Spruch
W158 2264697-1/25E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt und erkennt durch die Richterin Dr. Yoko KUROKI-HASENÖHRL über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch RA Mag. Wissam BARBAR in 1110 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.11.2022, Zl. 1135370100/211737397, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:
A)
In Stattgabe der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Dem Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), einem Staatsangehörigen Syriens wurde im Familienverfahren der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
I.2. Nachdem dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ein den BF schuldig sprechendes Strafurteil übermittelt worden war und das BFA ein Verfahren zur Aberkennung des Status eingeleitet hatte, wurde der BF am 02.08.2022 von einem Organwalter des BFA in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch einvernommen. Darin führte der BF aus, er bereue die begangenen Straftaten. Nach Syrien könne er nicht zurück, weil er den Militärdienst leisten müsse.
I.3. Mit Bescheid vom 22.11.2022 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Der Status eines subsidiär Schutzberechtigten wurde ihm nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ihm kein Aufenthaltstitel erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.), festgestellt, dass die Abschiebung unzulässig sei (Spruchpunt V.), ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt (Spruchpunkt VI.) und ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
Begründend stützte sich das BFA im Wesentlichen auf die vom BF verübten Straftaten. Das öffentliche Interesse überwiege gegenüber dem Interesse des BF auf eine weitere Schutzgewährung.
I.4. Mit Verfahrensanordnung vom 25.11.2022 wurde dem BF amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
I.5. Gegen den Bescheid – ausgenommen Spruchpunkt V. – richtet sich die Beschwerde des BF vom 20.12.2022, in der er beantragte den Bescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beheben, in eventu ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, das Einreiseverbot ersatzlos zu beheben, in eventu auf eine angemessene Dauer herabzusetzen, in eventu den Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückzuverweisen.
Begründend wird ausgeführt, dass die vom BF begangenen Straftaten weder die Aberkennung des Status des Asylberechtigten noch die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen würden. Der BF bereue seine Taten. Außerdem drohe ihm in Syrien Verfolgung, weil er den Wehrdienst leisten müsse. Zuletzt wurde angeregt, das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs im Verfahren C-663/21 auszusetzen, sollte das Bundesverwaltungsgericht nicht bereits aufgrund des Beschwerdevorbringens zu Gunsten des BF entscheiden.
I.6. Die Beschwerdevorlage langte am 28.12.2022 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
I.7. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.02.2023, Zl. W158 2264697-1/2E, wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I.-III. als unbegründet abgewiesen. Das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Spruchpunkte IV., VI. und VII. (Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Frist zur freiwilligen Ausreise und Einreiseverbot) wurde bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-663/21 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.10.2021, Ra 2021/20/0246, vorgelegte Frage 2 ausgesetzt.
I.8. In Stattgabe der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit seiner Entscheidung vom 25.10.2024, Zl. Ra 2023/18/0087-15, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
I.9. Am 08.01.2025 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an welcher der BF, sein Rechtsvertreter und eine Vertrauensperson teilnahmen. Dabei wurde dem BF die Möglichkeit geboten zu seiner aktuellen Situation Stellung zu beziehen.
Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakt des BFA betreffend den BF; insbesondere in die Befragungsprotokolle;
- Einsicht in die in das Verfahren eingeführte Länderberichte;
- Einsicht in das Strafregister, das Melderegister und das Grundversorgungssystem;
- Die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und die im Rahmen dessen vorgelegten Nachweise.
II. Feststellungen:
II.1. Zur Person des BF:
Der BF heißt XXXX und ist am XXXX geboren. Seine Identität steht fest. Er ist Staatsangehöriger von Syrien und gehört der Volksgruppe der Kurden und der sunnitischen Glaubensrichtung an. Der BF beherrscht Arabisch und Kurdisch. Der BF ist in der Provinz Aleppo geboren und aufgewachsen. Zudem lebte er eine Zeit in Istanbul.
Der BF stellte vertreten durch seine Mutter am XXXX beim Generalkonsulat Istanbul einen Antrag auf Einreise im Familienverfahren. Nach Bewilligung reiste er unter anderem mit seiner Mutter am XXXX nach Österreich ein. In weiterer Folge wurde ihm mit Bescheid vom 10.04.2017 im Familienverfahren der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
In Österreich leben die Eltern und fünf Geschwister des BF. Seinen Familienangehörigen wurde rechtskräftig der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Der BF lebt mit seiner Familie im gemeinsamen Haushalt.
Der BF ist gesund und arbeitsfähig.
Der BF wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , wegen der Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, der Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1, 15 StGB, der Vergehen der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 1 StGB und des Vergehens der Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1 StGB schuldig erkannt und unter Anwendung des § 5 Z 4 JGG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten verurteilt. Ein Teil der Strafe von 12 Monaten wurde unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Als mildernd wurden der bisher ordentliche Lebenswandel, der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, sowie das reumütige Geständnis, als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen gewertet.
Dem Urteil liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Der BF und ein mit ihm verurteilter Mittäter haben durch Drohung mit Gewalt beziehungsweise gegenwärtige Gefahr für Leib oder Leben, fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, abgenötigt/weggenommen beziehungsweise abzunötigen/wegzunehmen versucht und zwar
am XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern den Opfern unter Verwendung einer Waffe, wobei sie Bargeld in der Höhe von € 20,00 erbeuteten;
am XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem Mittäter, indem sie die Opfer in einen Durchgang drängten, sie aufforderten Bargeld und Wertgegenstände zu übergeben und Schläge androhten, woraufhin ein Opfer seine Geldbörse übergab, anschließend die Opfer durchsuchten und das Handy eines Opfers an sich nahmen, wobei abgesehen von € 5,00 alle Gegenstände noch vor der Flucht retourniert wurden;
am XXXX die Opfer, indem sie Bargeld forderten und zu ihnen sagten, dass sie sie sonst schlagen werden und als eines der Opfer versuchte zu flüchten der Mittäter des BF diesem Fußtritte und eine Ohrfeige versetzte, während der BF das andere Opfer mehrmals stieß und diesem die Geldbörse entrissen, wodurch sie insgesamt Bargeld in Höhe von € 5,00 erbeuteten;
am XXXX im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit zwei Mittätern ihre Opfer, indem sie sie aufforderten deren Geldbörse zu übergeben, lautstark äußerten, eine Waffe bei sich zu haben und damit drohten, sie abzustechen, woraufhin die Opfer ihre Geldbörsen übergaben, woraus € 120,00 an Bargeld genommen wurden, anschließend ein Täter einem Opfer mehrere Stöße versetzte, zwei Täter die restlichen Opfer durchsuchten und von beiden jeweils AirPods samt Ladecase der Marke Apple und eine Powerbank im Wert von € 30,00 an sich nahmen; im Anschluss versuchte der BF die Opfer durch gefährliche Drohung zur Unterlassung einer Anzeigeerstattung zu nötigen, indem er sagte, dass etwas Schlimmeres passieren wird, sollten diese zur Polizei gehen;
am XXXX den Opfern unter Verwendung einer Waffe, indem ein Mittäter seine Weste hochzog und die darunter befindliche Plastikwaffe und der BF ein Messer vorzeigten, die Opfer in einen menschenleeren Bereich führten und sie aufforderten ihre Wertgegenstände zu übergeben und im Zuge der Durchsuchung der Rucksäcke die Powerbank eines Opfers an sich nahmen und im Anschluss daran die Opfer dazu nötigten, Geld in der Höhe von € 500,00 vom Bankomaten zu beheben und den Tätern zu übergeben;
am XXXX die Opfer unter Verwendung einer Waffe, indem der BF diese mit einem Messer bedrohte, beide Täter sie in einen menschenleeren Bereich führten und die Herausgabe der Geldbörsen forderten, wodurch sie insgesamt € 148,00 erbeuteten und im Anschluss daran ein Opfer dazu nötigten, Geld in Höhe von € 590,00 vom Bankomaten zu beheben und den Tätern zu übergeben;
am XXXX die Opfer unter Verwendung einer Waffe, indem Ihr Mittäter eine Plastikwaffe vorzeigte und der BF einem Opfer ein Messer anhielt und ihm drohten, diesen abzustechen, sollte er nicht ruhig sein, die Opfer aufforderten, mit ihnen zur Station Siemensstraße zu fahren und dort den Opfern die Geldbörse und Bargeld abnötigten, wodurch sie Bargeld in Höhe von € 68,00 und einen Libro-Gutschein im Wert von € 10,00 erbeuteten, und im Anschluss daran die Opfer dazu nötigten, Geld vom Bankomaten zu beheben und den Tätern zu übergeben, wodurch sie einen weiteren Bargeldbetrag in Höhe von € 50,00 erlangten;
am XXXX das Opfer unter Verwendung einer Waffe, indem sie Bargeld von ihm forderten, ihm ein Messer und eine Plastikwaffe zeigten und zu ihm sagten, dass sie ihn widrigenfalls abstechen werden, wobei es beim Versuch blieb, weil die Täter nachdem das Opfer einen Passanten ansprach, ohne Beute die Flucht ergriffen
Bei zwei Tathandlungen haben sich der BF und sein Mittäter überdies unbare Zahlungsmittel, nämlich zwei Bankomatkarten, über die sie nicht verfügen durften, mit dem Vorsatz verschafft, dass sie oder ein Dritter durch dessen Verwendung im Rechtsverkehr unrechtmäßig bereichert werden.
Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 22.11.2022 wurde dem BF der Status des Asylberechtigten aberkannt, ihm der Status eines subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt, ihm kein Aufenthaltstitel erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Weiters wurde festgestellt, dass die Abschiebung unzulässig sei, ihm eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gesetzt und ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 01.02.2023, Zl. W158 2264697-1/2E, wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I.-III. als unbegründet abgewiesen und das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Spruchpunkte IV., VI. und VII. (Erlassung einer Rückkehrentscheidung, Frist zur freiwilligen Ausreise und Einreiseverbot) bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-663/21 über die mit Vorlageentscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 20.10.2021, Ra 2021/20/0246, vorgelegte Frage 2 ausgesetzt.
In Stattgabe der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision hob der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) mit seiner Entscheidung vom 25.10.2024, Zl. Ra 2023/18/0087-15, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften auf.
II.2. Zur Gemeingefährlichkeit:
Der BF wurde insgesamt zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, von denen er vier Monate in Haft verbracht hat, und zwar von 20.04.2022 bis 19.08.2022. Er wurde unter Anordnung der Bewährungshilfe bedingt entlassen. Die Probezeit beträgt drei Jahre.
Dem BF wurden zudem die Weisungen erteilt, eine Psychotherapie zu absolvieren und einen Nachweis über eine Ausbildung oder eine Beschäftigung zu erbringen. In der Zeit nach der Haft hat er eine Männerberatungsstelle besucht und hat sich erfolgreich einer Therapie unterzogen.
Im Bundesgebiet leben seine Eltern, seine zwei älteren Schwestern und zwei jüngeren Brüder und er pflegt aktuell ein sehr gutes Verhältnis zu seinen Familienangehörigen. Der BF wohnt zusammen mit seiner Kernfamilie in einem gemeinsamen Haushalt und bemüht sich um einen strukturierten und produktiven Tagesablauf, was ihm auch gelungen ist: aktuell besucht der BF eine Berufsschule, macht eine Lehre und wird dafür entlohnt; der Vertrag läuft von XXXX bis XXXX . Er wird von seinem Arbeitgeber sehr geschätzt. Der BF ist selbsterhaltungsfähig und bezieht keine Sozialleistungen. Er beherrscht die deutsche Sprache auf einem sehr ansprechenden Niveau und konnte sich im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Deutsch gut verständlich machen, sodass die Befragung vollständig auf Deutsch erfolgen konnte. Er hat sich durch die Berufsschule einen neuen Freundeskreis aufgebaut und distanziert sich von seinem ehemaligen Milieu.
Festgestellt wird, dass der BF seit seiner Entlassung für keine weiteren Straftaten verurteilt wurde. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX vom XXXX , Zl. XXXX , wurde er gem. § 259 Z3 StPO rechtskräftig freigesprochen.
Die Zeit des Wohlverhaltens beträgt nunmehr zweieinhalb Jahre seit der Haftentlassung.
III. Beweiswürdigung:
Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und dem Verfahrensakt des Bundesverwaltungsgerichts.
III.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:
Die Feststellungen zur Identität des BF, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit wie auch zum Herkunftsgebiet des BF und der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sind im Wesentlichen unstrittig und wurden auch vom BFA (wenn auch teils disloziert) aufgrund des Akteninhalts und den Angaben des BF seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Der BF hat diese weitestgehend auch in seiner Beschwerde bestätigt. Soweit dort aber ausgeführt wird, er gehöre der Volksgruppe der Araber an (AS 349) wendet er sich gegen die Angaben im Einreiseantrag (AS 2). Unstrittig sind auch die ebenfalls bereits vom BFA getroffenen Feststellungen zu den Familienangehörigen in Österreich, auf die auch der BF in seiner Beschwerde mehrmals verweist und in der mündlichen Verhandlung bestätigte (OZ 19, S. 6f).
Der BF behauptete während des gesamten Verfahrens keine gesundheitlichen Einschränkungen, sodass seine Gesundheit und Arbeitsfähigkeit festgestellt werden konnte.
Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen ergeben sich aus dem unstrittigen und unzweifelhaften Akteninhalt.
Die Feststellungen zum gegenständlichen Verfahrensablauf ergeben sich ebenso aus dem Akteninhalt.
Dass der BF zuletzt von der gegen ihn erhobenen Anklage freigesprochen wurde ergibt sich aus der gekürzten Urteilsausfertigung des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX vom XXXX (OZ 21).
III.2. Zu den Feststellungen zur Gemeingefährlichkeit:
Die Feststellungen zur Gemeingefährlichkeit gründen sich vordergründig auf den im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindruck, im Rahmen dessen das Gericht sich ein detailliertes und differenziertes Bild zu den gegenwärtigen Lebensumständen des BF zu verschaffen vermochte (OZ 19).
Die festgestellten Deutschkenntnisse gründen darauf, dass die mündliche Verhandlung in deutscher Sprache ohne Zuziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durchgeführt werden konnte.
Seinen Sinneswandel belegte der BF durch glaubhafter Wiedergabe seiner aktuellen Lebensverhältnisse und neu gewonnenen persönlichen Einstellung. Dies untermauerte er auch mittels Vorlage entsprechender Nachweise (OZ 19, Beilage ./1: Lehrvertrag, Beilage ./2: Empfehlungsschreiben, Beilage ./3: Lohnzettel, Beilage ./4: Bestätigung über absolvierte Psychotherapie, Beilage ./5: Sozialbericht der Bewährungshilfe und Beilage ./6: Teilnahmebestätigung des Jugendcoachings).
Der BF konnte das Bundesverwaltungsgericht davon überzeugen, dass er seit der erfolgten Haftentlassung seinen Platz in der österreichischen Gesellschaft finden und sich durch Arbeit eine gesicherte Existenz aufbauen will. Zum einen zeigte er sich vor Gericht zutiefst reumütig und vermochte es, das Gericht von der Aufrichtigkeit seines Bedauerns über die begangenen Taten zu überzeugen. Zudem machte er deutlich, dass er ein inniges Verhältnis zu seiner Familie pflegt, aus seinen Fehlern gelernt hat und auch ein gutes Vorbild für seine jüngeren Brüder sein will (OZ 19, S. 7). Seine Ausführungen zu seinen beruflichen Bestrebungen, die der BF seit seiner Haftentlassung erfolgreich in die Tat umgesetzt hat, lassen des Weiteren deutlich seinen festen Willen erkennen, trotz bestehender Hürden und unvermeidlicher Wartezeiten den richtigen Weg einzuschlagen und sich nachhaltig um den Aufbau einer stabilen und geordneten Lebensführung zu bemühen (OZ 19, S. 3f). Dies zeigt sich auch darin, dass er aus eigener Initiative die Kontaktaufnahme zum Jugendcoach suchte, um Ausbildungsschritte und berufliche Ziele zu erarbeiten (Beilage ./6). Weiters geht aus dem Sozialbericht der Bewährungshilfe hervor, dass der BF großes Interesse daran zeigte, die ihm auferlegten Verpflichtungen aus dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen XXXX einzuhalten, sich in den Gesprächen stets zugänglich und lösungsorientiert präsentierte und insgesamt als verlässlich, kooperativ und veränderungsbereicht wahrgenommen wurde (Beilage ./5).
Die Selbsterhaltungsfähigkeit und das berufliche Potenzial des BF zeigt sich im vorgelegten Lehrvertrag für die Ausbildung als Koch, welcher für den Zeitraum von XXXX bis XXXX abgeschlossen wurde (Beilage ./1) sowie dem Lohnzettel (Beilage ./3), in Zusammenschau mit der Beschreibung des BF durch den Dienstgeber, der ihn als verlässlich, teamfähig, lern- und kritikfähig sowie engagiert charakterisiert und die Überzeugung ausdrückt, dass er die Kochlehre erfolgreich meistern werde (Beilage ./2).
Unter Berücksichtigung aller vorliegenden Beweismittel und insbesondere auch vor dem Hintergrund des persönlichen Eindrucks, den der BF im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hinterlassen hat, ist daher nicht von einer Gefährlichkeit des BF für die Gesellschaft und die innere Sicherheit des Landes auszugehen (s.u. rechtliche Beurteilung).
Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass gegen den BF nach seiner Entlassung aus der Strafhaft polizeiliche Ermittlungen geführt und er von der Staatsanwaltschaft angeklagt wurde. Da diese Anklage jedoch nicht zu einer Verurteilung führte, war sie nicht in die Gesamtbetrachtung einzubeziehen (OZ 21).
IV. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, was im gegenständlichen Verfahren nicht der Fall ist.
IV.1. Zu Spruchpunkt A)
IV.1.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheids
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG ist der Status eines Asylberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn ein Asylausschlussgrund nach § 6 AsylG vorliegt. Ein solcher ist nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht.
Der BF hat seinen Status des Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt bekommen. Insofern ist festzuhalten, dass bei der auf das Vorliegen eines Ausschlussgrundes nach § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 1 bis Z 4 AsylG gestützten Aberkennung des Status des Asylberechtigten es nicht auf die Art der Zuerkennung dieses Schutzstatus ankommt. Es ist irrelevant, ob der Status originär oder abgeleitet erworben wurde. Allein maßgeblich ist, ob der Asylberechtigte ein Verhalten gesetzt hat, das einer der in § 6 AsylG aufgezählten Fallkonstellationen unterliegt (VwGH 09.11.2022, Ro 2021/14/0001).
Nach der (bisher) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müssen zur Erfüllung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein. Der Betroffene muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und viertens müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (VwGH 11.11.2021, Ra 2021/19/0312).
Es genügt nicht, wenn ein abstrakt als „schwer“ einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und es sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen. Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen ist bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose zulässig (VwGH 19.07.2021, Ra 2020/14/0574).
Unter den Begriff des „besonders schweren Verbrechens“ fallen nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen. Auf die Strafdrohung allein kommt es bei der Beurteilung, ob ein „besonders schweres Verbrechen“ vorliegt, nicht an. Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung klargestellt, dass die im Rahmen der Prüfung einer Aberkennung nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG durchzuführende Gefährdungsprognose grundsätzlich unabhängig von den – die Strafbemessung, die bedingte Strafnachsicht und den Aufschub des Strafvollzugs betreffenden – Erwägungen des Strafgerichtes erfolgt (VwGH 26.09.2022, Ro 2022/20/0001).
Der BF hat mehrere bewaffnete Raube begangen. Dass es sich dabei objektiv um ein „besonders schweres Verbrechen“ handelt, kann daher nicht zweifelhaft sein. Dem BFA ist auch dahingehend zuzustimmen, dass es sich auch subjektiv um schwere Verbrechen handelt. Insbesondere ist hier auf die Vielzahl der Taten und die Umstände der Tat hinzuweisen, indem der BF die Opfer mehrmals mit einem Messer bedrohte und oft mit Mittätern handelte und damit die Mehrheit gegenüber den Opfern ausnützte, was durchaus zu einer besonderen Einschüchterung der Opfer führt. Hinzu kommt, dass der BF und seine Mittäter sich nicht mit dem zunächst erbeuteten Betrag zufriedengaben, sondern die Opfer zwangen weitere Geldbeträge bei einem Bankomaten abzuheben und zu übergeben. Dieses Vorgehen offenbart eine nicht unerhebliche kriminelle Energie und eine gezielte Ausnutzung der Hilflosigkeit der Opfer. Unzweifelhaft liegt damit nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv ein „besonders“ schweres Verbrechen vor. Dies wird auch vom BF in seiner Beschwerde nicht in Frage gestellt, da er sich etwa nicht gegen die Einstufung des Verbrechens als subjektiv schwer wendet. Auch in seiner Entscheidung vom 25.10.2024, Zl. Ra 2023/18/0087-15 stellt der Verwaltungsgerichtshof die diesbezüglich vorgenommenen Feststellungen im ergangenen Erkenntnis des BVwG vom 01.02.2023, Zl. W158 2264697-1/2E nicht infrage. Unstrittig ist weiters, dass der BF wegen dieses Verbrechens rechtskräftig verurteilt wurde. Damit sind die ersten beiden der vier Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten auch weiterhin zweifellos erfüllt.
Zu prüfen ist in einem weiteren Schritt die Gemeingefährlichkeit des BF:
Für die im Zusammenhang mit einer Beurteilung nach § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vorzunehmende Gefährdungsprognose ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung beziehungsweise Bestrafung eines Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen (VwGH 24.01.2022, Ra 2021/18/0344).
Sowohl im Strafverfahren, als auch vor dem BFA, sowie insbesondere weiters in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht trat der BF geständig und reumütig auf. Zu beachten ist, dass der BF insgesamt lediglich vier Monate in Haft verbrachte. Der BF hatte offenbar ein großes Interesse daran, sich an die auferlegten Verpflichtungen aus dem Urteil zu halten. Nach seiner Entlassung unterzog er sich einer Therapie und distanzierte sich von seinem damaligen Milieu. Ihm wurde vom Strafgericht die Weisung erteilt, eine Psychotherapie zu absolvieren, welcher er nicht nur ordnungsgemäß nachgekommen ist, sondern auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung glaubhaft darzulegen vermochte, dass diese Therapie einen erheblichen Beitrag zu seinem Sinneswandel geleistet hat. Dies wurde auch – wie beweiswürdigend dargelegt – durch entsprechende Nachweise untermauert, sodass das Gericht zweifelsfrei feststellen konnte, dass der BF der gerichtlichen Weisung in vollem Umfang nachgekommen ist. Ein zentraler Bestandteil einer positiven Zukunftsprognose ist es nämlich, die ehemals ausgeprägte Gewaltbereitschaft durch therapeutische Maßnahmen nachhaltig in den Griff zu bekommen.
Des Weiteren muss dem BF zu Gute gehalten werden, das er nach seiner Entlassung aus der Haft sich umgehend an seine Bewährungshelferin wandte und den festen Willen bekundete, den Schadenersatz an seine Opfer in vollem Umfang zu leisten. In diesem Zusammenhang leistete der BF auch einen solchen in Höhe von 600,- Euro zugunsten der Opfer. Obzwar diese eine Kontaktaufnahme ablehnten, äußerte er dennoch den Wunsch, sich persönlich bei ihnen für sein Fehlverhalten zu entschuldigen, was in die Gesamtbeurteilung jedenfalls als positiv zu bewerten ist.
Der BF ist darüber hinaus gut integriert und beherrscht die deutsche Sprache auf einem hohen Niveau in Wort und Schrift.
Der BF verfolgte nach seiner Haftentlassung ernsthafte Bestrebungen, einen ordnungsgemäßen und gesetzeskonformen Lebenswandel zu führen und hat sich kontinuierlich und mit Erfolg um sein berufliches Fortkommen bemüht. Zunächst meldete sich der BF beim AMS an, nahm auf Eigeninitiative die Unterstützung eines Jugendcoaches in Anspruch und absolvierte schließlich im XXXX ein Praktikum als Koch, in dessen Rahmen er durch seine Leistungen überzeugte und daraufhin eine Lehrstelle erhielt. Während der Wartezeit auf die Erteilung der Beschäftigungsbewilligung nahm er am Programm XXXX teil und erhielt währenddessen ein geringes Taschengeld. Seit nunmehr fünf Monaten befindet er sich in einer geregelten Lehrtätigkeit und wird für seine Arbeit angemessen entlohnt. Diese Entwicklungen sowie die erkennbaren positiven Veränderungen in seinem Leben belegen eindrucksvoll einen nachhaltigen Sinneswandel.
Darüber hinaus pflegt er soziale Kontakte, unter anderem mit Gleichgesinnten aus der Berufsschule. Er hat sich somit von früheren, während seiner Straffälligkeit gepflegten Kontakten distanziert, wohnt nunmehr bei seinen Eltern und führt einen geregelten Tagesablauf. Der BF zeigt sich sowohl lern- als auch arbeitswillig und ist gegenwärtig offensichtlich in der Lage, durch seine berufliche Tätigkeit einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten.
In Summe betrachtet ist daher davon auszugehen, dass keine Gemeingefährlichkeit des BF besteht. Dies wird insbesondere durch den Umstand gestützt, dass die Phase seines Wohlverhaltens seit der Haftentlassung mittlerweile zweieinhalb Jahre beträgt, was als hinreichend anzusehen ist.
In Gesamtbetrachtung der festgestellten Umstände kann daher mit der notwendigen Sicherheit von einer positiven Persönlichkeitsentwicklung des BF ausgegangen werden. Die notwendige Voraussetzung der Gemeingefährlichkeit für die Aberkennung des Asylstatus des BF liegt im gegenständlichen Fall daher nicht vor.
Die vorzeitige bedingte Entlassung des BF indiziert weiters, dass von einer Gemeingefährlichkeit fallbezogen gerade nicht ausgegangen werden kann. Würde der BF nämlich tatsächlich eine Gefahr für Gemeinschaft und Sicherheit Österreichs darstellen, wäre eine bedingte Strafnachsicht nicht möglich gewesen.
Auch wenn der BF zwischenzeitlich in polizeiliche Erscheinung getreten ist und Anklage erhoben wurde, so wurde er in diesem Fall mit Urteil des Landesgerichtes XXXX freigesprochen.
Insgesamt kann daher im gegenständlichen Fall von einer positiven Zukunfts- und somit negativen Gefährdungsprognose ausgegangen werden. Der BF stellt aktuell prognostisch keine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich dar.
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines sonstigen Asylausschlussgrundes haben sich nicht ergeben und wurden auch nicht vorgebracht.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
IV.3. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zu den Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG AsylG besteht einheitliche ständige Rechtsprechung, die bereits oben zitiert wurde.