Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für Sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre. Dies liegt nicht vor.
Gem. § 50 Abs. 2 FPG ist eine Abschiebung auch dann unzulässig, wenn dem Fremden die Flüchtlingseigenschaft zukommen sollte. Wie bereits im Rahmen der Abweisung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides dargelegt, ergibt sich im Fall des Beschwerdeführers keine derartige Gefährdung. Verwiesen wird an dieser Stelle, um Wiederholungen zu vermeiden, auch auf die Ausführungen unter Punkt 2.3. der Beweiswürdigung hinsichtlich des erstmals im Beschwerdeverfahren erstatteten Vorbringens.
Gem. § 50 Abs. 3 FPG ist eine Abschiebung schließlich unzulässig, wenn die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ihr entgegenstehe. Eine solche vorläufige Maßnahme liegt nicht vor.
Es ist somit auszusprechen, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Voraussetzungen Ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist.
3.5.3. Gem. § 55 Abs. 1a FPG besteht im Fall einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Daher hat die belangte Behörde zu Recht von einer Erteilung einer Frist für die freiwillige Ausreise abgesehen.
3.5.4. Demnach war die Beschwerde auch hinsichtlich der Spruchpunkte IV. bis VI. abzuweisen.
3.6. Zu Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides (befristetes Einreiseverbot auf die Dauer von zwei Jahren):
Gemäß § 53 Abs. 1 FPG kann vom Bundesamt mit Bescheid mit einer Rückkehrentscheidung ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitpunkt nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten einzureisen und sich dort aufzuhalten.
Gemäß § 53 Abs. 2 FPG ist ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen miteinzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.
Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stellt der bloße unrechtmäßige Aufenthalt nach dem System der Rückführungs-Richtlinie noch keine derartige Störung der öffentlichen Ordnung dar, dass dies immer die Erlassung eines Einreiseverbots gebieten würde. Es ist daher davon auszugehen, dass gegebenenfalls, wenn sich das Fehlverhalten des Drittstaatsangehörigen auf den unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet beschränkt und fallbezogen ausnahmsweise (etwa auf Grund seiner kurzen Dauer oder der dafür maßgebenden Gründe) nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens darstellt, überhaupt kein Einreiseverbot zu verhängen ist (VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237; 16.11.2012, 2012/21/0080).
Gegenständlich hat die belangte Behörde das auf die Dauer von zwei Jahren befristete Einreiseverbot darauf gestützt, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gegeben sei und stützte sich auf Art. 11 der Rückführungsrichtlinie, wonach Rückkehrentscheidungen mit Einreiseverboten einhergehen, falls keine Frist für die freiwillige Ausreise eingeräumt wurde oder falls der Rückkehrverpflichtung nicht nachgekommen wurde.
Die belangte Behörde stützte die Annahme einer vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit auf mehrere in konkreten Fall vorliegende Faktoren, die auch das Bundesverwaltungsgericht als gegeben ansieht (verwiesen wird an dieser Stelle, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die Feststellungen unter Punkt 1.6. und auf die beweiswürdigenden Erwägungen unter Punkt 2.6.) – insbesondere ist das von der belangten Behörde erlassene Einreiseverbot (zutreffend) damit begründet, dass der Beschwerdeführer der Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachkam, sondern die Pflicht zur freiwilligen Ausreise ungenützt verstreichen ließ, er sich in Deutschland und Österreich Verfahren entzog und mit dem nun erlassenen Bescheid aufgrund der Zurückweisung wegen entschiedener Sache auch keine Frist für die freiwillige Ausreise mehr gesetzt wurde.
Das Bundesverwaltungsgericht tritt den Erwägungen der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet bei – wie bereits unter den Punkten 1.6. und 2.6. dargestellt, ist dem Beschwerdeführer deswegen, weil er seiner der Ausreise- bzw. Rückkehrverpflichtung nicht nachkam, sondern die Pflicht zur freiwilligen Ausreise ungenützt verstreichen ließ, er sich in Deutschland und Österreich Verfahren entzog, er in Deutschland zuletzt untertauche (arg. “flüchtig“, vgl. Note des BAMF vom 08.10.2024), er unbegründete Anträge auf internationalen Schutz stellte und mit dem nun erlassenen Bescheid aufgrund der Zurückweisung wegen entschiedener Sache auch keine Frist für die freiwillige Ausreise mehr gesetzt wurde, in konkreten Einzelfall eine gravierende Störung der öffentlichen Ordnung anzulasten, die die Erlassung eines Einreiseverbots rechtfertigt. Aufgrund des gehäuften Fehlverhaltens des Beschwerdeführers (das sich insbesondere in der zweimaligen Ausreise nach Deutschland, der Ignorieren der Ausreiseverpflichtung, und dem lange „Untertauchen“ in Deutschland nach Zustimmung zur Wiederaufnahme durch Österreich manifestiert) liegt im konkreten Fall nicht nur eine geringfügige Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung vor, sondern geht vom Beschwerdeführer eine gravierende Störung derselben aus. Es liegen auch keine humanitären Gründe vor, aus denen vom Erlass eines Einreiseverbots abgesehen werden müsste (vgl. hierzu auch Punkt 3.5.). Das von der belangten Behörde erlassene Einreiseverbot ist daher dem Grunde nach gerechtfertigt.
Bei der Entscheidung über die Länge des Einreiseverbotes ist die Dauer der vom Fremden ausgehenden Gefährdung zu prognostizieren; außerdem ist auf seine privaten und familiären Interessen Bedacht zu nehmen (VwGH vom 15.12.2011, Zl. 2011/21/0237 und vom 20.12.2016, Ra 2016/21/0109). Bei der Bemessung des Einreiseverbotes ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwGH vom 07.11.2012, Zl. 2012/18/0057).
Es wurde von der belangten Behörde bei einem bis zu fünfjährigen Rahmen (§ 53 Abs. 2 FPG) ein Einreiseverbot in der Dauer von zwei Jahren verhängt.
Beachtlich ist für die anzustellende Prognose neben dem sich bereits in der Vergangenheit manifestiert habenden Fehlverhalten des Beschwerdeführers (siehe oben), dass der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren, als ihm seitens der belangten Behörde in der Einvernahme am 26.03.2024 ganz konkret vorgehalten wurde, dass er der behördlichen Anordnung, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten zu verlassen, nicht nachgekommen ist und, da ihm keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde, auch beabsichtigt sei, gegen ihn ein zweijähriges Einreiseverbot zu erlassen, angab: „Dann bin ich gezwungen, nach XXXX zu reisen, da ist mein Bruder. Mir gefällt Europa, ich möchte hierbleiben.“ (AS 63), worin sich das Fortbestehen seines Unwillens, einer Ausreiseverpflichtung nachzukommen, ausdrückt. Es ist daher aufgrund der konkret auf den Beschwerdeführer bezogenen Gefährdungsprognose anzunehmen, dass er nicht nur in der Vergangenheit eine Störung der öffentlichen Ordnung verursachte, sondern auch davon auszugehen ist, dass er diese Störung der öffentlichen Ordnung fortsetzen wird.
In Anbetracht dessen, dass der Beschwerdeführer keine ausgeprägten der privaten und familiären Bindungen zu Österreich oder einem anderen Mitgliedstaat hat (auf die Erwägungen im Rahmen der Rückkehrentscheidung wird an dieser Stelle verwiesen) ist angesichts der Schwere der von ihm ausgehenden und auch pro futuro anzunehmenden Störung der öffentlichen Ordnung, die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Dauer von zwei Jahren als angemessen und verhältnismäßig, zudem erforderlich, um weitere Störungen der öffentlichen Ordnung weitestgehend vorzubeugen, da die von ihm ausgehende Gefährdung für einen solchen Zeitraum zu prognostizieren ist. Angesichts dessen ist der Erlass eines auf die Dauer von zwei Jahren befristeten Einreiseverbots nicht nur geboten, sondern erscheint in dieser Dauer auch angemessen.
Es war daher auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.
3.7. Angesichts der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts binnen Wochenfrist und dem Verfahrensausgang erweist sich eine Auseinandersetzung mit der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde im gegenständlichen Fall als obsolet.
3.8. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Gemäß § 24 Abs. 1 des VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Nach Abs. 4 leg. cit. kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010, S. 389 (2010/C 83/02), entgegenstehen.
Dem Bundesverwaltungsgericht liegt kein Beschwerdevorbringen vor, das mit dem Beschwerdeführer mündlich erörtert hätte werden müssen. Die Ausführungen in der Beschwerde sind daher nicht geeignet, erheblich erscheinende neue Tatsachen oder Beweise (vergleiche § 10 VwGVG) darzustellen und eine Verhandlungspflicht auszulösen. Da der entscheidungsrelevante Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entgegen dem Parteienantrag eine mündliche Verhandlung somit unterbleiben.
Zu Spruchpunkt B) Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird. Im gegenständlichen Fall ist die Revision zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Auslegung des § 17 Abs. 7 AsylG fehlt, insbesondere, zur Frage, ob auch ein in einem anderen Mitgliedstaat binnen offener Rechtsmittelfrist gestellter weiterer Antrag auf internationalen Schutz in Österreich dergestalt gelten soll, dass dieser gem. § 17 Abs. 7 AsylG als Beschwerde gegen den abweisenden Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gilt.