JudikaturBVwG

I421 2294149-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
07. April 2025

Spruch

I421 2294149-2/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Martin STEINLECHNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. TUNESIEN, vertreten durch: BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX vom 05.03.2025, XXXX , zu Recht erkannt:

A)Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt und Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids wird ersatzlos behoben.

B)Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein tunesischer Staatsangehöriger, reiste bereits 2022 in Österreich ein und im Dezember 2022 freiwillig nach Frankreich aus. Im Juli 2023 erfolgte eine Dublin-Rücküberstellung aus Frankreich.

2. In Österreich stellte er am 20.07.2023 am Flughafen Wien-Schwechat einen Antrag auf internationalen Schutz. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er dabei an, Politiker zu sein und zu der Partei „Tunis baitona“ zu gehören. Er sei mehrmals verurteilt worden, weil er gegen das Regime sei. Er habe jedoch ausreisen können bevor sein Urteil rechtskräftig geworden sei. Er sei auch zwei Mal verhaftet worden und im Gefängnis gefoltert worden. Er könne und wolle nicht mehr in Tunesien leben.

3. Am 12.12.2023 fand eine niederschriftliche Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA, belangte Behörde) statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinem Privat- und Familienleben und Fluchtgründen einvernommen wurde. Im Rahmen der Einvernahme legte der Beschwerde ein Konvolut an Dokumenten und Urkunden in arabischer Sprache vor.

4. Mit Bescheid vom 23.05.2024, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich den Status des Asylberechtigten und den Status des Subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Zugleich erkannte sie einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung ab und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI und VII).

5. Dagegen richtet sich die fristgerecht durch die Rechtsvertretung des Beschwerdeführers erhobene Beschwerde, eingelangt am 18.06.2024, in welcher ergänzend vorgebracht wurde, dem Beschwerdeführer sei von seinem Anwalt ein Strafurteil im Original vom 24.01.2024 übermittelt worden, ein Foto davon sei der Beschwerde angefügt. Dabei sei der Beschwerdeführer und sein Parteikollege zu einer viermonatigen Haftstrafe aufgrund von öffentlichen Beleidigungen anderer Personen verurteilt worden. Das Urteil sei dem Beschwerdeführer von seinem Anwalt gerade erst zugesendet worden. Zuvor habe er davon nichts gewusst, weshalb ihm keine Missbrauchsabsicht vorgeworfen werden könne. Zudem wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass die belangte Behörde ihre Ermittlungspflicht dadurch verletzt habe, dass sie sich trotz des Vorbringens des Beschwerdeführers inklusive vorgelegter medizinischer Unterlagen nicht ausreichend mit dem Gesundheitszustand des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe. Zudem verwalte der Beschwerdeführer aktuell zwei neue öffentlich zugängliche Facebook-Profile und sei weiterhin bestrebt gegen den Präsidenten und seine Regierung zu berichten. Daher befürchte er vom tunesischen Staat politisch und strafrechtlich verfolgt zu werden. Auch beruhte die Annahme der Behörde, dass er die Dokumente lediglich in Kopie vorgelegt habe und es amtsbekannt sei, dass gefälschte Dokumente leicht zu erwerben sei, auf einer Spekulation und ließe eine nachvollziehbare Begründung vermissen. Ihm wäre daher internationaler Schutz nach § 3 AsylG zu gewähren oder hätte ihm wegen der äußerst prekären wirtschaftlichen Lage zumindest der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen.

6. Mit Schriftsatz vom 19.06.2024, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht Außenstelle Innsbruck am 25.06.2024, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Akt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 02.07.2024 wurde der Bescheid vom 23.05.2024, Zl. XXXX , behoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

8. Mit nun verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 25.03.2025, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich den Status des Asylberechtigten und den Status des Subsidiär Schutzberechtigten als unbegründet ab (Spruchpunkt I. und II.), erteilte dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Tunesien zulässig ist (Spruchpunkt V.). Zugleich erkannte sie einer Beschwerde gegen den Bescheid die aufschiebende Wirkung ab und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI und VII).

9. Dagegen hat der Beschwerdeführer wiederrum fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser beantragt er der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da ihm im Falle der Abschiebung nach Tunesien aufgrund seine politischen Tätigkeit in Tunesien die Verletzung seiner nach Art. 2 und 3 EMRK geschützten Rechte drohe. In der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer im Herkunftsstaat mehrfach gefolgter worden zu sein und strafgerichtlichen Verfahren wegen seiner politischen Tätigkeit ausgesetzt zu sein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der wiedergegebene Verfahrensgang wird – ausgenommen des Parteienvorbringens - zu Feststellungen erhoben.

Die von der belangten Behörde veranlasste Anfrage an die Staatendokumentation hat ergeben, dass die politische Partei, deren Mitglied zu sein der Beschwerdeführer behauptet, „Parti Tounes Baytouna“ existiert und in Opposition zum jetzigen Präsidenten Tunesiens steht (Bescheid S 48ff).

In der Beschwerde behauptet der Beschwerdeführer, es sei ca. vor einem Monat gegen ihn im Herkunftsstaat ein Haftbefehl „in der Höhe von fünf Jahren… ausgestellt worden“, was er von seinem Anwalt erfahren habe (Beschwerde S 3).

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich – wie der Verfahrensgang – widerspruchsfrei aus dem Behördenakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

Mit Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids wurde einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz unter anderem dann aberkennt werden, wenn der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt (Z1).

Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Die Behörde muss nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers geboten ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall behauptet der Beschwerdeführer von staatlicher Seite verfolgt zu werden. Er behauptet Mitglied der Partei „Parti Tounes Baytouna“ zu sein und in Opposition zum jetzigen Präsidenten Tunesiens steht, deshalb im Herkunftsstaat von der Polizei gefoltert worden zu sein und im Fall der Rückkehr ungerechtfertigte Haft und Folter zu fürchten. Zudem habe es seit Bescheiderlassung Neuerungen gegeben.

Im Sinne einer Grobprüfung, erscheint es von vornherein nicht ausgeschlossen, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind. Daher war Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheids ersatzlos zu beheben und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen war.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.