Spruch
L518 2302211-1/19E GEKÜRZTE AUSFERTIGUNG DES AM 17.12.2024 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. ARMENIEN vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl, vom 03.10.2024, Zl. 1390639500-240551483, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.12.2024, zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gem. § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF stattgegeben und festgestellt, dass der P ein vorläufiges Aufenthaltsrecht für Vertriebene zukommt (§ 62 Abs. 1 AsylG iVm VertriebenenVO iVm der Vertriebenen-Verordnung – Vertriebenen VO, BGBl. II 92/2022 idgF.) und der beschwerdeführenden Partei ein Ausweis für Vertriebene gem. § 64 Abs. 4 AsylG auszustellen ist.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der maßgebliche Sachverhalt steht aufgrund des Ergebnisses der Beschwerdeverhandlung fest.
Zu A)
3. Abschnitt:
Aufenthaltsrecht für Vertriebene
§ 62.
(1) Für Zeiten eines bewaffneten Konfliktes oder sonstiger die Sicherheit ganzer Bevölkerungsgruppen gefährdender Umstände kann die Bundesregierung im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates mit Verordnung davon unmittelbar betroffenen Gruppen von Fremden, die anderweitig keinen Schutz finden (Vertriebene), ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gewähren. Bis zum Inkrafttreten dieser Verordnung ist der Aufenthalt von Vertriebenen im Bundesgebiet geduldet. Dies ist dem Fremden durch die Behörde zu bestätigen.
(2) In der Verordnung gemäß Abs. 1 sind Einreise und Dauer des Aufenthaltes der Fremden unter Berücksichtigung der Umstände des besonderen Falles zu regeln.
(3) Wird infolge der längeren Dauer der in Abs. 1 genannten Umstände eine dauernde Integration der Aufenthaltsberechtigten oder bestimmter Gruppen davon erforderlich, können in der Verordnung gemäß Abs. 1 von den Bestimmungen des NAG abweichende Bedingungen bei Erteilung von Aufenthaltstiteln festgelegt werden. In der Verordnung kann insbesondere vorgesehen werden, dass Aufenthaltstitel abweichend von § 21 Abs. 1 NAG im Inland beantragt und trotz Fehlens von Erteilungsvoraussetzungen nach dem 1. oder 2. Teil des NAG erteilt werden können, sowie inwieweit der bisherige rechtmäßige Aufenthalt als Vertriebener als Niederlassung (§ 2 Abs. 2 NAG) gilt.
(4) Die Behörde hat das durch die Verordnung eingeräumte Aufenthaltsrecht durch Ausstellung eines Ausweises für Vertriebene von Amts wegen zu bestätigen. Der Ausweis ist als „Ausweis für Vertriebene“ zu bezeichnen, kann verlängert werden und genügt zur Erfüllung der Passpflicht. Der Bundesminister für Inneres legt durch Verordnung die Form und den Inhalt des Ausweises sowie der Bestätigung gemäß Abs. 1 fest.
Mit Art. 1 des Durchführungsbeschlusses (EU) 2022/382 (im Folgenden: DB-UKR), ABl. L 71 vom 4.3.2022, S. 1-6, stellte der Rat der Europäischen Union das Bestehen eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine iSd Art. 5 der Richtlinie 2011/55/EG (im Folgenden: Massenzustrom-RL), ABl. L 212 vom 7.8.2001, S. 12-23, und führte einen vorübergehenden Schutz für bestimmte Personengruppen ein. Auf unionsrechtlicher Ebene umfasst dieser Schutz ukrainische Staatsangehörige, die vor 24.2.2022 ihren Aufenthalt in der Ukraine hatten sowie Drittstaatsangehörige oder Staatenlose, die vor 24.2.2022 internationalen Schutz oder einen gleichwertigen Schutz in der Ukraine hatten (Art. 2 Abs. 1 lit. a und lit. b DB-UKR). Weitere Voraussetzung ist, dass diese Personengruppen am oder nach dem 24.2.2022 infolge des an diesem Tag begonnenen Angriffskrieges Russlands aus der Ukraine vertrieben wurden (Art. 2 Abs. 1 erster Satz DB-UKR). Weiters umfasst dieser Schutz auch bestimmte Familienangehörige dieser Personengruppen (Art. 2 Abs. 2 lit. c iVm Abs. 4 DB-UKR). Zur Hilfestellung bei der Auslegung dieser unionsrechtlichen Regelungen bestehen operative Leitlinien in Form einer im Amtsblatt veröffentlichten Mitteilung der Europäischen Kommission (ABl. C 126I vom 21.3.2022, S. 1-16).
Innerstaatlich setzte Österreich dies durch § 62 Asylgesetz 2005 (AsylG) und die Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene, BGBl II Nr. 92/2002 idgF BGBl II Nr. 27/2023 (VertriebenenVO), um.
Gemäß § 62 Abs 1 AsylG iVm § 1 VertriebenenVO haben folgende Personengruppen nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für Vertriebene im Bundesgebiet:
1. Staatsangehörige der Ukraine mit Wohnsitz in der Ukraine, die aus dieser aufgrund des bewaffneten Konfliktes ab dem 24.2.2022 vertrieben wurden,
2. sonstige Drittstaatsangehörige oder Staatenlose mit einem vor dem 24.2.2022 gewährten internationalen Schutzstatus oder vergleichbaren nationalen Schutz-status jeweils gemäß ukrainischem Recht, die aus der Ukraine aufgrund des bewaffneten Konfliktes ab dem 24. Februar 2022 vertrieben wurden und
3.Sonstige enge Verwandte dieser Personengruppen als Bezugsperson iSd § 2 VertriebenenVO (Ehepartner, eingetragene Partner; minderjährige ledige Kinder und Stiefkinder; sonstige enge Verwandte, sofern diese vor 24.2.2022 mit der Bezugsperson in häuslicher Gemeinschaft gelebt haben und vollständig oder größtenteils von der Bezugsperson abhängig ist; jeweils sofern die abhängigen engen Angehörigen vor dem 24.2.2022 als Familienangehörige von der vertriebenen Bezugsperson in der Ukraine aufhältig waren).
Weitere Voraussetzung ist, dass keine Ausschlussgründe iSd Art. 28 VertriebenenVO vorliegen. Die von § 1 VertriebenenVO umfassten Personengruppen entsprechen denen nach Art. 2 DB-UKR.
Über den DB-UKR hinaus haben gemäß § 3 VertriebenenVO bestimmte andere ukrainische Staatsangehörige mit rechtmäßigem Aufenthalt am 24.2.2022 das Aufenthaltsrecht für Vertriebene, sofern keine Ausschlussgründe iSd Art. 28 Massenzustrom-RL bestehen, und zwar:
1.Ukrainische Staatsangehörige, die am 24.2.2022 einen Aufenthaltstitel nach dem NAG oder dem AsylG verfügten, der mangels Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen nicht verlängert oder entzogen wurde und die aufgrund des bewaffneten Konfliktes nicht in die Ukraine zurückkehren können; diesfalls entsteht das vorübergehende Aufenthaltsrecht für Vertriebene (bei Aufenthalt im Bundesgebiet) mit dem Ablauf des Aufenthaltstitels
2. Ukrainische Staatsangehörige, die sich am 24.2.2022 rechtmäßig (aufgrund eines Visums oder visumsfrei) im Bundesgebiet aufhielten, haben nach Ablauf des Visums bzw. des visumsfreien Aufenthalts das vorübergehende Aufenthaltsrecht für Vertriebene, wenn sie aufgrund des bewaffneten Konflikts nicht in die Ukraine oder den Staat ihres Wohnsitzes zurückkehren können.
Im konkreten Fall vermochte die beschwerdeführende Partei nunmehr (im zweitinstanzlichen Verfahren) nachweisen, der leibliche Vater des mj. Eric Manukyan, einem ukrainischen Staatsangehörigen, zu sein, weshalb er derivativ ein Aufenthaltsrecht gemäß § 1 Z 3 Vertriebenen-VO ableiten kann. Zudem lebt der Vater mit seiner Ehefrau und den Gemeinsamen Kindern im gemeinsamen Haushalt, weshalb die beschwerdeführende Partei bei verfassungskonformer Interpretation der Vertriebenen VO ebenfalls als Vertriebener anzusehen ist. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiter ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Gekürzte Ausfertigung:
Gemäß § 29 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, kann das Erkenntnis in gekürzter Form ausgefertigt werden, wenn von den Parteien auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof verzichtet oder nicht binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift gemäß Abs. 2a eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 von mindestens einem der hiezu Berechtigten beantragt wird. Die gekürzte Ausfertigung hat den Spruch sowie einen Hinweis auf den Verzicht oder darauf, dass eine Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß Abs. 4 nicht beantragt wurde, zu enthalten.
Diese gekürzte Ausfertigung des nach Schluss der mündlichen Verhandlung am 17.12.2024 verkündeten Erkenntnisses ergeht gemäß § 29 Abs. 5 VwGVG, da auf die schriftliche Ausfertigung des Erkenntnisses von den Parteien bzw. auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshofdurch durch die hierzu Berechtigten ausdrücklich verzichtet wurde.