Spruch
W265 2299112-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Karin RETTENHABER-LAGLER als Vorsitzende und die Richterin Mag.a Karin GASTINGER, MAS sowie die fachkundige Laienrichterin Dr.in Christina MEIERSCHITZ als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den KOBV – Der Behindertenverband für Wien, NÖ Bgld., gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland, vom 13.05.2024, betreffend die Abweisung des Antrages auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin stellte am 26.02.2024 einen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (auch Sozialministeriumservice, in der Folge belangte Behörde) und legte ein Konvolut an medizinischen Befunden vor.
2. Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.04.2024 erstatteten Gutachten vom 08.04.2024 stellte der medizinische Sachverständige bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen „Folgezustand nach Fraktur des linken Außenknöchels, Position 02.05.32 der Anlage der Einschätzungsverordnung (EVO) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 20 % und Zustand nach depressiver Episode, Position 03.06.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 10%“ und einen Gesamtgrad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) fest. Der Gesamt GdB ergebe sich aus dem Leiden 1. Leiden 2 führe aufgrund zu geringer funktioneller Relevanz zu keiner Erhöhung.
3. Die belangte Behörde übermittelte der Beschwerdeführerin dieses Sachverständigengutachten mit Schreiben vom 09.04.2024 im Rahmen des Parteiengehörs und räumte ihr eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin gab innerhalb der Frist keine Stellungnahme ab.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.05.2024 wies die belangte Behörde den Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß §§ 2 und 14 Abs. 1 und 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) ab. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie bei.
5. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre ausgewiesene Vertretung fristgerecht Beschwerde und führte darin zusammengefasst aus, dass sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung auf ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten gestützt habe. Dies sei jedoch nicht ausreichend zur Beurteilung der neurologischen Gesundheitsschädigungen. Es sei seitens des SMS nicht ausreichend auf die Schmerzen und die Funktionsbeeinträchtigungen hinsichtlich der Migräne eingegangen worden. Die Beschwerdeführerin habe häufige Migräneanfälle mit Übelkeit, Seheinschränkungen und Lähmungserscheinungen. Durchschnittlich würden diese Anfälle 2 Mal pro Woche auftreten. Die Lähmungserscheinungen würden die Hände, das Gesicht und die Zunge betreffen. Durch die Ausfälle der Zunge habe die Beschwerdeführerin Probleme beim Sprechen, sie habe Schwierigkeiten ganze Sätze zu formulieren, was sehr einschränkend, insbesondere in der Arbeit, sei. Die Seheinschränkungen bei einem Migräneanfall würden sich durch Teilausfälle im Sehfeld zeigen, was ebenso, im Besonderen in der Arbeit, sehr belastend sei, zumal die Beschwerdeführerin in ihrer Verkaufstätigkeit an der Kassa genau arbeiten müsse. Zur richtsatzgemäßen Einstufung der Migräne mit Aura sowie neurologischen Defiziten, hätte die belangte Behörde ein Gutachten aus dem Fachbereich der Neurologie einholen müssen. Die Beschwerdeführerin beantragte, der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten stattzugeben. In eventu die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückzuverweisen. Die Beschwerdeführerin schloss der Beschwerde einen ärztlichen Fachbefund eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 27.05.2024 an.
5. Die belangte Behörde nahm die Beschwerde zum Anlass ein neues medizinisches Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie einzuholen. In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.09.2024 erstatteten Gutachten vom 13.09.2024 stellte die medizinische Sachverständige bei der Beschwerdeführerin die Funktionseinschränkungen „Migräne mit Aura, Position 04.11.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20 % , Folgezustand nach Fraktur des linken Außenknöchels, Position 02.05.32 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20% und Zustand nach depressiver Episode, Position 03.06.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 10%“ und einen Gesamtgrad der Behinderung von 20 von Hundert (v.H.) fest. Der Gesamt GdB ergebe sich aus dem führenden Leiden 1. Durch das Leiden 2 komme es zu keiner zusätzlichen ungünstigen Leidensbeeinflussung, das Leiden 3 sei von zu geringer funktioneller Relevanz.
6. Die belangte Behörde legte das Beschwerdeverfahren dem Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 16.09.2024 und der Anmerkung, dass im Rahmen der Beschwerdevorentscheidung ein Sachverständigengutachten eingeholt worden sei, jedoch mit der Versendung des Parteiengehörs die Frist der Beschwerdevorentscheidung nicht einzuhalten gewesen wäre, zur Entscheidung vor, wo dieser am 17.09.2024 einlangte.
7. Das Bundesverwaltungsgericht holte am 19.09.2024 einen Auszug aus dem AJ-WEB Auskunftsverfahren ein, wonach die Beschwerdeführerin seit 07.06.2022 laufend in einem aufrechten sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnis steht. Nach dem am selben Tag eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister ist die Beschwerdeführerin österreichische Staatsbürgerin und hat ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich.
8. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 20.09.2024 das von der belangten Behörde neu eingeholte medizinische Sachverständigengutachten und räumte dieser die Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein. Die Beschwerdeführerin gab dazu keine Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin. Sie steht in einem aufrechten sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnis.
Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, eine Erwerbstätigkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) auszuüben.
Sie brachte am 26.02.2024 den gegenständlichen Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten beim Sozialministeriumservice ein.
Anamnese:
Migräne mit Aura St.p. Burnout
St.p. Fraktur des linken Außenknöchels Doppelniere rechts St.p. Brust-OP St.p. Varizen-OP
Derzeitige Beschwerden:
Bei der letzten Begutachtung sei die Migräne nicht ausreichend bewertet worden. Frau XXXX habe 2-3 Migräneattacken pro Monat, teilweise mit Aura (Gefühlstörung, Sprachstörung). Sie habe nun Relpax erhalten, dies habe gestern gut geholfen. Zwischenzeitlich weniger Attacken, seit voriges Jahr wieder mehr Migräneattacken, die Triptane (Zomig und Relpax) würden gut helfen, ab und zu Einnahme von Zofran zydis bei Übelkeit, gelegentlich auch Erbrechen.
Von Seiten der Psyche gehe es ihr im Moment ganz gut.
Es sei eine doppelte Niere und Harnleiter rechts bekannt, aber keine OPs, Nierenwerte seien normal.
In letzter Zeit Probleme mit den Krampfadern.
Wandern und Spazieren sei ohne Probleme möglich. Die Füße machen beim Tragen hoher Schuhe keine Probleme.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Relpax, gelegentlich Zofran zydis, Adolorin sei in letzter Zeit nicht gebraucht worden.
Sozialanamnese:
war früher selbständig, jetzt bei Bellaflora tätig,
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Befund XXXX :
Diagnose: 1. Migräne mit Aura
2. Z.n. Burnout
3. Ausschluss ACI-Dissketion
Therapie: Bei der Pat. ist am ehesten von einer Migräne mit Aura auszugehen. Ein craniales MRT ist geplant, danach Befundbesprechung. Probatorisch Relpax 40mg, Führen eines Kopfschmerzkalenders.
Neurologischer Status, psychiatrischer Status, EEG, Duplexsonografie der hirnversorgenden Arterien: unauffällig Befund Dr. XXXX 5/24:
Betreff: Frau XXXX , geb. am XXXX XXXX Der Fachbefund wird auf persönlichen Wunsch der Betroffenen ausgestellt. Frau XXXX zeigt seit dem 16. Lebensjahr die Klinik einer Migräne mit Prodromie sowie Crescendoverlauf. Der Cephalaea- Charakter stechend, alternierend mit Übelkeit, Emesis, Licht- und Lärmempfindlichkeit. VAS-Skala bis 10. Frequenz über 4 x monatlich. Dauer über 6 Stunden bis Statusverlauf. Auch Aufwachtypus vorliegend. Fallweise Dysphasie sowie passagere Parese OE. Kranielles MRT extern o.B. Fehlende familiäre Anamnese. Im EEG zeigt sich ein frequenzstabiler Alpharhythmus mit physiologischem Abfall nach Rostral. Rostral dichtes AlphaBetamischmuster. Sowie deutliche Dysrhythmien mit steilen Abläufen. Flicker, Hyperventilation, keine Erweiterung des Kurvenbildes. Ein typisch migränoides EEG. Klinische Diagnose: Migräne mit Aura Statusverlauf sowie passager neurologischem Defizit. Therapievorschlag: Zornig rapimelt 1x1 sublingual, Zofran Zydis 4 mg sublingual im Bedarf. Bei Zunahme der Frequenz wäre eine Prophylaxe mit Emgaiity / Ajovy zielführend.
Befunde Vorgutachten:
10/2023 FA für Psychiatrie Dr. XXXX : Frau XXXX steht seit 06.10.2021 in psychiatrischer Behandlung in meiner Ordination. Anfänglich hatte die Pat. an einer ausgeprägten depressiven Episode gelitten u. wurde mit Sertralin u. Trittico behandelt. Unter der Behandlung kommt es zu langsamer Besserung des Zustandsbildes. Seit dem Winter 2022 ist die Pat. mehr oder weniger beschwerdefrei. Im Frühjahr 2023 wurde die antidepressive Therapie beendet. Die letzte Kontrolle findet am 12.10.2023 statt - die Stimmung gut, Antrieb gut. Diagnose: St. p. depressiver Episode F 32.0 12/2020 Orthopädie KH XXXX : Luxfract. mall. lat. sin., Reposition und Anlage eines
Unterschenkelspaltgipses am 23.12.2020, Operation mit Verplattung Außenknöchel links, 1 Stellschraube am 29.12.2020
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Klinischer Status - Fachstatus:
Kopf frei beweglich,
HN: Pupillen mw isocor, prompte LR, Augenmotilität frei, Sens. stgl. unauffällige, Facialis symmetrisch, Zunge gerade GS hebt stgl.,
Obere Extremitäten: AVV und FNV sicher, keine Parese, Sensibilität stgl. unauffällig, MER mlh stgl., Feinmotilität stgl. unauffällig, Eudiadochokinese, kein Rigor, kein Tremor, Knips neg.
Rumpf: FBA 20cm, WS nicht klopfdolent
Untere Extremitäten: PV und KHV sicher, keine Parese, MER mlh stgl., Sensibilität auf Berührung stgl. unauffällig, BAb. neg.
Romberg unauffällig
Narbe am distalen Unterschenkel außen links, Fußgelenk frei beweglich
Gesamtmobilität - Gangbild:
unauffälliges Gangbild, komplzierte Gangarten möglich
Status Psychicus:
stabil, Stimmung euthym, Schlaf: gut
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
- Migräne mit Aura
- Folgezustand nach Fraktur des linken Außenknöchels
- Zustand nach depressiver Episode
Bei der Beschwerdeführerin liegt zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor.
Die Beschwerdeführerin kann trotz ihrer Funktionsbeeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (allenfalls unter Zuhilfenahme von Unterstützungsstrukturen) einer Erwerbstätigkeit nachgehen.
2. Beweiswürdigung:
Die österreichische Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin in keinem aufrechten sozialversicherungsrechtlichen Dienstverhältnis steht, ergibt sich aus einer am 19.09.2024 durch das Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Datenabfrage (AJ-WEB Auskunftsverfahren).
Die Feststellung zur gegenständlichen Antragstellung gründet sich auf den Akteninhalt.
Die Feststellung, dass bei der Beschwerdeführerin zum aktuellen Entscheidungszeitpunkt kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vorliegt, gründet sich auf das seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 13.09.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.09.2024. Darin wird unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin vorgelegten medizinischen Unterlagen und ihres Vorbringens auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß sowie auf die Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussung bzw. des ungünstigen Zusammenwirkens schlüssig und nachvollziehbar eingegangen. Die Einschätzung der Leiden erfolgte richtig entsprechend den Vorgaben der Anlage der Einschätzungsverordnung.
Sämtliche von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vorgebrachten Funktionseinschränkungen und Leidenszustände wurden von der neu beigezogenen medizinischen Sachverständigen entsprechend berücksichtigt und fanden Eingang in die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung. So kam es zu einer erstmaligen Berücksichtigung der Migräne mit Aura, welches als führendes Leiden 1 eingestuft wurde. Leiden 2 und 3 blieben ident dem Vorgutachten vom 08.04.2024.
Dieses medizinische Sachverständigengutachten wurde der Beschwerdeführerin nachweislich zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs übermittelt. Die Beschwerdeführerin insbesondere gab hierzu keine Stellungnahme ab. Nachdem im Schreiben zur Wahrung des Parteiengehörs ausdrücklich angeführt war, dass die Entscheidung auf Grundlage dieses Sachverständigengutachtens getroffen werden wird, außer wenn eine eingelangte Stellungnahme anderes erfordert, wird davon ausgegangen, dass die Beschwerdeführerin dieses Gutachten zur Kenntnis genommen und keine Einwendungen dagegen hat.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens einer Fachärztin für Neurologie vom 13.09.2024. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu Spruchteil A)
1. Zur Entscheidung in der Sache:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes-BEinstG, BGBl. Nr. 22/1970 idgF lauten:
„Begünstigte Behinderte
§ 2 (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. Österreichischen Staatsbürgern sind folgende Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH gleichgestellt:
1. Unionsbürger, Staatsbürger von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, Schweizer Bürger und deren Familienangehörige,
2. Flüchtlinge, denen Asyl gewährt worden ist, solange sie zum dauernden Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sind,
3. Drittstaatsangehörige, die berechtigt sind, sich in Österreich aufzuhalten und einer Beschäftigung nachzugehen, soweit diese Drittstaatsangehörigen hinsichtlich der Bedingungen einer Entlassung nach dem Recht der Europäischen Union österreichischen Staatsbürgern gleichzustellen sind.
4. (Anm.: aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)
(2) Nicht als begünstigte Behinderte im Sinne des Abs. 1 gelten behinderte Personen, die
a) sich in Schul- oder Berufsausbildung befinden oder
b) das 65. Lebensjahr überschritten haben und nicht in Beschäftigung stehen oder
c) nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften Geldleistungen wegen dauernder Erwerbsunfähigkeit (dauernder Berufsunfähigkeit) bzw. Ruhegenüsse oder Pensionen aus dem Versicherungsfall des Alters beziehen und nicht in Beschäftigung stehen oder
d) nicht in einem aufrechten sozialversicherungspflichtigen Dienstverhältnis stehen und infolge des Ausmaßes ihrer Funktionsbeeinträchtigungen zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit auch auf einem geschützten Arbeitsplatz oder in einem Integrativen Betrieb (§ 11) nicht in der Lage sind.
(3) Die Ausschlussbestimmungen des Abs. 2 lit. a gelten nicht für behinderte Personen, die als Lehrlinge in Beschäftigung stehen, eine Ausbildung zum gehobenen Dienst für Gesundheits- und Krankenpflege absolvieren, an einer Hebammenakademie oder einer entsprechenden Fachhochschule ausgebildet werden oder zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulausbildung erfordernden Beruf nach Abschluss dieser Hochschulausbildung beschäftigt werden und die Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllen.
Behinderung
§ 3 Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen, die geeignet ist, die Teilhabe am Arbeitsleben zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Feststellung der Begünstigung
§ 14 (1) Als Nachweis für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gilt der letzte rechtskräftige Bescheid über die Einschätzung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit mit mindestens 50 vH
a) eines Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen (der Schiedskommission) bzw. des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen oder der Bundesberufungskommission im Sinne des Bundesberufungskommissionsgesetzes, BGBl. I Nr. 150/2002, oder des Bundesverwaltungsgerichtes;
b) eines Trägers der gesetzlichen Unfallversicherung bzw. das Urteil eines nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, zuständigen Gerichtes;
c) eines Landeshauptmannes (des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales) in Verbindung mit der Amtsbescheinigung gemäß § 4 des Opferfürsorgegesetzes;
d) in Vollziehung der landesgesetzlichen Unfallfürsorge (§ 3 Z 2 Beamten-Kranken- und Unfallversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 200/1967).
Die Feststellung des Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Nachweis gilt zugleich als Feststellung des Grades der Behinderung. Die Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten (§ 2) auf Grund der in lit. a bis d genannten Nachweise erlischt mit Ablauf des dritten Monates, der dem Eintritt der Rechtskraft des jeweiligen Bescheides bzw. Urteiles folgt, sofern nicht der begünstigte Behinderte innerhalb dieser Frist gegenüber dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen erklärt, weiterhin dem Personenkreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten angehören zu wollen. Der Behindertenpass im Sinne des § 40 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 gilt nicht als Nachweis über die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten. (2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Menschen mit Behinderung das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.“
Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:
„Behinderung
§ 1 Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Grad der Behinderung
§ 2 (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gesamtgrad der Behinderung
§ 3 (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Grundlage der Einschätzung
§ 4 (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen. (2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.“
Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.
Das Leiden 1 der Beschwerdeführerin ist die Migräne mit Aura, welche die medizinische Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie richtig im oberen Rahmensatz bei Verwendung von Triptanen und Antiemetica und weniger als 10 Kopfschmerztage pro Monat der Position 04.11.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20% einstufte.
Das Leiden 2 der Beschwerdeführerin ist der Folgezustand nach Fraktur des linken Außenknöchels, welches die medizinische Sachverständige eine Stufe über dem unteren Rahmensatz der Position 02.05.32 der Anlage der EVO mit einem GdB von 20 % einstufte, da eine Verplattung und belastungsabhängige Schwellneigung vorliegt, jedoch ist das Sprunggelenk frei beweglich.
Beim Leiden 3 der Beschwerdeführerin handelt es sich um den Zustand nach depressiver Episode, welches die medizinische Sachverständige richtig im unteren Rahmensatz der Position 03.06.01 der Anlage der EVO mit einem GdB von 10 % einstufte, da keine Therapiemaßnahmen mehr erforderlich sind.
Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung hat bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 der Einschätzungsverordnung, sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN).
Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens der belangten Behörde aus Anlass der Beschwerde ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie vom 13.09.2024, basierend auf einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 09.09.2024 zu Grunde gelegt.
Der Sachverständige aus dem Fachbereich der Neurologie stelle in der Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung fest, dass sich der Gesamtgrad der Behinderung aus dem führenden Leiden 1 ergibt, Durch das Leiden 2 kommt es zu keiner zusätzlichen ungünstigen Leidensbeeinflussung, das Leiden 2 ist von zu geringer funktioneller Relevanz.
Bei der Beschwerdeführerin liegt mit einem Grad der Behinderung von 20 v.H. aktuell kein Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. vor. Im gegenständlichen Fall sind daher die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 BEinstG, wonach begünstigte Behinderte österreichische Staatsbürger bzw. im vorliegenden Fall Unionsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. sind, derzeit nicht gegeben.
Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen.
Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung in Betracht kommt.
2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung
Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und auf das über Veranlassung der belangten Behörde eingeholte weitere medizinische Sachverständigengutachten, das auf alle Einwände und vorgelegten Atteste der Beschwerdeführerin in fachlicher Hinsicht eingeht. Die Beschwerdeführerin gab zu diesem Gutachten keine Stellungnahme ab. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. Es gibt keine Hinweise dafür, dass eine höhere Einschätzung der Funktionseinschränkungen gerechtfertigt wäre, zumal auch die von der Beschwerdeführerin selbst vorgelegten medizinischen Befunde keine funktionalen Auswirkungen fortgeschrittenen Grades belegen. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.