Spruch
W173 2296009-1/13Z
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia STIEFELMEYER sowie der fachkundigen Laienrichterin Verena KNOGLER, BA, MA als Beisitzerin im Beschwerdeverfahren XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX , vom 08.04.2024, OB: XXXX , betreffend Neufestsetzung des Grades der Behinderung zu Recht erkannt:
A)
Der Bescheid vom 08.04.2024, OB: XXXX , wird wegen Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung vom 25.07.2023, beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen eingelangt am 27.07.2023, ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I.Verfahrensgang:
1. Herr XXXX (in der Folge BF), geb. am XXXX , ist im Besitz eines bis 31.07.2025 befristeten Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 60% mit der Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“.
2. Am 18.05.2022 beantragte der BF beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (in der Folge belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO in Verbindung mit der Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“.
2.1. Die belangte Behörde stützte sich auf das bereits eingeholte Gutachten vom 25.04.2022, wonach ihm die Benützung öffentlichen Verkehrsmittel zumutbar sei. Nach Einwendungen des BF gegen das genannte Gutachten wurde von der belangten Behörde eine ergänzende Stellungnahme von der bereits befassten Sachverständigen Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, eingeholt. In diesem wurde das Vorliegen der Voraussetzungen für die genannte Zusatzeintragung auf Grund des Gesundheitszustandes des BF verneint.
2.2. Mit Bescheid vom 27.06.2022 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ abgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde des BF wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 06.09.2022, W200 2258289-1/4E abgewiesen.
3. Mit 25.07.2023 datiertem Anträgen begehrte der BF die „Erhöhung des Grades der Behinderung“ und damit die Neufestsetzung seines Grades der Behinderung sowie die Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO in Verbindung mit der Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“. Diese langten bei der belangten Behörde am 27.07.2023 ein.
3.1. Die belangte Behörde holte ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, ein. Dieser führte in seinem Gutachten vom 20.11.2023, das auf einer persönlichen Untersuchung des BF am 17.10.2023 beruhte, auszugsweise Nachfolgendes aus:
„…………………….. Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird durch 2 um 1 Stufe erhöht, da maßgebliches Zusatzleiden. Leiden 3 erhöht mangels relevanter ungünstiger Leidensbeeinflussung nicht weiter. Leiden 4 erhöht nicht weiter, da von zu geringer funktioneller Relevanz.
…………..
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: Neuaufnahme von Leiden 2
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten:
Anhebung um 1 Stufe
X Nachuntersuchung 10/2025 – Besserung von Leiden 1 möglich (NTX)
…………
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Die medizinischen Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ werden nicht erfüllt, da keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten und der Wirbelsäule bei bestehenden degenerativen Abnützungen vorliegen, welche die selbstständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Die Gesamtmobilität ist - allenfalls unter Verwendung einfacher, zweckmäßiger Hilfsmittel - nicht wesentlich eingeschränkt, Kraft und Koordination sind ausreichend, relevante motorische Defizite liegen nicht vor. Es besteht normaler Allgemein- und sehr guter Ernährungszustand. Im Bereich der oberen Extremitäten liegen keine höhergradigen Funktionseinschränkungen vor, das Erreichen von Haltegriffen und das Festhalten ist nicht wesentlich eingeschränkt. Es liegt auch keine maßgebliche Einschränkung der kardiorespiratorischen Leistungsreserven vor, kognitive Funktionen sind in ausreichendem Maße erhalten.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
nein
…………………“
3.2. Im Rahmen des zum Gutachten von Dr. XXXX vom 12.12.2023 eingeräumten Parteiengehörs legt der BF weiterer medizinischer Unterlagen vor.
3.3. Die belangte Behörde holte ein ergänzendes Gutachten von Dr. XXXX ein. Der genannte Gutachter stellte in seiner Stellungnahme vom 03.04.2024 keine Abweichung von bisherigen Gutachten fest.
3.4. Mit Schreiben vom 04.04.2024, OB XXXX , kündigte die belangte Behörde die Ausstellung eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 70% und mit den Zusatzeintragungen „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs.1 zweiter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“, „Der Inhaber/in kann die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen“ an. Der Behindertenpass werde mit 31.01.2026 befristet ausgestellt. Der Behindertenpass werde in den nächsten Tagen übermittelt.
3.5. Mit Schreiben vom 08.04.2024, OB XXXX , wurde dem BF der angekündigte Behindertenpass übermittelt. Dieses Schreiben umfasste auch eine Rechtsmittelbelehrung.
3.6. Mit 07.05.2024 datiertem Schreiben, eingelangt bei der belangten Behörde am 10.05.2024, erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 08.04.2024, der ihm am 12.04.2024 übermittelt worden sei. Er brachte darin vor, der Gutachter habe seine medizinischen Unterlagen nicht hinreichend gewürdigt. Es sei kein Gutachter aus dem Bereich der Inneren Medizin eingeholt worden. Sein Zustand habe sich in der Zwischenzeit verändert. Dazu habe er medizinische Befunde angeschlossen. Mit Bescheid vom 11.04.2024 sei ihm die Pflegestufe 2 zuerkannt worden. Das diesbezügliche Gutachten sei angeschlossen. Es sei ihm ein höherer Grad der Behinderung zuzuerkennen und die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung“ zu gewähren.
3.7. Die belangte Behörde holte ein weiteres Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Fachärztin für Inneren Medizin, ein. Sie ermittelte in ihrem Gutachten vom 28.06.2024 basierend auf einer persönlichen Untersuchung des BF einen Grad der Behinderung von 70%. Sie führte in ihrem Gutachten auszugsweise Nachfolgendes aus: „……………….
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Das führende Leiden 1 wird durch Leiden 2 wegen maßgeblicher ungünstiger Leidensbeeinflussung um eine Stufe erhöht, die Leiden 3-5 erhöhen den GdB nicht weiter, nicht weiter, da diese von geringer funktioneller Relevanz sind.
…………..
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten: erstmalige Berücksichtigung von Leiden 5
Änderung des Gesamtgrades der Behinderung im Vergleich zu Vorgutachten: siehe oben, insgesamt keiner Änderung des GdB
X Nachuntersuchung 10/2025 – Besserung von Leiden 1 möglich
…………
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Keine. ES besteht eine chronische Niereninsuffizienz unter Peritonealdialyse, aus internistischer Sicht mit Option auf Wechsel zur Hämodialyse bei Überwässerung. Eine maßgebliche Herzinsuffizienz als Ursache der Überwässerung ist nicht befundbelegt, siehe Echokardiografie aus 2023 mit guter Linksventrikelfunktion. Ebenso ist der AW befundbelegt zur Nierentransplantation gelistet, welches einen ausreichend guten Allgemeinzustand erfordert, sodass eine erhebliche Erschwernis beim Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke sowie bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bei hierorts guten Allgemein- und Ernährungszustand sowie freiem und ausreichende trittsicherem Gangbild, nicht begründbar ist.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten?
Nein.
…………………“
3.8. Das Gutachten vom 28.06.2024 wurde dem Parteiengehör unterzogen. Der BF legte weitere medizinische Unterlagen in seiner Stellungnahme vom 11.07.2024 vor. Er hielt dem Gutachten die Stellungnahme des XXXX vom 06.06.2024 entgegen, wonach auf Grund seiner chron. Dialysepflichtigen Niereninsuffizienz und damit assoziierten Komorbiditäten, er nicht in der körperlichen Verfassung sei, selbstständig öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.
4. Am 22.07.2024 legt die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.
4.1. Das Bundesverwaltungsgericht holte ein weiteres Sachverständigengutachten ein. Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, führte auf Basis einer persönlichen Untersuchung des BF in seinem Gutachten vom 20.11.2024 aus, dass sich auch unter Berücksichtigung der nachgereichten Befunde keine Änderungen zum nun vorliegenden Gutachten ergeben würden.
4.2. Das Gutachten von Dr. XXXX vom 20.11.2024 wurde dem Parteiengehör unterzogen. Der BF sah von einer Stellungnahme ab.
4.3. Mit Schreiben vom 16.01.2025 zog der BF seinen Antrag auf Erhöhung des Grades der Behinderung (Neufestsetzung des Grades der Behinderung) samt seinem Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO zurück. Gleichzeitig beantragte er die ersatzlose Behebung des angefochtenen Bescheides der belangten Behörde vom 08.04.2024, OB XXXX . Die belangte Behörde sei ebenfalls darüber informiert worden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen und Beweiswürdigung:
Der Sachverhalt ergibt sich aus der Schilderung des Verfahrensgangs und ist unbestritten. Er basiert auf dem vorliegenden Verwaltungsakt und Gerichtsakt.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
2.1. Zu Spruchpunkt A
Wie sich aus den Bestimmungen der §§ 11 und 17 VwGVG ergibt, sind für die gegenständliche Sachverhaltskonstellation die Bestimmungen des AVG maßgebend.
Gemäß § 13 Abs. 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Eine Zurückziehung des für den angefochtenen Bescheid maßgeblichen verfahrensleitenden Antrag (Antrag vom 04.05.2023) ist damit auch noch während des laufenden Verfahrens verwaltungsgerichtlichen Verfahrens zum angefochtenen Bescheid zulässig (vgl dazu VwGH 25.07.2013, 2013/07/0099). Im Fall der Zurückziehung dieses verfahrensleitenden Antrages vom 27.07.2023 ist der dazu ergangene angefochtene Bescheid vom 08.04.2024, OB XXXX , ersatzlos aufzuheben [vgl dazu VwGH 16.12.1993, 93/01/0009, 29.03.2001, 2000/20/0473, ebenso Hengstschläger/Leeb, AVG I (2.Ausgabe 2014) E 13 Rz 41]. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
2.2. Zu Spruchpunkt B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Es fehlt auch nicht an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.