JudikaturBVwG

W284 2281854-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2025

Spruch

W284 2281854-1/38E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Schubhaftbeschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. USBEKISTAN, vertreten durch: RA Dr. Gregor KLAMMER, gegen die fortgesetzte Anhaltung des Beschwerdeführers aufgrund der mit Bescheid vom 13.11.2023, Zl. 23-0326, XXXX -232359522 verhängten Schubhaft ab Asylfolgeantragstellung am 14.11.2023, zu Recht:

A)

Die fortgesetzte Anhaltung des Beschwerdeführers ab Asylfolgeantragstellung am 14.11.2023 wird gemäß § 76 Abs. 6 FPG für rechtmäßig erklärt und die Beschwerde dagegen abgewiesen.

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 6 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das BVwG am 29.11.2023 die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit hg. Erkenntnis vom 29.11.2023 zu Zl. W284 2281854-1/23E, wies das Bundesverwaltungsgericht eine Schubhaftbeschwerde des Beschwerdeführers gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a BFA-VG als unbegründet ab (Spruchpunkt A.I.), stellte fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen (Spruchpunkt A.II.) und verpflichtete ihn zum Kostenersatz (Spruchpunkt A.III. und A.IV.), wobei der Beschwerdeführer dem Bund EUR 426,20 binnen Frist bei sonstiger Exekution zu ersetzen habe.

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2024, Ra 2023/21/0199-11, wurde das angefochtene Erkenntnis zu Spruchpunkt A.I., soweit damit die Beschwerde gegen die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft ab der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 14.11.2023 abgewiesen wurde und betreffend den Fortsetzungsausspruch in A.II. aufgehoben, wodurch auch der bezughabende Kostenausspruch (Spruchpunkten A.III. und A.IV.) fiel.

Das Bundesverwaltungsgericht ist – in Bindung an die Rechtsansicht des Veraltungsgerichtshofes – daher gehalten, neuerlich über die Verhängung der Schubhaft abzusprechen, wobei in diesem Rechtsgang nunmehr davon ausgegangen wird, dass der Beschwerdeführer am 14.11.2023 einen Asylfolgeantrag gestellt hat.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt) vom 27.10.2022 ( XXXX ) wurde unter anderem eine Rückkehrentscheidung gegen den Beschwerdeführer nach Usbekistan erlassen sowie ein Einreiseverbot gegen ihn ausgesprochen. Der Bescheid erwuchs am 05.12.2022 in Rechtskraft.

Über den Beschwerdeführer wurde am 13.11.2023 mit Mandatsbescheid des Bundesamtes (Zl. XXXX ) die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung nach Usbekistan verhängt.

Am 14.11.2023 stellte der Beschwerdeführer aus dem Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag. Er stellte diesen in Verzögerungsabsicht.

Der Beschwerdeführer wurde am 14.11.2023 niederschriftlich vernommen. Bei dieser Einvernahme unterdrückte er Identitätsdokumente (AS 17) und gab fälschlich an, solche nicht zu besitzen.

Am 28.11. und 29.11.2023 (Ordnungszahlen = OZ 18, 19, 25) verweigerte der Beschwerdeführer seine Unterschrift zwecks Zustellung von Schriftstücken, darunter ein hg. Schriftstück im Zuge des zu Zl. W284 2281854-1 geführten Schubhaftverfahrens.

Am 15.12.2023 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und reiste freiwillig nach Usbekistan aus (Ausreisebestätigung, OZ 36). Die Ausreise erfolgte mittels Identitätsdokument - seinem Reisepass.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes in Zusammenschau mit dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Dauer der Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Anhalte- und Vollzugsdatei.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer sein Identitätsdokument unterdrückte, beruht auf der Einsichtnahme in die am 14.11.2023 (AS 17ff.) im Zuge seiner Asylfolgeantragstellung aufgenommene Niederschrift. Damals wurde er dazu aufgefordert, Identitätsdokumente vorzulegen. Die Frage nach solchen, tat er mit den Worten „Ich habe nichts“ ab. Auf Nachfrage, weshalb das so sei, führte er schließlich aus, seinen Pass in Österreich „verloren“ zu haben. Dies sei bereits vor vier oder fünf Jahren der Fall gewesen. Der Beschwerdeführer zeichnete bereits durch den Umstand, dass er - unterstellt man seine eigenen Angaben Wahrheitsgehalt - seit mehreren Jahren nicht in Besitz eines Reisepasses wäre, sich aber offensichtlich trotz reger Reisetätigkeit nicht um einen neuen gekümmert hat, kein gutes Bild seiner Person. Bereits damals ging das Bundesverwaltungsgericht infolge der vagen Angaben zum angeblichen Verlust seines Reisedokumentes von einer gedanklichen Konstruktion aus und erblickte darin unkooperatives Verhalten des Beschwerdeführers. Zur damaligen Behauptung des Verlustes letztgültig im Widerspruch steht dann aber jedenfalls, dass er am 15.12.2023 freiwillig ausreiste – und zwar unter Beiziehung seines „verlorenen“ Reisepasses, wie die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Ausreisebestätigung ausweist (OZ 36). Somit bestätigt sich die eingängige Vermutung des Bundesverwaltungsgerichtes, wonach der Beschwerdeführer sehr wohl über ein Identitätsdokument verfügte, dieses aber schlichtweg vor der Behörde verborgen halten wollte/unterdrückte. Seine mangelnde Kooperationsbereitschaft zum Zeitpunkt der Einvernahme am 14.11.2023 erfuhr hierdurch ebenfalls Bestätigung.

Dass das Bundesverwaltungsgericht in der Asylfolgeantragstellung eine Verzögerungsabsicht erblickt, beruht auf folgenden Erwägungen: Der Beschwerdeführer wollte sich auf Baustellen Geld verdienen um in Usbekistan seinen geplanten Hausbau finanzieren zu können. Hierbei durften seine eigenen Angaben zugrunde gelegt werden. Eine Asylantragstellung bezweckt Schutz vor Verfolgung, sie dient hingegen nicht dazu, in Österreich eine illegale Beschäftigung aufzunehmen um den Hausbau im Herkunftsstaat zu finanzieren. Dies muss umso mehr für eine Asylfolgeantragstellung, die nicht nur im Erlass einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung, sondern mit der Verhängung eines Einreiseverbotes endete, gelten. Dass der Beschwerdeführer hierbei zudem ein Unrechtsbewusstsein hat (vgl. AS 21: „LA: Sie dürfen nicht in Österreich arbeiten. VP: Ja, ich weiß.“), trägt bereits die Feststellung zur Verzögerungsabsicht seiner Folgeantragstellung am 14.11.2023.

Auch seine Verweigerung der Annahme zweier Schriftstücke am 28.11. und 29.11.2023 legt dar, dass der Beschwerdeführer bestrebt ist, das zu Unrecht (weil aus Gründen der illegalen Beschäftigung und nicht zum Schutz vor Verfolgung) angestrengte Verfahren mutwillig zu behindern/verzögern. Gerade die Verweigerung der Annahme eines Schriftstückes des Bundesverwaltungsgerichtes – noch dazu im damals noch offenen Schubhaftverfahren – zeigt klar auf, dass der Beschwerdeführer (auch) im Zeitraum ab Folgeantragstellung kooperationsunwillig war.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit gemäß § 6 BVwGG vor.

Zu A)

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2024, Ra 2023/21/0199-11, wurde das angefochtene Erkenntnis zu Spruchpunkt A.I., soweit damit die Beschwerde gegen die Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft ab der Stellung des Antrages auf internationalen Schutz am 14. November 2023 abgewiesen wurde und betreffend den Fortsetzungsausspruch in A.II. aufgehoben, wodurch auch der bezughabende Kostenausspruch (Spruchpunkten A.III. und A.IV.) fiel. Dagegen erfuhr die Abweisung der Schubhaftbeschwerde im Hinblick auf den Schubhaftbescheid vom 13.11.2023 und die darauf gegründete Anhaltung bis zur Folgeantragstellung Bestätigung, indem die Revision in diesem Umfang zurückgewiesen wurde.

Es gilt somit den Zeitraum ab Folgeantragstellung am 14.11.2023 neuerlich zu untersuchen:

§ 76 Abs 6 FPG lautet:

„Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Bei Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 76 Abs. 6 FPG (wobei die höchstgerichtliche Judikatur zum inhaltsgleichen § 76 Abs. 6 FrPolG 2005 heranzuziehen ist) darf vor allem berücksichtigt werden, ob der nunmehrige Asylwerber schon früher Gelegenheit gehabt hätte, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, weil diese Tatsache nach Art. 8 Abs. 3 lit. d der Aufnahme-RL ausdrücklich zu den objektiven Kriterien für die Annahme einer Verzögerungs- oder Vereitelungsabsicht zählt (vgl. VwGH 15.12.2020, Ra 2020/21/0079). Indizien für eine solche Missbrauchsabsicht können somit insbesondere sein, dass es keine Rechtfertigung dafür gibt, den Antrag trotz früherer Gelegenheit erst zu diesem (späten) Zeitpunkt zu stellen oder dass die Begründung des Antrags ihn von vornherein aussichtslos erscheinen lässt oder dass im Falle der wiederholten Antragstellung keine maßgeblichen Sachverhaltsänderungen ins Treffen geführt werden (vgl. VwGH 18.2.2021, Ra 2021/21/0025).

Im vorliegenden Fall lässt sich die festgestellte Missbrauchsabsicht sohin anschaulich darstellen, lag doch bereits seit Bescheiderlassung am 27.10.2022, welcher am 05.12.2022 in Rechtskraft erwuchs, eine aufrechte Rückkehrentscheidung – samt Einreiseverbot - gegen den Beschwerdeführer vor. Der Beschwerdeführer hatte demnach etwa ein Jahr Zeit und somit Gelegenheit, einen neuen Antrag zu stellen, machte von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch. Just als am 13.11.2023 die Schubhaft über ihn verhängt wurde, stellte er am 14.11.2023, aus dem Stande der Schubhaft, den gegenständlichen Folgeantrag.

Bereits hierdurch ist die auch vom Bundesamt erkannte Missbrauchsabsicht als erfüllt anzusehen.

Das BVwG, welches zu klären hat, ob die Heranziehung des § 76 Abs. 6 FPG aus damaliger Sicht, sprich bei Umstellung von zuvor § 76 Abs. 2 Z 2 FPG auf den Schubhafttatbestand nach § 76 Abs. 6 FPG, rechtens war, kommt daher zum selben Ergebnis, dass die Voraussetzungen bereits bei der Umstellung des Bundesamts auf den nunmehrigen Schubhafttatbestand vorgelegen haben.

Fallbezogen sollte zudem nicht unerwähnt gelassen werden, dass auch das Verhalten des Beschwerdeführers (vgl. Rz26 in Ra 2021/21/0025, wonach die Prüfung der in § 76 Abs. 6 genannten Missbrauchsabsicht zumindest einer Grobprüfung bedarf, aus der sich Schlüsse auf die Motivation der Folgeantragstellung ableiten lassen), der seinen Reisepass im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme am 14.11.2023 fälschlich als „verloren“ ausgab und somit bewusst unterdrückte, die Missbrauchs-, bzw. Verzögerungsabsicht des Beschwerdeführers bezeugt.

Das BVwG hat nach der Beurteilung des Zeitraumes nach Stellung des Folgeantrages auch noch einen Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG zu treffen und deshalb zu beurteilen, ob auch im Zeitpunkt seiner Entscheidung, somit am 29.11.2023, noch vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 76 Abs. 6 FPG auszugehen war, wobei hierbei auch auf Umstände Bedacht genommen werden darf, die sich erst nach der Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG durch das BFA ereignet haben (vgl. dazu VwGH 11.04.2024, Ra 2022/21/0169). Der Beschwerdeführer unterdrückte einerseits seinen Reisepass, nahm aber andererseits auch ein Schriftstück im Zuge des laufenden Schubhaftverfahrens nicht entgegen, indem er am 28.11.2023 seine Unterschrift verweigerte, wodurch er seine mangelnde Kooperation und Verzögerungsabsicht neuerlich bekräftigte. Vor diesem Hintergrund lag somit auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das BVwG weiterhin Verzögerungsabsicht vor.

Der Fortsetzungsausspruch gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG stellt einen eigenen Schubhafttitel dar (VwGH 27.9.2023, Ro 2022/21/0001). Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht folgt vielmehr dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27.06.2024, Ra 2023/21/0199-11.

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