JudikaturBVwG

W135 2296183-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
27. Januar 2025

Spruch

W135 2296183-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Ivona GRUBESIC als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 31.05.2024, betreffend Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin war zunächst Inhaberin eines bis 30.04.2024 befristeten Behindertenpasses mit einem ausgewiesenen Grad der Behinderung von 70 von Hundert (v.H.) sowie eines ebenfalls bis 30.04.2024 befristet ausgestellten Parkausweises gemäß § 29b StVO. Der Ausstellung des Behindertenpasses sowie des Parkausweises lag ein medizinisches Sachverständigengutachten vom 05.04.2022 zugrunde, in dem die Funktionseinschränkungen 1. „Untere Extremitäten, Kniegelenk – Funktionseinschränkung schweren Grades beidseitig“, bewertet nach der Positionsnummer 02.05.23 der Anlage zur Einschätzungsverordnung mit einem Einzelgrad der Behinderung von 50 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „Fixer RS“), 2. „Wirbelsäule – Funktionseinschränkungen mittleren Grades“, bewertet nach der Positionsnummer 02.01.02 mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „Oberer RS: Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen maßgebliche Einschränkungen im Alltag“) und 3. „Venöses und lymphatisches System, Venöses und lymphatisches System – Funktionseinschränkungen leichten Grades“, bewertet nach der Positionsnummer 05.08.01 mit einem Einzelgrad der Behinderung von 40 v.H. (Begründung für den gewählten Rahmensatz: „Oberer RS bei Lymphödem mit geringer Beeinträchtigung der Gelenksbeweglichkeit; St.p. TVT mitberücksichtigt“), eingeschätzt wurden. Aufgrund der drei Leiden, die sich wechselseitig negativ beeinflussen, wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 70 v.H. eingeschätzt. Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hielt der Gutachter Folgendes fest: „Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist aufgrund schwerer Funktionseinschränkungen der Kniegelenke in Kombination mit Degenerationen an der Lendenwirbelsäule nicht möglich.“

Die Beschwerdeführerin stellte am 19.12.2023 einen Antrag auf Verlängerung des bis 30.04.2024 befristet ausgestellten Behindertenpasses sowie des ebenfalls bis 30.04.2024 befristeten Parkausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis), welcher entsprechend einem Hinweis auf dem Antragsformular zutreffend auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gewertet wurde. Dem Antrag legte sie ein Konvolut an medizinischen Unterlagen, einen Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 28.10.2008 betreffend die Gewährung der Berufsunfähigkeitspension, eine Vollmacht sowie den Parkausweis in Kopie bei.

Die belangte Behörde holte daraufhin ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 19.04.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.04.2024, ein, in dem die Funktionseinschränkungen 1. „Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, lumbale Osteochondrosen und Bandscheibenschäden“, 2. „Knieendoprothese beidseits“, und 3. „Vernöses und lymphatisches System, Venöses und lymphatisches System – Funktionseinschränkungen leichten Grades“, eingeschätzt wurden. Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel hielt der Gutachter Folgendes fest: „Eine relevante Mobilitätseinschränkung besteht nicht. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet. Es bestehen keine dauerhaften erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder gleichzusetzende neurologische Ausfälle. Ein Aktionsradius von 10 Minuten ist ihr möglich.“

Mit Schreiben vom 25.04.2024 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin im Rahmen des Parteiengehörs das eingeholte Sachverständigengutachten. Der Beschwerdeführerin wurde die Möglichkeit der Abgabe einer schriftlichen Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt.

Am 15.05.2024 brachte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme ein, in der sie zusammengefasst ausführte, es sei ihr nicht möglich, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Ihre Gehstrecke sei keinesfalls ausreichend und bestehe sehr wohl eine relevante Mobilitätseinschränkung. Seit Jahren sei sie nur mehr mit Stützkrücken mobil und könne lediglich eine kurze Wegstrecke von 100 Metern zurücklegen. Zudem habe sie starke Schmerzen an der gesamten Wirbelsäule, zeitweise ein Taubheitsgefühl im linken Vorfuß und könne sich schmerzbedingt nicht aufrichten. Weiters habe sie Kraftlosigkeit in den Beinen, deutliches Hinken, Standunsicherheit, ödematöse Schwellungen an beiden Ober- und Unterschenkeln sowie Einengung des Wirbelkanals und Nervenwurzelirritationen. Sie ersuche daher um neuerliche Begutachtung. Der Stellungnahme legte die Beschwerdeführerin weitere medizinische Unterlagen bei.

Aufgrund der erhobenen Einwendungen und der neu vorgelegten Befunde holte die belangte Behörde eine ergänzende Stellungnahme des bereits befassten Facharztes für Orthopädie vom 21.05.2024 ein, worin der Gutachter Folgendes festhielt:

„Es wurde im Rahmen des Parteiengehörs Einspruch erhoben, zwei Befunde wurden vorgelegt, dass die Benützung von ÖVM nicht möglich seien. Die objektivierbaren Befunde ergaben keine Myelpathie und keine hochgradige Vertebrostenose, klinisch liegen keine relevanten neurologischen Ausfälle vor, die Knieendoprothesen sind gut beweglich, dokumentierte Lockerungszeichen liegen keine vor, weshalb das Kalkül aufrecht bleibt.“

Am 31.05.2024 wurde an die Beschwerdeführerin ein Behindertenpass mit einem ausgewiesenen Grad der Behinderung von 60 von Hundert (v.H.) versandt.

Mit angefochtenem Bescheid vom 31.05.2024 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ab. In der Begründung stützte sich die belangte Behörde auf das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, wonach die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Der Beschwerdeführerin sei Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die Einwendungen hätten keine Änderungen bewirkt. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt worden. Mit dem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin die Stellungnahme vom 21.05.2024 übermittelt.

Ein formaler bescheidmäßiger Abspruch über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis) erfolgte durch das Sozialministeriumservice nicht.

Mit Schreiben vom 11.07.2024 brachte die Beschwerdeführerin fristgerecht eine Beschwerde ein, in der sie sich in inhaltlicher Hinsicht ausschließlich gegen die Abweisung ihres Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass wendete. Darin führte sie aus, bei ihr bestünden im Bereich der Kniegelenke Funktions- sowie Bewegungseinschränkungen schweren Grades beidseits. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke sei ihr aufgrund dessen sowie im Zusammenhang mit Degenerationen an der Lendenwirbelsäule nicht möglich. Zudem sei sie auf Stützkrücken angewiesen und leide an einer Bandscheibenhernitation L3/4 mit Einengung des Wirbelkanals sowie Nervenwurzelirritationen L3 rechts und L3 rechts, weshalb sie unter massiven Schmerzen leide. Weiters gebe es deutliche Hinweise auf eine Claudicatio spinalis und sei das schmerzfreie Gehen auf unter 100 Meter limitiert, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht möglich sei. Erschwerend komme das Wirbelgleiten L4/5 hinzu, weshalb es für die Beschwerdeführerin unmöglich sei, Niveauunterschiede zu überwinden. Die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ sei nicht nachvollziehbar und das medizinische Sachverständigengutachten keinesfalls ausreichend. Der Beschwerde wurden keine weiteren medizinischen Unterlagen beigelegt.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 24.07.2024 zur Entscheidung vorgelegt.

Mit Eingabe vom 25.07.2024 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht weitere medizinische Unterlagen vor, welche bei der belangten Behörde vor Vorlage der Beschwerde eingelangt sind.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses, in welchem ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. ausgewiesen und die Zusatzeintragung „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Prothese“ enthalten ist.

Bei der Beschwerdeführerin liegen aktuell folgende dauerhafte Funktionseinschränkungen vor:

1. Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, lumbale Osteochondrosen und Bandscheibenschäden

2. Knieendoprothese beidseits

3. Venöses und lymphatisches System – Funktionseinschränkungen leichten Grades

Bei der Beschwerdeführerin bestehen keine Funktionsbeeinträchtigungen der oberen und unteren Extremitäten oder der Wirbelsäule in einem Ausmaß, welches die Mobilität erheblich und dauerhaft einschränkt. Die oberen Extremitäten stellen sich ausreichend beweglich dar und der Faustschluss ist komplett, sodass Haltegriffe verwendet werden können. Die Beschwerdeführerin leidet an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, an lumbalen Osteochondrosen und Bandscheibenschäden, hat Knieendoprothesen beidseits und leidet an Funktionseinschränkungen leichten Grades des venösen und lymphatischen Systems. Die Gesamtmobilität ist aber nicht wesentlich eingeschränkt, und ist ihr das Gehen auch ohne Gehbehelf möglich. Die Gehstrecke ist ausreichend, das sichere Ein- und Aussteigen und der sichere Transport sind gewährleistet, sodass das selbständige Zurücklegen kurzer Wegstrecken von 300 bis 400 Metern, das Ein- und Aussteigen sowie die sichere Beförderung in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht maßgeblich beeinträchtigt sind. Ein Aktionsradius von 10 Minuten ist ihr möglich. Darüber hinaus ist eine Ausschöpfung sämtlicher zumutbarer Therapieoptionen nicht gegeben.

Bei der Beschwerdeführerin liegt auch keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor.

Es liegen bei der Beschwerdeführerin insgesamt keine entscheidungsrelevanten Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten vor.

Bei der Beschwerdeführerin besteht keine anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränken würde.

Bei der Beschwerdeführerin liegt auch keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Behindertenpass basieren auf dem Akteninhalt, insbesondere dem darin einliegenden Datenstammblatt.

Die Feststellungen zu den bei der Beschwerdeführerin aktuell vorliegenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 19.04.2024 samt der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 21.05.2024.

Der von der belangten Behörde beigezogene medizinische Sachverständige geht in seinem Gutachten auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin, deren Ausmaß und deren Auswirkungen auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei ein.

In die Beurteilungen des beigezogenen Sachverständigen sind sämtliche von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Beweismittel eingeflossen. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen sind vor dem Hintergrund der vorliegenden Befunde bzw. den im Rahmen einer persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Status nachvollziehbar und schlüssig.

Der beigezogene medizinische Sachverständige konnte im Ergebnis keine gesundheitlichen Einschränkungen bei der Beschwerdeführerin feststellen, die die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen ließen.

Die Auswirkungen der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Einschränkungen betreffend den Bewegungsapparat auf die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel zeigen sich in keinem Ausmaß, welches deren Benützung verunmöglichen würde. Die Beschwerdeführerin leidet an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, lumbalen Osteochondrosen und Bandscheibenschäden, hat Knieendoprothesen beidseits und leidet an Funktionseinschränkungen leichten Grades des venösen und lymphatischen Systems. Eine relevante Mobilitätseinschränkung besteht jedoch nicht. Das Gangbild zeigte sich im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 17.04.2024 ohne Hilfsmittel insgesamt ausreichend sicher und selbständig. Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Metern in rund 10 Minuten ist daher zumutbar und möglich.

Auch das Überwinden von Niveauunterschieden beim Einstieg in ein öffentliches Verkehrsmittel ist bei einem ausreichenden Bewegungsumfang der großen Gelenke der unteren Extremitäten möglich. Ebenso besteht im Bereich der oberen Extremitäten der Beschwerdeführerin keine wesentliche Bewegungseinschränkung der Gelenke (vgl. den im Rahmen der orthopädischen Untersuchung am 17.04.2024 erhobenen Status: „[…] Schultern in S 40-0-160, F 160-0-40, R bei F90 70-0-70, Ellbögen 0-0-125, Handgelenke 50-0-50, Faustschluß beidseits frei. Nacken- und Kreuzgriff möglich. Hüftgelenke in S 0-0-105, R 25-0-15, Kniegelenke 0-0-115 zu links 0-5-105, Sprunggelenke 10-0-40. Pseudolasegue beidseits positiv“). Der Faustschluss ist beidseits vollständig durchführbar und ein Nacken- und Kreuzgriff ist der Beschwerdeführerin möglich. Es ist somit anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin Haltegriffe erreichen und sich zum Einstieg in ein öffentliches Verkehrsmittel und während der Fahrt festhalten kann, zumal die vertretene Beschwerdeführerin im Verfahren auch nicht vorbrachte, an Einschränkungen im Bereich der oberen Extremitäten zu leiden.

Zwar brachte die Beschwerdeführerin im Verfahren ein ärztliches Attest einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 08.05.2024 in Vorlage, worin ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführerin das Zurücklegen einer kurzen Gehstrecke von 100 Metern an guten Tagen möglich sei, die Beschwerdeführerin an schlechten Tagen aber nur eine Gehstrecke von 50 Metern zurücklegen könne und die Bushaltestelle 500 Meter entfernt sei. Diesbezüglich ist festzuhalten, dass die die im ärztlichen Attest vom 08.05.2024 getroffene Schlussfolgerung, wonach der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar wäre, aufgrund der mangelnden Wiedergabe eines bestätigenden orthopädischen Status jeglicher Nachvollziehbarkeit entbehrt und ist damit auch nicht dazu geeignet, die Beurteilungen des im Verfahren beigezogenen Sachverständigen zu entkräften. Der Umstand der Entfernung der Haltestelle hat zudem keine Relevanz für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmitte; diesbezüglich wird auf die entsprechenden Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung verwiesen.

Weiters brachte die Beschwerdeführerin im Rahmen des ihr gewährten Parteiengehörs einen Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie vom 13.05.2024 in Vorlage, worin ausgeführt wird, dass bedingt durch die von der Beschwerdeführerin angegeben Beschwerden sowohl anamnestisch als auch radiologisch deutliche Hinweise auf eine Claudicatio spinalis bestünden. Schmerzfreies Gehen sei auf unter 100 Meter limitiert und die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei der Beschwerdeführerin nicht möglich. Anhand des nur rund drei Wochen zuvor im Rahmen einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 17.04.2024 erhobenen, ausreichend sicheren Gangbildes ist eine derart maßgebliche Einschränkung der Gesamtmobilität bzw. eine wesentliche Gangunsicherheit jedoch nicht ausreichend objektivierbar, besonders, da die im vorliegenden Befund anamnestisch angegebene Gehstreckenlimitierung und Gangunsicherheit auch nicht ausreichend nachvollziehbar ist. Die im gegenständlichen Befundbericht vom 13.05.2024 getroffene Schlussfolgerung ist nicht dazu geeignet, die Beurteilungen des im Verfahren beigezogenen Sachverständigen zu entkräften. Zudem trat der näher genannte Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie in seinem Befund den Ausführungen des in dem von der belangten Behörde in Auftrag gegebenen Gutachtens vom 19.04.2024 auch nicht dezidiert entgegen. Insbesondere wurde im Befund nicht ausgeführt, dass derartig maßgebliche Schmerzzustände bestehen würden, welche das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 Metern generell verunmöglichen würden.

Zudem ist, was das von der Beschwerdeführerin im Rahmen ihres Parteiengehörs vorgelegte Attest einer näher genannten Ärztin für Allgemeinmedizin vom 08.05.2024 sowie den von der Beschwerdeführerin ebenso im Rahmen ihres Parteiengehörs vorgelegten Befundbericht eines näher genannten Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie betrifft, welche starke Schmerzen sowie eine stark eingeschränkte Gehstrecke beschreiben, auf die Ausführungen des beigezogenen Gutachters in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.05.2024 zu verweisen. Darin führte der Gutachter nachvollziehbar aus, dass die neu beigebrachten Befunde keine Myelpathie und keine hochgradige Vertebrostenose ergeben hätten. Die Knieendoprothesen seien gut beweglich und es lägen keine dokumentierten Lockerungszeichen vor. Eine Abänderung der bereits getroffenen Einschätzung könne daher nicht erfolgen. Diese Ausführungen des beigezogenen Gutachters sind nicht zu beanstanden.

Hinsichtlich der von der Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 15.05.2024 sowie der Beschwerde vom 11.07.2024 eingewendeten starken Schmerzen an der gesamten Wirbelsäule, ist festzuhalten, dass insgesamt eine maßgebliche Einschränkung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel anhand des erhobenen Gangbildes – wie bereits ausgeführt –nicht objektivierbar ist. In diesem Zusammenhang ist auch eine Ausschöpfung sämtlicher zumutbarer Therapieoptionen nicht belegt, zumal sich weder aus der im eingeholten Gutachten vom 19.04.2024 angeführten Medikamentenliste noch aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen eine derzeit etablierte Schmerztherapie bzw. –medikation ergibt. Festzuhalten ist, dass bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen gemäß § 1 Abs. 5 letzter Satz der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, StF: BGBl. II Nr. 495/2013, auch alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen sind. Im konkreten Fall der Beschwerdeführerin haben sich im Verfahren – trotz der von ihr eingewendeten starken Schmerzen – aber keine Hinweise bezüglich der Etablierung einer schmerzstillenden Medikation ergeben. So ist weder im eingeholten Gutachten vom 19.04.2024 unter dem Punkt „Behandlung(en)/Medikamente/ Hilfsmittel“ ein Schmerzmittel aufgelistet noch ist die Einnahme eines solchen in den vorliegenden medizinischen Unterlagen dokumentiert. Eine Ausschöpfung sämtlicher zumutbarer Therapieoptionen ist damit in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin eingewendeten starken Schmerzen nicht belegt. In Anbetracht der bestehenden Therapieoptionen geht damit das Beschwerdevorbringen der Beschwerdeführerin, wonach es ihr aufgrund ihrer Schmerzen nicht möglich sei, eine Wegstrecke von 300 bis 400 Metern zurückzulegen, schon aus diesem Grund ins Leere.

Insoweit nun die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 15.05.2024 vorbringt, dass sie seit Jahren nur mehr mit Stützkrücken mobil sei und lediglich eine kurze Wegstrecke von 100 Metern zurücklegen könne und diesbezüglich auch in ihrer Beschwerde vom 11.07.2024 angibt, sie sei auf Stützkrücken angewiesen, ist anzumerken, dass der beigezogene Sachverständige in seinem Gutachten vom 19.04.2024 nachvollziehbar festhielt, dass die Beschwerdeführerin zwar mit einer Krücke erschienen, ihr das Gehen jedoch auch ohne Gehbehelf möglich sei. Eine von der Beschwerdeführerin behauptete maßgebliche Einschränkung der Gehfähigkeit ist weder anhand des erhobenen Untersuchungsbefundes noch anhand der vorliegenden medizinischen Unterlagen ausreichend nachvollziehbar. Weiters bringt die Beschwerdeführerin in der Stellungnahme vom 15.05.2024 vor, sie habe zeitweise ein Taubheitsgefühl im linken Vorfuß und könne sich schmerzbedingt nicht aufrichten. Zudem habe sie Kraftlosigkeit in den Beinen, deutliches Hinken, Standunsicherheit, ödematöse Schwellungen an beiden Ober- und Unterschenkeln sowie Einengung des Wirbelkanals und Nervenwurzelirritationen. Eine daraus resultierende höhergradige Funktionseinschränkung kann aber nicht festgestellt werden, insbesondere, da in der Statuserhebung zur persönlichen Untersuchung am 17.04.2024 eine gute Beweglichkeit der Gelenke der unteren Extremitäten dokumentiert ist und der näher genannte Facharzt für Orthopädie in seiner Stellungnahme vom 21.05.2024 zudem bestätigte, die Knieendoprothesen seien gut beweglich und es lägen keine dokumentierten Lockerungszeichen vor. Wie im von der belangten Behörde eingeholten Gutachten vom 19.04.2024 dokumentiert ist, leidet die Beschwerdeführerin an degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule, lumbalen Osteochondrosen und Bandscheibenschäden, hat eine Knieendoprothese beidseits und leidet an Funktionseinschränkungen leichten Grades des venösen und lymphatischen Systems. Eine maßgebliche Einschränkung bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist anhand des erhobenen Gangbildes – wie bereits ausgeführt – aber nicht objektivierbar.

Es wird nicht verkannt, dass bei der Beschwerdeführerin durchaus eine Beeinträchtigung des Gangbildes sowie eine Einschränkung der Gehstrecke vorliegt. Anhand des im Rahmen einer persönlichen neurologischen Untersuchung erhobenen klinischen Fachstatus und der vorliegenden medizinischen Unterlagen ist jedoch keine Gangbildbeeinträchtigung oder eine Gangunsicherheit in einem Ausmaß nachvollziehbar, welches der Beschwerdeführerin das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke verunmöglichen würde. Darüber hinaus ist es der Beschwerdeführerin auch möglich und zumutbar, zur Verbesserung der Geh- und Stehfähigkeit eine Unterarmstützkrücke zu verwenden; diese stellen eine zumutbare Kompensationsmöglichkeit iSd § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen dar.

Was nun den mit Eingabe vom 25.07.2024 an das Bundesverwaltungsgericht nachgereichten Befund einer näher genannten radiologischen Gruppenpraxis betrifft, so ist festzuhalten, dass der nachgereichte Befund ebenfalls nicht dazu geeignet ist, eine Änderung der vorgenommenen Beurteilung herbeizuführen. Der näher genannte Facharzt für Orthopädie führt dazu zwar in seiner Befundergänzung aus, die durchgeführte MRT Untersuchung habe im Vergleich zum Vorbefund eine deutliche Verschlechterung ergeben. Es liege eine absolute Spinalkanalstenose L4/5 sowie eine intraforminale Bandscheibenvorwölbung mit Bedrängung der Nervenwurzel L5 links vor. Zusätzlich komme es durch die Bandscheibenveränderung zu einer Kompression der Wurzel S1 links. All dies führe zu einer deutlichen Gangstörung mit dem Bild der klassischen „Schaufensterkrankheit“. Es wird nicht verkannt, dass der näher genannte Facharzt für Orthopädie ausführt, die Beschwerdeführerin könne nur kurz eine schmerzfreie Gehstrecke bewältigen, jedoch tritt er damit den Ausführungen des von der belangten Behörde beigezogenen Gutachters mangels eines im Befund angegebenen Fachstatus nicht dezidiert entgegen. Zudem ist, wie bereits ausgeführt, festzuhalten, dass eine Ausschöpfung sämtlicher zumutbarer Therapieoptionen in Bezug auf die von der Beschwerdeführerin eingewendeten starken Schmerzen nicht belegt ist und die Beschwerdeführerin daher auf Schmerzmittel zurückgreifen könnte.

Die Beschwerdeführerin brachte nicht vor, an einer Einschränkung ihrer körperlichen Belastbarkeit oder ihrer neurologischen oder intellektuellen Fähigkeiten bzw. an einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder an einer anhaltenden Erkrankung des Immunsystems zu leiden, welche eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränken würde. Es fanden sich diesbezüglich auch keine hinreichenden Hinweise in den persönlichen Untersuchungen und wurden keine entsprechenden Befunde vorgelegt.

Die vertretene Beschwerdeführerin legte daher im Rahmen des gesamten Verfahrens keine Befunde vor, die geeignet gewesen wären, eine andere Beurteilung hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel herbeizuführen bzw. eine zwischenzeitig eingetretene Verschlechterung der Leidenszustände zu belegen und allenfalls zu einer anderen rechtlichen Beurteilung zu führen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichts bestehen somit insgesamt keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 19.04.2024, unter Mitberücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme des Facharztes für Orthopädie vom 21.05.2024. Dieses wird in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Zu A)

Gemäß § 42 Abs. 1 zweiter Satz BBG können im Behindertenpass auf Antrag des Menschen mit Behinderungen zusätzliche Eintragungen vorgenommen werden, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen.

Gemäß § 45 Abs. 1 leg.cit. sind Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (Sozialministeriumservice) einzubringen.

Nach § 47 leg.cit. ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.

In Ausübung dieser Ermächtigung wurde die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II 495/2013, erlassen.

Der für die hier begehrte Zusatzeintragung relevante § 1 Abs. 4 Z 3 der zitierten Verordnung hat folgenden Wortlaut:

„§ 1 ...

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen: 1. ... 2. … 3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.“

In den Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zur Stammfassung BGBl. II 495/2013 wird zu § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (nunmehr § 1 Abs. 4 Z 3) Folgendes ausgeführt:

„Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

[...]

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes „dauerhafte Mobilitätseinschränkung“ hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

[…]

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Komorbiditäten der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktion nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen, kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht. Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

Keine Einschränkung im Hinblick auf die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel haben:

- vorübergehende Funktionseinschränkungen des Immunsystem als Nebenwirkung im Rahmen von Chemo-und /oder Strahlentherapien,

- laufende Erhaltungstherapien mit dem therapeutischen Ziel, Abstoßreaktionen von Transplantaten zu verhindern oder die Aktivität von Autoimmunerkrankungen einzuschränken,

- Kleinwuchs,

- gut versorgte Ileostoma, Colostoma und Ähnliches mit dichtem Verschluss. Es kommt weder zu Austritt von Stuhl oder Stuhlwasser noch zu Geruchsbelästigungen. Lediglich bei ungünstiger Lokalisation und deswegen permanent undichter Versorgung ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar,

- bei Inkontinenz, da die am Markt üblichen Inkontinenzprodukte ausreichend sicher sind und Verunreinigungen der Person durch Stuhl oder Harn vorbeugen. Lediglich bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes ist in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar.“

Gemäß § 1 Abs. 5 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen bildet die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigten.

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren. Aus diesem Grund sind die Umstände betreffend die mangelnde Infrastruktur oder den Transport von schweren Gepäckstücken und das Tätigen von Einkäufen rechtlich nicht von Relevanz und können daher bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013). Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, wonach die nächste Haltestelle 500 Meter entfernt sei, was zu weit für sie sei, vermag daher nicht zum Erfolg zu führen.

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, wurde in dem von der belangten Behörde eingeholten Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und Unfallchirurgie vom 19.04.2024 (samt ergänzender gutachterlicher Stellungnahme vom 21.05.2024) nachvollziehbar ausgeführt, dass im Fall der Beschwerdeführerin – trotz der bei ihr unzweifelhaft bestehenden Funktionsbeeinträchtigungen und unter Berücksichtigung dieser – die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen. Bei der Beschwerdeführerin sind ausgehend von diesem Sachverständigengutachten aktuell keine erheblichen Einschränkungen der Funktionen der oberen und unteren Extremitäten, aber auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit – diese betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen –, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen und auch nicht das Vorliegen einer schweren anhaltenden Erkrankung des Immunsystems im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen festzustellen gewesen.

Dieser Beurteilung steht auch der der Beschwerdeführerin im Vorverfahren befristet ausgestellte Behindertenpass mit der befristet gewährten Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ – diesem Behindertenpass kam gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu – nicht entgegen, zumal dieser mit Ablauf seiner Befristung am 30.04.2024 aus dem Rechtsbestand ausgeschieden ist. Zudem ist festzuhalten, dass der näher genannte Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie in seinem medizinischen Gutachten vom 19.04.2024 nachvollziehbar darlegte, dass im Vergleich zum Vorgutachten eine Besserung aller Leider und insbesondere eine Besserung der Beweglichkeit der Kniegelenke der Beschwerdeführerin vorliege.

Die Beschwerdeführerin legte im Rahmen des gesamten Verfahrens, wie bereits dargelegt, keine weiteren Befunde vor, die geeignet wären, die durch die medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes der Beschwerdeführerin zu belegen.

Da aus den dargelegten Gründen die Voraussetzungen für die gegenständliche Zusatzeintragung nicht erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Der Vollständigkeit halber ist schließlich noch darauf hinzuweisen, dass die Klärung der Frage der Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO weder Gegenstand des von der Beschwerdeführerin angefochtenen Bescheides vom 31.05.2024 war noch ist sie Gegenstand des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Die Fragen der Art und des Ausmaßes der Funktionseinschränkungen und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurden unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen auf Basis persönlicher Begutachtungen der Beschwerdeführerin und unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Beweismittel geprüft. Die strittigen Tatsachenfragen gehören dem Bereich zu, der von Sachverständigen zu beleuchten ist. Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden, nicht substantiiert bestrittenen schlüssigen Sachverständigengutachtens geklärt, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung trotz entsprechenden Antrags in der Beschwerde nicht geboten war. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.