Spruch
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer über die Beschwerde von XXXX geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag. Hela Ayni-Rahmanzai, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.12.2023, Zahl 1066137804/231156453, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 der Status der Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 Asylgesetz 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
1. Verfahrensgang:
1.1. Vorverfahren:
1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär in Österreich ein und stellte am 25.04.2015 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.1.2. Am 26.04.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.
1.1.3. Am 19.05.2015 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er seine Freundin in Afghanistan habe heiraten wollen und deshalb seine Mutter zu ihrer Familie geschickt habe, um um ihre Hand anzuhalten. Ihre Familie sei jedoch gegen die Bindung gewesen und habe gemeint, dass er arm sei und außerdem eine Sprachbehinderung habe. Der Vater seiner Freundin habe sie zusammen gesehen und seine Freundin daraufhin geschlagen und habe sie mit einem anderen, älteren Mann verheiraten wollen. Da seine Freundin das nicht gewollt habe, habe der BF gemeinsam mit der Freundin Afghanistan verlassen. Sie hätten aus Angst, erwischt zu werden, noch nicht geheiratet. Sie hätten vorgehabt, zu einem Mullah zu gehen. Im Iran hätten sie Angst gehabt, vom Vater der Freundin bzw. vom „alten Mann“ gefunden zu werden, weshalb sie den Iran verlassen hätten.
1.1.4. Mit Bescheid des BFA vom 04.10.2016 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihm gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte bis zum 04.10.2017 gemäß § 8 Abs. 4 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.).
1.1.5. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) erhoben.
1.1.6. Das BVwG führte am 20.12.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF im Beisein seiner Vertreterin zu seinen Fluchtgründen, zu seinen Rückkehrbefürchtungen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde.
1.1.7. Mit Erkenntnis des BVwG vom 11.04.2019, Zahl W169 2140320-1/12E, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG als unbegründet abgewiesen.
1.1.8. Mit Bescheiden des BFA wurden ihre befristeten Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 4 AsylG laufend verlängert.
1.2. Gegenständliches Verfahren (Folgeantrag):
1.2.1 Der BF stellte am 16.06.2023 den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG.
1.2.2. Am 18.06.2023 Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.
1.2.3. Am 20.09.2023 wurde der BF vor dem BFA im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab der BF an, dass er den Folgeantrag aufgrund seiner Familie gestellt habe. Er habe Angst, dass bei einer Rückkehr nach Afghanistan seine Töchtern als Frauen ein schlechtes Leben erwarte. Er wünsche sich, dass seine Kinder hier leben, lernen und arbeiten könnten.
1.2.4. Mit Bescheid des BFA vom 18.12.2023 wurde sein Folgeantrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen.
Das BFA traf herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage in Afghanistan und begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der BF bloß vorgebracht habe, dass seine Lebensgefährtin und seine Kinder in Österreich einen besseren Bildungsstandard als in Afghanistan genießen würden sowie in Österreich eine Möglichkeit bestehe, einer Arbeit nachzugehen. Zusammenfassend habe keine asylrelevante Verfolgung festgestellt werden können, zumal der BF keine direkte, seine Person betreffende Verfolgung habe glaubhaft machen können.
1.2.5. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde an das BVwG erhoben und im Wesentlichen Verletzung der Ermittlungspflicht, Verletzung der Begründungspflicht und inhaltliche Rechtswidrigkeit gerügt.
1.2.6. Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden vom BFA vorgelegt und sind am 13.03.2024 beim BVwG eingelangt.
1.2.7. Das BVwG teilte dem BF mit Schreiben vom 20.11.2024 mit, dass beabsichtigt sei, ohne Durchführung einer Beschwerdeverhandlung zu entscheiden, und räumte dem BF zur Wahrung des Parteiengehörs eine Frist von 14 Tagen ein, um eine allfällige nötige Korrektur personenbezogener Daten mitzuteilen und allfällige sonstige verfahrensrelevante Angaben zu machen, andernfalls nach Aktenlage zu entscheiden sei.
1.2.8. Am 28.11.2024 brachte der BF mit Schreiben seiner Vertreterin vor, dass keine Korrektur der personenbezogenen Daten notwendig sei.
2. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):
Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt aus:
Der BF ist afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken. Er bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam.
Der BF wurde im Dorf XXXX , Distrikt Jalrez, Provinz Maidan Wardak, Afghanistan geboren und lebte zwei Jahre nach seiner Ausreise aus Afghanistan im Iran. Er besuchte im Herkunftsstaat keine Schule und arbeitete im familieneigenen Obstgarten.
Der BF reiste aus Afghanistan aus und nach zweijährigem Aufenthalt im Iran über mehrere Länder nach Europa, wo er am 25.04.2015 in Österreich seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz stellte. Er stellte nach rechtskräftiger Erledigung am 16.06.2023 den gegenständlichen Folgeantrag.
Der BF ist der Vater der minderjährigen XXXX , der mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag, W191 2140322-2/4E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
3. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und zur Volksgruppen- sowie Religionszugehörigkeit des BF ergeben sich aus seinen diesbezüglich übereinstimmenden und glaubhaften Angaben in der Erstbefragung und vor dem BFA.
Die Feststellung zur Ausreise aus Afghanistan und zur Weiterreise nach Österreich ergibt sich aus den Angaben des BF in der Erstbefragung und vor dem BFA. Die Daten der Erstantragstellung sowie der Folgeantragstellung ergeben sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass es sich beim BF um den Vater der minderjährigen XXXX handelt, gründet sich auf den glaubhaften Angaben des BF sowie seiner Ehefrau.
Dass der Tochter des BF mit Erkenntnis vom 20.01.2025 gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status einer Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergibt sich aus dem Gerichtsakt zu W191 2140322-2/4E.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.
4. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Im vorliegenden Fall liegt ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG bezüglich der Verfahren des BF und seiner minderjährigen Tochter vor.
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist Familienangehöriger der Elternteil eines minderjährigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten; der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat; ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten und der gesetzliche Vertreter eines minderjährigen ledigen Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten sowie ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind, für das einem Asylwerber, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten die gesetzliche Vertretung zukommt, sofern die gesetzliche Vertretung jeweils bereits vor der Einreise bestanden hat.
Gemäß § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG hat die Behörde aufgrund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn dieser nicht straffällig geworden ist und gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.
Der Ehefrau des BF wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag zu W191 2140323-2/4E, gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt, jedoch kommt sie als Ankerperson für die Asylgewährung nicht in Frage, da die Ehe erst nach der Einreise in das Bundesgebiet geschlossen wurde und die Ehefrau somit nicht Familienangehörige des BF im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 22 lit. b AsylG ist.
Der minderjährigen Tochter des BF wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag zu W191 21403222/4E gemäß § 3 Abs. 1 AsylG der Status der Asylberechtigten zuerkannt und gemäß § 3 Abs. 5 AsylG festgestellt, dass ihr kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Da ihr der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ist gemäß § 34 Abs. 2 AsylG auch dem BF der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, zumal keine Sachverhaltselemente, die unter einen der Tatbestände des § 34 Abs. 2 Z 1 und 3 AsylG zu subsumieren wären, erkennbar sind.
Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder aufgrund eines Antrages auf internationalem Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Der Beschwerde ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 34 Abs. 2 AsylG stattzugeben und festzustellen, dass dem BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint. Das ist im vorliegenden Fall gegeben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.