Spruch
I423 2303908-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt (1.) und erkennt zu Recht (2.) durch die Richterin Mag. Daniela GREML über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. TÜRKEI, vertreten durch BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.08.2024, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: XXXX :
A)
1. Das Beschwerdeverfahren gegen Spruchpunkte I. bis III. wird wegen Zurückziehung der Beschwerde gegen diese Spruchpunkte eingestellt.
und
2. Der Beschwerde gegen Spruchpunkte VI. bis VI. wird stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung bzw. Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 14.10.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Nach einer niederschriftlichen Einvernahme am 01.08.2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag mit Bescheid vom 19.08.2024 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.), sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei (Spruchpunkt II.) ab. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und die Zulässigkeit seiner Abschiebung festgestellt (Spruchpunkt V.). Für die freiwillige Ausreise setzte es eine 14-tägige Frist (Spruchpunkt VI.).
Die dagegen erhobene Beschwerde vom 16.09.2024 und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht einlangend am 06.12.2024 zur Entscheidung vorgelegt.
Am 11.12.2024 zog der Beschwerdeführer die Beschwerde gegen Spruchpunkte I. bis III. zurück und legte eine Kopie des mittlerweile ausgestellten Aufenthaltstitels Familienangehöriger bei.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der Beschwerdeführer hat durch seine Rechtsvertretung mit Eingabe vom 11.12.2024 die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. bis III. des angefochtenen Bescheides zurückgezogen. Aus der Formulierung „Mit gegenständlichem Schreiben wird die mit Schriftsatz vom 16.09.2024 eingebrachte Beschwerde gegen Spruchpunkt I.-III. des Bescheides des BFA vom 19.08.2024 zur Zahl XXXX zurückgezogen. Die Beschwerde im Hinblick auf die Spruchpunkte IV.-VI zur Rückkehrentscheidung und die Zulässigkeit der Abschiebung bleibt ausdrücklich aufrecht.“ (Seite 1 der Eingabe vom 11.12.2024) ist der eindeutige Parteiwille abzuleiten.
Am 30.08.2024 hat der Beschwerdeführer eine Österreicherin vor dem Standesamt in XXXX geheiratet. Die Heiratsurkunde wurde der Beschwerde beigelegt (AS 435). Aus dem IZR-Auszug ergibt sich die Ersterteilung des Aufenthaltstitels „Familienangehöriger“, gültig von 14.10.2024 bis 14.10.2025 durch den Magistrat der Stadt XXXX . Die entsprechende Kopie der ausgestellten Karte wurde mit der Eingabe vom 11.12.2024 vorgelegt (Seite 4).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
1. Zu den Spruchpunkten I. bis III. - Verfahrenseinstellung:
Gemäß § 7 Abs. 2 VwGVG ist eine Beschwerde nicht mehr zulässig, wenn die Partei nach Zustellung oder Verkündung des Bescheides ausdrücklich auf die Beschwerde verzichtet hat. Eine Zurückziehung der Beschwerde durch den Beschwerdeführer ist bis zur Erlassung der Entscheidung möglich (VwGH 25.09.2019, Ra 2019/19/0391).
Auf die Zurückziehung einer Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht ist die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Berufungsverzicht bzw. zur Zurückziehung von Berufungen nach § 63 Abs. 4 AVG zu übertragen. Demnach ist das Vorliegen eines Berufungsverzichtes besonders stringent zu prüfen. Die Berufungsrücknahme (Beschwerderücknahme) muss ausdrücklich, das heißt eindeutig (zweifelsfrei) erklärt werden (VwGH 03.12.2021, Ra 2021/07/0071, mwN).
Bezogen auf nach dem AVG geführte Berufungsverfahren ist nach der Rechtsprechung davon auszugehen, dass - auch ohne diesbezügliche ausdrückliche gesetzliche Anordnung - eine Verfahrenseinstellung (unter anderem) dann vorzunehmen ist, wenn die Berufung rechtswirksam zurückgezogen wurde. Diese Auffassung hat auch für das von Verwaltungsgerichten geführte Beschwerdeverfahren Platz zu greifen (VwGH 29.04.2015, Fr 2014/20/0047, mwN).
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner zum VwGVG ergangenen Rechtsprechung ferner festgehalten, dass aus den Bestimmungen des § 28 Abs. 1 und § 31 Abs. 1 VwGVG hervorgeht, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Beschwerdeverfahren einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform eines Beschlusses zu treffen hat (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/19/0020).
Der Beschwerdeführer hat durch seine ausgewiesene Vertretung im Rahmen der Eingabe vom 11.12.2024 ausdrücklich und unmissverständlich erklärt, die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Bescheides zurückzuziehen. Diese Erklärung weist auch keine Hinweise auf das Vorliegen von Willensmängeln auf (vgl. VwGH 03.12.2021, Ra 2021/07/0071, mwN).
Die angefochtenen Spruchpunkte I., II. und III. sind aufgrund der Zurückziehung der Beschwerde rechtskräftig geworden (vgl. VwGH 30.01.2020, Ra 2019/11/0090). Damit ist eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in derselben Sache ausgeschlossen, weshalb das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Spruchpunkte I, II und III einzustellen war.
2. Zu den Spruchpunkten IV. bis VI. - Beschwerdestattgabe:
§ 10 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF BGBl. I Nr. 145/2017, lautet:
§ 10.
(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn
1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,
2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,
3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
4. einem Fremden der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
5. einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
§ 31 FPG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF BGBl. I Nr. 106/2022, lautet auszugsweise:
§ 31.
(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,
1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;
2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;
3. […]
§ 52 FPG 2005, idgF BGBl. I Nr. 110/2019, lautet auszugsweise:
Aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen Drittstaatsangehörige
Rückkehrentscheidung
§ 52.
(1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2. nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.
(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1. dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3. ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4. ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird
und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.
Im gegenständlichen Fall hat das BFA eine Rückkehrentscheidung auf § 52 Abs. 2 FPG gestützt. Dieser normiert in diesem Zusammenhang, dass eine Rückkehrentscheidung nur dann zu erlassen ist, wenn einem Drittstaatsangehörigen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Die Formulierung "kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen", ist dahingehend zu verstehen, dass dem Drittstaatsangehörigen kein anderer Aufenthaltstitel als nach dem AsylG zukommt.
Dies traf bei Bescheiderlassung auch noch zu. Zwischenzeitlich wurde dem Beschwerdeführer aber ein Aufenthaltstitel nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erteilt, sohin ein Aufenthaltsrecht nach einem anderen Bundesgesetz.
Zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt ist der Aufenthalt des Beschwerdeführers rechtmäßig gemäß § 31 Abs. 1 Z 2 FPG, sodass eine Rückkehrentscheidung gestützt auf § 52 Abs. 2 FPG nicht erlassen werden kann und Spruchpunkt IV. zu beheben war.
Nach § 52 Abs. 9 FPG ist mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, dass die Abschiebung gemäß § 46 in einen bestimmten Staat zulässig ist. Weil die Rückkehrentscheidung aufgehoben wird, hat auch dieser Nebenausspruch betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers (Spruchpunkt V.) zu entfallen und war ersatzlos aufzuheben.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Da die Rückkehrentscheidung entfällt, war der Spruchpunkt VI. ebenso ersatzlos aufzuheben.
4. Zum Unterbleiben einer Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag, wenn erforderlich auch von Amts wegen, eine öffentliche Verhandlung durchzuführen. Nach Beschwerdezurückziehung war kein Sachverhalt mehr zu erörtern oder eine Rechtsfrage zu klären.
Nach § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Das trifft vorliegend im Anfechtungsumfang zu. Auch daher konnte von einer Verhandlung abgesehen werden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung zur den Kriterien einer Einstellung nach Beschwerdezurückziehung, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen Erlassung einer Rückkehrentscheidung bei rechtmäßigem Aufenthalt ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.