JudikaturBVwG

W223 2300151-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
30. Oktober 2024

Spruch

W223 2300151-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS als Vorsitzende, sowie die Richterin Mag. Benedikta TAURER und den fachkundigen Laienrichter Gerhard PALL, als Beisitzer/in über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Sozialversicherungsnummer: XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 08.08.2024, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der BF brachte am 27.06.2024 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigen Behinderten samt Beilagen ein.

2. Mit Schreiben vom 09.07.2024 wurde dem BF mitgeteilt, dass die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Personen aufgrund des Bezuges einer dauerhaften Pensionsleistung und dem Nichtvorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses gemäß § 2 BEinstG nicht vorlägen. Es wurde ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung Stellung zu nehmen. Es langte keine Stellungnahme bei der belangten Behörde ein.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.08.2024 wurde der Antrag des BF auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen unter Bezug auf § 2 Abs. 2 lit. c BEinstG ausgeführt, da der BF eine Geldleistung nach Bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehe und nicht in Beschäftigung stehe, seien nach § 2 Abs. 2 lit. c BEinstG die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten nicht gegeben. Dem BF sei mit Schreiben vom 09.07.2024 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme bis zum angegebenen Zeitpunkt nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 04.09.2024, eingelangt bei der belangten Behörde am 10.09.2024, fristgerecht Beschwerde. Darin wird zusammengefasst ausgeführt, dass der BF keine weiten Strecken gehen, seinen Stuhl nicht halten könne und beim Sitzen an starken Schmerzen leide. Der BF sei trotzdem zu keiner Untersuchung eingeladen worden.

5. Am 04.10.2024 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist österreichischer Staatsbürger.

Der BF bezieht seit 09.01.2022 eine Alterspension der Pensionsversicherungsanstalt. Er steht in keinem Beschäftigungsverhältnis.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur Staatsangehörigkeit basiert auf einen vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Die Feststellungen, dass der BF seit 09.01.2022 eine Alterspension bezieht und nicht in Beschäftigung steht, ergeben sich aus dem Akteninhalt und einem vom BVwG am 07.10.2024 durchgeführten AJ-WEB-Auskunftsverfahren. Der BF bestreitet zudem weder das Vorliegen einer Alterspension noch das Nichtvorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Begünstigte Behinderte im Sinne des BEinstG sind gemäß § 2 Abs. 1 BEinstG österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. Österreichischen Staatsbürger sind folgende Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. gleichgestellt:

1. Unionsbürger, Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, Schweizer Bürger und deren Familienangehörige,

2. Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind,

3. Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, soweit diese Drittstaatsangehörigen hinsichtlich der Bedingungen einer Entlassung nach dem Recht der Europäischen Union österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen sind.

Gemäß § 2 Abs. 2 BEinstG gelten nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 behinderte Personen, die

a) sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder

b) das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht in Beschäftigung stehen oder

c) nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen oder

d) nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und infolge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) nicht in der Lage sind.

Behinderung im Sinne des BEinstG ist gemäß § 3 BEinstG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt gemäß § 14 Abs. 1 BEinstG die letzte rechtskräftige Entscheidung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 v.H.

a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;

b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;

c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;

d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-, Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).

Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung.

Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat gemäß § 14 Abs. 2 BEinstG auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden.

Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung der Entscheidung folgt, mit der der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

Da der BF seit 09.01.2022 eine Alterspension der Pensionsversicherungsanstalt bezieht und nicht in Beschäftigung steht, ist der Ausschlussgrund nach § 2 Abs. 2 lib. c BEinstG erfüllt, wonach behinderte Personen, die nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 gelten.

Die Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten liegen daher aktuell nicht vor.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Angemerkt wird, dass es dem BF freisteht, einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu stellen.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Auszug aus dem AJ-WEB-Auskunftsverfahren, weder das Vorliegen eines Alterspensionsbezuges noch das Nichtvorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses wurden vom BF bestritten, sondern wurde von diesem auch im beschwerdegegenständlichen Antrag angeführt. Dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

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