JudikaturBVwG

G310 2301431-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
15. Januar 2025

Spruch

G310 2301431-1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde des albanischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die Rechtsanwaltskanzlei RAST MUSLIU, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19.09.2024, Zl. XXXX , betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung:

A) Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wird.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Begründung:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF), ein Staatsangehöriger Albaniens, verfügt über einen gültigen albanischen Reisepass mit der Nummer XXXX . Von XXXX .2023 bis XXXX .2024 sowie seit XXXX .2024 war bzw. ist er bei seiner nunmehrigen italienischen Ehefrau mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der BF hat noch nie einen Aufenthaltstitel in Österreich beantragt und ist strafgerichtlich unbescholten.

Im Zuge fremdenrechtlicher Ermittlungen wurde der BF mit Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 02.09.2024 aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung zu äußern und Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich sowie zu seinem Privat- und Familienleben zu beantworten.

Der BF übermittelte am 18.09.2024 dem BFA mittels Mail ein Antwortschreiben, wonach er eine Beziehung führe und eine Eheschließung beabsichtigt sei. Auch sei er Vater eines am XXXX geborenen mj. Kindes, welches seit seiner Geburt krank sei und seien viele Arzttermine wahrzunehmen. Zur Untermauerung seines Vorbringens wurde ein Gesprächsprotokoll der BH XXXX vom 30.08.2024 bezüglich der Vaterschaftsfeststellung, wonach der BF der Vater sei, und eine Zustimmungserklärung der Lebensgefährtin des BF vom 30.08.2024, dass die BH XXXX als Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger die Vertretung übernimmt, übermittelt. Weiters beigelegt wurde ein Beschluss des Bezirksgericht XXXX vom 06.09.2024, wonach das Land XXXX im Vaterschaftsfeststellungsverfahren als Kollisionskurator bestellt wurde.

In der im Verwaltungsakt aufliegenden Geburtsurkunde ist der BF nicht als Vater des Kindes eingetragen. Daraus geht hervor, dass die Kindesmutter und das Kind die italienische Staatsbürgerschaft besitzen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid erteilte das BFA dem BF keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 1 Z 1 FPG, stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung nach Albanien fest und gewährte dem BF gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise.

Dagegen richtet sich die Beschwerde, mit der er neben der Aufhebung des Bescheids unter anderem auch beantragt, diesen aufzuheben und die Angelegenheit an das BFA zurückzuverweisen. Der BF begründet die Beschwerde im Wesentlichen damit, dass unzureichende Ermittlungen zu seinem Privat- und Familienleben geführt worden seien. Weder die Vaterschaft noch die beabsichtigte Eheschließung einschließlich der strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF seien ausreichend gewürdigt worden.

Das BFA legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

Mit Beschwerdenachreichung des BFA vom 08.01.2025 wurde das BVwG von der mittlerweile erfolgten Eheschließung zwischen dem BF und seiner Lebensgefährtin am XXXX 2024 in Kenntnis gesetzt. Auch wurde eine Kopie des Reisepasses des BF übermitteilt, woraus ersichtlich ist, dass der BF am 12.09.2024 über Italien in den Schengen-Raum eingereist ist.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG (Abfragen im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, im Zentralen Melderegister und im Strafregister).

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das BVwG über die vorliegende Bescheidbeschwerde dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z 1) oder dessen Feststellung durch das Gericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z 2). Wenn diese Voraussetzungen nicht vorliegen, hat es gemäß § 28 Abs 3 VwGVG dann meritorisch zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat das BFA notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das BVwG demnach den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurückverweisen. Dieses ist im fortgesetzten Verfahren an die rechtliche Beurteilung, von der das BVwG ausgegangen ist, gebunden.

§ 28 VwGVG normiert einen prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte (siehe z.B. VwGH 19.06.2020, Ra 2019/06/0060). Eine Zurückverweisung der Sache an die Behörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn diese jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Behörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden. Wenn die Behörde den entscheidungswesentlichen Sachverhalt unzureichend festgestellt hat, indem sie keine für die Sachentscheidung brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert hat, ist eine Zurückverweisung gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG zulässig (vgl. VwGH 28.03.2017, Ro 2016/09/0009).

Solche gravierenden Ermittlungslücken liegen hier vor. Das BFA hat keine weiteren Erhebungen zum eingeleiteten Vaterschaftsfeststellungsverfahren durchgeführt, obwohl der BF als Vater eines in Österreich lebenden minderjährigen italienischen Staatsbürgers als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 11 FPG anzusehen ist und der Akteninhalt Anhaltspunkte dafür bietet, dass diese entscheidungswesentlichen Umstände zu klären sind.

Im fortgesetzten Verfahren wird neben diesen Ermittlungsschritten auch die nunmehrige Eheschließung des BF mit seiner italienischen Lebensgefährtin zu berücksichtigen sein und welche Auswirkungen die Aufenthaltsbeendigung des BF auf das Kindeswohl haben wird (etwa durch Ermittlungen zur tatsächlichen Ausübung der Obsorge, zu allfälligen persönlichen Kontakten und der Möglichkeit von deren Aufrechterhaltung nach der Aufenthaltsbeendigung, zur emotionalen Verbundenheit zwischen Vater und Kind sowie zu einem allfälligen Abhängigkeitsverhältnis etc).

Es wurden somit lediglich Ermittlungen im Hinblick auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorgenommen, nicht aber im Hinblick auf die Erlassung einer Ausweisung iSd § 66 FPG oder allenfalls (bei einer entsprechend schwerwiegenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit durch das Verhalten der BF) eines Aufenthaltsverbots iSd § 67 FPG.

Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige darf zur Aufenthaltsbeendigung keine Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot nach dem 1. Abschnitt des 8. Hauptstücks des FPG erlassen werden, sondern allenfalls nur eine aufenthaltsbeendende Maßnahme nach den Bestimmungen des 4. Abschnitts des genannten Hauptstücks (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0115).

Bei Rückkehrentscheidung einerseits und bei einer Ausweisung bzw. einem Aufenthaltsverbot andererseits handelt es sich um unterschiedliche Maßnahmen mit unterschiedlichen Voraussetzungen und unterschiedlichem normativen Gehalt, die nicht einfach austauschbar sind (siehe VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151). Es ist dem BVwG verwehrt, gegen den BF anstelle der vom BFA erlassenen Rückkehrentscheidung allenfalls eine Ausweisung auszusprechen. Mit einer Entscheidung nach §§ 66 f FPG würde das BVwG überdies die durch den angefochtenen Bescheid festgelegte Verwaltungssache (Erlassung einer Rückkehrentscheidung) überschreiten, sodass die vom BF primär angestrebte meritorische Entscheidung durch das Gericht nicht in Betracht kommt. Seine Beschwerde ist aber im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungs- und Rückverweisungsantrags berechtigt.

Da das BFA bislang nur rudimentäre Schritte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts gesetzt hat und dieser in zentralen Teilen ergänzungsbedürftig geblieben ist, kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob gegen den BF eine aufenthaltsbeendende Maßnahme zu erlassen ist. Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids nach Verfahrensergänzung an das BFA zurückzuverweisen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Die Revision ist mangels einer grundsätzlichen Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG, insbesondere wegen der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung über die Anwendung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG (siehe z.B. VwGH 31.01.2019, Ra 2018/07/0486), nicht zuzulassen.

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