JudikaturBVwG

G312 2293099-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 2025

Spruch

G312 2293099-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Brigitte MAROLD und Dr. Christoph RADLINGMAYR als Beisitzer über die Beschwerde vom 14.05.2024 der Dr. XXXX , SVNR XXXX , vertreten durch Mag. Philipp SUPPAN, Referent der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Steiermark, gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle Graz Ost des Arbeitsmarktservice vom XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 04.09.2024 zu Recht erkannt:

A)

I. Das Verfahren wird wieder fortgesetzt.

II. Der Beschwerde wird als begründet stattgegeben und festgestellt, dass die Anspruchsvoraussetzung Arbeitslosigkeit der BF zum Zeitpunkt der verfahrensgegenständlichen Antragstellung auf Arbeitslosengeld vorliegt.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle Graz Ost des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: belangte Behörde) vom XXXX wurde ausgesprochen, dass dem Antrag auf Zuerkennung des Arbeitslosengeldes vom XXXX der Dr. XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin oder kurz BF) gemäß § § 7 und § 12 AlVG 1977 mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben wird.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen zusammengefasst nach Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen aus, dass ein arbeitslosenversicherungspflichtiges Dienstverhältnis bei der Firma XXXX bis zum XXXX vorliege, welches sich mit der geringfügigen Beschäftigung bei der Firma XXXX überschneide, wodurch das geringfügige Dienstverhältnis bei der Firma XXXX in die Arbeitslosenversicherungspflicht für die Tage der Überschneidung eingebunden werden. Die geringfügige Beschäftigung sei laut Angaben der BF bei der XXXX nicht beendet worden.

Dagegen richtete sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde der BF über ihre Rechtsvertretung und wurde im Wesentlichen zusammengefasst damit begründet, dass aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofs vom 06.03.2023, G296/2022, vonseiten des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft die Durchführungsweisung zur Arbeitslosenversicherung geringfügig Beschäftigter erfolgt sei. Diese gebe der Behörde die Anwendung der Bestimmungen des AlVG auf geringfügige Dienstverhältnisse, die aufgrund ihres Zusammentreffens mit vollversicherten Dienstverhältnissen selbst "Vollversicherungs-Status“ erhalten, vor. Dabei lege das Bundesministerium § 12 Abs. 3 lit. h AlVG derart aus, dass nach Beendigung eines vollversicherten Dienstverhältnisses auch sämtliche parallel vorhandenen, geringfügigen Dienstverhältnisse beendet werden müssen, damit Arbeitslosigkeit bejaht werden könne. § 12 Abs. 3 lit. h AlVG käme in der Vergangenheit bei geringfügigen Dienstverhältnissen lediglich dann zur Anwendung, wenn das geringfügige Dienstverhältnis aufgrund einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes vorübergehend vollversichert wurde (zB. Überstunden). Vom Ausmaß her gleichbleibende geringfügige Beschäftigungen, die aufgrund ihrer gleichzeitigen Ausübung mit vollversicherten Dienstverhältnissen für die Dauer der Überschneidung vollversichert warne, hätten nicht zur Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG geführt. Die nun vom Ministerium diktierte Vorgangsweise finde im Gesetzestext keine Deckung.

Die Beschwerde wurde samt verfahrensgegenständlichem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.

Am 04.09.2024 fand vor dem BVwG eine öffentliche, mündliche Verhandlung unter Beisein der BF samt ihrer Rechtsvertretung sowie eines Vertreters der belangten Behörde statt.

Mit mündlich verkündeten Beschluss vom 04.09.2024 wurde das gegenständliche Verfahren bis zur Entscheidung des VwGH in einem bereits anhängigen Verfahren über die hier zu klärende Rechtsache ausgesetzt.

Der VwGH befasste sich in seiner Entscheidung vom 19.11.2024, Ra 2024/08/0103, erstmalig mit der Neubeurteilung der Anspruchsvoraussetzung „Arbeitslosigkeit“ bei Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung und anderen (parallel) verlaufenden Vollversicherungszeiten.

Das ausgesetzte Verfahren wird daher wieder fortgesetzt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF stand bis XXXX bei der XXXX als Angestellte in einem Teilzeit- Beschäftigungsverhältnis.

Die BF hält seit 4 Jahren an der XXXX jeweils im Sommersemester die Lehrveranstaltung „Monitoring und Web-Analytics“ ab. Diesbezüglich hat sie mit der FH einen Vertrag über einen Lehrauftrag abgeschlossen, laut diesem umfasst ihre Veranstaltung einen Umfang von 1 Semesterwochenstunde. Dies entspricht 15 Unterrichtseinheiten, das Semester umfasst 15 Wochenstunden, beginnend ab März. Für diese Tätigkeit erhält die BF ein Honorar von Euro XXXX , dies entspricht einem Wochenbeitrag von 95 Euro, im Monat erhalte sie somit Euro XXXX , was einer geringfügigen Beschäftigung entspricht.

Mit XXXX beantragte die BF die Zuerkennung von Arbeitslosengeld, ihre letzte vollversicherte Beschäftigung bei der Firma XXXX GmbH endete am XXXX , vom XXXX bis XXXX hatte sie Anspruch auf eine Kündigungsentschädigung, vom XXXX bis XXXX auf eine Urlaubsersatzleistung aus der pflichtversicherten Beschäftigung bei XXXX GmbH.

2. Beweiswürdigung:

Die oben getroffenen Feststellungen resultieren aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

In der Beschwerde bringt die BF über ihre Rechtsvertretung weiters vor, dass gemäß § 12 Abs. 3 lit. h AlVG gelte als arbeitslos insbesondere nicht, wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, das zwwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.

Gesetzeszweck war und sei es, Betriebe davon abzuhalten, Voll- oder Teilzeitkräfte in ein geringfügiges Dienstverhältnis auf Kosten der Versichertengemeinschaft überzuleiten. Da Betriebe auf eine kontinuierliche Arbeitsleistung angewiesen sind, sollte die 1-Monats-Frist davor abschrecken, benötigte Arbeitskräfte gehen zu lassen. Alleine vom Wortlaut lasse sich eindeutig feststellen, dass es bei der Beurteilung eines tatbestandsmäßigen Sachverhalts um einen Übergang zwischen 2 unterschiedlichen Vertragsverhältnissen beim selben Arbeitgeber handelt. Abgestellt werde somit auf eine Änderung der Vertragspflichten, wie zB Arbeitszeit und Entgelt. Jedenfalls nicht herauszulesen sei der Wille des Gesetzgebers, alleine den Übergang von der Vollversicherungspflicht auf ein versicherungsfreies Dienstverhältnis aufgrund der Regelungen des § 53a Abs. 3 ASVG zu strafen.

Die BF halte seit 4 Jahren an der XXXX im Sommersemester die Lehrveranstaltung „Monitoring und Web-Analytics“ ab, diese habe laut Vertrag einen Umfang von 1 Semesterwochenstunde und entspreche 15 Unterrichtseinheiten. Das Semester umfasse 15 Wochen, beginnend mit März. Für diese Tätigkeit gebühre ihr ein Honorar von Euro XXXX Euro, wobei dies einem wöchentlichen Betrag von Euro XXXX entspreche. Gerechnet auf einen Monat würden ihr also aliquot Euro XXXX zustehen, also einer Tätigkeit in einem geringfügigen Ausmaß. Ihre Tätigkeit bei KML-Vision, die sie im Ausmaß von 25 Wochenstunden ausübte, habe sie aufgrund der Insolvenz des Arbeitgebers beenden müssen. Zum XXXX habe sie sich mitten im Sommersemester befunden, eine Beendigung ihrer Lehrtätigkeit hätte massive karrieretechnische Verluste für sie bedeutet und zudem eine Gruppe von Studenten ohne angemessene Betreuung hinterlassen. Sie habe somit die geringfügige Beschäftigung nicht beenden können. Es sei ein großes Glück für sie gewesen, dass sie vor 4 Jahren diese Beschäftigung übernehmen hätte können. Sie würde gerne mit einem erweiterten Lehrauftrag an der FH arbeiten, allerdings seien ihre Bemühungen diesbezüglich nicht erfolgreich gewesen. Es müsse der Behörde bewusst sein, dass sie bei einer derart abrupten Beendigung des Dienstverhältnisses in Zukunft keine gute Ausgangslage für eine weitere Beschäftigung an der FH schaffen würde. Sie habe ihre geringfügige Beschäftigung stets im gleichbleibenden Ausmaß ausgeführt. Sie habe zu keinem Zeitpunkt ihre Vertragspflichten mit dem Arbeitgeber derart abgewandelt, dass man von einer Änderung des Dienstvertrages iSd § 12 Abs. 3 lit. h AlVG sprechen könnte. Ihre Tätigkeit sei lediglich aufgrund des § 53a Abs. 3 SVG in Verbindung mit der Teilzeittätigkeit der XXXX vollversichert. Diese Art der Vollversicherung könne jedoch nicht zur Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. ha ALVG führen, da es zu keinem Übergang zwischen zwei Vertragsverhältnissen mit demselben Arbeitgeber gekommen sei.

Eine Durchführungsweisung des Bundesministeriums schaffe lediglich einen Arbeitsbehelf der Behörde, vermag jedoch die gesetzliche Grundlage des AlVG nicht abzuändern. In diesem Sinne sei sie der Ansicht, dass die belangte Behörde in der Anwendung des § 12 Abs. 3 lit. h AlVG auf geringfügige Beschäftigungen, die im Sinne des § 53a Abs. 3 ASVG vollversichert werden, gesetzwidrig handle. Ihr gebühre daher das Arbeitslosengeld ab XXXX .

In dieser Rechtsfrage entschied der VwGH in der oa Entscheidung - im Wesentlichen in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, weshalb darauf verwiesen wird.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A):

Gegenständlich ist strittig, ob die belangten Behörde den Antrag auf Arbeitslosengeld vom XXXX der BF zu Recht gemäß § 7 iVm § 12 AlVG 1977 mangels Arbeitslosigkeit abgelehnt hat.

lm gegenständlichen Beschwerdeverfahren hat sich das BVwG mit der Rechtsfrage auseinander zu setzen, ob verfahrensgegenständlich § 12 Abs. 3 lit. h AIVG Anwendung findet, obwohl das geringfügige Beschäftigung bei der XXXX unverändert geblieben ist. Durch das parallele Vorliegen der pflichtversicherten Beschäftigung bei XXXX und der geringfügigen Beschäftigung bei XXXX unterlag die geringfügige Beschäftigung für 2 Tage der Arbeitslosenversicherungspflicht, weshalb die belangte Behörde $ 12 Abs. 3 lit. h anwendet und den Antrag auf Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit ablehnt. ln dieser Rechtsfrage ist derzeit beim VwGH ein gleichgelagerter Fall zu Zahl: Ra 2024/08/0084 anhängig.

Der VwGH befasste sich in seiner Entscheidung vom 19.11.2024, Ra 2024/08/0103, erstmalig mit der Neubeurteilung der Anspruchsvoraussetzung „Arbeitslosigkeit“ bei Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung und anderen (parallel) verlaufenden Vollversicherungszeiten. Dazu führte der VwGH im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass die AlV-Pflichtversicherung zwar seit 01.04.2024 besteht (VfGH 06.03.2023, G 296/2022) auch für gfg. BV, wenn Entgelt aus diesem und weiteren (gfg. oder vollv.) BV insgesamt über der GFG liegt; jedoch bedeutet dies nicht, dass dem formell unveränderten § 12 Abs. 1 iVm Abs. 6 lit. a AlVG nun ein anderer Inhalt beizumessen wäre; eine bloß gfg. Beschäftigung steht Arbeitslosigkeit grunds. nicht entgegen: es genügt, dass (zumindest) eine anwartschaftsbegründende Erwerbstätigkeit beendet wird (§ 12 Abs. 1 Z 1 AlVG) und keine Pflichtversicherung in der PV mehr besteht (§ 12 Abs. 1 Z 2 AlVG) sowie mit dem/den verbleibenden oder/und neu hinzukommenden Entgeltanspruch/-ansprüchen insgesamt nicht (mehr) die GFG überschritten wird – d.h. keine der Arbeitslosigkeit entgegenstehende „neue oder weitere“ Beschäftigung ausgeübt wird (§ 12 Abs. 1 Z 3 iVm Abs. 6 lit. a AlVG); § 12 Abs. 3 lit. h AlVG schon nach dem klaren Wortlaut nicht anwendbar: Aufnahme einer gfg. Beschäftigung beim selben DG – also eine bestimmte vertragliche Gestaltung – kann nicht mit dem Wegfall der Vollversicherungspflicht wegen des Nichtüberschreitens der GFG infolge Beendigung einer anderen Beschäftigung gleichgesetzt werden; das wird auch durch teleologische Überlegungen (Hintanhaltung von Missbrauchsmöglichkeiten) gestützt: Missbrauchsmöglichkeit bei unveränderter Fortführung eines BV von vornherein ausgeschlossen.

Entsprechend der oa Entscheidung des VwGH lag zum Zeitpunkt der Antragstellung der BF die Anspruchsvoraussetzung „Arbeitslosigkeit“ vor, weshalb die belangte Behörde der BF das Arbeitslosengeld aufgrund der Antragstellung vom 11.04.2024 zuzuerkennen hat.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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