Spruch
I414 2293128-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christian EGGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. SUDAN, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion XXXX ( XXXX ) vom 15.04.2024, ZI. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.01.2025, zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
In der Folge werden die sudanesischen Streitkräfte, engl. „Sudanese Armed Forces“ kurz SAF und die schnellen Unterstützungskräfte, engl. „Rapid Support Forces Forces“, kurz RSF bezeichnet.
Der 32-jährige Beschwerdeführer, ein sudanesischer Staatsangehöriger, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 26.01.2024 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. In der noch am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte er befragt zu seinen Fluchtgründen aus, dass sein Bruder Soldat der sudanesischen Armee sei und die Rebellen ihn deshalb töten wollen würden. Im Falle einer Rückkehr fürchte er daher den Tod.
Am 22.02.2024 fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die arabische Sprache die niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) statt. Dabei gab er hinsichtlich seiner Fluchtgründe an, dass im Sudan Krieg herrsche und es dort keinen sicheren Ort mehr gebe. Sein Bruder sei bei den regulären Streitkräften SAF (sudanesischen Streitkräften, engl. „Sudanese Armed Forces“) und habe die RSF (schnelle Unterstützungskräfte, engl. „Rapid Support Forces“) nach diesem gesucht. Sie hätten nur den Beschwerdeführer vorgefunden und sei er im Anschluss daran geflohen, zumal er weder auf Seiten der RSF noch für eine andere Seite kämpfen wolle.
Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 15.04.2024 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 26.01.2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.). Die Abweisung hinsichtlich des Status des Asylberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer keine persönliche Verfolgung ins Treffen geführt habe und eine gezielte und systematische Verfolgung seiner Person nicht zu erkennen sei. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Sudan Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen sei oder solche zukünftig zu befürchten hätte und sei davon auszugehen, dass er sein Heimatland aus wirtschaftlichen Gründen sowie aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage verlassen habe.
Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner Rechtsvertretung fristgerecht Beschwerde. Dabei wurde im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bruder des Beschwerdeführers in der sudanesischen Armee tätig gewesen und durch seine Aktivitäten die gesamte Familie in das Visier der RSF geraten sei. Der Beschwerdeführer befürchte daher, dass die RSF wegen der Tätigkeiten seines Bruders im Zuge der Sippenverantwortung gegen ihn vorgehen werde. Er gehöre der sozialen Gruppe der Familie an und werde wegen seiner Familienzugehörigkeit bzw. der ihm unterstellten oppositionellen Gesinnung durch die RSF verfolgt. Zudem befürchte er eine Zwangsrekrutierung durch die RSF.
Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden in weiterer Folge vom Bundesamt vorgelegt und sind am 06.06.2024 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt.
Am 13.01.2025 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache sowie der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Lebensumständen im Sudan sowie zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige, 32-jährige, ledige und kinderlose Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und das Geburtsdatum, seine Identität steht fest. Er ist sudanesischer Staatsangehöriger, bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und gehört der Volksgruppe der Batahin/Araber an. Seine Muttersprache ist Arabisch und ist er ferner gesund und arbeitsfähig.
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX (auch XXXX ), einem Distrikt des Bundesstaates XXXX (auch XXXX ) geboren und hat in seiner Heimat eine elfjährige Schulausbildung absolviert. Im Anschluss daran hat er an einer Universität in der Stadt XXXX Buchhaltung studiert und sein Studium im Jahr 2016 abgeschlossen. In der Folge war er in einem Versicherungsbüro sowie nach Ausbruch des Bürgerkrieges als Verkäufer auf einem Markt in XXXX berufstätig. Seine Eltern sowie fünf Schwestern und ein Bruder leben im Südsudan.
Im Dezember 2023 hat der Beschwerdeführer den Sudan auf legalem Wege verlassen und reiste er in weiterer Folge schlepperunterstützt unter anderem über Äthiopien und die Türkei nach Österreich, wo er am 26.01.2024 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine asylrelevante Verfolgung aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung glaubhaft zu machen.
Entgegen seinem Vorbringen ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Sudan Verfolgung durch die paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) aufgrund der vermeintlichen Tätigkeiten seines Bruders in der sudanesischen Armee und einer ihm aus diesen Gründen unterstellten oppositionellen Gesinnung droht. Ferner besteht keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der 32-jährige Beschwerdeführer bei einer Rückkehr von einer Rekrutierung seitens einer der Konfliktparteien betroffen sein wird. Der Beschwerdeführer war auch nie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei, hatte keine Probleme mit den Behörden seines Herkunftsstaates und nahm auch nie an bewaffneten Auseinandersetzungen teil. Im Falle seiner Rückkehr in den Sudan ist der Beschwerdeführer somit nicht der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt.
1.3. Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan (auszugsweise soweit entscheidungsrelevant) wiedergegeben:
Politische Lage
Nach monatelangen Volksaufständen in allen Bundesstaaten endete im Sudan 2019 das autoritär-islamistische Regime, das 30 Jahre die Geschicke des Landes lenkte. Die Aufstände, die zunächst aufgrund eines dramatischen Anstiegs der Lebensmittelpreise ausbrachen, spitzten sich schnell zu und forderten den Sturz von Präsident Omar al-Baschir (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Die Lage dieser bis dahin friedlichen Proteste für wirtschaftliche sowie politische Reformen eskalierte bei der gewaltsamen Auflösung einer Sitzblockade vor dem Armee-Hauptquartier am 3.6.2019 – Berichten zufolge starben dabei über Hundert Demonstrierende. Die anschließende Revolution führte in der Folge zur Entmachtung des Langzeit-Diktators al-Baschir im April 2019 (AA 1.6.2022). Nach dem Umsturz übernahm für kurze Zeit der sog. militärischer Übergangsrat (Transitional Military Council – TMC) die Macht (UKHO 6.2023), Verhandlungen zwischen dem TMC und dem Oppositionsbündnis „Kräfte für Freiheit und Wandel“ (Forces for Freedom and Change – FFC) führten aber dennoch zu einer zivil-geführten Übergangsregierung (AA 1.6.2022; vgl. BS 23.2.2022, UKHO 6.2023).
Zwei Abkommen - die „Political Declaration“ und die „Constitutional Declaration“ - dienen als Basis für die Übergangsphase und den Machttransfer auf die zivil-geführte Regierung (AA 1.6.2022). Die „Constitutional Declaration“ erschuf Institutionen der Exekutive, Legislative und Judikative, die den Sudan in der Übergangszeit regieren sollen (BS 23.2.2022). An der Spitze dieser Organe steht der Souveränitätsrat (Sovereignty Council – SC), bestehend aus fünf Militärs und sechs Zivilisten (BS 23.2.2022; vgl. AA 1.6.2022). Der TMC-Vorsitzende, General Abdel Fattah Burhan, übernahm als Vorsitzender des SC das Amt des Staatsoberhaupts. Zum Premierminister wurde Abdalla Hamdok ernannt, der mitsamt einer technokratischen Übergangsregierung die Regierungsgeschäfte Anfang September 2019 übernahm (AA 1.6.2022). Deklariertes Ziel der Übergangsregierung, die maximal drei Jahre im Amt bleiben sollte, war eine Wende des Sudan durch am Ende der Übergangsphase angesetzte Wahlen zur Demokratie (BS 23.2.2022).
Unter al-Baschir waren Präsidentschaftswahlen wie auch die zur Nationalversammlung alle fünf Jahre vorgesehen. Im Rahmen der 2019 unterzeichneten Abkommen waren Wahlen für 2022 vorgesehen, aber durch die Unterzeichnung des Friedensabkommens von Juba (Dschuba) im Oktober 2020 und eine Änderung des Verfassungsrahmens wurden sie um 39 Monate ab Unterzeichnung verschoben, wodurch sich die geplanten Wahlen auf Anfang 2024 verschoben (USDOS 20.3.2023). Das Friedensabkommen von Juba wurde von der sudanesischen Übergangsregierung mit drei bewaffneten Darfur-Gruppen, vertreten durch die sog. Revolutionäre Front (Revolutionary Front – RF), geschlossen, um den seit Jahren schwelenden Konflikt in Darfur zu beenden. Das Abkommen garantiert den Anführern der Gruppen einen Sitz im SC und den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile Autonomie. Überdies soll die RF in die nationale Armee integriert werden. Zwei größere bewaffnete Gruppierungen – das Sudan Liberation Movement/Army (SLM/A) sowie die Sudan People’s Liberation Army (SPLA-North) sind dem Abkommen allerdings nicht beigetreten (BS 23.2.2022).
Im Herbst 2021 eskalierten die politischen Spannungen; die Wirtschafts- und Versorgungskrise verschärfte sich, befeuert durch u. a. die Blockade des Seehafens in Port Sudan durch Angehörige der Beja. Am 25.10.2021 putschte das Militär um General Burhan und dessen Stellvertreter General Mohamed Hamdan Dagalo alias Hemeti, unterstützt durch weitere Verbündete, die Übergangsregierung (AA 1.6.2022). Nicht nur Premierminister Hamdok wurde seines Amtes enthoben und unter Arrest gestellt, sondern auch mehrere hochrangige Beamte verhaftet, das Kabinett entlassen und der Ausnahmezustand verhängt (USDOS 20.3.2023). Kurz darauf wurde der SC aufgelöst und durch einen neuen Rat ersetzt, dessen Mitglieder ausschließlich aus den Reihen der sudanesischen Streitkräfte (Sudanese Armed Forces – SAF) bzw. der paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) stammten. Der Rat wandelte sich von einer Einheitsregierung zu einer Militärjunta (HBS 17.7.2023).
Der für viele Beobachter und Bürger überraschende Staatsstreich löste über Monate Großdemonstrationen in allen Teilen des Landes aus (AA 6.1.2022; vgl. EUAA 11.8.2023, USDOS 20.3.2023). Die neuen Machthaber reagierten mit der wochenlangen Abschaltung der Internet- und Telefonverbindungen, und Polizei wie Sicherheitskräfte gingen mit Härte gegen die Protestierenden vor (AA 6.1.2022; vgl. FH 2023). Im Oktober 2022 unterzeichneten mehr als 50 sudanesische pro-demokratische Widerstandskomitees einen Verfassungsentwurf, welcher eine dezentrale Zivilregierung, den Rücktritt der Militärregierung, die Abschaffung der Verfassungserklärung („Constitutional Declaration“) von 2019 und die Einsetzung einer neuen Übergangsverfassung wie eines Parlaments fordert. Im Dezember 2022 unterzeichnete das Militär ein Rahmenabkommen, um eine Zusammenarbeit mit zivilen Gruppen bei der Bildung einer Übergangsregierung zu ermöglichen (FH 2023). Nichtsdestotrotz wird der Sudan seit dem Putsch von einem Generalrat unter der Leitung von General Burhan, Oberkommandant der SAF und De-facto-Präsident, und General Dagalo (Hemeti), Chef der RSF, regiert (EUAA 11.8.2023).
Die interne Spaltung, in Verbindung mit erheblichem internationalem Druck, führte schließlich dazu, dass sich die beiden Führer auf einen Übergang zu einer zivil-geführten Regierung Anfang April 2023 einigten. Aufgrund erneuter Spannungen zwischen den zwei militärischen Fraktionen verzögerte sich die Umsetzung ebenjener Vereinbarung. Eine wesentliche Meinungsverschiedenheit ergab sich aus dem Vorstoß der SAF-Führung, die RSF in die nationale Armee zu integrieren, was die Kontrolle der RSF über profitable Aktivitäten wie den Goldabbau bedrohen würde. Mitte April eskalierte die Situation und weitete sich zu einem umfassenden militärischen Konflikt bzw. Bürgerkrieg aus (HBS 17.7.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report - Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069719/country_report_2022_SDN.pdf, Zugriff 2.11.2023
EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_Suda n_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023
FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
HBS - Heinrich Böll Stiftung (17.7.2023), Der Krieg im Sudan: Schon vergessen?, https://www.boell.de/de/2023/07/17/der-krieg-im-sudan-schon-vergessen, Zugriff 23.10.2023
UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2093601/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 2.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Sicherheitslage
Die Sicherheit ist nicht gewährleistet (EDA 19.12.2023). Seit dem 15.4.2023 kommt es landesweit zu schweren Kampfhandlungen zwischen der Sudanese Armed Forces (SAF) und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) (EDA 19.12.2023; vgl. AA 14.9.2023, BMEIA 3.5.2023). Zahlreiche weitere bewaffnete Gruppierungen sind involviert und unterstützen die eine oder andere Partei. Die Kämpfe fordern zahlreiche zivile Todesopfer und Verletzte (EDA 19.12.2023). Die Lage ist volatil, unübersichtlich und kann sich schnell ändern. Es kommt vermehrt zu Überfällen (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023) und die Entwicklung ist ungewiss (EDA 19.12.2023).
Der Flughafen Khartum ist gesperrt und ist von den bewaffneten Auseinandersetzungen betroffen; der Flugbetrieb von und nach Khartum ist ausgesetzt (AA 14.9.2023; vgl. BMEIA 3.5.2023), der Flughafen in Port Sudan operiert und fliegt zahlreiche Destinationen in der Region an. Vereinbarte Waffenruhen werden immer wieder verletzt (AA 14.9.2023). Strom sowie Internet- und Telefonverbindungen können zeitweise ausfallen (BMEIA 3.5.2023). Es kommt verbreitet zu Plünderungen, Vergewaltigungen und Hausbesetzungen. Auch Minen werden eingesetzt (EDA 19.12.2023).
Es wird von schwerem Beschuss und Luftangriffen berichtet. Mehrere von beiden Seiten vereinbarte Waffenstillstände wurden gebrochen. Die Armee schloss Verhandlungen mit der RSF aus und gab an, nur deren Kapitulation zu akzeptieren. Vorherige Vermittlungsversuche durch die Präsidenten Kenias, Dschibutis und Südsudans sind gescheitert (BAMF 24.4.2023). Um eine Einigung für eine Waffenruhe zu erreichen, wurden am 14.5.2023 die Gespräche in Jeddah aufgenommen. Nichtsdestotrotz intensivierten sich die Kämpfe zwischen den Konfliktparteien. Da die Polizei aufgrund der anhaltenden Kämpfe ihren Aufgaben nicht mehr nachkomme, sei vielerorts ein Vakuum in der Sicherheitslage entstanden (BAMF 15.5.2023). Medienberichten zufolge wurde am Abend des 20.5.2023 eine siebentägige Waffenruhe vereinbart, die ab dem 22.5.2023 um 21:45 Uhr Ortszeit beginnen sollte. Anders als bei vorherigen Waffenruhen haben beide Parteien, die sudanesische Armee (SAF) und die Rapid Support Forces (RSF), das Abkommen unterzeichnet (BAMF 22.5.2023).
Die BBC berichtete, dass die Kämpfe in dicht besiedelten Gebieten stattfanden und Khartum zu einem Kriegsgebiet wurde. Die Kämpfe breiteten sich schnell auf angrenzende Städte und Provinzen aus. Laut einem Bericht der International Crisis Group vom Juni 2023 steuert der Sudan auf ein Staatsversagen hin und die Kämpfe erstrecken sich auf verschiedene Teile des Landes.
Im Juli 2023 setzten sich die Kämpfe in Khartum sowie in den Bundesstaaten Darfur, Kordofan und Blue Nile fort. Zu diesem Zeitpunkt war Khartum weitgehend unter Kontrolle der RSF (EUAA 11.8.2023). Im Juli 2023 kontrolliert die Sudanesische Armee die Außenbezirke der Hauptstadt sowie den größten Teil von Omdurman und den östlichen und nördlichen Teil des Landes. Laut dem UNHCR gibt es neben den bewaffneten Kämpfen auch eine Zunahme der Kriminalität und einen allgemeinen Zusammenbruch von Recht und Ordnung im Land. Insbesondere Khartum ist stark von Gewalt betroffen. Die Kämpfe zwischen der Armee und der Sudan People's Liberation Movement North (SPLM-N) haben sich auch auf die Bundesstaaten Süd-Kordofan und Blue Nile ausgeweitet. In Khartum kommt es weiterhin zu Plünderungen, Angriffen auf öffentliche Einrichtungen und der Besetzung von Privathäusern. Die heftigsten Kämpfe fanden in Omdurman statt, wo die Sudanesische Armee massive Luftangriffe und Beschuss einsetzte, um die Rapid Support Forces (RSF) aus Teilen der Stadt zu vertreiben (EUAA 11.8.2023). Laut Amnesty International sind in den letzten 6 Monaten mindestens 5.000 Zivilisten getötet, mehr als 12.000 verletzt und über 5,7 Millionen Menschen vertrieben worden (AI 15.10.2023).
Am 7.12.2023 teilte das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (UNOCHA) mit, dass seit Ausbruch der Kämpfe Mitte April 2023 mehr als 12.190 Menschen getötet und mehr als 6,6 Mio. Menschen vertrieben wurden (BAMF 11.12.2023).
Am 10.12.2023 wurden ein Evakuierungskonvoi des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (ICRC) angegriffen. Dabei starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Nach Absprache mit der SAF und der RSF sollte der Konvoi in einem sicheren Korridor über 100 Zivilpersonen aus Khartum evakuieren. Die Evakuierungsmission wurde sofort gestoppt und wird ohne weitere Absprachen zunächst nicht wieder aufgenommen (BAMF 11.12.2023; vgl. RW 13.12.2023).
Ferner kam es in Kosti (Kusti), Hauptstadt des Bundesstaat White Nile zu tagelangen Kämpfen der Volksgruppen Hausa uns Nuba. Demnach seien am 6.5.2023 die Kämpfe ausgebrochen und bis zu 25 Menschen getötet und ca. 50 verletzt worden. Am 10.5.2023 hätten sich die Führer der jeweiligen Volksgruppen auf einen Waffenstillstand geeinigt (BAMF 15.5.2023).
Zudem ist ein Wiederaufflammen von Spannungen und Gewalt zwischen den Gemeinschaften zu verzeichnen. Im Juni 2023 waren die Auswirkungen der interkommunalen Gewalt in West-Darfur deutlich zu spüren. Mehrere Berichte wiesen auf eine Kampagne gezielter Angriffe gegen Zivilisten aufgrund ihrer Stammeszugehörigkeit hin, welche u. a. von einigen bewaffneten Männern in RSF-Uniformen durchgeführt wurden. Am 12.9.2023 kam es in der Nähe des Dorfes Anjemei südöstlich der Stadt El Geneina zu einem tödlichen Angriff mit 5 getöteten Männern (darunter drei Kinder) und einen Verletzten. Da die Täter in den Tschad flohen, kam die Befürchtung auf, dass der Vorfall eine Eskalation der Spannungen zwischen den Stämmen auslösen, bzw. zu einem Übergreifen des Konflikts führen könnte (UNHCR 10.10.2023a).
Seit Beginn der Regenzeit im Juli 2023 sind laut dem Sudan Floods Dashboard 2023 rund 89.000 Menschen in 22 Orten in neun Bundesstaaten von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Berichten zufolge sind mindestens 8.227 Häuser zerstört und 7.540 beschädigt worden. Im Jahr 2022 waren in 16 der 18 Bundesstaaten des Sudan 349.000 Menschen von schweren Regenfällen und Überschwemmungen betroffen. Mindestens 24.860 Häuser wurden zerstört und 48.250 weitere beschädigt (RW 9.2023a).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik [Deutschland] (14.9.2023): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/sudansicherheit/203266#content_5, Zugriff 2.2.2024
AI - Amnesty International (15.10.2023): Sudan: Civilians still being killed and displaced after six months of conflict, https://www.amnesty.org/en/latest/news/2023/10/sudan-civilians-still-being-killed-and-displaced-after-six-months-of-conflict/, Zugriff 23.10.2023
BMEIA - Bundesministerium Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (3.5.2023): Reiseinformation Sudan (Republik Sudan), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/sudan, Zugriff 2.2.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (22.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2023/briefingnotes-kw21-2023.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 2.2.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (15.5.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2023/briefingnotes-kw20-2023.pdf?__blob=publicationFile v=2, Zugriff 2.2.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (24.4.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/ 2023/briefingnotes-kw17-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 2.2.2024
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (11.12.2023) [Deutschland]: Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (19.12.2023): Reisehinweise für den Sudan, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/sudan/reisehinweise-fuerdensudan.html#eda0326b6, Zugriff 2.2.2024
EUAA - European Union Agency for Asylum (11.8.2023): Security and political developments in Sudan, particularly in the Khartoum state, including civilian impacts, https://www.ecoi.net/en/file/local/2096198/2023_08_EUAA_COI_Query_Response_Q26_S udan_Security_and_political_situation_Khartoum.pdf, Zugriff 20.10.2023
RW - ReliefWeb (13.12.2023): Regionale Sudan-Reaktion Lagebericht, 12. Dezember 2023, https://reliefweb.int/report/sudan/regional-sudan-response-situation-update-12-december-2023, Zugriff 13.12.2023
RW - ReliefWeb (9.2023a): Sudan: Überschwemmungen - Sep 2023, https://reliefweb.int/disaster/fl-2023-000199-sdn, Zugriff 13.12.2023
UNHCR - UN High Commissioner for Refugees (10.10.2023a): Protection Brief Dafur Region, October 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098689/Protection+Brief+-+Darfur+- +October+2023.pdf, Zugriff 13.12.2023
Rechtsschutz / Justizwesen
In der Verfassungserklärung und den einschlägigen Gesetzen ist eine unabhängige Justiz vorgesehen (USDOS 20.3.2023). Sie ist formal unabhängig und nicht weisungsgebunden, aber der Sudan ist kein Rechtsstaat. Der institutionell schwachen Verwaltung fehlt es häufig an Kompetenz und Mitteln, aber auch am Willen, Zuständigkeiten, Gesetze und Verordnungen transparent auszulegen und anzuwenden. Es gibt weiterhin keine funktionierende Gewaltenteilung. Die Rechtsprechung ist zwar formell nicht an politische Vorgaben gebunden, aber die Besetzung der Richterstellen unterliegt politischem Einfluss (AA 1.6.2022).
Die Übergangsverfassung von 2019 gewährt allen Sudanesen die grundlegenden Menschenrechte, darüber hinaus hat Sudan eine Reihe von internationalen Konventionen ratifiziert. Die praktische Umsetzung lief jedoch schleppend und wird angesichts des Militärputsches und dem seither verhängten Ausnahmezustand noch stärker infrage gestellt (AA 1.6.2022).
Die Interimsverfassung beabsichtigte die politisch beeinflusste Justiz der Ära al-Baschir durch eine unabhängige Richterschaft zu ersetzen. Im Mai 2021 setzte der Souveränitätsrat (SC) den Obersten Richter Nemat Abdullah Khair ab und akzeptierte den Rücktritt von Generalstaatsanwalt Taj al-Ser Ali al-Hebr, der sich über die mangelnde Unabhängigkeit beklagt hatte. Im selben Monat wurden zudem mehr als 20 Staatsanwälte aus ihrem Amt entlassen. Nach dem Coup vom Oktober 2021 ersetzte General Burhan den amtierenden Generalstaatsanwalt wie den Obersten Richter durch ehemalige Funktionäre der Nationalen Kongresspartei (National Congress Party – NCP) [die Partei al-Baschirs, Anm.]. Der neue Oberste Richter, Abdulaziz Fath al-Rahman Abdeen, ordnete im Dezember 2021 die Wiedereinsetzung aller zuvor entlassenen Richter an (FH 2023), wodurch die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz untergraben wurde, so das US-amerikanische Außenministerium (USDOS 20.3.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Sicherheitsbehörden
Bis Oktober 2021 trug das Innenministerium die Hauptverantwortung für die innere Sicherheit. Das Innenministerium hatte die Aufsicht über die Polizeibehörden, das Verteidigungsministerium und den Allgemeinen Nachrichtendienst. Zu diesen Polizeibehörden gehören die Sicherheitspolizei, die Polizeispezialeinheiten, die Verkehrspolizei und die kampferprobte sog. Zentrale Reservepolizei. Verschiedene Kräfte dieser Polizeieinheiten waren im ganzen Land präsent. Das Verteidigungsministerium beaufsichtigt alle Sicherheitsdienste, einschließlich der SAF, der RSF, des Grenzschutzes und der Verteidigungs- und militärischen Nachrichtendienste. Sie sind auch für den Schutz kritischer Infrastruktur zuständig (USDOS 20.3.2023).
Die Polizei zeichnet sich durch einen Mangel an Personal, Fachkenntnissen und Ausstattung aus. Ein häufiger Wechsel auf Leitungspositionen beeinträchtigt außerdem die Formulierung und Umsetzung strategischer Ziele. Aufgrund geringer Gehälter sind viele Polizisten auf Nebeneinkünfte angewiesen, wodurch sich die Korruptionsgefahr erhöht. Menschenrechtsaktivisten kritisieren die Polizei immer wieder wegen exzessiver Gewaltanwendung. Auf Demonstrationen erleiden Protestierende nicht selten Verletzungen durch Polizisten, in einigen Fällen wurde auch von Vergewaltigungen und Todesfällen berichtet. Angesichts der Vielfalt an Sicherheitskräften kann allerdings nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob Täter zur Polizei gehören. Grundsätzlich genießt die sudanesische Polizei kein großes Vertrauen oder hohes Ansehen in der Bevölkerung, weshalb oft keine Strafanzeigen gestellt werden (AA 1.6.2022).
Die SAF sind das Militär des Sudan. Sie bestehen aus Armee, Marine, Luftwaffe und den Grenzschutztruppen. Seit der Unabhängigkeit 1956 ist das sudanesische Militär ein dominanter Akteur im Land. Darüber hinaus spielen die SAF, wie die Sicherheitskräfte im Allgemeinen, eine wichtige Rolle in der sudanesischen Volkswirtschaft, da sie Berichten zufolge mehr als 200 Handelsunternehmen kontrollieren, darunter solche, die im Goldabbau, der Kautschukproduktion, der Landwirtschaft oder dem Fleischexport tätig sind (UKHO 6.2023; vgl. CIA 23.10.2023). Die Armee und pro-demokratische Gruppen haben die Integration der RSF in die regulären Streitkräfte gefordert, allerdings hat sich die RSF der Integration in die Armee widersetzt, um ihre Macht nicht zu verlieren (AJ 16.4.2023) Die SAF konzentrieren sich in erster Linie auf die innere Sicherheit, Grenzfragen und potenzielle Bedrohungen von außen durch die Nachbarländer (CIA 23.10.2023). Da es nicht gelingt, den Schutz der Zivilbevölkerung in der Peripherie, insbesondere in Darfur, sicherzustellen, geraten die Sicherheitskräfte häufig in Kritik. Auch der Aufbau der im Friedensabkommen von Juba vereinbarten integrierten Sicherheitskräfte für Darfur („joint forces“) verläuft schleppend (AA 1.6.2022).
Die RSF sind eine halbautonome paramilitärische Truppe, die 2013 gegründet wurde, um bewaffnete Rebellengruppen im Sudan zu bekämpfen. Ihr Befehlshaber ist der als Hemeti bekannte General Dagalo. Die RSF waren zunächst dem Nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienst unterstellt, kamen dann aber unter das direkte Kommando des damaligen Präsidenten al-Baschir, der sie als seine persönliche Leibgarde aufbaute (CIA 23.10.2023; vgl. AA 1.6.2022), wobei Hemeti mit al-Baschir bei dessen Sturz brach. Die RSF gingen aus den sog. Janjaweed-Milizen hervor, die für einen Großteil der Menschenrechtsverletzungen in Darfur (2005- 2008) verantwortlich gemacht werden. Sie werden des Weiteren als an der gewaltsamen Auflösung der Proteste vom 3.6.2019 beteiligt angesehen (AA 1.6.2022). Die RSF rekrutiert aus allen Teilen des Sudan, nicht nur wie ursprünglich aus arabischen Darfuri-Gruppen. In der Vergangenheit kämpfte diese paramilitärische Miliz sowohl im Jemen als auch gegen Aufständische in Darfur sowie den Bundesstaaten Südkordofan und Blue Nile (CIA 23.10.2023). Überdies schützte sie die Grenze zu Libyen (AA 1.6.2022; vgl. CIA 23.10.2023) und war an der zur Zentralafrikanischen Republik aktiv. Ökonomisch gesehen sind die RSF Berichten zufolge an einigen Wirtschaftsunternehmen beteiligt, vornehmlich am Goldabbau (CIA 23.10.2023). Hemeti ist seit der Revolution jedenfalls ein Machtfaktor im Sudan (AA 1.6.2022). Seit der Entmachtung al-Baschirs waren die RSF in mehr als 155 Vorfälle verwickelt, die auf Zivilisten abzielten und über 300 zivile Todesopfer forderten. Ferner wurde ihr vorgeworfen, Zivilisten willkürlich festzunehmen (ACLED 14.4.2023; vgl. UKHO 6.2022).
Auch aufgrund des im April 2023 ausgebrochenen Konflikts zwischen SAF und RSF leidet die Zivilbevölkerung in Darfur weiterhin unter dem Versagen der sudanesischen Behörden, für Sicherheit zu sorgen. Amnesty International und andere Nichtregierungsorganisationen haben wiederholt Beweise für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht durch sudanesische Regierungstruppen dokumentiert, u. a. rechtswidrige Tötungen von Zivilpersonen, rechtswidrige Zerstörungen von zivilem Eigentum, Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, gewaltsame Vertreibungen von Zivilpersonen, ethnische Säuberungen und Einsätze chemischer Waffen (AI 24.4.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
ACLED - Armed Conflict Location and Event Data Project (14.4.2023): Sudan: Political Process to Form a Transitional Government and Shifting Disorder Trends, https://acleddata.com/2023/04/14/sudan-situation-update-april-2023-political-process-to-form-a-transitional-civilian-government-and-the-shift-in-disorder-trends/, Zugriff 31.10.2023
AI - Amensty International (24.4.2023): Sudan: Kein Ende des Leids für die Zivilbevölkerung, https://www.amnesty.at/presse/sudan-kein-ende-des-leids-fuer-die-zivilbevoelkerung/, Zugriff 31.10.2023 - AJ - Al Jazeera (16.4.2023): Sudan unrest: What are the Rapid Support Forces?, https://www.aljazeera.com/news/2023/4/16/sudan-unrest-what-is-the-rapid-support-forces, Zugriff 31.10.2023
CIA - Central intelligence Agency (23.10.2023): The World Factbook Sudan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/sudan/#military-and-security, Zugriff 31.10.2023
UKHO - UKHome Office [Vereinigtes Königreich] (6.2023): Country Policy and Information Note - Sudan: Security situation, https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/ file/1162778/SDN_CPIN_Security_situation.pdf, Zugriff 31.10.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Folter und unmenschliche Behandlung
Die Verfassungserklärung von 2019 verbietet zwar Folter oder unmenschliche Behandlung oder Bestrafung (USDOS 20.3.2023), Übergriffe der Polizei, der Armee oder der Sicherheitsdienste können jedoch Folter, auch mit Todesfolge, einschließen. Daneben gibt es eine verbreitete Praxis von brutalen Übergriffen der Polizei als Ermittlungsinstrument und Einschüchterungsmethode auch unterhalb der Folterschwelle (AA 1.6.2022). Auch gibt es zahlreiche Berichte über gewaltsame Übergriffe auf friedliche Demonstranten unter der Militärjunta (USDOS 20.3.2023). Die Sicherheitskräfte haben auch Kinder misshandelt, bzw. menschenunwürdiger Behandlung ausgesetzt (HRW 12.1.2023).
Die Übergangsregierung hatte Schritte zur Stärkung einiger Rechte unternommen. Durch Änderungen des Strafgesetzes sind Auspeitschen und andere Formen der Körperstrafe seit 13. Juli 2020 verboten (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023, USDOS 20.3.2023). Verfehlungen der Sicherheitskräfte können nach dem Gesetz zwar grundsätzlich mit Disziplinarverfahren, Entlassung aus dem Dienst und Haft geahndet werden. Angehörige der Sicherheitskräfte, die foltern, wurden bislang jedoch kaum zur Verantwortung gezogen (AA 1.6.2022). Außerdem wird häufig mit Gewalt gegen Aktivisten, politische Gefangene und Journalisten vorgegangen. Diese werden ohne Zugang zu einem Rechtsanwalt in Isolationshaft gehalten und waren häufig Opfer von Folter und unmenschlicher Behandlung (FH 2023). Auch in Gefängnissen sind außergerichtliche Tötung und tödliche Folter verbreitete Praktiken (BS 2022; vgl. OMCT 30.8.2021, USDOS 20.3.2023).
UN-Experten äußerten sich im August 2023 alarmiert über Berichte über brutale und weitverbreitete Vergewaltigungen und andere Formen sexueller Gewalt durch die Streitkräfte RSF. Dazu gehören Berichte über das gewaltsame Verschwindenlassen von Frauen und Mädchen und Handlungen wie Zwangsarbeit und sexuelle Ausbeutung. Berichten zufolge wurden Hunderte von Frauen durch die RSF inhaftiert und unter unmenschlichen oder erniedrigenden Bedingungen festgehalten, sexuellen Übergriffen ausgesetzt und sind von sexueller Sklaverei bedroht (OHCHR 17.8.2023). Am 6.12.2023 erklärten die USA offiziell, dass man bestätigen könne, dass die Rapid Support Forces (RSF) und verbündete Milizen Kriegsverbrechen begangen haben. Dazu zählten Verbrechen gegen die Menschlichkeit und ethnische Säuberungen, insbesondere in West-Darfur. Zudem wird die Misshandlung von Inhaftierten in Haftanstalten der sudanesischen Armee (SAF) und der RSF angemahnt. Unmittelbare Konsequenzen für die Kriegsparteien haben diese Feststellungen allerdings nicht (BAMF 11.12.2023).
Von den in der Scharia, die im Sudan als Rechtsquelle Gültigkeit besitzt, festgelegten Köperstrafen ist vor allem die Prügelstrafe weit verbreitet. Es kommt außerdem vor, dass Frauen wegen „unschicklicher Kleidung“ mit Stockhieben bestraft werden. Das einschlägige Gesetz (Public Order Law) wurde Ende November 2019 abgeschafft. Amputationen und Steinigungen haben in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden. In bestimmten Fällen können Körperstrafen durch Zahlung von „Blutgeld“ abgewendet werden. Insgesamt ist eine Lockerung der strengen Regeln zu beobachten (AA 1.6.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023
BS 2022 - Bertelsmann Stiftung (2022): BTI 2022 Country Report – Sudan, https://bti-project.org/en/reports/country-report/SDN#pos0, Zugriff 2.11.2023
FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023
OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (17.08.2023): UN experts alarmed by reported widespread use of rape and sexual violence against women and girls by RSF in Sudan, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/08/un-experts-alarmed-reported-widespread-use-rape-and-sexual-violence-against, Zugriff 3.11.2023
OMCT - OMCT World Organisation Against Torture (30.8.2021), Sudan: Will the Convention against Torture prompt a better detention system?, https://www.omct.org/en/resources/statements/sudan-will-the-convention-against-torture-prompt-a-better-detention-system, Zugriff 2.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Wehrdienst und Rekrutierungen
Laut dem weiterhin gültigen „Gesetz über den Nationalen Dienst“ aus 2013, besteht für Männer eine einjährige Dienstpflicht (AA 1.62022). Betroffen sind alle im Alter von 18 bis 33 Jahren (CIA 1.11.2023). Dieser Nationaldienst kann bei der Polizei, bei den SAF, aber auch als Ersatzdienst bei anderen staatlichen Organisationen abgeleistet werden. Für Universitätsabsolventen bestimmter Fachrichtungen, insbesondere Ärzte und Apotheker, ist diese Ersatzpflicht obligatorisch (AA 1.6.2023). Die gesetzlich bestehende Wehrpflicht für Frauen (CIA 1.11.2023) wird in der Praxis häufig nicht durchgesetzt. Frauen müssen zwar ein einjähriges „soziales Jahr“ absolvieren, wobei dieses de facto auch nur Studentinnen bestimmter Fachrichtungen (z. B. Medizin, Buchhaltung) betrifft (AA 1.6.2022).
Das Gesetz verbietet die Rekrutierung von Kindern und sieht strafrechtliche Sanktionen für die Täter vor. Nach wie vor bestehen jedoch Behauptungen, dass bewaffnete Oppositionsbewegungen Kindersoldaten rekrutieren und in ihren Reihen unterhalten (USDOS 20.3.2023). Seit 2015 haben die UN keine Fälle dokumentiert, in denen die SAF Kindersoldaten rekrutiert oder eingesetzt hat (AA 1.6.2022), UN-Experten sind jedoch weiterhin über solche Rekrutierungen besorgt (OHCHR 16.10.2023). Die SAF wurde 2018 von der UN-Liste, die Staaten und Akteure anführt, die Kindersoldaten rekrutieren, gestrichen. Immer wieder hört man, dass die RSF auch Minderjährige rekrutieren (AA 1.6.2022; vgl. FH 2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
CIA - Central intelligence Agency (23.10.2023): The World Factbook Sudan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/sudan/#military-and-security, Zugriff 31.10.2023
FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
OHCHR - UN Office of the High Commissioner for Human Rights (16.10.2023), Sudan: UN expert warns of child recruitment by armed forces, https://www.ohchr.org/en/press-releases/2023/10/sudan-un-expert-warns-child-recruitment-armed-forces, Zugriff 7.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Allgemeine Menschenrechtslage
Die Übergangsverfassung von 2019 verpflichtet die Übergangsregierung die Menschenrechte aller Bürger ohne Diskriminierung zu wahren und ihre Gleichbehandlung vor dem Gesetz zu gewährleisten. In der Verfassung wird ferner die Rechenschaftspflicht für Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und andere schwere Menschenrechtsverletzungen eingefordert (FH 2023 vgl. AA 1.6.2022). Der Ausnahmezustand, der kurz nach dem Militärputsch verhängt wurde, schränkt jedoch einige bürgerliche Freiheiten ein (AA 1.6.2022).
Im Jahr 2022 gehörten zu den großen Menschenrechtsproblemen rechtswidrige Tötungen, unmenschliche Haftbedingungen, Einschränkungen der Meinungsäußerung und der Medienfreiheit sowie Korruption in der Regierung. Weitere Probleme sind geschlechtsspezifische Gewalt, Diskriminierung sexueller Minderheiten und Kinderarbeit (USDOS 20.3.2023).
Sicherheitskräfte gehen weiterhin mit exzessiver Gewalt gegen Proteste vor, töten Demonstrierende und verletzen Tausende. Protestteilnehmer, darunter auch Minderjährige, werden rechtswidrig inhaftiert und misshandelt (AI 28.3.2023). Zwar hat die Militärregierung Sonderausschüsse zur Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen eingerichtet, bislang aber noch keine Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen. Paramilitärische Kräfte und Rebellengruppen verüben nach wie vor Gewalttaten gegen Zivilisten, vor allem in Darfur, Südkordofan und Blue Nile, während lokale Milizen aufgrund von fehlender Militärpräsenz und Straffreiheit weiterhin erheblichen Einfluss ausüben. Interkommunale Gewalt, die auf Landbesitzstreitigkeiten und Ressourcenknappheit beruht, führt zu Todesfällen (USDOS 20.3.2023).
Die Menschenrechts- und Schutzsituation im Sudan hat sich 2023 weiter dramatisch verschlechtert, insbesondere in Khartum und Darfur. Die Gewalteskalation in dicht besiedelten Gebieten der umkämpften Städte führt zu einer großen Zahl ziviler Opfern und zur weitgehenden Zerstörungen der Infrastruktur. Zwischen 7.5.2023 und 20.8.2023 dokumentierte die UN-Mission im Sudan 655 mutmaßliche Menschenrechtsverletzungen und -Misshandlungen in Zusammenhang mit interkommunaler Gewalt und bewaffneten Zusammenstößen. Davon waren insgesamt 12.629 Menschen direkt betroffen. Auch in Darfur hat sich die Menschenrechtslage deutlich verschlechtert, dank gezielter Angriffe und massiver Gewalt. In al-Dschunaina flammte im Kontext des Konflikts zwischen den SAF und den RSF ethnisch motivierte Gewalt ebenfalls wieder auf, ebenso außerhalb der größeren Städte Darfurs. Besorgniserregend, so der UN-Sicherheitsrat, sind die gezielten Drohungen und Schikanen gegen Menschenrechtsaktivisten sowie die Morde an prominenten Persönlichkeiten der Masalit. Die anhaltende Unterbrechung der Telekommunikation erschwert in Darfur die Untersuchung von Menschenrechtsverletzungen und Verstößen gegen das humanitäre Völkerrecht (UNSC 31.8.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023
FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 7.11.2023
UNSC - UN Security Council (31.8.2023): Situation in the Sudan and the activities of the United Nations Integrated Transition Assistance Mission in the Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2097534/N2324851.pdf, Zugriff 7.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Sudan, Zugriff 7.11.2023
Todesstrafe
Der Sudan gehört zur Gruppe derjenigen Länder, die an der Todesstrafe für gewöhnliche Straftaten festhalten (AI 5.2023a; vgl. WCADP 23.5.2023), wobei sie derzeit nicht vollstreckt wird (AA 1.6.2022). Im Jahr 2022 wurde laut Amnesty International (AI) keine Person exekutiert wie nur eine zum Tode verurteilt, sechs weniger als im Vorjahr (AI 5.2023a), in dem zum bisher letzten Mal eine Hinrichtung stattfand (WCADP 23.5.2023). Allerdings widerspricht die sudanesische NGO African Centre for Justice and Peace Studies (ACJPS) dieser Auffassung: gemäß ihrer Angaben wurden im Jahr 2022 zwei Todesurteile und im Jänner 2023 eines vollstreckt (ACJPS 16.3.2023). Konkrete Zahlen zu den Vollstreckungen liegen im Allgemeinen nicht vor, und zivilgesellschaftliche Vertreter vermuten eine hohe Dunkelziffer (AA 1.6.2022). Mit Stand 23.5.2023 sollen sich rund 109 Häftlinge im Todestrakt befinden (WCADP 23.5.2023).
Die Todesstrafe wird für Vergehen wie Landesverrat oder Mord verhängt (AA 1.6.2022), ausgeführt wird sie durch Erhängen oder Steinigung (WCADP 23.5.2023). Am 9.7.2020 billigte der Staatsrat grundlegende Reformen des Justizsystems, darunter die Abschaffung der Todesstrafe für gewisse Straftaten, für Apostasie (WCADP 31.7.2020; vgl. AA 1.6.2022) sowie gleichgeschlechtlichen Sex (WCADP 31.7.2020; vgl. REU 16.7.2020). Begnadigungen oder Umwandlungen von Todesurteilen in mildere Strafen, z. B. in eine Freiheitsstrafe, werden ebenfalls mitunter gewährt (AI 5.2023a).
In der Vergangenheit, zuletzt im Jahr 2015, wurden auch Personen, die zum Zeitpunkt der Straftat minderjährig, d. h. unter 18 Jahre alt waren, hingerichtet (AI 5.2023b). Am 30.5.2019 wurde zum bis dato letzten Mal ein solches Todesurteil für ein Verbrechen verhängt, das der verurteilte Bub mit 15 Jahren begangen hat (UNICEF 30.5.2019; vgl. ACJPS 16.3.2023). Die Übergangsregierung verbot 2020 die Todesstrafe für Angeklagte unter 18 Jahren (FH 2023).
Der Sudan verhängt noch die Todesstrafe auf bestimmte, im Koran festgelegte Hadd-Vergehen wie Diebstahl oder Ehebruch (BBC 27.10.2022). Im Juni 2022 verurteilte ein Gericht in Kusti eine 20- jährige Frau wegen Ehebruchs zum Tod durch Steinigung (BBC 27.10.2022; vgl. FH 2023), aber ein Berufungsgericht hob ihre Verurteilung aus verfahrensrechtlichen Gründen auf. Anstelle wurde sie zu sechs Monaten Haft verurteilt (FIDH 16.12.2022; vgl. FH 2023). Ein Regierungsversprechen aus 2015, die Steinigung als Hinrichtungsmethode abzuschaffen, wurde Menschenrechtsgruppen zufolge nicht eingehalten (BBC 27.10.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Mai 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl- _und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_(Stand_Mai_2022)%2C_01.06.2 022.pdf, Zugriff 15.11.2023
ACJPS - African Centre for Justice and Peace Studies (16.3.2023): Position Statement on the Death Penalty to Sudanese Authorities, https://www.acjps.org/position-statement-on-the-death-penalty-to-sudanese-authorities/, Zugriff 15.11.2023
AI - Amnesty International (5.2023a): Death Sentences and Executions 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091962/ACT5065482023ENGLISH.pdf, Zugriff 15.11.2023
AI - Amnesty International (5.2023b): Executions of persons who were children at the time of the offence: 1990-2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2091963/ACT5066302023ENGLISH.pdf, Zugriff 15.11.2023
BBC - British Broadcasting Corporation (27.10.2022): Sudan: “No-one to intervene” for woman sentenced to stoning, https://www.bbc.com/news/world-africa-63383361, Zugriff 15.11.2023
FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://www.ecoi.net/en/document/2088562.html, Zugriff 15.11.2023
FIDH - Fédération internationale des ligues des droits de l’Homme (16.12.2022): Death by stoning turned into harsh prison sentence in Sudan: Free Amal!, https://www.fidh.org/en/region/Africa/sudan/sudan-death-by-stoning-turned-into-harsh-prison-sentence-amal-must-be#, Zugriff 15.11.2023 - REU - Reuters (16.7.2020): “Great first step” as Sudan lifts death penalty and flogging for gay sex, https://www.reuters.com/article/us-sudan-lgbt-rights-trfn-idUSKCN24H30J, Zugriff 15.11.2023
UNICEF - United Nations Children’s Fund (30.5.2019): Boy sentenced to death in Sudan for crime reportedly committed as a child, https://www.unicef.org/sudan/press-releases/boy-sentenced-death-sudan-crime-reportedly-committed-child, Zugriff 15.11.2023
WCADP - World Coalition Against the Death Penalty (23.5.2023): Sudan, https://worldcoalition.org/pays/sudan/, Zugriff 15.11.2023
WCADP - World Coalition Against the Death Penalty (31.7.2020): Sudan Repeals Capital Punishment for Homosexuality, https://worldcoalition.org/2020/07/31/sudan-repeals-capital-punishment-for-homosexuality/, Zugriff 15.11.2023
Religionsfreiheit
Mit Stand 2023 leben ca. 49,2 Millionen Menschen im Sudan (CIA 14.11.2023), wobei anzumerken ist, dass demografische Daten über die Bevölkerung mangels einer glaubwürdigen wie aktuellen Volkszählung ungenau sind (USCIRF 11.2021). Die Mehrheit der Sudanesen ist muslimisch sowie überwiegend der sunnitischen Glaubensrichtung zugehörig (EB 11.11.2023; vgl. CIA 14.11.2023). Sie machen in etwa 91 % der Gesamtbevölkerung aus (USDOS 15.5.2023; vgl. USCIRF 11.2021), die Bräuche und Glaubensvorstellungen unter Sunniten sind jedoch unterschiedlich und umfassen sowohl Sufi- als auch salafistische Gemeinden (USCIRF 11.2021). Kleinere schiitische Gemeinden sind vor allem in Khartum ansässig. Es gibt zudem eine kleine Gemeinschaft der Bahá’í (USDOS 15.5.2023), rd. 0,5 % der Bevölkerung. Die christlichen Sudanesen, die ca. 5,5 bis 6 % ausmachen (USCIRF 11.2021), teilen sich in 36 Konfessionen auf, von denen 24 anerkannt sind, darunter die koptisch- und griechisch-orthodoxen Kirchen, die römisch-katholische Kirche, die Episkopalkirche (anglikanisch), bzw. presbyterianische Kirchen. Christen leben im gesamten Land, insbesondere in größeren Städten (Khartum, Bur Sudan oder Kassala) sowie in den Nuba-Bergen, in Süd-Kordofan und in Teilen von Blue Nile. Äthiopisch- und eritreisch-orthodoxe Gemeinden, die größtenteils aus Flüchtlingen und Migranten bestehen, befinden sich in Khartum wie im Osten. Zumindest eine jüdische Familie lebt noch in der Umgebung der Hauptstadt (USDOS 15.5.2023). Ferner ist Berichten zufolge ungefähr 1 % der Bevölkerung ohne Bekenntnis (USCIRF 11.2021). Ein kleiner Prozentsatz der Sudanesen, weniger als 1 % (USDOS 15.5.2023) bis zu 2,8 % (USCIRF 11.2021), hängt traditionellen animistischen Religionen an, vor allem in den Nuba-Bergen. Obwohl alle Animisten einige Glaubensvorstellungen teilen, hat jede Ethnie ihre eigene Religion (EB 11.11.2023). Christen und Muslime integrieren auch in ihre Religionsausübung zum Teil animistische Elemente (USDOS 15.5.2023).
Nach der Unabhängigkeit in 1956 oktroyierten die neuen Eliten allen Sudanesen eine sunnitische Auslegung des Islam, unabhängig von deren Religionszugehörigkeit (USCIRF 11.2021). Vor allem die Militärregierung unter al-Baschir (1989-2019) hat traditionelle Religionsgemeinschaften stark unterdrückt. Die Einführung der Scharia als Rechtsquelle führte zur Spaltung des Sudan in einen muslimisch-arabischen Norden respektive einen christlich-animistischen Süden (USCIRF 11.2023). Zudem hat die Militärregierung mit ihrer strengen sunnitischen Doktrin eklatant gegen die Religionsfreiheit verstoßen, z. B. durch das Gesetz zur öffentlichen Ordnung, welches systematisch genutzt wurde, um jegliche Abweichung zu unterdrücken (USCIRF 11.2021). Bestraft wurde durch Auspeitschung, in seltenen Fällen auch durch Steinigung (BBC 29.11.2019). Nach dem Sturz des Regimes hat die eingesetzte Übergangsregierung mehrere Reformen verabschiedet, um die vorher fehlende Religionsfreiheit nun zu gewährleisten (USCIRF 11.2021). Deshalb enthält die Verfassungserklärung von 2019 mehrere Bestimmungen, welche die Rechte auf Religions- und Bekenntnisfreiheit „in Einklang mit dem Gesetz und der öffentlichen Ordnung“ schützen (USDOS 15.5.2023; vgl. AA 1.6.2022; FH 2023; USCIRF 11.2023). Sie enthält überdies keinen Verweis auf die Scharia, mit Ausnahme der Verhängung der Todesstrafe bei Hadd-Verbrechen [vgl. Kapitel 14. Todesstrafe, Anm.] (USDOS 15.5.2023; vgl. USCIRF 11.2023).
Viele der repressiven, die Religionsfreiheit einschränkenden Gesetze und Verordnungen wurden in 2019 annulliert, darunter das Gesetz zur öffentlichen Ordnung und die Apostasiegesetze (USCIRF 11.2023; vgl. USCIRF 11.2021). Unter der Übergangsregierung konnten religiöse Minderheiten ihren Glauben öffentlich bekunden und Feiern abhalten (USCIRF 11.2023). Der damalige Minister für religiöse Angelegenheiten lud bereits wenige Tage nach seiner Amtseinführung 2019 die Angehörigen der ehemals in Sudan bestehenden jüdischen Gemeinde zur Rückkehr sowie zur Wiederannahme der sudanesischen Staatsbürgerschaft ein. Ebenso wurde Weihnachten 2019 zum ersten Mal seit acht Jahren wieder zum Feiertag erklärt (AA 1.6.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan (Stand: Mai 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_(Stand_Mai_2022)%2C_01.06.2 022.pdf, Zugriff 17.11.2023
BBC - British Broadcasting Corporation (29.11.2019): Sudan crisis: Women praise end of strict public order law, https://www.bbc.com/news/world-africa-50596805, Zugriff 17.11.2023
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (14.11.2023): The World Factbook: Sudan, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/sudan/, Zugriff 17.11.2023
EB - Encyclopaedia Britannica (11.11.2023): Sudan, https://www.britannica.com/place/Sudan, Zugriff 17.11.2023
FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Sudan, https://www.ecoi.net/en/document/2088562.html, Zugriff 17.11.2023
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (11.2023): Freedom of Religion or Belief in the Sahel Region of Africa, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2023-11/2023%20Factsheet%20Sahel%20Region %20of%20Africa.pdf, Zugriff 17.11.2023
USCIRF - United States Commission on International Religious Freedom [USA] (11.2021): Preserving Religious Freedom Progress in Sudan, https://www.uscirf.gov/sites/default/files/2021-11/2021%20Sudan%20Policy%20Update.pdf, Zugriff 17.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Sudan, https://www.ecoi.net/en/document/2091931.html, Zugriff 17.11.2023
Minderheiten
Die Bevölkerung umfasst mehr als 500 ethnische Gruppen, die zahlreiche Sprachen und Dialekte sprechen. Einige dieser ethnischen Gruppen bezeichnen sich selbst als Araber und berufen sich dabei auf ihre Sprache oder andere kulturelle Merkmale. In Konfliktregionen gibt es immer wieder Fälle interethnischer Gewalt. 2022 gab es mehrere Berichte über Hassreden und diskriminierende Äußerungen, die nach der Ernennung ziviler Gouverneure zunahmen, ebenso interkommunale Spannungen (USDOS 20.3.2023).
Es gibt keine Gesetze, die Frauen oder Angehörige von Minderheiten daran hindern, zu wählen oder anderweitig am politischen Leben teilzunehmen; und sie beteiligen sich auch (USDOS 20.3.2023).
In Blue Nile, der Grenzregion zu Äthiopien, welche von der SPLA/M-North) regiert wird, forderten Zusammenstöße zwischen den ethnischen Gruppen der Hausa und der Birta schon über 100 Menschenleben und führten zu einer massiven Vertreibung in der Region (HRW 12.1.2023). Im Oktober 2022 wurden dort bei Kämpfen zwischen ethnischen Gruppen innerhalb von zwei Tagen mindestens 220 Menschen getötet. Laut UN gab es in diesem Bundesstaat ab Juli immer wieder schwere interethnische Auseinandersetzungen, bei denen mindestens 359 Menschen getötet und 469 verletzt wurden – sowohl Personen, die an den Kämpfen beteiligt waren, als auch unbeteiligte Zivilpersonen. Aufgrund der Kämpfe wurden mehr als 97.000 Zivilpersonen vertrieben. Die Regierung des Bundesstaats Blue Nile verhängte einen 30-tägigen Ausnahmezustand und verbot Versammlungen (AI 28.3.2023).
Quellen:
AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz sieht Bewegungsfreiheit im Inland, Auslandsreisen und Emigration vor, und obwohl die Regierung diese Rechte weitgehend respektiert (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023), werden diese Rechte in der Praxis immer noch von staatlichen Sicherheitskräften und anderen bewaffneten Gruppen im ganzen Land behindert. Die meisten der mehr als 3,7 Millionen IDPs im Sudan (Stand: Juli 2022) konzentrieren sich auf die langjährigen Konfliktgebiete Darfur, Südkordofan und Blue Nile (FH2023). Die sudanesische Lagerpolitik schränkt die Bewegungsfreiheit von Asylbewerbern und Flüchtlingen ein, indem sie sie verpflichtet, in ausgewiesenen Lagern zu bleiben. Außerhalb der Lager wurden einige Flüchtlinge und Asylbewerber verhaftet, schikaniert oder erpresst (HRW 12.1.2023).
Ferner begann die Regierung die Bewegungsfreiheit von Personen in einigen der von ethnischen Konflikten betroffenen Bundesstaaten einzuschränken. Aus mehreren Berichten geht hervor, dass diese Entscheidung vor allem bereits gefährdete oder marginalisierte Gemeinschaften getroffen hat (FH 2023). Für Menschen außerhalb der Konfliktgebiete war die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes im Allgemeinen ungehindert (USDOS 20.3.2023). Im Jahr 2020 schaffte die Übergangsregierung die Notwendigkeit von Ausreisegenehmigungen sowie eine Vorschrift ab, nach der Frauen die Erlaubnis eines männlichen Vormunds einholen mussten, um mit Kindern ins Ausland zu reisen (FH 2023).
Quellen:
FH - Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 Sudan, https://freedomhouse.org/country/sudan/freedom-world/2023, Zugriff 23.10.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): Jahresbericht zur Menschenrechtssituation im Jahr 2022, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/sudan, Zugriff 7.11.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Grundversorgung und Wirtschaft
Zahlreiche Menschen haben nicht genügend Nahrungsmittel und leiden unter akutem Hunger (AI 28.3.2023). Die Bereitstellung humanitärer Hilfe wird in vielen Teilen des Landes u. a. durch Unsicherheit, Plünderungen, schlechte Kommunikationsverbindungen und Bargeldmangel beeinträchtigt (BAMF 11.12.2023). Die Auswirkungen der Kämpfe zwischen den SAF und des RSF wirken sich auf das Land verheerend aus, sowohl humanitär als auch wirtschaftlich (GTAI 17.11.2023).
Somit sieht auch die kurz- und mittelfristige wirtschaftliche Entwicklung eher düster aus. Das BIP brach 2023 im zweistelligen Bereich ein. Hinzu kommt, dass die sudanesische Wirtschaft bereits seit 2018 kontinuierlich schrumpft. Die Economist Intelligence Unit (EIU) rechnet für 2024 mit einer BIP-Abnahme um 2,7 %. Etwas optimistischer zeigt sich der Internationale Währungsfonds (IWF), der dem Land ein minimales Wachstum von 0,3 % zutraut. Voraussagen zur wirtschaftlichen Entwicklung sind jedoch mit Vorsicht zu genießen. Sie hängen in erster Linie davon ab, wann die Kämpfe enden und sich die politische Lage wieder stabilisiert. So lange jedoch das Militär die Regierung stellt, dürften auch die in den letzten Jahren in Aussicht gestellten Hilfszusagen internationaler Geberinstitutionen weiter auf Eis liegen (GTAI 17.11.2023).
Der Konflikt zerstört die Lebensgrundlagen von Millionen von Menschen im Sudan, bringt die Produktion zum Stillstand und baut Humankapital sowie staatliche Kapazitäten ab. Die Wachstumsprognose für den Sudan 2023 wurde um 12,5 % nach unten korrigiert, da der bewaffnete Konflikt die industrielle Basis des Landes sowie die Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen beschädigt hat. Er hat auch zu einem Einbruch der Wirtschaftstätigkeit - einschließlich Handel, Finanzdienstleistungen sowie Informations- und Kommunikationstechnologie - und zur Aushöhlung des Staates geführt, was sich nachteilig auf die Ernährungssicherheit und die Zwangsvertreibung auswirkt (RW 19.10.2023).
Quellen:
AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty Report 2022 Sudan, https://www.amnesty.de/informieren/amnesty-report/sudan-2022, Zugriff 7.11.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023) : Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023
GTAI - Germany Trade Invest (17.11.2023): Bürgerkrieg lässt Wirtschaft einbrechen, https://www.gtai.de/de/trade/sudan/wirtschaftsumfeld/buergerkrieg-laesst-wirtschaft-einbrechen-228498, Zugriff 13.12.2023
RW - ReliefWeb (19.10.2023): Sudan Six months of conflict - Key Facts and Figures, https://reliefweb.int/report/sudan/sudan-six-months-conflict-key-facts-and-figures-19-october-2023, Zugriff 13.12.2023
Medizinische Versorgung
Im weltweiten Vergleich ist die medizinische Versorgung im Sudan unterdurchschnittlich (LD o.D.). Sie ist auf dem Land, in den ländlichen Regionen, vielfach technisch, apparativ und hygienisch problematisch. In Khartum ist die Versorgung zwar besser (AA 14.9.2023), aber immer noch auf geringem Niveau. In den größeren Städten gibt es vergleichsweise ordentliche, aber internationalen Standards nicht genügende Krankenhäuser – vor allem die Hygienestandards und die Medikamentenversorgung sind unzureichend (AA 1.6.2022). Pro Tausend Einwohner stehen im Land 0,7 Krankenhausbetten und ca. 0,41 Ärzte zur Verfügung. Letztere, ca. 19.200 im Land (LD o.D.), sind aber in der Regel gut ausgebildet (AA 1.6.2022).
Die Einfuhr von gängigen Medikamenten ist nur eingeschränkt möglich. Medikamente werden häufig im Zoll festgehalten, medizinische Hilfslieferungen ebenso. Viele Arzneimittel sind für die durchschnittliche Bevölkerung unerschwinglich und der Pflegedienst ist dürftig. Das Sozialversicherungssystem funktioniert ebenfalls nur unzulänglich. Viele Betriebe entziehen sich dem staatlichen System. Zum Tragen kommt es überhaupt nur dort, wo die nötige Infrastruktur vorhanden ist, vornehmlich in den wenigen städtischen Ballungszentren. Auf dem Lande hat das System noch nicht Fuß fassen können (AA 1.6.2022).
Der Konflikt im Sudan beeinträchtigt das Gesundheitssystem und die soziale Basisinfrastruktur, was u. a. zum Ausbruch von Gesundheitkatastrophen wie Cholera in mehreren Bundesstaaten führte (UNHCR 6.11.2023). Am 26.9.2023 erklärte das sudanesische Gesundheitsministerium offiziell einen Choleraausbruch im Bundesstaat Gedaref (al-Qadarif). Choleraverdachtsfälle wurden auch in den Bundesstaaten Khartum und Südkordofan registriert, aber der begrenzte Zugang und die Unmöglichkeit, Proben an ein Labor zu schicken, verhindern eine Bestätigung eines Ausbruchs (RW 9.2023b). Die Zahl der Cholerafälle betrug Stand 11.12.2023 5.414, darunter 170 Todesfälle. Insgesamt haben sich die Zahlen im Dezember 2023 mehr als verdoppelt (BAMF 11.12.2023). Der Ausbruch kommt zu einer Zeit, in der das sudanesische Gesundheitssystem an seine Grenzen stößt. Etwa 70 % der Krankenhäuser in den vom Konflikt betroffenen Staaten sind nicht funktionsfähig, und die Einrichtungen in den nicht vom Konflikt betroffenen Staaten sind durch den Zustrom von Vertriebenen überfordert (RW 9.2023b).
Infektionskrankheiten können grundsätzlich kaum noch behandelt werden. Masern sind auf dem Vormarsch (ARD 8.12.2023). Zwischen 15.4. und 15.9.2023 wurden landesweit über 4.000 Masernfälle mit 107 Todesopfern festgestellt (RW 9.2023b). Für kranke Kinder fehlt die medizinische Versorgung, viele sind inzwischen unterernährt. Die WHO unterstützt nach eigenen Angaben 21 mobile Kliniken, Behandlungszentren für Cholera und Unterernährung. Mit Partnern werde alles getan, um trotz der verheerenden Sicherheitslage medizinische Güter zu verteilen (ARD 8.12.2023).
Gemeinsam mit Partnern setzt sich der UNHCR dafür ein, Hilfe für Überlebende geschlechtsspezifischer Gewalt und Missbrauchsopfer zu leisten, u.a durch psychosoziale Unterstützung und Fallmanagement (UNHCR 6.11.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (14.9.2023): Sudan: Reise- und Sicherheitshinweise (Reisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/sudansicherheit/ 203266#content_5, Zugriff 12.12.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (11.12.2023): Kurzmitteilungen (KW50/2023), https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/ BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw50-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 13.12.2023
LD - Laenderdaten.info (o.D.): Gesundheitswesen im Sudan, https://www.laenderdaten.info/Afrika/Sudan/gesundheit.php, Zugriff 13.12.2023
RW - ReliefWeb (9.2023b): Sudan: Cholera Outbreak - Sep 2023, https://reliefweb.int/disaster/ep-2023-000181-sdn, Zugriff 13.12.2023
MSF - Médecins Sans Frontières (19.10.2023): Sudan: MSF suspends surgery in Khartoum hospital as supplies remain blocked, https://www.ecoi.net/de/dokument/2099640.html, Zugriff 13.12.2023
ARD - Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten der Bundesrepublik Deutschland (8.12.2023): Seit Ausbruch des Bürgerkriegs - WHO geht von mehr als 12.000 Toten im Sudan aus, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/sudan-who-100.html, Zugriff 13.12.2023
UNHCR - United Nations High Commissioner for Refugees (6.11.2023): Sudan Emergency Six-month Impact Update As of 6 November 2023, https://reliefweb.int/report/sudan/sudan-emergency-six-month-impact-update-6-november-2023, Zugriff 13.12.2023
Rückkehr
Die Regierung arbeitet mit dem UNHCR und anderen humanitären Organisationen zusammen, um Flüchtlingen, zurückkehrenden Flüchtlingen oder Asylbewerbern sowie anderen gefährdeten Personen Schutz und Hilfe zu bieten (USDOS 20.3.2023).2021 kehrten knapp 800 sudanesische Flüchtlinge aus Niger, Ägypten, Libyen, Tunesien, Algerien, Marokko, Somalia und Dschibuti zurück, so die IOM. 2022 registrierte die IOM einen starken Anstieg. Rückkehrende können durch IOM betreut werden, sofern sie dies wünschen (AA 1.6.2022).
Das deutsche Auswärtige Amt (AA) hat keine Kenntnis von einer etwaigen besonderen Behandlung der nach Sudan zurückgeführten sudanesischen Staatsangehörigen. Allein die Stellung eines Asylantrags im Ausland hat nach Erkenntnissen des AA bisher nicht zu staatlichen Repressionen geführt (AA 1.6.2022). Weder längere Auslandsaufenthalte noch Asylanträge im Ausland führten bisher zu einer Gefährdung bei der Rückkehr. Das gilt auch für Deserteure und Wehrdienstverweigerer. Selbst Personen, die im Ausland Asyl erhalten haben, können in den Sudan zurückkehren, wie im Sudan lebende Betroffene berichten. Mit erhöhter Aufmerksamkeit der Behörden, d.h. zusätzlichen Fragen bei der Einreise, müssen Personen, deren politisches Engagement bekannt ist, bisweilen rechnen. Für Personen, die aus Europa zurückkehren und nicht öffentlich gegen die Regierung auftraten, besteht dieses Risiko im Regelfall nicht (AA 1.6.2022).
Der UNHCR fordert in Anbetracht der derzeit instabilen Lage im Sudan Aufnahmestaaten auf, die Ausstellung negativer Entscheidungen über Asylanträge von sudanesischen Staatsangehörigen oder Staatenlosen auszusetzen. Die Aussetzung sollte so lange aufrechterhalten werden, bis sich die Lage im Sudan stabilisiert hat und verlässliche Informationen über die Sicherheits- und Menschenrechtssituation vorliegen, um die Notwendigkeit der Gewährung internationalen Schutzes für einzelne Antragsteller umfassend beurteilen zu können (RW 5.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
RW – RefWorld (5.2023): Sudan: UNHCR Position on Returns to Sudan, https://www.refworld.org/docid/6450e5814.html? __cf_chl_tk=qdbnqk0NdHgZHAH7JKbl0k3Ooa.Nr7mClilcr3wPodc-1705498540-0- gaNycGzNDaU, Zugriff 13.12.2023
USDOS - United States Department of State (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Sudan, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089142.html, Zugriff 19.10.2023
Dokumente
Das Urkundenwesen in Sudan ist unzulänglich. Gegen Geldzahlung ist fast jede gewünschte Urkunde erhältlich. Seit 2016 werden keine Beglaubigungen mehr vorgenommen, es findet aber weiterhin eine anwaltliche Urkundenüberprüfung statt. Ältere sudanesische Ausweisdokumente sind in der Regel echt, allerdings können sie unwahre Angaben in Bezug auf Fotos, Namensführung und Alter enthalten. Die Gültigkeit aller nicht maschinenlesbaren Pässe endete am 24.11.2015. Seit 2013 werden biometrische und maschinenlesbare Reisepässe ausgestellt, bei denen eine nachträgliche Verfälschung praktisch nicht mehr möglich ist. Im Zweifelsfall kann ein Kooperationsanwalt eine Überprüfung der Angaben vornehmen. In vielen Gebieten existiert ein nur spärliches Urkunden- und Registerwesen. Es ist weiterhin eine Zunahme an durchgeführten Urkundenüberprüfungen von im Rahmen der Visumverfahren vorgelegten Ehe- und Geburtsurkunden aus der Region zu verzeichnen. Die Echtheit von Dokumenten (Personenstandsurkunden, Gerichtsurteile, Anzeigen, usw.) kann ebenfalls durch einen Kooperationsanwalt überprüft werden (AA 1.6.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.6.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Sudan, https://www.ecoi.net/en/file/local/2073856/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_ %C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Sudan_ %28Stand_Mai_2022%29%2C_01.06.2022.pdf, Zugriff 19.10.2023
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Sachverhalt:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 26.01.2024 und dem Bundesamt am 22.02.2024, in die in Vorlage gebrachten Dokumente sowie in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz. Ferner wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zum Sudan vom 02.02.2024, mit den darin enthaltenen, bei den Feststellungen näher zitierten Berichten berücksichtigt. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Hauptverband österreichischen Sozialversicherungsträger (AJ-WEB) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.
Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 13.01.2025 in Anwesenheit des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung.
2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität des Beschwerdeführers steht aufgrund seines vor den österreichischen Behörden in Vorlage gebrachten identitätsbezeugenden Dokumentes (sudanesischer Reisepass) fest.
Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den Beschwerdeführer betreffend weitere Personenmerkmale (Staatsangehörigkeit, ethnische Zugehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Gesundheitszustand und Arbeitsfähigkeit, Schulbildung und Berufserfahrung, Familienstand, Familienverhältnisse sowie Aufenthaltsort der Angehörigen) für persönlich glaubwürdig, weil er im behördlichen und gerichtlichen Verfahren im Wesentlichen gleichbleibende Angaben dazu machte und kein Grund ersichtlich ist, an diesen zu zweifeln.
Die Feststellung zur Herkunft des Beschwerdeführers aus XXXX (auch XXXX ), einem Distrikt des Bundesstaates XXXX (auch XXXX ), ergibt sich aus einer Zusammenschau seiner dahingehend stringenten Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem Bundesamt und dem erkennenden Richter, welche schließlich auch mit den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz sowie mit dem in Vorlage gebrachten Reisepass in Einklang zu bringen sind.
Dass die Muttersprache des Beschwerdeführers Arabisch ist, hat er in seiner Erstbefragung und seiner Einvernahme durch das Bundesamt selbst ausgeführt und ergibt sich dies ferner aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Arabische Sprache einvernommen werden konnte und keine Anhaltspunkte für Verständigungsschwierigkeiten hervorgekommen sind.
Die Feststellungen zur Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Sudan auf legalem Wege sowie zur anschließenden schlepperunterstützten Reise nach Österreich und zur gegenständlichen Asylantragstellung waren aufgrund der Aktenlage, insbesondere aufgrund der dahingehend gleichbleibenden und damit glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren zu treffen.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ist durch eine Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich belegt.
2.3. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
In dem Konflikt im Sudan stehen sich die Soldaten der regulären sudanischen Armee SAF und die paramilitärische Gruppe gegenüber. Es geht um die Macht im Sicherheitsapparat und damit letztlich um den Einfluss auf den Sudan insgesamt sowie die Kontrolle von Ressourcen wie Gold.
Der Beschwerdeführer brachte zu seinen Fluchtgründen zusammengefasst vor, dass sein Bruder Soldat der sudanesischen Armee SAF und daher von den Rebellen bzw. der RSF gesucht worden sei. Durch dessen Aktivitäten sei die gesamte Familie in das Visier der RSF geraten, weswegen er schließlich geflohen sei. Er wolle weder auf Seiten der RSF noch für eine andere Seite kämpfen und befürchte er im Falle einer Rückkehr, dass ihm eine oppositionelle Gesinnung unterstellt und er von der RSF getötet bzw. verfolgt werde.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist. Der Beschwerdeführer machte im Zuge seiner Befragungen vor dem Bundesamt und vor dem Bundesverwaltungsgericht vage, unplausible und widersprüchliche Angaben, sodass - wie darzulegen sein wird - von der Konstruiertheit seines gesamten Fluchtvorbringens auszugehen und ihm die Glaubwürdigkeit zu versagen war. Darüber hinaus steigerte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung.
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers entspricht diesen Anforderungen nicht und ist somit als nicht glaubhaft zu qualifizieren.
Widersprüchlich sind die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seines Entschlusses den Sudan verlassen zu haben. In der Erstbefragung gab er an im Dezember 2023 sich entschlossen zu haben den Sudan zu verlassen. Im Widerspruch dazu brachte er in der mündlichen Verhandlung vor, im Oktober 2023 den Entschluss gefasst zu haben.
Anzumerken gilt zunächst, dass der Beschwerdeführer sowohl vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes als auch vor dem Bundesamt gleichlautend schilderte, dass sein Bruder Soldat der sudanesischen Armee sei. Demgegenüber wurde in der Beschwerdeschrift in diesem Zusammenhang lediglich auf die Vergangenheit Bezug genommen: „Der Bruder des BF war als beruflicher Soldat in der sudanesischen Armee (SAF) tätig“ (S 2 der Beschwerdeschrift), wobei nicht behauptet wurde, dass sein Bruder die Armee erst im Laufe des gegenständlichen Verfahrens verlassen hat. Dass der Beschwerdeführer nicht wisse, ob sein Bruder noch lebe, hat er im Übrigen auch erstmals in der Beschwerde vorgebracht, in seiner Erstbefragung und Einvernahme durch das Bundesamt hingegen nicht einmal ansatzweise erwähnt. Vielmehr führte er wiederholt an, dass sein Bruder Teil der Streitkräfte sei und führte er vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Hinblick auf im Sudan lebenden Angehörige auch explizit einen Bruder ins Treffen. Demengegenüber brachte er in der mündlichen Verhandlung vor, dass er von seinem Bruder im November 2024 eine Fotokopie des Reisepasses seines Bruders erhalten habe. Weshalb im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt wurde, dass sein Bruder bei der sudanesischen Armee gewesen wäre und der Beschwerdeführer in der Verhandlung vorbrachte, dass sein Bruder immer noch Soldat der SAF sei, ist nicht glaubhaft.
Darüber hinaus sind die Angaben des Beschwerdeführers auch insofern widersprüchlich, als er vor dem Bundesamt anführte, dass die RSF nach seinem Bruder gesucht, dabei jedoch lediglich ihn selbst vorgefunden hätte, woraufhin er gleich danach geflohen sei, zumal er nicht auf Seiten der RSF kämpfen wolle. Völlig divergierend dazu wurde in der Beschwerde gesteigert dargetan, dass die RSF auch nach dem Beschwerdeführer gesucht, ihn jedoch Zuhause nicht angetroffen habe, zumal er zu diesem Zeitpunkt am Markt Gemüse verkauft hätte. Er sei von Freunden über den Vorfall in Kenntnis gesetzt worden und daraufhin nicht mehr nachhause zurückgekehrt. Es spricht jedenfalls nicht für die Glaubhaftigkeit des Vorbringens, dass der Beschwerdeführer dies nicht bereits in seiner Erstbefragung oder zumindest in seiner Einvernahme vor dem Bundesamt dementsprechend ins Treffen geführt hat. Einerseits, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung davon auszugehen ist, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel auch bestrebt ist, alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte möglichst umfassend und gleichbleibend schildert. Andererseits auch deshalb, weil wohl kein Asylwerber sich eine bietende Gelegenheit zur Erstattung eines zentral entscheidungsrelevanten Vorbringens ungenützt vorübergehen lassen wird. Dies hat im Übrigen auch für das erstmals in der Beschwerde erstattete, jedoch ohnehin nur allgemein gehaltene und vage Vorbringen, demzufolge der Familie des Beschwerdeführers bereits im Jahr 2005 seitens der RSF eine oppositionelle Gesinnung angelastet worden sei, zu gelten und sind diese Widersprüchlichkeiten bzw. gesteigerten Angaben der Glaubhaftigkeit des Fluchtvorbringens keinesfalls zuträglich.
In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, dass er mit der RSF keinen persönlichen Kontakt gehabt habe. Im Widerspruch dazu brachte er gleichzeitig vor, dass die RSF Fragen an den Beschwerdeführer gestellt hätten, nachdem die RSF seinen Bruder nicht vorgefunden hätten. Dementgegen wird im Beschwerdeschriftsatz ausgeführt, dass Mitglieder der RSF zur Familie des Beschwerdeführers nachhause gekommen sei, während der Beschwerdeführer sich am Markt befunden hätte.
Im Beschwerdeschriftsatz wurde ausgeführt, dass die RSF im Mai 2023 nach dem Bruder und dem Beschwerdeführer bei ihnen zuhause gesucht hätten. In der mündlichen Verhandlung brachte er vor, sich nicht mehr daran zu erinnern wann die RSF zu ihnen nach Hause gekommen sei. Darüber hinaus konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft vorbringen, ob er nun mit Mitgliedern der RSF Kontakt hatte, oder nicht. Darüber hinaus konnte er nicht glaubhaft machen, wann die RSF dem Beschwerdeführer aufgesucht hätte.
In der mündlichen Verhandlung brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Bruder einfacher Rekrut wäre. Befragt danach, weshalb auf dem Foto bei seinem Bruder drei Balken als Dienstgrad zu sehen sind, brachte er vor, dass möglich sei, sein Bruder sei befördert worden. Weshalb der Beschwerdeführer zu seinem Bruder und seiner behaupteten Tätigkeit beim Militär keine näheren Angaben machen könnte, ist nicht nachzuvollziehen, gleichwohl sich die Fluchtgründe auf die Tätigkeit seines Bruders beziehen.
Darüber hinaus ist nicht nachzuvollziehen, dass der Beschwerdeführer nicht weiß, wann seine Familienmitglieder in den Südsudan gereist sind, gleichwohl er sich an den Tag seiner Ausreise genau erinnern kann.
In der Erstbefragung, in der niederschriftlichen Einvernahme und im Beschwerdeschriftsatz wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Tätigkeit seines Bruders bei der SAF verfolgt werden würde. Im Gegensatz dazu steigerte der Beschwerdeführer sein Vorbringen dahingehend, dass er befürchte auch von der SAF rekrutiert zu werden.
In der Verhandlung brachte er erstmals gesteigert vor, dass er im Sudan politisch aktiv gewesen sei. In der Einvernahme vor dem Bundesamt verneinte er politisch tätig gewesen zu sein und selbst im Beschwerdeschriftsatz blieb dieser Umstand unerwähnt. Befragt danach, brachte er vor nicht gewusst zu haben, dass dieses neue Vorbringen von Nutzen sein könnte. Er habe mit einem Freund darüber gesprochen, dieser habe gemeint, dass das Vorbringen von Nutzen sein könnte, dies habe er bisher nicht gewusst. Sein diesbezügliches Vorbringen ist vor diesem Hintergrund daher insgesamt nicht als glaubhaft zu werten. Ein Asylwerber, der bemüht ist in einem Land Schutz und Aufnahme zu finden, wird in der Regel auch bestrebt sein, von Beginn an alles diesem Wunsch Dienliche vorzubringen und war dem Vorbringen des Beschwerdeführers dadurch, dass er weder im Rahmen seiner Erstbefragung noch in seiner Einvernahme durch das Bundesamt und im Beschwerdeschriftsatz im Hinblick auf seine Fluchtgründe konkret vorgebracht hat, in Sozialen-Netzwerken Regierungsmitglieder kritisiert zu haben, die Glaubhaftigkeit zu versagen. Er brachte vor, dass seine Beiträge aus den Jahren 2021 und 2022 stammen würden, andererseits brachte er vor, 2019 begonnen zu haben Beiträge in das Internet zu stellen. Darüber hinaus fehlt ein zeitlicher Konnex zu seiner vorgebrachten Ausreise aus dem Sudan.
Davon abgesehen ist nicht schlüssig, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt bejahte, dass gegen ihn staatliche Fahndungsmaßnahmen bestünden, hat er im Verfahren doch gleichbleibend erklärt, eine Verfolgung durch die RSF bzw. die Rebellen zu befürchten, jedoch keine Probleme mit den staatlichen Behörden zu haben. Ebenso unschlüssig ist, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 22.02.2024 einerseits anführte, dass Mitglieder der RSF ihn in seinem Bezirk angetroffen hätten, er andererseits jedoch zugleich keiner Befragung unterzogen oder Festnahme bzw. keinerlei Verfolgungshandlungen ausgesetzt war, obwohl er seinen Angaben zufolge befürchtet, von diesen wegen seiner Familienzugehörigkeit verfolgt bzw. gar getötet zu werden. Auch der Umstand, dass RSF-Mitglieder den Beschwerdeführer und seine Familie bereits im Mai 2023 aufgesucht haben (vgl. S 4 der Beschwerdeschrift), er jedoch im Dezember 2023 und damit erst sieben Monate später aus XXXX und in der Folge auf legalem Wege aus dem Sudan ausgereist ist (vgl. u.a. S 2 der Beschwerdeschrift), trägt nicht zur Glaubhaftigkeit seines Vorbringens bei und spricht nicht für ein fluchtartiges Verlassen des Heimatortes bzw. Herkunftsstaates. Dabei sei vor allem auch angemerkt, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt noch erklärte, gleich im Anschluss an den Vorfall mit der RSF geflohen zu sein. Befragt dazu, wann er den Entschluss zur Ausreise aus dem Sudan gefasst habe, entgegnete der Beschwerdeführer vor dem Einvernahmeleiter des Bundesamtes zudem lediglich lapidar: „Durch den Krieg habe ich darüber nachgedacht aus dem Sudan wegzugehen“ (S 3 Einvernahmeprotokoll BFA vom 22.02.2024), ohne dabei auch nur ansatzweise auf das von ihm geschilderte Bedrohungsszenario Bezug zu nehmen, was nicht nachvollziehbar ist. Ferner ist bemerkenswert, dass der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme vom 22.02.2024 seine Flucht damit in Zusammenhang brachte, dass er nicht für eine der Kriegsparteien kämpfen wolle, auf eine Verfolgung aufgrund der Aktivitäten seines Bruders in der sudanesischen Armee verwies er hingegen nicht: „(…). Sie haben aber nur mich gefunden und daher bin ich gleich nachher geflohen, weil ich nicht auf Seiten der RSF „Verbrecher“ kämpfen will. Ich will für keine Seite kämpfen“ (S 4 Einvernahmeprotokoll BFA vom 22.02.2024). In der Folge bejahte der Beschwerdeführer sämtliche Gründe, die ihn veranlassten, den Sudan zu verlassen, vollständig geschildert zu haben und nahm er keinerlei Ergänzungen mehr vor. Auch auf Nachfrage, ob er noch etwas angeben wolle, was ihm besonders wichtig erscheine, vermeinte der Beschwerdeführer nur ein sicheres Leben zu suchen und führte er keine Befürchtungen in Bezug auf eine Verfolgung seitens der RSF ins Treffen. Letztlich konnte der Beschwerdeführer auch keinerlei Beweismittel, die sein Vorbringen betreffend eine Verfolgung aufgrund seiner Familienzugehörigkeit untermauern könnten, in Vorlage bringen und vermag sein Vorbringen angesichts seiner vagen, widersprüchlichen und gesteigerten Angaben daher insgesamt nicht zu überzeugen. Ebenfalls aus den erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Bilder und Unterlagen kann nicht entnommen werden, dass dem Beschwerdeführer im Sudan eine Verfolgung droht. Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass ihm im Sudan Verfolgung durch die RSF aufgrund der Tätigkeiten seines Bruders in der sudanesischen Armee und einer ihm aus diesen Gründen unterstellten oppositionellen Gesinnung droht.
Was die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Befürchtungen allgemeiner Natur betreffend die Lage und den Krieg im Sudan anbelangt, so gilt festzuhalten, dass der allgemeinen Gefährdung des Beschwerdeführers durch die aktuelle Sicherheits- als auch Versorgungslage im Sudan im konkreten Fall bereits mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 AsylG 2005 durch das Bundesamt zutreffend Rechnung getragen wurde und vermochte er damit eine ihm drohende asylrelevante Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht darzulegen. Nachteile, die auf die in einem Staat allgemein vorherrschenden politischen, wirtschaftlichen, sozialen oder unruhebedingten Lebensbedingungen zurückzuführen sind, stellen keine Verfolgungshandlungen im Sinne des Asylgesetzes dar, da alle Bewohner gleichermaßen davon betroffen sind.
Betreffend eine dem Beschwerdeführer im Sudan drohende Zwangsrekrutierung zum Wehrdienst sei angemerkt, dass aus dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Länderinformationsblatt der Staatendokumentation hervorgeht, dass laut dem weiterhin gültigen „Gesetz über den Nationalen Dienst“ aus 2013, für Männer eine einjährige Dienstpflicht besteht. Betroffen sind alle im Alter von 18 bis 33 Jahren und erscheint es vor diesem Hintergrund nicht glaubhaft, dass der zum Zeitpunkt seiner Ausreise bereits 31-jährige Beschwerdeführer seinen Wehrdienst noch nicht abgeleistet hat, dies umso mehr als er vor dem Bundesamt selbst ausführte, dass er nach seinem Universitätsabschluss eine Aufforderung zur Ableistung des Wehrdienstes erhalten habe. Nach seinen Angaben nach hat er sein Studium schon 2016 abgeschlossen. Davon abgesehen führt den Länderberichten zufolge selbst Wehrdienstverweigerung oder Desertion zu keiner Gefährdung bei einer Rückkehr und vermochte der Beschwerdeführer im Verfahren letztlich auch nicht substantiiert darzulegen, weswegen er ohne Hinzutreten weiterer individueller Faktoren, die ein militärisches Interesse an der Einziehung gerade seiner Person begründen könnten, nun im Jahr 2024 mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit von einer Zwangsrekrutierung seitens einer der Konfliktparteien betroffen sein sollte. Es besteht insgesamt keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der 32-jährige Beschwerdeführer bei einer Rückkehr tatsächlich von einer Rekrutierung betroffen sein wird. Darüber hinaus kann auch ein Ersatzdienst bei anderen staatlichen Organisationen abgeleistet werden, für manche Universitätsabsolventen bestimmter Fachrichtungen, ist diese Ersatzpflicht obligatorisch. Nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers nach, hat er ein Universitätsstudium abgeschlossen. Derartige Befürchtungen wurden vom Beschwerdeführer schließlich auch nur nebensächlich vorgebracht.
Aus dem Gesagten ist es dem Beschwerdeführer – der nie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei war, nie Probleme mit den Behörden seines Herkunftsstaates hatte und auch nie an bewaffneten Auseinandersetzungen teilnahm – somit in einer Gesamtbetrachtung nicht gelungen, eine aktuelle, gegen seine Person gerichtete Verfolgungsgefahr, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vielmehr liegt nahe, dass er seine Heimat aufgrund der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage verlassen hat, wie er dies bereits vor dem Bundesamt unter anderem in Zusammenhang mit seinen Fluchtgründen und seinem Entschluss zur Ausreise selbst angeführt hat: „Es herrscht Krieg im Sudan. Es gibt keine Möglichkeit einen sicheren Ort zu finden“ sowie „Durch den Krieg habe ich darüber nachgedacht aus dem Sudan wegzugehen“ (S 3f Einvernahmeprotokoll BFA vom 22.02.2024).
2.4. Zur Lage im Sudan:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln und trat der Beschwerdeführer diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland auch nicht substantiiert entgegen, weshalb die obgenannten Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zur Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F GFK genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als "Verfolgung" im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).
Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine "bloße" Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, Rn. 19, mwN).
Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes – wie bereits in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt – die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine „begründete Furcht vor Verfolgung“ im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) nicht gegeben. Dies im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer, die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte.
Entgegen seinem Vorbringen ist nicht davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Sudan Verfolgung durch die paramilitärischen „Rapid Support Forces“ (RSF) aufgrund der vermeintlichen Tätigkeiten seines Bruders in der sudanesischen Armee und einer ihm aus diesen Gründen unterstellten oppositionellen Gesinnung droht. Ferner besteht keine über die bloße Möglichkeit hinausgehende maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass der 32-jährige Beschwerdeführer bei einer Rückkehr von einer Rekrutierung seitens einer der Konfliktparteien betroffen sein wird. Der Beschwerdeführer war auch nie politisch tätig oder Mitglied einer politischen Partei, hatte keine Probleme mit den Behörden seines Herkunftsstaates und nahm auch nie an bewaffneten Auseinandersetzungen teil. Im Falle seiner Rückkehr in den Sudan ist der Beschwerdeführer somit nicht der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt.
Eine sonstige aktuelle zu berücksichtigende Verfolgungsgefahr wird vom Beschwerdeführer nicht dargelegt und ergibt sich auch nicht aus den Umständen, die von Amts wegen zu berücksichtigen wären. Die allgemeine Lage im Sudan ist auch nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Die ausschließlich gegen Spruchpunkt I. des Bescheides gerichtete Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die Prüfung, ob ein Bedarf an internationalem Flüchtlingsschutz besteht, hat je nach individuellen Umständen des Einzelfalls zu erfolgen. Eine solche einzelfallbezogene Beurteilung ist im Allgemeinen nicht revisibel (vgl. VwGH 28.4.2015, Ra 2015/18/0026). Sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage liegen nicht vor.