Spruch
G308 2295589-1/8E
G308 2295589-2/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Angelika PENNITZ als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Deutschland, vertreten durch RA SARTORI, Graz, gegen die beiden Bescheide der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) Landesstelle XXXX jeweils vom XXXX , Zl. XXXX und XXXX , zu Recht:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid, GZ XXXX vom XXXX sprach die PVA Landesstelle XXXX aus, dass das Verfahren von XXXX (im Folgenden Beschwerdeführer oder kurz BF) über den Anspruch auf Ausgleichszulage wiederaufgenommen und der Bescheid vom XXXX .2016 aufgehoben wird. In Spruchpunkt 2 wurde ausgesprochen, dass der Antrag auf Ausgleichszulage abgelehnt und der entstandene Überbezug rückgefordert wird.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme gegeben sind, da der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeibeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist. Diese Wiederaufnahme kann auch von amtswegen erfolgen.
Mit Bescheid, GZ XXXX vom XXXX 2024 sprach die PVA Landesstelle XXXX aus, dass das Verfahren von XXXX über den Antrag auf Zuerkennung des Pflegegeldes, zuerkannt mit Bescheid vom XXXX wiederaufgenommen wird. In Spruchpunkt 2 wird der Antrag auf Gewährung abgelehnt und eine Rückforderung ausgesprochen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Wiederaufnahme zulässig ist, wenn der Bescheid durch die Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist. Unter den gleichen Voraussetzungen kann eine Wiederaufnahme des Verfahrens von amtswegen erfolgen.
Beide Bescheide enthielten die zutreffende Rechtsmittelbelehrung, dass gegen Spruchpunkt 1 die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig ist.
2. Diese wurde rechtzeitig jeweils mit Beschwerden von XXXX durch den ausgewiesenen Vertreter des BF erhoben. Begründend wurde in Beschwerde 1 nach Wiedergabe des Verfahrensgangs ausgeführt, dass Verjährung eingetreten ist, eine Wiederaufnahme von amtswegen nur zulässig ist, wenn sie durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst erschlichen wurde. Da keine solchen Gründe vorliegen, ist Verjährung eingetreten.
Seitens der belangten Behörde wird in der Entscheidung kurz ausgeführt, dass es Urteile geben würde, wonach der BF nie seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich gehabt hätte. Es wird jedoch nicht dargelegt, wie vermeintlich die Voraussetzungen des § 69 Abs 1 Z1 AVG erfüllt sein sollten.
Weiters liegt ein Begründungsmangel im Bescheid über die Wiederaufnahme bezüglich Ausgleichszulage vor, es wird keinerlei Begründung ausgeführt, sondern lediglich der rechtliche Rahmen angeführt. Der Bescheid enthält jedoch keine Begründung, warum es im gegenständlichen Fall zu einer Wiederaufnahme kommen sollte.
Ebenfalls mit Schreiben vom XXXX wurde gegen den zweiten Bescheid fristgereicht Beschwerde durch den rechtsfreundlichen Vertreter erhoben. Begründend wurde ausgeführt, dass das LG für ZRS XXXX als Arbeits- und Sozialgericht lediglich auf einen Zeitraum der letzten zwei Jahre ab stellte, während der Bescheid über die Zeit vom XXXX bis XXXX abspricht. Weiters wird explizit ausgeführt, dass nicht festgestellt wurde, wie lange sich der Kläger tatsächlich pro Monat bzw. pro Jahr in Graz aufhielt. Der BF hält an seinem bisherigen Vorbringen fest, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt jedenfalls in XXXX hat. Er hat in Deutschland mehrere Ärzte, welche er bereits seit Jahrzehnten aufsucht. Er hat noch Kontakt zu verschiedenen Personen in Deutschland und besucht sie fallweise. Auch die Töchter des BF leben in Deutschland. Die Aufenthalte des BF in Deutschland variieren, es kann sich jedoch um nicht mehr als wenige Wochen pro Jahr handeln.
Aus advokatorischer Vorsicht wird noch als wesentlicher Verfahrensmangel die falsche rechtliche Beurteilung ausgeführt. Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage der Bindungswirkung. Im Urteil zu Cgs 4/23s des LG für ZRS XXXX als Arbeits- und Sozialgericht vom XXXX wird lediglich über einen Zeitraum der letzten 2 Jahre abgesprochen.
So handelt es sich nicht um den gleichen Sachverhalt, zum einen wurde zum Verfahren XXXX des LG für ZRS XXXX als Arbeits- und Sozialgericht die Klage auf die Weiterzahlung von Pflegegeld auch über den XXXX hinaus gestellt. Die Behörde hätte ein Ermittlungsverfahren führen müssen, ob der BF im Zeitraum XXXX - XXXX effektiv seinen Hauptwohnsitz in Österreich, an der Adresse XXXX , hatte.
Auch im Verfahren zu XXXX des LG für ZRS XXXX als Arbeits- und Sozialgericht hat das erkennende Gericht im Wesentlichen nur den Zeitraum der letzten zwei Jahre betrachtet d. h. es sind keine Feststellungen getroffen worden, die den gesamten gegenständlichen Zeitraum des bekämpften Bescheides, nämlich den Zeitraum XXXX bis XXXX umfasst. Es mangelt schon am Vorliegen des rechtserzeugenden Sachverhalts, da das Zivilgericht nicht über den gesamten Zeitraum abgesprochen hat. Der BF hatte entgegen dem Vorbringen der PVA im Zeitraum XXXX bis XXXX seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich. Auch in den genannten Verfahren vor dem LG für ZRS XXXX als Arbeit-und Sozialgericht wurde nichts anderes festgestellt.
3. Mit Schreiben vom XXXX legte die PVA den ersten Bescheid sowie die erste Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor, wo sie am XXXX eingelangt ist. Bezug genommen wurde jedoch jeweils auf dem zweiten Bescheid und zweite Beschwerde, die sodann eingeholt wurden und die am XXXX beim BVWG eingelangt sind. Eingeholt werden konnte der Gerichtsakt zu XXXX .
4. Mit Schreiben vom XXXX bzw. XXXX erfolgten fristgerecht die Stellungnahmen des BF durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter zum Vorlagebericht der PVA XXXX bzw. XXXX .
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer bezog aufgrund des Bescheides der PVA vom XXXX ab XXXX Ausgleichszulage, aufgrund des Bescheides der PVA vom XXXX Pflegegeld ab XXXX .
Der BF schrieb per mail am XXXX an die XXXX u.a.: „Es ist alles seit eh und je gleich, ich lebe seit 53 Jahren in Deutschland, bin deutscher Staatsbürger usw.“
Der PVA wurde im XXXX 2022 durch Übermittlung dieses Mails die Sachlage bekannt.
Mit Bescheiden vom XXXX erfolgte jeweils die vorsorgliche Einstellung der Leistungen durch die PVA.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich unstrittig aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des Bundesverwaltungsgerichtes.
Im Antrag auf Zuerkennung des Pflegegeldes hat der BF seine Ehefrau und seine Mutter als Pflegepersonen angegeben. Angesichts des Alters seiner Mutter und deren körperlichen Gesundheitszustand ist davon auszugehen, dass der Ehefrau die primäre Pflege zukommt. Die Mutter des BF benötigt selbst Pflege, die auch professionell erbracht wird. Die Ehefrau lebt lt. eigener Angabe in Deutschland und ist auch dort gemeldet. Der BF hat mit seiner Ehefrau eine gemeinsame Meldeadresse in Deutschland, eine Bestätigung über die erfolgte Abmeldung wurde mehmals im Verfahren vor dem LG angekündigt, ist aber nie erfolgt. Ebenso wurde ein Nachweis über den Handyvertrag und die Vorlage des Zulassungsscheins des Autos angekündigt, dies ist jedoch nie erfolgt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Verbindung der Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung:
Gemäß § 39 Abs. 2 AVG hat die Behörde, soweit die Verwaltungsvorschriften hierüber keine Anordnungen enthalten, von Amts wegen vorzugehen und unter Beobachtung der in diesem Teil enthaltenen Vorschriften den Gang des Ermittlungsverfahrens zu bestimmen. Sie kann insbesondere von Amts wegen oder auf Antrag eine mündliche Verhandlung durchführen und mehrere Verwaltungssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden oder sie wieder trennen. Die Behörde hat sich bei allen diesen Verfahrensanordnungen von Rücksichten auf möglichste Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis leiten zu lassen.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet es angesichts dessen, dass derselbe BF betroffen und den jeweiligen Bescheiden bzw. der Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde derselbe Sachverhalt zugrunde liegt jedenfalls unter den Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis gerechtfertigt, gemäß § 39 Abs. 2 AVG iVm. § 17 VwGVG die Verfahren zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.
Über beide seitens des BF anhängigen Beschwerden wird somit mit der gegenständlichen Entscheidung gemeinsam abgesprochen.
3.2. Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AVG lauten:
BGBl. Nr. 51/1991 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 33/2013:
Wiederaufnahme des Verfahrens
§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und: 1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder 2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder 3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde; 4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.
(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.
(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.
(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2.1. Zur Sache des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht und dem äußersten Rahmen seiner Prüfbefugnis hat der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgeführt, dass es sich dabei jedenfalls nur um jene Angelegenheit handelt, die den Inhalt des Spruchs des Ausgangsbescheides gebildet hat (VwGH 08.05.2018, Ro 2018/08/0011-4; vgl. weiters VwGH 09.09.2015, Ro 2015/03/0031-0032).
Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde auf § 69 AVG gestützt und die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom XXXX bzw. XXXX rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens von Amts wegen verfügt.
Aus der Begründung der angefochtenen Bescheide erschließt sich, dass die belangte Behörde das Ergebnis der Verfahren vor dem Zivilgericht als Arbeits- und Sozialgericht herangezogen und unter § 69 Abs. 1 Z 1 AVG subsumiert hat.
3.2.2. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kann die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 69 Abs. 1 AVG nur auf solche Tatsachen d.h. Geschehnisse im Seinsbereich (vgl. VwGH 15.12.1994, 93/09/0434; 04.09.2003, 2000/17/0024) oder Beweismittel, d.h. Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen (vgl. VwGH 16.11.2004, 2000/17/0022; 24.04.2007, 2005/11/0127), gestützt werden, die erst nach Abschluss eines Verfahrens hervorgekommen sind und deshalb von der Partei ohne ihr Verschulden nicht geltend gemacht werden konnten.
Es muss sich also um Tatsachen und Beweismittel handeln, die beim Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens schon vorhanden waren, deren Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich wurde („nova reperta"), nicht aber um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel („nova producta" bzw. „nova causa superveniens").
Neu entstandene Tatsachen, also Änderungen des Sachverhalts nach Abschluss des Verfahrens, erübrigen eine Wiederaufnahme des Verfahrens, weil in diesem Fall einem Antrag auf der Basis des geänderten Sachverhalts die Rechtskraft des bereits erlassenen Bescheides nicht entgegensteht.
Die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel müssen entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beurteilen ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses einer Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den, den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrags bildenden Bescheid, oder zumindest die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (vgl. VwGH 23.5.2013, 2013/07/0066).
Die Wiederaufnahme ist nur zulässig, wenn die neu hervorgekommene Tatsache ohne Verschulden der Behörde unbekannt geblieben ist und von ihr nicht berücksichtigt werden konnte (VwSlg 5008 A/1959; VwGH 03.10.1997, 96/19/2173; 24.02.2004, 2002/01/0458).
3.2.3. Im vorliegenden Fall wurde mit Bescheid vom XXXX der Anspruch auf Ausgleichszulage ab XXXX zuerkannt, mit Bescheid vom XXXX Pflegegeld ab XXXX . Die Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.
Die gegenständliche Wiederaufnahme wurde mit Bescheiden vom XXXX jedenfalls außerhalb der dreijährigen Frist des § 69 Abs. 3 AVG die Wiederaufnahme verfügt. Dies ist unter den Voraussetzungen des § 69 Abs 1 Z 1 AVG grundsätzlich zulässig.
Die neu hervorgekommene Tatsache, dass der gewöhnliche Aufenthalt des Beschwerdeführers in Deutschland, entgegen dem ursprünglichen Bescheid, liegt, ist für die Frage der Zuerkennung der beantragten Leistungen ein maßgebliches Sachverhaltselement. Es handelt sich daher um eine Tatsache im Sinne des § 69 Abs. 1 AVG, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen zu einer Wiederaufnahme führen kann.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann vom Erschleichen eines Bescheides iSd § 69 Abs. 1 Z 1 letzter Fall AVG - im Gegensatz zum Vorliegen einer gerichtlich strafbaren Handlung - nur dann gesprochen werden, wenn der Bescheid seitens der Partei oder ihres Vertreters durch eine vorsätzliche (also schuldhafte) verpönte Einflussnahme auf die Entscheidungsunterlagen veranlasst wird. Dies erfordert in Irreführungsabsicht gemachte objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung, die dem Bescheid zu Grunde gelegt worden sind. Ein Verschweigen wesentlicher Umstände ist dem Vorbringen unrichtiger Angaben gleichzusetzen. Dabei muss die Behörde auf die Angaben der Partei angewiesen sein und eine solche Lage bestehen, dass ihr nicht zugemutet werden kann, von Amts wegen noch weitere, der Feststellung der Richtigkeit der Angaben dienliche Erhebungen zu pflegen. Wenn es die Behörde dagegen verabsäumt, von den ihr im Rahmen der Sachverhaltsermittlung ohne besondere Schwierigkeiten offen stehenden Möglichkeiten Gebrauch zu machen, schließt dieser Mangel es aus, auch objektiv unrichtige Angaben der Partei als ein Erschleichen des Bescheides iSd § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG zu werten (vgl. VwGH 25.05.2022, Ra 2022/02/0084) mwN.).
Die Behörde darf es somit nicht verabsäumt haben, im Zuge eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens die Unrichtigkeit der Angaben zu erkennen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 70 Rz 12 (Stand 1.1.2020, rdb.at)).
Im vorliegenden Fall trifft die belangte Behörde auch kein Verschulden an der Nichtberücksichtigung der tatsächlichen Beitragsgrundlage für den Zeitraum von 2015 bzw. 2016 bis 2022, da sie erst durch die e-mail des BF an die deutsche Versicherung von der Sachlage erfuhr. Bis dahin konnte sie von der Richtigkeit der Angaben des nunmehrigen BF ausgehen.
Das Unterbleiben zwischenzeitiger Erhebungen bzw. Rückfragen war der belangten Behörde auch unter der Berücksichtigung des Gesichtspunktes der Zweckmäßigkeit und Sparsamkeit, einer mit der Durchführung von Massenverfahren betrauten Verwaltung durch die Sozialversicherungsträger nicht anzulasten (zu einem ähnlich gelagerten Sachverhalt vgl. VwGH 25.05.1987, 83/08/0066).
Es trifft im vorliegenden Fall eindeutig zu, dass die Behörde auf Grund fraglicher Angaben des BF von einem falschen Sachverhalt ausging. Zwar ist dem Vertreter des BF zuzustimmen, dass die Bescheide äußerst knapp begründet sind, doch erweist sich diese angesichts der an sich klaren Lage als gerade noch ausreichend.
Da somit die rechtlichen Voraussetzungen für die amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens über den mit Bescheid anerkannten Anspruch auf Ausgleichszulage bzw. Pflegegeld gemäß § 69 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 3 AVG vorlagen, waren die dagegen gerichteten Beschwerden als unbegründet abzuweisen.
4. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage gänzlich geklärt erachtet werden, und war durch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung keine weitere Klärung der Sachlage zu erwarten.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.