JudikaturBVwG

W182 2303180-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
24. Januar 2025

Spruch

W182 2303180-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Kasachstan, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2024, Zl. 1365582700-231619186 beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG) idgF, nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein Staatsangehöriger von Kasachstan, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 22.08.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz.

In einer Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 22.08.2023 sowie in einer Einvernahme beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) am 01.07. sowie 17.09.2024 brachte der BF zu seinen Fluchtgründen im Wesentlichen vor, dass er in Kasachstan oppositionell aktiv gewesen sei, indem er Leute zu Demonstrationen mobilisiert und selbst daran teilgenommen habe. Im XXXX sei er unter dem Vorwurf der Organisation von Demonstrationen von der Polizei festgenommen worden. Er sei gefoltert worden und habe in Haft zwei erfolglose Selbstmordversuche unternommen, um der Folter zu entgehen. Im XXXX sei er von einem Gericht unter Anrechnung seiner Vorhaft zu einer XXXX Freiheitstrafe verurteilt worden, wobei er in weiterer Folge im XXXX aufgrund einer Amnestie frühzeitig entlassen worden sei. Nach seiner Entlassung habe er vergeblich versucht, unter Vorlage von Beweismitteln die ihm zugefügten Folterungen bei der Staatsanwaltschaft anzuzeigen. Zudem habe er über seine Folterungen auch bei einer Konferenz von Aktivisten und gegenüber Journalisten in Videos gesprochen. In weiterer Folge sei der BF von zwei unbekannten Männern mit dem Umbringen bedroht und erpresst worden, damit er die Anzeige zurückzuziehe. Daraufhin sei der BF im XXXX aus Kasachstan ausgereist. Der BF sei in Österreich exilpolitisch aktiv, habe XXXX . Bei einer Rückkehr ins Herkunftsland befürchte er wegen seiner oppositionellen Aktivitäten umgebracht zu werden.

Der BF konnte u.a. folgende Beweismittel vorlegen: einen Reisepass; einen Personalausweis; ein Urteil eines kasachischen Gerichts; ein Video, das den BF in seinem Gerichtsverfahren zeige; ein u.a. von XXXX herausgegebener und im Internet abrufbarer Bericht mit dem Titel „ XXXX “ vom XXXX , der den Namen des BF in einer Liste von politischen Gefangenen im Zusammenhang mit XXXX anführt; diverse Videos von Journalisten, die Folterungen des BF betreffen; diverse Soundfiles mit u.a. Drohungen von dem BF unbekannten Personen.

2. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes vom 14.10.2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, abgewiesen (Spruchpunkte I. – II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Kasachstan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt ging in den getroffen Feststellung davon aus, dass die Identität des BF nicht feststehe. Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats wurde lediglich festgestellt, dass der BF Kasachstan nicht aufgrund einer gegen ihn gerichteten Gefahr einer Verfolgung oder Bedrohung durch die kasachische Polizei oder Behörden verlassen habe, wobei er dort auch nicht aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Volksgruppenzugehörigkeit, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder einer politischen Gesinnung verfolgt worden sei oder werde. Auch im Falle seiner Rückkehr drohe ihm keine Gefährdung durch die Polizei, staatliche Organe oder Behörden. Im Falle einer privaten Bedrohung werde ihm der Schutz durch staatliche Behörden gewährt.

Der diesbezüglichen Beweiswürdigung im bekämpften Bescheid ist dazu zu entnehmen, dass aufgrund der im gesamten Verfahren gleichlautenden Angaben des BF zu seiner Identität und der Vorlage eines kasachischen Reisepasses sowie eines kasachischen Personalausweises diese als glaubhaft zu qualifizieren gewesen seien, jedoch wegen des laufenden Asylverfahrens mit den Behörden seines Herkunftsstaates bis dato kein Personsfeststellungsverfahren geführt worden sei, weshalb seine Identität nicht feststehe. Die Angaben des BF zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaats seien mit den vorgelegten Dokumenten stimmig. Das YouTube-Video, das den BF im Gerichtssaal zeige, sei eine weitere Bestätigung seiner Angaben in der Einvernahme. Dass die Haftbedingungen in Kasachstan nicht der internationalen Norm entsprechen, sei auch dem Länderinformationsblatt zu entnehmen, weshalb die diesbezüglichen Angaben des BF korrekt seien. Auch wenn der BF möglicherweise ungerecht verurteilt worden sei und durch die schlechten Haftbedingungen und Folter Leid erleben habe müssen, müsse jedoch die Behörde an dieser Stelle festhalten, dass es in Kasachstan offensichtlich ein Rechtssystem gebe. Dies sei auch dem Länderinformationsblatt zu entnehmen und bestätige sich auch im Fall des BF, der durch eine Amnestie freigekommen sei und seine Strafe nicht zur Gänze absitzen habe müssen. Die Behörde wolle in keiner Weise die Situation des BF verkennen (Haft, Urteil, Haftbedingungen), dennoch sei seinem Vorbringen zu entnehmen, dass er aus einem kasachischen Gefängnis die Möglichkeit gehabt habe, über die Gerichtspost die Amnestie anschreiben und über sein Leid zu klagen. Und dies sei zu seinem Vorteil erfolgt. Der BF habe in der Einvernahme auch angegeben, dass XXXX . Befragt habe der BF angegeben, dass er bei einer Rückkehr befürchte, getötet zu werden. Auch in Österreich würde er einen Mordauftrag im Ausland gegen seine Person befürchten. Von dieser Angst und vor allem von dieser Befürchtung gehe die Behörde nicht aus. Wenn der BF tatsächlich diese Ängste hätte, wäre er aktuell in keinen XXXX . Er würde die Demokratie, von der er spreche, leben und versuchen, sich in Österreich zu integrieren, um sich ein neues Leben aufzubauen. Diese Initiative zeige er nicht. Er sei seit über einem Jahr in Österreich und könne keine Integrationsversuche zeigen. Er verbringe seinen Alltag damit, sich aktiv aus Österreich für eine Demokratie in Kasachstan einzusetzen. Auf einer Seite zeige es kein Engagement sich zu integrieren und auf der anderen Seite bestätige es der Behörde, dass der BF in Österreich durch kasachische Behörden nichts zu befürchten habe. Die vom BF vorgelegten Beweismittel würden seine glaubhaften Angaben bestätigen, aber dennoch keine Befürchtung einer Bedrohung bei einer Rückkehr belegen. Die WhatsApp-Nachrichten, die er durch eine unbekannte Person erhalten habe, seien für die Behörde aus derzeitigem Standpunkt nicht bedrohlich. Der BF habe diese zwar als Beweismittel vorgelegt, er könne aber nicht belegen, von wem diese seien. Nachgefragt habe er angegeben, er hätte die Nachrichten gelöscht, weil diese ihn belasten würden. Für die Behörde sei es nicht nachvollziehbar, warum man die Nachrichten lösche, nachdem man diese als Beweismittel der Behörde geschickt habe. Es könne nicht glaubhaft bewertet werden, dass die Bedrohungen tatsächlich durch eine unbekannte Person stammen. Glaubhaft, somit ein wichtiger und ausschlaggebender Punkt sei die legale Ausreise aus Kasachstan. Wenn der BF tatsächlich im Visier der kasachischen Behörden gewesen wäre, dann gehe die Behörde nicht davon aus, dass ihm ein legaler Grenzübertritt nach Kirgistan - von wo aus er dann mittels Luftweg nach Europa ausreiste - möglich gewesen wäre.

Aus den im Bescheid getroffenen Feststellungen zur Situation in Kasachstan geht u.a. hervor, dass das politische System in Kasachstan von einer kleinen Gruppe von Eliten beherrscht werde, für Außenstehende verschlossen sei und wenig Raum für politischen Wettbewerb zulasse. Politische Gegner und Kritiker würden festgenommen und inhaftiert werden, manchmal wegen geringfügiger Verstöße, aber auch wegen Vorwürfen der Mitgliedschaft in verbotenen extremistischen Gruppen. Freedom House nach sei die Justiz in Kasachstan faktisch der Exekutive unterstellt, da der Präsident die Richter auf Empfehlung des Obersten Justizrats, der seinerseits vom Präsidenten ernannt werde, nominiere oder direkt ernenne. Die Richter unterliegen der politischen Einflussnahme. Laut dem US-amerikanischen Außenministerium sehe das Gesetz keine unabhängige Justiz vor, welche in der Praxis sowohl von der Exekutive als auch von Justizzweigen eingeschränkt werde. Die strafrechtliche Verfolgung von Teilnehmern an den Ereignissen vom Januar 2022 würden von Kritikern als politisch motiviert und einseitig angesehen. Beobachtern zufolge dominieren die Staatsanwälte die Prozesse, während die Verteidiger eine untergeordnete Rolle spielen. Verteidiger in Menschenrechtsfällen berichten, dass sie von den Behörden schikaniert würden. Schließlich würden nationale und internationale Menschenrechtsorganisationen über zahlreiche Probleme im Justizsystem, darunter der fehlende Zugang zu Gerichtsverfahren, der fehlende Zugang zu Beweisen, die sich im Besitz der Regierung befinden, häufige Verfahrensverstöße, ungerechtfertigte Ablehnung von Anträgen der Verteidiger und das Versäumnis der Richter, Behauptungen nachzugehen, wonach die Behörden Geständnisse durch Folter oder Zwang erzwungen haben, berichten. Dem UN-Ausschuss gegen Folter würden zahlreiche übereinstimmende Berichte über verschiedene Formen von Folter und Misshandlung in Kasachstan vorliegen, darunter übermäßige Gewaltanwendung mit Tod und Verletzung als Folge, Schläge, Elektroschocks und sexuelle Gewalt in der Haft, sowie Einschüchterungen, Bedrohungen und willkürliche Festnahmen von Menschenrechtsverteidigern im Zusammenhang mit ihrer Menschenrechtsarbeit. Die kasachische Regierung schränke die Meinungs- und Pressefreiheit durch verschiedene Maßnahmen wie restriktive Gesetze, Verhaftungen, Zensur und Internetbeschränkungen ein, obwohl die Verfassung diese Freiheiten grundsätzlich garantiere. Journalisten, Aktivisten und Bürger sehen sich mit Schikanen konfrontiert, wenn sie die Regierung kritisieren oder über sensible Themen wie Korruption berichten, was zu Selbstzensur führe. Die Regierung übe auch Kontrolle über Online-Inhalte aus, blockiere oppositionelle Webseiten, reguliere Internetanbieter und schränke die Anonymität von Internetnutzern ein. Im Jahr 2023 seien etwa 23 Menschenrechtsverteidiger, Aktivisten, Blogger und Journalisten aus politischen Gründen inhaftiert worden. Die Regierung schränke die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit ein. Versammlungen bedürfen einer Voranmeldung bei der örtlichen Regierung, wobei viele Anträge im Zusammenhang mit politischen oder gesellschaftlich kontroversen Themen aus bürokratischen Formalitäten abgelehnt würden. Die Eintragung einer Oppositionspartei sei praktisch unmöglich, und eine Tätigkeit ohne Eintragung könne strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Die Beteiligung an als „extremistisch“ eingestuften Organisationen werde mit bis zu sechs Jahren Haft bestraft. Human Rights Watch nach würden friedliche Demonstranten festgenommen, mit Geldstrafen belegt oder mit kurzfristigen Freiheitsstrafen inhaftiert. Berichten zufolge seien die Haftbedingungen im Allgemeinen hart und lebensbedrohlich. Human Rights Watch berichtet darüber, dass wenige Beamte für Folter und Misshandlung von Gefangenen zur Rechenschaft gezogen worden seien.

3. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht vollumfänglich Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhoben. In dieser wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich beim BF um einen sehr aktiven „high profile“ Oppositionellen handle, welcher in Kasachstan Demonstrationen gegen die Regierung und den neuen Präsidenten organisiert habe. Er führe einige XXXX . Er sei deswegen verhaftet und zu XXXX Haft verurteilt worden. Er sei in Haft schwer gefoltert worden und habe das in der Einvernahme auch sehr detailliert beschrieben. Dieser Umstand sei von der belangten Behörde auch nicht bestritten worden. Die völlig lebensfremde und rechtswidrige Beweiswürdigung der belangten Behörde erweise sich als nicht nachvollziehbar und spreche eigentlich für sich und den Argumentationsnotstand der belangten Behörde. Indem sie dem BF fehlende Furcht vor Verfolgung unterstelle, weil er in Österreich immer noch politisch aktiv sei, verkenne sie damit das Wesen des Asylrechts als Ganzes. Der BF sei auch weiterhin politisch aktiv und gut vernetzt. Er bekomme immer wieder Bedrohungen XXXX . Der BF habe 3 Bedrohungssprachnachrichten vorgelegt, die aber nicht vom Bundesamt als Beweis anerkannt worden seien, weil er die Nachricht mit der er sie bekommen habe, gelöscht habe. Es habe ihn zu sehr belastet, habe er vorgebracht. Er sei auch in Kasachstan persönlich bedroht worden. Er habe nach der Haftfreilassung durch eine Amnestie Meetings abgehalten, um über seine Folter zu berichten. Er habe auch eine Anzeige erstattet, weil er gefoltert worden sei. Deswegen sei er bedroht worden, er solle die Anzeige zurückziehen und den Mund halten. Er sei dann gleich geflüchtet. Er befürchtet bei einer Rückkehr Vergeltung, weil er seine Behandlung und Folter in Haft öffentlich gemacht habe und Verfahren gegen den kasachischen Staat führe.

In der Beschwerde wurde zudem der Antrag auf Einholung eines fachärztlichen Gutachtens zur Klärung der Frage, ob beim BF eine posttraumatische Belastungsstörung oder andere behandlungsbedürftige psychische Erkrankungen vorliegen gestellt, wobei zusätzlich beantragt wurde, dass der zu bestellende Gutachter eine dem Istanbul-Protokoll entsprechende (Zusatz-) Ausbildung aufweise und das Gutachten den Standards des Istanbul Protokolls zu entsprechen habe. Dazu wurde ausgeführt, dass der BF im Zusammenhang mit der erlittenen Folter Gedächtnisschwierigkeiten vorgebracht habe. Dieses eindeutige Vorbringen hätte aufgrund der einschlägigen Judikatur weitere Ermittlungen zum Gesundheitszustand des BF erforderlich gemacht, wobei jedoch nicht einmal eine Feststellung zum Gesundheitszustand des BF getroffen worden sei. Diese Ermittlungsschritte wären notwendig gewesen, um einerseits prüfen zu können, ob für den BF hinsichtlich der EGMR Rechtsprechung Savran und Paposhvili ausreichende Behandlungsmöglichkeiten bei einer Rückkehr vorliegen und andererseits eine mögliche Retraumatisierung ausgelöst werden könne. Aufgrund des Vorbringens des BF sei es zudem notwendig, dass ein Gutachten den Standards des Istanbul-Protokolls entspreche. Das Istanbul-Protokoll sei ein Handbuch zur Untersuchung und Dokumentation von Folterspuren und Folterhandlungen und enthalte sehr umfassende Empfehlungen für Juristinnen und Medizinerinnen. In ErwGr 31 der Verfahrens-RL werde explizit auf das Istanbul-Protokoll Bezug genommen. Auch der EGMR habe schon auf die Bedeutung des Istanbul-Protokolls hingewiesen (Urteil Mehmet Eren gegen Türkei, 32347/02, vom 14.10.2008).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. ausgeführte Verfahrensgang und Sachverhalt wird den Feststellungen zugrunde gelegt. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich unstrittig aus dem Akteninhalt, insbesondere dem vom Bundesamt herangezogenen und vorgelegten Akt zur im Spruch genannten Zahl sowie der Beschwerdeschrift.

2. Rechtliche Beurteilung

Zu Spruchteil A):

2.1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Letztere Variante traf unter Berücksichtigung der in ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 VwGVG vertretenen Ansicht über den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auf die gegenständliche Konstellation zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.07.2016, Zl. Ra 2015/01/0123).

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

§ 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Verwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat. Zur Anwendung des § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG durch die Verwaltungsgerichte hat der Verwaltungsgerichtshof ausgehend von einem prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht präzisierend wie folgt festgehalten (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063): "Das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, verlangt, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. Holoubek, Kognitionsbefugnis, Beschwerdelegitimation und Beschwerdegegenstand, in: Holoubek/Lang (Hrsg.), Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, erster Instanz, 2013, Seite 127, Seite 137; siehe schon Merli, Die Kognitionsbefugnis der Verwaltungsgerichte erster Instanz, in: Holoubek/Lang (Hrsg.), Die Schaffung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz, 2008, Seite 65, Seite 73 f)."

2.2. Der BF hat seinen Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass er wegen seiner Mitwirkung an oppositionellen Demonstrationen im XXXX in Kasachstan von den dortigen Behörden inhaftiert, schwer gefoltert ( XXXX ) und letztlich verurteilt worden sei, wobei er für XXXX vom kasachischen Staat inhaftiert worden sei. Danach sei er lediglich aufgrund einer Amnestie freigelassen und nicht rehabilitiert worden. Vielmehr sei ihm zudem eine Strafverfolgung der Personen, die ihn gefoltert haben, trotz Anzeige von den kasachischen Behörden verweigert worden. Als der BF die Anzeige nicht zurückziehen habe wollen und die erlittenen Folterungen weiterhin publik gemacht habe, sei er von Unbekannten mit dem Umbringen bedroht worden, weshalb er Kasachstan aus Angst um sein Leben verlassen habe. Er setze in Österreich sein oppositionelles Engagement fort.

Die belangte Behörde hat hinsichtlich des oben genannten Fluchtvorbringens keinen individualisierten Sachverhalt festgestellt, sondern sich im bekämpften Bescheid auf die rein formale Feststellung beschränkt, dass der BF in Kasachstan nicht aufgrund GFK-relevanter Gründe, insbesondere auch nicht wegen einer politischen Gesinnung verfolgt worden sei oder werde und ihm bei einer Rückkehr keine Gefährdung durch die Polizei, staatliche Organe oder Behörden drohe. Im Falle einer privaten Bedrohung werde ihm der Schutz durch staatliche Behörden gewährt.

Diesen rudimentären Feststellungen liegen jedoch keinerlei nachvollziehbare Ermittlungsergebnisse zugrunde, aus denen sich diese ableiten ließen.

Hierzu ist vorweg klarzustellen, dass bei Zutreffen des Vorbringens des BF bereits seine Inhaftierung wegen einer Beteiligung an einer Demonstration eine Verfolgungshandlung darstellt, die eine evidente Verknüpfung mit dem Konventionsgrund der politischen Überzeugung aufweist. Dies gilt auch für Verhaftungen bzw. Anhaltungen aufgrund sonstiger oppositioneller Aktivitäten (vgl. dazu etwa VwGH 07.09.2007, Zl. 2005/20/0507). Zudem stellt eine bereits erfolgte Verurteilung aufgrund oppositioneller Aktivitäten jedenfalls eine Vorverfolgung dar, die laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als ernsthafter Hinweis für die Begründetheit der Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 4 Abs. 4 Statusrichtlinie und damit als Indiz für eine mögliche (erneute) Verfolgung anzusehen ist (vgl. etwa VwGH 18.07.2022, Zl. Ra 2021/18/0416).

Eine derartige Verfolgungsgefahr ließe sich bereits aus den vom Bundesamt herangezogenen Länderberichten ableiten, aus denen eindeutig hervorgeht, dass die kasachische Regierung die Meinungs-, Presse-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit durch restriktive Gesetze, Verhaftungen, Zensur und Internetbeschränkungen einschränkt. Politische Gegner und Kritiker würden festgenommen und inhaftiert werden. In der Praxis würde sich weder die Justiz als unabhängig erweisen, noch seien faire Verfahren gewährleistet. Die Eintragung einer Oppositionspartei sei praktisch unmöglich und eine Tätigkeit ohne Eintragung könne strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Friedliche Demonstranten würden festgenommen, mit Geldstrafen belegt oder mit kurzfristigen Freiheitsstrafen inhaftiert. Die Haftbedingungen seien im Allgemeinen hart und lebensbedrohlich und würden wenige Beamte für Folter und Misshandlung von Gefangenen zur Rechenschaft gezogen werden.

Auch die vom Bundesamt getroffene Beweiswürdigung lässt sich nicht mit den Feststellungen vereinbaren, sondern erscheint diesen vielmehr diametral entgegengesetzt. So spricht die Behörde dem Fluchtvorbringen des BF (Haft, Urteil, Haftbedingungen) nicht nur nicht die Glaubwürdigkeit ab, sondern führt zudem u.a. aus, dass sein diesbezügliches Vorbringen mit den vorgelegten Dokumenten stimmig erscheint und auch das YouTube-Video, das den BF im Gerichtssaal zeige, eine weitere Bestätigung seiner Angaben darstellt. Warum das Bundesamt angesichts dieser Ausführungen an einer späteren Stelle bloß davon ausgeht, dass der BF „möglicherweise“ ungerecht verurteilt worden sei und durch die schlechten Haftbedingungen und Folter Leid erleben habe müssen, lässt die Behörde offen. Andererseits geht das Bundesamt in der Beweiswürdigung aber explizit davon aus, dass der BF in Österreich seinen Alltag damit verbringt, sich von hier aus aktiv für eine Demokratie in Kasachstan einzusetzen, wobei er diesbezüglich auch XXXX aktiv ist. Allein unter Zugrundelegung dieser von der Behörde im bekämpften Bescheid vertretenen Annahmen wäre jedoch vor dem Hintergrund der im Bescheid getroffenen Feststellungen zur Situation in Herkunftsland somit von einer realen Gefahr auszugehen, dass der BF aufgrund seiner politischen Aktivitäten im Herkunftsstaat erneut einem realen Risiko einer Strafverfolgung oder sonstigen Verfolgung ausgesetzt ist. Daran vermag auch die Argumentation der Behörde, wonach der BF legal über den Landweg ausreisen habe können und die Nachrichten, mit denen er die 3 vorgelegten Bedrohungssprachnachrichten bekommen habe, gelöscht habe, substanziell nichts zu ändern. Hinzu kommt, dass der BF ein Konvolut an a priori stichhaltigen Beweismitteln - darunter eine Videoaufnahme des BF während seiner Gerichtsverhandlung, ein Gerichtsurteil, diverse Interviews des BF durch Journalisten und sogar eine im Internet abrufbare Veröffentlichung einer namhaften, in XXXX niedergelassenen NGO aus dem Jahr XXXX , die den Namen des BF auf einer Liste von politischen Gefangenen anführt – als Nachweis für sein Vorbringen vorgelegt hat.

Unter diesen Umständen hätte das Bundesamt bei Zugrundelegung der Inhaftierung und Verurteilung des BF wegen der Beteiligung an Demonstrationen, wofür auch in einem erheblichen Ausmaß die vorgelegten Beweismittel sprechen, die von der Behörde auch nicht erkennbar in Zweifel gezogen wurden, sowie der nach Haftentlassung selbst noch in Österreich fortgesetzten oppositionellen Aktivitäten des BF ausgehend von der bereits skizzierten Rechtslage in Anwendung des § 3 AsylG 2005, der GFK und der Richtlinie 2011/95/EU dem BF den Status eines Asylberechtigten zuerkennen müssen.

2.3. Aufgrund welcher Ermittlungsergebnisse die belangte Behörde zu ihren Feststellungen gelangt ist, lässt sich sohin weder aus dem Akteninhalt noch der Beweiswürdigung ableiten. Sollte das Bundesamt Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit der vorgelegten Beweismittel des BF hegen, seine Identität trotz Vorlage eines Reisepasses und Personalausweises – und dadurch auch sein Vorbringen - in Zweifel ziehen, oder die Aktualität bzw. inhaltliche Richtigkeit der von ihr selbst herangezogenen Länderberichte anzweifeln, so wird sie entsprechende Erhebungen im Wege einer überprüfbar im Akt dokumentierten Offenlegung des Inhalts der vom BF vorgelegten Dokumente, Videos und Soundfiles, allenfalls einer kriminaltechnischen Überprüfungen der Echtheit bzw. Unverfälschtheit der vorgelegten Dokumente sowie Recherchen über die behördeneigene Staatendokumentation oder unter Wahrung der Anonymität des BF über Vertrauensanwälte oder Verbindungsbeamten vor Ort veranlassen und den BF in weiterer Folge zum Ergebnis der Erhebungen zu befragen haben, wobei diesfalls auch die Ausführungen in der Beschwerdeschrift in Zusammenhang mit einer allfälligen posttraumatische Belastungsstörung des BF als Folge von Folter zu beachten sein werden.

2.4. Im gegenständlichen Fall erweist sich daher der angefochtene Bescheid des Bundesamtes und das diesem zugrundeliegende Verfahren in besonders gravierender Weise als mangelhaft. Die von der Behörde angestellten Ermittlungsergebnisse erweisen sich bereits mangels entsprechender nachvollziehbarer Feststellungen zum entscheidungsrelevanten Sachverhalt, indem sie das das Vorbringen des BF – offenbar in Verkennung der Rechtslage - gänzlich ignorieren, als völlig ungeeignet. Somit wäre aber der entscheidende Individualsachverhalt, welcher grundsätzlich von der belangten Behörde festzustellen ist, demnach nahezu zur Gänze erstmals durch das Verwaltungsgericht zu ermitteln. Da es das Bundesamt gänzlich verabsäumt hat, das Vorbringen des BF im Hinblick auf seine Glaubwürdigkeit nachvollziehbar zu überprüfen und auf dieser Grundlage entsprechende Feststellungen zu treffen, ist im Ergebnis davon auszugehen, dass die Behörde bloß ansatzweise ermittelt hat bzw. Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden, sodass vom Vorliegen besonders gravierender Ermittlungslücken auszugehen ist. Die Durchführung einer Verhandlung erscheint zudem unvermeidlich (vgl. dazu etwa VwGH 24.02.2015, Zl. Ra 2014/19/0050; VwGH 13.09.2016, Zl. 2016/01/0070).

Unter Berücksichtigung der unter Punkt II.2.2. zitierten Judikatur sowie unter Zugrundelegung des unter Punkt II.2.3. Ausgeführten wird die Behörde erstmals im Ergebnis geeignete und nachvollziehbare Ermittlungsergebnisse, die eine Abweisung begründen, nachzureichen, oder sonst aber dem BF den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen haben.

Besondere Gesichtspunkte, die aus der Sicht des Verwaltungsgerichts gegen eine Kassation des angefochtenen Bescheides sprechen würden, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. So können keine Anhaltspunkte dafür erkannt werden, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtes in der Sache im Interesse der Raschheit gelegen wäre. Das Verfahren würde durch eine Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht keine Beschleunigung erfahren, zumal es auch nicht als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde anzusehen ist und die Verwaltungsbehörde durch die bei ihr eingerichtete Staatendokumentation sowie dem schnelleren Zugang zu kriminaltechnischen Einrichtungen wesentlich rascher und effizienter die notwendigen Ermittlungen nachholen kann. Aus der Aktenlage ergeben sich weiters auch keine Hinweise, wonach die Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden wäre. Vielmehr ist angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde vom Gegenteil auszugehen.

2.5. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 leg. cit. kann eine Verhandlung entfallen, wenn u.a. bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen insbesondere zu den Punkten II.2.1. f. wiedergegeben. Insoweit die dort angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.