Spruch
G312 2294950-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Brigitte MAROLD und Dr. Christoph RADLINGMAYR als Beisitzer über die Beschwerde vom 05.06.2024 der XXXX , SVNR XXXX , vertreten durch Mag. Jaqueline WEBER, Referentin der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle Graz Ost des Arbeitsmarktservice vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.10.2024 zu Recht erkannt:
A)
I. Das Verfahren wird wieder fortgesetzt.
II. Der Beschwerde wird als begründet stattgegeben und festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzung Arbeitslosigkeit der BF zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Antragstellung auf Arbeitslosengeld vorliegt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1.1. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle Graz Ost des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX wurde ausgesprochen, dass dem Antrag auf Zuerkennung der Notstandshilfe vom XXXX der XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin oder kurz BF) gemäß § 33 iVm § 38, § 7 und § 12 AlVG 1977 mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben wird.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen zusammengefasst nach Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen aus, dass ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Dienstverhältnis bei der Firma XXXX bis zum XXXX vorliege, welches sich mit der geringfügigen Beschäftigung beim Dienstgeber Universität für Musik und darstellende Kunst XXXX überschneide, wodurch das geringfügige Dienstverhältnis bei der Universität für Musik und darstellende Kunst XXXX in die Arbeitslosenversicherungspflicht für die Tage der Überschneidung eingebunden werden. Die geringfügige Beschäftigung wurde nicht beendet.
Dagegen richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde der BF über ihre Rechtsvertretung und wurde im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 06.03.2023, G296/2022, vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft die Durchführungsweisung zur Arbeitslosenversicherung geringfügig Beschäftigter erfolgt sei. Die nun vom Ministerium diktierte Vorgangsweise finde im Gesetzestext keine Deckung. Gemäß § 12 Abs. 3 lit. h AlVG gelte als arbeitslos insbesondere nicht, wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, dass zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist. Die BF sei bei der Universität für Musik und darstellende Kunst XXXX für XXXX Arbeitsstunden in der Woche tätig, dafür gebühre ihr ein Gehalt idH von XXXX pro Monat, was einer geringfügigen Tätigkeit entspreche. Sie habe ihre geringfügige Beschäftigung stets im gleichbleibenden Ausmaß ausgeführt. Sie habe zu keinem Zeitpunkt ihre Vertragspflichten mit dem Arbeitgeber derart abgewandelt, dass man von einer Änderung des Dienstvertrages iSd § 12 Abs. 3 lit. h AlVG sprechen könnte. Ihre Tätigkeit sei lediglich aufgrund des § 53a Abs. 3 SVG in Verbindung mit der Tätigkeit bei der XXXX vollversichert. Diese Art der Vollversicherung könne jedoch nicht zur Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. ha AlVG führen, da es zu keinem Übergang zwischen zwei Vertragsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber gekommen sei.
Die Beschwerde wurde samt verfahrensgegenständlichem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.
Am 02.10.2024 fand vor dem BVwG eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beisein der BF samt ihrer Rechtsvertretung sowie eines Vertreters der belangten Behörde statt und wurde das Verfahren bis zur relevanten Entscheidung des VwGH ausgesetzt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die BF stand bis XXXX bei der XXXX in einem vollversicherten Dienstverhältnis.
Daneben steht die BF in einem geringfügigen Beschäftigungsverhältnis zur Universität für Musik und darstellende Kunst XXXX und erzielte daraus monatlich Euro XXXX .
Am XXXX beantragte die BF die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes.
Der VwGH befasste sich in seiner Entscheidung vom 19.11.2024, Ra 2024/08/0103, erstmalig mit der Neubeurteilung der Anspruchsvoraussetzung „Arbeitslosigkeit“ bei Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung und anderen (parallel) verlaufenden Vollversicherungszeiten. Zum Zeitpunkt der Antragstellung lag somit unter Anwendung der oa Entscheidung des VwGH die Anspruchsvoraussetzung Arbeitslosigkeit der BF vor.
2. Beweiswürdigung:
Die oben getroffenen Feststellungen resultieren aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
In der Beschwerde bringt die BF über ihre Rechtsvertretung vor, dass aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 06.03.2023, G296/2022, vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft die Durchführungsweisung zur Arbeitslosenversicherung geringfügig Beschäftigter erfolgt sei. Diese gebe der Behörde die Anwendung der Bestimmungen des AlVG auf geringfügige Dienstverhältnisse, die aufgrund ihres Zusammentreffens mit vollversicherten Dienstverhältnissen selbst "Vollversicherungs-Status“ erhalten, vor. Dabei lege das Bundesministerium § 12 Abs. 3 lit. h AlVG derart aus, dass nach Beendigung eines vollversicherten Dienstverhältnisses auch sämtliche parallel vorhandenen, geringfügigen Dienstverhältnisse beendet werden müssen, damit Arbeitslosigkeit bejaht werden könne. § 12 Abs. 3 lit. h AlVG käme in der Vergangenheit bei geringfügigen Dienstverhältnissen lediglich dann zur Anwendung, wenn das geringfügige Dienstverhältnis aufgrund einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes vorübergehend vollversichert wurde (zB. Überstunden). Vom Ausmaß her gleichbleibende geringfügige Beschäftigungen, die aufgrund ihrer gleichzeitigen Ausübung mit vollversicherten Dienstverhältnissen für die Dauer der Überschneidung vollversichert warne, hätten nicht zur Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG geführt. Gesetzeszweck war und sei es, Betriebe davon abzuhalten, Voll- oder Teilzeitkräfte in ein geringfügiges Dienstverhältnis auf Kosten der Versichertengemeinschaft überzuleiten. Da Betriebe auf eine kontinuierliche Arbeitsleistung angewiesen sind, sollte die 1-Monats-Frist davor abschrecken, benötigte Arbeitskräfte gehen zu lassen. Alleine vom Wortlaut lasse sich eindeutig feststellen, dass es bei der Beurteilung eines tatbestandsmäßigen Sachverhalts um einen Übergang zwischen 2 unterschiedlichen Vertragsverhältnissen beim selben Arbeitgeber handelt. Abgestellt werde somit auf eine Änderung der Vertragspflichten, wie zB Arbeitszeit und Entgelt. Jedenfalls nicht herauszulesen sei der Wille des Gesetzgebers, alleine den Übergang von der Vollversicherungspflicht auf ein versicherungsfreies Dienstverhältnis aufgrund der Regelungen des § 53a Abs. 3 ASVG zu strafen.
Die nun vom Ministerium diktierte Vorgangsweise finde im Gesetzestext keine Deckung. Gemäß § 12 Abs. 3 lit. h AlVG gelte als arbeitslos insbesondere nicht, wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, das szwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist. Die BF sei bei der Universität für Musik und darstellende Kusnt XXXX für XXXX Arbeitsstunden in der Woche tätig, dafür gebühre ihr ein Gehalt idH von XXXX pro Monat, was einer geringfügigen Tätigkeit entspreche. Sie habe ihre geringfügige Beschäftigung stets im gleichbleibenden Ausmaß ausgeführt. Sie habe zu keinem Zeitpunkt ihre Vertragspflichten mit dem Arbeitgeber derart abgewandelt, dass man von einer Änderung des Dienstvertrages iSd § 12 Abs. 3 lit. h AlVG sprechen könnte. Ihre Tätigkeit sei lediglich aufgrund des § 53a Abs. 3 SVG in Verbindung mit der Tätigkeit bei der XXXX vollversichert. Diese Art der Vollversicherung könne jedoch nicht zur Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. ha AlVG führen, da es zu keinem Übergang zwischen zwei Vertragsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber gekommen sei.
Eine Durchführungsweisung des Bundesministeriums schaffe lediglich einen Arbeitsbehelf der Behörde, vermag jedoch die gesetzliche Grundlage des AlVG nicht abzuändern. In diesem Sinne sei sie der Ansicht, dass die belangte Behörde in der Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG auf geringfügige Beschäftigungen, die im Sinne des § 53a Abs. 3 ASVG vollversichert werden, gesetzwidrig handle. Ihr gebühre daher der ungeschmälerte Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung ab XXXX .
Der VwGH befasste sich in seiner Entscheidung vom 19.11.2024, Ra 2024/08/0103, mit der angeführten Rechtsfrage, dazu weiters in der rechtlichen Beurteilung.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A):
Gegenständlich ist strittig, ob die belangten Behörde den Antrag der BF auf Notstandshilfe vom XXXX zu Recht gemäß § 33 iVm 7 iVm § 12 AlVG 1977 mangels Arbeitslosigkeit abgelehnt hat.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen zusammengefasst nach Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen aus, dass ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Dienstverhältnis bei der Firma XXXX bis zum XXXX vorliege, welches sich mit der geringfügigen Beschäftigung bei der Universität für Musik und darstellende Kunst überschneide, wodurch das geringfügige Dienstverhältnis bei der Universität für Musik und darstellende Kunst die Arbeitslosenversicherungspflicht für die Tage der Überschneidung eingebunden werden. Die geringfügige Beschäftigung wurde vorerst seitens der BF nicht beendet worden, mittlerweile erfolgte eine Beendigung der geringfügigen Beschäftigung mit XXXX und beantragte die BF mit XXXX neuerlich den Anspruch auf Notstandshilfe.
Die BF begründete über ihre Rechtsvertretung ihre Beschwrede im Wesentlichen zusammengefasst damit, dass aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 06.03.2023, G296/2022, vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft die Durchführungsweisung zur Arbeitslosenversicherung geringfügig Beschäftigter erfolgt sei. Diese gebe der Behörde die Anwendung der Bestimmungen des AlVG auf geringfügige Dienstverhältnisse, die aufgrund ihres Zusammentreffens mit vollversicherten Dienstverhältnissen selbst "Vollversicherungs-Status“ erhalten, vor. Dabei lege das Bundesministerium § 12 Abs. 3 lit. h AlVG derart aus, dass nach Beendigung eines vollversicherten Dienstverhältnisses auch sämtliche parallel vorhandenen, geringfügigen Dienstverhältnisse beendet werden müssen, damit Arbeitslosigkeit bejaht werden könne. § 12 Abs. 3 lit. h AlVG käme in der Vergangenheit bei geringfügigen Dienstverhältnissen lediglich dann zur Anwendung, wenn das geringfügige Dienstverhältnis aufgrund einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes vorübergehend vollversichert wurde (zB. Überstunden). Vom Ausmaß her gleichbleibende geringfügige Beschäftigungen, die aufgrund ihrer gleichzeitigen Ausübung mit vollversicherten Dienstverhältnissen für die Dauer der Überschneidung vollversichert warne, hätten nicht zur Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG geführt. Die nun vom Ministerium diktierte Vorgangsweise finde im Gesetzestext keine Deckung.
Der VwGH befasste sich in seiner Entscheidung vom 19.11.2024, Ra 2024/08/0103, erstmalig mit der Neubeurteilung der Anspruchsvoraussetzung „Arbeitslosigkeit“ bei Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung und anderen (parallel) verlaufenden Vollversicherungszeiten. Dazu führte der VwGH im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass die AlV-Pflichtversicherung zwar seit 01.04.2024 besteht (VfGH 06.03.2023, G 296/2022) auch für gfg. BV, wenn Entgelt aus diesem und weiteren (gfg. oder vollv.) BV insgesamt über der GFG liegt; jedoch bedeutet dies nicht, dass dem formell unveränderten § 12 Abs. 1 iVm Abs. 6 lit. a AlVG nun ein anderer Inhalt beizumessen wäre; eine bloß gfg. Beschäftigung steht Arbeitslosigkeit grunds. nicht entgegen: es genügt, dass (zumindest) eine anwartschaftsbegründende Erwerbstätigkeit beendet wird (§ 12 Abs. 1 Z 1 AlVG) und keine Pflichtversicherung in der PV mehr besteht (§ 12 Abs. 1 Z 2 AlVG) sowie mit dem/den verbleibenden oder/und neu hinzukommenden Entgeltanspruch/-ansprüchen insgesamt nicht (mehr) die GFG überschritten wird – d.h. keine der Arbeitslosigkeit entgegenstehende „neue oder weitere“ Beschäftigung ausgeübt wird (§ 12 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 6 lit. a AlVG); § 12 Abs. 3 lit. h AlVG schon nach dem klaren Wortlaut nicht anwendbar: Aufnahme einer gfg. Beschäftigung beim selben DG – also eine bestimmte vertragliche Gestaltung – kann nicht mit dem Wegfall der Vollversicherungspflicht wegen des Nichtüberschreitens der GFG infolge Beendigung einer anderen Beschäftigung gleichgesetzt werden; das wird auch durch teleologische Überlegungen (Hintanhaltung von Missbrauchsmöglichkeiten) gestützt: Missbrauchsmöglichkeit bei unveränderter Fortführung eines BV von vornherein ausgeschlossen.
Entsprechend der oa Entscheidung des VwGH lag zum Zeitpunkt der Antragstellung der BF die Anspruchsvoraussetzung „Arbeitslosigkeit“ vor, weshalb die belangte Behörde der BF das Arbeitslosengeld aufgrund der Antragstellung vom 08.05.2024 zuzuerkennen hat.
Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.