Spruch
W137 2273547-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch den Verein SUARA, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.04.2023, Zl. 1303874805/221204663, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.12.2023, 11.11.2024 und 02.01.2025 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (im Folgenden AsylG) als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste schlepperunterstützt und unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 12.04.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 12.04.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt. Der Beschwerdeführer brachte dabei vor, syrischer Staatsangehöriger sunnitischen Glaubens zu sein und der Volksgruppe der Araber anzugehören. Er stamme aus der Provinz Idlib, sei verheiratet, habe zwei Söhne, habe in Syrien die Grundschule besucht, sei von 2011 bis 2021 in Saudi-Arabien aufhältig gewesen und habe zuletzt ein Jahr in der Türkei gelebt. Von Beruf sei er Arbeiter. Seine Mutter, sein Vater, seine Ehefrau, die beiden gemeinsamen Söhne, vier Brüder und eine Schwester würden derzeit in der Türkei leben. In Syrien habe er keine weiteren Verwandten mehr. Zum Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, in Syrien herrsche Krieg und sei seine Heimatregion unter Beschuss. Sein Sohn leide an einer Herzkrankheit und benötige medizinische Hilfe. Er wolle ein sicheres Leben für seine Familie und drohe ihm die Einziehung zum Reservewehrdienst. Er wolle auf keinen Fall kämpfen.
3. Am 03.04.2023 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch niederschriftlich zu seinem Antrag auf internationalen Schutz einvernommen. Dabei gab er an, syrischer Staatsangehöriger zu sein und der Volksgruppe der Araber sowie der sunnitischen Glaubensrichtung anzugehören. Er sei im Dorf XXXX , Provinz Idlib, geboren, habe sich dort die ersten sechs Lebensjahre aufgehalten, sei im Anschluss für drei Jahre in XXXX , zwei Jahre in XXXX und 14 Jahre in Damaskus-Stadt wohnhaft gewesen, bis er im September oder Oktober 2011 Syrien legal mit dem Flugzeug nach Saudi-Arabien verlassen habe. Seine Ehe sei am Valentinstag im Jahr 2017 geschlossen worden und habe er gemeinsam mit seiner Ehefrau bis 2021 in Saudi-Arabien und im Anschluss bis 02.04.2022 in der Türkei gelebt. Er habe in Syrien neun Jahre die Grundschule besucht, sei in Saudi-Arabien der Tätigkeit eines Baumeisters nachgegangen und habe in der Türkei ausschließlich von seinen Ersparnissen gelebt. Seine gesamte Familie lebe (mit Ausnahme eines Bruders, welcher in Österreich aufhältig sei) in der Türkei. In Syrien habe er keine weiteren Angehörigen.
Zum Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, er habe den syrischen Militärdienst von 2005 bis 2007 als Kraftfahrer abgeleistet, sei jedoch aus Furcht vor dem Reservewehrdienst aus Syrien geflohen. Er habe keinen Einberufungsbefehl erhalten, jedoch sei das Haus seiner Familie in Damaskus durch das syrische Regime besetzt worden. Ein Kamerad, welcher im Jahr 2014 nach Syrien zurückgekehrt sei, sei verschwunden. Er werde von den syrischen Behörden gesucht und habe mit diesen bereits in der Vergangenheit Probleme gehabt, da er unmittelbar nach der Ableistung seines Wehrdienstes keinen Reisepass ausgestellt bekommen habe. Im Fall einer Rückkehr befürchte er inhaftiert und eingezogen zu werden. Einen Freikauf von der Reservewehrpflicht und die Unterstützung des Regimes lehne er grundsätzlich ab.
4. Mit dem nunmehr angefochtenen – im Spruch bezeichneten – Bescheid des Bundesamtes wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 100/2005 abgewiesen und ihm der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde ihm allerdings gemäß § 8 Abs. 1 leg.cit der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 leg.cit für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seinen Wehrdienst beim syrischen Regime bereits abgeleistet und keinen Einberufungsbefehl zum Reservewehrdienst erhalten. Er habe Syrien wegen der allgemeinen Sicherheitslage verlassen und sei es ihm möglich gewesen, aus seinem Heimatstaat legal mit dem Flugzeug nach Saudi-Arabien auszureisen und es daher unwahrscheinlich, dass eine Einziehung zum Reservewehrdienst durch das syrische Regime stattfinden würde. Der Beschwerdeführer habe beim syrischen Militär als einfacher Kraftfahrer seinen Wehrdienst versehen und innerhalb von 2 Jahren abgeleistet. Es würden grundsätzlich nur Personen unter 27 Jahren eingezogen. Zudem habe er von den syrischen Behörden einen Reisepass mit sechs Jahren Gültigkeit erhalten. Weiters habe der Beschwerdeführer mehrere sicherer Staaten durchquert und dort keine Zuflucht gesucht.
5. In der gegen den Spruchpunkt I. dieses Bescheides rechtzeitig eingebrachten Beschwerde führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, ihm drohe eine Zwangsrekrutierung zum Reservewehrdienst durch das syrische Regime, weil es nach den Länderinformationen unter Rekrutierungsdruck stehe. Aufgrund einer Reflexverfolgung werde dem Beschwerdeführer zusätzlich eine oppositionelle Gesinnung unterstellt, da drei seiner Brüder zum Zeitpunkt der Unruhen für das syrische Regime gearbeitet hätten und diese Syrien in den Jahren 2012 und 2013 illegal verlassen hätten. Außerdem werde er im Rahmen der Wehrpflicht dazu gezwungen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen und würden Rückkehrer, aufgrund einer Asylantragstellung im Ausland, verfolgt. Aus diesen Gründen drohe dem Beschwerdeführer eine asylrelevante Verfolgung.
6. Das Bundesamt legte die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
Mit Stellungnahme seines damaligen Vertreters vom 21.08.2023 nahm der Beschwerdeführer zu den aktuellen Länderinformationen Stellung und legte eine Kopie einer übersetzten Verständigungsnotiz zur Einberufung zum syrischen Reservewehrdienst betreffend seine eigene Person vom 01.09.2014 vor.
Mit Ladung zur Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung vom 01.12.2023 war durch das Bundesverwaltungsgericht die neueste Version des Länderinformationsblatts der Staatendokumentation in das Verfahren eingebracht worden.
7. Am 29.12.2023 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seiner Rechtsvertretung und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durch. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Einleitend gab der Beschwerdeführer an, dass bei ihm keine Hindernisgründe oder chronischen Krankheiten und Leiden vorlägen. Er sei in der Lage, der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.
Zum Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer an, dass in der Türkei seine gesamte Familie (inklusive seiner Ehefrau und den beiden Kindern) leben würde. Seine in der Türkei aufhältigen Brüder XXXX seien 39 sowie 42 Jahre alt. Sie hätten statt dem syrischen Wehrdienst freiwillig bei den Sicherheitskräften gearbeitet. Dies treffe auch auf seinen Bruder XXXX zu, welcher sich in Österreich aufhalte. Bis 2011 habe es keine Probleme mit dem syrischen Regime gegeben. Seine Brüder XXXX seien jedoch Ende 2014 und XXXX Ende 2012 vom syrischen Sicherheitsdienst desertiert. Diese hätten ihm berichtet, dass jeder – unabhängig vom Alter – zum Reservewehrdienst eingezogen werde. Einer seiner Brüder habe die in der Stellungnahme vom 21.08.2023 erwähnte Verständigungsnotiz vor ca. zwei Monaten auf einem USB-Stick zufällig gefunden. Außerdem sei seine Einheit (die vierte Division), bei welcher er als Kraftfahrer gedient und eine Spezialausbildung an der Waffe erhalten habe, für die meisten Morde in Syrien verantwortlich. Die Reisepässe für ihn und seine Kinder habe er über einen Anwalt ausstellen lassen. Seine Brüder XXXX seien bei der Polizei tätig gewesen (Kriminalpolizei, Luftverteidigung und Straßenverkehr). Keiner seiner Brüder habe eine Universität besucht. Auch sein Vater sei früher beim Sicherheitsdienst tätig gewesen.
8. Mit Stellungnahme vom 26.01.2024 (OZ 9) übermittelte der Beschwerdeführer die Beweismittel betreffend die Polizeidienste seiner Brüder, Fotos seiner Brüder in Polizeiuniformen, deren Dienstausweise sowie eine Bestätigung des UNHCR Türkei, betreffend seinen Bruder XXXX . In den Unterlagen enthalten war auch ein Gerichtsbeschluss eines Gerichts in Damaskus, wonach die Brüder XXXX der Generalamnestie vom 09.06.2014 unterfallen und die Anklage gegen sie fallen gelassen werde.
Mit Stellungnahme seines nunmehrigen Vertreters 09.04.2024 nahm der Beschwerdeführer Stellung zu einer neuen Version der Länderinformationen betreffend Syrien. Diese Stellungnahme beschränkt sich im Endeffekt auf eine knappe halbe Seite und führt aus, dass sich aus den Länderinformationen (zwei Seiten Zitate) ergebe, dass Rückkehrer mit willkürlichen Menschenrechtsverletzungen und Verhaftungen rechnen müssten. Wer das Land verlassen habe, werde als Verräter angesehen. Sie würden eine soziale Gruppe darstellen, die zielgerichtet von Verfolgungshandlungen betroffen sei.
9. Am 11.11.2024 setzte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Rechtsvertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch fort. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.
Zum Fluchtgrund befragt gab der Beschwerdeführer ergänzend an, dass seine Brüder XXXX in Syrien im Jahr 2014 verhaftet worden seien. Diese seien aufgrund des Bekanntwerdens der Desertion des dritten Bruders ( XXXX ) sowie der Verschleierung dieser Desertion strafrechtlich verfolgt worden. Aufgrund einer Generalamnestie seinen jedoch alle Vorwürfe gegen diese Brüder fallgengelassen worden. Dies zeige der übersetzte und vorgelegte Beschluss eines syrischen Strafgerichtes. Er sehe sich jedoch nach wie vor einer Reflexverfolgung betreffend seinen Bruder XXXX ausgesetzt, da ja seine Brüder zumindest kurzfristig verhaftet worden seien. Zudem gelte die Region Idlib als oppositionelles Gebiet. Während seiner Zeit in Saudi-Arabien habe er zudem wöchentlich an regimekritischen Zusammenkünften teilgenommen. An Demonstrationen habe er nicht teilgenommen, weil diese in Saudi-Arabien nicht zulässig seien. Abschließend würde ihm aufgrund seiner Eigenschaft als Sunnit in seiner schiitischen Herkunftsregion in der Nähe von Idlib eine asylrelevante Verfolgung drohen.
9. Nach dem Sturz des Assad-Regimes übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer aktualisierte Feststellungen betreffend die Situation in Syrien (Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024) und forderte ihn zur Stellungnahme auf, da sein bisheriges Verfolgungsvorbringen offenbar weggefallen sei.
In einer schriftlichen Stellungnahme vom 26.12.2024 wurde bestätigt, dass die Furcht vor einer Festnahme wegen Desertion weggefallen sei. Neu wurde allerdings vorgebracht, dass aufgrund von Kämpfen zwischen der HTS und ehemaligen Polizisten der in Österreich lebende Bruder des Beschwerdeführers als ehemaliger Polizist gefährdet sei. Zudem seien Mitglieder seiner Familie auch in höheren Positionen bei den Sicherheitsbehörden beschäftigt (gewesen) und würden öffentlich an den Pranger gestellt. Es existiere auch ein Video, dass mehrere festgenommene Familienmitglieder zeige.
10. Am 02.01.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Verhandlung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, seines Vertreters und einer Dolmetscherin für die Sprache Arabisch durch. Die belangte Behörde verzichtete schriftlich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung. Einleitend gab der Beschwerdeführer an, dass bei ihm keine Hinderungsgründe oder chronischen Krankheiten und Leiden vorlägen. Er sei in der Lage, der Verhandlung in vollem Umfang zu folgen.
Vorgelegt wurden zwei Artikel von online-Medien in englischer Sprache, betreffend Inhaftierungen von Personen, denen Kollaboration mit dem Assad-Regime vorgeworfen wird.
Einleitend erwähnte der Beschwerdeführer die Tätigkeit eines Großteils seiner Verwandtschaft für das Assad-Regime. Die Häuser seiner Familie sei nach dem Machtwechsel in Idlib von oppositionellen Dorfbewohnern beschlagnahmt worden. Man habe im Rahmen einer „Kollektivstrafe gegen den ganzen Clan“ die gesamte Familie „aus dem Dorf rausgeworfen“. Viele dieser Dorfbewohner seien HTS-Mitglieder. Diese seien auch nach dem Sturz des Assad-Regimes nach Damaskus gekommen, um nach Angehörigen seiner Familie zu suchen. Das sei auch auf dem Video zu sehen. Die aus Idlib vertriebenen Mitglieder seiner Familie hätten sich dann in Damaskus in der Nähe von Verwandten angesiedelt.
Auf Nachfrage erklärte der Beschwerdeführer, er habe in der letzten Verhandlung „kaum eine Möglichkeit gehabt, über meine Familie zu sprechen“. Vielmehr sei es ihm „nicht möglich“ gewesen, „über diese Missstände zu sprechen oder sie überhaupt zu erwähnen“.
Die Befragung zu den am 26.12.2024 vorgelegten Beweismitteln verlief wie folgt:
„RI: Wer ist XXXX ? Was können Sie mir über ihn erzählen?
BF: Er ist mein Bruder. Oder meinen Sie einen anderen?
RI: Wie viele andere gibt es?
BF: Ich kenne persönlich drei.
RI: Was haben die drei beruflich gemacht?
BF: Vor der Revolution bzw. zu Beginn der Revolution gab es Familienbesucher mit diesem XXXX , den Sie wahrscheinlich meinen, der beim Sicherheitsapparat des Assad-Regimes in Idlib gearbeitet hat. Ich glaube er ist später entweder nach Hama oder Damaskus umgezogen. Ich möchte auch hier hervorheben, dass ich Syrien im Jahr 2011 Richtung Saudi-Arabien verlassen habe. Die Informationen, die ich jetzt erwähne, betreffen entweder die Zeit davor oder Erzählungen meiner Eltern.
RI: Dieser Verwandte aus Idlib, können Sie sich erinnern, wann Sie das letzte Mal mit ihm Kontakt hatten?
BF: Ich möchte hier auch erklären, dass wir (die einzelnen Familien) als Clan immer in der Nähe von einander gewohnt haben. Ich war das letzte Mal im Jahr 2010 in Idlib und ich vermute, dass ich eventuell mit seinen Kindern auf der Straße gespielt haben könnte.
RI: Sie haben vorher das Video angesprochen, was auch Ihr Vertreter angesprochen hat. Hat Ihnen Ihr Vertreter das Video gezeigt oder haben Sie das beschafft?
BF: Unsere Familie hat eine WhatsApp Gruppe und dieses Video wurde von einem meiner Brüder in die Gruppe gestellt.
RI: Von einem der Brüder die in der Türkei leben?
BF: Ja.
RI: Und Sie haben es Ihrem Vertreter weitergeleitet?
BF: Ja.
RI: Wissen Sie aus welcher Quelle das Video stammt?
BF: Nein.
RI: Aber es ist jedenfalls kein Beitrag aus einer Nachrichtensendung oder einem anderen Medium?
BF: Momentan sind unzählige Facebook und Telegramm Kanäle aktiv, die auch Videos veröffentlichen. Abgesehen davon sieht man auf diesem Video ausschließlich Zivilisten, wie sie Represalien ausgesetzt sind. Ich denke es gehört zu haben, dass am Anfang des Videos von Schlachten oder Schächten zu hören ist. Das könnte mit unter ein Grund sein, dass die HTS dies nicht offiziell veröffentlicht.
RI: Abseits Ihres Namens- bzw. der Verbindung Ihrer Familie mit dem syrischen Sicherheitssystem in der Vergangenheit, hätten Sie mit den aktuellen Machthabern in Syrien - also der HTS – irgendwelche konkreten Probleme, die in Ihrer Person unmittelbar liegen?
BF: Ja, es gab im Jahr 2016 einen Anruf eines gewissen XXXX , einer der Funktionäre des Milizes aus unserem Heimatdorf aktiv war. Er forderte sowohl von mir, als auch von meinem Bruder XXXX , zu dem Zeitpunkt als wir beide in Saudi-Arabien lebten Geld (rund 4.000 USD) für die Miliz Ritter des Berges, welche hauptsächlich aus Bewohnern unseres Heimatdorfes bestand, und drohte uns sonst, dass wir zukünftig keinen Fuß in unser Heimatdorf mehr setzen dürften. Diese Drohung wiederholte sich im Jahr 2021. Wir lehnten die Geldzahlung ab. Ich vermute, dass er durch seinen Bruder, der auch in Saudi-Arabien lebte, Informationen über unsere finanzielle Lage hat. An den Namen des Bruders kann ich mich nicht genau erinnern. Er hat einen Alias-Namen, XXXX .
RI: Diese Problematik konnten Sie bisher auch nicht in Ihrem Verfahren vorbringen. Was sagen Sie dazu?
BF: Ich habe mich immer bemüht, auf jede Frage die mir gestellt wurde, eine Antwort zu geben.
RI: Woher beziehen Sie Ihre Informationen bezüglich der Verfolgung von Familienangehörigen bzw. Clanangehörigen in Damaskus?
BF: Über meinen Cousin XXXX der in Saudi-Arabien lebt. Er steht in sehr engem Kontakt mit meinem Bruder XXXX der auch in Saudi-Arabien lebt und auch manchmal über seinen Bruder XXXX .“
Auf den Wunsch des Vertreters hin, gemeinsam mit dem Beschwerdeführer das von ihm selbst vorgelegte Video anzusehen, damit dieser dazu Angaben machen könne, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, diese Angaben gleich zu machen, da er das Beweismittel ohnehin kenne. Die diesbezügliche Befragung (so wie im Anschluss zu einem ebenfalls am 26.12.2024 vorgelegten Screenshot) verlief wie folgt:
„RI: Sie haben dieses Video bereits gesehen, machen Sie dazu bitte die entsprechenden Angaben.
BF: Dieses Video wurde höchstwahrscheinlich in Damaskus gedreht, wo auch die Personen leben. Ich habe das Video vor ca. zwei Wochen das erste Mal gesehen und habe des dementsprechend an meinen Vertreter weitergeleitet. Ich weiß nicht, wer dieses Video gedreht hat. Die Personen auf dem Video sind XXXX , sein Bruder XXXX und dessen Sohn XXXX . XXXX und XXXX sind die Cousins meines Vaters.
RI: Was haben diese Personen beruflich gemacht?
BF: XXXX hatte bis 2011 an einem Bahnhof als Angestellter gearbeitet, sein Bruder XXXX war ein Zollbeamter und der Sohn XXXX war damals Schüler. Diese Informationen stammen aus der Zeit vor 2011.
RI: Wissen Sie wie alt die Personen heute sind?
BF: Ich glaube, dass XXXX drei bis vier Jahre älter als mein Vater ist. Sein Bruder dürfte im gleichen Alter wie mein Vater sein. Ich glaube, XXXX dürfte 16 oder 17 Jahre alt sein.
RI: Das Alter von XXXX ist nicht plausibel. Wenn er 2011 Schüler war, dann muss er heute jedenfalls wehrpflichtig gewesen sein.
BF: Diese Angabe ist sehr ungenau, es kann sein, dass er zu diesem Zeitpunkt nicht einmal im Kindergarten war. Diese Informationen, die ich Ihnen gegeben habe, beruhen auf meine Erinnerungen aus dem Jahre 2010.
RI: Sind in diesem Video konkrete Vorwürfe gegenüber den Personen zu hören?
BF: Nein. Man hört nur die Fragen woher sie kommen. Diese drei Personen sind seitdem verschollen und keiner weiß wo sie sind.
RI: Wer hätte über sie etwas herausfinden können, wenn niemand Ihrer Verwandtschaft mehr in Syrien ist?
BF: Das haben wir auch über den Cousin XXXX in Saudi-Arabien erfahren. Er steht sowohl selbst, als auch über seine Frau, die auch aus unserem Clan stammt, in Kontakt mit sowohl dem männlichen als auch weiblichen Ast unseres Clans.
RV: Kennen Sie die Person XXXX aus XXXX , die in der Eingabe vom 26.12.2024 erwähnt wird. Um wen handelt es sich und in welcher Beziehung stehen Sie zu ihm?
BF: Ich müsste den Namen lesen. Auf dem Bericht steht ein Name XXXX , den kenne ich nicht (nach Blick auf das Dokument auf dem Laptop seines Vertreters).
RI: Haben Sie diesen Nachruf beschafft oder war das der BF oder jemand anderer?
RV: Dies hat mir der BF bzw. die mit ihm gekommen Dolmetscherin übermittelt.
RI: Haben Sie diesen Nachruf dem RV übermittelt, kennen Sie ihn?
BF: Dieser XXXX wurde angeblich von einem XXXX umgebracht. Den kenne ich aber nicht. Das habe ich vorgelegt um zu beweisen, dass jeder XXXX für etwas verantwortlich gemacht werden kann. Ich möchte erwähnen, dass ich aus Meldungen von Zwischenfällen in Damaskus, die unsere Clan-Mitglieder betreffen, sehr viele Geschichten höre. Weit mehr als das, was ich Ihnen übermittelt habe. Ich versuche allerdings, die Zeit des Gerichts nicht zu strapazieren und beschränke mich nur auf Ihre Fragen.“
Abschließend gab der Beschwerdeführer an, in Syrien gebe es keine funktionierende Regierung, dafür Chaos und unkontrollierte Racheakte von früheren Regime-Opfern. Die Suche nach Schuldigen verlaufe unkoordiniert und außerhalb des Gesetzes.
Der Vertreter hob anschließend nochmals hervor, dass dem Bruder des Beschwerdeführers eine Tätigkeit als Spitzel für das Assad-Regime vorgeworfen werde und er deswegen eine berechtigte Furcht vor Verfolgungshandlungen seitens der HTS oder durch Familien von Regime-Opfern habe.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund der der Entscheidung zugrundeliegenden Akten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
1.1. Der Beschwerdeführer ist syrischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe und dem sunnitischen Glauben an. Er ist 38 Jahre alt, gesund und zum entscheidungsrelevanten Zeitpunkt im regulären (Reserve-)wehrdienstalter.
1.2. Der Beschwerdeführer ist im Dorf XXXX , Provinz Idlib, geboren, hat dort seine ersten sechs Lebensjahr verbracht, im Anschluss drei Jahre in XXXX , zwei Jahre in XXXX und (bis zu seiner Ausreise im Jahr 2011) 14 Jahre in Damaskus-Stadt gelebt. In dieser Zeit hat er auch den Wehrdienst abgeleistet. Im September bzw. Oktober 2011 hat er Syrien legal mit dem Flugzeug nach Saudi-Arabien verlassen. Der Beschwerdeführer hat in Syrien 9 Jahre die Grundschule besucht und war dort als Näher erwerbstätig. In Saudi-Arabien hielt er sich bis 2021 auf und arbeitete im Baugewerbe, während er in der Türkei (2021-2022) nicht erwerbstätig war. Die Tätigkeit in Saudi-Arabien erfasste vorrangig Montagearbeiten im Fassadenbereich sowie Malerarbeiten. Der Beschwerdeführer war allenfalls Vorarbeiter, aber gesichert nicht „Baumeister“.
Er ist im September bzw. Oktober 2011 auf dem Luftweg legal aus Syrien nach Saudi-Arabien ausgereist, wo er sich bis 2021 aufhielt und nach Aufenthalten in mehreren Drittländern (insbesondere ein Jahr in der Türkei) illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist. Die Kernfamilie verblieb in der Türkei. Die Heimatregion des Beschwerdeführers ist Damaskus samt Umland - sie unterliegt der Kontrolle der neuen, von der HTS dominierten Machthaber in Syrien.
1.3. Der Beschwerdeführer verfügt in der Türkei über seine Mutter, seinen Vater, seine Ehefrau, seine beiden Söhne, zwei Brüder ( XXXX 39 sowie 42 Jahre) und eine Schwester. Ein weiterer Bruder ( XXXX ca. 46 Jahre) pendelt zwischen Saudi-Arabien und der Türkei. Ein weiterer Bruder hält sich in Österreich auf ( XXXX , 45 Jahre). Mit seinen Familienmitgliedern in der Türkei hat er regelmäßig Kontakt. In Syrien hat er keine weiteren Verwandten. Am Valentinstag im Jahr 2017 hat der Beschwerdeführer seine Ehe in Saudi-Arabien geschlossen. Seine beiden Söhne sind in den Jahren 2018 und 2019 geboren. Er lebte mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern bis 2021 in Saudi-Arabien und bis zum 02.04.2022 in der Türkei.
Auch seine Eltern hielten sich zeitweilig in Saudi-Arabien auf, bevor sie in die Türkei reisten.
1.4. Seit seiner Antragstellung befindet sich der Beschwerdeführer auf Grundlage einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 sowie auf Grundlage einer befristeten Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet. Er bezieht seitdem regelmäßig Leistungen aus der Grundversorgung.
Der Beschwerdeführer absolviert in Österreich keine Ausbildung, er ging bzw. geht auch keiner Erwerbstätigkeit nach. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten und gesund.
1.5. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer im Wesentlichen mit der Gefahr der Verpflichtung zum Reservedienst durch die syrischen Behörden (samt deren zwangsweiser Durchsetzung) und einer Reflexverfolgung aufgrund von drei Brüdern, welche vom syrischen Sicherheitsdienst desertierten. Zudem habe er an regimekritischen Zusammenkünften in Saudi-Arabien teilgenommen und werde er in Idlib aufgrund seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit verfolgt. Der Wegfall der Verfolgungsgefahr im Kontext mit dem Regime wurde vom Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26.12.2024 auch bestätigt.
Der Beschwerdeführer hat in Syrien den verpflichtenden Wehrdienst von 2005 bis 2007, nach der Basisausbildung als Kraftfahrer, abgeleistet. Er war dabei nicht in einer Einheit („Vierte Division“) eingeteilt, die eine besondere Verbindung mit dem Regime Assad und/oder zu Menschenrechtsverletzungen aufweist. Er verfügt über keinerlei militärische oder paramilitärische Einsatzerfahrung und hat keine Spezialausbildung erhalten. Er hat Syrien im Jahr 2011 legal mit dem Flugzeug nach Saudi-Arabien verlassen und sich im Jahr 2018 seinen Reisepass bei den syrischen Behörden verlängern lassen. Dabei wurde ihm nichts von einer Einberufung zur Kenntnis gebracht. Später verließ er Saudi-Arabien legal mit diesem Pass.
Drei Brüder des Beschwerdeführers ( XXXX ) haben statt dem syrischen Wehrdienst eine Berufslaufbahn bei der Polizei eingeschlagen. Sein Bruder XXXX ist 2014 von der syrischen Polizei desertiert. In der Folge wurden die beiden anderen Brüder wegen versuchter Verschleierung der Desertion festgenommen – nach wenigen Monaten wurden alle strafrechtlichen Vorwürfe aufgrund einer Generalamnestie fallengelassen. Diese verließen Syrien im Jahr 2016.
Sämtliche Brüder und die Eltern des Beschwerdeführers haben sich bereits vor mehr als acht Jahren erkennbar vom Assad-Regime distanziert und Syrien verlassen.
1.6. Der Beschwerdeführer hat in den letzten mehr als 12 Jahren weder in Syrien gelebt, noch hat er zwischen 2010 und 2012 in Syrien in irgendeiner Form Handlungen gesetzt, die ihn für Dritte in unmittelbare Nähe zu Verbrechen des Assad-Regimes rücken können. Vielmehr könnte er den jahrelangen Auslandsaufenthalt und den Asylantrag im Falle einer – aktuell ohnehin nur theoretischen – Rückkehr nach Syrien problemlos belegen.
Die behaupteten nunmehrigen Vorwürfe einer Spitzeltätigkeit seines Bruders XXXX für das Assad-Regime durch syrische Staatsbürger in Österreich werden der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zu Grunde gelegt.
Der Beschwerdeführer kann mit keinen entfernten Verwandten (Trägern desselben Familiennamens), die bis zuletzt in Syrien verblieben sind und gegenüber dem Regime loyal waren in eine engere Verbindung gebracht werden. Die behauptete systematische Verfolgung aller Personen mit dem Namen XXXX in Syrien durch die HTS oder andere Milizen (insbesondere auch solche aus Idlib) wird der Entscheidung mangels Glaubhaftigkeit nicht zu Grunde gelegt.
Eine engere Verwandtschaft des Beschwerdeführers zu den auf der Eingabe vom 26.12.2024 namentlich angeführten sowie auf dem Video ersichtlichen Personen wird der Entscheidung nicht zugrunde gelegt.
Dem Beschwerdeführer droht weder in seiner Herkunftsregion Damaskus noch in anderen Teilen Syriens Verfolgung aus religiösen Motiven – insbesondere nicht durch die HTS und verbündete lokale Milizen. Die behauptete Vertreibung seiner Familie aus Idlib durch lokale Milizen sowie die angeblich später von diesen ausgesprochenen Drohungen erweisen sich als nicht glaubhaft.
Dem Beschwerdeführer droht im Falle seiner Rückkehr auch keine Gefahr, wegen seiner illegalen Ausreise und der Asylantragstellung in Österreich bedroht und bestraft zu werden.
1.7. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Nach monatelanger Vorbereitung und Training (NYT 1.12.2024) starteten islamistische Regierungsgegner unter der Führung der Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) (Standard 1.12.2024) die Operation „Abschreckung der Aggression“ – auf نن Arabisch: ردع العدوا - Rad’a al-‘Adwan (AJ 2.12.2024) und setzten der Regierung von
Präsident Bashar al-Assad innerhalb von 11 Tagen ein Ende. Die folgende Karte zeigt die Gebietskontrolle der einzelnen Akteure am 26.11.2024 vor Beginn der Großoffensive:
Am 30.11. nahmen die Oppositionskämpfer Aleppo ein und stießen weiter in Richtung der Stadt Hama vor, welche sie am 5.12. einnahmen. Danach setzten sie ihre Offensive in Richtung der Stadt Homs fort (AJ 8.12.2024). Dort übernahmen sie die Kontrolle in der Nacht vom 7.12. auf 8.12. (BBC 8.12.2024).
Am 6.12. zog der Iran sein Militärpersonal aus Syrien ab (NYT 6.12.2024). Russland forderte am 7.12. seine Staatsbürger auf, das Land zu verlassen (FR 7.12.2024). Am 7.12. begannen lokale Milizen und Rebellengruppierungen im Süden Syriens ebenfalls mit einer Offensive und nahmen Daraa ein (TNA 7.12.2024; Vgl. AJ 8.12.2024), nachdem sie sich mit der Syrischen Arabischen Armee auf deren geordneten Abzug geeinigt hatten (AWN 7.12.2024). Aus den südlichen Provinzen Suweida und Quneitra zogen ebenfalls syrische Soldaten, sowie Polizeichefs und Gouverneure ab (AJ 7.12.2024). Erste Oppositionsgruppierungen stießen am 7.12. Richtung Damaskus vor (AJ 8.12.2024). Am frühen Morgen des 8.12. verkündeten Medienkanäle der HTS, dass sie in die Hauptstadt eingedrungen sind und schließlich, dass sie die Hauptstadt vollständig unter ihre Kontrolle gebracht haben (Tagesschau 8.12.2024). Die Einnahme Damaskus’ ist ohne Gegenwehr erfolgt (REU 9.12.2024), die Regierungstruppen hatten Stellungen aufgegeben, darunter den Flughafen (Tagesschau 8.12.2024). Das Armeekommando hatte die Soldaten außer Dienst gestellt (Standard 8.12.2024).
Russland verkündete den Rücktritt und die Flucht von al-Assad (BBC 8.12.2024). Ihm und seiner Familie wurde Asyl aus humanitären Gründen gewährt (REU 9.12.2024).
Kurdisch geführte Kämpfer übernahmen am 6.12.2024 die Kontrolle über Deir ez-Zour im Nordosten Syriens, nachdem vom Iran unterstützte Milizen dort abgezogen waren (AJ 7.12.2024), sowie über einen wichtigen Grenzübergang zum Irak. Sie wurden von den USA bei ihrem Vorgehen unterstützt (AWN 7.12.2024).
Die von der Türkei unterstützten Rebellengruppierungen unter dem Namen Syrian National Army (SNA) im Norden Syriens starteten eine eigene Operation gegen die von den Kurden geführten Syrian Democratic Forces (SDF) im Norden von Aleppo (BBC 8.12.2024). ج فف ج Im Zuge der Operation „Morgenröte der Freiheit“ (auf Arabisch ر
ال ر ح ة يية - Fajr al-Hurriya) nahmen diese Gruppierungen am 9.12.2024 die Stadt Manbij
ein (SOHR 9.12.2024). Die Kampfhandlungen zwischen Einheiten der durch die Türkei unterstützten Syrian National Army (SNA) auf der einen Seite und den SDF auf der anderen Seite dauerten danach weiter an. Türkische Drohnen unterstützten dabei die Truppen am Boden durch Luftangriffe (SOHR 9.12.2024b).
Der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge sind seit Beginn der Offensive 910 Menschen ums Leben gekommen, darunter 138 Zivilisten (AAA 8.12.2024). Beim Vormarsch auf Homs waren tausende Menschen Richtung Küste nach Westen geflohen (AJ 6.12.2024). Bei der Offensive gegen Manbij wurden hingegen einige Zivilisten in Richtung Osten vertrieben (SOHR 9.12.2024).
In Damaskus herrschte weit verbreitetes Chaos nach der Machtübernahme durch die Opposition. So wurde der Sturz von Assad mit schweren Schüssen gefeiert und Zivilisten stürmten einige staatliche Einrichtungen, wie die Zentralbank am Saba-Bahrat-Platz, das Verteidigungsministerium (Zivilschutz) in Mleiha und die Einwanderungs- und Passbehörde in der Nähe von Zabaltani, außerdem wurden in verschiedenen Straßen zerstörte und brennende Fahrzeuge gefunden (AJ 8.12.2024b). Anführer al-Joulani soll die Anweisung an die Oppositionskämpfer erlassen haben, keine öffentlichen Einrichtungen anzugreifen (8.12.2024c) und erklärte, dass die öffentlichen Einrichtungen bis zur offiziellen Übergabe unter der Aufsicht von Ministerpräsident Mohammed al-Jalali aus der Assad-Regierung bleiben (Rudaw 9.12.2024).
Gefangene wurden aus Gefängnissen befreit, wie aus dem berüchtigten Sedanaya Gefängnis im Norden von Damaskus (AJ 8.12.2024c).
Die Akteure
Syrische Arabische Armee (SAA): Die Syrische Arabische Armee kämpfte gemeinsam mit den National Defense Forces, einer regierungsnahen, paramilitärischen Gruppierung. Unterstützt wurde die SAA von der Hisbollah, Iran und Russland (AJ 8.12.2024).
Die Einheiten der syrischen Regierungstruppen zogen sich beim Zusammenstoß mit den Oppositionskräften zurück, während diese weiter vorrückten. Viele Soldaten flohen oder desertierten (NZZ 8.12.2024). In Suweida im Süden Syriens sind die Soldaten der Syrischen Arabischen Armee massenweise desertiert (Standard 7.12.2024). Am 7.12. flohen mehrere Tausend syrische Soldaten über die Grenze in den Irak (Arabiya 7.12.2024; vgl. Guardian 8.12.2024). Präsident al-Assad erhöhte am 4.12. die Gehälter seiner Soldaten, nicht aber dasjenige von Personen, die ihren Pflichtwehrdienst ableisteten (TNA 5.12.2024). Dieser Versuch, die Moral zu erhöhen, blieb erfolglos (Guardian 8.12.2024).
Die Opposition forderte die Soldaten indes zur Desertion auf (TNA 5.12.2024). Aktivisten der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte beobachteten, dass Hunderte Soldaten ihre Militäruniformen ausgezogen haben, nachdem sie entlassen wurden (SOHR 8.12.2024). Offiziere und Mitarbeiter des Regimes ließen ihre Militär- und Sicherheitsfahrzeuge in der Nähe des Republikanischen Palastes, des Büros des Premierministers und des Volkspalastes unverschlossen stehen, aus Angst von Rebellen am Steuer erwischt zu werden (AJ 8.12.2024b).
Opposition: Obwohl Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS) den plötzlichen Vormarsch auf Aleppo gestartet hat und treibende Kraft der Offensive war haben auch andere Rebellengruppierungen sich gegen die Regierung gewandt und sich am Aufstand beteiligt (BBC 8.12.2024c).
Hay’at Tahrir ash-Sham (HTS): Die HTS wurde 2011 als Ableger der al-Qaida unter dem Namen Jabhat an-Nusra gegründet (BBC 8.12.2024c). Im Jahr 2017 brach die Gruppierung ihre Verbindung mit der Al-Qaida (CSIS 2018) und formierte sich unter dem Namen Hay’at Tahrir ash-Sham neu, gemeinsam mit anderen Gruppierungen (BBC 8.12.2024c). Sie wird von der UN, den USA, der Europäischen Union (AJ 4.12.2024) und der Türkei als Terrororganisation eingestuft (BBC 8.12.2024c). Der Anführer der HTS, der bisher unter seinem Kampfnamen Abu Mohammed al-Joulani bekannt war, hat begonnen wieder seinen bürgerlichen Namen, Ahmad ash-Shara’a zu verwenden (Nashra 8.12.2024). Er positioniert sich als Anführer im Post-Assad Syrien (BBC 8.12.2024c). Die HTS hat in den letzten Jahren versucht, sich als nationalistische Kraft (BBC 8.12.2024b) und pragmatische Alternative zu al-Assad zu positionieren (BBC 8.12.2024c).
Der Gruppierung werden Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen (BBC 8.12.2024c). Einem Terrorismusexperten zufolge gibt es bereits erste Videos von Personen aus dem HTS-Umfeld, die ein Kalifat aufbauen wollen (WiWo 9.12.2024).
National Liberation Front (NFL): Eine Reihe kleinerer Kampfgruppen, aus denen sich die NFL zusammensetzt, nahmen an der Operation „Abschreckung der Aggression“ teil, darunter die Jaish al-Nasr, das Sham Corps und die Freie Idlib-Armee. Die 2018 in Idlib gegründete NFL umfasst mehrere nordsyrische Fraktionen, von denen einige auch unter das Dach der Freien Syrischen Armee fallen (AJ 2.12.2024b).
Ahrar al-Sham Movement: Die Ahrar al-Sham-Bewegung ist hauptsächlich in Aleppo und Idlib aktiv und wurde 2011 gegründet. Sie definiert sich selbst als „umfassende reformistische islamische Bewegung, die in die Islamische Front eingebunden und integriert ist“ (AJ 2.12.2024b).
Jaish al-Izza: Jaish al-Izza: Übersetzt: „Die Armee des Stolzes“ ist Teil der Freien Syrischen Armee und konzentriert sich auf den Norden des Gouvernements Hama und einige Teile von Lattakia. Im Jahr 2019 erhielt die Gruppierung Unterstützung aus dem Westen, darunter auch Hochleistungswaffen (AJ 2.12.2024b).
Nur Eddin Zinki-Bewegung (Zinki): Diese Gruppierung entstand 2014 in Aleppo, versuchte 2017, sich mit der HTS zusammenzuschließen, was jedoch nicht funktionierte. Die beiden Gruppierungen kämpften 2018 gegeneinander, und „Zinki“ wurde Anfang 2019 von ihren Machtpositionen in der Provinz Aleppo vertrieben. Ein Jahr später verhandelte „Zinki“ mit der HTS, und ihre Kämpfer kehrten an die Front zurück, und seitdem ist die Gruppe unter den oppositionellen Kämpfern präsent (AJ 2.12.2024b).
Milizen in Südsyrien: Gruppierungen aus südlichen Städten und Ortschaften, die sich in den letzten Jahren zurückhielten, aber nie ganz aufgaben und einst unter dem Banner der Freien Syrien Armeekämpften, beteiligten sich am Aufstand (BBC 8.12.2024c). In Suweida nahmen Milizen der syrischen Minderheit der Drusen Militärstützpunkte ein (Standard 7.12.2024).
Syrian Democratic Forces (SDF): Die SDF ist eine gemischte Truppe aus arabischen und kurdischen Milizen sowie Stammesgruppen. Die kurdische Volksschutzeinheit YPG ist die stärkste Miliz des Bündnisses und bildet die militärische Führung der SDF (WiWo 9.12.2024). Sie werden von den USA unterstützt (AJ 8.12.2024). Im kurdisch kontrollierten Norden liegen die größten Ölreserven des Landes (WiWo 9.12.2024).
Syrian National Army (SNA): Diese werden von der Türkei unterstützt (BBC 8.12.2024c) und operieren im Norden Syriens im Grenzgebiet zur Türkei (AJ 8.12.2024). Der SNA werden mögliche Kriegsverbrechen, wie Geiselnahmen, Folter und Vergewaltigung vorgeworfen. Plünderungen und die Aneignung von Privatgrundstücken, insbesondere in den kurdischen Gebieten, sind ebenfalls dokumentiert (WiWo 9.12.2024).
Sicherheitslage
Israel hat Gebäude der Syrischen Sicherheitsbehörden und ein Forschungszentrum in Damaskus aus der Luft angegriffen, sowie militärische Einrichtungen in Südsyrien, und den Militärflughafen in Mezzeh. Israelische Streitkräfte marschierten außerdem in al-Quneitra ein (Almodon 8.12.2024) und besetzten weitere Gebiete abseits der Golan-Höhen, sowie den Berg Hermon (NYT 8.12.2024). Die israelische Militärpräsenz sei laut israelischem Außenminister nur temporär, um die Sicherheit Israels in der Umbruchphase sicherzustellen (AJ 8.12.2024d). Am 9.12.2024 wurden weitere Luftangriffe auf syrische Ziele durchgeführt (SOHR 9.12.2024c). Einer Menschenrechtsorganisation zufolge fliegt Israel seine schwersten Angriffe in Syrien. Sie fokussieren auf Forschungszentren, Waffenlager, Marine-Schiffe, Flughäfen und Luftabwehr (NTV 9.12.2024). Quellen aus Sicherheitskreisen berichten indes, dass Israelisches Militär bis 25km an Damaskus in Südsyrien einmarschiert wäre (AJ 10.12.2024).
Das US-Central Command gab an, dass die US-Streitkräfte Luftangriffe gegen den Islamischen Staat in Zentralsyrien geflogen sind (REU 9.12.2024). Präsident Biden kündigte an, weitere Angriffe gegen den Islamischen Staat vorzunehmen, der das Machtvakuum ausnützen könnte, um seine Fähigkeiten wiederherzustellen (BBC 7.12.2024).
Russland versucht, obwohl es bis zum Schluss al-Assad unterstützte, mit der neuen Führung Syriens in Dialog zu treten. Anstatt wie bisher als Terroristen bezeichnen russische Medien die Opposition mittlerweile als „bewaffnete Opposition“ (BBC 8.12.2024d).
Sozio-Ökonomische Lage:
Die Opposition versprach, den Minderheiten keinen Schaden zuzufügen und sie nicht zu diskriminieren, egal ob es sich um Christen, Drusen, Schiiten oder Alawiten handle. Gerade letztere besetzten unter der Führung Al-Assad’s oft hohe Positionen im Militär und den Geheimdiensten (TNA 5.12.2024).
Für alle Wehrpflichtigen, die in der Syrischen Arabischen Armee gedient haben, wurde von den führenden Oppositionskräften eine Generalamnestie erlassen. Ihnen werde Sicherheit garantiert und jegliche Übergriffe auf sie wurden untersagt (Presse 9.12.2024). Ausgenommen von der Amnestie sind jene Soldaten, die sich freiwillig für den Dienst in der Armee gemeldet haben (Spiegel 9.12.2024).
Die syrischen Banken sollen ihre Arbeit am 10.12.2024 wiederaufnehmen, die Bediensteten wurden aufgefordert, an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren (Arabiya 9.12.2024).
Die HTS, die weiterhin auf der Terrorliste der UN steht, ist seit 2016 von Sanktionen des UN-Sicherheitsrates betroffen. Diplomaten zufolge war die Streichung der HTS von der Sanktionenliste kein Thema bei der jüngsten Ratssitzung (REU 10.12.2024).
Bevor der Wiederaufbau zerstörter Städte, Infrastruktur und Öl- und Landwirtschaftssektoren beginnen kann, muss mehr Klarheit über die neue Regierung Syriens geschaffen werden (DW 10.12.2024).
1.8. Jüngste Entwicklung in Syrien:
In der Herkunftsregion des Beschwerdeführers (Damaskus und Umland) ist der Bürgerkrieg beendet, seit mehreren Wochen finden in dieser Region keine Kampfhandlungen statt. Die Kontrolle der Rebellen unter HTS-Führung ist in dieser Region gegeben; es gibt keine Widerstandsnester des Regimes innerhalb der Sicherheitskräfte, die diese Kontrolle substanziell in Frage stellen würden. Es gibt keine strukturierten quasi-staatlichen oder extralegalen Verfolgungshandlungen gegen Personen, die Anfang Dezember 2024 noch der Polizei oder den Streitkräften angehört haben, allein aufgrund dieses Umstandes. Insbesondere gilt das auch für jene Angehörigen der Sicherheitskräfte, die im Zuge der Implosion des Assad-Regimes die Waffen niedergelegt und dadurch den Durchmarsch der Rebellen in dieser Form ermöglicht haben. Die neuen Machthaber bemühen sich um internationale Anerkennung und empfangen unter anderem diplomatische Besuche aus der Europäischen Union.
Die bisherige (reguläre) syrische Armee ist faktisch außer Funktion gestellt; insbesondere finden aktuell keine Einziehungen von Reservisten statt und die Wehrpflicht wird nicht durchgesetzt. Die noch andauernden Kämpfe im Norden werden von unterschiedlichen, bereits vor 2025 aktiven Milizen geführt – die Armee ist an diesen nicht beteiligt.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt, in der Beschwerde und in der mündlichen Verhandlung sowie aus dem vorgelegten syrischen Reisepass. Aus dem Alter ergibt sich die grundsätzliche Einstufung bezüglich des Reservedienstes.
2.2. Die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Geburts- und seinen Aufenthaltsorten, seinem Familienstand, seinen Familienangehörigen und deren Aufenthaltsorten sowie zu seinem schulischen und beruflichen Werdegang sind chronologisch stringent und vor dem Hintergrund der bestehenden sozio-ökonomischen Strukturen in Syrien plausibel. Dass der Beschwerdeführer seinen Militärdienst in der syrischen Armee abgeleistet hat, gab er glaubhaft in der Einvernahme vor dem Bundesamt sowie in der mündlichen Verhandlung an und stimmen die Angaben mit der Kopie seines Militärbuches überein. Da der Beschwerdeführer mit ungefähr 11 Jahren nach Damaskus zog und dort (vor der Ausreise nach Saudi-Arabien) berufstätig war und seine Existenz sichern konnte ist Damaskus (samt näherer Umgebung) als Herkunftsregion festzustellen. Dies wurde vom Beschwerdeführer in der Verhandlung am 02.01.2025 auch ausdrücklich bestätigt.
Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Saudi-Arabien ist als solcher unstrittig. Glaubhaft sind dabei auch die geschilderte Tätigkeit im Baugewerbe (Montage im Fassadenbereich und Malerarbeiten), wobei die selbst gewählte Einstufung „Vorarbeiter im Bau“ (Verhandlung am 29.12.2023, Protokoll Seite 4) glaubhaft erscheint. Gänzlich anders als der ihm von seinem Vertreter zugeschriebene „Baumeister“ (selbiges, Seite 8). Der Beschwerdeführer hat auf Nachfrage auch verneint, jemals Planzeichnungen angefertigt oder statische Berechnungen durchgeführt zu haben (Verhandlung am 29.12.2023, Protokoll Seite 9).
2.3. Die Detailinformationen zu den Aufenthalten der Familienmitglieder erweisen sich als stets widerspruchsfrei vorgebracht und glaubhaft. Hinsichtlich der Kinder und der Ehefrau wurden Dokumente in Kopie vorgelegt. Die syrischen Pässe wurden im Übrigen 2019 beziehungsweise 2021 ausgestellt.
2.4. Die Feststellungen hinsichtlich des Aufenthalts im Bundesgebiet und des Bezugs von Leistungen aus der Grundversorgung gründen sich auf die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister und dem Grundversorgungs-Informationssystem.
Dass der Beschwerdeführer keine Ausbildung in Österreich absolviert hat, nicht ehrenamtlich tätig gewesen ist und kein Mitglied in einem Verein ist, folgt aus den diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers.
Der Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergibt sich aus dessen eigenen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer war auf Grundlage der Einsichtnahme in das Strafregister festzustellen.
2.5. Der abgeleistete Militärdienst des Beschwerdeführers ist belegt und unstrittig. In dieser Zeit gab es effektiv keine militärischen Konflikte in Syrien oder mit Drittstaaten. Der Beschwerdeführer war auch nach der Grundausbildung nie im Kampf- oder Einsatztraining, sondern als Fahrer für Offiziere tätig. Die behauptete „Spezialausbildung“ in der Armee konnte der Beschwerdeführer weder konkret substanziell beschreiben, noch handelt es sich bei den beschriebenen Übungen auch nur ansatzweise um eine „Spezialausbildung“ – er schilderte lediglich ein militärisches Basistraininig, das auch jeder österreichische Grundwehrdiener in Österreich absolviert (Sport; Auseinandernehmen und Zusammensetzen von Standardwaffen und deren Nutzung).
Die Behauptung, er habe (2005 bis 2007) in einer speziellen, ab 2011 besonders gewalttätig agierenden, Einheit gedient, wird der Entscheidung mangels Beleg, sowie aufgrund fehlender Schlüssigkeit und angesichts der bereits wahrheitswidrig behaupteten „Spezialausbildung“ nicht zu Grunde gelegt. Auch seine Tätigkeit im Baugewerbe stellt sich – entgegen der (auch nicht näher befgründeten) Behauptung des Vertreters nicht als „kriegswichtige Funktion“ dar. Der Beschwerdeführer hat Malerarbeiten verrichtet und Fassadenplatten montiert.
Dass die vorgebrachte drohende Verfolgung durch das Regime (wegen Verweigerung einer Einziehung zum Reservedienst) weggefallen ist, ergibt sich aus der Eingabe des Beschwerdeführers vom 26.12.2024.
Der Beschwerdeführer hat selbst angegeben, zum Zeitpunkt der Einreise in die Türkei keine Information über die angebliche Einberufung zum Reservedienst aus 2014 gehabt zu haben. Dieses Dokument – betitelt als „Verständigungsnotiz“ - sei erst Jahre später aufgetaucht. Auch der Verlängerung/Neuausstellung seines Reisepasses 2018 stand dieser Umstand offensichtlich nicht im Weg.
Aus den vorgelegten Beweismitteln ist ersichtlich, dass die 2014 noch im Sicherheitsdienst tätigen Brüder ( XXXX ) in der Folge des Bekanntwerdens der Desertion von XXXX durch das syrische Regime vorübergehend angehalten wurden, weil sie versucht hatten, diesen zu decken bzw. ihn vor einer möglichen Strafverfolgung zu schützen. Das Fallenlassen aller strafrechtlich relevanter Anschuldigen gegen die beiden Brüder durch das syrische Regime ergibt sich aus dem vorgelegten Beschluss eines syrischen Strafgerichtes vom 22.07.2014 (siehe Verfahrensgang I.6. bzw OZ 1 im gegenständlichen gerichtlichen Verfahren): darin wird ausdrücklich ausgeführt, dass die Anklage wegen Verschleierung auf Grund des „Dekretes für Generalamnestie 22/2024 vom 09.06.2014“ fallen gelassen wird.
Vor diesem unstrittigen Hintergrund steht die klar erkennbare Distanzierung der engeren Familienmitglieder des Beschwerdeführers vom Regime fest.
2.6. Für die Zeit nach Ableistung des Wehrdienstes (ausschließlich Wehrpflicht) – somit seit rund 17 Jahren - hat der Beschwerdeführer keinerlei Handlungen oder Tätigkeiten vorgebracht (und dementsprechend auch nicht belegt), die ihn öffentlich in irgendeiner Form mit dem Regime oder gar dessen Verbrechen in Verbindung bringen könnten. Zum Beleg der Auslandsaufenthalte existiert unstrittig eine Vielzahl an Dokumenten aus Saudi-Arabien, der Türkei und Österreich.
Soweit in der letzten Verhandlung auf eine dem Bruder XXXX (2295690-1) angeblich unterstellte Spitzeltätigkeit verwiesen wurde, hat sich diese im angeführten Verfahren als nicht glaubhaft erwiesen und wird daher der gegenständlichen Entscheidung nicht zugrunde gelegt.
Bis November 2024 hat der Beschwerdeführer nie vorgebracht, dass er mit Personen in engerer Verbindung stehen würde, die dem Regime loyal gegenüberstehen würden und mit diesem in eine engere Verbindung gebracht werden könnten. Nach der Implosion des Assad-Regimes wurde zwar ein entsprechendes Vorbringen erstattet, jedoch nicht substantiiert unterfüttert. Gleiches gilt für die behauptete Gruppenverfolgung beziehungsweise Reflexverfolgung aller Personen, mit Namen XXXX . In beiden Fällen liegt die „Beweislast“ (im Sinne der Glaubhaftmachung) beim Beschwerdeführer. Dies ist ihm allerdings nicht gelungen, weil schon sein Vorbringen einer besonderen Regimenähe seiner Einheit während des Grundwehrdienstes nicht glaubhaft war und er für die Reflexverfolgung lediglich zwei Einträge auf Sozialen Medien vorlegte, hinsichtlich derer weder eine Verifizierung (nicht zuletzt mangels Quellenangabe – des Eintrags, nicht des Mediums) möglich ist, noch eine solche Gruppenverfolgung tatsächlich hervorgeht. Die bloße Namensgleichheit reicht dazu nicht aus, zumal der Beschwerdeführer einräumen musste, dass ihm ein Name überhaupt nichts sage. Im Übrigen konnte der Beschwerdeführer auch nicht darlegen, dass die syrische Gesellschaft allgemein von einer „Clanstruktur“ geprägt wäre und es finden sich in den im Verfahren eingebrachten Länderberichten auch keine entsprechenden Hinweise. Die betonte Familienstruktur des Assad-Regimes hat diesbezüglich im Übrigen keine Aussagekraft, weil es sich hier um Angehörige einer vergleichsweise kleinen religiösen Minderheit und nicht um die sunnitisch-arabische Mehrheitsbevölkerung handelt.
In der Eingabe vom 26.12.2024 führte der Beschwerdeführer die zwei nicht näher bezeichneten Einträge „auf Social-Media-Plattformen“ an. Wie im Protokoll der Verhandlung am 02.01.2025 ersichtlich, ist ihm eine der genannten Personen gänzlich unbekannt – mit dem Namen der zweiten assoziierte er zunächst den in Österreich lebenden Bruder. Auf Nachfrage konnte er zu dieser Person dann lediglich vage Vermutungen betreffend Kontakte vor 2011 anbieten („dass ich eventuell mit seinen Kindern auf der Straße gespielt haben könnte“). Dass es sich bei der Person tatsächlich um einen „Onkel“ im Sinne des österreichischen Zivilrechts – also einen nahmen Verwandten – handelt, konnte somit nicht glaubhaft gemacht werden. Der Beschwerdeführer bestätigte im Übrigen ausdrücklich, dass alle einschlägigen Informationen seinen Wissensstand vor 2011 spiegeln beziehungsweise auf Erzählungen seiner Eltern basieren würden (Verhandlungsprotokoll vom 02.01.2025, Seite 5). Geringfügig nähere Angaben machte der Beschwerdeführer zu den Personen auf dem Video, wo er drei namentlich bezeichnete. Allerdings musste er auch hier einräumen, dass er keinerlei Wissen über deren Tätigkeit/Verhalten zwischen Dezember 2010 und Dezember 2024 hat. Zudem machte er zum angeblichen Sohn eines Cousins seines Vaters unschlüssige Angaben: wäre dieser 2010 Schüler gewesen, wäre er nun mindestens 20, nicht aber 16 oder 17 Jahre alt sein. Wäre er hingegen so alt wie behauptet, würde ihn der Beschwerdeführer nur als Kleinkind (von rund 3 Jahren) kennen. Dass über einen solchen Altersunterschied – 3 bzw 6 Jahre – eine nachvollziehbare Erinnerungstäuschung vorliegt, ist äußerst unwahrscheinlich.
Für eine objektivierbare Verifizierung/Identifizierung der Personen (auch nur hinsichtlich des Namens) konnte der Beschwerdeführer erneut keine Beweismittel vorlegen. Zudem besteht angesichts des unstrittig fehlenden Wissens über die konkrete Tätigkeit der Personen in den letzten 14 Jahren schlichtweg keinerlei Aussagekraft hinsichtlich der Annahme einer Familien- oder Gruppenverfolgung. Der Beschwerdeführer hat auch ausdrücklich zu Protokoll gebracht, dass auf dem Video keine konkreten Vorwürfe zu hören seien (Verhandlungsprotokoll vom 02.01.2025, Seite 8). Schließlich wurde dem Beschwerdeführer das Video (zumindest) über Dritte im Wege eines Familienchats übermittelt. Zur ursprünglichen Quelle des Videos konnte er keine Angaben machen. Seine Informationen erhalte er von Verwandten in der Türkei und in Saudi-Arabien. Damit erweist sich der Beweiswert des Videos für das gegenständliche Verfahren als nahe Null.
Soweit der Beschwerdeführer ursprünglich auch eine drohende Verfolgung aus religiösen Gründen – als Sunnit durch das alawitisch dominierte Regime – behauptete ist festzuhalten, dass die neuen Machthaber in der Herkunftsregion selbst sunnitische Araber sind. Gleiches gilt für die in Idlib dominanten Milizen. Für substanzielle Probleme des Beschwerdeführers mit der nun vorherrschenden konservativen Auslegung des Glaubens ist kein Hinweis ersichtlich, hat er doch (mit seiner Familie) viele Jahre in Saudi-Arabien gelebt und gearbeitet. Im Übrigen hat er solche Probleme auch nicht behauptet.
Aufgrund fehlender Glaubhaftigkeit wird auch die nun behauptete Vertreibung seiner Familie aus Idlib durch mit der HTS verbundene Milizen nicht der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt. Abseits des Umstandes, dass es erneut bei einer bloßen Behauptung geblieben ist, hat der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Erstbefragung am 12.04.2022 ausdrücklich von seinem „Heimatort Idlib“ gesprochen und gleichzeitig ausschließlich Befürchtungen hinsichtlich einer Einberufung zum Reservedienst geäußert. Auch in der Einvernahme am 03.04.2023 verneinte er – bei offenen Fragen des Bundesamtes zu allfälligen Verfolgungshandlungen jegliche sonstige Asylgründe. Auch dies ist nicht nachvollziehbar, wäre seine Familie schon Jahre zuvor Opfer einer Gruppenverfolgung durch Milizen gewesen. Ebenso wenig wurde das Vorbringen in der Beschwerde nachgetragen.
Zwar hat der Beschwerdeführer in der Verhandlung am 11.11.2024 tatsächlich die Vertreibung seiner Familie aus Idlib behauptet - allerdings durch schiitische Milizen. Dass er diese binnen zweier Monate zu einer Verfolgung durch sunnitische Milizen (Verhandlung am 02.01.2025) umwandelt (offensichtlich, ohne sich dessen bewusst zu sein), kann zu keinem anderen Schluss führen, als dieses Vorbringen insgesamt als offensichtlich tatsachenwidrig anzusehen. Dementsprechend ist auch festzustellen, dass es die erstmalig am 02.01.2025 behauptete zweimalige telefonische Geldforderung durch eine Miliz aus Idlib (während seines Aufenthalts in Saudi-Arabien) tatsächlich nicht gegeben hat.
Für das Bestehen einer Verfolgung aufgrund der Ausreise und der Asylantragstellung gibt es jedenfalls seit dem Sturz des Assad-Regimes keine plausible Begründung und wurde diese Befürchtung auch in der Verhandlung am 02.01.2025 nicht mehr vorgebracht.
2.7. Die Feststellungen zur Situation in Syrien ergeben sich aus der in das Verfahren eingebrachten Kurzinformation der Staatendokumentation vom 10.12.2024, der seitens des Beschwerdeführers nicht entgegengetreten worden ist.
Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang auch, dass UNHCR seine bisherige Position („Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen“) bezüglich aus Syrien geflüchtete Personen im Dezember zurückgezogen haben, womit insbesondere keine Indizwirkung einer Verfolgung von Personen besteht, die sich in welcher Weise immer gegen das Assad-Regime positioniert haben.
2.8. Die Feststellungen betreffend die jüngsten Entwicklungen in Syrien beruhen auf rezenten Medienberichten (internationale Nachrichtenagenturen, Öffentlich-Rechtlicher Rundfunk in Österreich und Deutschland, Der Standard, Die Zeit, etc.) mit Fokus auf die Herkunftsregion des Beschwerdeführers: Damaskus und Umland. Dabei ist insbesondere festzuhalten, dass aus dieser Region nahezu durchgehend von Journalisten der angeführten Medien berichtet werden konnte und kann.
Die Berichterstattung ist jedenfalls in Bezug auf die nahezu vollständige Kontrolle der HTS (und verbündeter Milizen) im bisherigen Regimegebiet, das Fehlen substanzieller Widerstandsnester, den gänzlichen Zusammenbruch des Assad-Regimes (im Sinne der Führungsspitze) und fehlende asylrelevante Gruppenverfolgungen gegen einfache Armeeangehörige oder Angehörige der bisherigen Sicherheitskräfte (unter dem Assad-Regime) konzise, widerspruchsfrei und ausführlich. Insbesondere kann der Zusammenbruch des Regimes bereits zum gegenwärtigen Zeitpunkt – angesichts der Implosion der Sicherheitskräfte binnen weniger Tage – als dauerhaft und gefestigt angesehen werden.
Ebenfalls klar ersichtlich (und durch die angeführte Berichterstattung belegt) ist, dass aktuelle keine Einziehungen zum Grundwehrdienst stattfinden, die Armee an den noch laufenden Kampfhandlungen im türkisch-syrischen (kurdischen) Grenzgebiet effektiv nicht beteiligt ist und es keinerlei schlüssigen Grund für die Einziehung von Reservisten gibt.
Auch der Beschwerdeführer hat in diesen Zusammenhängen kein gegenteiliges Vorbringen substantiiert erstatten können. Abseits des unter Punkt 2.6. abgehandelten Vorbringens wurden lediglich Medienberichte vorgelegt, die den Feststellungen unter Punkt 1.8. durchwegs nicht entgegenstehen:
Ein Spiegel-Bericht vom 26.12.2024 darüber, dass Sicherheitskräfte bei der Festnahme eines bis zuletzt aktiven Ex-Offiziers des Assad-Regimes in einen Hinterhalt geraten seien sowie über Proteste religiöser Minderheiten.
Ein Ausdruck eines Artikels (30.12.2024) der Website „socialnewes.xyz“ (Sitz: Melbourne) über die Festnahme mutmaßlicher „Assad-Kämpfer“ in Latakia und Hama.
Ein Ausdruck einer Kurzmeldung (01.01.2025) der Website „syriahr.com“ (Seite der Organisation SOHR – The Syrian Observatory for Human Rights; kein Impressum), die von der Suche nach Regime-Kollaborateuren in Jabrin/Aleppo durch türkisch unterstützte „military police“ berichtet.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
§ 1 BFA-VG, BGBl I 2012/87 idF BGBL I 2013/144 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.
Gemäß §§ 16 Abs. 6 und 18 Abs. 7 BFA VG sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.
Zu A) Zur Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (§ 3 Abs. 1 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF):
3.2. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).
Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).
Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH 05.11.1992, Zl. 92/01/0792; 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).
Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).
Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße – möglicherweise vorübergehende – Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).
In der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wird ausgeführt, dass drohende Bestrafung wegen der Weigerung der Teilnahme an einem von der Völkergemeinschaft verurteilten Kriegseinsatz dann zur Asylgewährung führen könne, wenn dem jeweiligen Asylwerber eine feindliche politische Gesinnung unterstellt werde (siehe etwa VwGH 21.12.2000, 2000/01/0072). Der Verwaltungsgerichtshof vertritt darüber hinaus ausdrücklich die Auffassung, dass unter dem Gesichtspunkt des Zwangs zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen – etwa gegen die Zivilbevölkerung – auch eine bloße Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung darstellen kann (VwGH 25.03.2003, 2001/01/0009). Dies ist auch in Art. 9 Abs. 2 lit e der Richtlinie 2011/95/EU ausdrücklich festgehalten. Daher wäre eine (drohende) Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter den Anwendungsbereich der Ausschlussklauseln des Artikels 12 Absatz 2 der genannten Richtlinie fallen, eine (drohende) asylrelevante Verfolgung.
3.3. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht gemäß § 3 AsylG 1991 setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, Zl. 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, Zl. 92/01/0560). So erscheint es im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht unschlüssig, wenn den ersten Angaben, die ein Asylwerber nach seiner Ankunft in Österreich macht, gegenüber späteren Steigerungen erhöhte Bedeutung beigemessen wird (vgl. VwGH 08.07.1993, Zl. 92/01/1000; VwGH 30.11.1992, Zl. 92/01/0832; VwGH 20.05.1992, Zl. 92/01/0407; VwGH 19.09.1990, Zl. 90/01/0133). Der Umstand, dass ein Asylwerber bei der Erstbefragung gravierende Angriffe gegen seine Person unerwähnt gelassen hat (hier Schläge, Ziehen an den Haaren, Begießen mit kaltem Wasser) spricht gegen seine Glaubwürdigkeit (VwGH 16.09.1992, Zl. 92/01/0181). Auch unbestrittenen Divergenzen zwischen den Angaben eines Asylwerbers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung und dem Inhalt seines schriftlichen Asylantrages sind bei schlüssigen Argumenten der Behörde, gegen die in der Beschwerde nichts Entscheidendes vorgebracht wird, geeignet, dem Vorbringen des Asylwerbers die Glaubwürdigkeit zu versagen (Vgl. VwGH 21.06.1994, Zl. 94/20/0140). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH 30.09.2004, Zl. 2001/20/0006, zum Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH vom 23.01.1997, Zl. 95/20/0303 zu Widersprüchen bei einer mehr als vier Jahre nach der Flucht erfolgten Einvernahme hinsichtlich der Aufenthaltsdauer des Beschwerdeführers in seinem Heimatdorf nach seiner Haftentlassung) können für sich allein nicht ausreichen, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. dazu auch VwGH 26.11.2003, Zl. 2001/20/0457).
Die amtswegigen Ermittlungspflichten im Asylverfahren sind im § 18 Abs. 1 AsylG 2005 geregelt, der inhaltlich nahezu wortgleich der Vorgängerbestimmung des § 28 AsylG 1997 entspricht. Der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. AsylG 1997 folgend stellt diese Gesetzesstelle eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden dar, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht (vgl. VwGH 08.04.2003, Zl. 2002/01/0522). Grundsätzlich obliegt es dem Asylwerber, alles Zweckdienliche, insbesondere seine wahre Bedrohungssituation in dem seiner Auffassung nach auf ihn zutreffenden Herkunftsstaat, für die Erlangung der von ihm angestrebten Rechtsstellung vorzubringen (Vgl. VwGH 31.05.2001, Zl. 2001/20/0041; VwGH 23.07.1999, Zl. 98/20/0464). Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 AsylG 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (Vgl. VwGH 14.12.2000, Zl. 2000/20/0494; VwGH 06.10.1999, Zl. 98/01/0311; VwGH 14.10.1998, Zl. 98/01/0222). Die Ermittlungspflicht der Behörde geht auch nicht soweit, den Asylwerber zu erfolgversprechenden Argumenten und Vorbringen anzuleiten (vgl. VwGH vom 21.09.2000, Zl. 98/20/0361; VwGH 04.05.2000, Zl. 99/20/0599).
3.4. Die Ausführungen des Beschwerdeführers sind insgesamt nicht geeignet, eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus Gründen der GFK sowie eine für sie aktuelle Verfolgungsgefahr aus eben diesen Gründen darzutun.
Zunächst ist festzuhalten, dass das bisherige Vorbringen in Bezug auf das Assad-Regime (und die Einziehung zum Reservedienst) auch nach Ansicht des Beschwerdeführers selbst vollständig weggefallen ist. Dieser Wegfall kann aufgrund der sehr engen Definition des geltend gemachten Verfolgers und dessen vollständigen Zusammenbruchs (samt Flucht des Diktators ins Ausland) auch bereits zum jetzigen Zeitpunkt als nachhaltige und dauerhafte Änderung der Umstände angesehen werden. Es gibt keine schlüssige Argumentation, wie das Assad-Regime sich in Syrien erneut etablieren sollte, wo doch die militärischen Verbündeten (Russland und Iran) bei seinem Sturz effektiv nicht reagiert haben und die nationale Struktur des Regimes binnen eines Wochenendes nahezu vollständig implodiert ist.
Gleiches gilt für die (vor Dezember 2024) behauptete Verfolgung aus religiösen Gründen durch schiitische Milizen, da die neuen Machthaber dem konservativen bis radikalen sunnitischen Spektrum angehören und der Beschwerdeführer wie diese arabischer Sunnit ist.
Auch eine Asylantragstellung im Ausland begründet angesichts der geänderten Umstände im Herkunftsstaat kein Risiko einer asylrelevanten Verfolgung.
Aus dem bis Dezember 2024 erstatteten Vorbringen ist damit für den Beschwerdeführer auf der hier relevanten rechtlichen Ebene nichts zu gewinnen.
Soweit der Beschwerdeführer im Dezember 2024 und im Jänner 2025 neue Asylgründe vorbrachte, kommt diesen – wie oben dargelegt – im Wesentlichen keine Glaubhaftigkeit zu beziehungsweise erweisen sie sich als Spekulationen oder betreffen eine Schutzebene, die im gegenständlichen Verfahren gar nicht zur Diskussion steht.
Die inhaltlich adaptierte Reflexverfolgung in Bezug auf den in Österreich aufhältigen Bruder (dem nunmehr von den neuen Machthabern oder ganz allgemein Spionage für das Regime vorgeworfen werden soll) hat sich in dessen Verfahren als nicht glaubhaft erwiesen und muss daher nicht weiter erörtert werden. Dies gilt im Übrigen – ohne dass es konkret behauptet worden wäre – auch für die beiden in der Türkei lebenden Brüder, die ebenfalls vor über 8 Jahren aus dem Sicherheitsapparat des Regimes desertiert sind. Bezüglich des Beschwerdeführers wurde ein solcher Vorwurf hingegen unmittelbar nie geäußert. Ganz grundsätzlich geben die Berichte zur Situation in Syrien – insbesondere das belegte Verhalten gegenüber den bis Dezember 2024 aktiven Militär- und Sicherheitskräften des Regimes – keinerlei Anlass für eine drohende Gruppenverfolgung von Personen, die vor vielen Jahren an untergeordneter Stelle im syrischen Sicherheitsapparat tätig waren (wie etwa die engeren Familienangehörigen des Beschwerdeführers) und die sich zudem glaubhaft seit Jahren vom Regime distanziert haben. Selbiges gilt für deren Angehörige Eine allfällig drohende Verfolgung aus diesem Motiv liegt damit gesichert weit unter der Schwelle des „real risk“.
Andere potenzielle Verfolgungsmotive (etwa ethnische Herkunft) wurden vom Beschwerdeführer nicht behauptet. Sie sind auch aus der Aktenlage nicht ersichtlich. Insbesondere hat der Beschwerdeführer etwa auch problemlos jahrelang in einem streng konservativ-sunnitischen Staat (Saudi-Arabien) gelebt und dort eine Familie gegründet.
3.5. „Aussetzung von Verfahren“, Rechtsschutz und UNHCR-Position zur Rückkehr in die Arabische Republik Syrien
Der Vollständigkeit halber ist vor dem Hintergrund der laufenden Diskussionen und der Vorgehensweise des BFA im Kontext mit Verfahren betreffend Syrien festzuhalten, dass die österreichische Rechtsordnung ein rechtswirksames „Aussetzen“ von Verfahren betreffend internationalen Schutz aufgrund einer allfällig „unklaren“ Situation nicht vorsieht. Dies gilt insbesondere für das Bundesverwaltungsgericht, dem gleichzeitig eine gesetzliche Erledigungsfrist vorgeschrieben ist. Ein Abwarten auf eine umfangreiche strukturierte Berichtslage zur Situation in Syrien (inkludierend auch die Umstände für eine allfällige Rückkehr) ist daher nicht abzuwarten, wenn hinsichtlich der entscheidungsrelevanten Fragen eines Verfahrens hinreichend gesicherte Informationen vorliegen.
Soweit eine gewisse Skepsis hinsichtlich der weiteren Entwicklung in Syrien besteht, ist nochmals zu betonen, dass die österreichische Rechtsordnung sowohl das Institut der Wiederaufnahme eines Verfahrens kennt als auch die Möglichkeit eines weiteren Antrags auf internationalen Schutz einräumt. Angesichts der oben in Punkt 1.7. dargestellten Lageänderung bestehen kaum Zweifel, dass derartige (Folge-)Anträge – soweit sie sich auf die Entwicklung seit 10.12.2024, insbesondere die Politik der HTS, beziehen - inhaltlich behandelt werden müssen und nicht wegen „entschiedener Sache“ zurückgewiesen werden können. Umgekehrt können gegenwärtige Befürchtungen betreffend eine asylrelevante Verfolgung ohne aktuell hinreichende Substanz (sondern lediglich mit dem Verweis auf eine mögliche zukünftige Entwicklung) nicht zu einer Zuerkennung des Asylstatus führen – und auch nicht dazu, dass die Behörden/Gerichte mit einer Entscheidung zuwarten, ob sich die Situation in Richtung der geäußerten Befürchtungen verschlechtert.
Soweit die UNHCR „Position on Returns to the Syrian Arab Republic“ in ihrem Punkt 7 davon spricht, dass UNHCR „does not consider that the requirements for cessation of refugee status for beneficiariesof international protection originating from Syriahave currently been met“ ist zu betonen, dass es sich bei diesem Papier um eine Globalposition zur weltweiten Verbreitung handelt und sich aus dem Titel, der Gesamtstruktur und den Punkten 2 bis 4 sowie 5 und 6 klar ergibt, dass sich dieses Papier primär auf die Rückkehr, die Erlassung von Rückkehrentscheidungen (dabei beachtlich: das Prinzip des non-refoulment) sowie den nach wie vor zu gewährenden Zugang zu einem Verfahren betreffend internationalen Schutz bezieht. In diesem Zusammenhang besteht auch die in der Judikatur des VwGH festgehaltene „Indizwirkung“ von Dokumenten des UNHCR. All diese Themen sind allerdings nicht von der gegenständlichen Entscheidung betroffen.
Insbesondere macht die Formulierung des Punkt 6 der „Position“ klar, dass es nach Ansicht des UNHCR keine vollständig negativen Entscheidungen (mit Rückkehrpflicht) geben soll, bevor nicht hinreichend verlässliche Informationen über die allgemeine Sicherheitslage und Menschenrechtssituation bestehen. Damit bezieht sich UNHCR aber unmissverständlich auf jenen Bereich des internationalen Schutzes, der in Österreich vom Status des „Subsidiär Schutzberechtigten“ erfasst wird. Entscheidend ist dabei, dass diese rechtliche Differenzierung zwar in den EU-Mitgliedsstaaten erfolgt, aber eben nicht weltweit, weshalb UNHCR in einer allgemein formulierten Position diese Differenzierung nicht aufnehmen kann.
Daraus ergibt sich, dass dem vorliegenden UNHCR-Positionspapier zwar eine Indizwirkung in Bezug auf die Zuerkennung von subsidiärem Schutz sowie hinsichtlich der Erlassung einer Rückkehrentscheidung zukommt. Nicht jedoch hinsichtlich der Frage, wie über die (ausschließliche) Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zu entscheiden ist. Mangels einer entsprechenden einschlägigen Indizwirkung steht das Positionspapier somit einer negativen Entscheidung ausschließlich betreffend § 3 AsylG nicht entgegen. Subsidiärer Schutz – und damit ein bestehendes Hindernis für eine Rückkehrentscheidung – kommt dem Beschwerdeführer ohnehin zu.
3.6. Im gegenständlichen Fall liegen somit keine substantiellen, stichhaltigen Gründe für das Vorliegen einer individuellen Gefahr der Verfolgung oder einer gegründeten Furcht vor einer solchen nach § 3 Abs. 1 AsylG iVm. Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK vor. Vielmehr sind zum Entscheidungszeitpunkt bloß alle Staatsbürger gleichermaßen treffende Unbilligkeiten aufgrund des (bisherigen) Bürgerkrieges bzw. der allgemein schlechten Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers zu erkennen, die nicht asylrelevant sind und denen bereits mit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes Rechnung getragen wurde.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung (siehe die oben zitierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, aber auch des Verfassungsgerichtshofes, des EuGH und des EGMR); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.