IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter Franz OPBACHER und Stefan ORTNER MSc als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX , geb. am XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 18.06.2024, Zl. XXXX 1, in nichtöffentlicher Sitzung, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben und es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld gemäß § 26 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 2 und 5 AlVG erfüllt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer machte mit 01.06.2024 einen Antrag auf Zuerkennung von Weiterbildungsgeld geltend. Diesem Antrag legte er eine Bestätigung des Workloads für den Universitätslehrgang zum/zur Akademische*r Betriebswirt*in der Privatuniversität XXXX bei, welchen er vom 15.12.2023 bis zum 14.12.2024 besuchte, den Lohnzettel von April 2024 der XXXX (im Folgenden: Dienstgeber T.) sowie den Arbeitszeitnachweis für April 2024 bei. Die § 11 AVRAG-Bescheinigung zum Nachweis der vereinbarten Bildungskarenz mit seinem Dienstgeber reichte er fristgerecht nach.
Mit Bescheid des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS/belangte Behörde) vom 18.06.2024 wurde dem gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung des Weiterbildungsgeldes gemäß § 26 Abs. 1 und 2 AlVG iVm § 14 AlVG mangels Erfüllung der Anwartschaft keine Folge gegeben. Begründend wurde ausgeführt, dass nur 116 Tag(e) arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung bzw. anwartschaftsbegründende Zeiten innerhalb der gesetzlichen Rahmenfrist nachgewiesen hätten werden können.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer am 20.06.2024 fristgerecht Beschwerde. Begründend führte er aus, er hätte persönlich beim AMS vorgesprochen und ihm sei bei seiner persönlichen Vorsprache mitgeteilt worden, er müsse nur einen ganzen Monat länger angemeldet sein, um die Kriterien zu erfüllen. Sein Arbeitgeber hätte ihn daraufhin einen ganzen Monat länger beschäftigt. Zudem sei er in Deutschland im Zeitraum 06.07.2023 – 01.11.2023 in Vollzeit gemeldet gewesen.
In der Folge forderte das AMS am 24.06.2024 vom Beschwerdeführer die deutsche Versicherungsnummer sowie eine Arbeitsbescheinigung aus Deutschland an. Am 05.07.2024 übermittelte der Beschwerdeführer der belangten Behörde die Lohnsteuerbescheinigung 2023, die Verdienstabrechnung für November 2023 des Hotel-Restaurant-Cafe „ XXXX “ aus Deutschland (im Folgenden: Dienstgeber C.) sowie die Meldebescheinigung für die Meldung zur Sozialversicherung aus Deutschland.
Infolgedessen wurde am 08.07.2024 eine Anfrage bezüglich der Versicherungszeiten in Deutschland an die zuständige deutsche Behörde übermittelt.
Mit Stellungnahme vom 28.08.2024 teilte das AMS dem erkennenden Gericht mit, dass die angeforderten Formulare aus Deutschland bis dato noch nicht eingetroffen seien. Da die Bearbeitungszeit der belangten Behörde jedoch in dieser Woche enden würde, werde nunmehr die Beschwerde dem erkennenden Gericht vorgelegt. Auf die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung werde verzichtet.
Am selben Tag langte die Beschwerde samt Verwaltungsakt von Seiten der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein.
Am 15.10.2024 langte das ausgefüllte Formular PDU1 aus Deutschland von Seiten der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus den unter Punkt I. getroffenen Ausführungen. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:
Der Beschwerdeführer bezog zuletzt von 18.10.2021 bis 31.10.2021 sowie von 09.06.2023 bis 09.07.2023 in Österreich Arbeitslosengeld.
Der Beschwerdeführer arbeitete im Zeitraum 06.07.2023 bis 07.11.2023 beim deutschen Dienstgeber C. und war in dieser Zeit in Deutschland zur Sozialversicherung gemeldet.
Anschließend war der Beschwerdeführer in den Zeiträumen 08.11.2023 – 30.11.2023 sowie 01.03.2024 – 31.05.2024 jeweils in einem vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnis beim österreichischen Dienstgeber T. beschäftigt. In Zeitraum 01.12.2023 bis 29.02.2024 ging er zudem einer geringfügigen Beschäftigung beim Dienstgeber T. nach.
Der verfahrensgegenständliche Antrag auf Zuerkennung von Weiterbildungsgeld wurde mit Geltendmachungsdatum 01.06.2024 gestellt.
2. Beweiswürdigung:
Der unter I. angeführte Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verfahrensakts der belangten Behörde sowie des Aktes des Bundesverwaltungsgerichts.
Dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 06.07.2023 bis 07.11.2023 beim deutschen Dienstgeber C. arbeitete und in dieser Zeit in Deutschland zur Sozialversicherung gemeldet war, ergibt sich aus der Meldebescheinigung für den Arbeitnehmer nach § 25 DEÜV (OZ 1, Block 3, S 7) in Zusammenschau mit dem eingebrachten Formular PDU1, welches von der Agentur für Arbeit Mainz am 23.09.2024 ausgestellt wurde (OZ 2).
Die Beschäftigungszeiten beim Dienstgeber T. in Österreich sowie die festgestellten Arbeitslosengeldbezüge basieren auf dem im vorgelegten Verwaltungsakt enthaltenen Versicherungsverlauf des AMS (OZ 1) in Zusammenschau mit dem eingeholten aktuellen Auszug aus dem AJ-WEB, wobei sich keine Zweifel an der Richtigkeit dieser Einträge ergeben haben.
Die Feststellung zum Antrag auf Weiterbildungsgeld basiert auf dem im vorgelegten Verwaltungsakt enthaltenen Antrag (OZ 1, Block 2, S 1-4).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde
Anzuwendende Rechtslage:
Gemäß § 26 Abs. 1 AlVG gebührt Personen, die eine Bildungskarenz gemäß § 11 oder eine Freistellung gegen Entfall des Arbeitsentgeltes gemäß § 12 AVRAG in Anspruch nehmen und die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllen, für die vereinbarte Dauer ein Weiterbildungsgeld in der Höhe des Arbeitslosengeldes, mindestens jedoch in der Höhe von 14,53 Euro täglich, bei Erfüllung der in Z 1 bis 5 aufgelisteten Voraussetzungen.
Gemäß § 14 Abs. 1 AlVG ist bei der erstmaligen Inanspruchnahme von Arbeitslosengeld die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 24 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 52 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Handelt es sich jedoch um einen Arbeitslosen, der das Arbeitslosengeld vor Vollendung des 25. Lebensjahres beantragt, ist die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten zwölf Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 26 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war.
Gemäß § 14 Abs. 2 AlVG ist bei jeder weiteren Inanspruchnahme des Arbeitslosengeldes die Anwartschaft erfüllt, wenn der Arbeitslose in den letzten 12 Monaten vor Geltendmachung des Anspruches (Rahmenfrist) insgesamt 28 Wochen im Inland arbeitslosenversicherungspflichtig beschäftigt war. Die Anwartschaft ist im Falle einer weiteren Inanspruchnahme auch dann erfüllt, wenn der Arbeitslose die Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 1 erster Satz erfüllt.
Gemäß § 14 Abs. 5 AlVG sind ausländische Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten auf die Anwartschaft anzurechnen, soweit dies durch zwischenstaatliche Abkommen oder internationale Verträge geregelt ist.
Gemäß Art. 6 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit berücksichtigt der zuständige Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften den Erwerb, die Aufrechterhaltung, die Dauer oder das Wiederaufleben des Leistungsanspruchs, die Anwendung bestimmter Rechtsvorschriften oder den Zugang zu bzw. die Befreiung von der Pflichtversicherung, der freiwilligen Versicherung oder der freiwilligen Weiterversicherung von der Zurücklegung von Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten abhängig machen, soweit erforderlich die nach den Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats zurückgelegten Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten, Zeiten einer selbstständigen Erwerbstätigkeit oder Wohnzeiten, als ob es sich um Zeiten handeln würde, die nach den für diesen Träger geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt worden sind.
Nach Art 11 GVO 883/2004 ist jener Staat für die Gewährung von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zuständig, welcher der letzte Staat der Beschäftigung war.
Gemäß Artikel 12 Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des europäischen Parlaments und des Rates vom 16.09.2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (Durchführungsverordnung) wendet sich der zuständige Träger bei der Anwendung von Art. 6 der Grundverordnung an die Träger der Mitgliedstaaten, deren Rechtsvorschriften für die betroffene Person ebenfalls gegolten haben, um sämtliche Zeiten zu bestimmen, die der Versicherte nach deren Rechtsvorschriften zurückgelegt hat.
Anwendung der Rechtslage auf den gegenständlichen Fall:
Ein Anspruch auf Weiterbildungsgeld besteht gemäß § 26 Abs. 1 AlVG nur dann, wenn – neben weiteren Voraussetzungen – die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld gemäß § 14 AlVG erfüllt wird, sohin eine bestimmte Anzahl von Anwartschaftswochen innerhalb einer bestimmten Rahmenfrist vorliegt. Bei Inanspruchnahme von Weiterbildungsgeld nach einem Bezug von Arbeitslosengeld ist die „kleine“ Anwartschaft (§ 14 Abs. 2) zu erfüllen (vgl. Pfeil/Auer-Mayer/Schrattbauer, AlV-Komm § 26 AlVG Rz 16 (Stand 1.9.2024, rdb.at).
Da der Beschwerdeführer gegenständlich bereits in den Jahren 2021 und 2023 Arbeitslosengeld bezogen hat, ist zur Erfüllung der Anwartschaft entweder der Nachweis von 196 Tagen (bzw. 28 Wochen) anwartschaftsbegründender Zeiten innerhalb eines Zeitraumes von einem Jahr, oder aber der Nachweis von 364 Tagen (bzw. 52 Wochen) anwartschaftsbegründender Zeiten innerhalb eines Zeitraumes von zwei Jahren, jeweils rückgerechnet ab Geltendmachung des Anspruchs, erforderlich (vgl. § 14 Abs. 2 AlVG).
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer seinen Antrag auf Zuerkennung von Weiterbildungsgeld am 01.06.2024 geltend gemacht, sodass der Zeitraum 01.06.2023 bis 31.05.2024 als Rahmenfrist betrachtet wird (§ 14 Abs. 2 AlVG).
Beim Beschwerdeführer lagen ausweislich der Feststellungen daher nachfolgende arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigungszeiten in Österreich vor:
- 08.11.2023 bis 30.11.2023 (23 Tage)
- 01.03.2024 bis 31.05.2024 (92 Tage)
Zudem war der Beschwerdeführer feststellungsgemäß von 06.07.2023 bis 07.11.2023 (125 Tage) in Deutschland vollversicherungspflichtig erwerbstätig.
Da die Anwartschaft auf Weiterbildungsgeld durch die Anwartschaft auf Arbeitslosengeld erfüllt wird und für das Arbeitslosengeld die Zusammenrechnung der Versicherungszeiten gemäß der VO (EG) 883/2004 zu erfolgen hat, sind die Versicherungszeiten aus anderen EU-Mitgliedstaaten für die Anwartschaft auf das Weiterbildungsgeld heranzuziehen (vgl. Krautgartner, Arbeitslosenversicherungsgesetz (23. Lfg 2024) § 26 AlVG Rz 556).
Gemäß § 14 Abs. 2 AlVG hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung der kurzen Anwartschaft in diesem Zeitraum 28 Wochen, daher 196 Tage (28 x 7), an arbeitslosenversicherungspflichtiger Beschäftigung vorzuweisen.
Nachdem die Beschäftigungszeiten des Beschwerdeführers in Deutschland gemäß der VO 883/2004 zur Gänze anzurechnen sind (§ 14 Abs. 5 AlVG), liegen im Zeitraum von 12 Monaten vor der gegenständlichen Geltendmachung von Arbeitslosengeld mit 01.06.2024 beim Beschwerdeführer 240 Tage einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung vor.
Der Beschwerdeführer erfüllt somit die kleine Anwartschaft gemäß § 14 Abs. 2 AlVG. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Da aus der Aktenlage nicht ersichtlich ist, ob einerseits im Fall des Beschwerdeführers die übrigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Weiterbildungsgeld im Einzelnen vorliegen und andererseits das Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen für die Zuerkennung von Weiterbildungsgeld auch gar nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens war, wird die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag auf Zuerkennung von Weiterbildungsgeld im fortgesetzten Verfahren gemäß § 26 AlVG anhand der sonstigen Voraussetzungen zu prüfen haben.
4. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung
Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben war, konnte die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin gemäß § 24 VwGVG unterbleiben.
Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
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