Spruch
W186 2247421-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. PUTZER über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2021, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 30.09.2020 stellte der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Bangladesch, in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Im Rahmen der am 01.10.2020 durchgeführten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, er habe politische Gegner gehabt. Er sei Mitglied der BNP gewesen. Bei seiner Rückkehr würden seine Gegner ihn töten.
3. Am 09.04.2021 fand eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt. Im Zuge dessen führte der Beschwerdeführer zu den Gründen für die Stellung des gegenständlichen Antrags im Wesentlichen aus, dass er als Mitglied der BNP wegen „falscher Anschuldigungen“ verfolgt werde; er sei von 2006 bis 2018 Mitglied der BNP gewesen. Er habe Problem mit Mitgliedern der AL gehabt. Wenn er nicht nach Österreich gekommen wäre, wäre er umgebracht worden.
4. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V.) und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend kam die Behörde im Wesentlichen zu dem Ergebnis, dass die behauptete Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung nicht glaubhaft gemacht wurde und führte dies im Einzelnen aus.
5. Dagegen richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 14.07.2021, in welcher der Beschwerdeführer im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt
6. Sowohl am 29.05.2024 als auch am 24.09.2024 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, in welcher der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen und seinem Privat-, und Familienleben befragt wurde. Der Verhandlung am 24.09.2024 war ein Zeuge beigezogen.
7. Zu Beginn der ersten Verhandlung legte der Beschwerdeführer wurde der Beschwerdeführer gefragt, warum er nicht nach Bangladesch zurückkehren könnte. Dazu gab er an, er sei eine homosexuelle Person und wenn man im Heimatland davon erführe, würde er misshandelt werden. Mullah-Gruppen würden ihn töten. Er wisse seitdem er 13 oder 14 gewesen sei, dass er homosexuell sei. In weiterer Folge schilderte der Beschwerdeführer, dass er vor seiner Ausreise ein intimes Verhältnis mit einem anderen jungen Mann gepflogen hätte. Er sei damals 17/18 Jahre gewesen, als die Leute davon etwas bemerkt hätten. Insbesondere der Bruder seines Freundes habe den Beschwerdeführer aufgefordert, seinen Freund nicht mehr zu treffen. Der Beschwerdeführer habe seinen Freund dennoch getroffen und sie seien vom Bruder des Freundes aufgespürt worden. Der Bruder war in Begleitung anderer Leute zu dem betreffenden Platz gekommen. Der Beschwerdeführer sei geflüchtet, er sei nicht mehr in sein Dorf zurückgekehrt. Seine Mutter habe beschlossen, dass er aus Bangladesch fortgehen solle.
Befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er in Österreich derzeit keinen Freund habe, mit dem er eine intime Beziehung führte. Er hab aber einmal jemanden kennengelernt (der Beschwerdeführer schilderte die Umstände und räumlichen Gegebenheiten). Die betreffende Person sein aber nicht mehr in Österreich.
In der Verhandlung am 24.09.2024 schilderte der Beschwerdeführer seinen Umgang mit seiner sexuellen Orientierung. Auf die Frage, wann er in Österreich das erste Mal von seiner Homosexualität erzählt habe, gab er an:
„R: Wann haben Sie zum ersten Mal über Ihre Homosexualität in Ö gesprochen?
BF: Ich hatte ja keine bengalische Community da. Als ich nach Wien kam, habe ich jemanden kennengelernt, der mir gesagt hat, dass ich dahingehen kann. Dort würde man mir Sicherheit geben.
R: Was meinen Sie mit „dahin“?
BF: Ich war am Karlsplatz auf einem Stand und dort habe ich geholfen, dafür habe ich etwas zum Essen bekommen.
R: Wohin hat Sie der jemand, den Sie kennengelernt haben verwiesen?
BF: Nirgends hat er mich hingeschickt. Er hat mir gesagt, dass ich zu einer Stelle namens „QueerBase“ gehen kann, die mir dann helfen würde.
R: Wann war denn das ungefähr?
BF: Etwa mehr als vier oder fünf Monate, nachdem ich nach Wien gekommen bin.
R: Sie haben mit Schreiben vom 14.07.2021 eine Beschwerde eingebracht, stimmt das?
BF: Was bedeutet „Beschwerde“?
R: Eine Beschwerde bedeutet ein „Protest“ gegen die Entscheidung der Asylbehörde. Deshalb sitzen Sie heute hier. Können Sie sich daran erinnern?
BF: Nein, ich kann mich daran nicht erinnern.
R: Kennen Sie eine Frau namens Mag. Elisabeth Kabon?
BF: Darf ich meine Geldtasche herausholen?
R: Ja, wenn es hilft.
BF: Ich glaube das hat man mir gegeben (BF reicht Visitenkarte)
BFV: Nein, das ist nicht gemeint.
R: Meine Frage ist: Sie sitzen hier, weil Sie eine schriftliche Beschwerde gemacht haben. Wer hat das geschrieben und was haben Sie dazu beigetragen?
BF: Die Anklageschrift, die ich eingebracht habe?
R: Ja.
BF: Ich kann mich nicht genau erinnern.
R: Warum können Sie sich nicht daran erinnern? Das ist ja sehr wichtig für Ihr Verfahren.
BF: Wenn ich an viel Schriftliches denke, dann erinnere ich mich an die früheren Sachen und mein Kopf schmerzt.
BFV bittet um eine zweiminütige Unterbrechung, um sich mit dem BF zu besprechen.
RV ersucht um Akteneinsicht, da er die Beschwerde nicht kennt. Akteneinsicht wird gewährt. Nach der Besprechung wird der BF nochmals zu seinen Erinnerungen zur Beschwerdeerhebung befragt.
R: Woran erinnern Sie sich?
BF: Ich war nur einmal dort mit meinem „Appeal“- Unterlagen. Ich wurde nur ganz kurz etwas gefragt und dann wieder weggeschickt, man hat mir keinen Wert zugesprochen.
R: Verstehe ich das richtig, dass Sie zum ersten Mal offiziell über Ihre Homosexualität in der ersten Verhandlung hier gesprochen haben?
BF: Ja.
R: Warum erst hier?
BF: Als ich letztes Jahr von meinem Anwalt die Unterlage bekommen habe und davon erfahren habe, habe ich ihm Unterlagen von mir gegeben.
R: War das dieser Anwalt (der heutige BFV)?
BF: Ein Anwalt vom Verein. Es ist der heutige anwesende Anwalt.
R: Bis Sie die Unterlagen bekommen haben, also von uns die Ladung, haben Sie nie daran gedacht von sich aus zu erzählen?
BF: In Bangladesch kann ich das ja gar nicht sagen.
R: Ich meine in Ö. Waren Sie nicht nervös, dass man nicht auf Ihr eigentliches Vorbringen eingehen könnte solange Sie es nicht sagen?
BF: Natürlich war ich in Angst, deswegen weiß es keiner. Aber als ich gerufen wurde 2023 nach meinem „Appeal“, ich denke es war der 17.05. habe ich meine Unterlagen hier vorgelegt und da haben Sie gesagt, dass Sie das Interview nicht machen werden.
R erklärt dem BF die Rechtslage.
R: Wer in Ö weiß aller von Ihrer Homosexualität?
BF: Die von der QueerBase und meine bengalischen Freunde, mit denen ich auch fortgehe und gemeinsam feiere.
…]
R: Wer in Bangladesch weiß von Ihrer sexuellen Orientierung?
BF: Mein Freund, mit dem ich eine Beziehung hatte, namens XXXX . Und es wussten zwei/drei Freunde von mir Bescheid.
R: Und von der Familie?
BF: Von der Familie nur meine Mutter.
BF legt weitere Fotos von einer Veranstaltung vor, auf denen er zu sehen ist. Die Fotos zeigen Symbole mit der Regenbogenflagge.
RV: Das war das Fest von Hosi Wien.
R: Beim letzten Mal haben Sie gesagt, Sie haben keinen Freund. Ist das immer noch so?
BF: Also einen fixen Freund habe ich nicht, nur dass ich mit ihm ein/zwei Mal intim war.
R: Also da gibt es jemanden?
BF: Ja, aber nicht dauerhaft.
R: Ist das ein Österreich in Wien lebender Mann?
BF: Ja.
R: Wie heißt er?
BF: Sein Name ist … ich kenne ihn unter den Namen Jaman.
BF zeigt wiederum eines der vorigen Fotos und meint es handelt sich um den jungen Mann im Vordergrund der einen Becher mit Bier in der Hand hält.
R: Ist er auch aus Bangladesch?
BF: Ja.
R: Sie haben bei der letzten Verhandlung auch erzählt, dass das Thema Sexualität für Sie sehr wichtig war. Können Sie sich daran erinnern?
BF: Ja, ich kann mich daran erinnern.
R: Haben Sie sich jemals auch für Frauen interessiert?
BF: Schüttelt abwehrend den Kopf und sagt nein.
R stellt fest, dass diese Antwort sehr spontan erfolgt ist.
R: Woran würde jemand erkennen, dass Sie homosexuell sind in Bangladesch?
BF: An was erkennen? Wenn ich mit Freunden zu sehr intim werde oder ausweiche. …]
R: Was bedeutet „QueerBase“ für Sie?
BF: Ich verstehe nicht.
R wiederholt die Frage.
BF: Ich fühle mich dort sehr wohl. Es gefällt mir gut dort, es gibt auch viele Freunde und auch Bengalen. Wir homosexuelle können dort zusammen sein.“
Im Lauf der Verhandlung wurde ### als Zeuge befragt; die Befragung verlief im Wesentlichen wie folgt:
„R: Waren Sie schon einmal in diesem Gericht als Zeuge?
Z: Ja, ich war schon für andere Klienten als Zeuge da, beim BVwG.
R: Können Sie uns erzählen, woher die anderen Klienten ursprünglich kommen?
Z: Zusammengefasst aus unterschiedlichen Herkunftsstaaten, z.B. aus arabischen Länder, aus der russischen Föderation, aus Bangladesch, aus dem mittleren Osten. Weiters haben wir viele Klienten es heißt ja auch LGBTIQ+, also Lesben, generell Queer Personen, Transpersonen…
R: Können Sie darüber etwas sagen, ob auch Personen erscheinen, die fälschlicherweise sich als LGBTIQ+ Person ausgeben, etwa um Vorteile im Asylverfahren zu erlangen?
Z: Wir führen in jeden Fall ein Clearing-Verfahren durch, um sicher zu sein, dass die Person einer Target-group angehört.
R: Wie funktioniert dieses „Clearing“?
Z: Sexuelle Orientierung ist ein schwierig festzustellender Umstand. Es handelt sich um einen Prozess des „Coming-out“. Daher sind alle Personen, die bei uns arbeiten selber Queer-Personen. Es ist sehr wichtig, dass wir eine sichere Umgebung schaffen. Damit Personen sich trauen offen zu sprechen, denn sie stammen oft aus Gesellschaften, wo das nicht möglich ist. Wir schaffen einen „Open-Space“ indem ein Coming-out Prozess möglich ist. Wir sprechen mit den Personen über ihre emotionale Lage, was es bedeutet Queer zu sein und ihre Erfahrungen seit ihrer Kindheit. Es ist sehr wichtig, dass wir den Klienten vermitteln, dass sie hier frei darüber sprechen können, wer sie sind und was ihre Sexualität ist ohne dass sie verurteilt werden oder ins Gefängnis kommen. Dass sie in einen Prozess dorthin kommen, was wirklich ihrer Identität entspricht.
R: Können Sie den zeitlichen Rahmen angeben, den sie benötigen um feststellen zu können ob eine Person einer Target-Group angehört?
Z: Das hängt vom jeweiligen Klienten und deren Herkunftsland ab. Manche sind offener, manche nicht.
R: Wie ist es mit Bangladesch?
Z: Ja, gerade bei Bangladesch dauert es meistens länger. Sie benötigen mehr Zeit um zu verstehen, dass ihre Identität hier nicht kriminell ist.
R: Ist es schon einmal vorgekommen, dass eine Person aus Bangladesch oder z.B. Afghanistan fälschlicherweise angegeben hat eine LGBTIQ-Person zu sein um Vorteile im Asylverfahren zu haben?
Z: Ja, es kommt vor, dass nach dem ersten Clearing Zweifel auftreten. In so einem Fall wird das an das Team weitergegeben und es findet ein zweites Clearing mit einer anderen Person im Beisein eines Rechtsberaters statt. Es ist aber zu beachten, dass es manchmal länger dauert und es eine Zeitfrage ist, bis sich eine Person öffnen kann. Daher haben wir auch unsere Community z.B. jeden Donnerstag von 6-8 Uhr das QueerBase Café. Diese Gemeinschaft ist deshalb so wichtig, weil Asylsuchende oftmals nicht die Mittel oder die Information haben, die sonst mit anderen auszutauschen. Hier bei der QueerBase haben sie diese Möglichkeit und sehen, dass andere so sind wie sie und dass das auch normal ist und andere ähnliche Erfahrungen haben.
R: Seit wann gibt es QueerBase?
Z: Seit Juni 2015. Es war zuerst ein kleines Team von fünf Personen und jetzt sind wir fast 15 Personen.
R: Können Sie etwas über den heutigen BF erzählen?
Z: Ich war seine erste Anlaufstelle. Ich habe ihn dann in die Warteliste gegeben, nachdem er sich registrieren ließ. Wir haben sehr viele Klienten, daher eine Warteliste. QueerBase hat drei Unterteilungen eine juristische, eine soziale und eine „Community and Integration“. IN seinem Fall war die Community sehr wichtig, weil er keinen Bedarf an GVS hatte und juristisch anderweitig betreut worden ist. Die Community ist wichtig für ihn, um ihm zu zeigen, wie Queer-Personen in Wien leben. Zu seinem Fall möchte ich sagen, dass er von Anfang an seit 2023 sehr engagiert war, aktiv am Queer Café und an anderen Veranstaltungen teilnimmt, etwa an der Pride.
R: Haben Sie jemals Zweifel an seiner Homosexualität gehabt?
Z: Nein. Es war mir klar, dass der BF homosexuell ist, weil er immer sehr gut mit den anderen LGBTIQ Personen kommuniziert hat und sich in diese Gruppe sehr gut integriert hat. Anhand seiner Kommunikationsweise bin ich mir sicher, dass der BF homosexuell ist.“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird den Feststellungen zugrunde gelegt.
Zur Person und zu den Fluchtgründen/Rückkehrbefürchtungen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bangladesch und Moslem. Er gehört der Volksgruppe Bengalen an. Seine Muttersprache ist Bengali/Bangla.
Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und stellte am DD den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Seitdem hält er sich durchgehend im Bundesgebiet auf.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer ist homosexuell und fühlte sich bereits während der Pubertät zu anderen Männern hingezogen. demgegenüber war er nie in ein Mädchen verliebt. Der Beschwerdeführer hatte bereits in Bangladesch homosexuellen Geschlechtsverkehr. Nach seiner Ankunft in Österreich nahm der Beschwerdeführer Beratung sowie Freizeitangebote durch den Verein in Anspruch. Er ist mit anderen homosexuellen Personen befreundet und wurde auch in Österreich mit anderen Männern intim. Der Beschwerdeführer lebt seine Homosexualität in der Öffentlichkeit aus. Die sexuelle Orientierung des Beschwerdeführers ist Freunden von ihm in Österreich bekannt.
Dem Beschwerdeführer drohen im Fall der Rückkehr in seinem Herkunftsstaat Bangladesch psychische und physische Bedrohungen von erheblicher Intensität aufgrund seiner sexuellen Orientierung.
Zum Herkunftsstaat:
Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation Bangladesch (Version 4, Stand 05.07.2021):
Relevante Bevölkerungsgruppen
SOGI - Sexuelle Orientierung und Genderidentität
Letzte Änderung: 16.06.2021
Frauen führen beide großen politischen Parteien an. Nichtsdestotrotz schränkt die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen, wie auch von LGBTI Personen, ihre Beteiligung an der Politik in der Praxis ein. Marginalisierte Gruppen sind in der Politik und in staatlichen Behörden weiterhin unterrepräsentiert. Für Transgender-Personen gibt es eine gewisse rechtliche Anerkennung, obwohl sie in der Praxis stark diskriminiert werden. Im Jahr 2019 bewarben sich mehrere Transgender-Frauen um die für Frauen reservierten Sitze im Parlament. Keine wurde gewählt (FH 3.3.2021). Zwar wurde 2019 erstmals eine Vertreterin der Hijras ins Parlament gewählt (AA 21.6.2020), aus der indischen Perspektive gesehen, sind Hijras jedoch keine Transgender , sondern Cisgender (Syed, R. o.D.).
Homosexuelle Handlungen sind illegal und können wegen „Geschlechtsverkehr entgegen der natürlichen Ordnung“ nach § 377 des „Bangladesh Penal Code, 1860“ (BPC) mit lebenslangem Freiheitsentzug (HRW 13.1.2021; ILGA 12.2020), mit einer Haftstrafe von bis zu zehn Jahren, inklusive der Möglichkeit einer Geldstrafe, bestraft werden (ILGA 12.2020; vgl. AA 21.6.2020). Traditionell tendiert die Bevölkerung zu einer gemäßigten Ausübung des Islam, die Sexualmoral ist allerdings konservativ (ÖB 9.2020). Druck und Einschüchterung durch islamistische Gruppen schränken auch Aktivitäten von NGOs zu einigen Themen wie LGBTI Rechte ein (FH 3.3.2021).
Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft (Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender und Intersex) erhielten Drohbotschaften per Telefon, SMS und über soziale Medien und berichten, dass die Polizei das Gesetz als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen sowie feminine Männer, unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung, zu schikanieren (USDOS 30.3.2021; vgl. AA 21.6.2020).
Homosexualität ist gesellschaftlich absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt. Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zum Mord zu rechnen (ÖB 9.2020; vgl. HRW 14.1.2020). Ein strafrechtliches Verbot gleichgeschlechtlicher Beziehungen wird selten durchgesetzt, aber gesellschaftliche Diskriminierung bleibt die Norm, und jedes Jahr werden dutzende Angriffe LGBTI- Personen gemeldet. Nach der Ermordung von Xulhaz Mannan, einem prominenten LGBTI Aktivisten, durch militanten Islamisten im Jahr 2016 befinden sich einige LGBTI Personen im Exil (FH 3.3.2021).
Bei einem durch das Human Rights Forum Bangladesh (HRFB) eingereichten Bericht beim UN-Ausschuss gegen Folter vom 29.6.2019 wurden für den Zeitraum 2013 bis 2018 insgesamt 434 Beschwerden wegen schikanöser Behandlungen oder Misshandlungen angeführt. Davon betrafen 294 Fälle Angriffe gegen Angehörige sexueller Minderheiten (HRFB 22.6.2019).
Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten "Hijras", Eunuchen und Personen mit unterentwickelten oder missgebildeten Geschlechtsorganen. Diese Gruppe ist aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und massiver gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 21.6.2020). Obwohl die Regierung mit der Anerkennung von Hijras als drittes Geschlecht einen wichtigen Schritt getan hat, blieb es in der Praxis für Hijras schwierig, Zugang zu medizinischer Versorgung und anderen staatlichen Dienstleistungen zu erhalten, ein Problem, das sich während der Covid-19-Pandemie noch verschärfte (HRW 13.1.2021). Auch wenn sie eine anerkannte Rolle in der Gesellschaft Bangladeschs innehaben und viele Hijras in klar definierten und organisierten Gemeinschaften leben, die sich seit Generationen erhalten haben, bleiben sie trotzdem marginalisiert (DFAT 22.8.2019; vgl AA 21.6.2020). Die Regierung verabsäumte es, den Schutz der Rechte von Hijras ordnungsgemäß durchzusetzen (HRW 13.1.2021).
LGBT-Organisationen, insbesondere für Lesben, sind selten (USDOS 11.3.2020). Es gibt keine NGO für sexuelle Orientierung und Geschlechteridentität in Bangladesch, dafür aber NGOs wie „Boys of Bangladesh“, die „Bhandu Social Welfare Society“ und Online-Gemeinschaften wie „Roopbaan“, das lesbische Netzwerk „Shambhab“ und „Vivid Rainbow“ (ILGA 3.2019).
Die Nationale Menschenrechtskommission bildet ein Komitee, das sich mit Fragen für marginalisierte Gruppen, einschließlich Transgender, befasst, und der Nationale Lehrplan- und Schulbuchausschuss von Bangladesch stimmte zu, Fragen des dritten Geschlechts in den Lehrplan der Sekundarschule aufzunehmen (HRW 13.1.2021). Im September 2020 kündigte das staatliche Statistikamt Bangladesch an, dass die Volkszählung 2021 Hijra als Kategorie des „dritten Geschlechts“ einschließen wird (USDOS 30.3.2021).
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben mittels Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, durch Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor dieser und dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des bekämpften Bescheides und des Beschwerdeschriftsatzes.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu Herkunft, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, Staatsangehörigkeit sowie Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich gleichbleibenden und daher glaubhaften Angaben vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, der belangten Behörde und in dem Beschwerdeschriftsatz. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.
Einreise, Antragstellung und Aufenthalt der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ergeben sich aus der Aktenlage und sind unbestritten.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister (vgl. Strafregisterauszug vom 09.09.2024).
2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer gab in der Erstbefragung zum gegenständlich Antrag auf internationalen Schutz an, dass er aus politischen Gründen außerhalb von Bangladesch sei. Bei seiner Einvernahme durch die Behörde bezog sich der Beschwerdeführer erneut auf seine politische Gesinnung und die Probleme, die er von der generischen Seite erführe.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte der Beschwerdeführer erstmals sein Vorbringen über seine Homosexualität und legte nachvollziehbar dar, dass er bereits während der Pubertät zu einem anderen Jungen intimen Kontakt gehalten hat. Der Beschwerdeführer hatte nach seinen überzeugenden Schilderungen auch bereits in Österreich sexuelle Kontakte zu anderen Männern und lebt seine sexuelle Orientierung aus. Er nimmt aktiv an …. „Queer Base“ teil.
In diesem Zusammenhang bleibt zu erwähnen, dass der BF, entsprechend den im gerichtlich Verfahren vorgelegten Unterlagen vom 25.05.2023, die Anlaufstelle „Queer Base“ seit dem 30.03.2023 in Anspruch genommen hat. Aus den weiteren Unterlagen dieses Vereines kann geschlossen werden, dass der BF entsprechende Beratungen in Anspruch genommen hat, die es ihm mittlerweile ermöglichen sich zu seiner Homosexualität zu bekennen und darüber zu sprechen.
Dass der BF nach relativ kurzer Zeit seiner Ankunft in Österreich Kontakt zum Verein „Queer Base“ aufgenommen hat und dort an entsprechenden Beratungsgesprächen teilgenommen hat, ergibt sich, wie bereits oben ausgeführt, aus den entsprechend vorgelegten Unterlagen. Des weiteres geht aus den vor dem BVwG gemachten Angaben des BF in Zusammenschau der vorgelegten Unterlagen hervor, dass der BF nach seiner Ankunft in Österreich, immer wieder sexuelle Kontakte zu Männern unterhielt und entsprechende Lokalitäten aufsucht. Außerdem ist im gerichtlichen Verfahren hervorgekommen, dass der BF in Österreich Deutschkurse besucht hat und in der Folge an einem speziell für „queere, geflüchtete Menschen“ ausgerichteten Sprachkurs teilnimmt. Zudem geht aus dem vorgelegten Schreiben vom 27.05.2024 hervor, dass der BF seit Februar 2024 Mitglied des Lesben-, und Schwulenverbandes (HOSI) ist und dabei an diversen, von diesen initiierten Veranstaltungen und Gruppenabenden, teilnimmt. Im Hinblick diverser Schreiben in Zusammenschau mit diversen Fotoserien und persönlicher Unterstützungsschreiben kann die Teilnahme an diversen Geschehen der LGBTIQ-Community nicht in Abrede gestellt werden.
Ausführungen des Zeugen:
Insbesondere in Zusammenschau der diversen Schreiben von Institutionen bzw. Vereinen und Ausführungen von Bekannten bzw. Freunden des BF, mit den darüber hinaus vorgelegten Bildern, welche weitgehend mit der Darstellung des Beschwerdeführers übereinstimmen, bestand im Rahmen der durchgeführten Verhandlung der Eindruck, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen homosexuellen Mann handelt.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner sexuellen Orientierung werden weiters einerseits bestätigt durch die in Vorlage gebrachten Schreiben des Vereins , welches neben der Inanspruchnahme von Beratungsgespräche auch die Teilnahme des Beschwerdeführers sowie an sozialen Freizeitangeboten bestätigt und anderseits einem fachärztlichen Befundbericht des sozialpsychiatrischen Ambulatorium Floridsdorf vom 09.07.2024.
Aus diesen Gründen sowie angesichts des persönlichen Eindrucks, den das erkennende Gericht im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlungen gewonnen hat, konnte das Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft qualifiziert und den Feststellungen zugrunde gelegt werden.
Auch ist das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers mit den vorliegenden Länderberichten vereinbar. Aus diesen geht zwar hervor, dass § 377 Strafgesetzbuch von Bangladesch zwar nicht aktiv angewandt wird, es aber als Vorwand benutzt, um LGBTI-Personen zu schikanieren. Ein offenes Bekenntnis zur Homosexualität ist in Bangladesch gesellschaftlich unmöglich und führt einerseits zur Ausgrenzung durch die dortige Gesellschaft und gesellschaftlichen Diskriminierungen. Jedes Jahr wird über dutzende Angriffe auf Mitglieder der LGBTI-Gemeinschaft berichtet. Angesichts der Schilderungen des Beschwerdeführers, wonach seine Homosexualität in Bangladesch bekannt geworden und er deswegen heftigen Anfeindungen ausgesetzt gewesen sei, kann eine (weitere) Gefährdung seiner Person in diesem Kontext im Fall seiner Rückkehr in seine Heimat auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Der Beschwerdeführer konnte damit sein Fluchtvorbringen, wonach ihm im Fall der Rückkehr nach Bangladesch eine Verfolgung wegen seiner offenen und öffentlich ausgelebten Homosexualität droht, glaubhaft machen.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 05.07.2021 (Version 4).
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
3.1. Zuerkennung des Status des Asylberechtigten
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht. Es muss objektiv nachvollziehbar sein, dass der Beschwerdeführer im Lichte seiner speziellen Situation und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Herkunftsstaat Furcht vor besagter Verfolgung hat.
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 idgF kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Weiters muss sie sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hiefür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist. Anträge auf internationalen Schutz sind gemäß § 3 Abs. 3 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn den Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§11 AsylG) offen steht (Z.1) oder der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat (Z. 2).
Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Asylantrag abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036; 15.3.2001, 99/20/0134, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist – wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert, deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben – nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vielmehr, dass sich die asylrelevante Verfolgungsgefahr für den Betroffenen - mangels zumutbarer Ausweichmöglichkeit innerhalb des Herkunftsstaates - im gesamten Herkunftsstaat auswirken muss (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534). Das Zumutbarkeitskalkül, das dem Konzept einer "inländischen Flucht- oder Schutzalternative" (VwGH 09.11.2004, 2003/01/0534) innewohnt, setzt daher voraus, dass der Asylwerber dort nicht in eine ausweglose Lage gerät, zumal da auch wirtschaftliche Benachteiligungen dann asylrelevant sein können, wenn sie jede Existenzgrundlage entziehen (VwGH 08.09.1999, 98/01/0614, 29.03.2001, 2000/-20/0539).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; 27.06.1995, 94/20/0836; 23.07.1999, 99/20/0208; 21.09.2000, 99/20/0373; 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 12.09.2002, 99/20/0505; 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 m.w.N.).
Abgesehen davon, dass einer derartigen nicht vom Staat sondern von Privatpersonen ausgehenden Bedrohung nur dann Asylrelevanz zuzubilligen wäre, wenn solche Übergriffe von staatlichen Stellen geduldet würden (VwGH vom 11.06.1997, 95/01/0617; 10.03.1993, 92/01/1090) bzw. wenn der betreffende Staat nicht in der Lage oder nicht gewillt wäre, diese Verfolgung hintanzuhalten, hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausdrücklich klargestellt, dass die Asylgewährung für den Fall einer solchen Bedrohung nur dann in Betracht kommt, wenn diese von Privatpersonen ausgehende Verfolgung auf Konventionsgründe zurückzuführen ist (vgl. VwGH vom 30.06.2005, 2002/20/0205; VwGH vom 23.11.2006, 2005/20/0551-6, VwGH-Beschluss vom 29.06.2006, 2002/20/0167-7).
Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m.w.N.; 20.09.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.02.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256; VwGH 13.11.2008, Zl. 2006/01/0191).
3.2.2. Der Europäische Gerichtshof hat in seinem Urteil vom 07.11.2013, C-199/12, ausgesprochen, dass Art 9 Abs. 1 in Verbindung mit Art 9 Abs 2 lit. c der Qualifikations-Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der bloße Umstand, dass homosexuelle Handlungen unter Strafe gestellt sind, als solcher keine Verfolgungshandlung darstellt. Dagegen ist eine Freiheitsstrafe, mit der homosexuelle Handlungen bedroht sind und die im Herkunftsland, welches eine solche Regelung erlassen hat, tatsächlich verhängt wird, als unverhältnismäßige oder diskriminierende Bestrafung zu betrachten und stellt somit eine Verfolgungshandlung dar. Art 10 Abs. 1 lit. d in Verbindung mit Art 2 Buchst c der Qualifikations-Richtlinie ist dahin auszulegen, dass vom Geltungsbereich der Richtlinie nur homosexuelle Handlungen ausgeschlossen sind, die nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten strafbar sind. Bei der Prüfung eines Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft können die zuständigen Behörden von dem Asylbewerber auch nicht erwarten, dass er seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.
Der Verfassungsgerichtshof hat zudem jüngst in seiner Entscheidung vom 22.09.2020, E 423/2020-12, Rz 29, in Zusammenhang mit Bangladesch ausgesprochen, dass eine nicht bestehende strafrechtliche Verfolgung nicht schon zur Verneinung einer asylrechtlichen Verfolgung eines Beschwerdeführers führt. Für die Anerkennung eines für die Identität so bedeutsamen Merkmals wie der sexuellen Orientierung kann – wie der Verfassungsgerichtshof bereits wiederholt ausgesprochen hat – vom Betroffenen aber nicht verlangt werden, diese Ausrichtung geheim zu halten oder in Zurückhaltung zu leben, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden (siehe VfSlg. 20.170/2017; VfGH 11.6.2019, E 291/2019 und 18.9.2014, E 910/2014). (VfGH 22.09.2020, E 423/2020-12, Rz 29)
Der Verfassungsgerichtshof hat ebenso in Bezug auf Bangladesch in seiner Entscheidung vom 27.02.2020, E 3349/2019-14, ausgesprochen, dass die Annahme, dass eine Homosexualität in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch keinen Fluchtgrund darstelle, im Widerspruch zu den vom Bundesverwaltungsgericht angezogenen Länderberichten stehe (VfGH 27.02.2020, E 3349/2019-14 Rz 13; zur Verfolgungssituation von Homosexuellen in Bangladesch siehe auch VfGH 07.06.2021, E959/2021)
3.2.3. Das Bundesverwaltungsgericht geht auf Grund des diesbezüglich glaubhaften Vorbringens des Beschwerdeführers sowie der mündlichen Verhandlungen und der in diesem Zusammenhang diverser vorgelegter Unterlagen in Zusammenschau dessen mit der vorliegenden Berichtslage zum Herkunftsstaat davon aus, dass dem Beschwerdeführer auf Grund seiner sexuellen Orientierung (Homosexualität) im Falle seiner Rückkehr nach Bangladesch mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungshandlungen maßgeblicher Intensität drohen würden.
Nach der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes kann auch nicht erwartet werden, dass der Beschwerdeführer seine Homosexualität in seinem Herkunftsland geheim hält oder Zurückhaltung beim Ausleben seiner sexuellen Ausrichtung übt, um die Gefahr einer Verfolgung zu vermeiden.
Es ist daher unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des vorliegenden Falles objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen, und zwar aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer wegen ihrer sexuellen Orientierung verfolgten sozialen Gruppe, nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen, zumal auch eine inländische Ausweichmöglichkeit – die Lage gestaltet sich in allen Landesteilen gleichartig – nicht vorhanden ist.
Ein Abweisungsgrund gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 liegt im konkreten Fall nicht vor, da dem Beschwerdeführer – wie gezeigt – keine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht und dieser keinen Asylausschlussgrund gesetzt hat. Im konkreten Fall haben sich auch keine Anzeichen ergeben, dass der Beschwerdeführer mit schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen und/oder Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Verbindung steht.
Dafür, dass der Beschwerdeführer in Österreich straffällig geworden wäre, existieren keine Anhaltspunkte.
Da weder eine innerstaatliche Fluchtalternative besteht, noch ein in Art. 1 Abschnitt C oder F der GFK genannter Endigungs- und Asylausschlussgrund hervorgekommen ist, war der gegenständlichen Beschwerde stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen.
3.2.4. Nach § 3 Abs. 4 AsylG kommt dem Beschwerdeführer daher eine befristete Aufenthaltsberechtigung als Asylberechtigter zu. Diese Aufenthaltsberechtigung gilt drei Jahre und verlängert sich um eine unbefristete Gültigkeitsdauer, sofern die Voraussetzungen für eine Einleitung eines Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht vorliegen oder das Aberkennungsverfahren eingestellt wird.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Asylgewährung mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen (siehe dazu insbesondere die unter A) zitierte Judikatur). Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.