JudikaturBVwG

G303 2283676-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
20. Januar 2025

Spruch

G303 2283676-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert REITER als Beisitzer über die Beschwerde der XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Divitschek Sieder Sauer Peter Rechtsanwälte GesbR, Raiffeisenstraße 3/II. Stock, 8530 Deutschlandsberg, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 11.12.2023, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 05.10.2023 über die Zentrale Poststelle des Sozialministeriumservice beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neuausstellung ihres befristeten Behindertenpasses wegen Ungültigkeit sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Den Anträgen waren medizinische Beweismittel sowie eine Kopie des bis zum 31.01.2024 befristeten Behindertenpasses und Parkausweises angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , Facharzt für Chirurgie, vom 03.11.2023, (vidiert am 04.11.2023 von Dr. XXXX ), wurden, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF am selben Tag, folgende Funktionseinschränkungen festgestellt:

- Zustand nach Bauchdeckennekrose mit Defektdeckung

- Zustand nach Darmteilresektion

- Zustand nach Haut-Weichteillappenhebung und Spalthautdeckung vom Oberschenkel rechts.

- Zustand nach Latisimus-dorsi-Lappenhebung und Transplantation

Der Gesamtgrad der Behinderung sei mit 70 v.H. ermittelt worden.

Zur beantragten Zusatzeintragung wurde ausgeführt, dass zwischenzeitig ein Zustandsbild und eine Funktionalität betreffend die unteren Extremitäten dermaßen erreicht sei, dass das Zurücklegen kurzer Wegstrecken möglich sei. Von Seiten der oberen Extremitäten zeige sich eine Situation dermaßen, dass die Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel gegeben sei. Das Gleiche gelte für den sicheren Transport.

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 15.11.2023 wurde der BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht. Laut dem beiliegenden ärztlichen Sachverständigengutachten sei der BF die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Die Ausstellung eines Parkausweises sei daher nicht möglich. Zudem wurde der BF die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.

3.1. Mit Schreiben vom 23.11.2023, bei der belangten Behörde eingelangt am 04.12.2023, gab die BF im Rahmen ihres Parteiengehörs zusammengefasst an, dass sich ihre Situation nicht verbessert habe. Im März sei ihr der linke Rückenmuskel auf ihren Bauch transplantiert worden. Jetzt fehle ihr nicht nur der rechte Oberschenkel (Muskel), sondern auch der Rückenmuskel. Diese Muskeln hätten am Bauch keine Funktion, sondern würden nur der Deckung dienen. Die BF könne nicht einfach Treppen steigen und sie könne sich auch nicht mit der linken Hand hochziehen, wenn sie öffentliche Verkehrsmittel benutze. Sie sei nach 39 Operationen sehr oft im LKH XXXX zur Kontrolle, wobei sie ohne Parkausweis sehr weit weg von der Ambulanz parken müsse. Ihr gesundheitlicher Zustand lasse sich leider nicht mehr verbessern und ihr tägliches Leben sei sehr schwierig. Es wurde ein Ärztlicher Entlassungsbrief des LKH- XXXX , vom 22.11.2023 als Beweismittel in Vorlage gebracht.

4. Die belangte Behörde beauftragte aufgrund der im Rahmen des Parteiengehörs erstatteten Einwendungen der BF den ärztlichen Sachverständigen Dr. XXXX , Facharzt für Chirurgie, mit der Erstattung einer medizinischen Stellungnahme.

4.1. In der eingeholten medizinischen Stellungnahme von Dr. XXXX von 11.12.2023, wurde festgehalten, dass nach nochmaliger Durchsicht des Sachverständigengutachtens sich keine Änderung ergebe. Nach seiner Einschätzung sei der BF das Zurücklegen kurzer Wegstrecken möglich. Das gleiche gelte für die Erreichbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel und den sicheren Transport.

5. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 11.12.2023 wurde der BF das Ergebnis des medizinischen Beweisverfahrens nochmals mitgeteilt. Danach betrage der Grad der Behinderung 70 %. Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen „Gesundheitsschädigung gem. § 2 Abs 1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“, und „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist TrägerIn einer Orthese“, würden vorliegen. Der Behindertenpass werde unbefristet ausgestellt.

5.1. Mit weiterem Schreiben der belangten Behörde vom 13.12.2023 wurde der BF der Behindertenpass im Scheckkartenformat übermittelt.

6. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 11.12.2023 wurde der Antrag der BF vom 05.10.2023 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen.

Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Danach würden die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung nicht vorliegen. Das Gutachten sowie die Stellungnahme von Dr. XXXX wurden zum Bestandteil der Begründung des Bescheides erklärt und die Stellungnahme wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen.

In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert. Des Weiteren wurden die maßgeblichen Kriterien, welche entsprechend der VwGH-Judikatur für die gegenständliche Zusatzeintragung relevant sind, angeführt.

7. Gegen diesen Bescheid erhob die BF mit Schriftsatz ihres rechtsfreundlichen Vertreters vom 21.12.2023 fristgerecht Beschwerde. Es wurde beantragt, den Bescheid zu beheben und dahingehend abzuändern, dass die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass der BF bewilligt werde. Zur Untermauerung ihres Vorbringens wurden weitere Urkunden vorgelegt (vorbereitender Schriftsatz vom 14.12.2023 im Verfahren des LGZ XXXX ; Therapieplan bzw. Bestätigung von XXXX vom 02.11.2022).

Begründend wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die BF aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers dauerhaft körperlich eingeschränkt und behindert sei, insbesondere auch hinsichtlich ihrer Mobilität. Der BF seien am rechten Oberschenkel maßgebliche Teile des Muskels entfernt worden, um wenigstens in einem geringen Ausmaß die nicht mehr vorhandene Bauchmuskulatur zu ersetzen. Dadurch sei es insbesondere hinsichtlich der Mobilität zu einer wesentlichen Einschränkung der Funktion des rechten Beines bzw. allgemein der Mobilität gekommen. Da die BF über keine relevante Bauchmuskulatur mehr verfüge, benötige sie bei all jenen Tätigkeiten, für die eine Bauchmuskulatur notwendig sei, erhebliche Hilfe bzw. könne diese nur teilweise verlangsamt und mit großem Aufwand ausüben. Dies reiche vom Stuhlgang bis zur Schwierigkeit des Treppensteigens oder Überwindung sonstiger Hindernisse (steile Stufen zB Bus/Zug). Die BF habe auch bei der Untersuchung mitgeteilt, dass sie Probleme beim Aussteigen aus dem Auto habe, da sie sich nicht herausschlängeln könne, sondern die Tür ganz aufmachen müsse. Sie benötige auch bei normaler Kfz-Benützung Unterstützung, und bestehe typischerweise bei Behindertenparkplätzen eine breitere Zu- und Ausgangsmöglichkeit. Die BF könne aufgrund dieser bleibenden Behinderung kaum Fahrnisse über 2-3 kg tragen und benötige hierbei Unterstützung bzw. auch bei diversen Stufen, die bei Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn, Bus etc.) üblicherweise bestehen. Auch kurze Wegstrecken von über 300 m seien ihr aus eigener Kraft kaum möglich zu gehen bzw. nur erschwert. Dazu komme noch, dass aufgrund des angegriffenen Gesundheitszustandes bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel die Gefahr der Übertragung von Infektionskrankheiten bestehe. Auch die diversen von der BF ständig zu nehmenden Medikamente (Thyrex, Seroquel, Cipralcx) würden die obgenannten Problemstellungen im Bereich der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bestätigen. Auch in psychischer Hinsicht müsse sich die BF einer ständigen Behandlung unterziehen, insbesondere habe die BF bislang 39 teils lebensbedrohliche Operationen zu erdulden gehabt.

8. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 04.01.2024 vorgelegt.

9. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der medizinischen Begutachtung der BF und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.

9.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 06.09.2024, werden, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF am 22.07.2024, im Wesentlichen folgende Funktionseinschränkungen festgehalten:

- Zustand nach Bauchdeckennekrose mit Defektdeckung, komplikationsreich, zahlreichen Operationen, hochgradig eingeschränkter muskulärer/Stützfunktion, notwendige Miederversorgung, Lymphödem der linken unteren Extremität mitberücksichtigt, ebenso die kosmetische Beeinträchtigung und die psychische Begleitkomponente

- Zustand nach Darmteilresektion mit zahlreichen Verwachsungen und Verdauungsproblemen

- Zustand nach Haut-Weichteillappenhebung und Spalthautdeckung vom rechten Oberschenkel mit ausgeprägter muskulärer Dysfunktion und Gangerschwernis

- Zustand nach Latissimus-Dorsi-Lappenhebung von links und Transplantation mit Verwachsungen/Verklebungen und eingeschränkter Hebefunktion der oberen Extremitäten (links mehr als rechts)

Zur beantragten Zusatzeintragung wurde ausgeführt, dass es durch die letzten Operationen und im Verlauf trotz diverser Therapien zu keinerlei Mobilitätsverbesserung gekommen sei.

Es bestehe eine erhebliche Gangerschwernis durch irreversible muskuläre Funktionseinbußen seitens der rechten unteren Extremität mit Gangunsicherheit, eine eingeschränkte Rumpfstabilität, eine zusätzliche Erschwernis durch das Lymphödem der linken unteren Extremität und eine Bewegungseinschränkung der oberen Extremitäten links mehr als rechts. Dem Gesamtbild entsprechend sei das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Überwinden der für öffentliche Verkehrsmittel üblichen Niveauunterschiede (somit das Ein- und Aussteigen) sowie der sichere Transport nicht zumutbar bzw. gewährleistet.

Zum Gangbild der BF wurde ausgeführt, dass eine Gangunsicherheit bei fehlender Ansteuerung der rechten unteren Extremität und eine Zirkumduktion der rechten unteren Extremität bestehen würde. Das Aufstehen sei nur mit Abstützen möglich. Einbeinstand, Zehenspitzen- und Fersengang seien nicht durchführbar.

10. Das Ergebnis des medizinischen Beweisverfahrens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 12.09.2024 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

10.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 70 von Hundert.

Die BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

- Zustand nach einer komplikationsreichen Bauchdeckennekrose mit Defektdeckung, zahlreichen Operationen, hochgradig eingeschränkter muskulärer Stützfunktion mit notwendiger Miederversorgung, Lymphödem der linken unteren Extremität, kosmetische Beeinträchtigung und psychische Begleitkomponente

- Zustand nach Darmteilresektion mit zahlreichen Verwachsungen und Verdauungsproblemen

- Zustand nach Haut-Weichteillappenhebung und Spalthautdeckung vom rechten Oberschenkel mit ausgeprägter muskulärer Dysfunktion und Gangerschwernis

- Zustand nach Latissimus-Dorsi-Lappenhebung von links und Transplantation mit Verwachsungen/Verklebungen und eingeschränkter Hebefunktion der oberen Extremitäten (links mehr als rechts)

Die Mobilität ist bei der BF aufgrund ihres Gesamtleidenszustandes nach einer komplikationsreichen Bauchdeckennekrose mit Defektdeckung und zahlreichen Operationen erheblich eingeschränkt. Es bestehen irreversible muskuläre Funktionseinbußen seitens der rechten unteren Extremität, eine eingeschränkte Rumpfstabilität sowie eine erhebliche Gangerschwernis. Zusätzlich wird die Gesamtmobilität der BF durch das Lymphödem der linken unteren Extremität sowie durch die Bewegungseinschränkung der beiden oberen Extremitäten eingeschränkt.

Bei der BF liegt aufgrund der fehlenden Ansteuerung der rechten unteren Extremität sowie aufgrund einer Zirkumduktion bei der rechten unteren Extremität (Bewegen des Fußes beim Vorwärtsgehen in einem Bogen statt auf einer geraden Linie) eine Gangunsicherheit vor.

Die BF ist nicht in der Lage eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300 – 400 Metern selbständig zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus einem öffentlichen Verkehrsmittel ist zügig nicht möglich.

Aufgrund ihres Gesamtleidenszustandes ist ein sicherer Transport der BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen nicht gewährleistet, insbesondere besteht auch eine eingeschränkte Hebefunktion der oberen Extremitäten, wodurch ein sicheres Anhalten im öffentlichen Verkehrsmittel nicht gewährleistet ist.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum der BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Im seitens des erkennenden Gerichts eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 06.09.2024, welches auf einer persönlichen Untersuchung der BF basiert, wurde auf die Art der Leiden der BF und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Feststellungen diesbezüglich gründen sich darauf.

Aus dem Gutachten lässt sich insbesondere entnehmen, dass bei der BF ein Gesamtleidenszustand nach Bauchdeckennekrose mit komplikationsreichen Verlauf sowie zahlreichen Operationen vorliegt. Durch die dadurch notwendigen Spalthaut- und Muskelimplantationen entstanden irreversible muskuläre Funktionseinbußen seitens der rechten unteren Extremität, die eine erhebliche Gangerschwernis sowie eine eingeschränkte Rumpfstabilität zur Folge haben. Dieser Zustand wird zusätzlich durch das Lymphödem bei der linken unteren Extremität und der Bewegungseinschränkung bei den oberen Extremitäten erschwert.

Im Rahmen der persönlichen Begutachtung durch Dr. XXXX wurde im klinischen Status erhoben, dass bei der BF aufgrund fehlender Ansteuerung eine Gangunsicherheit mit Zirkumduktion vorliegt. Die diesbezüglich getroffenen Feststellungen basieren darauf.

Daher wurde festgestellt, dass die BF nicht in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) zurückzulegen. Es handelt sich aus Sicht der Sachverständigen dabei um einen Dauerzustand.

Des Weiteren wurde im Gutachten ausdrücklich festgehalten, dass es der BF nicht möglich ist, sicher in bzw. aus einem öffentlichen Verkehrsmittel ein- und auszusteigen.

Aus Sicht des erkennenden Senates ist aufgrund der vorliegenden Gesamtfunktionseinschränkung der sichere Transport der BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel insgesamt nicht gewährleistet.

Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 06.09.2024, wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Die Parteien erstatteten keinerlei Stellungnahme dazu. Das eingeholte Sachverständigengutachten blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten und wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden eindeutigen Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind entsprechend der Erläuterungen der oben angeführten Verordnung ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Bei der BF liegt durch den Zustand nach Bauchdeckennekrose mit Defektdeckung und zahlreichen komplikationsreichen Operationen sowie durch den Zustand nach Spalthaut- und Muskelimplantationen eine erhebliche, dauerhafte Mobilitätseinschränkung vor.

Durch die irreversiblen muskulären Funktionseinbußen im Bereich der rechten unteren Extremität besteht eine erhebliche Einschränkung der Funktionen der rechten unteren Extremität im Sinne des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, da dadurch eine erhebliche Gangerschwernis vorliegt.

Zusätzlich wirken sich das Lymphödem der linken unteren Extremität und die eingeschränkte Hebefunktion der oberen Extremitäten erschwerend auf die ohnedies erheblich eingeschränkte Mobilität der BF aus.

Die BF verfügt auch nicht über die Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel insgesamt sicher zu benützen, insbesondere ist ihr ein zügiges Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar. Zudem ist die BF nicht in der Lage eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300 bis 400 Metern selbständig zurückzulegen.

Da die BF Inhaberin eines Behindertenpasses ist, liegen insgesamt die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass jedenfalls vor.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

Vollständigkeitshalber wird angemerkt, dass nunmehr die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung des beantragten Parkausweises nach § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) mit der gegenständlichen Entscheidung vorliegen. Die belangte Behörde wird daher in weiterer Folge auch über den noch offenen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO zu entscheiden haben.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Rückverweise