Spruch
I414 2305708-1/4E
BESCHLUSS
In dem amtswegig eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.01.2025, Zl. XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. am XXXX , StA. Marokko, hat das Bundesverwaltungsgericht beschlossen:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 rechtmäßig.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang:
Der 22-jährige marokkanische Staatsangehöriger stellte am 19. Mai 2023 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, den er vor dem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes mit wirtschaftlichen Fluchtmotiven begründete. In der Folge hat sich der Fremde dem Verfahren entzogen.
Mit dem Bescheid vom 21. Juni 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als Bundesamt bezeichnet) den Antrag des Fremden hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Marokko als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Fremden keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen den Fremden eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Marokko zulässig ist. Zugleich erkannte das Bundesamt einer Beschwerde gegen ihre Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab und gewährte keine Frist zur freiwilligen Ausreise nach Marokko.
Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Der Fremde stellte in der Schweiz am 7. Juli 2023 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz. In der Folge wurde ein Dublin-Konsultationsverfahren eingeleitet. Eine Rücknahme des Fremden in das österreichische Bundesgebiet wurde zugestimmt.
Die Aussetzung der Überstellungsfrist von 18 Monaten wurde in der Folge ausgesetzt, weil sich der Fremde auch diesem Verfahren entzogen hat.
Der Fremde stellte in der Folge am 5. November 2023 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz in den Niederlanden. In der Folge wurde ein weiteres Dublin-Konsultationsverfahren eingeleitet. Eine Rücknahme des Fremden in das österreichische Bundesgebiet wurde zugestimmt.
Der Fremde wurde am 4. Juni 2024 aus den Niederlanden nach Österreich rücküberstellt.
Der Fremde stellte am 4. Juni 2024 seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und seinen vierten Antrag im Schengen-Raum.
Der Fremde brachte vor, gesund zu sein und sich nach seinem Aufenthalt im Bundesgebiet für etwa vier Monate in der Schweiz und bis zu seiner Rücküberstellung nach Österreich für etwa acht Monate in den Niederlanden aufgehalten zu haben. Hinsichtlich seiner Fluchtmotive habe sich im Vergleich zu seiner ersten Antragsstellung auf internationalen Schutz nichts verändert. Sein Vater sei vor etwa zehn Jahren bei einer Auseinandersetzung mit der Polizei getötet worden. Die marokkanische Regierung habe seiner Familie keine finanzielle Unterstützung zukommen lassen. Der Fremde habe die Schule verlassen, um zu arbeiten. Er müsse seine Familie finanziell unterstützen. Er habe Angst vor Armut und Arbeitslosigkeit und wolle deswegen nicht mehr nach Marokko zurückkehren. Es gäbe keine Hinweise, dass ihm in Marokko eine unmenschliche Behandlung oder Strafe drohe.
Der Fremde entzog sich abermals dem Asylverfahren.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 18. Juli 2024 wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Fremden nicht erteilt. Es wurde eine Rückkehrentscheidung nach Marokko erlassen und seine Abschiebung nach Marokko für zulässig erklärt. Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde nicht gewährt.
Diese Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.
Der Fremde stellte am 16. September 2024 einen Antrag auf internationalen Schutz in Deutschland. In der Folge wurde ein weiteres Dublin-Konsultationsverfahren eingeleitet. Eine Rücknahme des Fremden in das österreichische Bundesgebiet wurde zugestimmt.
Der Fremde wurde am 18. Dezember 2024 aus Deutschland nach Österreich rücküberstellt.
Der Fremde stellte am 18. Dezember 2024 seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet und seinen insgesamt sechsten Antrag auf internationalen Schutz im Schengen- Raum innerhalb der letzten eineinhalb Jahren.
Er brachte vor gesund zu sein und sich seit seinem letzten Aufenthalt in Österreich zwischenzeitlich in Italien, in Frankreich, in Spanien und in Deutschland aufgehalten zu haben. Hinsichtlich seiner Fluchtmotive gab er an, dass sich im Vergleich seiner bisherigen Vorbringen nichts verändert habe.
Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes vom 20.12.2024, wurde dem Fremden mitgeteilt, dass beabsichtigt werde, seinen neuerlichen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen und seinen faktischen Abschiebeschutz aufzuheben.
Der Fremde wurde am 9. Jänner 2025 vom Bundesamt niederschriftlich einvernommen. Er brachte vor, seit seinem Aufenthalt in Europa das Medikament Lyrica einzunehmen, ansonsten sei er gesund. Er sei ursprünglich mit dem Flugzeug von Marokko in die Türkei gereist und weiter nach Europa. In seiner Heimat, in Marokko würde ein kranker Bruder und seine Mutter leben, zwei seiner Schwestern würden in Libyen leben. Sein Vater sei im Jahre 2009 verstorben. In Europa habe er weder Verwandte oder Bekannte.
Hinsichtlich seiner Fluchtmotive brachte er vor, dass er in Marokko keine Wohnung bzw. Unterkunft habe. Er habe in Marokko familiäre Probleme. Seine Mutter habe ein weiteres Mal geheiratet. Er befürchte von seiner Mutter nicht mehr aufgenommen zu werden. Die Situation sei psychisch sehr belastend. Seine Mutter habe 2013 geheiratet. Sein leiblicher Vater sei während seines Militärdienstes getötet worden. Drei bis vier Jahre danach hätte seine Mutter wieder geheiratet. Sein Stiefvater hätte den Fremden nicht zu Hause aufgenommen. Dies seien seine Fluchtmotive. Er habe in Marokko kein zuhause und keine Familie.
Mit dem im Anschluss an die Einvernahme vom 9. Jänner 2025 mündlich verkündeten Bescheid hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz des Fremden gemäß § 12a Absatz 2 AsylG auf.
Der Fremde stellte am 10. Jänner 2025 einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehr nach Marokko. Er gab an, nicht vulnerable zu sein. Er beantragte den Flughafen Marrakesch-Menara. Als Kontaktperson gab er einer seiner Schwestern an.
Am 15. Jänner 2025 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zu den Feststellungen erhoben und darüber hinaus folgendes festgestellt:
1.1. Zur Person des Fremden:
Der 22-jährige Fremde ist Staatsangehöriger Marokkos. Er ist ledig und seine Identität steht nicht fest.
Der Fremde leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung nach Marokko entgegenstünden.
Der Fremde ist in Agadir im Süden Marokkos geboren. Er hat sechs Jahre die Grundschule besucht und war als Verkäufer tätig. Bis zu seiner Ausreise lebte der Fremde in der Provinz Agadir. Er reiste legal mit dem Flugzeug von Marokko in die Türkei und über weitere Länder bis nach Österreich.
Der Fremde stellte in Österreich drei Anträge auf internationalen Schutz und jeweils einen Asylantrag in der Schweiz, in den Niederlanden und in Deutschland. Der Fremde stellte in eineinhalb Jahren insgesamt sechs Anträge auf internationalen Schutz im Schengen-Raum.
Der Fremde hält sich seit mindestens Ende 2022 in Europa auf, er hielt sich in Österreich, Schweiz, Niederlanden, Frankreich, Spanien, Italien und Deutschland auf.
Der Fremde hat keine Familienangehörige oder Verwandte in Europa. Es kann keine soziale oder integrative Verfestigung des Fremden in Österreich oder in Europa festgestellt werden.
Der Fremde beantragte am 10. Jänner 2025 die freiwillige unterstützte Rückkehr nach Marokko.
1.2. Zu den Fluchtmotiven des Fremden:
Der Fremde brachte in den beiden rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren im Bundesgebiet vor, aus wirtschaftlichen Gründen aus Marokko ausgereist zu sein.
Im gegenständlichen Verfahren hält der Fremde seine bisherigen Fluchtgründe aufrecht und brachte ergänzend vor, aus familiären Motiven ausgereist zu sein. Seine Mutter hätte nochmals geheiratet. Nach der Heirat hätte seine Mutter den Fremden nicht mehr zu Hause aufgenommen.
Es wird festgestellt, dass der Fremde bereits während seines anhängigen ersten Asylverfahrens, die im nunmehrigen Verfahren geltend gemachten Ausreisegründe vorgebracht hat und dieses Vorbringen nicht geeignet ist, neue, nach rechtskräftigen Entscheidungen der Asylverfahren entstandene, entscheidungsrelevante Sachverhaltselemente darzutun, sodass keine neuen, nach rechtskräftiger Entscheidung des ersten Asylverfahrens entstandenen Sachverhaltselemente dargetan wurden.
Das Privat- und Familienleben und sein Gesundheitszustand wurden in den rechtskräftigen Vorverfahren berücksichtigt. Diesbezüglich sind keinerlei Veränderungen eingetreten.
Der Fremde beantragte am 10. Jänner 2025 die freiwillige Rückkehr nach Marokko. Eine Vulnerabilität des Fremden wurde verneint.
In Bezug auf das Fluchtvorbringen des Fremden in seinem Folgeantrag und aufgrund der allgemeinen Lage im Land wird festgestellt, dass der Fremde im Falle seiner Rückkehr nach Marokko mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existenziellen Bedrohungen ausgesetzt sein wird.
Der Fremde wird nicht in Marokko aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt. Dies wurde auch weder behaupte noch vorgebracht. Selbst der Fremde beabsichtigt freiwillig nach Marokko zurückzukehren.
Es ist nicht ersichtlich, dass eine Abschiebung des Fremden nach Marokko eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen. Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden.
Eine entscheidungswesentliche Änderung der Ländersituation in Marokko ist nicht eingetreten.
Marokko gilt als ein „sicherer Herkunftsstaat“ im Sinne des § 1 Ziffer 9 der Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl II Nr. 177/2009, in der Fassung BGBl II Nr. 145/2019.
Der Folgeantrag wurde rechtsmissbräuchlich gestellt und wird voraussichtlich zurückzuweisen sein.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Sicherheitslage
Marokko kann grundsätzlich als stabiles Land betrachtet werden (EDA 14.3.2024; vgl. FD 14.3.2024). Das französische Außenministerium rät bis auf einige Regionen zu normaler Aufmerksamkeit im Land. In den Grenzregionen zu Algerien wird zu erhöhter Aufmerksamkeit geraten (FD 14.3.2024). Die Grenze zu Algerien ist seit 1994 geschlossen (AA 12.7.2024; vgl. BMEIA 12.7.2024). Für die Grenzregionen zu Mauretanien in der Westsahara besteht eine Reisewarnung (AA 12.7.2024; vgl. FD 14.3.2024, BMEIA 12.7.2024); zudem besteht eine Bedrohung durch Minen und nicht-detonierte Kampfmittel (AA 12.7.2024; vgl. BMEIA 12.7.2024). Die Grenzregion zu Mauretanien ist zum Großteil vermint. Der einzig offene Grenzübergang nach Mauretanien Guerguarat/ Nouadhibou (Grenzposten PK 55) führt über eine Sandpiste durch vermintes Gebiet. Die Durchfahrt des Bereichs zwischen den beiden Grenzposten wird immer wieder durch wegelagernde Personen erschwert (Anhaltungen, Geldforderungen). Weder die marokkanischen noch mauretanischen Behörden verfügen dort über Exekutivrechte (BMEIA 12.7.2024).
Im Rif-Gebirge können Spannungen und Demonstrationen nicht ausgeschlossen werden. Es kann zu Übergriffen durch Kriminelle kommen, die in die lokale Drogenproduktion und den Drogenhandel involviert sind (EDA 14.3.2024; vgl. AA 12.7.2024).
Marokko kann als sicheres Land angesehen werden, nicht nur in Bezug auf Terrorismus. Ausnahme bildet nur die Westsahara, wo es immer wieder zu Zusammenstößen zwischen marokkanischen Truppen und der POLISARIO (Frente Popular para la Liberación de Saguía el Hamra y Río de Oro - Volksfront zur Befreiung von Saguía el Hamra und Río de Oro) kommt. Der letzte größere Terroranschlag fand im Jahr 2011 statt. 2018 gab es bei Morden mit mutmaßlich terroristischem Hintergrund zwei, im Jänner 2022 ein weiteres Todesopfer und einen Verletzten, im Dezember 2022 nochmals einen Toten. Die Bedrohung durch den Extremismus ist jedenfalls gegeben; es ist vor allem der Effektivität der Exekutive im Bereich der Terrorismusbekämpfung zu danken, dass terroristische Gruppen kaum aktiv werden können. Die Behörden, hier vor allem das Bureau central d‘investigation judiciaire (BCIJ), sind effektiv beim Erkennen und Verhindern potenzieller terroristischer Bedrohungen durch rechtzeitiges Ausheben von Terrorzellen. Es kommt zu zahlreichen Verhaftungen von Terrorverdächtigen. Im Jahresvergleich 2021 zu 2022 kann eine weitere Verbesserung festgestellt werden, trotz kleinerer Vorfälle – dies zeigt auch die Auswertung des Global Terrorism Index der entsprechenden Jahre (STDOK 11.4.2023).
Streiks und Demonstrationen, vor allem in den Großstädten, sind jederzeit möglich. Vereinzelte gewalttätige Auseinandersetzungen können dabei nicht ausgeschlossen werden. In den betroffenen Gebieten kann es zu Straßenblockaden kommen (EDA 14.3.2024; vgl. AA 12.7.2024). Proteste entzünden sich meist an wirtschaftlichen und sozialen Missständen (AA 12.7.2024).
Das französische Außenministerium ruft im Süden an der Grenze zu Algerien zu verstärkter Wachsamkeit auf, wie auch beim Durchqueren der Westsahara. Bestimmte Gebiete sind immer noch vermint (FD 14.3.2024). Von Reisen in das Gebiet der Westsahara wird dringend abgeraten (AA 12.7.2024; vgl. EDA 14.3.2024). Das völkerrechtlich umstrittene Gebiet der Westsahara erstreckt sich südlich der marokkanischen Stadt Tarfaya bis zur mauretanischen Grenze. Es wird sowohl von Marokko als auch von der Unabhängigkeitsbewegung Frente Polisario beansprucht. Die United Nations Mission for the Referendum in Western Sahara MINURSO überwacht den Waffenstillstand zwischen den beiden Parteien. Auf beiden Seiten der Demarkationslinie (Sandwall) sind diverse Minenfelder vorhanden. Die Lage in der Westsahara ist gespannt. In El Guerguerat an der Grenze zu Mauretanien und entlang der Demarkationslinie ist es wiederholt zu Scharmützeln zwischen marokkanischen Truppen und Einheiten der Frente Polisario gekommen, die manchmal zivile Opfer fordern. Mit weiteren Ereignissen dieser Art muss gerechnet werden (EDA 14.3.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.7.2024): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/marokkosicherheit/224080#content_4, Zugriff 12.7.2024
BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (12.7.2024): Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/marokko, Zugriff 12.7.2024
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (14.3.2024): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html#eda46c907, Zugriff 12.7.2024
FD - Frankreich Diplomatie - Ministère de l’Europe et des Affaires étrangères [Frankreich] (14.3.2024): Maroc - Sécurité, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays-destination/maroc/#securite, Zugriff 14.3.2024
Bewegungsfreiheit
Gesetzlich sind innerhalb des Landes Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung gewährleistet. Die Behörden respektieren diese Rechte im Allgemeinen, obwohl sie die Bewegungsfreiheit auf Gebiete beschränkt, in denen weitverbreitete Unruhen herrschen (USDOS 23.4.2024). Zudem wird dieses Recht auch in der Praxis eingeschränkt, begünstigt durch schlechte wirtschaftliche Bedingungen und Korruption (FH 25.4.2024a).
Obwohl die Verfassung solche Maßnahmen verbietet, kommt es ohne Gerichtsverfahren, zu willkürlichen oder auch unrechtmäßigen Eingriffen in die Bewegungsfreiheit durch Überwachung von Privatpersonen durch die Regierung (USDOS 23.4.2024). Insbesondere diejenigen, die sich mit Menschenrechtsfragen befassen, sehen sich mit praktischen Hindernissen konfrontiert. Ihre Mitglieder berichten, dass sie überwacht werden und Reisebeschränkungen unterliegen (BS 19.3.2024).
NGO berichten, dass die Behörden Auslandsreisen manchmal durch eine gerichtliche Anordnung von bis zu zwei Monaten Dauer einschränkten, die bis zu fünfmal verlängert werden konnte (was einem "Reiseverbot" von bis zu einem Jahr entspricht). In der Praxis untersagten die Behörden Auslandsreisen für noch längere Zeiträume, vorwiegend für Kritiker, Menschenrechtsaktivisten und Journalisten (USDOS 23.4.2024).
Die Sahraoui genießen landesweit uneingeschränkte Bewegungsfreiheit (AA 7.6.2024). Die Regierung stellt Sahrauis weiterhin Reisedokumente zur Verfügung. Ferner ermutigt die Regierung die Rückkehr von saharauischen Flüchtlingen aus Algerien und anderen Ländern, sofern sie die Souveränität der Regierung über die Westsahara anerkennen. Flüchtlinge, die zurückkehren wollen, müssen sich die entsprechenden Reise- oder Ausweispapiere bei einem marokkanischen Konsulat im Ausland besorgen (USDOS 23.4.2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (7.6.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2023)
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105931.html, Zugriff 31.5.2024
FH - Freedom House (25.4.2024a): Freedom in the World 2024 - Morocco, https://www.ecoi.net/en/document/2108054.html, Zugriff 31.5.2024
USDOS - United States Department of State [USA] (23.4.2024): 2023 Country Report on Human Rights Practices: Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2107779.html, Zugriff 13.5.2024
Grundversorgung
Die Marokkanische Wirtschaft befindet sich in einem Transformationsprozess von einer Agrar- hin zu einer Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft (WKO 7.10.2024). Im Dienstleistungsbereich hat sich Marokko zu einem wichtigen Finanzstandort entwickelt (ABG 8.2024). Für 2024 wird ein Wirtschaftswachstum von 3,2 % erwartet (WKO 7.10.2024). Die Herausforderungen sind groß (WKO 9.2024): Marokko gilt als sehr anfällig für den Klimawandel (BS 19.3.2024) - denn die zunehmende Anzahl an Dürrejahren beeinträchtigt die Landwirtschaft und stellt eine Herausforderung dar (ABG 8.2024). Wasserknappheit infolge einer seit sechs Jahren andauernden Dürreperiode, einhergehend mit geringer werdenden Wasserressourcen, wachsender Bevölkerung und steigenden Lebensstandards (WKO 9.2024). Im Wassersektor sind in den kommenden zehn Jahren u. a. Vorhaben zur Meerwasserentsalzung geplant. Zugleich bieten das wachsende Interesse an Strom aus erneuerbaren Energien und die Produktion von grünem Wasserstoff auch ein großes Entwicklungspotenzial (ABG 8.2024; vgl. WKO 9.2024). Der drittwichtigste Devisenbringer ist aber nach wie vor Phosphat (18 %) (WKO 9.2024).
Die Wirtschaft hängt von Landwirtschaft, Fischerei und Tourismus ab, die alle sehr stark vom Klimawandel betroffen sind. Probleme wie Wasserknappheit, Ernährungsunsicherheit, Wüstenbildung und Küstenerosion haben sich verschärft. Da die meisten Gebiete trocken oder halbtrocken sind, benötigt die Landwirtschaft rund 80 % der Wasserressourcen. Der Plan „Grünes Marokko“ verschleiert die Umweltschäden, die bereits vorhanden sind (BS 19.3.2024). Im Lebensmittelbereich konnte sich Marokko als wichtiger Lieferant von Gemüse nach Europa etablieren (Exportanteil 19 %) (WKO 9.2024). Kleinbauern haben mit dem Absinken des Grundwasserspiegels und der Verarmung der Böden zu kämpfen (BS 19.3.2024).
Die Landwirtschaft muss sich durch die anhaltenden, zu geringen Regenfällen im Winter auf anhaltende Wassermangelwirtschaft einrichten. Massive Ernteausfälle in den letzten Jahren haben das BIP-Wachstum stark gebremst, ein Trend, der sich auch 2024 fortsetzt. Um die Wasserknappheit zu bekämpfen, wurden mehrere Entsalzungsanlagen errichtet, die mit grüner Energie betrieben werden sollen. Brauchwasser aus Kläranlagen soll besser genutzt werden und auch Bewässerungssysteme für die Landwirtschaft werden durch Importerleichterungen gefördert (WKO 9.2024).
Obwohl das Land ein umfangreiches Projekt zur Erzeugung erneuerbarer Energien in Angriff genommen hat, ist der Energiesektor immer noch stark von importierten Kohlenwasserstoffen abhängig. Der nationale Klimaplan zielt auf den Aufbau einer grünen Wirtschaft in Marokko ab. Bis 2030 sollen 52 % der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen stammen. Der Plan zielt auch darauf ab, die Subventionen für Brennstoffe zu reduzieren, Abwässer zu reinigen und die Aufforstung zu verstärken (BS 19.3.2024).
Besonders stark vertreten sind der Automobilsektor und die Flugzeugindustrie (ABG 8.2024). Marokko ist mit einer Steigerung der Exporte um 27,4 % im Jahr 2023 zum größten Automobilexporteur Afrikas geworden (WKO 9.2024).
Der Tourismus ist ebenfalls von Bedeutung. Dank Ausrichtung der Fußball-WM 2030 stehen zahlreiche Hoch- und Tiefbauprojekte an (ABG 8.2024). Die Weltmeisterschaft wird die Großprojekte der nächsten Jahre bestimmen – Ausbau des Eisenbahnnetz und die Verlängerung der bestehende Hochgeschwindigkeits-Eisenbahnverbindung zwischen Casablanca und Tanger über Marrakesch (Finanzierung steht bereits) nach Agadir (Finanzierung noch im Entstehen). Weiters werden Stadien renoviert und gebaut, Zugangsinfrastruktur neu geschaffen (WKO 9.2024).
Neben dem Ausbau an grüner Energie durch Wind und Solarkraft, die auf die Herstellung von grünem Wasserstoff abzielt. Allerdings liegt momentan die Produktionskapazität von erneuerbaren Energien bei 37 %, bis 2027 möchte man die 50 %-Marke des im Land erzeugten Stroms aus erneuerbaren Energiequellen erreichen. Alternative Energieformen wie Biogasanlagen und ähnliches werden ebenfalls verstärkt gefördert, setzen sich aber nur sehr langsam durch. Zudem kommen auch noch die rezenten Gaslagerstättenfunde vor der marokkanischen Küste hinzu, welchen den Bedarf an importierten, fossilen Brennstoffen langfristig vermindern (WKO 9.2024).
Ferner ist der Export von Phosphat einer der wichtigsten Devisenbringer. Um die Wertschöpfung zu erhöhen, möchte die staatliche OCP das Produkt durch Zusetzung von Ammoniak, das durch im Land erzeugten grünen Wasserstoff hergestellt werden soll, aufwerten. Bis 2027 soll das Projekt abgeschlossen sein. Es ist das Einzige bislang in Umsetzung befindliche Projekt im Bereich grüner Wasserstoff in Marokko. Für zukünftige Projekte zur Erzeugung von grünem Wasserstoff wurden 2024 die Rahmenbedingungen im Offre Maroc Hydrogène Vert veröffentlicht (WKO 9.2024).
Trotz Dezentralisierungsbemühen bestehen weiterhin Ungleichheiten beim Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen (BS 19.3.2024).
Die marokkanische Wirtschaft hat sich angesichts verschiedener Herausforderungen als widerstandsfähig erwiesen, zu denen eine Verlangsamung der Weltwirtschaft, ein Inflationsschock und das Erdbeben in der Provinz Al Haouz gehören. Trotz dieser Hindernisse hat sich das Wirtschaftswachstum beschleunigt. Die wichtigsten Katalysatoren für diese Beschleunigung waren die Erholung des Tourismussektors, die exportorientierten Nischen des verarbeitenden Gewerbes, insbesondere der Automobil- und Luftfahrtsektor sowie die Erholung des privaten Konsums (WB 2024). Mittels robuster Steuerzuflüsse und graduellen Subventionsabbaus gelang es 2023, das Haushaltsdefizit von 5,2 auf 4,7 % vom BIP zurückzufahren. Gemäß dem aktuellen Haushaltsgesetz wird die Konsolidierung 2024 fortgesetzt bis hin zur völligen Streichung staatlicher Preisstürzen ab 2025 für Butangas, Weizen und Zucker. Zur sozialen Abfederung werden die staatliche Krankenversicherung ausgeweitet und Transferleistungen für die Bedürftigsten erbracht (GTAI 31.5.2024).
Allerdings haben die marokkanischen Unternehmen und Haushalte Schwierigkeiten, sich von den jüngsten Schocks zu erholen. Marokko verzeichnet einen starken Anstieg der Unternehmensinsolvenzen. Trotz beschleunigtem Wirtschaftswachstum blieb die Arbeitsmarktleistung im Jahr 2023 enttäuschend, wobei in ländlichen Gebieten fast 200.000 Arbeitsplätze verloren gingen. Als Ausdruck der kumulativen Auswirkungen der jüngsten Schocks auf das Wohlbefinden erreichte der Pro-Kopf-Verbrauch nicht wieder das Niveau vor der Pandemie. Das neue direkte Sozialhilfeprogramm der Regierung verspricht jedoch eine erhebliche Erleichterung für die ärmsten Haushalte (WB 2024).
Die Wirtschaft dürfte sich 2024 aufgrund einer schlechten Agrarkampagne leicht verlangsamen. Das Wirtschaftswachstum wird voraussichtlich auf 2,9 % sinken. Dies ist vor allem auf einen Rückgang der landwirtschaftlichen Wertschöpfung um 3,3 % aufgrund der schlechten Wetterbedingungen während des gesamten Wirtschaftsjahres 2023-2024 zurückzuführen. Das BIP außerhalb der Landwirtschaft wird widerstandsfähiger sein, da es von einer Erholung der Binnennachfrage und einem stärkeren Industriesektor getragen wird. Das Wachstum dürfte sich ab 2025 unter der Annahme einer normalen Agrarsaison beschleunigen. Das Leistungsbilanzdefizit dürfte sich bis 2024 auf 1,5 % des BIP ausweiten, während das Haushaltsdefizit in den kommenden Jahren allmählich auf das Niveau vor der Pandemie zurückgehen dürfte (WB 2024). Für 2024 und 2025 prognostiziert der Internationale Währungsfonds (IWF) sowie die Afrikanische Entwicklungsbank Wachstumsraten von rund 3,5 %. So sorgen verbesserte Ergebnisse in der Agrarproduktion, weiterhin die abflauende Inflation sowie soziale Transferleistungen für einen steigenden Konsum. Die privaten Investitionen profitieren insbesondere vom Wiederaufbau der vom Erdbeben 2023 zerstörten Gebiete, weiterhin von den umfangreichen Vorhaben in den Sektoren Wasser, Energie und Infrastruktur (GTAI 31.5.2024).
Die Produktivitätsleistung des Privatsektors war enttäuschend, was hauptsächlich auf eine Verschlechterung der Allokationseffizienz zurückzuführen ist. Große Unternehmen weisen tendenziell eine geringere Produktivität auf als ihre kleineren Pendants, was darauf hindeutet, dass die Märkte effizientere und innovativere Unternehmen nicht ausreichend belohnen. Darüber hinaus haben die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Marokko Schwierigkeiten, sich zu entwickeln, und die Dichte an wachstumsstarken Unternehmen ist nach wie vor sehr gering (WB 2024).
Dies ist ein problematischer Aspekt des Privatsektors, denn in anderen Kontexten hat sich gezeigt, dass diese Unternehmen unverhältnismäßig stark zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Die Überwindung der Beschränkungen, mit denen der Privatsektor konfrontiert ist, würde die geringe Fähigkeit zur Schaffung von Arbeitsplätzen, die die marokkanische Wirtschaft in den letzten Jahren gezeigt hat, überwinden (WB 2024). Probleme bereitet die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit von 13,3 %. Besonders hoch fällt diese mit 17 % in städtischen Gebieten aus. Bei den 15- bis 24-Jährigen liegt die Arbeitslosenquote sogar bei 38,2 %, wovon 49,7 auf urbane und 23,3 % auf ländliche Regionen entfallen (GTAI 31.5.2024). Die Fluktuation ist in Marokko hoch, das Gehaltsgefüge undurchsichtig. Unternehmen vor Ort beschreiben es als schwierig, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden und zu halten. Gleichzeitig fühlen sich viele, vor allem junge Menschen überqualifiziert und unterbezahlt (ABG 8.2024).
Die Grundversorgung der Bevölkerung ist gewährleistet, Brot, Zucker und Gas werden subventioniert (AA 7.6.2024).
Die kumulativen Auswirkungen der jüngsten Schocks auf den Sozialschutz spiegeln sich darin wider, dass der Pro-Kopf-Verbrauch nur knapp das Niveau von vor der Pandemie erreicht hat. Der reale Pro-Kopf-Verbrauch der Haushalte erreichte erst 2023 wieder das Niveau vor der Pandemie. Die negativen Auswirkungen des Schocks dürften vulnerable, arme und einkommensschwache Gruppen stärker betreffen, da Lebensmittel, bei denen der Preisdruck stärker war, einen größeren Anteil am Warenkorb der armen und gefährdeten Haushalte ausmachen (WB 2024). In einer in drei Städten, Casablanca, Marrakesch und Tanger, mit einem repräsentativen Sample, vom 3. bis zum 26.12.2023, durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage gaben nur 32 % der Befragten an, ausreichend Lebensmittel für ihre Familien bereitstellen zu können. Weitere 36 % schaffen es gerade so, genug Nahrung zu kaufen, während 27 % Schwierigkeiten haben, genügend Lebensmittel zu beschaffen. Die Preise für Konsumgüter wie Kleidung und Schuhe stellen ebenfalls eine Belastung dar. Nur 31 % der Befragten können problemlos grundlegende Konsumgüter für ihre Familien bereitstellen. Weitere 27 % schaffen dies nur knapp, während 36 % große Schwierigkeiten haben, diese Güter zu erwerben. Die allgemeinen Lebenserhaltungskosten stellen ebenfalls eine große Herausforderung für viele Haushalte dar. Besonders die Wohnkosten (Miete, Heizung, Strom und Wasser) belasten viele Familien. Nur 41 % der Befragten in Casablanca können ihre Wohnkosten problemlos decken, während 24 % große Schwierigkeiten haben und weitere 14 % diese Kosten überhaupt nicht tragen können. In Marrakesch und Tanger sieht es ähnlich aus: In Marrakesch schaffen es nur 30 %, ihre Wohnkosten problemlos zu decken, während es in Tanger 52 % der Befragten geling (STDOK 31.12.2023).
Seit Dezember 2023 gibt es im Marokko eine direkte finanzielle Sozialhilfe. Diese kommt sowohl bedürftigen sozialen Gruppen als auch schulpflichtigen und auch beeinträchtigten Kindern, Neugeborenen und Familien in prekären Situationen ohne schulpflichtige Kinder, insbesondere Menschen mit älteren Angehörigen, zugute (TBT 26.12.2023). Laut Premierminister Aziz Akhannouch werden die Begünstigten (Africa News 13.8.2024), nach seiner vollständigen Einführung im Jahr 2026 (WB 2024) wird es monatliche Zahlungen von 200 Dirham pro Kind mit einem Mindestbetrag von 500 Dirham pro Familie (entspricht 50 US-Dollar) gewähren, einschließlich derjenigen ohne Kinder. Die Umsetzung dieses Programms wird ein Budget von 25 Milliarden Dirham (etwa 2,5 Milliarden Euro) für 2024 erfordern, so Regierungssprecher Mustapha Baitas (Africa News 13.8.2024; vgl. WB 2024). Insgesamt wird erwartet, dass fast eine Million Familien davon profitieren werden. Diese gezielten Familienzuschüsse sind Teil einer umfassenderen Sozialreform, die von König Mohammed VI. im Jahr 2020 initiiert wurden (TBT 26.12.2023). Diese Initiative beinhaltet auch die Ausweitung der Sozialversicherung für alle Marokkaner (TBT 26.12.2023; vgl.Africa News 13.8.2024).
Diese Sozialreformen werden vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Rückgangs und der tiefgreifenden sozialen Ungleichheiten eingesetzt und um gezielte Hilfen für die Unterprivilegierten zu schaffen. Bislang ist die Sozialhilfe indirekt und nicht zielgerichtet, da Marokko bestimmte Konsumgüter über einen Ausgleichsfonds subventioniert (Africa News 13.8.2024; vgl. TBT 26.12.2023). Das neue direkte Sozialhilfeprogramm der Regierung dürfte für ärmere Haushalte eine wichtige Entlastung darstellen. Mit dem neuen Bargeldtransfer wird der Umfang der Finanzhilfe für marokkanische Haushalte erhöht, während gleichzeitig die Zielgenauigkeit durch das einheitliche Sozialregister verbessert und die Komplexität und Fragmentierung früherer Sozialschutzsysteme beseitigt wurde (WB 2024).
Die neue Regelung ist vergleichsweise großzügig, und die gesamte finanzielle Unterstützung, die durch das neue Programm mobilisiert wird, dürfte eine erhebliche Erleichterung bieten, um die sozialen Auswirkungen der jüngsten und künftigen Schocks abzumildern. Es wird daher erwartet, dass es zu einer deutlichen Verbesserung der Einkommensverteilung und der Armutsindikatoren führen wird. Zwischen dem 2.12.2023 und dem 31.3.2024 erhalten mehr als 3,5 Millionen Familien direkte Hilfe. Darüber hinaus erhielten mindestens 1,4 Millionen kinderlose Familien eine monatliche Pauschalbeihilfe von 500 Dirhams (WB 2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (7.6.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2023)
ABG - Africa Business Guide (8.2024): Wirtschaft in Marokko, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/marokko, Zugriff 23.10.2024
Africa News - Africa News (13.8.2024): Morocco: Direct welfare payment introduced for a million disadvantaged families, https://www.africanews.com/2023/12/26/morocco-direct-welfare-payment-introduced-for-a-million-disadvantaged-families, Zugriff 23.10.2024
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105931.html, Zugriff 31.5.2024
GTAI - Germany Trade and Invest (31.5.2024): Wirtschaftsausblick Marokko, https://www.gtai.de/de/trade/marokko-wirtschaft/wirtschaftsausblick, Zugriff 23.10.2024
STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (31.12.2023): Morocco: Socio-Economic Survey 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105199/mses23.pdf, Zugriff 7.11.2024
TBT - The Brussels Times (26.12.2023): Morocco: Direct welfare payments to poorer families for the first time, https://www.brusselstimes.com/853012/morocco-direct-welfare-payments-to-poorer-families-for-the-first-time, Zugriff 23.10.2024
WB - Weltbank (2024): Morocco Economic Update, https://www.google.com/url?sa=t source=web rct=j opi=89978449 url=https://documents1.worldbank.org/curated/en/099826007162422517/pdf/IDU12f69bf581e7fa144061b0cf15dc97f2b2bbd.pdf ved=2ahUKEwiOy__hvKGJAxU4avEDHV-_AowQFnoECBUQAQ usg=AOvVaw2iWCoox1axZEU7bsoAZ0_Y, Zugriff 22.10.2024
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (7.10.2024): Marokko: Wirtschaftslage, https://www.wko.at/aussenwirtschaft/marokko-wirtschaftslage, Zugriff 24.10.2024
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (9.2024): Wirtschaftsbericht Marokko
Medizinische Versorgung
Die medizinische Grundversorgung ist vor allem im städtischen Raum weitgehend gesichert (AA 7.6.2024). Die medizinische Versorgung durch Ärzte und Krankenhäuser in Marokko ist im Vergleich zur Weltbevölkerung unterdurchschnittlich (Laenderdaten 2024). Außerhalb der großen Städte ist die medizinische Versorgung nur beschränkt gewährleistet (EDA 14.3.2024). Auf dem Lande hingegen kann die medizinische Versorgung bezüglich der apparativen Ausstattung bzw. Hygiene problematisch sein (AA 12.7.2024). In Rabat und Casablanca finden sich jedoch gute Privatkliniken von hohem Standard (AA 12.7.2024; vgl. BMEIA 12.7.2024). Die Krankenhäuser verlangen vor Behandlungen eine finanzielle Garantie oder eine Vorschusszahlung (EDA 14.3.2024).
Die wichtigste Errungenschaft der Regierung war die Einführung der medizinischen Pflichtversicherung. Der Staat ist der primäre Anbieter von Gesundheitsleistungen, und außerhalb der großen Städte sind die Gesundheitsdienste nach wie vor sehr begrenzt. In ländlichen Gebieten bieten die Gesundheitszentren hauptsächlich Präventivmedizin an; und beim Zugang zur Gesundheitsversorgung bestehen weiterhin Ungleichheiten zwischen städtischen und ländlichen Gebieten, da sich die meisten Krankenhäuser und Ärzte in den Großstädten befinden, und so hat ein erheblicher Teil der Bevölkerung immer noch keinen Zugang zu grundlegenden Gesundheitsdiensten. In Marokko gibt es mehr private Krankenhäuser als öffentliche Einrichtungen: 389 von 613 Einrichtungen sind private Kliniken (BS 19.3.2024).
Der Sektor (Gesundheitswesen) leidet unter einem Mangel an verfügbaren Fachkräften und finanziellen Ressourcen, und ist durch Misswirtschaft und Verschwendung von Mitteln gekennzeichnet. Der Mangel an Gesundheitspersonal und Krankenhausbetten trägt zu einer niedrigen Qualität der Gesundheitsversorgung bei (BS 19.3.2024). Pro 1000 Einwohner stehen im Land 1,0 Krankenhausbetten zur Verfügung. Der weltweite Mittelwert liegt hier bei 2,9 Betten. Innerhalb der EU stehen 4,6 Betten für jeweils 1000 Einwohner zur Verfügung. Mit rund 27.200 ausgebildeten Ärzten in Marokko stehen pro 1000 Einwohner rund 0,73 Ärzte zur Verfügung (Laenderdaten 2024). Im Jahr 2022 waren nur 23 % der Marokkaner mit dem Gesundheitssystem zufrieden (BS 19.3.2024).
Gemäß einer in drei Städten, Casablanca, Marrakesch und Tanger, mit einem repräsentativen Sample, vom 3.12. bis zum 26.12.2023, durchgeführten Umfrage zur sozio-ökonomischen Lage stellt die Finanzierung von und Zugang zu medizinischen Dienstleistungen ein Problem dar. Betreffend einem Hausarzt, also primäre medizinische Versorgung, geben 36 % der Befragten an, immer Zugang zu haben und sich den Arztbesuch leisten zu können, 51 % haben Zugang können sich den Arztbesuch aber nicht leisten, 12 % haben überhaupt keinen Zugang. Nur etwa 30 % der Befragten haben immer Zugang zu Impfungen und können sie sich leisten und etwa 35 % haben stets Zugang zu Medikamenten und können diese auch bezahlen. Grundsätzlich hat ein großer Teil der Bevölkerung zwar Zugang zu medizinischen Dienstleistungen, können diese aber nicht finanzieren (61 % bei Impfungen, 54 % bei Medikamenten). Ferner haben 12 % überhaupt keinen Zugang zur medizinischen Grundversorgung. 32 % haben keinen Zugang zu fachärztlicher Versorgung und 40 % haben überhaupt keinen Zugang zu fortgeschrittenen medizinischen Behandlungen, wie Operationen und/oder Krebstherapien (STDOK 31.12.2023).
Allerdings kann durch die medizinische Versorgung in Marokko die Sterblichkeit wesentlicher, bekannter Krankheiten weitestgehend reduziert werden. So sterben nach aktuellem Stand etwa 24 % aller Menschen, die an Krebs, Diabetes, Herzkreislauferkrankungen oder der Chylomikronen-Retentions-Krankheit (CRD) leiden (Laenderdaten 2024). Chronische und psychiatrische Krankheiten oder auch HIV/AIDS lassen sich in Marokko vorzugsweise in privaten Krankenhäusern behandeln. Bei teuren Spezialmedikamenten soll es in der öffentlichen Gesundheitsversorgung z. T. zu Engpässen kommen. Bei entsprechender Finanzkraft ist fast jedes lokal produzierte oder importierte Medikament erhältlich (AA 7.6.2024).
Marokko verfolgt eine nationale HIV-Strategie und verfügt über 16 spezialisierte Behandlungszentren. Gleichwohl werden HIV-infizierte Patientinnen und Patienten Diskriminierungen ausgesetzt. Wird die notwendige medizinische Behandlung verweigert, sorgen NGOs für Abhilfe (AA 7.6.2024).
Das marokkanische Sozialversicherungssystem deckt Beschäftigte im öffentlichen und privaten Sektor ab. Die Caisse Nationale des Organismes de Prévoyance Sociale (CNOPS), die 2019 in die Caisse Marocaine de l'Assurance Maladie (CMAM) umgewandelt wurde, deckt Staatsbedienstete und Studenten ab. Die Zahl der Begünstigten erreichte im Jahr 2020 7,3 Millionen. Die Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS) deckt Angestellte in der Privatwirtschaft und Selbstständige ab. Mit der Einführung der obligatorischen Krankenversicherung im Jahr 2020 übersteigt die Zahl der Versicherten Anfang 2023 23 Millionen (BS 19.3.2024). Mittellose Personen können auf Antrag bei der Präfektur eine „Carte RAMED“ zur kostenfreien Behandlung erhalten. Eine umfassende Reform der sozialen Sicherungssysteme, die eine allgemeine Kranken-, Familien-, Renten- und Arbeitslosenversicherung umfassen soll, ist in Arbeit und soll bis 2026 abgeschlossen sein (AA 7.6.2024).
Die obligatorische Krankenversicherung, die früher nur für Beamte und Angestellte des privaten Sektors galt, kommt laut der Nachrichtenagentur MAP bereits über 3,8 Millionen nicht angestellten Arbeitnehmern und ihren Familien zugute (TBT 26.12.2023). Außerdem wurde die medizinische Versorgung auf über 10 Millionen benachteiligte Personen ausgedehnt, wobei der Staat die Kosten für ihre Beiträge übernimmt (Africa News 13.8.2024; vgl. TBT 26.12.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (12.7.2024): Marokko: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/marokkosicherheit/224080#content_4, Zugriff 12.7.2024
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (7.6.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2023)
Africa News - Africa News (13.8.2024): Morocco: Direct welfare payment introduced for a million disadvantaged families, https://www.africanews.com/2023/12/26/morocco-direct-welfare-payment-introduced-for-a-million-disadvantaged-families, Zugriff 23.10.2024
BMEIA - Bundesministerium für Europäische und Internationale Angelegenheiten [Österreich] (12.7.2024): Marokko, https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/marokko, Zugriff 12.7.2024
BS - Bertelsmann Stiftung (19.3.2024): BTI 2024 Country Report Morocco, https://www.ecoi.net/de/dokument/2105931.html, Zugriff 31.5.2024
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (14.3.2024): Reisehinweise für Marokko, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/marokko/reisehinweise-marokko.html#eda46c907, Zugriff 12.7.2024
Laenderdaten - Laenderdaten.info (2024): Gesundheitswesen in Marokko, https://www.laenderdaten.info/Afrika/Marokko/gesundheit.php, Zugriff 14.6.2024
STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (31.12.2023): Morocco: Socio-Economic Survey 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2105199/mses23.pdf, Zugriff 7.11.2024
TBT - The Brussels Times (26.12.2023): Morocco: Direct welfare payments to poorer families for the first time, https://www.brusselstimes.com/853012/morocco-direct-welfare-payments-to-poorer-families-for-the-first-time, Zugriff 23.10.2024
Rückkehr
Das Stellen eines Asylantrags im Ausland ist nicht strafbar und wird nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet (AA 7.6.2024).
Die Kontrollen an den offiziellen Grenzübergangspunkten sind gründlich und umfassend. Erforderlich für die Einreise ist ein Reisepass oder Sonderpapier für bestimmte Grenzgängerinnen und Grenzgänger oder ein von einer marokkanischen Auslandsvertretung ausgestellter Laissez-passer zur Rückreise. Jede Ein- oder Ausreise wird an den Grenzübertrittstellen erfasst und in einem zentralen Computersystem zusammengeführt; an den Flughäfen werden keine Handzettel mehr ausgefüllt. Jedes vorgelegte Reisedokument erhält einen Ein- bzw. Ausreisestempel mit Datumsangabe und Grenzübergangsstelle. Der EU-Laissez-Passer wird zur Einreise nicht anerkannt (AA 7.6.2024).
Migrantinnen und Migranten können bei der freiwilligen Rückkehr aus Österreich nach Marokko durch die BBU (Rückkehrberatung und Organisation der Reise), bzw. IOM (Organisation der Reise im Falle von vulnerablen Personen oder Personen mit legalem Aufenthaltstitel in Österreich), nach Bestätigung der Kostenübernahme durch das BFA, unterstützt werden. Freiwillige Rückkehrer/innen aus Österreich nach Marokko haben zudem die Möglichkeit, nach Bestätigung der Projektaufnahme durch das BFA und Erfüllung der Teilnahmekriterien, am Reintegrationsprojekt Frontex JRS, welches vom BMI in Österreich noch zumindest bis 2026 umgesetzt wird, teilzunehmen (IOM 26.7.2023).
Das Reintegrationsprogramm „Frontex − Joint Reintegration Services“ (FX JRS) bietet Rückkehren, in Kooperation mit einer lokalen Partnerorganisation Unterstützung bei Ihrer Reintegration in Ihr Heimatland an. Das Postarrival Paket im Wert von € 615 dient der unmittelbaren Unterstützung nach der Ankunft in Marokko. Es beinhaltet folgende Sofortleistungen: Nach der Begrüßung am Flughafen durch einen Reintegrationspartner und des Airports Pick-up, wie auch Unterstützung bei der Weiterreise (Organisation und Kostenübernahme), erhalten Rückkehrer u. a. eine prepaid SIM-Karte, Hygieneartikel (Zahnbürste, Zahnpasta, Seife, Shampoo, etc.), eine Flasche Wasser, ein warmes Essen (auch als Gutschein möglich), altersgerechtes Spielzeug für Kinder. Zudem wird eine temporäre Unterkunft für bis zu drei Tage nach der Ankunft bereitgestellt und nach Bedarf auch unmittelbare medizinische Unterstützung (BMI 2024).
Des Weiteren sollte die rückkehrende Person keine oder weniger Sofortleistungen benötigen, erhält sie den anteiligen Betrag der € 615 vom lokalen Partner in bar ausbezahlt (BMI 2024).
Zur längerfristigen Reintegrationsunterstützung erhalten Rückkehrer ein Postreturn Paket in der Höhe von Euro 2.000. Davon Euro 200 als Bargeld und Euro 1.800 in Form von Sachleistungen auf Grundlage eines Reintegrationsplans, der mithilfe der lokalen Partnerorganisation in den ersten sechs Monaten nach der Rückkehr erstellt wird. Zu den angebotenen Sachleistungen des Postreturnpakets gehören unter anderem: Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens, Bildungsmaßnahmen, Trainings, Unterstützung beim Eintritt in den Arbeitsmarkt, bei der Einschulung von Kindern, wie auch rechtliche und administrative Beratungsleistungen, Familienzusammenführung, Unterstützung im Zusammenhang mit Wohnen und Haushalt (Einrichtung) und medizinische und psychosoziale Unterstützung (BMI 2024).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (7.6.2024): Auswärtiges Amt - Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Marokko (Stand: November 2023)
BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich] (2024): Return from Austria - Marokko, https://www.returnfromaustria.at/morocco/morocco_deutsch.html, Zugriff 5.9.2024
IOM - International Organization for Migration (26.7.2023): IOM Austria Anfrage der Staatendokumentation zur freiwilligen Rückkehr zu Marokko via E-Mail
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften, unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsakts des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Vorverfahren.
2.1. Zu der Personen des Fremden
Die Feststellungen zur Person, seiner Herkunft sowie zu den Lebensumständen des Fremden gründen sich auf seinen Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie in der Einvernahme durch das Bundesamt, sowie auf seinen Angaben in den Vorverfahren.
Die Feststellungen zu dem Gesundheitszustand des Fremden ergeben sich aus den Angaben des Fremden in der Einvernahme. Der Fremde befindet sich in keiner Therapie, und ist nicht pflegebedürftig. Er leidet an keiner schwerwiegenden Erkrankung. Darüber hinaus geht aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation hervor, dass eine medizinische Behandlung auch für nicht krankenversicherte Personen mit geringem Einkommen durch das System RAMED in Marokko gesichert ist. Aus dem Akteninhalt der vorangegangenen Verfahren und zum gegenständlichen Verfahren keine Anhaltspunkte, welche auf eine derart massive psychische Beeinträchtigung, die einer Rückkehr in den Heimatstaat entgegenstehen würde, schließen lassen. Zudem beantragte der Fremde seine freiwillige Rückkehr nach Marokko. Er gab an, dass keine Vulnerabilität vorliege.
Die Feststellung zum Familienleben ergibt sich aus den Angaben des Fremden in der Einvernahme, sowie aus den bisherigen rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren. In den bisherigen Verfahren wurde das Privat- und Familienleben berücksichtigt und als für nicht schützenswert beurteilt.
Die Feststellungen zur Integration des Beschwerdeführers im Bundesgebiet ergeben sich aus den Vorverfahren sowie aus den Angaben des Fremden. Der Fremde hat keine legale Tätigkeit im Bundesgebiet ausgeübt. Er hat keinen Sprachkurs besucht oder absolviert.
Die Feststellungen zu seinen Aufenthalten in Europa und seinen Antragstellungen auf internationalen Schutz ergeben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt.
Die Feststellung, wonach der Beschwerdeführer die freiwillige Rückkehr nach Marokko beantragte und keine Vulnerabilität vorliegt, ergibt sich aus dem Protokoll zu seinem Antrag auf freiwillig unterstützter Rückkehrhilfe vom 10. Jänner 2025.
2.2. Zur Lage im Herkunftsstaat
Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat beruhen auf dem aktuellen Länderinformationsbericht der Staatendokumentation zu Marokko samt den dort publizierten Quellen und Nachweisen. Dieser Länderinformationsbericht stützt sich auf Berichte verschiedener ausländischer Behörden, etwa die allgemein anerkannten Berichte des Deutschen Auswärtigen Amtes, als auch jene von Nichtregierungsorganisationen, wie bspw. Open Doors, sowie Berichte von allgemein anerkannten unabhängigen Nachrichtenorganisationen.
Nicht zuletzt sind seitdem rechtskräftig abgeschlossenen Vorverfahren im Herkunftsstaat nicht einmal behauptetermaßen Änderungen vorgefallen, die Einfluss auf das Ergebnis der Beurteilung hätten.
2.3. Zu den Fluchtmotiven der Fremden
Der Fremde machte keine individuelle Verfolgung oder keine individuelle Rückkehrbefürchtung geltend.
Dieses Vorbringen ist weder neu noch asylrelevant im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.
Es gibt keinen Hinweis darauf, dass die Abschiebung des Fremden die reale Gefahr einer Verletzung der genannten Artikel der EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 dazu bedeuten oder eine ernsthafte Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt in einem internationalen oder innerstaatlichen Konflikt mit sich bringen würde, weil dies bereits geprüft wurde und seither eine diesbezügliche Sachverhaltsänderung weder auf Basis des Vorbringens (auch nicht zu Art. 8 EMRK) festgestellt noch in den Länderfeststellungen berichtet wurde.
Somit konnte die Feststellung getroffen werden, dass der Folgeantrag auf internationalen Schutz in Österreich voraussichtlich zurückgewiesen werden wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes
Nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das BFA unter anderem dann den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, der einen Folgeantrag gestellt hat, wenn dieser voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z. 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z. 3).
Weiter ist vorausgesetzt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z. 1).
Mit rechtskräftiger Entscheidung des Bundesamtes vom 21. Juni 2023, wurde gegen den Fremden die Rückkehrentscheidung, erlassen. Wie auch bereits dargetan, ist kein neues Vorbringen erstattet worden, von dem anzunehmen wäre, dass es beachtlich im Sinne einer materiellen Erledigung anstelle einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache wäre. Der Sachverhalt hat sich seither nicht maßgeblich geändert, und der Fremde hätte sein Vorbringen bereits im früheren Verfahren erstatten können, was gemäß § 20 Abs. 1 BFA-VG zu beachten ist, da dieser laut § 22 Abs. 1 BFA-VG bei der Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes sinngemäß gilt.
Nach § 68 AVG hat die Behörde Anbringen von Beteiligten, die eine Abänderung eines der formell rechtskräftigen Bescheides begehren, grundsätzlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ausnahmen dazu bilden die Fälle der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 69 und 71 AVG sowie die in § 68 Abs. 2 bis 4 AVG vorgesehenen Arten von Abänderungen und Behebungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.
Die vorgesehenen Ausnahmen kommen nach dem Inhalt der Akten im vorliegenden Fall nicht zum Tragen. Daher ist davon auszugehen, dass die in § 68 AVG grundsätzlich vorgesehene Zurückweisung als Erledigung des Bundesamtes zu erwarten ist.
Daraus ergibt sich, dass der Fremde einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 23 AsylG 2005 gestellt hat, und die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Z. 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegen, weil der Fremde keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat droht und er auch keine Verfolgung vorgebracht hat. Nach all dem wird der Folgeantrag des Fremden voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.
Es gibt nämlich auch dafür, dass dem Fremden im Falle einer Rückkehr nach Marokko die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, keine Anhaltspunkte, zumal der Fremde für Arbeitstätigkeiten ausreichend gesund und erwerbsfähig ist.
Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Fremde seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, selbst wenn ihn Angehörige nicht unterstützen, sei es mit einer bereits ausgeübten oder einer anderen Tätigkeit. Zudem besteht ganz allgemein in Marokko keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.
Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für den Fremden ein „reales Risiko“ einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Fremde führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben und hat kaum über die Aufenthaltszeit selbst hinausgehende - z. B. sprachlichen, kulturellen, beruflichen oder sozialen – privaten Integrationsmerkmale.
Wie schon ausgeführt, beantragte der Fremde am 10. Jänner 2025 die freiwillige unterstützte Rückkehr nach Marokko.
Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist. Damit hatte das Gericht wie im Spruch zu entscheiden.
Die Entscheidung war mit Beschluss zu treffen, da § 22 Abs. 10 AsylG 2005 dies so vorsieht. Nach § 22 Abs. 1 BFA-VG hatte auch keine Verhandlung stattzufinden.
Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum faktischen Abschiebeschutz und den Voraussetzungen seiner Aufhebung in Folgeverfahren oder zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.