JudikaturBVwG

W153 2281234-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
17. Oktober 2024

Spruch

W153 2281234-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Christoph KOROSEC als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX StA. Jemen, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.09.2023, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2024, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger des Jemen, reiste am 06.02.2022 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Bei der Erstbefragung am 07.06.2022 gab er zu seinen Fluchtgründen an, dass er den Jemen im Jahr 2018 aufgrund des Krieges verlassen habe. Es sei dort unsicher, und es gebe kein Essen. Zudem hätten Huthi-Milizen versucht, ihn zu rekrutieren. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

Am 14.09.2023 fand eine Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) statt. Der BF gab als Fluchtgrund an, dass er im Februar 2018 von einer Gruppe Huthis gefangen genommen und in eine Kaserne gebracht worden sei. Dort habe er körperliche Misshandlungen erlitten und sollte als Kämpfer ausgebildet werden. Nach etwa 20 Tagen habe er jedoch flüchten können, und sei er wenig später per Schiff nach Dschibuti ausgereist. Im Falle einer Rückkehr drohe die Gefahr, erneut rekrutiert zu werden. Dies gelte besonders, da er als dunkelhäutiger Mann, dessen Mutter und Ehefrau somalischer Herkunft seien, zu einer unterdrückten Minderheit gehöre und er auf keinen Schutz eines Familienclans hoffen könne. Dunkelhäutige Personen seien im Jemen rassistischer Diskriminierung ausgesetzt, und die Huthis würden verstärkt versuchen, diese Personen als Kämpfer zu rekrutieren. Der BF erklärte außerdem, dass die Familie seiner Ehefrau Druck auf sie ausübe, mit den gemeinsamen zwei Töchtern nach Somalia zurückzukehren. Er lehne dies jedoch ab, da seine Töchter dort der Gefahr der Genitalverstümmelung ausgesetzt wären.

Mit Bescheid des BFA vom 27.09.2023 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem BF jedoch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt (Spruchpunkt III.).

Gegen den Spruchpunkt I. des Bescheides vom 27.09.2023 erhob der BF am 09.11.2023 Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF aus einer Mischbeziehung stamme, wobei sein Vater Jemenit und seine Mutter Somalierin sei. Solche Personen würden im Jemen als „Muwalladin“ bzw. Muhamschen“ bezeichnet und sei der BF in seiner Heimat ständiger Diskriminierung und Angriffen aus rassistischen Motiven ausgesetzt gewesen. Es sei ihm zudem unmöglich gewesen, einer geregelten Arbeit nachzugehen, und er habe am Rande der Gesellschaft vom Flaschensammeln gelebt. Zwar seien die diskriminierenden Handlungen hauptsächlich seitens privater Personen ausgegangen, aber der Staat sei - insbesondere im Lichte der aktuellen Situation im Jemen - nicht willens und nicht im Stande, den BF vor den Übergriffen zu schützen. Nach der Machtübernahme durch die Huthis habe sich die Situation weiter verschlimmert und sei er im Februar 2020 von den Huthi-Rebellen zwangsrekrutiert worden. Nach etwa 20 Tagen sei ihm jedoch die Flucht gelungen. Im Falle einer Rückkehr in den Jemen drohe ihm mit großer Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aufgrund seiner Rasse, da der de-facto-Staat der Huthis dunkelhäutige Menschen, bei denen kein Schutz durch Familie, Clans oder andere Institutionen zu erwarten sei, vorrangig für militärische Zwecke mobilisieren würde.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) führte am 20.08.2024 unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch im Beisein der Rechtsberatung eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Der BF wurde zu seinen Fluchtgründen befragt und es wurde ihm Gelegenheit gegeben, alle Gründe darzulegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zur Person des BF:

Der BF trägt den im Spruch genannten Namen sowie das Geburtsdatum und ist Staatsangehöriger des Jemen, Angehöriger der arabischen und somalischen Volksgruppe und der sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Der BF wurde in Aden, Jemen, geboren und lebte ab seinem zweiten Lebensjahr bis zu seiner Ausreise in der Stadt Sanaa. Der BF besuchte dort 6 Jahre die Schule und arbeitete anschließend als Reinigungskraft und Chauffeur. Zuletzt verdiente er seinen Lebensunterhalt durch das Sammeln und Verkaufen von Schrott.

Der BF ist verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Die Ehefrau des BF ist somalische Staatsangehörige.

Die Ehefrau und die Kinder des BF leben im Jemen in einem Flüchtlingscamp in XXXX Sein Bruder und seine vier Schwestern leben ebenfalls im Jemen. Der BF hat regelmäßigen Kontakt zu seiner Ehefrau.

Der BF verließ den Jemen im Jahr 2018 und reiste illegal nach Dschibuti, wo er die nächsten zwei Jahre verbrachte, davon etwa 15 Monate in Haft. Anschließend begab er sich in die Türkei, wo er ungefähr sechs Monate illegal arbeitete, um seine Weiterreise in die EU zu finanzieren. Danach lebte er mehrere Monate in Griechenland bevor er schlepperunterstützt nach Österreich gelangte, wo er am 06.02.2022 einen Asylantrag stellte.

Der BF ist gesund und strafgerichtlich unbescholten.

Mit Bescheid des BFA vom 27.09.2023 wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr erteilt.

Zu den Fluchtgründen des BF:

Es wird festgestellt, dass der BF eine individuelle Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat Jemen nicht glaubhaft machen konnte. Insbesondere eine Zwangsrekrutierung des BF durch Huthis konnte nicht plausibel dargelegt werden. Es gibt keine Hinweise, dass der BF abseits der durch den Bürgerkrieg gegebenen allgemeinen Gefahren einer individuellen Verfolgung oder Gefährdung ausgesetzt wäre.

Das Vorbringen des BF, wegen seiner somalischen Abstammung bzw. seiner Eigenschaft als Person mit dunkler Hautfarbe einer Verfolgung bzw. unmenschlichen Behandlung ausgesetzt gewesen zu sein, hat sich als nicht glaubhaft erwiesen.

Es wird weiters festgestellt, dass dem BF auch keine Verfolgung aus anderen Gründen, wie wegen seiner Rasse, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aufgrund seiner politischen Gesinnung droht.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat werden auszugsweise die Feststellungen zur Situation in Jemen aus dem aktuellen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 09.08.2023 wiedergegeben:

Politische Lage

Die heutige Republik Jemen entstand im Mai 1990 durch den Zusammenschluss der Arabischen Republik Jemen (Nordjemen) mit der Demokratischen Volksrepublik Jemen (Südjemen) (EB 28.7.2023; vgl WHH 24.3.2023). Gemäß dem Einigungsvertrag fungiert Sana’a, die frühere Hauptstadt des Nordjemen als die politische Hauptstadt des Landes, während Aden, die frühere Hauptstadt des Südjemen, als wirtschaftliches Zentrum dient. Die beiden Teile des Jemen haben eine unterschiedliche Geschichte: Während der Nordjemen nie unter kolonialer Verwaltung durch eine europäische Macht stand, war der Südjemen von 1839 bis 1967 Teil des Britischen Weltreichs. Die heutigen Grenzen sind weitgehend das Ergebnis der außenpolitischen Ziele und Maßnahmen Großbritanniens, des Osmanischen Reichs und Saudi-Arabiens. Seit der Wiedervereinigung leidet der Jemen unter chronischer Korruption und wirtschaftlicher Not. Spaltungen aufgrund von Religion, Stammeszugehörigkeit und Geografie spielen in der jemenitischen Politik weiterhin eine wichtige Rolle und führen bisweilen zu Gewalt (EB 28.7.2023). Im Mai 1994 mündete der Versuch des Südens, die staatliche Unabhängigkeit wieder herzustellen, in einen kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, der die Hegemonie des Nordens im vereinten Jemen bestätigte und zementierte (BPB 3.1.2020; vgl. WHH 24.3.2023). Im Jahr 2014 übernahmen die Huthi – Schiitischen, die sich in der Vergangenheit immer wieder gegen die sunnitische Regierung erhoben hatten – die Kontrolle über Sana’a und forderten eine neue Regierung (CRF 31.7.2023; vgl. WHH 24.3.2023).

In der Verfassung wurden die Rechte und Institutionen festgeschrieben, die im Regelfall mit jenen einer liberalen parlamentarischen Demokratie verbunden sind (EB 28.7.2023). Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der den Vizepräsidenten und den Premierminister ernennt (Art. 106). Der in direkter Volkswahl gewählte Präsident (Art. 108) wird für höchstens zwei Amtszeiten von je sieben Jahren gewählt (Art. 112) und von einem Kabinett unterstützt (Art. 119). Die Legislative besteht aus zwei Kammern (EB 28.7.2023): dem Repräsentantenhaus, dessen Mitglieder alle sechs Jahre in allgemeinen Wahlen gewählt werden (Art. 65), und dem al-Shūrā-Rat (Beirat), dessen Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden (Art. 126). Das Repräsentantenhaus ist die gesetzgebende Behörde des Staates. Er erlässt Gesetze, billigt die allgemeine Staatspolitik, genehmigt den Staatshaushalt und die Wirtschaftspläne und kontrolliert die Exekutive gemäß der Verfassung (Art. 62). Die Verfassung (ausgenommen Kapitel 1 und 2) kann mit einer Dreiviertelmehrheit des Repräsentantenhauses geändert werden (Art. 158) (JEME 1991).

Das Land ist in Gouvernements (muḥāfaẓāt) gegliedert (LGY 7.8.2023; vgl. CP 25.9.2022), deren Gouverneure vom Präsidialrat (Presidential Leadership Council, PLC) ernannt werden (HRITC 7.4.2022; vgl CEIP 9.6.2022). Die Gouvernements haben ihren eigenen Rat (ISPI 13.7.2022; vgl. EB 28.7.2023). Sowohl im Norden als auch im Süden ging der Trend dahin, den Gouvernements ein hohes Maß an Autonomie einzuräumen. Allerdings fehlen im Jemen die infrastrukturellen Voraussetzungen für die Durchführung effizienter Kommunalwahlen (EB 28.7.2023).

Auf nationaler Ebene gibt es eine Reihe aktiver politischer Parteien, deren Zusammensetzung und Mitgliedschaft jedoch gesetzlich geregelt ist. Parteien, die sich auf Faktoren wie regionale, stammesbezogene, konfessionelle oder ethnische Zugehörigkeit stützen, sind ausdrücklich verboten. Jede Partei muss eine Lizenz von einem staatlichen Ausschuss beantragen, um legal zu existieren (EB 28.7.2023). Nach 1990 wurden 22 Parteien zugelassen. Darunter zählen der Allgemeine Volkskongress (AVK), die Jemenitische Sozialistische Partei (JSP), die al-Islah (ʽdie Jemenitische Versammlung für Reformen’, eine sunnitisch-islamistische Partei, lokaler Ableger der Muslimbruderschaft mit salafistischen Einflüssen), die Nasseritische Unionistische Partei (NUP) und weitere sozialistische Organisationen (SCSS 7.2.2022; vgl. EB 28.7.2023; BAMF 7.3.2023). Die in den 1990er Jahren aktive Al-Ḥaqq-Partei (ʽDie wahre Partei’) vertrat die Interessen einer in den 1980er Jahren entstandenen Wiederbelebungsbewegung der Zaiditen (schiitischer Zweig des Islam); sie führte zum Aufstieg der Huthi-Bewegung, deren Rebellion in den 2010er Jahren zu einem Bürgerkrieg eskalierte (EB 28.7.2023; vgl. BAMF 7.3.2022).

Das Gesetz gibt den Bürgern die Möglichkeit, ihre Regierung friedlich durch freie und faire regelmäßige Wahlen auf der Grundlage des allgemeinen und gleichen Wahlrechts zu wählen (USDOS 20.3.2023). Die letzten Parlamentswahlen fanden im Jahr 2003 statt (WC 6.1.2022; IPS 16.3.2023). Mehr als zwanzig Parteien nahmen daran teil. Die AVK gewann die überwältigende Mehrheit der Sitze (WC 6.1.2022). Aktuell leben dutzende Vertreter politischer Parteien im Exil in Ägypten, Saudi-Arabien, der Türkei, Jordanien und Malaysia (IPS 16.3.2023).

Es gibt keine Gesetze, die die Beteiligung von Frauen oder Angehörigen von Minderheitengruppen am politischen Prozess einschränken, und sie haben an vergangenen Wahlen teilgenommen. Personen der LGBTQI+-Gemeinschaft haben nicht offen am politischen Prozess teilgenommen. Im Laufe des Jahres 2022 bekleidete keine Frau einen Ministerposten in der Regierung. Sie sind weiterhin in der Zivilgesellschaft aktiv (USDOS 20.3.2023).

Im Jahr 2015 setzten die Huthi die Verfassung außer Kraft, lösten das Parlament auf und kündigten die Bildung eines ernannten obersten Revolutionskomitees als höchstes Regierungsorgan an. Mit den Huthi verbündete Mitglieder des Allgemeinen Volkskongresses kündigten die Bildung eines obersten politischen Rates und die Wiedereinberufung des Parlaments in Sana’a an, gefolgt von der Ankündigung einer „Regierung der nationalen Rettung“. Die Huthi-Regierung und ihre Institutionen werden international nicht anerkannt – Parlamentswahlen haben nicht stattgefunden. Die letzten Parlamentswahlen fanden im Jahr 2003 statt (USDOS 20.3.2023).

Die international anerkannte Regierung Jemens hat das Parlament 2019 in Sayoun zum ersten Mal seit 2015 wieder einberufen, aber seitdem ist das Parlament nicht wieder zusammengetreten (USDOS 20.3.2023).

Am 7.4.2022 übergab Präsident Abd Rabbo Mansour Hadi die Macht an einen neuen achtköpfigen Präsidialrat (PLC) unter der Leitung des ehemaligen Innenministers Rashad Muhammad al-Alimi (USDOS 20.3.2023; vgl. BMZ 28.3.2023a). Der PLC ist die derzeitige international anerkannte Regierung des Jemen (PGN 11.3.2023), fungiert als Exekutivorgan (USDOS 20.3.2023) und stellt sich gegen die De-facto-Behörden der Huthi (AI 27.3.2023). Dem Präsidialrat gehören Vertreter einer Reihe wichtiger militärischer und politischer Persönlichkeiten an (AI 27.3.2023) – eine Kombination von Vertretern international anerkannter Institutionen und Anführern bewaffneter Gruppen mit territorialer Kontrolle (CEIP 9.6.2022). Das sind der Gouverneur von Mar’ib, der Präsident des Südlichen Übergangsrats (Southern Transitional Council, STC), der Anführer der National Resistance Forces (NRF), der Stabschef des Präsidialamts, der Gouverneur von Hadramaut, der Kommandeur der Giantes Brigades (GB) und der Parlamentsabgeordnete Othman al-Mujali (SCSS 3.5.2022).

Allerdings herrscht im Präsidialrat (PLC) Uneinigkeit (ICG 4.5.2023; vgl. SCSS 9.2022). Da die hier vertretenen Kräfte alle ihre eigene Agenda haben und zum Teil miteinander verfeindetet sind, gestaltet sich ihre Zusammenarbeit als schwierig (WHH 24.3.2023). Der STC, der einige südliche Landesteile – vor allem rund um die Hafenstadt Aden – kontrolliert, setzt sich für eine Unabhängigkeit des Südens ein (BMZ 28.3.2023a). Einige weitere im Präsidialrat vertretene Fraktionen fordern wirtschaftliche Autonomie, welche der STC ablehnt. Nicht zuletzt konkurrieren selbst Mitglieder des Präsidialrates wegen politischer und wirtschaftlicher Interessen um Ministerposten. Schließlich sind alle Fraktionen des PLC von der wichtigsten diplomatischen Initiative, von den vom Oman vermittelten Gesprächen zwischen den Huthi und Riad, ausgeschlossen (ICG 4.5.2023) [s. Kapitel 4.3.].

Auch das Huthi-Lager ist fraktioniert. Die Huthi üben Macht durch Subgruppen aus, die alle auch wirtschaftliche Interessen haben (DS 11.4.2023).

Das Königreich Saudi-Arabien an der Spitze einer Koalition aus sunnitisch regierten arabischen Staaten griff im März 2015 in den Konflikt ein. Wichtigster Partner in dieser Allianz sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), welche andererseits auch den Südlichen Übergangsrat (STC) unterstützen und mittelfristig die Unabhängigkeit des Südjemens vom Nordjemen anstreben. Die saudisch-geführte Koalition wird auf internationaler Ebene insbesondere von den USA und auch Großbritannien militärisch unterstützt. Andererseits werden die Huthi schon seit vielen Jahren vom Iran unterstützt, u.a. finanziell, logistisch und auch in zunehmendem Maße durch die Lieferung von Waffen (WHH 24.3.2023).

Auf dem Index der fragilen Staaten 2023 (der NGO Fund for Peace) steht der Jemen auf dem zweiten Rang (FSI 2023). Seit der Einnahme der Hauptstadt Sana’a durch die Huthi im September 2014, in manchen Regionen jedoch schon seit 2011 und davor, tobt im Jemen ein gewaltsamer Konflikt um die politische Macht und den Zugang zu Ressourcen (WHH 24.3.2023). Die Hauptkriegsparteien, die Huthi und die international anerkannte Regierung, an deren Seite Saudi-Arabien steht, setzen Gespräche im Rahmen eines informellen Waffenstillstands fort (ICG 4.5.2023). Eine der dringlichsten Herausforderungen im Jemen ist die Notwendigkeit einer stabilen und effektiven staatlichen Struktur (CIPE 11.2.2023). Ein einheitlicher Nationalstaat existiert im Jemen nicht mehr – die Regierung hat die Kontrolle über weite Teile des Landes verloren. Reformen, insbesondere in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und politische Teilhabe, sind erforderlich (BMZ 28.3.2023b). Der Konflikt im Land hat dazu geführt, dass es in vielen Gebieten keine funktionierenden Regierungsinstitutionen gibt, was zu einem Machtvakuum und einer Verbreitung bewaffneter Gruppen geführt hat (CIPE 11.2.2023).

Sicherheitslage

Nicht-staatliche Akteure wie die Huthi, Stammesmilizen und terroristische Gruppen (darunter al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel und ein lokaler Ableger vom Islamischen Staat (IS)), begehen ungestraft Übergriffe. Vor dem von den Vereinten Nationen vermittelten Waffenstillstand setzte Saudi-Arabien seine Militäroperationen zur Unterstützung der international anerkannten Regierung des Jemen gegen die Huthi fort (USDOS 20.3.2023). Der sechsmonatige vereinbarte Waffenstillstand lief zwar offiziell im Oktober 2022 aus, wurde aber für den Rest des Jahres inoffiziell fortgesetzt; auch schränkte er die Aktivitäten an der Front ein und führte zu einer vollständigen Einstellung der Luftangriffe (CIMP 3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023).

Wirksame Mechanismen zur Untersuchung und Verfolgung von Übergriffen seitens der Sicherheitskräfte fehlen (USDOS 20.3.2023).

Die militärischen Entwicklungen während des Jahres 2022 lassen sich im Großen und Ganzen in drei Phasen unterteilen: Im ersten Quartal kam es zu verstärkten grenzüberschreitenden Angriffen der Huthi-Truppen, die von der Koalition zur Wiederherstellung der Legitimität im Jemen militärisch beantwortet wurden. Die zweite Phase war eine fragile sechsmonatige Waffenruhe, die am 2.10.2022 endete. In der dritten Phase nach dem Waffenstillstand wurde der Frieden erneut gestört, und die Verhandlungen zur Verlängerung des Waffenstillstands gestalteten sich schwierig (UNSC 21.2.2023).

Am 2. April 2022 stimmten die Konfliktparteien einem UN-Vorschlag für einen zweimonatigen landesweiten Waffenstillstand zu, der anschließend alle zwei Monate bis zum 2.10.2022 verlängert wurde (AI 27.3.2023). Während des Waffenstillstands und nach dessen Ende verübten die Konfliktparteien jedoch sporadisch Angriffe auf zivile Gebiete und Frontlinien in den Gouvernements Maʿrib, al-Hudaida, Ta’izz und Ad-Dāliʿ (AI 27.3.2023; vgl. UNSC 21.2.2023). Zu den positiven Ergebnissen des Waffenstillstands gehörten die Wiederaufnahme der Einfuhr von Öl und Ölderivaten über den Hafen von al-Hudaida, wodurch der Bedarf der Menschen, in den von den Huthi kontrollierten Gebieten gedeckt werden konnte, sowie die Wiederaufnahme einer begrenzten Anzahl kommerzieller Flüge von Sanaa aus. Die Regierung erlaubte die internationale Reise von Personen mit von den Huthi ausgestellten Reisepässen, wodurch Personen aus humanitären Gründen ins Ausland reisen konnten (UNSC 21.2.2023).

Die Konfliktparteien hatten die Waffenruhe auch als strategische Pause genutzt, um ihre Streitkräfte neu zu formieren und mit Nachschub zu versorgen, bevor es zu neuen Kampfhandlungen kam. Die Huthi führten militärischen Operationen an verschiedenen Fronten durch, auf die die Regierungstruppen reagierten. Diese kosteten Zivilisten das Leben und beschädigten die zivile Infrastruktur (UNSC 21.2.2023).

Landminen und explosive Kriegsmunitionsrückstände sind seit dem Rückgang der Kämpfe im Anschluss an das im April 2022 ausgelaufene Waffenstillstandsabkommen vom letzten Jahr zu einem immer wichtigeren Thema geworden (UNSC 31.7.2023). Durch den Rückgang der Kampfhandlungen kehren immer mehr Personen in die ehemaligen Kampfgebiete zurück, die zum Teil stark vermint sind (BAMF 10.7.2023).

Der Nationale Verteidigungsrat der jemenitischen Regierung verabschiedete am 22. Oktober die Resolution Nr. 1 von 2022, in der die Huthi als terroristische Organisation bezeichnet werden (UNSC 21.2.2023).

Diverse Streitkräfte und ihre internationalen Unterstützer

Die regierungsnahen Kräfte werden von Saudi-Arabien finanziert und sind entlang der Grenze zu Saudi-Arabien, in Ma’rib und in Teilen von Ta’izz stationiert. Auch in den Provinzen Hadramaut und al-Mahra sind diese Kräfte stark vertreten, waren aber in der Praxis kaum in den Bürgerkrieg involviert. Die Provinzen im Süden werden von verschiedenen Kräften beherrscht, die in erster Linie ihren eigenen und den regionalen Interessen ihres finanziellen Unterstützers, der Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), dienen. Mehrere der von den VAE finanzierten Kräfte sind mit der separatistischen Bewegung des Südlichen Übergangsrates (STC) verbunden, die in den letzten Jahren ihre Position in Aden und den umliegenden Provinzen gefestigt hat. Darüber hinaus finanzieren die VAE die Joint Forces in den Küstengebieten der Provinz Ta’izz und die Hadrami Elite Force in den Küstengebieten von Hadramaut (Landinfo 15.6.2023).

Königreich Saudi-Arabien (KSA): KSA finanzieren Kämpfer der ehemaligen Volkskomitees/Söhne von Abyan, um Einheiten aufzubauen, die den westlichen Teil des Gouvernements Abyan vor den Toren Adens kontrollieren können. Die Strategie Saudi-Arabiens konzentriert sich um Aden auf die Organisation salafistischer Kräfte. Neben der Nation Shield Force (NSF) und den Subaiha-Stammesangehörigen finanzieren die Saudis auch die Amajid-Brigade in Abyan (MEI 31.1.2023).

Vereinigte Arabischen Emirate (VAE): Die VAE gelten allgemein als Unterstützer des Südlichen Übergangsrates (STC), obwohl sie auch ein enger Verbündeter von Saudi-Arabien sind, das die al-Islah-Partei unterstützt (PGN 11.3.2023). Die VAE unterstützen einige bewaffnete salafistische Gruppen, die um territoriale Kontrolle ringen (MEI 31.1.2023).

Islamische Republik Iran: Iran unterstützt die Huthi schon seit vielen Jahren, u.a. finanziell, logistisch und auch durch Waffenlieferung (WHH 24.3.2023; vgl. ICG 29.12.2022; UNSC 21.2.2023), was Saudi-Arabien als Bedrohung ansieht (ICG 29.12.2022). Die Huthi sind jedoch entgegen saudischer Wahrnehmung kein von Iran aus gesteuerter Akteur; sie nehmen zwar Ratschläge aus dem Iran an, haben aber auch immer wieder entgegen iranischen Empfehlungen gehandelt (WHH 24.3.2023).

Nation Shield Force (NSF): Saudi-Arabien hat seit Ende 2022 neue bewaffnete Formationen in Aden und den angrenzenden Gouvernoraten aufgestellt, wie die Nation Shield Force (NSF) (früher bekannt als al-Yemen al-Saeed Forces), die ihnen untersteht. Ende Januar 2023 erklärte der Vorsitzende des Präsidialrates (PLC) Rashad al-Alimi die NSF durch ein Dekret zu einer militärischen Reserveeinheit, die seiner direkten Aufsicht untersteht und somit nicht dem Verteidigungsministerium untersteht (MEI 31.1.2023; vgl. SCSS 9.3.2023). Die NSF besteht hauptsächlich aus Stammesangehörigen von al-Subaiha (die den Subaiha-Widerstand gegen die Huthi im westlichen Lahidsch leiten), hat eine salafistische Ausrichtung und folgt separatistischen Zielen. Die Stammeszugehörigkeit führt manchmal zu Verbindungen zwischen verschiedenen bewaffneten Gruppen. Aufgrund lokaler Streitigkeiten stellen sich die Subaiha-Stammesangehörigen gegen die Southern Transitional Council (STC) (MEI 31.1.2023).

Bislang wurden die Einheiten der NSF nach Ad-Dāliʿ, Abyan und Lahidsch entsandt (SCSS 9.3.2023).

Southern Transitional Council (STC): Der STC tritt für die Abspaltung vom Zentralstaat ein, bekämpft die von Saudi-Arabien unterstützte al-Islah-Partei und pflegt Beziehungen zu den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE), insbesondere auf der Führungsebene. Die Führung des separatistischen STC setzt sich hauptsächlich aus Personen aus dem Gouvernement Ad-Dāliʿ zusammen, die 1986 an der Seite von Lahidsch im Bürgerkrieg in der Demokratischen Volksrepublik Jemen gekämpft haben (MEI 31.1.2023).

Zu den STC gehören die Security Belt Forces (SBF), die Support and Reinforcement Brigades (SRB), die Facilities Protection Force (FPF) (MEI 31.1.2023) und die Saiqa Brigades (SB) (ACLED 6.4.2023).

„Joint Forces“ und/oder „National Resistance Forces“ (NRF): Die Streitkräfte setzen sich aus drei Hauptkomponenten zusammen: die Proregierungsgruppe Giants Brigades (USDOS 20.3.2023) oder Giants (GB), Guardians of the Republic (Republican Forces) (GR) und Tihama Popular Resistance (TPR). Sie werden jeweils von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützt, wenn auch in unterschiedlichem Maße. (CARPO 15.4.2021).

Security Belt Forces (SBF): Die SBF werden von den VAE unterstützt und setzen sich hauptsächlich aus lokalen Aufständischen, Veteranen und Sympathisanten der ehemaligen Demokratischen Volksrepublik Jemen (DVJ) zusammen (MEI 31.1.2023).

Support and Reinforcement Brigades (SRB): Die SRB unterstützen die Security Beld Forces in Aden und Lahidsch, haben aber eine eigene Befehlskette (MEI 31.1.2023).

Facilities Protection Force (FPF): Die FPF ist mit der Bewachung institutioneller Gebäude in Aden beauftragt (MEI 31.1.2023).

Shabwa Defense Forces (SDF): Die SRF ist eine Pro-regierungsgruppe (USDOS 20.3.2023) und wird von den VAE unterstützt (MEI 24.7.2023).

Hadrami Elite Forces (HEF): Die HEF werden von den VAE unterstützt und kontrollieren die Küste von Hadramaut (al-Mukalla). Sie streben nach regionaler Autonomie (MEI 24.7.2023).

Amajid-Brigade: Die 2019 gegründete und und in Abyan angesiedelte bewaffnete Gruppe Amajid-Brigade wird von Saudi-Arabien unterstützt, von einem salafistischen Scheich, Salih Salim al-Sharji, angeführt, schart Kämpfer aus dem ehemaligen salafistischen Dar al-Hadith-Institut in Saʿda um sich und wurde nie im Rahmen des nationalen Sicherheitssektors legalisiert (MEI 31.1.2023).

Al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP): AQAP ist in mehreren Regionen Jemens aktiv und kontrolliert zum Teil sogar kleinere Gebiete (BAMF 19.6.2023). Ende 2022 kam es zu einem deutlichen Anstieg der AQAP-Aktivitäten, welcher mit einer strategischen und geografischen Verlagerung von Angriffen auf Huthi-Kräfte in al-Baida hin zu Angriffen auf STC-Kräfte im Südjemen einherging. Die Gruppe ist derzeit hauptsächlich in Teilen der Provinzen al-Baida, Abyan und Shabwat aktiv (ACLED 6.4.2023).

Kampfhandlungen

Am 2.4.2022 begannen die Konfliktparteien den vom UN-Sondergesandten für Jemen, Hans Grundberg, vermittelten Waffenstillstand, der zweimal verlängert wurde, aber am 2. Oktober auslief. In den Monaten vor dem Waffenstillstand waren die bewaffneten Auseinandersetzungen und die wahllosen Bombardierungen eskaliert. Zwischen Oktober 2021 und April 2022 führte die von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführte Koalition die meisten Luftangriffe seit Dezember 2018 durch (GCRP 1.3.2023).

Während des Waffenstillstands kam es zu keinen Luftangriffen der Koalition (GCRP 1.3.2023), aber in den Gouvernements Ma'rib, al-Hudaida, Baida und Ad-Dāliʿ zu gelegentlichen Zusammenstößen (UNSC 21.2.2023; vgl. GCRP 1.3.2023). Im September 2022 nahmen die verbündeten Kräfte des Südlichen Übergangsrates (STC) das gesamte südliche Gouvernement Shabwat ein und vertrieben alle Kräfte, die mit der von Saudi-Arabien unterstützten Islah-Partei verbunden sind (DAWN 14.6.2023).

Nach dem Ende des Waffenstillstands wurden keine größeren Militäroffensiven gestartet, aber an den Fronten in Ta’izz, Lahidsch und al-Hudaida kam es zu heftigen Zusammenstößen. Mehrere Bataillone der Giant Brigades (GB) wurden an die Grenze zwischen Ma'rib und Shabwat verlegt, während die Huthi zusätzliche Kräfte in den Süden von Ma'rib und in den Nordosten von Baida schickten. Im November 2022 wurden auch Zusammenstöße in Shabwat, Ma'rib, al-Baida, Ad-Dāliʿ und Abyan gemeldet (UNSC 21.2.2023).

Am 6.5.2023 flammten die Kämpfe um Ta’izz kurzfristig wieder auf. Dieser Angriff steht in einer ganzen Reihe von Versuchen der Huthi, in der Region mit schnellen, kleinen Vorstößen Stellungen zu übernehmen (BAMF 8.5.2023).

Am 10.6.2023 haben mehrere mutmaßliche al-Qaida-Kämpfer die Shabwat Defense Forces (SDF) in der Nähe der Stadt al-Musnaiyna (Gouvernement Shabwa) mit Maschinengewehren angegriffen. Nach mehreren Stunden zogen die Angreifer sich schließlich zurück (BAMF 19.6.2023; vgl. ICG 6.2023).

Im Juli 2023 griffen die Huthi Streitkräfte in den Gouvernements Ad-Dāliʿ, Süd- al-Baida und Ta’izz an (ICG 7.2023).

Dem Council on Foreign Relation zufolge bleibt das Niveau der Feindseligkeit zwischen den Konfliktparteien zumindest bis Juni 2023 niedrig (CFR 31.7.2023).

Friedensverhandlungen

Dem UN-Sondergesandten für den Jemen Hans Grundberg zufolge zeigen alle Konfliktparteien, dass sie Fortschritte zu einer Vereinbarung über humanitäre und wirtschaftliche Maßnahmen, einem dauerhaften Waffenstillstand und der Wiederaufnahme eines politischen Prozesses unter jemenitischer Führung erzielen wollen. Die Waffenruhe wirkt weiterhin, ein formeller Waffenstillstand ist jedoch notwendig (UN 17.5.2023).

Gemäß dem Riad-Abkommen von 2019 unterstehen alle Streitkräfte der international anerkannten Regierung und des Südlichen Übergangsrates (STC) während der Umsetzungsphase rechtlich der „direkten Aufsicht“ Saudi-Arabiens (MEI 31.1.2023). Am 9.4.2023 begannen Friedensverhandlungen zwischen den Huthi und Vertretern Saudi-Arabiens unter Vermittlung des Omans in Sana’a (BAMF 17.4.2023; vgl. MEI 31.1.2023). Der Besuch der saudischen Delegation in Sana’a erfolgte im Anschluss an die im März zwischen Saudi-Arabien und Iran geschlossene Vereinbarung zur Wiederherstellung der Beziehungen (REUTERS 14.4.2023; vgl. AL 7.7.2023). Die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) waren bei den Verhandlungen ausgeschlossen (DAWN 14.6.2023; vgl. AL 7.7.2023), ebenso der Präsidialrat (PLC) und der STC (SC 15.6.2023). Letzterer unterstützt die Friedensinitiativen, steht aber bestimmten Bedingungen skeptisch gegenüber (REUTERS 14.4.2023).

Ziele der Verhandlungen waren u.a. die Erneuerung des im Oktober 2022 ausgelaufenen Waffenstillstandes, eine Aufhebung der saudischen Luft- und Seeblockade, das Ende der Besatzung von Ta’izz durch Huthi-Streitkräfte (BAMF 17.4.2023), die Auszahlung der Löhne im öffentlichen Dienst, Wiederaufbaubemühungen und der Abzug ausländischer Truppen aus dem Jemen (REUTERS 14.4.2023).

Die Verhandlungen endeten am 14.4.2023 ohne konkrete Ergebnisse (BAMF 17.4.2023). Größere Meinungsverschiedenheiten zwischen den Huthi und ihren jemenitischen Gegnern wurden nicht angesprochen (ICG 4.5.2023; vgl. UNSC 31.7.2023). Das hängt mit den fragilen Beziehungen zwischen den verschiedenen Fraktionen zusammen, die die Anti-Huthi-Kräfte bilden und die im PLC vertreten sind (UNSC 31.7.2023). Auch eine Zusammenarbeit zwischen den Parteien in kritischen Finanzfragen fehlt (UN 17.5.2023). In den April-Verhandlungen wurden jedoch Berichten zufolge Fortschritte erzielt. Kurz danach erfolgte ein bereits im März beschlossener Gefangenenaustausch von über 800 Gefangenen zwischen den Kriegsparteien (BAMF 17.4.2023; vgl. ICG 4.5.2023).

Im Jemen besteht kein Konsens über die grundlegende Struktur für die Nachkriegszeit (SC 15.6.2023). Die Mitglieder des PLC sind uneins darüber, wie die Macht in den von ihnen kontrollierten Gebieten aufgeteilt werden soll: ob der Jemen ein einheitlicher Staat bleiben, in zwei Staaten aufgeteilt oder zu einer Föderation werden soll (und im letzten Fall mit wie vielen föderalen Regionen). Hinzu kommt, dass Saudi-Arabien und die VAE, die wichtigsten regionalen Unterstützer des PLC, gegensätzliche militärische Taktiken anwenden und nur die Position derjenigen Ratsmitglieder stärken, die ihre Interessen vertreten (ICG 4.5.2023).

Bislang haben Diplomaten versucht, die Legitimität des PLC auf der Weltbühne zu stärken, indem sie sich mit Ratsmitgliedern innerhalb und außerhalb des Landes trafen und sie auf internationalen Foren empfingen. Auch wollen die westlichen Vertreter, dass Riad den PLC in die Verhandlungen mit den Huthi einbezieht und die UNO die Führung übernimmt (ICG 4.5.2023).

Die regionalen und internationalen Bemühungen, die Notlage der Jemeniten zu beheben und einen dauerhaften Frieden zu schaffen, haben bisher nicht gefruchtet (CEIP 1.6.2023). Während die jüngste, von China vermittelte Annäherung zwischen Saudi-Arabien und Iran die Hoffnung auf eine Beendigung des Krieges auf dem Verhandlungswege geweckt hat (CEIP 1.6.2023; vgl. CRF 31.7.2023), haben die Jemeniten noch keine sinnvollen Friedensgespräche gesehen (CEIP 1.6.2023). Nach dem Treffen im April 2023 haben die Gespräche zwischen Saudi-Arabien und den Huthi noch immer nicht zu einem dauerhaften Waffenstillstand geführt, geschweige denn den Weg für Friedensgespräche mit einem endgültigen Status geebnet (DAWN 14.6.2023).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor. aber es gibt keine Hinweise darauf, dass eine unabhängige Justiz in irgendeiner Form existiert. Sie ist anfällig für die Einmischung verschiedener politischer Gruppierungen und bewaffneter Gruppen (USDOS 20.3.2023; vgl. BTI 23.2.2022). Die Behörden setzen Gerichtsurteile, insbesondere gegen prominente Stammesführer oder Politiker, selten durch. In Ermangelung eines wirksamen Gerichtssystems greifen die Bürger häufig auf Formen der Stammesjustiz und des Gewohnheitsrechts zurück (FH 24.2.2022).

In vielen Regionen kann die Justiz ihre Aufgabe nicht erfüllen (BTI 23.2.2022). Die Strafgerichte in den von den Huthi kontrollierten Gebieten sind nach wie vor aktiv (FH 2023), das Justizsystem wird dort jedoch dem UN-Sicherheitsrat zufolge zur Unterdrückung jeglicher Opposition oder vermeintlicher abweichender Meinung instrumentalisiert (UNSC 26.1.2022). In einigen anderen Teilen des Landes bzw. in nicht von den Huthi kontrollierten Gebieten ist das Justizsystem weitgehend funktionsunfähig (FH 24.2.2022; vgl. UNSC 26.1.2022) und wird von den Sicherheitskräften weitgehend ignoriert (UNSC 26.1.2022). Die Gerichte können nicht unabhängig von der Gruppe arbeiten, die in dem jeweiligen Gebiet die Macht innehat, und manchmal übernehmen Milizen die Rolle der Justiz. Gerichte und Richter werden umgangen, ersetzt oder sogar angegriffen. Zwar funktionieren zumindest einige Gerichte in der Hauptstadt und in den Provinzhauptstädten noch, aber inwieweit die Verfahren fair sind oder einen Mindeststandard erfüllen, ist fraglich. Spezialisierte Gerichte verhängen immer mehr Todesurteile, verfolgen aber die Umsetzung ihrer Urteile nicht immer (BTI 23.2.2022).

Dem Gesetz nach gelten Angeklagte als unschuldig, bis ihre Schuld bewiesen ist. Die Gerichtsverhandlungen sind in der Regel öffentlich, aber alle Gerichte können „aus Gründen der öffentlichen Sicherheit oder der Moral“ geschlossene Sitzungen abhalten. Richter, die eine aktive Rolle bei der Befragung von Zeugen und Angeklagten spielen, entscheiden über die Strafsachen. Die Angeklagten haben das Recht, anwesend zu sein und sich rechtzeitig mit einem Anwalt zu beraten. Den Verteidigern ist es erlaubt, ihre Mandanten zu beraten, sich an das Gericht zu wenden und Zeugen und relevante Beweismittel zu befragen. Das Gesetz sieht vor, dass die Regierung mittellosen Angeklagten in schweren Strafsachen einen Anwalt zur Verfügung stellt; in der Vergangenheit ist dies nicht immer geschehen. Angeklagte können sich mit Zeugen, die gegen sie aussagen, konfrontieren oder diese befragen. Angeklagte können auch Zeugen und Beweise in ihrem Namen vorlegen. Die Angeklagten haben das Recht, zu einer Aussage oder einem Schuldbekenntnis nicht gezwungen zu werden, und können Rechtsmittel einlegen. Über die Einhaltung eines ordnungsgemäßen Verfahrens im Laufe des Jahres 2022 liegen nur wenige Informationen vor (USDOS 20.3.2023).

Ein weiteres spezielles Strafgericht, das Staatssicherheitsgericht, das nach anderen Verfahren in geschlossenen Sitzungen arbeitet, gewährt den Angeklagten nicht die gleichen Rechte wie die regulären Gerichte. Die Verteidiger in Sicherheitsfällen haben keinen uneingeschränkten Zugang zu den Anklagen oder Gerichtsakten ihrer Mandanten (USDOS 20.3.2023).

Zusätzlich zu den etablierten Gerichten gibt es ein Stammesjustizsystem für nicht-strafrechtliche Angelegenheiten. Stammesrichter, in der Regel angesehene Scheichs, urteilen häufig über nicht-strafrechtliche Fälle nach Stammesrecht, wobei es sich in der Regel um eine öffentliche Anklage handelt, ohne dass formell eine Anklage erhoben wird. Die Öffentlichkeit respektiert die Ergebnisse von Stammesverfahren oft mehr als das formelle Gerichtssystem, das von vielen als korrupt und unzureichend unabhängig angesehen wird (USDOS 20.3.2023).

Sicherheitsbehörden

Gemäß der Verfassung ist der Staat die Autorität, die die Streitkräfte, Polizei, Sicherheitskräfte und alle anderen Einrichtungen dieser Art zu schaffen hat. Keine Organisation, Einzelperson, Gruppe, politische Partei oder Organisation darf Streitkräfte oder paramilitärische Gruppen zu irgendeinem Zweck oder unter irgendeinem Namen aufstellen (Art. 36). Auch dürfen sie nicht im Interesse einer Partei, einer Einzelperson oder einer Gruppe eingesetzt werden, sondern sie habe ihre Aufgaben neutral und ordnungsgemäß zu erfüllen (Art. 40). Im Artikel 39 versteht sich die Polizei als eine zivile und reguläre Kraft, die ihre Aufgaben im Dienste des Volkes wahrnimmt und den Frieden und dessen Sicherheit garantiert. Sie bewahrt das Recht, hält die öffentliche Ordnung aufrecht, wahrt die guten Sitten, führt die Anordnungen der Justizbehörden aus und erfüllt die Aufgaben, die ihr durch die Gesetze und Vorschriften des Landes auferlegt werden. Zuständig für die Ernennung und Entlassung hochrangiger Militär- oder Polizeibeamter gemäß den gesetzlichen Bestimmungen ist der Präsident der Republik (Art. 119) (JEME 1991).

Die wichtigsten Einrichtungen der international anerkannten jemenitischen Regierung, die für die innere Sicherheit zuständig sind, sind die Organisation für politische Sicherheit und das Nationale Sicherheitsbüro. Beide Organisationen sind per Gesetz dem Innenminister und anschließend dem Präsidenten unterstellt (USDOS 20.3.2023). Im September 2019 haben die Huthi die beiden seit langem bestehenden Nachrichtendienste zu einem einzigen Dienst mit der Bezeichnung „Sicherheits- und Nachrichtendienst" zusammengelegt (CTC 10.2022).

Die Kriminalpolizei, die die meisten strafrechtlichen Ermittlungen und Verhaftungen durchführt, die paramilitärischen Sondersicherheitskräfte und die Antiterroreinheit unterstehen ebenfalls dem Innenminister. Die Huthi-Kräfte kontrollieren die meisten der verbliebenen nationalen Sicherheitsorgane in Teilen des Nordens und andere ehemalige staatliche Einrichtungen. Die jemenitische Regierung besetzt die nationalen Sicherheitsbehörden in den von ihr kontrollierten Gebieten, obwohl große Gebiete, die nominell unter der Kontrolle der jemenitischen Regierung stehen, faktisch von Stammesführern und lokalen Militärkommandeuren kontrolliert werden. Der Südliche Übergangsrat (STC) und die mit ihm verbundenen bewaffneten Gruppen übernehmen die Verantwortung für die Sicherheit in weiten Teilen des Südens, einschließlich der vorübergehenden Hauptstadt der Regierung, Aden. Die zivilen Behörden haben keine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 20.3.2023).

Zu den Militär- und Sicherheitskräften der international anerkannten Regierung gehören mehrere Organisationen aus dem Verteidigungs- und Innenministerium. Hinzu kommen die von Saudi-Arabien unterstützten paramilitärischen oder militärischen Kräfte, die sich weitgehend auf Stammes- oder regionale Zugehörigkeit stützen. Zu den von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) unterstützten Kräften gehören stammes- und regionenbezogene Milizen und paramilitärische Kräfte (vor allem in den südlichen Gouvernements) wie die Kräfte des STC. Nicht zuletzt verfügen die von Iran militärisch und politisch unterstützten Huthi über Milizen oder Stammeshilfstruppen (CIA 11.7.2023).

Die dem jemenitischen Verteidigungsministerium unterstellten Regierungstruppen sind für die territoriale Verteidigung zuständig, haben aber auch Aufgaben im Bereich der inneren Sicherheit (CIA 11.7.2023; vgl. USDOS 20.3.2023); ihr Hauptaugenmerk liegt auf den Huthi-Rebellen und dem Schutz der jemenitischen Seegrenzen (CIA 11.7.2023).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter und andere Misshandlungen dieser Art. Obwohl das Gesetz keine umfassende Definition von Folter enthält, gibt es Bestimmungen, die Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren für wegen Folter verurteilte Personen vorsehen (USDOS 20.3.2023).

Willkürliche Inhaftierungen sind weit verbreitet, und in den letzten Jahren wurden Hunderte von Fällen dokumentiert. In vielen Fällen handelt es sich um erzwungenes Verschwindenlassen, ohne dass Informationen über den Status oder den Aufenthaltsort der Opfer vorliegen (FH 2023). Untersuchungen von Human Rights Watch und anderen Rechtsgruppen erbringen immer mehr Beweise für weit verbreitete willkürliche Verhaftungen, gewaltsames Verschwindenlassen sowie Misshandlungen und Folter in der Haft durch die Konfliktparteien (HRW 13.1.2022; vgl. UNSC 21.2.2023).

Korruption

Im Korruptionswahrnehmungsindex 2022 belegt der Jemen den Platz 176 von insgesamt 180 (TI 2022). Dies wirkt sich auf alle Aspekte der öffentlichen und privaten Aktivitäten aus (CESCR 23.3.2023).

Im Jemen werden Gesetze, Politiken und Verordnungen aktualisiert und geändert sowie neue Strategien und Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung eingeleitet (AWTAD 6.2022). Einige Fortschritte bei der Entwicklung von Rechtsvorschriften und Aufsichtsgremien für die Umsetzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Korruption sind erzielt worden, aber es bestehen noch viele Lücken, insbesondere bei der tatsächlichen Umsetzung (UNCACC 17.8.2022). Unstimmigkeiten im Präsidialrat (PLC) der international anerkannten Regierung verhindern bisher dringend notwendige Reformen u.a. im Finanzsektor und bei der Korruptionsbekämpfung (BAMF 1.1.2023).

Die Korruption ist in allen Bereichen und auf allen Ebenen der Regierung sowie unter nichtstaatlichen Akteuren, insbesondere im Sicherheitssektor gegenwärtig. Für die amtliche Korruption sind strafrechtliche Sanktionen vorgesehen, die aber nicht wirksam umgesetzt werden. Von Bewerbern für staatliche Stellen wird oft erwartet, dass sie sich ihre Position durch Bestechung erkaufen. Steuerprüfer z.B. nehmen routinemäßig zu niedrige Bewertungen von Grundstücken vor und stecken die Differenz ein. Zahlreiche Regierungsbeamte und Angestellte des öffentlichen Dienstes, einschließlich Lehrer und Beschäftigte des Gesundheitswesens, werden aufgrund fehlender staatlicher Mittel nicht bezahlt, während die Gehaltslisten des öffentlichen Sektors weiterhin durch „Geisterarbeiter“ belastet werden. Diese erhalten Gehälter für Aufgaben, die sie nicht ausführen. Auch das öffentliche Auftragswesen ist regelmäßig von Korruption betroffen (USDOS 20.3.2023).

Die Huthi profitieren weiterhin von der Beschlagnahmung staatlicher Mittel, von Steuern auf den Unternehmenssektor und der Umleitung humanitärer Hilfe. Sie missbrauchen die ehemaligen Antikorruptionsbehörden, um abweichende Meinungen und politische Gegner zu unterdrücken (USDOS 20.3.2023).

Wehrdienst und Rekrutierungen

Gemäß der jemenitischen Verfassung regelt das Gesetz die Bedingungen für den Wehrdienst, die Beförderung und die Disziplinarverfahren in den Streit-, Polizei- und Sicherheitskräften. Der Verfassung zufolge ist die Verteidigung der Religion und des Vaterlandes eine heilige Pflicht, der Militärdienst eine Ehre. Der Nationaldienst ist gesetzlich zu organisieren (JEME 1991, Art. 36, 60).

Die Wehrpflicht wurde 2001 abgeschafft (CIA 11.7.2023; vgl. MBZ 8.2022). Das gesetzliche Mindestalter für den freiwilligen Wehrdienst ist 18 Jahre (CIA 11.7.2023). Die Rekrutierung von Soldaten für die jemenitische Regierungsarmee findet weitgehend auf lokaler Ebene statt (MBZ 8.2022).

Es kommt häufig zu Desertionen und regelmäßig zu Überläufen zu den Huthi-Rebellen (MBZ 8.2022). Der französischen Asylbehörde zufolge finden sich keine Hinweise auf besondere Behandlung der Überläufer im Falle von Rückkehr (OFPRA 17.2.2021). Auch verfolgt die jemenitische Regierung keine aktive Ermittlungs- und Strafverfolgungspolitik gegenüber Deserteuren (MBZ 8.2022). Das Gesetz sieht jedoch für jeden Angehörigen der Streitkräfte die Todesstrafe bei Weigerung, die Waffe zu tragen oder zu benutzen, beim Verstecken, Desertieren oder unerlaubtes Verlassen des Arbeitsplatzes sowie dabei, wenn jemand sich dem Feind freiwillig ergibt (NLB 12.10.1994, Art. 127).

Alle Konfliktparteien sind in die Rekrutierung und den Einsatz von Kindersoldaten verwickelt, wenngleich die Huthi-Anführer bereits 2012 zugesagt hatten, den Einsatz von Kindersoldaten zu beenden, ebenso wie die Regierung 2014 (USDOS 20.3.2023). Die meisten Fälle von Kindersoldaten werden den Huthi-Kräften zugeschrieben (MHR 11.11.2022). Das Fehlen eines einheitlichen Systems für die Geburtenregistrierung erschwert den Altersnachweis, was mitunter zur Rekrutierung von Kindern zum Militär beiträgt (USDOS 20.3.2023).

Die Huthi haben ein Frauenbataillon namens Zainabiyat gegründet (CTC 6.2023) – benannt nach Zainab, einer Tochter des Propheten Muhammed (BAMF 7.3.2022). Sie rekrutieren Mädchen, welche beispielsweise als Teil der (ausschließlich weiblichen) Zainabiyat-Truppen als Informantinnen oder Sanitäterinnen eingesetzt werden (BAMF 7.3.2022).

Regelmäßig Opfer von Zwangsrekrutierung werden afrikanische Migranten im Jemen, Berichten zufolge insbesondere in den von den Huthi kontrollierten Gebiete (BAMF 20.2.2023).

Schließlich konzentrieren die Huthi sich auf die Bildung einer ideologischen Armee von Jugendlichen, rekrutieren sie in Nachbarschaften und Schulen und versorgen sie mit religiöser, kultureller und politischer Propaganda. Sie nutzen auch Einschüchterung und Zwang zur Rekrutierung. Den Familien der Jungen wird mit Gefängnis oder dem Vorwurf des Verrats gedroht, um sie zum Militär zu bringen (EUAA 3.3.2022).

Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den vom Jemen ratifizierten völkerrechtlichen Verträgen zählen: 1) die Konvention gegen Folter (CAT); 2) der Zivilpakt (ICCPR); 3) die Frauenrechtskonvention (CEDAW); 4) die Konvention gegen Rassismus (ICERD); 5) der Sozialpakt (ICESCR); 6) die Kinderrechtskonvention (CRC); 7) das Fakultativprotokoll zur Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten; 8) das Fakultativprotokoll betreffend den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie; und 9) die Behindertenrechtskonvention (CRPD) (OHCHR o.D.). Des Weiteren verbietet die jemenitische Verfassung die körperliche und psychische Folter (Art. 48). Sie gewährt jedem Jemeniten die Freiheit für die Ausübung bürgerlicher und politischer Rechte (Art. 107). Die Verfassung sieht die Frauen als die Schwestern der Männer und spricht ihnen Rechte und Pflichten zu, die durch die Scharia garantiert und durch das Gesetz festgelegt sind (Art. 31) (JEME 1991).

Dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zufolge begehen die Konfliktparteien, insbesondere die Huthi, schwerwiegende Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht und die internationalen Menschenrechtsnormen. Weit verbreitet und systembedingt sind wahllose Angriffe auf Zivilisten und zivile Infrastrukturen, willkürliche Inhaftierungen, Misshandlungen und Folter, außergerichtliche Tötungen, konfliktbedingte sexuelle Gewalt, die Rekrutierung und der Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten sowie die Behinderung der Bereitstellung und Verteilung humanitärer Hilfe (UNSC 21.2.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Die 2012 durch den Präsidialerlass Nr. 140 eingerichtete Nationale Kommission für die Untersuchung mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen ist mit der Einleitung formeller Untersuchungen von mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen durch alle Konfliktparteien beauftragt. Zwischen Januar 2021 und Juli 2022 untersuchte die Kommission landesweit 97 Fälle mutmaßlicher außergerichtlicher Tötungen. Davon wurden 42 Fälle von den Huthi, 23 Fälle von den von der Regierung unterstützten Militär- und Sicherheitskräften und 32 Fälle von anderen nicht-staatlichen Akteuren begangen (USDOS 20.3.2023).

Informationen über Einschränkungen der Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit sind nicht verfügbar. Diskriminierung aus Gründen der Rasse, des Geschlechts und einer Behinderung ist nach wie vor ein ernstes Problem in Beschäftigung und Beruf (USDOS 20.3.2023). Personen, von denen bekannt ist oder vermutet wird, dass sie LGBTQI+ sind, werden diskriminiert (USDOS 20.3.2023; vgl. AI 28.3.2023).

Einigen ethnischen Gruppen wie der Muhamaschun-Gemeinschaft und den Muwaladun (Bürger ausländischer Herkunft) begegnen soziale und institutionelle Diskriminierung aufgrund von Rasse, ethnischer Zugehörigkeit und sozialen Status (USDOS 20.3.2023).

Die Muhamashun (der arabische Begriff für Ausgegrenzte) werden im Jemen allgemein als „Akhdam“ (arabischer Begriff für Diener) bezeichnet und gelten als unterste soziale Schicht im Land (ACTED et al. 21.3.2023). Sie erbringen traditionell wenig prestigeträchtige Dienstleistungen und sind Diskriminierung im Bereich der Beschäftigung ausgesetzt (USDOS 20.3.2023; vgl. ACTED et al. 21.3.2023).

Der Begriff „Muwaladun“ wird im Jemen für Personen verwendet, bei denen ein Elternteil jemenitischer Herkunft und ein Elternteil ausländischer Herkunft ist (MBZ 8.2022). Die Muwalladun (häufig abwertend verwendeter Begriff) sind seit Jahrzehnten Zielscheibe diskriminierender Praktiken – Verweigerung von Staatsbürgerschaftsrechten, Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt, gesellschaftliche Stigmatisierung, manchmal kein Zugang zu Bildung (SCSS 18.7.2022) und im Bereich der Eheschließung (MBZ 8.2022).

Experten weisen auf gezielte Verfolgung religiöser Minderheiten durch Inhaftierung, Folter und Misshandlung in der Vergangenheit in den von den Huthi kontrollierten Gebieten hin (UNSC 31.7.2023).

Haftbedingungen

In den von den Huthi kontrollierten Gebieten werden Inhaftierte Tageslichtentzug, Isolationshaft, Demütigungen, Schlägen durch Stöcke und Kabel, Elektroschocks, mangelhafter Versorgung mit Nahrungsmitteln sowie unzureichender medizinischer Behandlung ausgesetzt. Andererseits werden der international anerkannten Regierung u.a. Schläge, Beleidigungen und mangelhafte medizinische Versorgung vorgeworfen (BAMF 19.6.2023; vgl. HRW 13.1.2023). Auch werden Gefangene häufig in inoffiziellen Haftanstalten festgehalten (FH 2023).

Todesstrafe

Im Jemen darf ein Todesurteil nur vollstreckt werden, wenn es vom Präsidenten der Republik bestätigt wird (JEME 1991, Art. 123).

Das jemenitische republikanische Dekret von 1994 sieht die Todesstrafe in einer Reihe an Artikeln wie 126 – 128 etc. vor. Beispielsweise wird der Versuch, die Unabhängigkeit, Einheit oder territoriale Unversehrtheit der Republik zu verletzen, der Todesstrafe bestraft (NLB 12.10.1994, Art. 125). Weiters wird die Todesstrafe oder eine Freiheitsstrafe verhängt, wenn der Widerstand gegen einen befehlshabenden Offizier zu dessen Tod geführt hat (Art. 226). Jeder Angehörige der Streitkräfte wird beim Desertieren oder freiwilligem Überlaufen zum Feind u.a. wegen feigen Verhaltens mit der Todesstrafe bestraft (Art. 227). Wer eine unfehlbare Seele vorsätzlich ermordet, wird mit der Todesstrafe bestraft, es sei denn, die begangene Tat wird vergeben (Art. 234). Wer sich von der Religion des Islam abwendet oder sie verleugnet, wird mit der Todesstrafe bestraft, nachdem er dreimal zur Reue befragt wurde und eine Frist von dreißig Tagen erhalten hat (Art. 259). Bei Homosexuellen ist es gesetzlich zulässig, sie mit einer Freiheitsstrafe von höchstens einem Jahr zu bestrafen, oder mit Steinigung, wenn sie verheiratet sind (Art. 264) (NLB 12.10.1994), jedoch sind keine Hinrichtungen von LGBTQI+ Personen in den letzten Jahren bekannt (USDOS 21.3.2023).

Todesurteile werden in Jemen nach Verfahren verhängt, die nicht den internationalen Standards für faire Gerichtsverfahren entsprechen. In den Jahren 2021 bzw. 2022 gab es 298 bzw. 78 Todesurteile und 14 bzw. 4 Hinrichtungen (AI 5.2023).

Bewegungsfreiheit

Die Freizügigkeit im Inland, Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung sind gesetzlich vorgesehen. Die Bewegungsfreiheit ist allerdings für alle Personen im Land, einschließlich der Flüchtlinge angesichts der Schäden an Straßen, Brücken und anderen grundlegenden Infrastrukturen sowie aufgrund von Kontrollpunkten und Straßensperren eingeschränkt. Kontrollpunkte an wichtigen Straßen werden von Proregierungskräften, den Huthi und Stammestruppen unterhalten. Reisende sind physischen Schikanen, Erpressungen, Diebstählen oder kurzfristigen Entführungen zur Erlangung von Lösegeld ausgesetzt. Die durch den Konflikt verursachten Schäden an infrastrukturellen Einrichtungen behindern den Waren- und Personenverkehr im ganzen Land, einschließlich der Lieferung von humanitärer Hilfe und kommerziellen Sendungen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 2023).

Die Zahl der Migranten, Flüchtlingen und Asylbewerbern, die sich auf dem Weg nach Saudi-Arabien und in die Golfstaaten befinden, ist zwar geringer als zu Beginn der COVID-19-Pandemie, hat aber 2022 deutlich zugenommen (OCHA 12.2022).

Meldewesen und Dokumente

Die jemenitischen Meldebehörden verfügen nicht über Register, die ein vollständiges Bild der Bevölkerung vermitteln (Landinfo 27.6.2022). Laut dem US-amerikanischen Department of State gibt es keine allgemeine Geburtenregistrierung (USDOS 20.3.2023). Das Fehlen einer Geburtsurkunde schränkt den Zugang zu anderen staatlichen Dokumenten ein (USDOS 20.3.2023; vgl. BTI 23.2.2022), wobei ein relativ großer Teil der Bevölkerung keine Ausweispapiere hat (Landinfo 27.6.2022).

Nur wenige jemenitische Kinder werden bei der Geburt registriert (BTI 23.2.2022). Die meisten Geburten und Sterbefälle werden nicht rechtzeitig erfasst. Im Allgemeinen werden Geburten in den südlichen Provinzen häufiger registriert als in den nördlichen Provinzen. Ebenso sind die Geburtenregistrierung und der Besitz von Ausweispapieren in städtischen Gebieten weiterverbreitet als in ländlichen Gebieten (Landinfo 27.6.2022).

Nachdem die Huthi-Bewegung in Sana’a eingedrungen war und die Kontrolle über mehrere Standesämter und Passämter im Norden übernommen hatte, stellten die von ihr kontrollierten Ämter weiterhin zivile Dokumente, Personalausweise und Pässe aus. Die international anerkannte Regierung akzeptiert zivile Dokumente und Personalausweise, die in den von den Huthi kontrollierten Gebieten ausgestellt wurden, erkennt jedoch die so genannten Huthi-Pässe nicht als legale Reisedokumente an (Landinfo 27.6.2022).

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einvernahme des BF in der mündlichen Verhandlung.

Zur Person des BF:

Die Feststellungen zur (Verfahrens-)Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben sowie der in Kopie vorgelegten jemenitischen Identitätskarte (AS 49 f). In der Beschwerdeverhandlung gab der BF bekannt, dass nicht der bisher im Verfahren geführte Name XXXX , sondern XXXX sein tatsächlicher Nachname sei (Protokoll der Beschwerdeverhandlung vom 20.08.2024, im Folgenden: VHP, S. 4). XXXX sei hingegen der Name seines Großvaters. Der anwesende Dolmetscher bestätigte die Übereinstimmung des in der Verhandlung angegebenen Nachnamens mit den Daten auf der in Kopie vorgelegten ID-Karte (Beilage ./2). Mangels Vorlage eines Personaldokumentes im Original steht die genaue Identität des BF nicht zweifelsfrei fest.

Die Feststellungen zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Aufwachsen bzw. seinen Wohnorten im Jemen sowie seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeiten gründen sich auf seinen Angaben (AS 3 f, 39 ff, 200; VHP, S. 4 ff). Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des BF zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Zeitpunkt der Ausreise aus dem Jemen, dem Aufenthalt in Dschibuti, der Weiterreise und dem Leben in der Türkei und in Griechenland sowie zum Zeitpunkt der Asylantragstellung in Österreich ergeben sich aus den schlüssigen Angaben des BF (AS 7, 38 f; VHP, S. 7 f) sowie dem Protokoll der Erstbefragung (AS 4).

Die Feststellung zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglichen Aussagen des BF. Seine strafgerichtliche Unbescholtenheit konnte aufgrund der Einsicht in das Strafregister festgestellt werden.

Dass dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zukommt, ergibt sich aus dem verfahrensgegenständlichen Bescheid (AS 81 ff).

Zu den Fluchtgründen des BF:

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich in der mündlichen Verhandlung persönlich davon überzeugen, dass das BFA zu Recht zur Ansicht gelangt ist, dass der BF keiner asylrechtlich relevanten Verfolgungsgefahr ausgesetzt ist.

Bei der Erstbefragung gab der BF zu den Fluchtgründen an, dass er den Jemen im Jahr 2018 aufgrund der Versorgungslage und des Krieges verlassen habe. Zudem hätten Huthi-Milizen versucht, ihn zu rekrutieren. Eine Entführung und mehrwöchige Gefangennahme durch die Huthis oder eine aufgrund seiner somalischen Abstammung bestehende Verfolgungsgefahr wurden nicht vorgebracht.

Zur Frage, was der BF bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat zu befürchten hätte, gab er an, dass er „Angst um sein Leben“ habe (AS 9). Der BF verneinte aber, dass es konkrete Hinweise gebe, dass er im Falle einer Rückkehr mit Sanktionen seitens seines Herkunftsstaates zu rechnen hätte, ihm unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder Todesstrafe drohen würde.

Das Gericht verkennt bei der Würdigung der Aussagen des BF in der Erstbefragung nicht, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen hat. Die Beweisergebnisse der Erstbefragung dürfen nicht unreflektiert übernommen werden (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061). Ein vollständiges Beweisverwertungsverbot normiert § 19 Abs. 1 AsylG jedoch nicht. Im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen können Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben – unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind – einbezogen werden (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0607 bis 0608-12, VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0271, mwN). Es ist davon auszugehen, dass eine Person, die in ihrem Herkunftsland einer Entführung und mehrwöchigen Gefangennahme ausgesetzt war, dies sofort nach seiner Asylantragstellung und bereits bei der ersten Befragung hinsichtlich der ausschlaggebenden Fluchtgründe angibt.

In seiner Einvernahme durch das BFA führte der BF erstmals aus, dass im Februar 2018 von den Huthis gefangen genommen worden sei. Im Zuge seiner mehrwöchigen Anhaltung habe er körperliche Misshandlungen erlitten und hätte als Kämpfer ausgebildet werden sollen. Er habe aufgrund von kriegerischen Auseinadersetzungen in der Umgebung jedoch nach etwa 20 Tagen flüchten können, habe sich danach mehrere Tage bei einem somalischen Bekannten versteckt gehalten und sei anschließend per Schiff nach Dschibuti ausgereist. Im Falle einer Rückkehr drohe die Gefahr, erneut in die Hände der Huthis zu fallen. Erst auf erneute Nachfrage und ohne dies zuvor im Verfahren erwähnt zu haben, fügte der BF hinzu, dass diese Gefahr für ihn besonders groß sei, da er als Mann somalischer Abstammung zu einer unterdrückten Minderheit gehöre und nicht unter dem Schutz eines Familienclans stehe (AS 44).

Das BFA stellte im gegenständlichen Bescheid fest, dass die vom BF angegebenen Fluchtgründe aufgrund der kontinuierlichen Steigerung nicht glaubwürdig seien. Eine Gefährdung seiner Person habe nicht glaubhaft gemacht werden können. Stattdessen sei aus dem Vorbringen klar erkennbar, dass der BF sein Heimatland aus rein wirtschaftlichen Gründen verlassen habe und zu keinem Zeitpunkt auf der Suche nach Asyl gewesen sei (AS 151).

Dieser Einschätzung der Behörde ist zu folgen. Im Falle einer Rückkehr in den Jemen wäre der BF, abgesehen von den allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner individuellen Verfolgung oder Bedrohung ausgesetzt.

Wie bereits erwähnt ist vorweg festzuhalten, dass der BF eine Festnahme durch die Huthis in der Erstbefragung nicht erwähnte. Vor dem BFA führte er erstmals aus, dass er im Jahr 2018 zwangsrekrutiert worden sei und fügte an späterer Stelle noch hinzu, dass er auch aufgrund seiner Hautfarbe im Jemen verfolgt werde. In der mündlichen Verhandlung führte der BF sodann erstmals weiters aus, dass die Huthis versucht hätten, ihn „einer Art Gehirnwäsche“ zu unterziehen (VHP, Seite 11). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein solch kontinuierlich gesteigertes Vorbringen nicht als glaubhaft anzusehen. Vielmehr müsse grundsätzlich den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden. Es entspricht der Lebenserfahrung, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, der Wahrheit in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261, mwH). Vor diesem Hintergrund bestehen im Hinblick auf die Steigerung des Vorbringens massive Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussagen des BF.

Gegen eine individuelle Verfolgung spricht grundsätzlich, dass der BF im Jemen vor der angeblichen Entführung durch die Huthis keinerlei Probleme mit der Polizei, Behörden, dem Militär, Institutionen, Organisationen oder Privatpersonen hatte (AS 44 f). Erst nach der Zwangsrekrutierung durch die Huthis, habe er den Entschluss gefasst, sein Heimatland zu verlassen, um sein Leben zu retten (AS 45). Für das Gericht ist es nicht plausibel, dass der BF, der zum Zeitpunkt der angeblichen Gefangennahme durch die Huthis bereits 33 Jahre alt war und ohne Probleme mehrere Jahre im Huthi-Gebiet lebte, plötzlich ins Visier der Rebellen geraten sein sollte.

Auch ist das Vorbringen des BF, wonach er im Jemen von den Huthis zu Rekrutierungszwecken entführt worden sei, nicht glaubhaft und, nach Ansicht des Gerichts, zur individuellen Ergänzung der in der Erstbefragung allgemein gehaltenen Fluchtgründe erfunden worden:

So steht das Vorbringen in mehreren Punkten nicht im Einklang mit der allgemeinen Lebenserfahrung. Der BF gab an, aus der Kaserne geflüchtet zu sein, nachdem in der Nähe Schüsse abgegeben wurden und Bomben gefallen seien (AS 42, VHP, Seite 10). Es erscheint jedoch wenig plausibel, dass jemand, der sich in unmittelbarer Nähe von Kampfhandlungen befindet, nicht Schutz in einem Gebäude sucht, sondern sich ins Freie begibt, wo das Risiko, getroffen zu werden, weitaus höher ist. Wenn zudem, wie der BF weiter ausführte, Scharfschützen auf den Hügeln positioniert waren (AS 43), so wäre die Flucht ins Freie besonders riskant gewesen. Darüber hinaus ist die Behauptung des BF, die gesamte Miliz der Huthis sei während seiner Flucht mit dem Kämpfen beschäftigt gewesen (VHP S 11), nicht glaubhaft. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass selbst in einer solchen Situation zumindest eine Person zurückgeblieben wäre, um die Gefangenen zu bewachen. Es ist nicht plausibel, dass Gefangene – selbst beim Vorherrschen von Kampfhandlungen - vollkommen unbeaufsichtigt gelassen werden, gerade in einem militärischen Kontext, in dem das Risiko einer Flucht besteht.

Eindeutig gegen die behauptete Gefangennahme des BF spricht auch, dass er bei seiner Ausreise aus dem Jemen im Besitz seines Personalausweises war. Im Falle einer tatsächlichen Festnahme, wäre ihm sein Ausweis von den Huthis sicherlich abgenommen worden. In der Beschwerdeverhandlung auf diesen Widerspruch angesprochen, erklärte der BF wenig überzeugend, dass er sich bei den Huthis nicht in einem Gefängnis, sondern lediglich in einem Raum einer Kaserne aufgehalten habe (VHP, S. 11). Eine plausible Erklärung, warum er trotz dieses Aufenthalts bei seiner Ausreise im Besitz seines Ausweises war, konnte er nicht liefern.

Darüber hinaus verwickelte sich der BF im Laufe des Verfahrens in Widersprüche hinsichtlich seiner angeblichen Flucht. Vor dem BFA gab er an, dass er nach dem Ausbruch zum nächstgelegenen Ort geflüchtet sei, wo man ihm und dem Rest der Flüchtigen Essen gegeben und den Weg nach Sanaa gezeigt habe (AS 41). In der Beschwerdeverhandlung behauptete er hingegen, sich verlaufen zu haben und auf eine Person gestoßen zu sein, die ihm den Weg gewiesen habe (VHP, Seite 10).

Auch hinsichtlich des Kontakts zu seinem Vater machte der BF widersprüchliche Angaben. Vor dem BFA erklärte er, seinen Vater erst fünf Tage nach seiner Flucht angerufen zu haben (AS 43). Das BFA merkte im bekämpften Bescheid zu Recht an, dass es unglaubwürdig erscheine, sich erst nach fünf Tagen in Sicherheit bei der eigenen Familie zu melden (AS 147). Daraufhin führte der BF in der Beschwerde aus, dass er den Anruf nicht abgewartet habe, sondern die Flucht fünf Tage gedauert habe und die Kontaktaufnahme erst im Anschluss möglich gewesen sei (AS 206). In der Beschwerdeverhandlung revidierte der BF seine Aussage und erklärte erneut, sich vor dem Anruf bei seinem Vater fünf Tage in Sanaa versteckt gehalten zu haben (VHP, Seite 10). Auch die Frage, ob er seinen Vater, seine Frau oder seine Geschwister nach der Flucht gesehen habe, verneinte der BF zunächst (VHP, S. 10). Vollkommen widersprüchlich erklärte er später, dass sein Vater ihn in seinem Versteck besucht und ihm 80 Dollar übergeben habe (VHP, Seite 11). Zudem widersprach der BF sich erneut, als er zuerst angab, sein Vater habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass ein Weiterleben im Jemen unmöglich sei (VHP, Seite 10), um später zu behaupten, sein Vater habe ihm dies persönlich gesagt, als er ihm das Geld für die Ausreise übergab (VHP, Seite 11).

Diese Vielzahl von Widersprüchen, die Inkonsistenzen in den Schilderungen seiner Flucht, seines Kontakts zu seinem Vater sowie der Umstände seiner angeblichen Gefangenschaft sprechen gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens. Da im Verfahren keine weiteren Hinweise auf eine mögliche Zwangsrekrutierung des BF hervorgekommen sind und auch die herangezogenen Länderberichte in Bezug auf den BF keinen Anhaltspunkt für eine solche Gefahr liefern, ist festzustellen, dass im Falle seiner Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass der BF einer konkreten Verfolgung durch die Huthis ausgesetzt wäre oder Gefahr liefe, zum Militärdienst eingezogen zu werden.

Was die Gefährdung des BF als Angehöriger der "Muwalladin" bzw. einer Person mit dunkler Hautfarbe im Jemen betrifft, zeigt der in der Beschwerde des BF zitierte Länderbericht (ACCORD Anfragebeantwortung zum Jemen: Information zu Muwalladin, vom 03.05.2024), dass Diskriminierungen dieser Personengruppe im Bildungs-, Arbeits- und Alltagsleben vorkommen. Der Bericht erwähnt an einer Stelle auch von körperlichen Angriffen auf dunkelhäutige Menschen, darunter Schläge, Mord, Vergewaltigung, Entziehung von Immobilieneigentum und unbezahlter Arbeitseinsatz, dabei würden „die Täter·innen unbeschadet davonkommen und in manchen Fällen nicht festgenommen“. Aus einer Gesamtbetrachtung des Berichts ergibt sich jedoch nicht, dass diese Personengruppe generell und landesweit einer gewalttätigen Gruppenverfolgung ausgesetzt wäre, die von den Machthabern im Jemen gefördert oder geduldet werden würde. Zudem hängt der Grad der Stigmatisierung laut des herangezogenen Berichts von verschiedenen Faktoren ab, darunter auch vom sozialen Status der Familie des Vaters.

Hierbei ist hervorzuheben, dass der BF eine etwaige Verfolgung aufgrund seiner Hautfarbe im Laufe des Verfahrens in keiner Weise überzeugend darlegen konnte. In der Erstbefragung erwähnte der BF eine Verfolgung aufgrund seiner somalischen Abstammung überhaupt nicht, was grundsätzlich schon gegen die Glaubhaftigkeit des späteren Vorbringens spricht. Jedoch machte er auch in der Einvernahme vor dem BFA nicht den Eindruck, dass die Auswirkungen seiner somalischen Herkunft auf sein Leben im Jemen über die einer Diskriminierung hinausgingen. Explizit nach Problemen aufgrund seiner Rasse befragt gab der BF lediglich an, dass er Schwierigkeiten gehabt habe und ihm ein Schulbesuch über die Grundstufe hinaus nicht möglich gewesen sei. Auf die Frage nach weiteren Problemen aufgrund seiner Abstammung antwortete er: „Nein, nur dieses eine Problem“ (AS 41). An anderer Stelle erklärte er, dass er aufgrund seiner Mischehe im Jemen keine Schwierigkeiten gehabt habe und nicht wisse, ob seine Eltern aufgrund ihrer Mischehe Probleme gehabt hätten (AS 44). Es fiel grundsätzlich auf, dass der BF zwar wiederholt betonte, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Minderheit der Dunkelhäutigen mit Herausforderungen konfrontiert gewesen zu sein, aber keine konkreten, auf seine Person bezogenen Beispiele für etwaige Verfolgungshandlungen aufgrund seiner Abstammung nennen konnte. In diesem Zusammenhang blieb der BF in der Einvernahme vor dem BFA stets vage und gab, wie bereits erwähnt, mehrfach an, abgesehen von der verkürzten Schulausbildung keine weiteren Probleme aufgrund seiner Hautfarbe erlebt zu haben. Erst in der Beschwerde führte er gesteigert aus, dass er im Jemen regelmäßig aus rassistischen Motiven angegriffen, beleidigt und diskriminiert worden sei und es ihm praktisch unmöglich gewesen sei, einer ordentlichen Arbeit nachzugehen. Er habe sich lediglich durch das Sammeln von Flaschen seinen Lebensunterhalt verdienen können (AS 201). Diese Angabe ist insofern erstaunlich, als der BF in der Beschwerdeverhandlung dazu widersprüchlich aussagte, als Reinigungskraft in Krankenhäusern und als Chauffeur gearbeitet zu haben. Auch wenn er die meiste Zeit als Schrottarbeiter tätig gewesen sei, habe er diese Tätigkeit nicht aufgrund fehlender Alternativen gewählt, sondern weil er „bei dieser Arbeit mehr verdient habe“ (VHP, Seite 7).

Insofern der BF angab, dass er im Falle einer Rückkehr aufgrund seiner Hautfarbe einer erhöhten Gefahr ausgesetzt sei, von den Huthis zum Militärdienst zwangsrekrutiert zu werden, ist festzuhalten, dass sich im Verfahren hierfür keine stichhaltigen Hinweise ergeben haben und weder die Aussagen des BF noch die herangezogenen Länderberichte diesen Schluss zulassen. So ist es nicht nachvollziehbar, dass der BF, der nach seinen eigenen Angaben bis zu seiner angeblichen Entführung 33 Jahre im Jemen gelebt hat, ohne jemals auf Probleme wegen seiner Abstammung gestoßen zu sein, plötzlich im Jahr 2018 aufgrund seiner Hautfarbe zwangsrekrutiert worden sein soll. Zudem gab der BF an, dass nur er, nicht aber sein Bruder, von den Huthis rekrutiert worden sei. Sein Bruder sei hingegen nie von den Huthis bedroht worden (AS 44). Es ist nicht nachvollziehbar, warum gerade dem BF aufgrund seiner somalischen Abstammung eine Gefahr seitens der Huthis drohen sollte, während seinem Bruder – der ebenfalls dieselbe Abstammung und Hautfarbe aufweist – solche Risiken nicht zugeschrieben werden. Wenn der Bruder, der die gleichen Merkmale aufweist, nie von den Huthis bedroht wurde und keine entsprechenden Erfahrungen gemacht hat, lässt sich nicht plausibel erklären, warum alleine der BF einer solchen Gefahr ausgesetzt sein sollte. Auch die in der Beschwerde zitierte Quelle, wonach „dunkelhäutige Menschen […] seit jeher unter anderem als Erste für Kriege mobilisiert worden“ seien (ACCORD Anfragebeantwortung zum Jemen: Information zu Muwalladin, vom 03.05.2024), führt nicht zu dem Schluss, dass der BF im Falle der Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer Verfolgungsgefahr aufgrund seiner somalischen Abstammung unterliegt. In der gesamten Anfragebeantwortung wird, abgesehen von diesem zitierten Satz, nicht auf ein solches Risiko hingewiesen. Im Gegenteil wird an anderer Stelle erwähnt, dass im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche keine Informationen zur Rekrutierung von Muwalladin bzw. dunkelhäutigen Personen im Jemen-Konflikt gefunden werden konnten. Dieser Umstand lässt darauf schließen, dass die Gefahr, allein aufgrund der Eigenschaft als dunkelhäutige Person zum Militärdienst der Huthis eingezogen zu werden, nicht in dem Maße besteht, wie es der BF beschreibt. Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass der BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung das Vorbringen hinsichtlich der erhöhten Rekrutierungsgefahr vollständig ausklammerte. Selbst die Diskriminierung aufgrund seiner Hautfarbe erwähnte er nur beiläufig, und zwar als er der Beantwortung einer davon isolierten Frage auswich (VHP, Seite 12). Auch dies deutet darauf hin, dass die vor allem in der Beschwerde vorgebrachten Argumente nicht auf tatsächlichen Erfahrungen des BF oder belastbaren Informationen basieren, sondern vielmehr nur erstattet wurden, um das Vorbringen mit individuellen Fluchtelementen zu erweitern.

Mangels konkreter, die BF betreffende Vorfälle kann daher eine die BF betreffende, asylrelevante Verfolgung jemenitischer Staatsbürger somalischer Abstammung nicht festgestellt werden. Angesichts der Tatsache, dass die BF viele Jahre im Jemen gelebt hat, ist der Verweis auf Berichte über Diskriminierung aufgrund somalischer Abstammung (in der Beschwerdeschrift) ohne glaubhafte persönliche Betroffenheit nicht ausreichend, um eine asylrelevante Verfolgung aufgrund der Ethnie glaubhaft zu machen.

Zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat:

Grundlage der Länderfeststellungen ist das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.

Die Länderfeststellungen ergeben sich aus den jeweils angeführten Länderberichten angesehener staatlicher und nichtstaatlicher Einrichtungen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Ausführungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten):

§ 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

Gemäß § 3 „Status des Asylberechtigten

§ 3 (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre der Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen.

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (vgl. VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Zur Beurteilung, ob die Verfolgungsgründe als glaubhaft gemacht anzusehen sind, ist auf die persönliche Glaubwürdigkeit des BF und das Vorbringen zu den Fluchtgründen abzustellen. Die "Glaubhaftmachung" wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung setzt positiv getroffene Feststellungen der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627).

"Glaubhaftmachung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GFK ist die Beurteilung des Vorgetragenen daraufhin, inwieweit einer vernunftbegabten Person nach objektiven Kriterien unter den geschilderten Umständen wohlbegründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen ist oder nicht. Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt werden. Zudem ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen (vgl. VwGH vom 09.05.1996, 95/20/0380). Eine Falschangabe zu einem für die Entscheidung nicht unmittelbar relevanten Thema (vgl. VwGH vom 30.09.2004, 2001/20/0006, betreffend Abstreiten eines früheren Einreiseversuchs) bzw. Widersprüche in nicht maßgeblichen Detailaspekten (vgl. VwGH 28.05.2009, 2007/19/1248; 23.01.1997, 95/20/0303) reichen für sich alleine nicht aus, um daraus nach Art einer Beweisregel über die Beurteilung der persönlichen Glaubwürdigkeit des Asylwerbers die Tatsachenwidrigkeit aller Angaben über die aktuellen Fluchtgründe abzuleiten (vgl. VwGH 26.11.2003, 2001/20/0457).

Zunächst kann nicht angenommen werden, dass der BF, der der arabischen und somalischen Volksgruppe angehört und Sunnit ist, im Herkunftsland aufgrund generalisierender Merkmale einer Verfolgung ausgesetzt wäre.

Wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, hat sich das individuelle Vorbringen des BF, wonach er von den Huthis in der Vergangenheit entführt wurde und im Falle der Rückkehr Gefahr laufe erneut zwangsrekrutiert zu werden, als nicht glaubwürdig erwiesen. Dem BF ist es auch sonst nicht gelungen, individuelle Gründe für die Wahrscheinlichkeit einer politisch motivierten oder sonstigen asylrelevanten Verfolgung glaubwürdig darzutun.

Aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Jemen lässt sich für den BF auch keine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten herleiten, da eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung darstellt (vgl. VwGH 28.06.2005, 2002/01/0414). Wirtschaftliche Benachteiligungen einer ethnischen oder sozialen Gruppe, die den Angehörigen dieser Gruppe jegliche Existenzgrundlage entzieht, kann grundsätzlich asylrelevant sein (vgl. VwGH 06.11.2009, 2006/19/1125). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt – nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung – zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen.

Daher war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der eine grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, deren Bedeutung über den konkreten Fall hinausgeht.

Rückverweise