JudikaturBVwG

W191 2152769-3 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
15. Oktober 2024

Spruch

W191 2152769-3/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn XXXX , geboren am XXXX Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die BBU GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.03.2024, Zahl 1046773208/221852070, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 19.08.2024 zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 Asylgesetz 2005 stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

1. Verfahrensgang:

1.1. Vorverfahren:

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 29.11.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

1.1.2. Mit Bescheid vom 15.03.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA) den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.) und erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zu (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (in der Folge FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Er habe keine Verfolgung im Sinne des AsylG glaubhaft gemacht und es bestünden keine stichhaltigen Gründe gegen eine Abschiebung des BF nach Afghanistan. Im Falle der Rückkehr drohe ihm keine Gefahr, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würde.

Der BF erfülle nicht die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG, der Erlassung einer Rückkehrentscheidung stehe sein Recht auf Achtung des Privat- oder Familienlebens angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer und des Fehlens von familiären oder privaten Bindungen im Inland nicht entgegen. Angesichts der abweisenden Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergebe sich die Zulässigkeit einer Abschiebung des BF nach Afghanistan.

1.1.3. Der BF erhob in Folge fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG). Mit Erkenntnis des BVwG vom 21.08.2019, Zahl W246 2152769-1/27E, wurde diese rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

1.1.4. Der gegen dieses Erkenntnis eingebrachten Beschwerde erkannte der Verfassungsgerichtshof (in der Folge VfGH) zunächst mit Beschluss vom 01.10.2019 aufschiebende Wirkung zu, lehnte aber sodann mit Beschluss vom 09.10.2019, E 3634/2019-8, die Behandlung der Beschwerde ab.

1.1.5. Die vom anwaltlichen Vertreter des BF eingebrachte außerordentliche Revision wies der Verwaltungsgerichtshof (in der Folge VwGH) mit Beschluss vom 30.12.2019, Ra 2019/18/0491, zurück und begründete dies unter anderem damit, dass der BF jedenfalls in den Städten Herat und Mazar-e Sharif eine zumutbare Fluchtalternative finde.

1.1.6. Am 19.06.2020 stellte der BF neuerlich einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.7. Mit Bescheid vom 23.07.2020 wies das BFA diesen (zweiten) Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 19.06.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AsylG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). In Spruchpunkt III. wurde ausgesprochen, dass dem BF gemäß § 15 Abs. 1 AsylG aufgetragen worden sei, ab 19.06.2020 in einem genannten Quartier Unterkunft zu nehmen. Das BFA begründete dies im Wesentlichen damit, dass sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben hätte.

1.1.8. Gegen diesen Bescheid vom 23.07.2020 brachte der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 06.08.2020 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde beim BVwG wegen „Gesetzwidrigkeit“ ein und beantragte unter anderem, der gegenständlichen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

1.1.9. Mit Erkenntnis des BVwG vom 23.09.2020, Zahl W191 2152769-2/2E, wurde diese Beschwerde rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

1.1.10. Am 19.07.2021 stellte der BF neuerlich einen (dritten) Antrag auf internationalen Schutz.

1.1.11. Mit Bescheid vom 13.03.2022 wies das BFA diesen (dritten) Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 19.07.2021 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm in Spruchpunkt III. eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG für „1“ [ein] Jahr.

1.1.12. Am 14.12.2022 stellte der BF einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG.

1.1.13. Mit Bescheid vom 09.03.2023 erteilte das BFA dem BF die befristete Aufenthaltsberechtigung für subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG auf zwei [weitere] Jahre.

1.2. Gegenständliches Verfahren:

1.2.1. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 08.07.2022, 27 Hv 59/22m, wurde der BF wegen des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs. 1 und 2 Strafgesetzbuch (in der Folge StGB) gemäß § 259 Z 3 Strafprozeßordnung (in der Folge StPO) freigesprochen.

1.2.2. Aufgrund der gegen den BF geführten Ermittlungen, insbesondere aufgrund der Angaben im Abschlussbericht vom 04.10.2023, GZ: PAD/23/01076096/001/KRIM des Stadtpolizeikommandos Linz, wonach gegen den BF der Verdacht des Suchtgifthandels, der Beförderung von Suchtgift, der Vorbereitung von Suchtgifthandel, des Unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften sowie Weitergabe und Besitz von nachgemachtem oder verfälschtem Geld bestehe, wurde der BF seitens des BFA über die beabsichtigte Einleitung eines Aberkennungsverfahrens gemäß § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG informiert sowie die Einleitung des Passentziehungsverfahrens bei der zuständigen Regionaldirektion angeregt.

1.2.3. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13.12.2023, 34 Hv 148/23b, wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 1. Satz 1. und 2. Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und siebter Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG sowie des Verbrechens des Besitzes des verfälschten Geldes nach § 233 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, wobei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Erschwerend bewertet wurden das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen, zwei einschlägige Vorstrafen, äußerst langer Rückfall, langer Tatzeitraum, Überschreitung der Grenzmenge um das rund 14-fache, Gewinnstreben sowie die Tatbegehung während offener Probezeit.

1.2.4. Mit Aktenvermerk vom 21.12.2023 wurde seitens des BFA das Aberkennungsverfahren eingestellt und ausgeführt, dass die Voraussetzungen zur Aberkennung des Status nicht vorliegen, da die verhängte Freiheitsstrafe des Landesgerichtes Linz vom 13.12.2023, 34 Hv 148/23b, von 16 Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde und keine weiteren Verurteilungen des BF vorlagen.

1.2.5. Mit Schreiben vom 31.01.2024 wurde der BF seitens des BFA über die beabsichtigte Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für den Status des subsidiär Schutzberechtigten aufgrund des Urteils des Landesgerichtes Linz, 34 Hv 148/23b, informiert und zu einer Stellungnahme binnen zwei Wochen aufgefordert, welcher der BF nicht nachgekommen ist.

1.2.6. Mit „Aktenvermerk“ vom 27.02.2024 wurde der BF über das Vorliegen von Duldungsgründen im Kartenantragsverfahren gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 FPG informiert.

1.2.7. Mit Bescheid des BFA vom 04.03.2024 wurde der dem BF mit Bescheid vom 14.03.2022 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß „§ 9 Abs. 2 AsylG“ von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). In Spruchpunkt II. wurde dem BF die mit Bescheid vom 09.03.2023 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 4 AsylG entzogen. In Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan gemäß § 9 Abs. 2 AsylG in Verbindung mit § 52 Abs. 9 FPG unzulässig sei.

Hinsichtlich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigen führte das BFA begründend aus, dass der BF nachweislich von österreichischen Gerichten zwei Mal wegen Drogendelikten sowie einmal wegen Körperverletzung verurteilt worden sei. Der BF habe mit dem Handel von Drogen die Gesundheit der im Bundesgebiet lebenden Menschen gefährdet. Die Suchtmitteldelinquenz stelle ein besonders verpöntes Fehlverhalten dar und es bestehe ein besonderes öffentliches Interesse an der Verhinderung des Suchtgifthandels. Der BF habe die Straftat innerhalb offener Probezeiten begangen und die Straftat weise eine besondere Schwere aufgrund der großen Mengen an Suchtgiften sowie einen langen Zeitraum der Tat auf, weshalb er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle und daher der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG abzuerkennen gewesen sei.

1.2.8. Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben seines Vertreters vom 26.03.2024 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG und führte im Wesentlichen aus, dass eine Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Aberkennung des subsidiären Schutzes nicht stattgefunden habe und im Falle der Rückkehr nach Afghanistan eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK drohe. Die belangte Behörde habe es unterlassen, den BF zu seinen Lebensumständen zu befragen sowie eine adäquate Gefährdungsprognose vorzunehmen, und habe sich mit den spezialpräventiven Umständen nicht näher befasst. Der BF sei mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet und Vater zweier Kinder. Der BF gehe einer Beschäftigung nach und habe einen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest gestellt. Er führe ein drogenfreies Leben und bereue seine Straftaten.

Beantragt wurde unter anderem, eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchzuführen.

1.2.9. Das BVwG führte am 19.08.2024 eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Dari durch, zu der der BF in Begleitung seines Vertreters persönlich erschien. Das BFA nahm an der Verhandlung entschuldigt nicht teil. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung legte der BF elektronisch den Arbeitsvertrag sowie die Bestätigung über die Suchttherapie vor. Weiters legte der BF Geburtsurkunden der Kinder, die Heiratsurkunde sowie einen aktuellen Lohnzettel vor.

Der BF gab dabei zu seinen Lebensumständen befragt an, dass er seit ca. einem Jahr mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet sei und mit dieser zwei Kinder habe. Im Bundesgebiet habe er den Pflichtschulabschluss absolviert und arbeite seit ca. zwei Jahren in einem Betrieb in der Produktion als Maschinenführer. Der BF spricht Deutsch und hat in der mündlichen Beschwerdeverhandlung immer wieder Fragen unmittelbar auf Deutsch beantwortet. Er sei alle zwei Monate bei seinem Bewährungshelfer. Die meiste Zeit verbringe er mit seiner Familie, mache Gymnastik zu Hause, arbeite in drei Schichten und habe sonst nicht viel Zeit für Aktivitäten.

Zu den Vorfällen befragt gab der BF im Wesentlichen an, er sei zwei Mal wegen Cannabisverkauf verurteilt worden, da er schlechte Freunde gehabt habe. Zu den Freunden habe er keinen Kontakt mehr. Er sei zweieinhalb Monate in Untersuchungshaft gewesen und dann im elektronisch überwachten Hausarrest gewesen, da er einen gesicherten Arbeitsplatz gehabt habe. Er müsse sich monatlich einem Urintestest unterziehen und es bestünden weiterhin Meldepflichten. Er habe im Haftaufenthalt sein Verhalten überdacht und der Umstand, dass er seine Tochter nicht sehen konnte, habe ihn sehr verletzt. Er möchte dies nicht mehr erleben, wolle keine Probleme mit der Polizei mehr und es würde ihm leidtun.

Dem BFA wurde die Verhandlungsschrift samt Beilagen übermittelt. Es hat dazu nicht Stellung genommen.

1.2.10. Mit Schreiben seiner Vertretung vom 19.08.2024 legte der BF den Sozialbericht des Vereins Neustart vom 19.08.2024 sowie sein Pflichtschulzeugnis vor.

1.2.11. Mit Schreiben seiner Vertretung vom 28.08.2024 übermittelte der BF ein Schreiben seiner Ehefrau, datiert mit 22.08.2024, wonach er sich seit dem Gefängnisaufenthalt sehr bemühe sich zu bessern, den Kontakt zu Personen aus der Vergangenheit meide und ein liebevoller Vater sei.

Auch diese Eingaben wurden dem BFA übermittelt.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

Einsicht in die dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakten und Vorakten des BFA, beinhaltend u. a. den angefochtenen Bescheid sowie die gegenständliche Beschwerde

Einsicht in die Vorakten des BVwG, insbesondere das Erkenntnis vom 23.09.2020, Zahl W191 2152769-2/2E

Einvernahme des BF im Rahmen der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem BVwG am 19.08.2024

Einsicht in die vorgelegten Belege des BF zu Lebensumständen (Arbeitsvertrag, Bestätigung der Suchttherapie, Geburtsurkunden der Kinder, Heiratsurkunde, aktueller Lohnzettel)

Einsicht in das vorgelegte Schreiben seiner Ehefrau vom 22.08.2024

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:

3.1. Zur Person und den Lebensumständen des BF:

3.1.1. Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX , ist afghanischer Staatsangehöriger, stammt aus der Provinz Ghazni, ist Angehöriger der Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islams. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder. Die Muttersprache des BF ist Dari. Darüber hinaus spricht er auch Paschtu, Deutsch sowie auch etwas Englisch. Seine Eltern leben in Kabul, und der BF steht wöchentlich in Kontakt zu seinen Eltern.

3.1.2. Der BF ist um seine Integration in Österreich ernsthaft bemüht. Er hat sich gute Deutschkenntnisse angeeignet und seinen Pflichtschulabschluss erfolgreich absolviert. Er arbeitet seit etwa zwei Jahren in der Produktion eines Betriebes, der Fruchtsäfte herstellt. Hinsichtlich seiner Wohnsituation ist festzuhalten, dass der BF gemeinsam mit seiner Ehefrau und Kindern im Haus seiner Schwiegereltern lebt.

Der BF wird im Rahmen seiner Bewährungshilfe vom Verein Neustart betreut. Sein Bewährungshelfer hat angegeben, dass ihm der Umzug mit seiner Ehefrau und Kinder in das Haus seiner Schwiegermutter geholfen habe, sich von seinem bisher delinquenten Bekanntenkreis zu distanzieren. Er zeige sich in Gesprächen offen und es gelinge ihm, sein Verhalten zu reflektieren und sich mit seinen Risikofaktoren auseinanderzusetzen. Er verbüße eine Haftstrafe im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrestes und halte sich auch akribisch an alle Vorgaben.

3.2. Zur Straffälligkeit des BF:

Der BF wurde mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13.12.2023, 34 Hv 148/23b, wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 1. Satz 1. und 2. Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und siebter Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG sowie des Verbrechens des Besitzes des verfälschten Geldes nach § 233 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, wovon ein Teil von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt. Erschwerend wurden das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen, zwei einschlägige Vorstrafen, äußert langer Rückfall, langer Tatzeitraum, Überschreitung der Grenzmenge um das rund 14-fache, Gewinnstreben sowie die Tatbegehung während offener Probezeit bewertet.

Festzustellen ist, dass vom BF keine große Gefahr ausgeht, erneut einschlägig strafbare Handlungen des Suchtgifthandels zu setzen. Der BF ist deliktseinsichtig, bereut die von ihm begangenen Straftaten, und es sind auch sonst keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass der BF eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellen würde.

3.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des BF und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan ist festzustellen, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Bescheid vom 13.03.2022 sowie seit der letztmaligen Verlängerung am 09.03.2023 insgesamt nicht wesentlich geändert oder nachhaltig verbessert haben.

Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht und er Gefahr läuft, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

4. Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zugrunde:

Der Verfahrensgang ergibt sich aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten und Vorakten des BFA und BVwG.

4.1. Zur Person und den Lebensumständen des BF:

4.1.1. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA, im Beschwerdeverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit und Herkunft, insbesondere zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seinen Familienverhältnissen sowie zu den Lebensumständen des BF in Afghanistan, stützen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF im Verfahren vor dem BFA und im Beschwerdeverfahren sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG und auf die Kenntnis und Verwendung der Sprachen Dari und Paschtu.

4.1.2. Die Feststellungen zur Integration des BF und seinen Lebensumständen in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie aus den im Verfahren vorgelegten Unterlagen des BF samt Sozialbericht.

4.1.3. Die Feststellungen betreffend die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF und deren Umstände ergeben sich aus der im Akt befindlichen (gekürzten) Urteilsausfertigung, aus dem eingeholten Auszug aus dem Strafregister, den dem Verwaltungsakt einliegenden Schreiben und Berichten sowie den diesbezüglichen Angaben des BF vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

4.2. Zu einer möglichen Rückkehr den Herkunftsstaat:

Die Feststellung, dass sich die Umstände, die zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, seit der Zuerkennung dieses Status nicht wesentlich und nachhaltig verbessert haben, konnte im Lichte eines Vergleichs der individuellen Situation des BF sowie der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einerseits und zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG andererseits getroffen werden.

Im Fall des BF ist außerdem zu berücksichtigen, dass er verheiratet ist und zwei Kinder im Bundesgebiet hat. Darüber hinaus ist der BF erwerbstätig und hat sich bereits gute Deutschkenntnisse angeeignet.

UNHCR empfiehlt auch weiterhin, „aufgrund der volatilen Situation in Afghanistan, die noch für einige Zeit unsicher bleiben kann, sowie der weitreichenden humanitären Notlage im Land“ zwangsweise Rückführungen afghanischer Staatsangehöriger auszusetzen.

Vor dem Hintergrund dieser Umstände ist in einer Gesamtschau daher davon auszugehen, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht und er Gefahr läuft, dort keine Lebensgrundlage vorzufinden.

5. Rechtliche Beurteilung:

5.1. Anzuwendendes Recht:

Gegenständlich sind die Verfahrensbestimmungen des AVG, des BFA-VG, des VwGVG und jene im AsylG enthaltenen sowie die materiellen Bestimmungen des AsylG in der geltenden Fassung samt jenen Normen, auf welche das AsylG verweist, anzuwenden.

Mit 01.01.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung) und ist auf die ab diesem Zeitpunkt gestellten Anträge auf internationalen Schutz, sohin auch auf den vorliegenden, anzuwenden.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA das BVwG.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 15 AsylG hat der Asylwerber am Verfahren nach diesem Bundesgesetz mitzuwirken und insbesondere ohne unnötigen Aufschub seinen Antrag zu begründen und alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen.

Gemäß § 18 AsylG hat die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für die Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Antrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen.

5.2. Rechtlich folgt daraus:

Zu Spruchteil A):

5.2.1. Die gegenständliche, zulässige und rechtzeitige Beschwerde wurde am 28.03.2024 beim BFA eingebracht und ist nach Vorlage am 08.04.2024 beim BVwG eingegangen. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des BVwG zuständigen Einzelrichter.

5.2.2. Das BVwG stellt weiters fest, dass das Verwaltungsverfahren in wesentlichen Punkten rechtmäßig durchgeführt wurde.

5.2.3. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten):

§ 9 AsylG samt Überschrift lautet auszugsweise:

„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1. die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen; [...]“

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1. einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2. der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3. der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.“

5.2.3.1. Zum Nichtvorliegen der Voraussetzungen für eine Aberkennung nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG:

Das BFA stützte die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG und somit auf das Vorliegen einer rechtskräftigen Verurteilung wegen eines Verbrechens, weshalb in einem ersten Schritt auf die Voraussetzungen dieses Aberkennungstatbestandes einzugehen ist.

Dazu ist zunächst festzuhalten, dass eine Prognose, ob infolge jener Handlungen, derentwegen ein Fremder rechtskräftig wegen eines Verbrechens verurteilt wurde, auch eine von ihm ausgehende Gefahr besteht, nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG nicht vorzunehmen ist (vgl. VwGH 22.10.2020, Ro 2020/20/0001).

Mit der Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG, die der Umsetzung des Art. 17 Abs. 1 lit. b Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) dient, verfolgte der Gesetzgeber vielmehr das Ziel, einen Fremden allein schon wegen der Verurteilung aufgrund einer schweren Straftat von der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auszuschließen. Zwar hat der VwGH seine Rechtsprechung, wonach bei der Prüfung, ob der Tatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG erfüllt ist, allein auf das Bestehen einer Verurteilung wegen eines Verbrechens abzustellen und weder eine Einzelfallprüfung in Bezug auf die Umstände der Taten vorzunehmen noch eine Gefährdungsprognose anzustellen sei, im Hinblick auf die Judikatur des Europäischen Gerichtshofs (in der Folge EuGH) nicht vollumfänglich aufrechterhalten (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2018/18/0295), es ist aber (weiterhin) von § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG (ebenso wie nach Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie) nicht gefordert, über die Einzelfallprüfung im genannten Sinn hinaus auch eine Gefährdungsprognose vorzunehmen.

Der Gesetzgeber hat nämlich nach der in den Materialien zur Schaffung des § 9 Abs. 2 AsylG zum Ausdruck gebrachten Intention (RV 330 BlgNR 24. GP, 9) beabsichtigt, Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie mit der Bestimmung des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG umzusetzen (vgl. nochmals VwGH Ra 2018/18/0295). Es ist daher davon auszugehen, dass bei der Auslegung der innerstaatlichen Rechtslage nach § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG die unionsrechtlichen Kriterien für die Aberkennung von subsidiärem Schutz und die dazu ergangene Rechtsprechung des EuGH zum Tragen kommen (vgl. dazu VwGH 22.10.2020, Ra 2020/20/0274).

Bei der Beurteilung, ob eine schwere Straftat im Sinn des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie – nach dessen Wortlaut wird auf den Umstand einer strafgerichtlichen Verurteilung nicht abgestellt – vorliegt, darf sich die zuständige Behörde des betreffenden Mitgliedstaats erst dann auf den in dieser Bestimmung vorgesehenen Ausschlussgrund berufen, nachdem sie im Einzelfall eine Würdigung der genauen tatsächlichen Umstände, die ihr bekannt sind, vorgenommen hat, um zu ermitteln, ob schwerwiegende Gründe zu der Annahme berechtigen, dass die Handlungen des Betreffenden, der im Übrigen die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes erfüllt, unter diesen Ausschlusstatbestand fallen (vgl. EuGH 13.09.2018, Ahmed, C-369/17, Rn. 55). Mit dem hier in Rede stehenden Grund für den Ausschluss vom subsidiären Schutz wird der Zweck verfolgt, Personen auszuschließen, die als des sich aus der Zuerkennung dieses Status ergebenden Schutzes unwürdig angesehen werden, und die Glaubwürdigkeit des gemeinsamen europäischen Asylsystems zu erhalten (vgl. EuGH C-369/17, Rn. 51).

Im vorliegenden Fall weist der BF drei rechtskräftige Verurteilungen von einem inländischen Strafgericht auf:

1. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 28.11.2017, Hv 54/2017p, wurde der BF wegen des Vergehens der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, wovon die Strafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, verurteilt.

2. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 11.02.2022, Hv 4/2020h, wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Z 1 achter Fall Suchtmittelgesetz (in der Folge SMG) sowie nach § 27 Abs. 1 erster Fall und § 27 Z 1 zweiter Fall, § 27 Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, wovon die Strafe bedingt nachgesehen wurde und die Probezeit von drei auf fünf Jahre verlängert wurde, verurteilt.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes Linz vom 13.12.2023, 34 Hv 148/23b, rechtskräftig seit 13.12.2022, wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall SMG, des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1 1. Satz 1. und 2. Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und siebter Fall SMG, des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 erster und zweiter Fall, Abs. 2 SMG sowie des Verbrechens des Besitzes des verfälschten Geldes nach § 233 Abs. 1 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten verurteilt, wobei der Vollzug der verhängten Freiheitsstrafe von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Erschwerend wurden das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen, zwei einschlägige Vorstrafen, äußert langer Rückfall, langer Tatzeitraum, Überschreitung der Grenzmenge um das rund 14-fache, Gewinnstreben sowie die Tatbegehung während offener Probezeit gewertet.

Der maßgebliche § 17 StGB lautet:

„§ 17 (1) Verbrechen sind vorsätzliche Handlungen, die mit lebenslanger oder mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafe bedroht sind.

(2) Alle anderen strafbaren Handlungen sind Vergehen.“

Diese Tatsache allein führt jedoch noch nicht dazu, dass eine Aberkennung nach diesem Tatbestand rechtmäßig ist, sondern sind – wie ausgeführt – nach der Rechtsprechung des EuGH auch die Umstände des Einzelfalles, die zur Verurteilung geführt haben, zu berücksichtigen. Auch sind die Gründe anzuführen, die das verurteilende Strafgericht als erschwerend bzw. mildernd herangezogen hat.

In einer Gesamtbetrachtung unter Einbezug dieser Umstände geht das erkennende Gericht davon aus, dass zwar einige der begangenen Taten Verbrechen, diese aber nicht als „schwere Straftat“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie zu qualifizieren sind:

Eine Orientierung hinsichtlich der Qualifikation als „schwere Straftat“ bietet der EASO-Bericht vom Jänner 2016 mit dem Titel „Ausschluss: Artikel 12 und Artikel 17 der Anerkennungsrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU)“, auf welchen sich auch der EuGH in seiner Entscheidung vom 13.09.2018, Ahmed, C-369/17, bezieht. In diesem Bericht werden als Beispiele schwerer Straftaten Mord, Mordversuch, Vergewaltigung, bewaffneter Raub, Folter, gefährliche Körperverletzung, Menschenhandel, Entführung, schwere Brandstiftung, Drogenhandel, Verschwörung zum Zweck der Förderung terroristischer Gewalt und schwere Wirtschaftsverbrechen mit erheblichen Verlusten (z. B. Unterschlagung) genannt.

Es bestehen keine Zweifel, dass es sich beim Verbrechen des Suchtgifthandels um ein schweres Verbrechen handelt, jedoch sind im Einzelfall die individuellen Umstände des BF zu berücksichtigen. Im vorliegenden Fall hat der BF keine besonders qualifizierten Verstöße begangen, woraus sich eine Gefahr für die Allgemeinheit im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG prognostizieren ließe. Der BF verbüßt derzeit seine Haftstrafe im Rahmen des elektronisch überwachten Hausarrestes und hält sich akribisch an die Vorschriften. Er zeigt Reue und ist ernsthaft um einen ordentlichen Lebensstil bemüht. Darüber hinaus sorgt er für seine zwei Kinder und erweckte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem BVwG authentisch und glaubhaft den Eindruck, reumütig bemüht zu sein, ein verantwortungsvoller Familienvater für seine Frau und seine beiden Kinder zu werden.

In einer Gesamtbetrachtung ergibt sich daher für den konkreten Fall, dass der Unwert der jeweiligen begangenen Taten nicht als derart hoch eingestuft werden kann, dass es sich um eine „schwere Straftat“ im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie handelt. Der BF ist weiterhin als des subsidiären Schutzes würdig anzusehen.

5.2.3.2. Zum Nichtvorliegen weiterer Aberkennungstatbestände:

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist „die zu entscheidende Angelegenheit“ im Verfahren über die Beschwerde gegen einen Bescheid, mit welchem dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wurde, die Aberkennung des subsidiären Schutzstatus an sich und damit sämtliche in § 9 Abs. 1 und 2 AsylG vorgesehenen Prüfschritte und Aussprüche (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005). Demnach ist das BVwG nicht lediglich auf den Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG beschränkt, sondern hat vielmehr alle Hinweise auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines der Aberkennungstatbestände des § 9 Abs. 1 und Abs. 2 AsylG aufzugreifen.

Im konkreten Fall liegen keine Hinweise vor, dass der Aberkennungstatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG (Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten liegen nicht mehr vor) erfüllt wäre. Wie festgestellt, kann nicht ausgeschlossen werden, dass dem BF bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit droht und er Gefahr läuft, in eine existenzbedrohende Situation zu geraten. Es besteht daher die reale Gefahr einer Verletzung der Rechte des Art. 2 und 3 EMRK, und liegen somit weiterhin die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG vor.

Hinsichtlich der weiteren Tatbestände des § 9 Abs. 1 und 2 AsylG liegen ebenso keine Anhaltspunkte vor, weshalb der Beschwerde im Ergebnis stattzugeben und Spruchpunkt I. – und somit mangels Grundlage auch die Spruchpunkte II. und III. – des angefochtenen Bescheides vom 04.03.2024 zu beheben waren.

Zu Spruchteil B):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 in der geltenden Fassung, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zur Frage der Qualifizierung von Straftaten als schwere Straftaten im Sinne des Art. 17 Abs. 1 lit. b Statusrichtlinie. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffenden Entscheidungen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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