Spruch
W241 2173215-3/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HAFNER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Iran, vertreten durch XXXX Rechtsanwälte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.10.2024, Zl. 1093977009/231741941, zu Recht:
A.) Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
B.) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I.) Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (BF), ein iranischer Staatsangehöriger, stellte nach seiner Einreise in das Bundesgebiet am 06.10.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz.
2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hat dieses erste Asylverfahren mit Bescheid vom 15.09.2017 für den BF negativ beendet. Seine gegen diese Entscheidung erhobene Beschwerde wurde mittels Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.11.2021, L525 2173215-1, abgewiesen.
3. Am 04.09.2023 stellte der BF einen Folgeantrag, welchen er weiterhin mit seiner Konversion zum Christentum begründete. Er habe im Iran eine gerichtliche Ladung erhalten und fürchte um sein Leben.
4. Mit Bescheid des BFA vom 07.12.2023 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entscheidender Sache zurückgewiesen. Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise.
5. Der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.01.2024, W242 2173215-2, stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
6. Nach Durchführung einer weiteren Einvernahme wies das BFA mit Bescheid vom 07.10.2024 den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entscheidender Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI.).
7. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schriftsatz vom 08.11.2024 fristgerecht Beschwerde.
II.) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF stellte am 06.10.2015 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde nach Ausschöpfung des Rechtsweges negativ entschieden.
Am 04.09.2023 stellte der BF einen Folgeantrag.
Mit Bescheid des BFA vom 07.12.2023 wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich des Status des Asylberechtigten sowie des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entscheidender Sache zurückgewiesen. Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise.
Der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.01.2024, W242 2173215-2, stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.
Mit Bescheid vom 07.10.2024 wurde eine dem Bescheid vom 07.12.2023 gleichlautende Entscheidung erlassen.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen basieren auf dem vorliegenden Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A.)
Behebung des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet.
Nach der Rechtsprechung zu dieser Bestimmung liegen verschiedene "Sachen" im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG vor, wenn in der für den Vorbescheid (für das Vorerkenntnis) maßgeblichen Rechtslage oder in den für die Beurteilung des Parteibegehrens im Vorbescheid (Vorerkenntnis) als maßgeblich erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist, oder, wenn das neue Parteibegehren von dem früheren abweicht. Eine Modifizierung, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern. Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH vom 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391, mwN).
Im vorliegenden Fall stellte der BF am 04.09.2023 einen Asylfolgeantrag, der mit Bescheid des BFA vom 07.12.2023 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurde.
Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.01.2024, W242 2173215-2, wurde dieser Bescheid ersatzlos behoben und ausgesprochen, dass von einer Änderung der maßgeblichen Sachlage auszugehen sei, weshalb keine entschiedene Sache vorliege. Die Zurückweisung wegen entscheidender Sache sei daher nicht rechtmäßig erfolgt. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
Das BFA erließ jedoch mit dem angefochtenen Bescheid vom 07.10.2024 erneut eine zurückweisende Entscheidung. Damit wird jedoch verkannt, dass das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.01.2024 unverändert dem Rechtsbestand angehört. Das BFA war daher im zweiten Rechtsgang gemäß § 28 Abs. 3 letzter Satz VwGVG an die dieser Entscheidung zugrundeliegende (tragende) rechtliche Beurteilung gebunden.
Wie der Verwaltungsgerichtshof zum VwGVG wiederholt ausgesprochen hat, darf über in Rechtskraft erwachsene Entscheidungen (grundsätzlich) nicht mehr in merito entschieden werden; die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens. Auch die Entscheidung eines Verwaltungsgerichtes wird mit ihrer Erlassung rechtskräftig, wobei alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens einen Rechtsanspruch auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft haben. Im Zusammenhang mit diesem Grundsatz ist die einschlägige Rechtsprechung zu § 68 AVG in sinngemäßer Weise heranzuziehen. Daraus ist abzuleiten, dass über ein und dieselbe Rechtssache nur einmal rechtskräftig zu entscheiden ist. Mit der Rechtskraft ist die Wirkung verbunden, dass die mit der Entscheidung unanfechtbar und unwiderruflich erledigte Sache nicht neuerlich entschieden werden kann (Wiederholungsverbot). Einer nochmaligen Entscheidung steht das Prozesshindernis der entschiedenen Sache (res iudicata) entgegen. Zudem folgt aus dem Gedanken der materiellen Rechtskraft grundsätzlich eine Bindungswirkung an eine behördliche Entscheidung (vgl. VwGH 24.05.2016, Ra 2016/03/0050, Rn. 6, mwN).
Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom Verwaltungsgericht von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne deren sachliche Richtigkeit nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (vgl. VwGH 09.08.2018, Ra 2018/22/0078, Rn. 11, mwN; zur Bindungswirkung im Zusammenhang mit einer ersatzlosen Behebung durch das Verwaltungsgericht vgl. VwGH 29.07.2021, Ra 2021/12/0046, Rn. 22, mwN). Vom BFA wurde im gegenständlichen Verfahren auch keine die Bindungswirkung durchbrechende Sachverhaltsänderung aufgezeigt.
Für die belangte Behörde kam daher eine neuerliche Zurückweisung des Folgeantrags wegen entschiedener Sache nicht in Betracht.
Die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz erfolgte daher nicht rechtmäßig und ist der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Weiters liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.