Spruch
W608 2200371-2/6E W608 2200372-2/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Isabella FOUCHS als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX und 2.) XXXX , geboren am XXXX , alle StA. Afghanistan, der Zweitbeschwerdeführer gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , geboren am XXXX , beide Beschwerdeführer vertreten durch die BBU, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 29.01.2024, 1.) Zl. 1132537310/231294759 und 2.) Zl. 1164153403/231294821, zu Recht:
A)
Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und 1.) XXXX sowie 2.) XXXX gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 der Status von Asylberechtigten zuerkannt.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass 1.) XXXX und 2.) XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Vorverfahren:
Der Erstbeschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 16.10.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am XXXX wurde sein Sohn, der Zweitbeschwerdeführer, in Österreich geboren. Der Erstbeschwerdeführer stellte für diesen als gesetzlicher Vertreter am 16.08.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheiden vom 25.05.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 ab, erließ Rückkehrentscheidungen und stellte fest, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei.
Die Beschwerdeführer erhoben am 20.06.2018 gegen sämtliche Spruchpunkte Beschwerde.
Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung durch das Bundesverwaltungsgericht am 23.05.2019 wurde mit Erkenntnis vom 22.08.2019, Zl W271 2200372-1 sowie Zl W271 2200371-1, den Beschwerdeführern gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte für die Dauer von einem Jahr erteilt.
Die befristete Aufenthaltsberechtigung der Beschwerdeführer wurden laufend mit Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl verlängert, zuletzt bis zum 02.09.2024.
Gegenständliches Verfahren:
Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann und der minderjährige Zweitbeschwerdeführer ist der Sohn von XXXX , geboren am XXXX . Die Beschwerdeführer stellten am 06.07.2023 den gegenständlichen (Folge-) Antrag auf internationalen Schutz. Der Zweitbeschwerdeführer wurde dabei vom Erstbeschwerdeführer als gesetzlicher Vertreter vertreten.
Am selben Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers sowie auch jene des Erstbeschwerdeführers als gesetzlicher Vertreter des Zweitbeschwerdeführers statt.
Am 07.09.2023 wurde der Erstbeschwerdeführer und die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Zweitbeschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Farsi niederschriftlich einvernommen.
Mit den Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 29.01.2024, Zl. 1132537310/231294759 sowie Zl. 1164153403/231294821, wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen.
Gegen diese Bescheide wurde fristgerecht Beschwerde erhoben, welche am 26.02.2024 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einlangte und am 06.03.2024 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt wurde.
Aufgrund einer Unzuständigkeitseinrede des Leiters der Gerichtsabteilung W202 infolge Annexität wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung W231 am 13.03.2024 neu zugewiesen.
Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Verfahren mit Beschluss vom 24.04.2024 gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Rechtssachen C-608/22 und C-609/22 aus.
Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.08.2024 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W231 abgenommen und der Gerichtsabteilung W608 zugewiesen.
Am 04.10.2024 erging dann das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (in der Folge: EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführer sind afghanische Staatsangehörige und Angehörige der Volksgruppe der Hazara. Sie bekennen sich zum muslimischen-schiitischen Glauben. Sie sprechen muttersprachlich Farsi.
Der Erstbeschwerdeführer reiste am 16.10.2016 über mehrere Länder nach Österreich ein und stellte am selben Tag erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz.
Dem Erstbeschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.08.2019, Zl W271 2200370-1, eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zuerkannt.
Der Erstbeschwerdeführer stellte am 06.07.2023 einen (Folge-) Antrag auf internationalen Schutz.
Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann und der Zweitbeschwerdeführer das minderjährige Kind von XXXX , geboren am XXXX , der mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, W608 2200370-2, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde. Die Ehe wurde traditionell bereits vor der Einreise geschlossen.
Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie zu den Sprachkenntnissen der Beschwerdeführer ergeben sich aus den diesbezüglich übereinstimmenden und damit glaubhaften Angaben in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl.
Die Feststellungen zur Einreise des Erstbeschwerdeführers nach Österreich, seiner ersten Antragstellung auf internationalen Schutz, der mit Erkenntnis vom 22.08.2019 erfolgten Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung ergeben sich aus der Einsicht in den nunmehr gegenständlichen, im Spruch genannten, Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl. Das Datum der gegenständlichen Antragstellungen auf internationalen Schutz geht aus dem Akteninhalt hervor.
Die Feststellungen, dass es sich beim Erstbeschwerdeführer um den Ehemann der XXXX handelt und dass die Ehe bereits vor der Einreise bestanden hat, beruhen auf den glaubhaften Aussagen des Erstbeschwerdeführers im Verfahren, sowie auf der Einsicht das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 22.08.2019, Zl W271 2200370-1. Dass es sich beim Zweitbeschwerdeführer um das Kind der XXXX handelt, ergibt sich ebenso aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Erstbeschwerdeführers geht aus der Einsichtnahme in das Strafregister hervor. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Zweitbeschwerdeführers ergibt sich bereits daraus, dass er aufgrund seines Alters nicht deliktsfähig ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Im vorliegenden Fall liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 bezüglich der Verfahren der Beschwerdeführer und ihrer Mutter bzw. Ehefrau vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG 2005 ist Familienangehöriger der Elternteil eines minderjährigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten; der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat; ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten und der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen ledigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten sowie ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind, für das einem Asylwerber, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten die gesetzliche Vertretung zukommt, sofern die gesetzliche Vertretung jeweils bereits vor der Einreise bestanden hat.
Gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.
Der Mutter bzw. der Ehefrau der Beschwerdeführer wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, Zl W608 2200370-2, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Da ihr der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG 2005 auch den Beschwerdeführern der Status von Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG 2005 zu subsumieren wären, erkennbar sind.
Soweit die Beschwerdeführer auch eigene Fluchtgründe vorbringen, ist auf diese nicht näher einzugehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat dazu bereits festgehalten, dass sich aus den Materialien zu § 34 AsylG 2005 (RV 952, 22. GP, 54) ergibt, dass § 34 AsylG 2005 der Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband dient. Ist daher einem Familienangehörigen – aus welchen Gründen auch immer – ohnedies der Status des Asylberechtigten zu gewähren, so kann dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, er habe darüber hinaus vorgesehen, dass auch in diesem Fall eigene Fluchtgründe zu prüfen wären. Dies würde der vom Gesetzgeber ausdrücklich angeführten Beschleunigung der Asylverfahren von Asylwerbern im Familienverband entgegenstehen. Ein Recht auf originäre Zuerkennung des Status des Asylberechtigten besteht nicht (VwGH 30.04.2018, Ra 2017/01/0418).
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Den Beschwerden ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 iVm § 34 Abs. 2 AsylG 2005 stattzugeben und festzustellen, dass den Beschwerdeführern kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Das ist im vorliegenden Fall gegeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.