Spruch
W239 2289171-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Damaskus vom 19.12.2023, ZI. XXXX , zu Recht:
A)
Der Beschwerde wird gemäß §§ 15 und 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 35 Abs. 1 und 5 AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben. Das beantragte Visum ist zu erteilen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine syrische Staatsangehörige, stellte am 22.12.2021 schriftlich und am 14.03.2023 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Damaskus (ÖB Damaskus) einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005.
Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, als Ehegatte genannt, dem mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 05.10.2021 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war.
Gemeinsam mit dem Antrag wurden folgende Dokumente im Original vorgelegt, vom Dokumentenberater eingesehen und mit dem Vermerk „vorgelegt und in Ordnung“ bewertet:
- Reisepass
- Heiratsurkunde
- Geburtsurkunde
- Auszug aus dem Familienregister
- Auszugs aus dem Personenstandsregister
- Familienbuch
Des Weiteren wurde vorgelegt:
- Bescheid des BFA, mit dem der Bezugsperson der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war
- Karte für Asylberechtige der Bezugsperson
- Fremdenpass der Bezugsperson
In Kopie vorgelegt wurde der Heiratsvertrag; dazu wurde vom Dokumentenberater angemerkt, dass die Kopie nicht bewertet werden könne, das Original des Heiratsvertrages jedoch erfahrungsgemäß beim syrischen Gericht verbleibe.
Des Weiteren wurden mehrere Fotos im Original vorgelegt, die die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson in festlichem Gewand zeigen.
Beim Interview im Zuge der Antragstellung gab die Beschwerdeführerin vor der ÖB Damaskus an, sie habe am 10.10.2019 in XXXX , geheiratet. Bei der Trauung seien beide Familien anwesend gewesen. Es habe sich um etwa 80 Personen gehandelt. Die Trauzeugen seien ihr Schwiegervater sowie dessen Bruder gewesen. Mit ihrem Ehemann habe sie mindestens zehn Monate in XXXX bei dessen Familie und sieben Monate in XXXX bei ihrer Familie gelebt.
2. In seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG 2005 vom 30.10.2023 führte das BFA aus, dass betreffend die Beschwerdeführerin die Gewährung des Status einer Asylberechtigten oder einer subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Ehe zwischen ihr und der Bezugsperson nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden habe, weshalb die Beschwerdeführerin keine Familienangehörige im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 sei. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.
In seiner Stellungnahme vom 30.10.2023 führte das BFA aus, dass keine rechtsgültige Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson vor deren Einreise in das Bundesgebiet festgestellt habe werden können. Die Beschwerdeführerin habe vorgebracht, die Bezugsperson am 10.10.2019 traditionell geheiratet zu haben. Im Zuge des gegenständlichen Verfahren sei sodann ein Dokument des Scharia-Gerichts aus dem Jahr 2023 vorgelegt worden, wonach die Ehe nachträglich mit dem 22.08.2021 eingetragen und damit legitimiert worden sei. Erst mit der Eintragung im Zivilregister wären die Rechtsfolgen der Eheschließung durchsetzbar. Die Bezugsperson sei hingegen spätestens am 20.07.2021 illegal in das Bundesgebiet eingereist.
Zudem habe die Bezugsperson im Rahmen ihres Asylverfahrens am 05.10.2021 angegeben, traditionell vor einem Mullah geheiratet zu haben, wobei zu beachten sei, dass die Ehe am 22.08.2021 durch das Scharia-Gericht angeblich bestätigt worden sei; also zu einem Zeitpunkt, in dem sich die Bezugsperson bereits im Bundesgebiet befunden habe. Nachweise über die Eheschließung habe die Bezugsperson dabei nicht erbracht.
Mit Schreiben vom 30.10.2023 wurde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit gegeben, dazu eine Stellungnahme abzugeben (Parteiengehör).
3. Mit Stellungnahme vom 13.11.2023 wurde seitens der Vertretung der Beschwerdeführerin zum Sachverhalt ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson am 10.10.2019 traditionell geheiratet hätten und die Ehe am 21.08.2021 zivilgerichtlich durch das Scharia-Gericht nachregistriert worden sei. Nicht zuletzt aufgrund der persönlichen Situation der Bezugsperson (Inhaftierung von 2013 bis 2017), sei es nicht möglich gewesen, die Ehe zu einem früheren Zeitpunkt registrieren zu lassen. Die Ehe sei nach syrischer Rechtslage durch die Registrierung rückwirkend ab der traditionellen Eheschließung und somit bereits vor der Einreise der Bezugsperson nach Österreich gültig gewesen.
Die Bezugsperson habe in ihrem Asylverfahren auch angegeben, verheiratet zu sein. Nachdem die Ehe erst kurz vor der Einvernahme registriert worden sei und die Bezugsperson keine Ausdrucke bei sich gehabt habe, habe die Bezugsperson angeboten, ein PDF-Dokument auf dem Mobiltelefon vorzuzeigen; dies sei vom Referenten als nicht notwendig erachtet worden. Die Bezugsperson habe in ihrem Asylverfahren stets angegeben, mit der Beschwerdeführerin verheiratet zu sein. Dass die Bezugsperson in ihrem Asylverfahren einmal ein falsches Geburtsjahr der Beschwerdeführerin angegeben habe, sei offensichtlich auf einen Irrtum zurückzuführen.
Sofern das BFA ins Treffen führe, dass Dokumenten aus Syrien keine Beweiskraft zukomme, werde ausgeführt, dass allgemeine Zweifel - ohne konkrete Anhaltspunkte - nicht ausreichend seien, um auch den in diesem Verfahren vorgelegten Dokumenten die Beweiskraft abzusprechen. Zusammenfassend sei gegenständlich jedenfalls vom Vorliegen einer Angehörigeneigenschaft im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 auszugehen.
4. Nach eingelangter Stellungahme der Beschwerdeführerin leitete die ÖB Damaskus diese an das BFA weiter und führte aus, dass gebeten werde, den gegenständlichen Fall im Lichte des Art. 8 EMRK nochmals zu prüfen.
Daraufhin teilte das BFA mit (erneuter) Stellungnahme vom 19.12.2023 mit, dass eine Angehörigeneigenschaft im Sinne des § 35 AsylG 2005 nicht festgestellt habe werden können. Zum Zeitpunkt der Einreise der Bezugsperson sei noch keine nach syrischem Recht gültige Ehe vorgelegen. Die Bezugsperson sei bereits davor in das Bundesgebiet eingereist und habe auch einen Asylantrag gestellt. Zudem erkenne das BFA nicht, warum eine Inhaftierung der Bezugsperson von 2013 bis 2017 - wie dies in der Stellungnahme der Beschwerdeführerin ausgeführt werde - eine frühere Registrierung der Ehe verhindert haben sollte. Die traditionelle Eheschließung sei ohnehin erst nach der Inhaftierung im Jahr 2019 erfolgt. Außerdem sei es der Beschwerdeführerin möglich gewesen, sich am 04.02.2021 problemlos einen syrischen Reisepass ausstellen zu lassen. Auch würden die vorgelegten Fotos keine Rückschlüsse auf Datum, Ort und Anlass der Aufnahmen zulassen, weswegen diesen keine Beweiskraft für den gegenständlichen Fall zukomme. In einer Gesamtbetrachtung habe sich daher die Annahme erhärtet, dass die Ehe nicht bereits vor der Einreise der Bezugsperson in das Bundesgebiet bestanden habe.
5. Mit gegenständlichem Bescheid der ÖB Damaskus vom 19.12.2023 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 abgewiesen. Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden habe, weshalb die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall keine Familienangehörige im Sinne des AsylG 2005 sei.
6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Vertretung am 15.01.2023 fristgerecht Beschwerde, in welcher im Wesentlichen auf das Vorbringen in der Stellungnahme vom 13.11.2023 verwiesen wurde. Zusammengefasst liege eine Familieneigenschaft vor, da die unbestrittene traditionelle Eheschließung vor der Ausreise der Bezugsperson stattgefunden habe und die ebenso unbestrittene zivilgerichtliche Nachregistrierung nach der Ausreise der Bezugsperson gemäß höchstgerichtlicher Judikatur zur Gültigkeit der Eheschließung ab dem Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung führe.
7. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 20.03.2024, eingelangt am 27.03.2024, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt. Von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde abgesehen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin, eine am XXXX geborene syrische Staatsangehörige, stellte am 22.12.2021 schriftlich und am 14.04.2023 persönlich bei der ÖB Damaskus einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005.
Die Beschwerdeführerin ist die Ehefrau der Bezugsperson XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, der mit Bescheid des BFA vom 05.10.2021 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden war.
Die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson haben am 10.10.2019 in XXXX , Syrien, traditionell-muslimisch im Beisein zweier männlicher Zeugen geheiratet. Die Ehe wurde mit Beschluss des Scharia-Gerichtes in XXXX am 22.08.2021 (Beschluss-Nr. 396/2021) bestätigt und unter der Nr. 989 am 23.09.2021 durch das Standesamt XXXX im Bezirk XXXX eingetragen.
Gemäß Art. 1 syrisches Personalstatutgesetz, Gesetz Nr. 59 vom 17.09.1953, geändert durch Gesetz Nr. 34 vom 31.12.1975 (sPSG), ist die Eheschließung ein Vertrag zwischen einem Mann und einer Frau, die zu heiraten ihm gesetzlich erlaubt ist, zum Zwecke der Gründung einer Lebensgemeinschaft und der Zeugung von Nachkommen. Für die Gültigkeit des Ehevertrags bedarf es der Anwesenheit zweier männlicher Zeugen oder eines Mannes und zweier Frauen islamischen Glaubens (Art. 12 sPSG) sowie allenfalls eines Ehevormunds.
Gemäß Art. 30 des Dekrets No. 26/2007 über den zivilen Status gelten Ehen erst als rechtsgültig und daher durchsetzbar, wenn sie im Zivilregister eingetragen wurden.
Im Falle einer außerhalb eines Gerichtes abgeschlossenen Ehe (sogenannte traditionelle Ehe) muss deren Gültigkeit zunächst durch den Richter (in der Regel vor Scharia-Gerichten) bestätigt werden. Die Bestätigung der Gültigkeit der Ehe kann auch rückwirkend erfolgen.
Danach muss eine Abschrift der Bestätigung der Eheschließung durch das Gericht innerhalb von zehn Tagen an das zuständige Standesamt weitergeleitet werden, das anschließend die Registrierung der Ehe im Zivilregister vornimmt, wodurch die Ehe Rechtsgültigkeit erlangt (Art. 45 sPSG).
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem Akt der ÖB Damaskus samt Interview der Beschwerdeführerin und den einliegenden Urkunden.
Dass die Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson eine rechtsgültige Ehe geschlossen hat, ergibt sich insbesondere aus dem bestätigenden Beschluss des Scharia-Gerichtes, der vorgelegten Heiratsurkunde und dem Auszug aus dem Familienstandregister.
Aus dem Beschluss des Scharia-Gerichtes in XXXX vom 22.08.2021 (Beschluss-Nr. 396/2021) geht hervor, dass die außergerichtliche Eheschließung am 10.10.2019 in XXXX bestätigt wurde. Der in der Folge ausgestellten Heiratsurkunde ist ua. zu entnehmen, dass die Heirat unter der Nr. 989 am 23.09.2021 durch das Standesamt XXXX im Bezirk XXXX eingetragen wurde. Im Auszug aus dem Familienstandregister erscheinen die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson mit dem Familienstand „verheiratet“ auf.
Konkrete Zweifel an der Echtheit und Richtigkeit dieser Urkunden sind im Verfahren nicht hervorgekommen und wurden insbesondere auch vom BFA nicht eingewendet. Der von der ÖB Damaskus herangezogene Dokumentenberater hat die Dokumente als „in Ordnung“ bewertet.
Die Feststellungen zum syrischen Eherecht und zu den gegenständlich erfüllten Voraussetzungen betreffend die Rechtsgültigkeit der Eheschließung ergeben sich aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Syrien mit dem Titel „Eheschließungen, deren Voraussetzungen und Eheregistrierungen“ vom 05.05.2017.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde und Behebung des Bescheides:
Die maßgeblichen Bestimmungen des FPG lauten wie folgt:
„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(…)
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
(…)
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“
Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2 (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist
(…)
22. Familienangehöriger:
(…)
b. der Ehegatte oder eingetragene Partner eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten, sofern die Ehe oder eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat;
c. ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers, Asylberechtigten oder subsidiär Schutzberechtigten und
(…)
Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes. (…)
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(…)
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (…)
(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und
3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 17) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:
„Form der Eheschließung
§ 16 (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6 Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.“
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des BFA über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung, und es kommt ihr diesbezüglich keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034; VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
Der Verwaltungsgerichtshof hält in ständiger Rechtsprechung fest (vgl. VwGH 01.07.2021, Ra 2021/18/0016; VwGH 31.05.2021, Ra 2020/01/0284; VwGH 26.02.2020, Ra 2019/18/0299; VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0124), dass es dem Bundesverwaltungsgericht offensteht, die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002 bis 0007). Gegenstand der Überprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht ist, ob die Prognose des BFA hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an die Antragsteller im Rahmen eines (späteren) Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 zutreffend erfolgt ist und die sonstigen Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 AsylG 2005 erfüllt sind.
Gegenständlich wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 von der Behörde mit der Begründung abgewiesen, dass die Ehe zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden habe, weshalb die Beschwerdeführerin im gegenständlichen Fall keine Familienangehörige im Sinne des AsylG 2005 sei.
Die Frage des Bestehens oder Nichtbestehens einer rechtsgültigen Ehe ist im gegenständlichen Fall unter Heranziehung der entsprechenden syrischen Bestimmungen zu lösen, zumal die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen ist, wobei die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung genügt. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nur dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung (ordre public) unvereinbar ist.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 06.09.2018, Ra 2018/18/0094, klargestellt, dass syrische, traditionell-muslimische Eheschließungen, die nachfolgend staatlich registriert werden, grundsätzlich rückwirkend mit dem Datum der traditionell-muslimischen Hochzeit als rechtsgültig anzusehen sind, sofern keine sonstigen dem ordre public widersprechenden Umstände (wie etwa Kinderehe oder Ehezwang) gegen die Gültigkeit der Ehe sprechen. Solche Umstände sind gegenständlich nicht hervorgekommen.
Somit bestand die Ehe der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson bereits (rückwirkend) seit 10.10.2019 und somit jedenfalls vor der Einreise der Bezugsperson am 20.07.2021 nach Österreich.
Die Antragstellung der Beschwerdeführerin gemäß § 35 AsylG 2005 erfolgte am 22.12.2021, sohin weniger als drei Monate nach der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten an die Bezugsperson am 05.10.2021, sodass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 nicht zu erfüllen sind.
Da die Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführerin zur Bezugsperson somit gegeben ist und keine Hinweise dafür vorliegen, dass die Bezugsperson straffällig geworden oder im Hinblick auf ihre Person ein Verfahren zur Aberkennung ihres Status anhängig wäre, sind die Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 34 Abs. 2 und 35 Abs. 1 und 5 AsylG 2005 erfüllt, sodass der Beschwerde stattzugeben und die angefochtene Entscheidung zu beheben war, und der Beschwerdeführerin seitens der ÖB Damaskus der begehrte Einreisetitel zu gewähren ist.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war keine mündliche Verhandlung durchzuführen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde in der rechtlichen Beurteilung wiedergegeben.