Spruch
L517 2244742-1/23E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. NIEDERWIMMER als Vorsitzenden und den Richter Mag. Dr. STEININGER und den fachkundigen Laienrichter Mag. SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX, vertreten durch den XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle XXXX, vom 17.03.2021, OB: XXXX in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF iVm § 1 Abs 2, § 40 Abs 1, § 41 Abs 1 und 2, § 45 Abs 1 bis 3 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 283/1990 idgF abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundesverfassungsgesetz (B-VG), BGBl. Nr. 1/1930 idgF nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
29.10.2020—Antrag der beschwerdeführenden Partei (in Folge „bP“ genannt) vertreten durch den XXXX auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß §29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) und gleichzeitig auf die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass beim Sozialministeriumsservice XXXX - SMS, Landesstelle XXXX (in Folge belangte Behörde bzw. „bB“ genannt)
09.11.2020—Aufforderung zur Nachreichung aktueller medizinischer Unterlagen an die bP
30.11.2020—Übermittlung der medizinischen Unterlagen durch die bP
16.01.2021—Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch einen Facharzt für Innere Medizin; Nachuntersuchung 01/2023; Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
29.01.2021—Parteiengehör
01.03.2021—Stellungnahme der bP
17.03.2021—Bescheid der bB; Abweisung des Antrags vom 29.10.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass
03.05.2021 –Beschwerde der bP vertreten durch den XXXX
18.06.2021—Erstellung eines Sachverständigengutachtens durch eine Fachärztin für Innere Medizin; Dauerzustand; Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel
25.06.2021—Parteiengehör/ keine Stellungnahme
27.07.2021—Beschwerdevorlage am BVwG
24.11.2021 – Erkenntnis des BVwG, Stattgabe der Beschwerde
07.03.2024 – Erkenntnis des VwGH nach vorangegangener Revision
22.07.2024 – Internistisches Gutachten
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1.0.Feststellungen (Sachverhalt):
Die bP besitzt die XXXX Staatsbürgerschaft und ist an der im Akt ersichtlichen XXXX Adresse wohnhaft.
Die bP ist seit 22.02.2007 im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 100 vH. Seit 12.10.2015 ist die Zusatzeintragung „Gesundheitsschädigung gem.§ 2 Abs.1 dritter Teilstrich VO 303/1996 liegt vor“ in den Behindertenpass eingetragen.
Am 29.10.2020 stellte die bP, vertreten durch den XXXX, den verfahrensgegenständlichen Antrag auf die Ausstellung eines Ausweises gemäß §29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) und gleichzeitig auf die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass bei der bB.
Am 09.11.2020 wurde die bP zur Nachreichung aktueller medizinischer Unterlagen aufgefordert.
Am 30.11.2020 erfolgte die Übermittlung der medizinischen Unterlagen durch die bP.
In weiterer Folge wurde am 16.01.2021 ein Sachverständigengutachten durch einen Facharzt für Innere Medizin erstellt. Es wurde eine Nachuntersuchung für Jänner 2023 angeordnet und die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Das Gutachten weist nachfolgenden relevanten Inhalt auf:
„Anamnese:
Vorgutachten 4/2010 mit einer Einschätzung von 100 % (Einschätzung nach RVO) bei erfolgter Herztransplantation 80 %, Zuckererkrankung 30 %, Depression 30 %, Folgezustand nach Schlaganfall mit Gleichgewichtsstörungen 20 % und Hochdruckleiden 20 %. Herztransplantation 2/2007 wegen Herzmuskelerweiterung (dilatative Cardiomyopathie), nachdem von 6/2006 bis 2/2007 eine Überbrückungsbehandlung "am Kunstherzen" erfolgt ist. In einer aktuellen Nachkontrolle 12/2020 sind mehrere Gefäßverengungen am transplantierten Herzen festgestellt worden (50 bis 70 %-ige Stenosen) bei erhaltener Pumpfunktion des Herzens. Weiters besteht eine mittlerweile insulinpflichtige Zuckererkrankung Diabetes mellitus Typ 2.
Derzeitige Beschwerden:
Vom Herz her würde es "gut gehen", aber beim längeren und schnelleren Gehen "habe er Aussetzer". Auf Nachfrage werden hier Bewusstlosigkeitsanfälle angegeben, wobei der Loop-Recorder (Aufzeichnungsgerät des Herzschlages) keine
Adam- Stokes-Synkopen (herzrhythmusbedingte Bewußtseinseintrübungen) aufgezeichnet hat (insgesamt dreimalige Kollapszustände/Bewusstseinseintrübungen).
Die Gehleistung in der Ebene ist nicht wesentlich eingeschränkt, 300 bis 400 m können ohne Pause in subjektiv gewähltem Tempo bewältigt werden. 2 Stockwerke sind ebenfalls ohne Pause zu bewältigen. Eine Infektionshäufigkeit wird nicht angegeben, "Infekte habe ich nicht all zu viele". Es sind auch keine stationären Aufenthalte wegen Infektionen erforderlich gewesen.
Von seiten des Diabetes wird der Zucker selbst gemessen, wobei die Nüchternwerte um 150 mg/dl ("heute war er 158 mg/dl") liegen. Der letzte HbA1c wird mit 8,3 % angegeben (befundmäßig aber liegt der Wert bei 8,6%).
Am Nachmittag des 14.12.2020 ist beim Spazierengehen ein Sturz mit kurzzeitigem Bewusstseinsverlust aufgetreten (nachfolgend unfallchir. Vorstellung), wobei die ambulante Loop-Recorder-Kontrolle am 15.12.2020 einen unauffälligen Befund ergeben hat.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Medikamente laut Befund Herztransplantationsambulanz Klinikum XXXX vom 17.12.2020:
Prograf 1-0-1 abwechselnd 0-1-0
CellCept 500 mg 0-1-0
Bisoprolol 5 mg 1-0-1/2
Lisinopril 20 mg 0-1-0
Amlodipin 5 mg 0-1-0
ThromboAss 100 mg 1-0-0
Rosamib 20/10 0-0-1
Novomix 30 FlexPen laut Schema
Pantoloc 40 mg 1-0-0
Cal-D-Vita 1-1-0
Prolia 60 mg 1 alle 6 Monate s.c.
Trajenta 5 mg 1-0-0
Urosin 100 mg 0-0-1
Magnesium 1-0-1
Für 13.1.2021 ist eine Reha in XXXX geplant mit besonderem Augenmerk auf die Diabeteseinstellung.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
Es wurden alle vorliegenden Befunde eingesehen.
Befundbericht XXXX 17.12.2020:
Diagnosen:
- Z.n. orthotoper Herztransplantation am 1.2.2007 wegen dilatativer CMP
- CA am 18.3.2020: deutliche Graft-Vaskulopathie mit: 50 %-iger Plaqueformation im Stamm der RCA, zwei 50-70 %-ige Plaqueformationen im Bereiche der prox. und mittleren LAD, 70 %-ige Stenose im Bereich der mittleren Circumflexa
- Systolische Linksventrikelfunktion normal
- Arterielle Hypertonie
- Diabetes mellitus Typ 2 (insulinpflichtig)
- Chron. Niereninsuffizienz K / DOQI Stadium 3
- Osteoporose
- Z. n. aktinischen Keratosen
- Z. n. Implantation eines De Bakey-LVAD vom Juni 2007 bis zur HTX am 1.2.2007
- Z. n. Leukopenie (CellCept-assoziiert)
- Z. n. Endothelitis (herpet. Keratopathie) li. Auge
- Implantaiton eines Loop-Recorders 2/2017
14.12.2020: HbA1c 8,6 %.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
XXXX Jahre, zufriedenstellender Allgemeinzustand, zeitlich und örtlich gut orientiert, gut kontakfähig, nicht klagsam.
Ernährungszustand:
Übergewichtigkeit mit BMI 29,5
Größe: 167,00 cm Gewicht: 82,00 kg Blutdruck: 168/91 mmHg
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf/Hals: Nervenaustrittspunkte frei, keine tastbaren Lymphknoten. Zunge nicht belegt. kein hörbares Strömungsgeräusch über der Halsschlagader.
Brustbereich: 22 cm lange, längsgestellte Narbe nach Herztransplantation.
Herz: Herztöne leise.
Lunge: Beide Lungenbasen gut atemverschieblich, vesiculäres (normales) Atmen, keine Stauungs- oder Rasselgeräusche.
Bauchbereich: Bauch über dem Brustniveau, erhöhter Bauchumfang 108 cm. Deutliche Schwäche der vorderen Bauchmuskulatur (Rektusdiastase). Leber am Rippenbogen und von unauffälliger Konsistenz, Milz nicht tastbar, kein krankheitsverdächtiger Tastbefund, Nierenlager frei, Bruchpforten geschlossen.
Extremitäten: Periphere Pulse gut tastbar, keine Krampfadern, keine Beinschwellungen (Ödeme).
Gesamtmobilität – Gangbild:
Sicheres Gangbild ohne Gehilfe, ohne fremde Hilfe.
Status Psychicus:
Psychisch klar orientiert, nicht klagsam.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Folgezustand nach Herztransplantation wegen Herzmuskelerweiterung (dilatative Cardiomyopathie) am 31.1.2007. Es besteht eine erhaltene Pumpfunktion des Herzens (lt. Befundbericht) mit Herzkranzgefäßverengungen zwischen 50 bis 70 % an allen Herzkranzgefäßen (Graft-Vasculopathie). Es ist eine dauernde abwehrschwächende Behandlung (ohne auffallende Infekthäufigkeit) notwendig. Wegen wiederholter Bewusstlosigkeitsanfällen ist ein Loop-Recorder (EKG-Aufzeichnungsgerät) bezüglich Rhythmusstörungen implantiert worden.
2. Insulinpflichtige Zuckererkrankung Diabetes mellitus Typ 2 b (Erstdiagnose 2010). Es besteht eine kombinierte Therapie aus mehrfach tägl. Insulinapplikation (Bolus-Schema) bei unzureichender Stoffwechseleinstellung mit einem HbA1c von 8,6 %.
3. Hochdruckleiden (mäßige Hypertonie) bei medikamentöser Dreifachbehandlung. Die Medikation ist tlw. überlappend mit der Behandlung der Herzkranzgefäßverengungen im transplantierten Herzen.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten ist zwischenzeitlich ein Loop-Recorder wegen Bewusstlosigkeitsanfällen implantiert worden, weiters ist die Zuckererkrankung insulinpflichtig. Nicht berücksichtigt werden die vorbefundliche Depression (keine aktuelle Therapienotwendigkeit) und der Zustand nach ischämischem Insult im Thalamusgebiet (mit stattgehabten Sehstörungen und Gleichgewichtsstörungen), da hier keine dauernden funktionellen Beeinträchtigungen vorliegen.
Die angegebene Niereninsuffizienz entspricht einer altersentsprechenden Nierenfunktion, die Osteoporose bewirkt keine funktionelle Beeinträchtigung. Die Augenentzündung (Zustand nach Keratopathie) bewirkt ebenfalls keine Dauereinschätzung.
Eine Verminderung der weißen Blutzellen (Leukopenie) war medikamentös ausgelöst, und stellt keine dauernde Beeinträchtigung dar.
[X] Nachuntersuchung 1/2023 - weil Von seiten der Zuckereinstellung ist eine Besserung möglich.
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Es konnten keine Funktionsbeeinträchtigungen festgestellt werden, die zu einer erheblichen Einschränkung der Mobilität führen. Die zurücklegbare Wegstrecke beträgt mehr als 300-400 m, das gefahrlose Ein- und Aussteigen (mit entsprechender Überwindung der Niveauunterschiede bis 30 cm) und der gefahrlose Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln ist von Seiten der körperlichen Leistungsfähigkeit möglich. Es wird keine Gehhilfe benötigt, ebenso besteht keine Sturzgefahr. Es besteht keine Einschränkung in Bezug auf das sichere Stehen, die Sitzplatzsuche oder bei einer notwendig werdenden Fortbewegung im fahrenden öffentlichen Verkehrsmittel. Die Benützung von Haltegriffen oder Haltestangen ist möglich.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor? Nach Herztransplantation ist eine lebenslange abwehrschwächende Behandlung erforderlich. Trotz immunsuppressiver Therapie besteht keine schwere Immunsuppression und die Teilnahme am normalen sozialen Leben ist ohne wesentliche Einschränkung möglich. Eine auffällige Infektneigung liegt bei Herrn XXXX nicht vor.
Gutachterliche Stellungnahme:
Das Vorgutachten wurde noch nach Richtsatzverordnung eingeschätzt, die diesmalige Einschätzung erfolgt der EVO (Einschätzungsverordnung).“
Am 29.01.2021 wurde Parteiengehör gewährt und der bP die Möglichkeit gegeben zum Sachverständigengutachten vom 16.01.2021 Stellung zu nehmen.
Am 01.03.2021 gab die bP folgende Stellungnahme ab: Bei dem Termin am 8.1.2021. um 11:00 Uhr, sei die bP um 11.15 Uhr an der Reihe gewesen. Man habe ein EKG gemacht. Danach musste die bP in einen anderen Behandlungsraum. Da habe sie ca.10 min. auf den Arzt gewartet. Dieser habe der bP die Lunge abgehorcht. Er habe ein paar Fragen zu ihrem Unfall gehabt. Das sei es gewesen. Er habe nur noch gesagt, das andere stehe alles im Befund vom Krankenhaus XXXX. Um 11.45 Uhr habe die bP die Ordination wieder verlassen. Die bP habe jetzt 14 Jahre ihr Herz. Alle 3 Monate Kontrolle, die würde ca. 4 Stunden dauern, alle 6 Monate Haut (weißer Hautkrebs), alle 6 Monate Knochendichte (Osteoporose). Seit 2 Jahren habe die bP ab und zu Kreislaufkollaps, am 14. Dezember sei es so schlimm gewesen. Sie sei gestürzt und auch auch kurz bewusstlos gewesen. Ein Autofahrer habe die bP 6-7 Meter abseits der Straße gefunden. Im Krankenhaus seien Hautabschürfung und ein Nasenbeinbruch festgestellt worden. Auch das habe er sich nicht angesehen.
Am 17.03.2021 wurde der Bescheid der bB erlassen. Es wurde der Antrag vom 29.10.2020 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen. Rechtsgrundlage waren §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, in der jeweils geltenden Fassung Begründend wurde ausgeführt: Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten eingeholt worden. Nach diesem Gutachten würden die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung nicht vorliegen. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Gemäß § 45 Abs. 3 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) sei der bP mit Schreiben vom 29.01.2021 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Die Einwendung der bP vom 1.3.2021 hätte keine Zweifel an der Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigenbeweises bewirkt, sodass spruchgemäß zu entscheiden sei. Neue Beweismittel seien nicht vorgelegt worden. Der Antrag sei somit abzuweisen. Die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden.
Im Anschluss erhob die bP am 03.05.2021, vertreten durch XXXX, Beschwerde: Bei der bP sei am 08.01.2021 die Begutachtung durch Dr. XXXX durchgeführt worden. Dieser sei in seiner Befundung zum Ergebnis gekommen, dass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gegeben sei. Es werde der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge gemäß § 28 Abs.2 und Abs.3 VwGVG den angefochtenen Bescheid- gegebenenfalls nach berichtigender Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts- abändern. Der Antrag werde im Einzelnen wie folgt begründet: Im anhängigen Verfahren würden bei der bP eine Beinschwäche und rezidivierende Synkopen unklarer Ursache vorliegen. Neben den derzeit bestehenden körperlichen Leistungseinschränkungen würde auch noch eine koronare Herzkrankheit mit 50-70%igen Stenosen in allen großen Gefäßen vorliegen. Es erschließe sich der bP nicht wie hier eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gegeben sein solle. Die definierte Wegstrecke von 300-400m könne nicht ausreichend bewältigt werden. Weiters herrsche erhöhte Sturzgefahr und es könne kein sicherer Stand in dem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet werden.
Am 18.06.2021 wurde ein Sachverständigengutachten durch eine Fachärztin für Innere Medizin erstellt. Es wurde ein Dauerzustand und die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgestellt. Der relevante Inhalt des Gutachtens lautet:
…
„Anamnese:
Vorgutachten 2010. Einschätzung mit 100 %.
Antrag auf Zusatzeintragung 2021 nicht gewährt - Nachuntersuchung 01/23 wegen Besserungsfähigkeit der Zuckereinstellung vorgeschlagen.
Kundenbeschwerde gegen Bescheid: auszugsweise werden angegeben Beinschwäche und rezidivierende Synkopen unklarer Ursache. Wegstrecke von 300 bis 400 m kann nicht ausreichend bewältigt werden, erhöhte Sturzgefahr, Standunsicherheit.
Vorlage neuer Befunde.
1. REHA-Bericht Herz-Kreislaufzentrum XXXX.
Herz-Kontrolle Klinikum XXXX 15.3.2021.
Alle Befunde wurden eingesehen.
Nächste Kontrolle in 1 Woche.
Eigene Anamnese: 1995 Herzinfarkt ohne Krankenhausaufenthalt, dann Auftreten von Atemnot. Verspätete Behandlung im Krankenhaus XXXX. Damals sei eine Herztransplantation als Option angesehen worden. Eine Herztransplantation erfolgte erst 2007 in XXXX. In weiteren Jahren mehrere langdauernde Arbeitsunfähigkeiten beginnend mit 12/1995.
März 2020 Koronarangiographie: keine Stentsetzung. Angeblich freie Durchblutung.
Derzeitige Beschwerden:
Der Blutzucker schwanke zwischen 120 bis 180. Der HbA1c sei 8,4 bzw. 8,1 % gewesen. Er trainiere zuhause mit Bändern wie in der REHA gelernt. Auch am Hometrainer - das selbe Programm wie in der REHA. Er hätte sich auch ein E-Bike gekauft, teilweise würde er ohne Zusatzelektrizität fahren, nimmt jedoch die E-Variante beim Bergauffahren. Er fahre die Strecke XXXX alleine, weil die Frau nicht mitkäme. Er mache Spaziergänge in der Umgebung, aber nicht alleine, da wird er von seiner Gattin begleitet. Stiegen steigen ginge, er hätte eine Unsicherheit im rechten Bein seit dem Schlaganfall. Er müsse beim Stiegensteigen aufpassen - er sei einmal hängen geblieben. Den Loop-Recorder hätte er seit 4 Jahren - bisher ohne Anzeige einer Rhythmusstörung.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Prograf 1-0-1 abwechselnd 0-1-0
CellCept 500mg 0-1-0
Bisoprolol 5mg 1/2-0-1
Lisinopril 20mg 0-1-0
Amlodipin 5 mg 0-1-0
Thrombo ASS 100 mg 1-0-0
Rosamib 20/10 mg 0-0-1
Toujeo 300 E/ml Fertigpen 0-0-1
Apidra 100e/ml-Fertigpen 0-0-1
Pantoloc 40 mg 1-0-0
Cal-D-Vita 1-1-0
Prolia 60 mg 1 alle Monate subkutan
Glucophage 500mg 1-0-1
Urosin 100mg 0-0-1
Magnesium 1-0-1
Hilfsmittel: Funkabfragegerät für Loop-Recorder.
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):
1. Gutachten Dr. XXXX 30.4.2010 ( Richtsatzverordnung ):
Zustand nach orthotoper Herztransplantation 2007 wegen dilativer Kardiomyopathie, Zustand eines linksventriculären Device 2006, Diabetes mellitus, renale Funktionseinschränkung, Depressio, Zustand nach ischämischen Insult im Thalamusgebiet mit Sehstörungen und Gleichgewichtsstörungen, arterielle Hypertonie. Gesamt 100.
2. Klinikum XXXX Herztransplantationsambulanz 2.10.2020:
Diagnosen
Z.n. orthotoper Herztransplantation am 01.02.2007 wegen dilatativer CMPCA am 18.03.2020: deutliche Graft-Vaskulopathie mit:
50%iger Plaqueformation im Stamm der RCA
zwei 50-70%ige Plaqueformationen im Bereich der proximalen und
mittleren LAD
70%ige Stenose im Bereich der mittleren Circumflexa.
Systolische Linksventrikelfunktion normal
Arterielle Hypertonie
Diabetes mellitus Typ (insulinpflichtig)
Chronische Niereninsuffizienz DOQI Stadium
Osteoporose
Z.n. aktinischen Keratosen am
Z.n. ischämischen Insult 2006
Z.n. Implantation eines De Bakex-LVAD vom Juni 2006 bis zur HTX am 01.02.2007.
Z.n. Leukopenie ( Cellcept-assoziiert? )
Z.n. Endothelitis ( herpet.Keratopathie ) li. Auge
Implantation eines Loop-Recorders 3/2017.
NYHA 1 stabiler Verlauf.
3. Sachverständigengutachten Dr. XXXX 8.1.2021: Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
1 Folgezustand nach Herztransplantation wegen Herzmuskelerweiterung (dilatative Cardiomyopathie) am 31.1.2007. Es besteht eine erhaltene Pumpfunktion des Herzens (lt. Befundbericht) mit Herzkranzgefäßverengungen zwischen 50 bis 70 % an allen Herzkranzgefäßen (Graft-Vasculopathie). Es ist eine dauernde abwehrschwächende Behandlung (ohne auffallende Infekthäufigkeit) notwendig. Wegen wiederholter Bewusstlosigkeitsanfällen ist ein Loop-Recorder (EKG-Aufzeichnungsgerät) bezüglich Rhythmusstörungen implantiert worden.
2 Insulinpflichtige Zuckererkrankung Diabetes mellitus Typ 2 b (Erstdiagnose 2010). Es besteht eine kombinierte Therapie aus mehrfach tägl. Insulinapplikation (Bolus-Schema) bei unzureichender Stoffwechseleinstellung mit einem HbA1c von 8,6 %.
3 Hochdruckleiden (mäßige Hypertonie) bei medikamentöser Dreifachbehandlung. Die Medikation ist tlw. überlappend mit der Behandlung der Herzkranzgefäßverengungen im transplantierten Herzen.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten ist zwischenzeitlich ein Loop-Recorder wegen Bewusstlosigkeitsanfällen implantiert worden, weiters ist die Zuckererkrankung insulinpflichtig. Nicht berücksichtigt werden die vorbefundliche Depression (keine aktuelle Therapienotwendigkeit) und der Zustand nach ischämischem Insult im Thalamusgebiet (mit stattgehabten Sehstörungen und Gleichgewichtsstörungen), da hier keine dauernden funktionellen Beeinträchtigungen vorliegen. Die angegebene Niereninsuffizienz entspricht einer altersentsprechenden Nierenfunktion, die Osteoporose bewirkt keine funktionelle Beeinträchtigung. Die Augenentzündung (Zustand nach Keratopathie) bewirkt ebenfalls keine Dauereinschätzung.
Eine Verminderung der weißen Blutzellen (Leukopenie) war medikamentös ausgelöst, und stellt keine dauernde Beeinträchtigung dar.
4. Herz-REHA-Zentrum XXXX 13.1. bis 3.2.2021: Diagnosen:
St.p. orthotoper Herztransplantation 1.2. 2007 bei dilatativer Cardiomyopathie
1.2.2007 AKH XXXX
St.p. Implantation eines De Bakey-LVAD von 6/2006 bis zur HTX am 1.2.2007
koronare Herzkrankheit
Kontrollangiographie am 18.3. 2020 im Klinikum XXXX wegen
deutlicher Graft-Vaskulopathie
LAD: 50 - 70 %ige Plaqueformationen proximal und im Mittel
CX: 70%ige mittlere Stenose
RCA: 50%ige Plaqueformation im Stamm
angiographisch diffuse, doch teils fokalbetonte Vaskulopathie ( im IVUS max.
50%ige Stenosen 10/2015
rezidivierende Synkopen
Looprecorderimplantation am 9.3. 2017 Klinkum XXXX
Beim Spazierengehen Sturz mit kurzzeitigem Bewusstseinsverlust am 14.12. 2020
( Looprecorderkontrolle am 15.12. 2020 unauffällig, Nasenfraktur und Contusio
cum excor.prof.reg. orbitalis dext., keine akuten Zeichen im Schädel-CT )
arterielle Hypertonie
Diabetes mellitus Typ II ( Erstdiagnose ca. 2007, HbA1c 8,4 % am 15.1.2021 )
Insulin seit 2017
chronische Niereninsuffizienz ( eGFR 42 ml/ min. am 15.1.2021 )
St.p. ischämischem Insult 2006
Osteoporose
St.p. Leukopenie ( DD: Cellcept-assoziiert )
St.p. Endotheliitis ( herpetische Keratopathie ) linkes Auge und Katarakt beide Augen.
Auszug aus Befund: Sturz mit kurzzeitiger Bewusstlosigkeit Dezember 2020 ohne nachweisliche rhythmogene Komponente. Aktuell NYHA I. Aufnahme in der Ergometrie 57 % der Zielleistung. Leistungsprogramm in geringen bis mittleren Leistungsgruppen möglich. Diabetesumstellung von Mischinsulin auf intensiviertes Insulinschema mit Verbesserung des Zuckerprofiles.
5. Bericht Klinikum XXXX Herztransplantationszentrum 15.3.2021: die selben Diagnosen.
Auszug aus Befund: EKG : Sinusrhythmus, klinisch NYHA I. Stabiler Verlauf.
REHA erfolgreich absolviert, Diabetes-Medikation wurde angepasst.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand:
gut
Ernährungszustand:
gut
Größe: 166,00 cm Gewicht: 79,00 kg Blutdruck: 120/80
Klinischer Status – Fachstatus:
Kopf/Hals: Visus mit Lesebrille korrigiert. Haut und Schleimhäute bland, gut durchblutet, keine Struma, keine Lymphknotenvergrößerung, Carotiden frei.
Thorax: 26 cm lange blande sternale Narbe. Geringer Druckschmerz distal. Thorax stabil. Kleiner tastbarer Recorder subpektoral links.
Cor: Herztöne rein, rhythmisch, normofrequent, kein Geräusch.
Pulmo: reines VA bds.
Abdomen: adipöse Bauchdecken, fingerkuppengroß einlegbare Umbilicalhernie ohne Inkazeration. Normale Organgrenzen, keine pathologische Resistenz.
Extremitäten: seitengleiche Durchblutung, keine Varizen, keine Ödeme.
Skelett: Wirbelsäule im Lot mit normalen Krümmungen. Vorbeuge bis FBA 10 cm möglich. Seitneigung und Rotation frei.
HWS endlagig gering eingeschränkt.
Schürzen- und Nackengriff bds. symmetrisch und vollständig.
Gelenke der oberen Extremitäten reizfrei und frei beweglich.
Faustschluss komplett, mäßig kraftvoll.
Untere Extremitäten: Gelenke reizfrei, frei beweglich, symmetrische Muskulatur der Beine, der Quadrizepsumfang + 1 cm gegenüber links ( rechts sei ein Normalbefund ). Verkrustungen im Kniebereich nach Exkoriation ohne Verband. Freie Kniebeweglichkeit, keine Reizzustände.
Gelenke der unteren Extremitäten insgesamt völlig frei beweglich und unauffällig.
Keine sensiblen Störungen, keine motorischen Ausfälle. PSR und ASR rechts nicht auslösbar, links normales Reflexverhalten.
Zehenspitzen- und Fersenstand bds. symmetrisch und ausreichend lang möglich.
Stabiler Einbeinstand.
Gesamtmobilität – Gangbild:
Flottes Aus- und Anziehen, rhythmisches Gangbild, normale Schrittweite. Abrollbewegung erhalten. Rasche und sichere Umwendbewegung. Einbeinstand möglich. Stand mit geschlossenen Augen möglich. Beobachteter Gang im Freien langsam, rhythmisch, Bordsteinkante kann mühelos überwunden werden.
Status Psychicus:
Voll orientiert, Ductus kohärent, Stimmung und Antrieb indifferent, gute Affizierbarkeit in bd. Skalenbereichen, keine tiefgehenden psycho-pathologischen Phänomene.
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:
1. Folgezustand nach Herztransplantation wegen Herzmuskelerweiterung ( dilative Kardiomyopathie 2007 ), stabile Immunsuppression, erhaltene Pumpfunktion, Herzgefäßverengungen mittleren Grades ohne Behandlungsbedürftigkeit ( Graft-Vaskulopathie ). Zustand nach Bewusstlosigkeit. Zustand nach Implantation eines Loop-Recorders 2017 - bisher keine Aktion aufgezeichnet.
2. Insulinpflichtige Zuckerkrankheit ( Diabetes mellitus Typ II b )mit zufriedenstellender Stoffwechseleinstellung bei intensivierter Insulintherapie unverändert zu Vorbefund.
3. Bluthochdruck ( mäßige Hypertonie ) , stabile Medikation, überlappend zu Pos. 1.
4. Zustand nach Schlaganfall mit leichter, visuell kompensierbarer Gangstörung.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Im Vergleich zum Vorgutachten Dr. XXXX findet sich keine grundsätzliche Änderung des klinischen Befundes : stabiler Zustand nach Herztransplantation wie beschrieben. Im Besonderen bisher keine nachweisbaren Rhythmusstörungen seit Implantation des Loop-Systems 2017.
Bezüglich des Diabetes gering gebesserte Gesamtzuckereinstellung unter identer Medikation.
Bezüglich Hochdruckleiden stabile Blutdruckwerte unter laufender Medikation.
Neu aufgenommen wurde Zustand nach Schlaganfall mit angegebener subjektiver Koordinationsstörung des rechten Beines ohne neurologischem Fachbefund.
Übrige Leiden unverändert. Keine neuen Befunde.
[X] Dauerzustand
1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum? Bei völlig normaler Pumpfunktion des Herzens (klinisch NYHA I Stadium), erfolgreicher Rehabilitation mit beschriebener leicht bis mäßiggradiger Belastbarkeit ist eine Gehstrecke von 300 bis 400 m in der Ebene in einem langsamen üblichen Schritttempo ohne Pausen zurücklegbar. Dies entspricht auch den Angaben des Kunden über Spaziergänge mit der Gattin bzw. dem Leistungsprofil im Radfahren. Beklagte Gehstörungen lassen sich in der Ebene nicht verifizieren. Es besteht ein sicherer Stand, auch Blindstand ist möglich. Die subjektive Schwäche des rechten Beins läßt sich visuell ( z.B. Handlauf benützen, Stufen anschauen beim Stiegengehen ) gut kontrollieren. Der Stand ist auch in einem fahrenden Fahrzeug als ausreichend sicher anzusehen, zumal die Haltefunktionen in beiden Armen völlig uneingeschränkt sind. Für das Aufsuchen eines Sitzplatzes auch im sich bewegenden Fahrzeug besteht keine Einschränkung, zumal der Kunde nachweislich ausreichende Sicherheit hat um ein E-Bike im freien Verkehr zu lenken. Die laufende Immunsuppression ist stabil und erlaubt unter den üblichen hygienischen Maßnahmen ebenfalls einen sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel.
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt ein Immundefekt vor im Rahmen dessen trotz Therapie erhöhte Infektanfälligkeit und wiederholt außergewöhnliche Infekte wie atypische Pneumonien auftreten? Bei Zustand nach Herztransplantation vor 14 Jahren und stabiler Immunsuppression findet sich im Verlauf keine Häufung von atypischen Infektionen. Es besteht ein gering erhöhtes Risiko für Infektionen die jedoch zu keiner Einschränkung des sozialen Lebens führt.
Gutachterliche Stellungnahme:
Ein öffentliches Verkehrsmittel kann benützt werden, da eine ausreichende Herzfunktion, keine nachweislichen Rhythmusstörungen in den letzten 4 Jahren sowie eine stabile Immunsuppression nur mit gering erhöhtem Infektionsrisiko besteht.
Bewegungsapparat ist auch bei Zustand nach Schlaganfall ausreichend belastbar und es besteht ein ausreichendes Koordinationsvermögen dafür.
Zustand nach Bewußtlosigkeiten ist ebenfalls kein Ausschlussgrund für die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels.
Insgesamt besteht keine Mobilitätseinschränkung, die die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittel unmöglich macht.“
Am 25.06.2021 wurde Parteiengehör gewährt und der bP das Sachverständigengutachten vom 18.06.2021 mit der Möglichkeit eine Stellungnahme abzugeben übermittelt. Die bP gab keine Stellungnahme ab.
Schließlich erfolgte am 27.07.2021 die Beschwerdevorlage am BVwG.
Gegen das der Beschwerde stattgebende Erkenntnis vom 24.11.2021 wurde eine Revision erhoben. Dieses wurde mit der Entscheidung des VwGH vom 07.03.2024 behoben.
In der Folge wurde am 22.07.2024 ein internistisches Gutachten eingeholt, welches zusammengefasst die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel trotz einzunehmender Immunsuppressiva nach durchgeführter Herztransplantation als zumutbar erachtet.
Nach ergangenem Parteiengehör vom 29.07.2024 erfolgte keine Stellungnahme der bP.
2.0.Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der bB und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Der oben unter Punkt II.1. festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens.
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen ergeben sich durch Einsicht in das zentrale Melderegister sowie die sonstigen relevanten Unterlagen.
2.2. Aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen. Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess der den Regeln der Logik zu folgen hat und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch-empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76). Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führen beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.02.1987, Zahl 13 Os 17/87, aus: „Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Tatrichter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (…)“. Vergleiche dazu auch VwGH vom 18.06.2014, Ra 2014/01/0032.
Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs 2 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (vgl auch VwGH vom 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH vom 27.05.2014, Ro 2014/11/0030; VwGH vom 17. Juni 2013, 2010/11/0021 mit Verweis auf die Erkenntnisse vom 23. Februar 2011, 2007/11/0142 und vom 23. Mai 2012, 2008/11/0128; vgl auch VwGH vom 20.03.2001, 2000/11/0321).
Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).
Der VwGH führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).
Ebenso kann die Partei Sachverständigengutachten erfolgreich bekämpfen, ohne diesem auf gleichem fachlichem Niveau entgegentreten zu müssen, wenn es Widersprüche bzw. Ungereimtheiten im Gutachten aufzeigt (vgl. z. B. VwGH vom 20.10.2008, GZ 2005/07/0108).
Aus dem festgestellten Sachverhalt ist zu entnehmen, dass seitens der bB zwei Gutachten in Zusammenhang mit dem Antragsbegehren eingeholt wurden.
Am 22.07.2024 wurde ein Gutachten des Sachverständigen XXXX erstellt, welches schlüssig und nachvollziehbar darlegt, dass bei der bP keine Gefährdung durch die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel besteht.
Zusammenfassend attestiert das Gutachten der bP trotz der durchgeführten Herztransplantation und einer damit in Verbindung stehenden Immunsuppression die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.
Die von der bP in ihrer Beschwerde angeführten Argumente waren letztendlich nicht dazu geeignet, das oben angeführte Gutachten in Frage zu ziehen.
3.0.Rechtliche Beurteilung:
3.1. Entscheidungsrelevante Rechtsgrundlagen:
- Bundesverfassungsgesetz B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF
- Bundesbehindertengesetz BBG, BGBl. Nr. 283/1990 idgF
- Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 idgF
- Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010 idgF
- Bundesverwaltungsgerichtsgesetz BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF
- Verwaltungsgerichtshofgesetz VwGG, BGBl. Nr. 10/1985 idgF
Nachfolgende Bestimmungen beziehen sich auf die im Pkt. 3.1. angeführten Rechtsgrundlagen in der jeweils geltenden Fassung.
3.2. Gemäß Art. 130 Abs 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden
1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit; …
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gemäß § 45 Abs. 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gemäß § 45 Abs. 5 BBG entsendet die im § 10 Abs. 1 Z 6 des BBG genannte Vereinigung die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs 2 des BBG anzuwenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
In Anwendung des Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG iVm § 45 Abs 3 BBG wird die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes in der zugrundeliegenden Beschwerdeangelegenheit begründet und fällt die Entscheidung der gegenständlichen Rechtssache jenem Richtersenat zu, der unter Berücksichtigung der zitierten Bestimmungen in der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes dafür vorgesehen ist. Der erkennende Senat ist daher in diesem Beschwerdeverfahren zuständig.
3.3. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs 3) zu überprüfen.
Gemäß § 9 Abs 1 VwGVG hat die Beschwerde zu enthalten:
1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,
2. die Bezeichnung der belangten Behörde,
3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
4. das Begehren und
5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.
Die von der bP eingebrachte Beschwerde erscheint fristgerecht im Sinne der Rechtsmittelfrist des BBG eingebracht. Dem Akt kann nicht entnommen werden, zu welchem Datum der Bescheid der bB an die bP zugestellt wurde. Dies gründet sich auf die von der bB geübte Praxis, ohne Zustellnachweis zuzustellen, weshalb den Ausführungen der bP hinsichtlich Rechtzeitigkeit der Rechtsmittelerhebung zu folgen war.
Die sonstigen Voraussetzungen, welche § 9 VwGVG seinem Inhalt nach festlegt, liegen vor.
Die bP brachte sinngemäß in ihrer Beschwerde vor: Bei der bP sei am 08.01.2021 die Begutachtung durch Dr. XXXX durchgeführt worden. Dieser sei in seiner Befundung zum Ergebnis gekommen, dass die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gegeben sei. Es werde der Antrag gestellt, das Bundesverwaltungsgericht möge gemäß § 28 Abs.2 und Abs.3 VwGVG den angefochtenen Bescheid- gegebenenfalls nach berichtigender Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts- abändern. Der Antrag werde im Einzelnen wie folgt begründet: Im anhängigen Verfahren würden bei der bP eine Beinschwäche und rezidivierende Synkopen unklarer Ursache vorliegen. Neben den derzeit bestehenden körperlichen Leistungseinschränkungen würde auch noch eine koronare Herzkrankheit mit 50-70%igen Stenosen in allen großen Gefäßen vorliegen. Es erschließe sich der bP nicht wie hier eine Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gegeben sein solle. Die definierte Wegstrecke von 300-400m könne nicht ausreichend bewältigt werden. Weiters herrsche erhöhte Sturzgefahr und es könne kein sicherer Stand in dem öffentlichen Verkehrsmittel gewährleistet werden.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Bezugnehmend auf die zitierten Bestimmungen waren die unter Pkt. 3.1. im Generellen und die unter Pkt. 3.2 ff im Speziellen angeführten Rechtsgrundlagen für dieses Verfahren in Anwendung zu bringen.
3.4. Gemäß § 1 Abs 1 BBG soll Behinderten und von konkreter Behinderung bedrohten Menschen durch die in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Maßnahmen die bestmögliche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben gesichert werden.
Gemäß § 1 Abs 2 BBG ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen
Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 40 Abs 2 BBG ist behinderten Menschen, die nicht dem im Abs 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.
Gemäß §41 Abs 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im §40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376.
Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr.261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs 2 vorliegt.
Gemäß § 41 Abs 2 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
Gemäß § 42 Abs 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 42 Abs 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
Gemäß § 43 Abs 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, sofern Änderungen eintreten, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpass auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpass einzuziehen.
Gemäß § 43 Abs 2 BBG ist der Besitzer des Behindertenpasses verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpass berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpass vorzulegen.
Gemäß § 45 Abs 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Gemäß § 45 Abs 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§41 Abs 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 47 BBG ist der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Gemäß § 1 Abs 1 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird der Behindertenpass als Karte aus Polyvinylchlorid hergestellt und hat nach Form und Inhalt dem Muster der Anlage A zu entsprechen. Seine Gesamtabmessungen haben 53,98 mm in der Höhe und 85,60 mm in der Breite zu betragen. Gemäß Abs 2 leg cit hat der Behindertenpass auf der Vorderseite zu enthalten: 1. die Bezeichnung „Behindertenpass“ in deutscher, englischer und französischer Sprache; 2. den Familien- oder Nachnamen, Vorname(n), akademischen Grad oder Standesbezeichnung des Menschen mit Behinderung; 3. das Geburtsdatum; 4. den Verfahrensordnungsbegriff; 5. den Grad der Behinderung oder die Minderung der Erwerbsfähigkeit; 6. das Antragsdatum; 7. das Ausstellungsdatum; 8. die ausstellende Behörde; 9. eine allfällige Befristung; 10. eine Braillezeile mit dem Ausdruck „Behindertenpass“; 11. ein Hologramm in Form des Bundeswappens mit dem Schriftzug „Sozialministeriumservice“ im Hintergrund; 12. das Logo des Sozialministeriumservice; 13. einen QR-Code, mit dem auf der Homepage des Sozialministeriumservice nähere Informationen zum Behindertenpass und den einzelnen Zusatzeintragungen abgerufen werden können sowie 14. ein der Bestimmung des § 4 der Passgesetz-Durchführungsverordnung, BGBl. II Nr. 223/2006, entsprechendes Lichtbild.
Gemäß Abs 3 leg cit haben die äußeren Merkmale des Trägermaterials des Behindertenpasses der ISO/IEC-Norm 7810 zu entsprechen. Das Trägermaterial hat folgende Fälschungssicherheitsmerkmale zu enthalten: 1. Hologramm in Form des Bundeswappens mit dem Schriftzug „Sozialministeriumservice“ im Hintergrund; 2. UV-Lack; 3. Brailleschrift; 4. Guillochenraster und 5. Mikroschrift auf der Rückseite.
Der Behindertenpass darf nur von einem vom Bundesministerium für Arbeit, Soziales und Konsumenten-schutz bestimmten Dienstleister hergestellt werden.
Gemäß Abs 4 leg cit ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen:
1. die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes a) überwiegend auf den Gebrauch eines Rollstuhles angewiesen ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 1 bis 3 des Bundespflegegeldgesetzes (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, vorliegen. Bei Kindern und Jugendlichen gelten jedoch dieselben Voraussetzungen ab dem vollendeten 36. Lebensmonat. b) blind oder hochgradig sehbehindert ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 4 oder 5 BPGG vorliegen. c) gehörlos oder schwer hörbehindert ist;
die Eintragung gehörlos ist bei einem Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, bzw. einem Grad der Behinderung von 70% aufgrund der Position 643 nach der Richtsatzverordnung BGBl. Nr. 150/1965, vorzunehmen.
Die Eintragung schwer hörbehindert ist ab einem Grad der Behinderung von 50% auf der Grundlage der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungsverordnung, bzw. der Position 643 nach der Richtsatzverordnung, vorzunehmen.
Bei Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten 10. Lebensjahr muss ein Grad der Behinderung von 90%, vom 11. Lebensjahr bis zum vollendeten 14. Lebensjahr ein Grad der Behinderung von 80% entsprechend der Positionsnummer 12.02.01 der Anlage zur Einschätzungs-verordnung vorliegen. d) taubblind ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 6 BPGG vorliegen. e) Träger/Trägerin eines Cochlear-Implantates ist; f) Epileptiker/Epileptikerin ist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn eine Diagnose entsprechend Abschnitt 04.10.02 oder 04.10.03 der Anlage zur Einschätzungsverordnung bzw. der Positionsnummern 573 oder 574 nach der Richtsatzverordnung vorliegt. g) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 erster Teilstrich der Verordnung des Bundes-ministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen, BGBl. Nr. 303/1996, aufweist;
diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn Tuberkulose, Zuckerkrankheit, Zöliakie oder Aids entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorliegt. Der Zöliakie sind die Phenylketonurie (PKU) und ähnliche schwere Stoffwechselerkrankungen im Sinne des Abschnittes 09.03. der Anlage zur Einschätzungsverordnung gleichzuhalten. h) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 zweiter Teilstrich der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;
diese Eintragung ist bei Vorliegen einer Gallen-, Leber- oder Nierenerkrankung mit einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen. i) eine Gesundheitsschädigung gemäß § 2 Abs. 1 dritter Teilstrich der Verordnung des Bundes-ministers für Finanzen über außergewöhnliche Belastungen aufweist;
diese Eintragung ist bei Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne der Abschnitte 07 und 09 der Anlage zur Einschätzungsverordnung sowie bei Malignomen des Verdauungstraktes im Sinne des Abschnittes 13 der Anlage zur Einschätzungsverordnung entsprechend einem festgestellten Grad der Behinderung von mindestens 20% vorzunehmen. j) Träger/Trägerin von Osteosynthesematerial ist; k) Träger/Trägerin einer Orthese ist; l) Träger/Trägerin einer Prothese ist. 2. die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes a) einer Begleitperson bedarf;
diese Eintragung ist vorzunehmen bei - Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z.1 lit. a verfügen; - Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d verfügen; - bewegungseingeschränkten Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr, die zur Fortbewegung im öffentlichen Raum ständig der Hilfe einer zweiten Person bedürfen; - Kindern ab dem vollendeten 6. Lebensjahr und Jugendlichen mit deutlicher Entwicklungsverzögerung und/oder ausgeprägten Verhaltensveränderungen; - Menschen ab dem vollendeten 6. Lebensjahr mit kognitiven Einschränkungen, die im öffentlichen Raum zur Orientierung und Vermeidung von Eigengefährdung ständiger Hilfe einer zweiten Person bedürfen, und - schwerst behinderten Kindern ab Geburt bis zum vollendeten 6. Lebensjahr, die dauernd überwacht werden müssen (z. B. Aspirationsgefahr). b) die Fahrpreisermäßigung nach dem Bundesbehindertengesetz in Anspruch nehmen kann;
diese Eintragung ist bei Menschen mit Behinderung, die dem Personenkreis des § 48 des Bundesbehindertengesetzes angehören, bei Vorliegen eines festgestellten Grades der Behinderung/einer festgestellten Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 70% bzw. bei Bezug von Pflegegeld oder anderen vergleichbaren Leistungen nach bundes- oder landesgesetzlichen Vorschriften vorzunehmen. c) einen geprüften Assistenzhund besitzt; 3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Gemäß Abs 5 leg cit bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktions-beeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Gemäß Abs 6 leg cit sind die im Abs. 4 angeführten Eintragungen auf der Rückseite entweder in Form von Piktogrammen oder in Form von Schriftzügen vorzunehmen, …
Der Behindertenpass ist gem § 2 leg cit in deutscher Sprache auszustellen; die Bezeichnung „Behindertenpass“ ist auch in englischer und französischer Sprache anzubringen.
Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist dem Behindertenpassinhaber/der Behindertenpassinhaberin, zum Nachweis, dass er/sie über die Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ verfügt, die im § 29b Abs 2 bis 4 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. 159 (StVO), genannten Berechtigungen in Anspruch nehmen kann, ein Parkausweis auszustellen. Die in einem gültigen Behindertenpass enthaltene Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung oder Blindheit“ ist der Eintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ gleichzuhalten.
Gemäß Abs 2 leg cit ist der Ausweis plastifiziert und mit einer Höhe von 106 mm und einer Breite von 148 mm auszuführen. Der Ausweis ist mit einem 35 x 45 mm großen Lichtbild des Ausweisinhabers/der Ausweisinhaberin auszustatten.
Gemäß Abs 3 leg cit hat der Parkausweis dem in der Anlage B enthaltenen Muster zu entsprechen. Auf der Vorderseite der Anlage B ist zwischen dem mehrsprachigen Text und dem Textteil „Modell der Europäischen Gemeinschaften“ eine allfällige Befristung einzutragen.
Gemäß § 5 Abs 3 Z 2 leg cit bleiben Behindertenpässe, die vor dem in Z 1 genannten Zeitpunkt unbefristet ausgestellt wurden, weiterhin gültig; Gleiches gilt für bestehende Eintragungen in Behindertenpässen. Gemäß Z 3 werden Behindertenpässe im Scheckkartenformat nur bei Anträgen, die ab dem 1. September 2016 im Sozialministeriumservice einlangen, ausgestellt; ein automatischer Umtausch von Behindertenpässen findet nicht statt.
Gemäß § 1 der Einschätzungsverordnung ist unter Behinderung die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 2 Abs 1 leg cit sind die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage der Einschätzungsverordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
Gemäß § 2 Abs 2 leg cit ist bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
Gemäß § 2 Abs 3 leg cit ist der Grad der Behinderung nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.
Gemäß § 3 Abs 1 leg cit ist eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
Gemäß § 3 Abs 2 leg cit ist bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
Gemäß § 3 Abs 3 leg cit liegt eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, vor, wenn
- sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
- zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
Gemäß § 3 Abs 4 leg cit ist eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.
Gemäß § 4 Abs 1 leg cit bildet die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.
Gemäß § 4 Abs 2 leg cit hat das Gutachten neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.
In dem Gutachten wird festgestellt, dass die Behinderung iSd § 1 Abs 2 BBG mehr als 6 Monate gegeben sein wird.
Das Sachverständigengutachten und die Stellungnahmen wurden im oben beschriebenen Umfang in freier Beweiswürdigung der Entscheidung des Gerichtes zu Grunde gelegt.
Nach § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4 – also die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt und das Begehren) zu überprüfen, ist also daran gebunden. Die bP erachtete in ihrer Beschwerde die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung der „Unzumutbarkeit der Benützung von öffentlichen Verkehrsmittel“ als gegeben.
Die Prüfung, ob die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ vorzunehmen ist, hat entlang der Kriterien der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl II Nr 495/2013, zu erfolgen, konkret: ob bei der bP
- erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
- erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
- erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubheit
vorliegen.
Bei der bP liegen trotz der vorhandenen Herabsetzung des Immunsystems infolge Immunsuppressiva keine Gründe vor, welche eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel begründen würden.
Wie in der Beweiswürdigung ausgeführt, sieht der Gutachter trotz einer erhöhten Infektionsgefahr keine Grundlage für das Bestehen einer Unzumutbarkeit. Aufgrund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes war unter Heranziehung des Gutachtens vom 22.07.2024 das Erkenntnis zu fällen.
3.5. § 24 VwGVG lautet:
Verhandlung
§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
(2) Die Verhandlung kann entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben oder die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist;
3. wenn die Rechtssache durch einen Rechtspfleger erledigt wird.
(3) Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.
(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
(5) Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.
Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden.
Gegenständlich unstrittig ist, dass der bP die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte somit gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG (im Übrigen wurde ein Antrag nicht gestellt) von einer Verhandlung absehen, weil die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dies ist eben dann der Fall, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre.
Weiters liegt auch kein Rechtsschutzdefizit für die bP – auf Grundlage der vorliegenden Unterlagen (Sachverständigengutachten in Verbindung mit der klinischen Untersuchung und den vorgelegten Befunden, Parteiengehör, Bescheid und dergleichen) – vor und würde auch eine mündliche Verhandlung, bedingt durch die vorliegenden Tatsachen, keinen anderen ergänzenden Sachverhalt ergeben.
Schlussfolgernd hat das erkennende Gericht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen.
3.7. Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. (VwGH vom 22.05.2014, Ra 2014/01/0030)
Nach Art. 133 Abs. 4 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (VwGH vom 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3, vom 06.12.2017 Ra 2015/11/0046-8, vom 11.12.2017 Ra 2015/11/0102-5).
Nach ständiger Judikatur sind Rechtsfragen des Verfahrensrechts nur dann solche von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels in der Zulassungsbegründung dargelegt werden muss (VwGH vom 19.12.2017, Ra 2017/11/0288-3, VwGH vom 23.01.2017 Ra 2017/11/0001, mwN).
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen. Diesbezüglich ist die vorliegende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Darüber hinaus stellten sich im gegenständlichen Fall in erster Linie Fragen der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung.
Sonstige Hinweise, die auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage schließen lassen, liegen ebenfalls nicht vor. Zu dieser Frage liegt umfangreiche und einheitliche Judikatur des VwGH vor.
Die grundsätzliche Bestimmung betreffend der Zusatzeintragungen in den Behindertenpass im Sinne des BBG erfuhr keine substanzielle Änderung, weshalb auch die Voraussetzungen des Art. 133 Abs 4 B-VG diesbezüglich nicht gegeben waren.
Im Hinblick auf die außerordentliche Revision ist bei den gem. § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorzubringenden Gründen konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen aufzuzeigen, welche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung über die Revision zu lösen hätte und in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des VwGH abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage dieser uneinheitlich oder noch nicht beantwortet hat. Dabei hat der Revisionswerber konkret darzulegen, dass der der gegenständlich angefochtenen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt einer der von ihm ins Treffen geführten hg. Entscheidungen gleicht, das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Fall dennoch anders entschieden hat und es damit von der ständigen Rechtsprechung des VwGH abgewichen ist, wobei die bloße Wiedergabe von Rechtssätzen zu verschiedenen hg. Entscheidungen nach Datum und Geschäftszahl, ohne auf konkrete Unterschiede in dieser Rechtsprechung hinzuweisen, nicht ausreicht (VwGH vom 06.12.2017, Ra 2015/11/0046-8, vgl. Beschluss Ra 2017/11/0225, mwN).
Auf Grundlage der obigen Ausführungen war spruchgemäß zu entscheiden.