Spruch
G303 2285258-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert REITER als Beisitzer über die Beschwerde der minderjährigen XXXX , geboren am XXXX , gesetzlich vertreten durch XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 13.12.2023, OB: XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass befristet bis zum 31.01.2030 vorliegen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die minderjährige Beschwerdeführerin (im Folgenden: die BF) brachte durch ihre gesetzliche Vertreterin am 15.05.2023 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Dem Antrag waren medizinische Befunde angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 10.07.2023, wurde, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der minderjährigen BF am selben Tag, folgende Funktionseinschränkung festgestellt:
Trisomie 21 – Down-Syndrom entsprechend dem Erscheinungsbild mit typischer Morphe und den dabei zu erwartenden Entwicklungsstörungen; derzeit gering ausgeprägt
Es wurde eine Nachuntersuchung im Mai 2038 zwecks Neubewertung zur Vollendung des 18. Lebensjahres angeregt.
Zur beantragten Zusatzeintragung wurde ausgeführt, dass keine Einschränkungen des Bewegungsapparates, des Herzkreislauf- oder Lungensystems oder der Psyche in der Weise vorhanden seien, dass ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln aus eigener Kraft nicht zumutbar wäre. Die Gelenksbeweglichkeit der Beine lasse das Ein- und Aussteigen bzw. das Überwinden der üblichen Niveauunterschiede zu. Das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 bis 400 Metern – allenfalls unter Verwendung eines Hilfsmittels - sei möglich und Haltegriffe könnten benützen werden. Eine hochgradige cardiopulmonale Einschränkung liege nicht vor. Die BF sei ein dreijähriges Mädchen; Kinder dieser Altersgruppe seien generell in der Mobilität wie auch im alltäglichen Leben auf intensive Unterstützung und Begleitung durch Erwachsene angewiesen.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 18.07.2023 wurde der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen BF das Ergebnis der Beweisaufnahme zur Kenntnis gebracht und mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die beantragten Zusatzeintragungen „Der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“ sowie „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht erfüllt seien.
Es wurde der BF die Möglichkeit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung eine schriftliche Stellungnahme einzubringen.
3.1. Mit E-Mail vom 27.07.2023 bzw. vom 02.08.2023 ersuchte die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen BF um Fristerstreckung für die Erstattung einer Stellungnahme bis zum 15.09.2023.
3.2. Mit Schreiben vom 11.09.2023, bei der belangten Behörde eingelangt am 13.09.2023, gab die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen BF im Rahmen des Parteiengehörs im Wesentlichen an, dass bei ihrer Tochter (BF) Trisomie 21 diagnostiziert worden sei. Das Verhalten ihrer Tochter weiche deutlich vom Verhalten anderer Kinder ihres Alters ab. Die geistige Entwicklung der BF sei nicht wie die eines anderen dreieinhalbjährigen Kindes. In einem öffentlichen Verkehrsmittel würde die BF nicht sitzen bleiben, sie würde am Sitz aufstehen und vom Platz weggehen wollen. Ihren Unmut würde sie aufgrund ihrer fehlenden sprachlichen Kompetenzen mit Weinen, Zwicken, und sich Winden zum Ausdruck bringen. Sie werde immer stärker und mittlerweile sei es unmöglich sie im Stehen einhändig zu kontrollieren. Eine Tätigkeit wie zum Beispiel stehend im Bus ein Ticket zu bezahlen werde so unmöglich. Die BF würde sich nicht an einem Haltegriff festhalten, sie würde einfach umfallen, vom Sitz fallen oder gegen eine Scheibe schlagen. Sie würde an den Haaren anderer Fahrgäste reißen, die Habseligkeiten anderer begutachten und sich herumliegenden Müll in den Mund stecken. Die Mutter der BF wäre permanent gezwungen, die BF festzuhalten. Diese extreme Belastung und die hohe Verletzungsgefahr würden zur absoluten Vermeidung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen und folglich auch zur sozialen Isolation. Die minderjährige BF sei mittlerweile 39 Monate alt und in ihren intellektuellen Fähigkeiten erheblich eingeschränkt. Es wurde ein Entwicklungsbericht des Familienentlastungsdienstes vom 19.12.2022 im Rahmen dieses Parteiengehörs in Vorlage gebracht.
4. Die belangte Behörde ersuchte aufgrund der gemachten Einwendungen der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen BF und des neu vorgelegten Beweismittels die ärztliche Sachverständige XXXX um Erstattung eines weiteren medizinischen Sachverständigengutachtens.
4.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 17.10.2024 (vidiert am 20.10.2023 von Dr. XXXX ), wurde aufgrund der Aktenlage festgehalten, dass der neu vorgelegte Entwicklungsbericht vom 19.12.2023 in die Stellungnahme einfließe. Es würden sich jedoch zum Vorgutachten keine wesentlichen Änderungen bezüglich der Einschätzung ergeben. Die BF sei ein lebhaftes Kind und ihre Betreuung sei für die alleinerziehende Mutter sicherlich oft herausfordernd. Ein Kleinkind sei nicht in der Lage sich selbständig im öffentlichen Raum zu orientieren und zu bewegen, Gefahren zu erkennen und könne auch nicht für die eigene Sicherheit sorgen.
Die medizinischen Ausführungen zur beantragten Zusatzeintragung wurden aus dem Vorgutachten vom 10.07.2023 übernommen.
5. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde vom 13.12.2023 wurde der Antrag der BF vom 15.05.2023 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen.
Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das Ergebnis des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Danach würden die Voraussetzungen für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung nicht vorliegen. Das Aktengutachten von Dr. XXXX vom 17.10.2023 wurde dem angefochtenen Bescheid als Beilage angeschlossen.
In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zitiert. Des Weiteren wurden die maßgeblichen Kriterien, welche entsprechend der VwGH-Judikatur für die gegenständliche Zusatzeintragung relevant sind, angeführt.
6. Gegen diesen Bescheid erhob die gesetzliche Vertreterin der minderjährigen BF mit Schreiben vom 10.01.2024 fristgerecht Beschwerde.
Beschwerdebegründend gab die gesetzliche Vertreterin zusammengefasst an, dass sich in Zusammenhang mit der Behinderung ihrer Tochter (minderjährige BF) erhebliche Einschränkungen und Herausforderungen im Alltag ergeben würden. Die Sachverständige sei nicht auf ihre im Rahmen des Parteiengehörs eingebrachten Stellungnahme eingegangen. Auch der Entwicklungsbericht zur Familienentlastung vom 19.12.2022 sei nur in einem Satz angemerkt worden. Die Mutter und gesetzliche Vertreterin der minderjährigen BF verweise abermals darauf, dass die beantragte Zusatzeintragung gemäß der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und Parkausweisen bereits ab dem vollendeten 36. Lebensmonat möglich sei. Das Verhalten der minderjährigen BF weiche aufgrund der Behinderung deutlich von dem Verhalten anderer Kinder ab. Die BF verweise dazu auf die Stellungnahme vom 11.09.2023, welche unter Pkt. I.3.2 im Verfahrensgang angeführt wurde. Zur Beschwerde werde ein neuer Entwicklungsbericht des Familienentlastungsdienstes nach Erhalt nachgereicht. Es wird um Aufhebung des Abweisungsbescheides und Zuerkennung der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ ersucht.
7. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 26.01.2024 vorgelegt.
8. Am 02.04.2024 wurde der Entwicklungsbericht der XXXX vom 06.03.2024 nachgereicht.
9. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichtes Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der medizinischen Begutachtung der minderjährigen BF und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt.
9.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 12.06.2024, wurde, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der BF am 28.05.2024, folgende Funktionseinschränkung festgestellt:
- Trisomie 21 (Down-Syndrom, genetisch bestätigt) mit globalem Entwicklungsrückstand (Schwerpunkt im Bereich des Sprechens und der Sprache) und Verhaltensstörung
Zu beantragten Zusatzeintragung wurde festgehalten, dass erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen vorliegen würden. Eine kurze Wegstrecke könne nicht selbständig zurückgelegt werden, das Ein- und Aussteigen bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe sowie ein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen sei nicht möglich. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln sei nicht zumutbar.
Eine Nachuntersuchung in fünf Jahren zwecks neuerlicher Evaluation der Zusatzeintragung werde empfohlen, da eine Besserung der Compliance und Verkehrstauglichkeit durch fortlaufende Therapien, Förderungen und Nachreifung wahrscheinlich sei.
Stellungnehmend zum Vorgutachten wurde ausgeführt, dass im Vergleich zum Letztgutachten aus 7/2023 eine abweichende Bewertung hinsichtlich der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel“ getroffen werde, zumal eine ausgeprägte Verhaltensstörung mit fehlendem Gefahrenbegriff und Fluchttendenzen - auch schon zum Zeitpunkt des Letztgutachtens nachvollziehbar – sowie eine fehlende Kontrollierbarkeit bei kognitiver Einschränkung und unzureichendem Sprachverständnis bestehen würden.
Zum Gangbild bzw. Gesamtmobilität wurde folgendes festgehalten: „Läuft unkontrolliert in der Ordination umher, will alle Türen aufmachen, bei der Eingangstüre hinauslaufen, greift alles an. Lässt sich kaum lenken, die Mama muss sie immer wieder einfangen und festhalten, sie versucht sich dann gleich wieder loszureißen.“
10. Das Ergebnis des medizinischen Beweisverfahrens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 17.06.2024 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
10.1. Eine Stellungnahme beziehungsweise Äußerung seitens der Verfahrensparteien langte dazu beim Bundesverwaltungsgericht nicht ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die minderjährige BF ist am XXXX geboren und ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert.
Die minderjährige BF ist im Entscheidungszeitpunkt vier Jahre und acht Monate alt und hat somit das 36. Lebensmonat vollendet.
Die minderjährige BF leidet an folgender behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigung:
- Trisomie 21 (Down-Syndrom, genetisch bestätigt) mit globalem Entwicklungsrückstand (Schwerpunkt im Bereich des Sprechens und der Sprache) und Verhaltensstörung
Die minderjährige BF leidet seit ihrer Geburt am Down-Syndrom mit einer ausgeprägten Verhaltensstörung mit fehlendem Gefahrenbegriff, kognitiven Einschränkungen und Fluchttendenzen sowie einem unzureichenden Sprachverständnis.
Aufgrund des globalen Entwicklungsrückstandes der BF, insbesondere im Bereich des Sprechens und der Sprache, ist eine wechselseitige Kommunikation mit der minderjährigen BF nicht möglich und einfache Aufforderungen ihrer Mutter werden von ihr nicht befolgt.
Es liegen erhebliche Einschränkungen der intellektuellen Fähigkeiten vor.
Insgesamt ist der sichere Transport der minderjährigen BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen aufgrund der bestehenden Einschränkungen nicht gewährleistet.
Da eine Besserung der Bereitschaft der minderjährigen BF zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen (Compliance) und Verkehrstauglichkeit durch fortlaufende Therapien, Förderungen und Nachreifung wahrscheinlich ist, ist die Einschränkung der intellektuellen Fähigkeiten nicht als dauerhaft einzustufen. Eine Evaluation der derzeit bestehenden Einschränkungen ist daher in fünf Jahren erforderlich..
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum der minderjährigen BF und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Im seitens des erkennenden Gerichts eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 12.06.2024, welches auf einer persönlichen Untersuchung der minderjährigen BF basiert, wurde auf die Art des Leidens der minderjährigen BF und dessen Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Feststellungen diesbezüglich gründen sich darauf.
Die Sachverständige stellte im Rahmen der persönlichen Untersuchung der BF fest, dass bei ihr aufgrund der genetischen Erkrankung „Trisomie 21“ eine ausgeprägte Verhaltensstörung mit fehlendem Gefahrenbegriff, eine kognitive Einschränkung und Fluchttendenzen bestehen.
Aus Sicht des erkennenden Senates ist aufgrund der vorliegenden Funktionseinschränkung der intellektuellen Fähigkeiten der sichere Transport der minderjährigen BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel insgesamt nicht gewährleistet, insbesondere weil eine wechselseitige Kommunikation mit der minderjährigen BF nicht möglich ist und einfache Aufforderungen ihrer Mutter von ihr nicht befolgt werden.
Im vorliegenden Sachverständigengutachten wurde des Weiteren ausgeführt, dass eine Besserung der Compliance und Verkehrstauglichkeit der minderjährigen BF durch fortlaufende Therapien, Förderungen und Nachreifung wahrscheinlich ist. Diesbezüglich wurde seitens der Sachverständigen eine neuerliche Evaluation des Gesundheitszustandes der minderjährigen BF in fünf Jahren vorgeschlagen, welche aus Sicht des erkennenden Senates nachvollziehbar ist.
Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 12.06.2024, wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Die Parteien erstatteten keinerlei Stellungnahme dazu. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten und wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 in der geltenden Fassung) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz – VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der geltenden Fassung) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 in der geltenden Fassung) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung im Beschwerdeverfahren basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der minderjährigen BF in Begleitung ihrer Mutter als gesetzliche Vertreterin. Der Inhalt des vorliegenden eindeutigen Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der gesetzlichen Vertreterin der minderjährigen BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt.
Dem Absehen von der Vhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Unter erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen sind entsprechend der Erläuterungen zur oben angeführten Verordnung folgende Krankheitsbilder umfasst:
- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,
- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffälligkeiten,
- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,
- nachweislich therapierefraktäres, schweres, cerebrales Anfallsleiden - Begleitperson ist erforderlich.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).
Es war aus den folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Bei der minderjährigen BF liegen aufgrund der genetischen Erkrankung „Trisomie 21“ erhebliche Einschränkungen ihrer intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen im Sinne des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen vor.
Es konnte auch festgestellt werden, dass der sichere Transport der minderjährigen BF aufgrund schwerer kognitiven Einschränkungen, die mit einer ausgeprägten Verhaltensstörung, einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung sowie Fluchttendenzen einhergehen, in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen nicht gewährleistet ist.
Da die minderjährige BF Inhaberin eines Behindertenpasses ist, liegen insgesamt die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass jedenfalls vor.
Da eine Besserung der Verkehrstauglichkeit durch Therapien, Förderungen und Nachreifung zu erwarten ist, ist festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass befristet bis zum 31.01.2030 vorliegen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Vollständigkeitshalber wird angemerkt, dass nunmehr die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) mit der gegenständlichen Entscheidung vorliegen. Die belangte Behörde wird daher in weiterer Folge auch über den noch offenen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO zu entscheiden haben.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.