JudikaturBVwG

W203 2289203-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2025

Spruch

W203 2289203-1/10E

Ausfertigung des am 17.12.2024 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gottfried SCHLÖGLHOFER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA: Syrien, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2024, Zl. 1341968404-230257219, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.12.2024 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist syrischer Staatsangehöriger. Er stellte am 03.02.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung am 03.02.2023 gab der BF zusammengefasst und soweit wesentlich an, dass er aus dem Gouvernement Latakia komme und Syrien aufgrund des Krieges verlassen habe. Im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat fürchte der BF, zum Militär einberufen zu werden.

3. Im Rahmen seiner Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 20.10.2023 führte der BF zusammengefasst aus, dass er aus XXXX stamme und dort bis zu seiner Ausreise am 17.12.2022 gewohnt habe. Er habe 12 Jahre die Schule besucht, verfüge allerdings über keinen Maturaabschluss. Während der Schulzeit habe er als Kühlschranktechniker und Fliesenleger gearbeitet.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, er habe keinesfalls den Militärdienst ableisten wollen, da er weder töten noch „seine Hände mit Blut beschmieren“ wolle. Zudem habe sich die Wirtschaftslage in seinem Herkunftsort sehr verschlechtert und es habe häufiger Überfälle gegeben.

Weiters führte der BF an, er habe zwei Aufschübe bezüglich der Ableistung des Militärdienstes erhalten, da er versucht habe, seine Matura zu absolvieren.

4. Mit Bescheid vom 11.01.2024 wies die belangte Behörde den Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für ein Jahr (Spruchpunkt III).

5. Dagegen erhob der BF mit Schreiben vom 15.02.2024 binnen offener Frist das Rechtsmittel der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheides, wiederholte im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen und legte ergänzend ein Schreiben vor, aus dem hervorgeht, dass er einen Aufschub vom Militärdienst bis 15.03.2023 bekommen habe.

6. Mit Schreiben vom 26.03.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Bezug habenden Verwaltungsunterlagen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Am 17.12.2024 – somit nach den amtsbekannten politischen Änderungen in Syrien am 08.12.2024 – führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache und des BF sowie seiner Vertretung eine mündliche Verhandlung durch, bei der der BF Gelegenheit hatte, zu seinen Fluchtgründen und zur veränderten Lage in Syrien im Detail Stellung zu nehmen. Die belangte Behörde erschien unentschuldigt nicht zur Verhandlung.

Im Wesentlichen führte der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung aus, dass er die aktuellen Ereignisse in Syrien mitverfolgt habe. Aus seiner Sicht würde das aber nicht bedeuten, dass Syrien jetzt „befreit“ sei, da es sehr lange dauern werde, bis es wieder Stabilität im Land geben werde. Man wisse nicht, wie die neue Regierung sein werde. Es könne auch passieren, dass erneut Krieg ausbricht.

Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF an, er sei ausgereist, da er nicht an Kampfhandlungen habe teilnehmen wollen. In seinem Herkunftsort sei er aufgrund der Tatsache, dass er Sunnit sei, „komisch angeschaut“ worden. Dort lebten vorwiegend Alawiten, weswegen man außerhalb seines Herkunftsortes annehme, er sei auch Alawit, was wieder zu Problemen führe. Mit der HTS sei er darüber hinaus nicht einverstanden, weil es sich dabei um eine terroristische Organisation handle. Im Falle einer Rückkehr befürchte er, getötet zu werden, wenn er seine Meinung frei äußere. Darauf angesprochen, dass er gegen das Assad-Regime eingestellt gewesen sei und es nunmehr einen neuen Machthaber gebe, führte der BF aus, er sei nicht von Bashar Al-Assad selbst verfolgt worden, sondern vom syrischen Militärdienst; in Syrien herrsche nach wie vor keine Sicherheit.

Im Zuge der Beschwerdeverhandlung gab der Rechtsvertreter des BF in seiner Stellungnahme an, dass die vom BF geschilderte subjektive Angst, Repressionen zu erleiden, wenn er seine Meinung in Syrien frei äußern würde, glaubhaft sei und verwies auf das LIB, S 169, wonach die HTS brutal gegen politische Gegner vorgehe, friedliche Proteste gewaltsam auflöse und keine Meinungsäußerungsfreiheit bestehe.

Am Ende der Beschwerdeverhandlung wurde das Erkenntnis mit seinen wesentlichen Entscheidungsgründen mündlich verkündet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der BF ist syrischer Staatsangehöriger. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam und gehört der Volksgruppe der Araber an.

Der BF ist in der Stadt XXXX , Gouvernement Latakia, Syrien, geboren und hat dort bis zu seiner Ausreise im Dezember 2022 gelebt.

Im Jahr 2023 verließ der BF die Türkei, reiste nach Europa weiter und stellte schließlich im Februar 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Der BF hat in Syrien 12 Jahre lang die Pflichtschule besucht und während seiner Schulzeit auch als Kühlschranktechniker und Fliesenleger gearbeitet.

Die Eltern des BF und zwei seiner Brüder leben nach wie vor im Herkunftsstaat. Ein weiterer Bruder des BF befindet sich in Österreich.

Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seiner im Herkunftsstaat lebenden Familie.

Der BF ist strafgerichtlich in Österreich unbescholten und gesund.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Die Stadt XXXX , der Herkunftsort des BF, liegt im Gouvernement Latakia und steht derzeit unter Kontrolle der Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS).

Der BF ist im Jahr 2022 aus Syrien ausgereist und lebte drei Monate in der Türkei.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsort eine Gefährdung durch die HTS oder sonstige Akteure droht.

1.3. Relevante Feststellungen zur maßgeblichen Situation in Syrien:

1.3.1. Länderinformationsblatt Syrien, Version 11, vom 27.03.2024:

Mit der im November 2017 gegründeten (NPA 4.5.2023) syrischen Heilsregierung hat die HTS ihre Möglichkeiten zur Regulierung, Besteuerung und Bereitstellung begrenzter Dienstleistungen für die Zivilbevölkerung erweitert. Doch wie jüngste Studien gezeigt haben, sind diese Institutionen Mechanismen, die hochrangige Persönlichkeiten innerhalb der herrschenden Koalitionen ermächtigen und bereichern (Brookings 27.1.2023). In dem Gebiet werden keine organisierten Wahlen abgehalten und die dortigen Lokalräte werden von bewaffneten Gruppen beherrscht oder von diesen umgangen. Die HTS versucht in Idlib, eine autoritäre Ordnung mit einer islamistischen Agenda durchzusetzen. Obwohl die Mehrheit der Menschen in Idlib sunnitische Muslime sind, ist HTS nicht beliebt. Die von der HTS propagierten religiösen Dogmen sind nur ein Aspekt, der den Bürgerinnen und Bürgern missfällt. Zu den anderen Aspekten gehören der Mangel an grundlegenden Dienstleistungen, willkürliche Verhaftungen, Gewalt und Missbrauch (BS 23.2.2022).

Anders als die Regierung und die Syrian Democratic Forces (SDF), erlegen bewaffnete oppositionelle Gruppen wie die SNA (Syrian National Army) und HTS (Hay'at Tahrir ash-Sham) Zivilisten in von ihnen kontrollierten Gebieten keine Wehrdienstpflicht auf (NMFA 5.2022; vgl. DIS 12.2022). Quellen des niederländischen Außenministeriums berichten, dass es keine Zwangsrekrutierungen durch die SNA und die HTS gibt (NMFA 8.2023).

1.3.2 Euaa, Country Guidance Syria vom April 2024:

Hayat Tahrir al-Sham or Organisation for the Liberation of the Levant (HTS) is a coalition of Islamist Sunni anti-government armed groups which continues to be listed as a terrorist organisation by the EU, the UN and many states [Security 2023, 1.4.4, p. 30, Security 2021, 1.4.4, p. 25]. HTS is comprised of several armed factions, including Jabhat Fatah al-Sham (also known as Jabhat al-Nusrah and previously as the Al-Nusrah Front). It maintains its power through the Syrian Salvation Government, which has been as the group’s ‘political arm’. [Security 2022, 2.1.2, p. 69; Actors, 4.1.1, p. 50]

HTS forces have been involved in extrajudicial killings, arbitrary arrests and unlawful detention of civilians [Security 2022, 1.4.4, p. 35, 1.4.5, p. 27, 2.1.2, p. 67]. Enforced disappearances, confiscation of property, harassment and intimidation against women were also reported [Targeting 2022, 8.2, p. 82, 11, p. 96, 13.4.2, pp. 118-119]. In recent times, the group attempted to publicly distance itself from al-Qaeda and portray it as a legitimate civilian authority. Despite its legitimisation efforts, HTS continued to commit serious human rights violations [Security 2023, 1.4.4, p. 31].

Civilians perceived to be collaborating or supporting the government or (pro-)government armed forces and/or to oppose anti-government armed groups are targeted by several groups, mainly HTS and ISIL.

In territory controlled by HTS, a number of individuals were targeted based on allegations of collaboration with the GoS. Several executions and detentions on these grounds were reported in 2020, 2021 and 2022. Unclaimed assassinations, reported in autumn 2020 in Rural Damascus, targeted prominent civilian figures who had mediated reconciliation deals between the GoS and opposition fighters.

There were also reports indicating that HTS confiscated properties of minority groups such as Christians, individuals who fled the area or were perceived as political opponents, including alleged GoS supporters.

Reports on arrests of journalists and media activists for criticising HTS have continued. Media activists were arrested without judicial involvement and without clearly communicated charges, and at times were subjected to detention under harsh conditions, torture, and illtreatment. In July 2020, the HTS-linked Syrian Salvation Government imposed a regulation which prescribed that journalists were not allowed to work in areas under its control without obtaining its permission. In order to obtain this card, journalists were required to provide a range of information to the Syrian Salvation Government. Journalists who did not carry a card risked restriction of movement as well as arrest.

In 2021, HTS continued to arbitrarily detain activists and humanitarian workers in Idlib. HTS targeted women media workers and activists for exercising freedom of expression, such as speaking out against the group’s rule. Women activists were detained by the group without respect for judicial guarantees. [Targeting 2022, 13.4.2, p. 118]

Christians are targeted by various actors. More than 100 attacks by the GoS forces, opposition armed groups, ISIL, HTS and other parties on Christian churches were reported since the beginning of the conflict.

In Idlib, HTS seized properties and churches of Christians and restricted their right to worship and prohibited Christians who fled their homes in Idlib from appointing someone to appeal against rulings handed by Sharia courts regarding their property. ‘Islamist factions’ operating in Idlib governorate imposed so-called ‘jizya’ taxes (a tax historically imposed on non-Muslims by Muslim rulers) on Christians, to pressure them to leave their homes. [Targeting 2022, 11, p. 96]

In areas under its control, HTS had interfered in every aspect of civilian life, especially in the form of arbitrary arrests and detentions for violations of the strict dress code and restrictions on freedom of movement. In case of deviation from the imposed dress code and movement restrictions, punishments ranged from corporal punishments, such as lashing, to execution. In January 2022, incidents of harassment and intimidation aimed at forcing women involved in public affairs to leave their jobs were documented. There is further information on women killed and disappeared [Targeting 2022, 13.4.2, pp. 118-119].

It is also reported that ISIL and HTS regularly detained, tortured and killed LGBTIQ individuals in the territories they controlled. Abductions of persons assumed or perceived as gay have also been documented. [Targeting 2022, 14.2, pp. 122-124]

Extremist groups such as HTS and ISIL have carried out public executions, beheadings and crucifixions for transgressing the moral codes of the sharia law in areas under their control, killing hundreds of civilians. They also reportedly subjected women, girls, and minorities to illegal executions for breach of the imposed codes and for ‘dishonouring’ their families. [Actors, 4.1.4, pp. 52-53, 6.4, p. 62]

Attacks by HTS and affiliated armed groups on GoS positions were described as often indiscriminate in nature. These groups also terrorised, killed, and maimed dozens of civilians in the countryside of Aleppo, Hama, and elsewhere [Security 2022, 7.3, pp. 77-78; Security 2020, 1.6.1.2, p. 33]. The group has conducted formal military campaigns, assassinations, hostage takings, and ‘lone wolf’ operations, including suicide bombings. In areas where HTS is operating, civilians are unlawfully detained, kidnapped and tortured for expressing political dissent. It was reported that civilians, including humanitarian workers and media activists were targeted and received death threats for being critical of HTS, as well as extorted and kidnapped for ransom [Actors, 4.1.4, p. 52]. In recent times, the group attempted to publicly distance itself from al-Qaeda and portray it as a legitimate civilian authority. Despite its legitimisation efforts, HTS continued to commit serious human rights violations [Security 2023, 1.4.4, p. 31].

1.3.3. Kurzinformation der Staatendokumentation Syrien: Sicherheitslage, Politische Lage Dezember 2024, vom 10.12.2024:

1. Zusammenfassung der Ereignisse

Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende.

Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).

Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).

Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).

Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).

Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).

Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).

In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).

Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).

2. Die Akteure

Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).

Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).

Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).

Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).

Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).

Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).

[…]

3. Aktuelle Lageentwicklung

Sicherheitslage:

Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).

Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).

Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).

Sozio-Ökonomische Lage:

Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).

Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).

Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).

Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).

Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).

1.3.4. UNHCR Regional flash update #8, Syria situation crisis, vom 02.01.2025

Key Highlights

UNHCR estimates that over 115,000 Syrians have returned to Syria since 8 December 2024, based on a triangulation of sources from inside and outside Syria.

[…]

The number of individuals returning to Aleppo governorate is the highest, with returnees citing the improved security situation and the abolition of compulsory miliary service as the main reasons for their return.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppenzugehörigkeit und zum Religionsbekenntnis des BF ergeben sich aus dem Akteninhalt sowie dessen diesbezüglich glaubhaften Angaben während des gesamten Verfahrens.

Die Feststellungen zu seinem Wohnort in Syrien, seinen Fluchtbewegungen, seiner Ausbildung und zur beruflichen Tätigkeit gründen ebenso auf den unbedenklichen und im Wesentlichen stets gleichbleibenden Angaben des BF.

Die Feststellungen zum Verbleib seiner Familienangehörigen und zum Aufenthalt seiner übrigen Verwandten gründen auf den Ausführungen des BF im Verfahren. Die Feststellungen zur Asylantragstellung ergeben sich aus dem Erstbefragungsprotokoll.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Die Feststellung zur Kontrollsituation in Bezug auf den Herkunftsort des BF ergibt sich aus einer aktuellen Einschau der Webseiten „Map of Syrian Civil War – Syria news and incidents today – syria.liveuamap.com“ und des Carter Centers, abrufbar unter „https://www.cartercenter.org/news/multimedia/map/exploring-historical-control-in-syria.html“.

Zum Ergebnis, dass eine Gefährdung durch die HTS oder sonstige Akteure in Gebieten unter Kontrolle der HTS im Falle einer Rückkehr des BF in seinen Herkunftsort nicht festgestellt werden kann, kommt das erkennende Gericht auf Basis nachstehender Erwägungen:

Den Länderberichten ist zwar zu entnehmen, dass Minderheiten wie Christen, bestimmte Berufsgruppen wie Journalisten, Medienschaffende und Aktivisten unter näher zu betrachtenden Umständen in Gebieten unter Kontrolle der HTS gefährdet werden könnten. Gleiches gilt für Frauen, humanitäre Helfer und Anhänger der ehemaligen syrischen Regierung unter Führung von Bashar al-Assad. Weder hat der BF vorgebracht, unter diese exponierten Personengruppen zu fallen, noch ergibt sich dies aus dem Akt. Mangels anderer Anhaltspunkte sowohl in den Länderberichten als auch im Akt und im Vorbringen des BF selbst kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF aktuell in irgendeiner Weise durch die HTS oder sonstige Akteure gefährdet wäre.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat des BF unter Punkt 1.3. stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Sofern das Länderinformationsblatt Syrien von März 2024 und die Country Guidance Syria von April 2024 zitiert wurde, können die darin getroffenen Ausführungen über die Kontrolle der HTS in Nordwestsyrien auf die nunmehr von ihr kontrollierten weiteren syrischen Gebiete übertragen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Abweisung:

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb des Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes des gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts kommt es für die Asylgewährung auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts an (siehe etwa VfGH 18.09.2023, E 944/2023 Rz 14; E 2268/2022 Rz 13; VwGH 21.06.2023, Ra 2021/19/0406 Rz 13; 26.11.2020, Ra 2020/18/0384 Rz 14).

3.1.2. Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall:

Wie bereits ausgeführt, gab der BF in der Beschwerdeverhandlung an, dass seiner Einschätzung nach der Sturz von Baschar al-Assad nicht bedeute, dass Syrien nunmehr „befreit“ wäre, da es lange dauern würde, bis wieder Stabilität herrsche und man nicht wisse, wie die neue Regierung sein werde oder ob wieder Krieg ausbreche. Zudem halte er die HTS für eine terroristische Organisation und fürchte, dass er - wenn er seine Meinung frei äußere - getötet werde.

Durch dieses Vorbringen wird keine Verfolgungshandlung iSd Art. 9 StatusRL dargelegt, die auf einem Verfolgungsgrund iSd Art. 10 StatusRL bzw. des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK beruhen würde (zum geforderten Kausalzusammenhang zwischen Verfolgungshandlung und Verfolgungsgrund siehe etwa VwGH 14.10.2024, Ra 2024/20/0491 Rz 69 mwN).

Die Verfolgung aus dem Grund der (unterstellten) politischen Gesinnung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK liegt in jenen Fällen vor, in denen der ungerechtfertigte Eingriff an die (wenn auch nur vermutete) politische Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung der betroffenen Person anknüpft.

Soweit der BF durch seinen Rechtsvertreter in seiner Stellungnahme während der mündlichen Beschwerdeverhandlung ausführt, dass es ihm aus unionsrechtlichen Gründen nicht zumutbar sei, seine politische Meinung im Falle der Rückkehr geheimzuhalten, ist auszuführen, dass der EuGH in seiner Entscheidung vom 21.09.2023, C-151/22, zwar aussprach, dass der GFK-Grund der politischen Gesinnung grundsätzlich weit auszulegen ist. Aus dem Wortlaut der Bestimmung folgt daher nicht, dass Meinungen, Grundhaltungen oder Überzeugungen nur dann unter den Begriff „politische Überzeugung“ fallen würden, wenn sie für diesen Antragsteller ein gewisses Maß an Überzeugung haben oder sogar so tief verwurzelt sind, dass er bei einer Rückkehr in sein Herkunftsland nicht davon absehen könnte, sie zu äußern, um nicht die nachteilige Aufmerksamkeit potenzieller Verfolger in diesem Land zu erwecken. Unter Hinweis auf das UNHCR-Handbuch könne der Begriff „politische Überzeugung“ nach Ansicht des EuGH jede Meinung zu jeder Angelegenheit einschließen, auf die der Staatsapparat, die Regierung, die Gesellschaft oder die Politik Einfluss nimmt, unabhängig von seiner Stärke oder Verwurzelung beim Antragsteller. Auch ohne grundlegender oder tief verwurzelter politischer Überzeugung könnte die Person im Fall der Rückkehr in ihr Herkunftsland unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Umstände und der allgemeinen Gegebenheiten dieses Landes der tatsächlichen Gefahr ausgesetzt sein, wegen dieser politischen Überzeugung oder der Überzeugung, die potenzielle Verfolger in diesem Land ihr zuschreiben würden, verfolgt zu werden.

Der EuGH gelangte daher zur Auffassung, dass Art 10 Abs. 1 lit. e und Abs. 2 Status-RL wie folgt auszulegen ist: Damit die Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung eines Antragstellers, der die nachteilige Aufmerksamkeit potenzieller Verfolger in seinem Herkunftsland noch nicht erweckt hat, unter den Begriff „politische Überzeugung“ fallen kann, reicht es aus, dass der Antragsteller geltend macht, er bringe diese Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung zum Ausdruck oder habe sie zum Ausdruck gebracht; dies greife der Bewertung, ob die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung wegen dieser politischen Überzeugung begründet ist, nicht vor (EuGH vom 21.09.2023, C-151/22).

Im konkreten und individuellen Fall des BF haben sich im Verfahren aber Hinweise weder darauf ergeben, dass der BF eine solche Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung gegen den Staatsapparat zum Ausdruck bringt, noch war eine solche, ihm von Seiten der HTS zumindest unterstellte, zu erkennen. Der BF stützte sich in seinem Vorbringen im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung vielmehr darauf, dass die Lage in Syrien unsicher sei, nach wie vor Bürgerkrieg herrsche und es viele Gruppierungen gebe, die Syrien komplett übernehmen wollen würden. Auch vor dem erkennenden Gericht befragt, was sich in Syrien ändern müsse, damit er sich vorstellen könne, wieder dort zu leben, führte der BF aus, die Menschen würden dort sehr altmodisch denken, es herrsche keine Meinungsfreiheit und es fehle an Bildung. Zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens war für das erkennende Gericht ersichtlich, dass der BF eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertreten würde, die sich gegen den Staatsapparat richtet, oder dass ihm eine solche von der HTS unterstellt wurde. Nach Ansicht des erkennenden Gerichts gehört der BF nicht zu einem Personenkreis, an dem die HTS grundsätzlich wegen seiner Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung ein erhöhtes Interesse aufweist. Eine aus diesem Grund forcierte Verfolgung ergibt sich für das erkennende Gericht nicht. Der BF hat sich auch weder im Herkunftsstaat, noch im Bundesgebiet politisch engagiert, oder seine politische Grundhaltung öffentlich in irgendeiner Art zum Ausdruck gebracht. Das trifft auch auf die Familienangehörigen des BF zu, die sich nach wie vor unbehelligt im Herkunftsort aufhalten.

Gegenständlich ist der GFK-Grund der „politischen Überzeugung“ daher nach Ansicht des erkennenden Gerichts nicht erfüllt.

Soweit der BF vorbringt, dass die Lage in Syrien nicht abschätzbar sei und Bürgerkrieg herrsche, ist dem entgegenzuhalten, dass im Umstand, dass im Heimatland des BF Bürgerkrieg herrscht, nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention liegt (vgl. VwGH 26.11.1998, 98/20/0309, 0310 und VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht. Eine solche hat der BF aber nicht hinreichend nachvollziehbar glaubhaft machen bzw. dartun können.

Aus dem vom BF erstatteten Vorbringen lassen sich vielmehr geradezu klassische Gründe ableiten, die bei einer Prüfung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 AsylG und Art. 15 StatusRL – nicht aber des Status des Asylberechtigten – relevant sind (zur Rsp des Verwaltungsgerichtshofs iZm dem subsidiären Schutzstatus generell siehe etwa beispielhaft VwGH 01.07.2024, Ra 2024/20/0347 Rz 31 - 33 mwN; 25.04.2022, Ra 2021/20/0448 Rz 14 - 18).

Zudem ist vor dem Hintergrund der hier zugrunde gelegten Länderberichte nicht anzunehmen, dass die HTS in Gebieten unter ihrer Kontrolle gezielt gegen Personen vorgeht, die eine abweichende politische Überzeugung aufweisen, oder dass diesen ohne Hinzutreten weiterer individueller Umstände eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen würde. Anderslautende Berichte, die darlegen würden, dass sich dies nach dem 08.12.2024 geändert hätte, liegen nicht vor.

Dem BF ist es daher insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.

Auch vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien kann nicht erkannt werden, dass dem BF aktuell in Syrien eine asylrelevante Verfolgung aus einem der in der GFK genannten Gründe droht.

Abschließend ist festzuhalten, dass - sollte sich die Lage in Syrien aufgrund neuer (politischer) Entwicklungen maßgeblich ändern und in künftigen Länderberichten asylrelevante Gründe in Bezug auf die konkrete Situation des BF aufgezeigt werden - es diesem unbenommen bleibt, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) zu stellen.

3.1.3. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

3.2. Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

3.2.3. Es war daher gemäß Spruchpunkt B) zu entscheiden.

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