JudikaturBVwG

W246 2174187-2 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. Januar 2025

Spruch

W246 2174187-2/2Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch den Richter Dr. Heinz VERDINO über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Matthias PRÜCKLER, gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion XXXX vom 29.05.2024, Zl. PAD/24/00992693/038/AA, den Beschluss:

A) Das Verfahren über die Beschwerde wird gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in den zu den Zln. Ro 2024/12/0041 und Ro 2024/12/0042 anhängigen Verfahren ausgesetzt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Mit Schreiben vom 10.10.2010 beantragte die beschwerdeführende Partei die Neufestsetzung ihres Vorrückungsstichtages unter Anrechnung von vor dem 18. Lebensjahr liegenden Zeiten und die Auszahlung allenfalls daraus resultierender Differenzbeträge.

2. Daraufhin setzte das – zu diesem Zeitpunkt zuständige – Landespolizeikommando XXXX mit Bescheid vom 07.12.2011 den 30.01.1993 als Vorrückungsstichtag der beschwerdeführenden Partei fest.

3. Der gegen diesen Bescheid von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Berufung gab die Bundesministerin für Inneres mit Bescheid vom 06.03.2013 insoweit statt, als dass der 29.01.1993 als neuer Vorrückungsstichtag festgesetzt wurde.

4. Mit Schreiben vom 24.04.2013 beantragte die beschwerdeführende Partei die Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung durch Änderung ihrer Vorrückung.

5. Die Landespolizeidirektion XXXX (in der Folge: die Behörde) wies diesen Antrag vom 24.04.2013 mit Bescheid vom 07.10.2013 als unbegründet ab.

6. Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 03.10.2016, Zl. W213 2001795-1/2E, Folge und änderte den Bescheid dahingehend ab, dass „[der beschwerdeführenden Partei] gemäß §§ 8, 12 und 113 Abs. 10 GehG 1956 idF BGBl. I Nr. 82/2010 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 1, Art. 9 und Art. 16 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zum 01.01.2004 ein Gehalt der Verwendungsgruppe E2b, Gehaltsstufe 6, mit nächster Vorrückung am 01.01.2005“ gebühre.

7. Die gegen dieses Erkenntnis seitens der Behörde erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30.11.2016, Ra 2016/12/0108, zurückgewiesen.

8. Mit E-Mail vom 01.05.2017 beantragte die beschwerdeführende Partei, „auch in Bezug auf den Zeitraum ab März 2015 die gerichtlich zuerkannte Einstufung vorzunehmen und [ihr] die entsprechenden Differenzbeträge anzuweisen“.

9. Mit Bescheid vom 07.09.2017 stellte die Behörde fest, dass der beschwerdeführenden Partei gemäß dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.10.2016, Zl. W213 2001795-1/2E, unter Berücksichtigung der dreijährigen Verjährungsfrist ein Gesamtbetrag in der Höhe von EUR 4.283,03 (10.10.2007 – 28.02.2015) nachverrechnet worden sei (Spruchpunkt I.). Eine Änderung der besoldungsrechtlichen Stellung der beschwerdeführenden Partei ab dem 01.03.2015 sei dadurch nicht eingetreten (Spruchpunkt II.).

10. Die beschwerdeführende Partei erhob gegen Spruchpunkt II. dieses Bescheides im Wege ihres Rechtsvertreters fristgerecht Beschwerde.

11. Diese Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der Behörde mit Schreiben vom 19.10.2017 vorgelegt und im Verfahren zur Zl. W128 2174187-1 protokolliert.

12. Mit Schreiben vom 23.01.2020 ersuchte das Bundesverwaltungsgericht die Behörde im Hinblick auf die zu diesem Zeitpunkt in Kraft stehende Rechtslage, innerhalb gesetzter Frist den Vergleichsstichtag der beschwerdeführenden Partei zu berechnen und dem Bundesverwaltungsgericht das Ergebnis der Berechnung mitzuteilen, was seitens der Behörde mit Schreiben vom 03.02.2020 erfolgte.

13. Der Beschwerdeführer nahm zu der seitens des Bundesverwaltungsgerichtes mit Schreiben vom 21.02.2020 erfolgten Übermittlung der Berechnung der Behörde im Wege seines Rechtsvertreters mit Schreiben vom 18.03.2020 Stellung.

14. Das Bundesverwaltungsgericht setzte das Beschwerdeverfahren zur Zl. W128 2174187-1 mit Beschluss vom 16.12.2020 bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes im zur Zl. Ra 2020/12/0068 anhängigen Verfahren aus.

15. Mit Beschluss vom 18.10.2021, EU 2021/0005, 0006, (Ra 2020/12/0068, 0077) legte der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union bestimmte Fragen (betreffend die Rechtslage nach der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58, und der Dienstrechts-Novelle 2020, BGBl. I Nr. 153) zur Vorabentscheidung vor.

16. Der Gerichtshof der Europäischen Union antwortete mit Urteil vom 20.04.2023, Landespolizeidirektion Niederösterreich und Finanzamt Österreich, C-650/21, auf die vom Verwaltungsgerichtshof gestellten Fragen dahingehend, dass die Gleichbehandlungs-Richtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der die Einstufung eines Beamten auf der Grundlage seines Besoldungsdienstalters in einem alten Besoldungssystem erfolgt, das für diskriminierend befunden wurde, weil dieses System für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nur die Berücksichtigung der anrechenbaren Vordienstzeiten erlaubte, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegt wurden und damit vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte Vordienstzeiten ausschloss, soweit diese Regelung eine Korrektur der ursprünglich ermittelten anrechenbaren Vordienstzeiten durch Ermittlung eines Vergleichsstichtags vorsieht, bei dem für die Zwecke der Bestimmung des Besoldungsdienstalters nunmehr vor Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegte anrechenbare Vordienstzeiten berücksichtigt werden, wenn zum einen hinsichtlich der nach dem 18. Geburtstag zurückgelegten Zeiten nur die zur Hälfte zu berücksichtigenden „sonstigen Zeiten“ berücksichtigt werden und zum anderen diese „sonstigen Zeiten“ von drei auf sieben Jahre erhöht werden, jedoch nur insoweit berücksichtigt werden, als sie vier Jahre übersteigen (1.). Der Grundsatz der Gleichbehandlung und der Grundsatz der Rechtssicherheit (Art. 20 Grundrechtecharta) sind laut Gerichtshof der Europäischen Union dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung entgegenstehen, die für Beamte, bei denen am Tag der Kundmachung einer Gesetzesänderung des Besoldungssystems ein Verfahren zur Neufestsetzung ihrer besoldungsrechtlichen Stellung anhängig war, vorsieht, dass die Bezüge nach den neuen Bestimmungen über den Vergleichsstichtag neu ermittelt werden, so dass eine Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt wird, wohingegen eine solche Ermittlung nicht für Beamte vorgenommen wird, bei denen ein zuvor eingeleitetes Verfahren mit gleichem Gegenstand bereits durch eine rechtskräftige Entscheidung abgeschlossen war, die auf einem Stichtag beruht, der nach dem alten Besoldungssystem, dessen vom nationalen Richter für diskriminierend befundene Bestimmungen in unmittelbarer Anwendung des unionsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung unangewendet blieben, günstiger festgesetzt wurde (2.).

17. Der Verwaltungsgerichtshof entschied mit Erkenntnis vom 18.07.2023, Ra 2020/12/0068, in der o.a. Rechtssache über die Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters unter Bezugnahme auf das angeführte Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Union dahingehend, dass die vom Gesetzgeber mit der 2. Dienstrechts-Novelle 2019 gewählte Methode der Anknüpfung am altersdiskriminierend ermittelten Besoldungsdienstalter für die Neufestsetzung des Besoldungsdienstalters die Diskriminierung wegen des Alters nicht beseitigt hat. Dabei wies der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht allfällige Tatsachen, aus denen sich Gründe für eine Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung ergäben, nach Erörterung mit den Parteien festzustellen hat.

18. Das Bundesverwaltungsgericht gab der Behörde nach Fortsetzung des Verfahrens mit Schreiben vom 14.08.2023 Gelegenheit, solche allfälligen Rechtfertigungsgründe binnen vier Wochen anzuführen.

19. Die Behörde brachte dazu mit Schreiben vom 04.09.2023 eine Stellungnahme ein.

20. Die beschwerdeführende Partei nahm nach Übermittlung dieses Schreibens durch das Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 04.10.2023 im Wege ihres Rechtsvertreters dazu Stellung.

21. Mit BGBl. I Nr. 137/2023 (Inkrafttreten mit 16.11.2023) änderte der Gesetzgeber die gesetzlichen Bestimmungen der §§ 169f und 169g GehG.

22. Mit Beschluss vom 09.02.2024, Zl. W128 2174187-1/12E, hob das Bundesverwaltungsgericht den Spruchpunkt II. des Bescheides vom 07.09.2017 auf und verwies die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurück.

23. Mit dem im Spruch genannten Bescheid setzte die Behörde im fortgesetzten Verfahren das Besoldungsdienstalter der beschwerdeführenden Partei zum Ablauf des 28.02.2015 gemäß § 169f Abs. 3 und 4 GehG (Erhöhung um 0 Tage) fest.

24. Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei im Wege ihres Rechtsvertreters fristgerecht Beschwerde.

25. Diese Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht samt dem Bezug habenden Verwaltungsakt von der Behörde mit Schreiben vom 04.07.2024 vorgelegt und im vorliegenden Verfahren zur Zl. W246 2174187-2 protokolliert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Zu A) Aussetzung des Verfahrens:

1. Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 77/2023, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da eine Senatsentscheidung in den einschlägigen Bundesgesetzen nicht vorgesehen ist, liegt im vorliegenden Verfahren Einzelrichterzuständigkeit vor.

Nach § 34 Abs. 3 erster Absatz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 147/2024, (in der Folge: VwGVG) kann das Verwaltungsgericht ein Verfahren über eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschluss aussetzen, wenn

1. vom Verwaltungsgericht in einer erheblichen Anzahl von anhängigen oder in naher Zukunft zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist und gleichzeitig beim Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren über eine Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss eines Verwaltungsgerichtes anhängig ist, in welchem dieselbe Rechtsfrage zu lösen ist, und

2. eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Lösung dieser Rechtsfrage fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Gleichzeitig hat das Verwaltungsgericht dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 3 zweiter Absatz VwGVG das Aussetzen des Verfahrens unter Bezeichnung des beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Verfahrens mitzuteilen. Eine solche Mitteilung hat zu entfallen, wenn das Verwaltungsgericht in der Mitteilung ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu bezeichnen hätte, das es in einer früheren Mitteilung schon einmal bezeichnet hat. Mit der Zustellung des Erkenntnisses oder Beschlusses des Verwaltungsgerichtshofes an das Verwaltungsgericht gemäß § 44 Abs. 2 VwGG ist das Verfahren fortzusetzen. Das Verwaltungsgericht hat den Parteien die Fortsetzung des Verfahrens mitzuteilen.

2. Aus den Erläuterungen zu § 34 VwGVG geht hervor, dass ein Verfahren ausgesetzt werden kann, wenn bei einem Verwaltungsgericht in einer erheblichen Zahl von anhängigen oder zu erwartenden Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen ist, die in einem – gleichzeitig anhängigen – Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof zu lösen ist. Zweck dieser Bestimmung ist es daher, aus Gründen der Prozessökonomie zu vermeiden, dass die gleiche Rechtsfrage nebeneinander in mehreren Verfahren erörtert werden muss. Die Aussetzung soll eine Maßnahme der Vereinfachung des Verfahrens sein und auch die Parteien vor der Einbringung unnötiger Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof bewahren (s. RV 2009 BlgNR 24. GP, 8).

Wenn daher ein Verwaltungsgericht, während vor dem Verwaltungsgerichtshof ein Verfahren zur Klärung einer bestimmten Rechtsfrage anhängig ist, Verfahren, bei denen die gleichen Rechtsfragen strittig sind, aussetzt (und nicht durch Erlassung weiterer Entscheidungen mehrfache Revisionen an den Verwaltungsgerichtshof „verursacht“), dient die Aussetzung auch Parteiinteressen (Wegfall des Kostenrisikos in Bezug auf allfällig zu ergreifende Rechtsmittel an den Verwaltungsgerichtshof) sowie letztlich auch der Entlastung des Verwaltungsgerichtshofes.

Durch die Aussetzung eines Verfahrens soll die Funktionsfähigkeit des Verwaltungsgerichtes bei einer großen Zahl gleichgelagerter Beschwerden gewährleistet sein, indem auf einen beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen „leading case“ gewartet und so dessen Rechtsansicht eingeholt werden kann. Darüber hinaus wird der Verwaltungsgerichtshof selbst vor einer potentiell massenhaften Revisionseinbringung geschützt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, 2018, Anm. 14 zu § 34 VwGVG).

3. Beim Bundesverwaltungsgericht sind aktuell bereits über 80 gleichgelagerte Verfahren zur Klärung derselben Rechtsfrage anhängig. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem Verfahren bereits entsprechend der aktuellen Rechtslage entschieden (BVwG 31.07.2024, Zl. W122 2287930-1/5E). Beim Verwaltungsgerichtshof sind zu diesem Erkenntnis die im Spruch genannten Verfahren, denen dieselbe Rechtsfrage wie dem hier vorliegenden Verfahren (konkret die Frage der Unionsrechtskonformität der nunmehr in Kraft stehenden Bestimmungen betreffend die Festsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung) zugrunde liegt, anhängig. Eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bezüglich dieser Rechtsfrage, deren Klärung auch für das vorliegende Verfahren relevant ist, liegt bisher nicht vor.

Die Voraussetzungen für die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 34 Abs. 3 VwGVG sind daher gegeben. Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig.

Rückverweise