Spruch
L532 2205142-4/40E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg WILD-NAHODIL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch die BBU GmbH, Leopold-Moses-Gasse 4, 1020 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 10.09.2024 zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (i.d.F. „BF“), ein Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte nach legaler Einreise ins österreichische Bundesgebiet im Jahr 2015 und legalem Aufenthalt im Rahmen eines Studentenvisums bis zur Abweisung eines Verlängerungsantrags im Jänner 2018 am 16.03.2018 einen ersten Asylantrag. Diesen begründete der BF damit, dass er homosexuell sei und es eine Anzeige gegen ihn gäbe, wegen der ihm eine mindestens zehnjährige Haftstrafe drohe. Das Asylverfahren wurde vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (i.d.F. „bB“ oder „Bundesamt“) mit Bescheid vom 31.07.2018, Zl. XXXX , negativ erledigt, eine dagegen erhobene Beschwerde vom Bundesverwaltungsgericht (i.d.F. „BVwG“) mit Erkenntnis vom 04.12.2019, Zl. W195 2205142-1, als unbegründet abgewiesen. Zusammengefasst schenkten die bB und – dem folgend – das BVwG dem BF im Hinblick auf sein Vorbringen keinen Glauben.
2. Am 26.05.2021 stellte der BF einen Folgeantrag auf Gewährung internationalen Schutzes. Am selben Tag von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes befragt, führte er zum Grund seiner Antragsstellung aus, er sei homosexuell, dies sei in Bangladesch streng verboten. Aufgrund seiner sexuellen Orientierung sei ein Strafverfahren gegen ihn anhängig, weshalb die Polizei am 20.05.2021 sein Elternhaus aufgesucht habe. Am Folgetag sei er darüber informiert worden. Im Übrigen hätten die Polizisten 2.000 Taka mitgenommen und in den Raum gestellt, das Verfahren würde eingestellt, sollte der BF gegen die Hefzot-E-Islam aussagen. Die ältere Schwester des BF lebe in Wien, die Eltern des BF würden Druck auf sie ausüben, um sie dazu zu bewegen, den BF von seiner Homosexualität zu „heilen“. Der BF sei in Wien in Sicherheit, er würde weder von seiner Familie noch von der Gesellschaft seines Herkunftsstaates akzeptiert werden. Außerdem äußere er sich kritisch in sozialen Medien über die Regierung Bangladeschs und schreibe Berichte über Homosexualität. Aufgrund des digitalen Sicherheitsgesetzes könne ihm daher Verfolgung drohen. Im Rückkehrfall würde er unverzüglich inhaftiert und zu einer Haftstrafe von mindestens zehn Jahren verurteilt werden. Darüberhinaus gäbe es radikalislamische Gruppen, die ihn aufgrund seiner sexuellen Orientierung töten könnten.
3. Einem Antrag auf Wiederaufnahme des mit hg. Erkenntnis vom 04.12.2019 abgeschlossenen ersten Asylverfahrens vom 02.06.2021 wurde mit hg. Erkenntnis vom 07.06.2021, Zl. W195 22051421-2, keine Folge gegeben.
4. Am 07.03.2022 wurde der BF – nachdem zuvor Einvernahmetermine aus in seiner Sphäre liegenden Gründen abberaumt wurden – im Beisein eines geeigneten Dolmetschers niederschriftlich von einem Organwalter der bB einvernommen. Der BF äußerte sich wie folgt:
[…]
F: Verstehen Sie den Dolmetscher? Geht es Ihnen gut und können Sie sich auf die
Einvernahme konzentrieren?
A: Ja.
F: Liegen Befangenheitsgründe oder sonstigen Einwände gegen eine der anwesenden
Personen vor?
A: Nein, es liegen keinerlei Einwände vor.
F: Sind Sie im gegenständlichen Asylverfahren vertreten?
A: ja, vom RA XXXX .
F: Der RA ist nicht erschienen. Können wir das Interview trotzdem durchführen?
A: Ja, kein Problem
COVID 19:
Die anwesenden Personen werden angehalten eine FFP2 Maske zu tragen.
Der anwesende Dolmetscher legte freiwillig ein Impfzertifikat vor.
F: Sind Sie geimpft, waren Sie an Covid 19 erkrankt, haben Sie ein Testzertifikat bei sich?
A: ich war Corona positiv. Dann wurde ich letztes Monat zweimal geimpft.
Anm.: VP liegt Impfpass vor. 2 Impfung 21.12.2021.
Anm. die VP wird gebeten ihr Handy auszuschalten und am Tisch zu legen.
Anm.: Sie werden darauf hingewiesen, dass Ihre Angaben im Asylverfahren vertraulich
behandelt und nicht an die Behörden Ihres Heimatlandes weitergeleitet werden.
Es ist unumgänglich, dass Sie die Wahrheit sagen, nichts verschweigen und alle zur
Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte
selbständig und über Nachfrage wahrheitsgemäß darlegen.
Anm. Wenn Sie eine, Pause wünschen bitte sagen. Eine Flasche mit Wasser steht auf ihrem
Platz zur freien Verwendung.
Bisheriger Verfahrensgang:
Sie stellten in Indien einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel und begründeten Ihren Antrag
mit einem geplanten Studium in Österreich.
Sie sind am 01.06.2015 rechtmäßig mit einem bengalischen Reisepass und mit einem
österreichischen Visum D in das Bundesgebiet eingereist.
Ihnen wurde ein Aufenthaltstitel für Studierende, ausgestellt vom Magistrat der XXXX ,
GZ: XXXX , Nummer der Karte: XXXX , gültig vom 01.09.2015 bis 31.08.2016
gewährt.
Ihr Verlängerungsantrag wurde am 12.01.2018 durch den Magistrat der XXXX
abgelehnt.
Sie haben am 16.03.2018 Ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz gestellt.
Dieser Antrag wurde vom Bundesamt mit Bescheid vom 31.07.2018 abgewiesen und eine
RKE erlassen (freiwillige Ausreise binnen 14 Tagen). Gegen diesen Bescheid brachten Sie
fristgerecht Beschwerde ein. Ihre Beschwerde wurde vom BVwG am 04.12.2019, Z: W195
2205142-1/9E, unbegründet abgewiesen.
Am 26.05.2021 stellten Sie den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
F: Stimmt das alles?
A: Ja.
F: Sind Sie gesund und nehmen Sie Medikamente oder sind Sie in ärztlicher Behandlung?
A: ich bin krank und nehme Medikamente. Ich bin beim Neurologen XXXX
Anm. VP legt medizinische Berichte aus dem Jahr 2020/21 vor.
Anm.: VP wird aufgefordert aktuelle medizinische Befunde/Berichte und eine
Medikamentenliste bis 16.03.2022.
F: Seit wann sind Sie erkrankt?
A: Ich habe mein neurologisches Problem habe seit mehr als einem Jahr und das
psychologische Problem war mir nicht bewusst.
F. Können Sie irgendwelche Dokumente, Ausweise oder andere Beweismittel in Vorlage
bringen?
A: Nein.
F: Bitte geben Sie Ihre Personendaten (Name, Alter, Volksgruppenzugehörigkeit, Religion,
Familienstand, Staatsangehörigkeit) bekannt.
A: Mein Name ist XXXX , geboren am XXXX , in XXXX /Bangladesch. Ich
bin Muslim/Sunnit. Ich bin ledig. Ich bin bengalischer Staatsangehöriger.
F: Haben Sie Obsorgeverpflichtungen?
A: Nein.
F: Werden Sie ausschließlich in Bangladesch verfolgt?
A: Ja.
F: Sind Sie in Bangladesch jemals mit dem Gesetz in Konflikt geraten und wurden Sie
strafrechtlich verurteilt?
A: Nein.
F: Hatten Sie jemals Probleme mit der Polizei, weiteren (Sicherheits)Behörden, dem Militär
oder Gerichten in Bangladesch?
A: Nein, wie ich in Bangladesch war nicht.
F: Haben Sie sich in Bangladesch politisch oder religiös betätigt? Übten Sie eine politische
oder religiöse Funktion (Tätigkeit)
A: Nein
F: Haben sich Ihre Familienangehörige politisch oder religiös betätigt?
A: Nein.
F: Wo waren Sie zuletzt in Bangladesch wohnhaft bzw. wo war zuletzt Ihr
Lebensmittelpunkt?
A: im Dorf XXXX In der Stadt XXXX , PolBez XXXX , Post XXXX XXXX ,. dann ging ich nach XXXX , um zu studieren, von 2007-2011.
Anm. AW kann Ortskundigkeit in Google Maps nachweisen (Entfernungen, Straßen
Bezeichnungen-Flüsse)
F. Wer Wohnt jetzt noch an der Adresse in XXXX ?
A. Meine Eltern und die jüngere Schwester. Meine ältere Schwester ist verheiratet.
F. Wie finanzieren sich Ihre Eltern ihr Leben in Bangladesch?
A: Mein Vater betreibt einen Handel, Grundstücke und zwei Geschäfte am Markt.
F: Wie heißen Ihr Vater, Ihre Mutter und Ihre Geschwister, wie alt sind sie und wo leben
Sie?
A: Vater: XXXX , ca. XXXX J lebte in Kuwait jetzt in Bangladesch
Mutter: XXXX , ca. XXXX J, Bangladesch
Bruder: XXXX , ca. XXXX J, Bangladesch
Schwester: XXXX , ca. XXXX J, verheiratet und lebt in Österreich
F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Familienangehörigen?
A: Nicht wirklich, ganz wenig. Man kann sagen, wir sprechen nicht miteinander.
F: Beschreiben Sie mir Ihr soziales Umfeld in Bangladesch, hatten Sie viele bengalische
Freunde und Bekannte?
A: Ja, hatte ich.
F: Welche Sprachen sprechen Sie?
A: Meine Muttersprache ist Bengali Englisch, Hindi, Urdu und Deutsch auf Niveau A2.
F: Haben Sie in Bangladesch Schulen besucht? Wann haben Sie die Schule beendet?
A: 12 Jahre Grundschule, 5 Jahre XXXX in XXXX mit Abschluss B.B.A.
(Bachelor Business Administration)
F: Wie haben Sie sich Ihren Lebensunterhalt in Bangladesch finanziert?
A: Durch meine Eltern.
F: Wann konkret haben Sie Bangladesch verlassen und wann sind Sie in Österreich
eingereist?
A: Ich in erstmalig am 31.05.2015 legal aus Bangladesch ausgereist und bin am 01.06.2015
Tag in Österreich legal eingereist. Ich bin seither immer in Österreich gewesen.
F: Was war der Zweck Ihrer legalen Einreise am 01.06.2015?
A: ich wollte generell ausreisen.
F: Warum?
A: ich bin homosexuell und es erpresste mich jemand.
F. Warum haben Sie erst 2018 um internationalen Schutz angesucht?
A. Weil ich homosexuell bin.
F: Haben Sie Verwandte bzw. Familienangehörige in Österreich oder in Europa?
A: In XXXX lebt der Ehemann meiner Schwester und dir Tochter meiner Schwester Er
arbeitet in meinem Lebensmittelgeschäft in XXXX .
F: Haben Sie Freunde in Österreich?
A: Ja habe ich.
F: Wo wohnen Sie in Österreich?
A: XXXX , XXXX
F: Wohnen Sie dort allein?
A: wir wohnen zu dritt an der oa Adresse. Nachgefragt mit Bengalen.
F: Wie finanzieren Sie sich den Aufenthalt in Österreich?
A: Ich betreibe einen Handel mit Lebensmittel.
F in Deutsch: Wie sieht Ihr Privatleben aus? Was machen Sie in der Freizeit in Österreich?
VP versteht die Frage nicht
Anm.: Wiederholung der Frage in Deutsch
A: ich mache viel, Scooter fahren, trinke Bier. Und treffe mit Freunde., Fußball schauen.
F in Deutsch: Gehören Sie in Österreich einem Verein oder einer sonstigen Organisation
an?
A: Nein.
F: Wie stellen sich die Zukunft in Österreich vor?
VP versteht die Frage nicht
Anm.: Wiederholung der Frage:
A: Österreich ist gutes Land, ich bin homosexuell, Leute sehr freundlich.
VP hat Probleme die Fragen zu verstehen, Antwortet nicht in ganzen Sätzen
EV weiter mit Dolmetscher.
F: Führen Sie in Österreich ein Familienleben bzw. eine familienähnliche Beziehung?
A: Ich habe einen Partner, aber nicht im selben Haushalt.
F: Bestehen zu in Österreich lebenden Personen finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten?
A: Nein.
F: Fühlen Sie sich wohl, können Sie sich konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher
einwandfrei?
A: Ja.
F: Stimmen die Angaben, die Sie in der Erstbefragung 2021 gemacht haben? Wurde alles
richtig übersetzt, haben Sie den Dolmetscher verstanden?
A: Ja.
F: Was geschah am 20.05.2021?
A: Ich habe Schizophrenie, darüber wusste ich früher nicht Bescheid. Dass ich Alkoholiker
bin, habe ich früher nicht angegeben.
F: Seit wann sind Sie Alkoholiker?
A: Nachdem ich nach Österreich kam und einsam bin.
F: Was trinken Sie?
A. Täglich vier Flaschen Bier, am Wochenende Whisky und Wodka allein oder mit
Freunden.
FLUCHTGRUND:
F: Ihr Verfahren wurde mit Rechtskraft 2. Instanz vom 04.12.2019 bereits rechtskräftig
entschieden. Warum stellen Sie jetzt einen neuerlichen Asylantrag? Was hat sich seit der
Rechtskraft konkret gegenüber Ihrem bereits entschiedenen Verfahren - in persönlicher
Hinsicht - verändert?
A: Ich bin krank geworden und bin in Behandlung.
F: Halten Sie die alten Fluchtgründe weiter aufrecht?
A: Ja.
F: Gibt es neue Fluchtgründe?
A: Ich bin krank ich habe ein Hobby, nämlich das Schreiben, das hatte ich beim letzten
Interview nicht angegeben. Mir war nicht bewusst, dass ich psychisch krank bin. Ich
schreibe auf Facebook.
F: Haben sie einen Account?
A: Ja unter meinem Namen XXXX .
F: Warum ist das ein Fluchtgrund?
A: Weil ich wegen dieser Schreiben in Bangladesch nach dem Digitalen Sicherheitsgesetz
angezeigt werden könnte. Ich schreibe regierungskritische Sachen über die
Machenschaften der Regierung. Ohne einer richtigen Wahl sind sie schon ewig an der
Macht.
F: Sind sie bereit dem Dolmetscher Ihr Handy mit Facebook zu zeigen?
A: Ja
ANM: Profil: XXXX , geb. XXXX , männlich, tel XXXX lebt in XXXX ,
Österreich, 732 Freunde, seit Mai 2021 aktiv.
Dolmetscher bestätigt regierungskritische Einträge auf Facebook.
F: Was versteht man unter „Digitales Sicherheitsgesetz“?
A. das ist ein neues Gesetz, das von der Regierung in Bangladesch erlassen wurde. Wenn
man regierungskritische Sachen schreibt, kann man bestraft werden. Es werden
lebenslange Haftstrafen verhängt. …
F: Waren das alle Ihre Fluchtgründe?
A Der Hauptgrund ist meine Homosexualität.
F: ihr Fluchtgrund Homosexualität wurde bereits in 2. Instanz entschieden, was sagen sie
dazu?
A: Ich bin homosexuell.
F: Sind Sie gegen die Politik in Bangladesch?
A. Ich bin nicht gegen die Politik in Bangladesch, sondern gegen die unrechtmäßige
Regierung in Bangladesch.
F: möchten Sie zu Ihren fluchtgründen noch etwas angeben?
A: Es ist hauptsächlich das, was ich vorgebracht habe.
F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Bangladesch? Was würde passieren,
wenn Sie morgen zurück nach Bangladesch reisen?
A: Gegen mich gibt es eine Anzeige wegen Homosexualität. Die Polizei führt immer noch
ein Ermittlungsverfahren. ich könnte jeder Zeit festgenommen werden und außerdem ist
meine Homosexualität nicht mehr geheim, sondern es wurde öffentlich gemacht. Ich
könnte von islamistisch terroristischen Organisationen in Bangladesch getötet werden
oder von Leuten der Koranschulen geschlagen werden. Ich würde wegen der
regierungskritischen Einträge auf Facebook angezeigt werden. Ich bin Alkoholiker und
würde schwer Alkohol oder Bier in Bangladesch bekommen. Die Behandlung, die ich hier
bekomme, würde ich so fortgeschritten in Bangladesch nicht bekommen. Meine Familie
akzeptiert meine Homosexualität nicht und dass ich Alkoholiker bin. Wohin soll ich in
Bangladesch?
F: Ist das die Anzeige, die Sie der Behörde bereits 2018/2019 vorgelegt haben?
A. Ja.
Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des
BFA zu Bangladesch Einsicht und Stellung zu nehmen. Die Feststellungsunterlagen werden
Ihnen gegebenenfalls vom Dolmetscher vorgelesen! Möchten Sie das?
A: Ja
Anm.: Länderberichte werden dem VP ausgefolgt und eine Stellungnahme in Deutsch bis
16.03.2022 gewährt
F: Konnten Sie sich konzentrieren?
A: Ja.
F: Haben Sie den Dolmetscher verstanden? Vom Inhalt als auch von der Sprache?
A: Ja.
F: Konnten Sie alles vorbringen und wurden Sie gut behandelt?
A: Ja.
F: Möchten Sie noch etwas angeben?
A: Die Polizei kommt jedes Monat zu meinen Eltern zu Hause und verlangen Schutzgeld.
Sie werfen Ihnen vor, dass sie mich als ihren Sohn ins Ausland geschickt haben und so
meine Sexualität unterstützen, dadurch wäre das eine Religionsbeleidigung. Die Polizei
sagt, falls sie das Geld nicht bekommt, sie es der Öffentlichkeit zugänglich macht und
drohen meinem Vater mit einer Verhaftung wegen Religionsbeleidigung. Die Polizei meint,
ich lebe im Ausland und bin sowieso sehr reich. Außerdem setzen meine Eltern meine
Schwester auch sehr unter Druck, weil sie trotz Aufenthalt in Österreich mich nicht in
Ordnung bringt. Das sind die Probleme. Außerdem droht die Polizei den Eltern mit der
Entziehung der Grundstückvermögen.
F: Seit wann kommt die Polizei zu ihnen nach Hause in Bangladesch?
A. Schon seit der Polizeianzeige gegen mich.
F: Wann war die Anzeige gegen Sie?
A: Seit 2018… entschuldigen Sie 2017.
F. Woher wissen Sie, dass Ihre Eltern nach wie vor von der Polizei bedroht werden?
A. Das habe ich von meiner Schwester erfahren.
F: Schreiben sie im Facebook ausschließlich politische Artikel?
A: Über jegliche Sachen, ich habe zwei Facebook Accounts.
Anm.: VP gibt dem Dolmetscher freiwillig sein Handy.
Dolmetscher: Facebook Profil Name: XXXX geb. XXXX Tel Nr XXXX lebt in XXXX , interessiert an Männer und Frauen, sämtliche
Daten auf öffentlich eingestellt,
das Profil existiert länger als das angegebene vorige Profil, vor 2021 einzelne politisch
motivierte Einträge, seit 2021 vermehrt. 1585 Freunde
Anm.: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt. Im Zuge dieser
Rückübersetzung besteht die Möglichkeit Korrekturen, Ergänzungen oder
Richtigstellungen vorzunehmen, Einwendungen anzubringen oder gegebenenfalls
rückzufragen. Mit ihrer Unterschrift bestätigt die VP, dass die Angaben vollständig,
verständlich und richtig wiedergegeben wurden. Die VP bestätigt auch, dass die Befragung
in einer respektvollen und angenehmen Atmosphäre stattfand.
Die Niederschrift wurde dem/der Vernommenen und der/die beigezogene Person/en zur
Durchsicht vorgelegt.
Die Niederschrift wurde dem/der Vernommenen und der/die beigezogene Person/en
vorgelesen.
Anmerkung zu Seite 4: Ich glaube nicht an die Religion. Ich bin nicht Moslem, Sunnit.
Anmerkung: Über die Familienangehörigen meines Schwagers (Ehemann der Schwester in
Österreich wurde ein Anwalt organisiert um über den Verfahrensstand der Anzeige gegen
mich zu erfahren. Der Anwalt sagte, dass in Bangladesch es keinen Gerichtsbeschluss zu
der Anzeige nach Artikel § 377 StgB gibt und es immer noch im polizeilichen
Ermittlungsverfahren ist. Die Polizei ermittelt noch. Es wurde gesagt, dass die Polizei mich
jeder Zeit ohne die nach Artikel 54 der Strafprozessordnung verhaften kann.
Der Name meines Partners ist XXXX , XXXX , XXXX
F: Wann ist er geboren?
A. Das weiß ich nicht.
F: welchen Aufenthaltsstatus hat er?
A: Er ist schon länger hier und hat um die österreichische Staatsbürgerschaft angesucht
[…]
5. Am 19.05.2023 fand eine ergänzende Einvernahme durch die bB statt. Der BF äußerte sich wie folgt:
[…]
F: Warum sind Sie nicht ausgereist?
A: ich bin Atheist, homosexuell und psychisch erkrankt.
F: Sind Sie gesund und nehmen Sie Medikamente oder sind Sie in ärztlicher Behandlung, nehmen Sie Drogen oder Alkohol zu sich?
A: ich bin in ärztlicher Behandlung bei Dr. XXXX , XXXX , XXXX . Ich bin Alkoholiker. Ich nehme Medikamente: Zyprexa 10 Mg und Sertralin 100 mg
Anm.: Fachärztlicher Befundbericht vom 03.03.2023 im Akt.
F: Seit wann sind Sie erkrankt?
A: Schon sehr lange
F: Machen Sie eine Therapie?
A. Hier?
Anm. VP denkt nach, gibt keine Antwort.
F: Machen Sie eine Therapie gegen Ihre Alkoholsucht und wo?
Anm. VP denkt lange nach
A: Beim Psychiater
F: Wie heißt der Psychiater?
A: XXXX .
F: Ihr Verfahren wird in den nächsten Tagen abgeschlossen. Ich möchte Sie abschließend über Ihr Privat und Familienleben in Österreich befragen und habe einige Fragen zu Ihren Beweismittel. Daher habe ich Sie noch einmal für ein Parteiengehör eingeladen. Haben Sie das verstanden?
A: Ja.
Anm. VP ist zeitlich und örtlich orientiert. Keine Auffälligkeiten
F: Bitte geben Sie Ihre Personendaten (Name, Alter, Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, Familienstand, Staatsangehörigkeit) bekannt.
A: Mein Name ist XXXX , geboren am XXXX , in XXXX /Bangladesch. Ich bin als Muslim/Sunnit geb. ich bin Atheist. Ich bin ledig. Ich bin bengalischer Staatsangehöriger.
F: Haben Sie Obsorgeverpflichtungen?
A: Nein.
F: Werden Sie ausschließlich in Bangladesch verfolgt?
A: Ja. Es kann aber überall sein.
F: Wo waren Sie zuletzt in Bangladesch wohnhaft bzw. wo war zuletzt Ihr Lebensmittelpunkt?
A: im Dorf XXXX In der Stadt XXXX , PolBez XXXX , Post XXXX , dann ging ich nach XXXX um zu studieren, von 2007-2011.
F. Wer Wohnt jetzt noch an der Adresse in XXXX ?
A. Meine Eltern und der jüngere Bruder. Meine ältere Schwester ist verheiratet.
F: Hat sich an den Familienverhältnissen in Bangladesch etwas verändert?
A: Die Mutter ist sehr krank. Sie musste mehrere schwere Operationen in den letzten zwei, Jahren machen.
F: Haben Sie Kontakt zu Ihren Familienangehörigen in Bangladesch?
A: Mit der Mutter.
F: Haben Sie Verwandte bzw. Familienangehörige in Österreich oder in Europa?
A: In XXXX lebt der Ehemann meiner Schwester und die Tochter meiner Schwester XXXX . Er arbeitet in meinem Lebensmittelgeschäft in XXXX . XXXX ,
F: Welchen Aufenthaltsstatus haben Ihre Familienangehörigen in Österreich?
A: Sie haben die „Rot Weiß Rote Karte“.
F: Wo wohnen Sie in Österreich?
A. XXXX , XXXX
F: Wohnen Sie dort allein?
A: Mit drei Bengalen.
F: Wie finanzieren Sie sich den Aufenthalt in Österreich?
A: Ich betreibe einen Handel mit Lebensmittel. Ich habe eine Gewerbeberechtigung.
F: Haben Sie einen Deutschkurs abgeschlossen?
A: Ich habe A2 abgeschlossen.
F in Deutsch: Was machen Sie in der Freizeit in Österreich?
A: Trinken, spazieren.
F in Deutsch: Gehören Sie in Österreich einem Verein oder einer sonstigen Organisation an?
A: Nein.
Anm.: VP hat Probleme die Fragen zu verstehen, antwortet nicht in ganzen Sätzen.
EV weiter mit Dolmetscher.
F: Wie stellen sich die Zukunft in Österreich vor?
A: Ich möchte was Gutes tun.
F: Führen Sie in Österreich ein Familienleben bzw. eine familienähnliche Beziehung?
A: Nein.
F: Wer ist XXXX ?
A. Ich führe derzeit kein Verhältnis.
F: Bestehen zu in Österreich lebenden Personen finanzielle oder sonstige Abhängigkeiten?
A: Nein.
F: Fühlen Sie sich wohl, können Sie sich konzentrieren und verstehen Sie den Dolmetscher einwandfrei?
A: Ja.
F: Halten Sie die alten Fluchtgründe weiter aufrecht?
A: Ja.
F: Was sind Ihre neuen Fluchtgründe?
A: Ich bin Alkoholiker, psychisch krank und Atheist.
F: Haben Sie noch Ihren einen Account?
A: Ja unter meinem Namen XXXX .
F: Sind sie bereit dem Dolmetscher Ihr Handy mit Facebook zu zeigen?
A: Ja, ich bekam auch Morddrohungen. Ich benutze einen zusätzlichen Fake Account mit einem anderen Bild. Aber da hat man auch herausgefunden, dass es sich um mich handelt.
Anm. Nachschau: auf dem Handy 732 Freunde und schriftliche Einträge von der VP
Profil: XXXX .
Anm. Profil: XXXX , geb. XXXX , männlich, tel XXXX lebt in Wien, Österreich, 1605 Freunde, seit Mai 2021 aktiv.
Dolmetscher bestätigt regierungskritische Einträge auf Facebook.
F: Kann man den Account löschen?
A. ich habe eh einen zweiten Account.
F: Wie ist der Verfahrensstand in Bangladesch?
A: Weiß ich nicht
F: Was haben Sie oder Ihre Familie bereits unternommen, Rechtsanwalt, Anfragen bei Behörden, Gerichten oder Polizei.?
A. Ein Verwandter meines Schwagers hat versucht sich zu erkundigen und sagte es wäre alles im Ermittlungsverfahren.
F: Was versteht man unter „Digitales Sicherheitsgesetz“?
A. Das ist ein neues Gesetz, das von der Regierung in Bangladesch erlassen wurde. Wenn man regierungskritische Sachen schreibt, kann man bestraft werden.
F: Wie hoch ist das Strafausmaß?
A. ich kenne mich nicht so gut aus, aber Gefängnisstrafen.
F: Möchten Sie zu Ihren Fluchtgründen noch etwas angeben?
A: Wenn ich nicht trinke, zittern meine Hände, meine Augen werden rot und ich fühle Fieber.
F: Was befürchten Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Bangladesch? Was würde passieren, wenn Sie morgen zurück nach Bangladesch reisen?
A: Ich hätte die größte Angst vor den islamistisch radikalen Mullahs. Ich werde keine entwickelte psychiatrische Behandlung in Bangladesch bekommen und wegen des Strafverfahrens würde ich ins Gefängnis kommen. Ich könnte nach dem digitalen Sicherheitsgesetz Anzeigen bekommen.
Beweismittel im Akt: „Antrag“ vom 23. 05.2021
F: Wer hat den Antrag geschrieben?
A: Ich kann mich nicht mehr erinnern. Beweismittel vom 18.03.2022
F: Was ist das und werden Sie in diesen Beweismitteln erwähnt?
A: Ich kann mich nicht mehr erinnern. Das sind nur allgemeine Berichte und Gesetztestexte.
Fachärztliche Befundberichte
Gesetzestexte über Suchtmittelkontrollgesetz und Digitales Sicherheitsgesetz
Polizeiberichte über sexuelle Orientierung
Artikel über mentale Gesundheit in Bangladesch und Pakistan
Stellungnahme zum Länderinformationsblatt
Beweismittel vom 20.04.2022
Grundstücke Dokumente
Pachtverträge
Vermögensaufstellung der Familie
Eigentumregister Auszüge
Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in die Länderfeststellungen des BFA zu Bangladesch Einsicht und Stellung zu nehmen. Die Feststellungsunterlagen werden Ihnen gegebenenfalls vom Dolmetscher vorgelesen! Sie haben bereits Stellung genommen. Bis heute wurden die Länderfeststellungen nicht erneuert (16.06.2021, Version 4). Möchten Sie das?
A: Nein
F: Konnten Sie sich konzentrieren?
A: Ja, es war etwas schwierig.
F: Haben Sie den Dolmetscher verstanden? Vom Inhalt als auch von der Sprache?
A: Ja.
F: Konnten Sie alles vorbringen und wurden Sie gut behandelt?
A: Ja.
F: Möchten Sie noch etwas angeben?
A: Nein.
[…]
6. Mit Bescheid vom 23.05.2023, Zl. XXXX , wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.), sowie ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Zusammengefasst argumentierte die bB die negative Entscheidung damit, dass über die (behauptete) Homosexualität des BF bereits im Erstverfahren entschieden worden sei, wobei ihm die diesbezügliche Glaubwürdigkeit abgesprochen worden wäre. Im Hinblick auf die behauptete Verfolgung aufgrund des digitalen Sicherheitsgesetzes führte das Bundesamt ins Treffen, der BF äußere ausschließlich Vermutungen, die durch keinerlei Anhaltspunkte untermauert werden könnten. Im Zuge der Einvernahme im Mai 2023 habe der BF sein Fluchtvorbringen gesteigert, indem er nunmehr behauptet habe, Atheist zu sein, eine Verfolgung aus diesem Grunde habe er jedoch nie in den Raum gestellt und ergäbe sich aus dem Länderinformationsblatt, dass Konversionen gesetzlich erlaubt, jedeoch gesellschaftlich verpönt seien. Insgesmt gehe die bB nicht davon aus, der BF hätte eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft machen können. Zur Situation im Falle der Rückkehr führte das Bundesamt aus, es sei nicht ersichtlich, warum er diesfalls einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt sein solle. Der BF verfüge über Angehörige in Bangladesch, welche wirtschaftlich abgesichert seien. Die Versorgung mit Medikamenten sei in Bangladesch gesichert.
7. Gegen den dem BF mit 25.05.2023 zugestellten Bescheid erhob er rechtzeitig das Rechtsmittel der Beschwerde an das BVwG. In dieser wiederholte er sein wesentliches Vorbringen und kritisierte die Auswahl herangezogener Länderberichte als unaktuell.
8. Der Verwaltungsakt langte am 26.06.2023 beim BVwG ein und wurde der Gerichtsabteilung L532 zugewiesen.
9. Mit hg. Schreiben vom 06.07.2023 informierte das BVwG die Verfahrensparteien von der beabsichtigten Bestellung eines Sachverständigen für das Fachgebiet Neurologie und Psychiatrie, räumte hiezu eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen ein und ersuchte um ausdrückliche und schriftliche Zustimmung zur Weitergabe medizinischer Daten an den Sachverständigen binnen selbiger Frist.
10. Mit Schriftsatz vom selben Tag wurde der (vormalige) Rechtsvertreter des BF zur Namhaftmachung von Zeugen aufgefordert.
11. Mit Eingabe vom 04.10.2023 erteilte der BF seine Zustimmung zur Weitergabe medizinischer Daten an den Sachverständigen.
12. Mit hg. Beschluss vom 05.10.2023 wurde Prim. Dr. XXXX zum Sachverständigen bestellt.
13. Am 02.01.2024 langte hg. das mit 23.11.2023 datierte Gutachten des Prim. Dr. XXXX ein.
14. Am 04.01.2024 übermittelte das BVwG eine medizinische Anfrage an die Staatendokumentation und wurde die Anfrage samt dem Sachverständigengutachten den Verfahrensparteien zur Kenntnisnahme zugestellt.
15. Am 01.03.2024 langte hg. die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation ein.
16. Mit hg. Schreiben vom 15.03.2024 wurden die Verfahrensparteien unter Beilage des aktuellen Länderinformationsblattes sowie der Anfragebeantwortung zu einer öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung am 20.06.2024 geladen.
17. Mit 23.05.2024 wurden durch das BVwG fehlende Unterlagen nachgereicht und der BF – über seinen Anwalt – neuerlich aufgefordert, binnen sieben Tagen Zeugen sein Vorbringen namhaft zu machen sowie jene fremdsprachigen Schriftstücke, deren Übersetzung der BF begeht, zu übermitteln, dies unabhängig davon, ob diese bereits der bB ausgefolgt wurden.
18. Mit Eingabe vom 28.05.2024 informierte der rechtsfreundliche Vertreter von der Auflösung des Vollmachtsverhältnisses.
19. Im Zuge eines Telefonats am selben Tag bestätigte die Rechtsanwaltskanzlei, dass sämtliche Schriftstücke dem BF weitergeleitet wurden.
20. Mit 10.06.2024 wurde das an den vormaligen rechtsfreundlichen Vertreter gerichtete Schreiben vom 23.05.2024 an die BBU zugestellt.
21. Mit Eingabe vom 17.06.2024 ersuchte die BBU um Vertagung der Verhandlung.
22. Am folgenden Tag wurde die mündliche Verhandlung auf den 10.09.2024 verlegt.
23. Am 30.07.2024 urgierte das BVwG hinsichtlich des Schreibens vom 10.06.2024. Es wurde nunmehr eine zweiwöchige Frist eingeräumt.
24. Mit 09.08.2024 wurde von der BBU bekanntgegeben, dass der BF keine Zeugen namhaft mache, und jene Beweismittel übermittelt, deren Übersetzung der BF wünscht.
25. Am selben Tag wurden diese Schriftstücke einem Übersetzer übermittelt.
26. Mit 02.09.2024 wurde den Verfahrensparteien das aktualisierte Länderinformationsblatt zu Bangladesch zur Kenntnis gebracht.
27. Am 09.09.2024 langten die in Auftrag gegebenen Übersetzungen beim BVwG ein und wurden diese noch am selben Tag den Verfahrensparteien zugestellt.
28. Am 10.09.2024 wurde vor dem BVwG die beantragte mündliche Verhandlung im Beisein des BF, der rechtsfreundlichen Vertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Bengali durchgeführt. Die mündliche Verhandlung gestaltete sich wie folgt:
„[…]
RI: Wollen Sie ergänzende Beweismittel vorlegen?
RV: Ja.
RV legt vor:
• fachärztliche Befundberichte vom 09.08.2024 sowie vom 06.09.2024
• die bereits in Kopie vorgelegten Polizeiberichte im Original
• Prüfungszeugnis A2
• 4 Empfehlungsschreiben von Freunden
• Bilanzbericht der Buchhaltung des BF aus dem Jahr 2022
(werden jeweils in Kopie zum Akt genommen)
RI: Mit 02.09.2024 wurde Ihnen das aktuelle Länderinformationsblatt übermittelt (OZ 27). Haben Sie eine diesbezügliche schriftliche Stellungnahme vorbereitet oder möchten Sie am Ende der Verhandlung mündlich zum Länderinformationsblatt Stellung beziehen?
RV: Keine.
RI: Weiters wurden Ihnen (bzw. der vormaligen RV) ein Sachverständigengutachten des Dr. XXXX vom 23.11.2023 (OZ 13) sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.02.2024 samt Beilagen, aus denen sich Verfügbarkeit und Kosten von Wirkstoffen und Ärzten ergeben, (OZ 16 und OZ 17 bzw. OZ 21) zu einer medCOI-Anfrage übermittelt. Sind Ihnen sämtliche diese Beweismittel hinreichend bekannt und gibt es dazu eine Stellungnahme?
RV: Das Gutachten ist mir nicht bekannt. Die anderen sind bekannt.
Das Gutachten wird ausgedruckt, der RV ausgefolgt und eine 5- bis 10-minütige Pause zum Studium und zur Vorbereitung einer allfälligen Äußerung eingeräumt.
RI: Gibt es Ihrerseits eine Äußerung zum Gutachten?
RV: Nein.
RI: Wollen Sie sich zu den gestern übermittelten Übersetzungen äußern (OZ 29)?
RV: Nein.
RI: Haben sich seit der letzten Einvernahme beim Bundesamt neue Umstände in Bezug auf Ihre Integration in Österreich (z. B. Deutschkenntnisse, Fortbildung, Erwerbstätigkeit) ergeben?
BF: Entschuldigung ich habe….
Frage wird wiederholt und erörtert.
BF: Soll ich über meine Freunde erzählen?
Frage wird neuerlich wiederholt und erörtert.
BF: Ja, es ist passiert.
RI: Welche Neuerungen gibt es seit den BFA Einvernahmen?
BF: Es kam zu einer plötzlichen Änderung der Situation im Heimatland. Es gibt keine Awami-League-Regierung mehr. Ich dachte aber, dass das Land nun freier ist, aber es gibt jetzt weder funktionierende Polizeistationen, Behörden, Justizministerium, Innenministerium, oder Sekretariate noch andere Körperschaften. Es wird jetzt alles kontrolliert von Leuten der Jamaat-E-Islam, der Hefazot und der Shivir.
RI: Haben Sie einen Deutschkurs abgeschlossen? Wenn ja, welches Zertifikat haben Sie zuletzt erworben?
BF: A2.
RI: Gehen Sie derzeit einer beruflichen Tätigkeit nach?
BF: Ja. Nachgefragt gebe ich an, dass ich selbstständig arbeite.
RI: Können Sie mir Ihre berufliche Tätigkeit beschreiben?
BF: Was ich arbeite?
RI: Ganz genau.
BF: Ich habe einen Lebensmittelhandel.
RI: Wieviel verdienen Sie monatlich netto?
BF: Man kann es so genau nicht sagen, im Durchschnitt 2.500 – 3.000€.
RI: Seit wann gehen Sie durchgehend einer Arbeit nach?
BF: Das exakte Datum ist mir nicht mehr in Erinnerung, ungefähr 4 Jahre.
RI: Haben Sie in Österreich Familienangehörige oder Verwandte?
BF: Ich habe eine ältere Schwester hier, ihren Ehemann und ihre Kinder. Nachgefragt gebe ich an, dass sie hier auf legale Weise leben.
RI: Bestehen finanzielle Abhängigkeiten oder ein anderer Nahebezug zwischen Ihnen und diesen Personen?
BF: Ja, jetzt haben wir ein gutes Verhältnis. Nachgefragt gebe ich an, dass wir nicht zusammenleben. Nachgefragt gebe ich an, dass ich kein Geld von ihnen bekomme.
RI: Haben Sie Angehörige in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union?
BF: Nein.
RI: Wie verbringen Sie Ihr Leben und Ihre Freizeit in Österreich?
BF: Ich mag es, wenn ich auf der Straße spazieren gehe oder mir Sachen anschaue, Musik höre, z.B. auf YouTube.
RI: Verfügen Sie in Österreich über einen Freundeskreis?
BF: Ja.
RI: Was können Sie mir über Ihre Freunde in Österreich erzählen?
BF: Ich habe einen Freund XXXX . Es besteht eine gute Freundschaft mit ihm.
RI: Was können Sie mir über XXXX erzählen?
BF: Er ist ein guter Freund von mir und er ist ein guter Freund. Wir verbringen die Nacht miteinander und amüsieren uns.
RI: Verstehe ich Sie richtig, Sie führen mit XXXX eine Beziehung?
BF: Er ist mein Freund.
RI: Sexuell-amourös oder platonisch?
BF: Er ist nur ein Freund.
RI: In welcher Sprache verständigen Sie sich mit XXXX ?
BF: Manchmal auf Deutsch, manchmal auf Englisch.
RI: Welche Staatsbürgerschaft hat XXXX , wie alt ist er, wie heißt er noch?
BF: XXXX ist älter als ich, sein exaktes Alter weiß ich nicht. Er ist aus Polen. Seine Eltern sind Staatangehörige von hier. Er ist schon seit seiner Kindheit in Österreich. Nachgefragt gebe ich an, dass sein Familienname… ist. Ich nenne ihn nur XXXX , nicht sonst irgendwie.
RI: Sind Sie in Österreich in Vereinen oder ehrenamtlich aktiv?
BF: Derzeit nicht.
RI: Führen Sie in Österreich eine Beziehung?
BF: Jetzt bin ich alleine.
RI: Was würden Sie in Österreich machen, wenn Sie hier bleiben könnten?
BF: Wenn ich hier bleibe, dann werde ich studieren. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht weiß, was ich studieren würde. Mal möchte ich dies lernen, mal möchte ich das lernen.
RI: Sind Sie gesund und arbeitsfähig?
BF: Das ist… Ich bin nicht gesund.
RI: Gibt es über die schon bekannten Atteste hinaus andere Krankheiten?
BF: Ich habe Krankheiten außerdem, aber ich schäme mich jetzt, das zu sagen.
RI: Gerichtsbekannt ist, dass Sie unter paranoider Schizophrenie und Alkoholabhängigkeit leiden. Gibt es darüber hinausgehende Krankheiten?
BF: Es gibt darüber hinaus Krankheiten, die nicht so ernst sind. Aber ich schäme mich jetzt, hier darüber zu sprechen.
RI weist auf die Mitwirkungspflicht hin und belehrt, dass er keine Gründe für ein Aussageverweigerungsrecht sieht.
RI: Bleiben Sie dabei, dass Sie nichts sagen wollen?
BF: Das ist… Meinen Sie jetzt über diese eine Krankheit?
RI wiederholt und erörtert die Frage.
BF: Ich habe manchmal Fieberschübe und die Ärzte wissen noch nicht, von was genau das kommt.
RI: Sind Sie derzeit wegen einer gesundheitlichen Beeinträchtigung in Österreich in medizinischer Behandlung oder nehmen Medikamente?
BF: Ja, auf ärztlichen Rat nehme ich Medikamente.
RI: Ich nehme an, die auf den heute vorgelegten ärztlichen Befundberichten namentlich genannten Medikamente?
BF: Ja.
RI: Besuchen Sie auch Ärzte und nehmen Sie Ärzte an Anspruch?
BF: Jeden Monat einmal. Bei Schwierigkeiten rufe ich telefonisch an. Nachgefragt, welche Ärzte ich in Anspruch nehme, gebe ich an, dass das wegen meiner psychischen Schwierigkeiten ist. Ich habe Depressionen, einen Mangel an Selbstbewusstsein und plötzliche Angstzustände. Ich habe diese Angst auch in der Nacht und sehe immer wieder Gesichter und die Angst. In Wirklichkeit kann ich auch wegen all diesen Depressionen mich nicht mit dem Arzt verständigen, und ich kann mich nicht ausdrücken, weil ich nicht gut Deutsch kann.
RI: Ich nehme an, Sie nehmen einen Psychiater oder einen Neurologen in Anspruch?
BF: Früher ging ich zum Neurologen, jetzt nur mehr zum Psychologen.
RI: Sind Sie in Österreich bisher straffällig geworden (Verwaltungsübertretung, gerichtliche Verurteilung oder derzeitig anhängiges Verfahren)?
BF: Nein.
RI: Die folgende Frage wird (ohne Dolmetscher) auf Deutsch gestellt und die Antwort wortwörtlich protokolliert:
RI: „Sprechen Sie Deutsch?“
BF: Ja.
RI: „Mit wem unterhalten Sie sich auf Deutsch?“
BF: Ich verstehe schon.
RI: „Wie sind Sie heute hierher zu Gericht gekommen?“
BF: Ich habe gekommen von Wien by Taxi.
Die weitere Befragung erfolgt wieder mit Dolmetscher.
RI: Gibt es zu diesem Fragenkomplex (Integration, Leben in Österreich) Fragen des RV?
RV: Nein.
RI: Welche Ausbildung haben Sie im Herkunftsstaat genossen?
BF: Ich habe in Wirtschaft graduiert. Nachgefragt gebe ich an, dass ich die „Graduation“ abgeschlossen habe, für vier Jahre. Neuerlich nachgefragt gebe ich an, dass ich eine Universität abgeschlossen habe.
RI: Welche Berufserfahrung haben Sie im Herkunftsstaat gesammelt?
BF: Ich habe Schüler gelehrt, also persönlich gelehrt.
RI: Wie würden Sie Ihre eigene wirtschaftliche Lage in Bangladesch einschätzen?
BF: Ich weiß nicht, wie ich das sagen soll. Verstehe ich nicht.
RI: Frage wird wiederholt und erörtert.
BF: Ich war reich.
RI: Wer von Ihrer Familie bzw. Ihrer Verwandtschaft lebt noch im Herkunftsstaat und wo?
BF: Meine Eltern gibt es und den jüngeren Bruder.
RI: Haben Sie noch weitere Familienangehörige in Bangladesch?
BF: Ja, viele.
RI: Haben Sie seit der Ausreise Kontakt mit Familienangehörigen oder Verwandten in Ihrem Herkunftsstaat? Wann zuletzt und mit wem?
BF: Früher hatte ich mit vielen Kontakt, jetzt nur mit der Mutter.
RI: Warum nur mit der Mutter?
BF: Mit ihr habe ich eine gute Beziehung, deswegen mag ich es, mit ihr zu sprechen.
RI: Seit wann haben Sie keinen Kontakt mit den anderen Angehörigen mehr?
BF: Kontakt gibt es schon, so, dass es überhaupt nicht besteht, so ist es nicht.
RI: Wie geht es Ihren Angehörigen im Herkunftsstaat?
BF: Gut.
RI: Wie alt sind Ihre Eltern und Geschwister in Bangladesch?
BF: In Bangladesch gibt es nur mehr den Bruder. Meine Schwester ist ja hier.
RI: Wie alt sind Ihre Eltern und Ihr Bruder?
BF: Wie alt wohl mein Bruder ist, ungefähr 27 Jahre alt, exakt weiß ich es nicht. Nachgefragt gebe ich an, dass ich nicht genau sagen kann, wie alt meine Eltern sind, vielleicht ungefähr.
RI: Dann bitte ungefähr.
BF: Mein Vater kann 72, 73 sein. Meine Mutter 66 oder 67.
RI: Wie finanzieren Ihre Eltern und Ihr Bruder im Herkunftsstaat deren Leben?
BF: Jetzt sehr schwierig, weil die Leute von der Polizeistation der Awami-League-Regierung und Leute vom Sub-Registrar der Awami-League-Regierung haben unsere Grundstücke sichergestellt. Mein Vater hat einen kleinen Handel, mit dem sie sich finanzieren. Zu den Sicherstellungen der Grundstücke habe ich Beweismittel bereits vorgelegt.
RI: Wie würden Sie die wirtschaftliche Lage Ihrer Familie einschätzen?
BF: Jetzt kann man nicht mehr reich sagen.
RI: Verfügen Ihre Angehörigen im Herkunftsstaat über eigene Wohnungen oder Häuser? Wie kann ich mir die Wohnsituation Ihrer Angehörigen im Herkunftsstaat vorstellen?
BF: Außer dem Haus haben sie ja nichts mehr. Mein Vater hat das Geschäft.
RI: Wie groß ist das Haus, wie viele Leute wohnen darin?
BF: Es leben nur meine Eltern und mein Bruder in dem Haus. Nachgefragt gebe ich an, dass das Haus sehr groß ist, wie groß es genau ist, kann ich nicht sagen.
RI: Haben Sie vor Ihrer Ausreise auch dort gewohnt?
BF: Nicht dauerhaft.
RI: Wo haben Sie bis zum Tag Ihrer Ausreise überall gewohnt?
BF: In Dhaka oder zuhause.
RI: Wo haben Sie in Dhaka genau gewohnt?
BF: Ich war dort an vielen Orten.
RI: Können Sie mir die Adresse Ihres Elternhauses im Heimatland bekanntgeben?
BF: Natürlich.
RI: Ich bitte darum.
BF: Distrikt XXXX , im Polizeiverwaltunsgbezirk: XXXX , im Dorf: XXXX .
RI: Von welchem Ort im Heimatland haben Sie Ihre Ausreise begonnen?
BF: Von uns zuhause.
RI: Wann war die Ausreise?
BF: Im Jahr 2015.
RI: Erzählen Sie mir wie der Tag der Ausreise abgelaufen ist.
BF: Wie der Tag war an dem ich ausgereist bin, es war ein gewöhnlicher Tag, sonnig.
RI: Erfolgte die Ausreise aus Bangladesch legal oder illegal?
BF: Legal.
RI: Erfolgte die Ausreise behördlich kontrolliert?
BF: Ja.
RI: Hatten Sie im Zuge der Ausreise Probleme mit Grenzbeamten?
BF: Probleme gab es bei der „Police Clearing“.
RI: Inwiefern gab es Probleme?
BF: Ich wurde immer hingehalten. Damals gab es keine Polizeidings, aber trotzdem.
RI: Wann war das?
BF: Im Jahr 2015.
RI: Direkt bei der Ausreise?
BF: Nicht bei der Ausreise, sondern zur Zeit des „Police Clearings“..
RI: Seit wann halten Sie sich durchgehend in Österreich auf?
BF: Seit 2015.
RI: Gibt es zu diesem Fragenkomplex (persönlicher und familiärer Hintergrund, Reiseroute) Fragen des RV?
RV: Nein.
RI: Haben Sie gegenüber der Polizei und dem BFA wahrheitsgemäß und vollständig ausgesagt, wurde alles richtig protokolliert und rückübersetzt?
BF: Ich habe die Wahrheit gesagt und ich habe ja auch Beweise dazu vorgelegt und Polizeiunterlagen. Ich beantrage die Verifizierung der Unterlagen. Das ist meine Bitte. Es mögen auch die Sicherstellungen zu den Vermögensteilen verifiziert werden.
RI: Was war entscheidend dafür, dass Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben?
BF: Der Grund ist, dass ich bei der Homosexualität erwischt wurde und die Person, die mich dabei erwischt, heißt XXXX . Ich wurde dann von ihm auf verschiedenste Weise erpresst. Ein anderer Grund ist, dass ich aus einer muslimischen Familie komme und aber keinen Glauben daran habe und weil ich selbst diesen Glauben nicht habe und die Homosexualität habe, kann ich dort nicht mehr bleiben.
RI: Ihre Homosexualität haben Sie schon im ersten Asylverfahren geltend gemacht, richtig?
BF: Ja, das habe ich gesagt.
RI: Ihnen wurde damals vom BVwG kein Glauben geschenkt, auch ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens wurde abgewiesen, richtig?
BF: Ja.
RI: In Ihrem Schreiben vom 16.03.2022 machten Sie Zeugen für Ihre Homosexualität, namentlich Ihren Sexualpartner XXXX , namhaft. Ist das richtig?
BF: Ja.
RI: Sind Sie mit XXXX in einer aufrechten Beziehung?
BF: Nein, mit ihm hat die Beziehung bereits geendet.
RI: Von wann bis wann waren Sie mit ihm in einer Beziehung?
BF: Ich kann die Zeit so jetzt nicht genau sagen.
RI: Ungefähr?
BF: Gekannt habe ich ihn schon früher, das müsste 2016 gewesen sein. Aber in einer Sexualität waren wir viel später.
RI: Warum kann XXXX nicht mehr als Zeuge aussagen (OZ 25)?
BF: Ich habe jetzt keine Beziehung mit ihm.
RI: Über der Vergangenheit könnte er trotzdem aussagen.
BF: Er hatte mit mir die Beziehung nicht mehr und schloss sich einer anderen Beziehung an und ist nicht einmal mehr bereit, mit mir zu sprechen.
RI: Ab wann hatten Sie gleichgeschlechtliche Beziehungen in Österreich?
BF: Mit ihm?
RI: Allgemein.
BF: Mit ihm hatte ich es, mit XXXX , und mit noch jemanden.
RI: Frage wird wiederholt und erörtert.
BF: 2017.
RI: War Ihr erster Partner XXXX oder der andere?
BF: Der andere.
RI: Wer war der andere Partner, wie hieß er, wann wurde er geboren, wie lernten Sie sich kennen?
BF: Sein Name ist XXXX . Wir haben uns beim Einkaufen in einem bengalischen Geschäft kennengelernt. Ich habe auch sehr viele persönliche Fotos mit ihm und mir dem BFA vorgelegt.
RI: Im ersten oder zweiten Verfahren?
BF: Im ersten Verfahren.
RI: Sie brachten vor, Sie befürchteten auch Verfolgung wegen regierungskritischer Kommentare in sozialen Medien, ist das richtig?
BF: Ja, das stimmt.
RI: Was können Sie mir darüber erzählen?
BF: Ich bin ein Regierungsgegner und bin auch gegen viele Gesetze in Bangladesch. Wie dem Cyber-Security-Act.
RI: Wann setzten Sie Ihre Postings ab?
BF: Immer, wenn mir danach war.
RI: Können Sie das zeitlich einordnen?
BF: Üblicherweise in der Nacht nach 1 Uhr.
RI: Können Sie das datumsmäßig einordnen?
BF: Das weiß ich nicht.
RI: Gestern, letzten Monat, vor 5 Jahren, vor 10 Jahren?
BF: Also, wann ich begonnen habe damit?
RI: Den Zeitraum.
BF: Seit langem.
RI: Bis wann?
BF: Bis heute.
RI: Jetzt ist die Regierung gestürzt worden. Warum befürchten Sie immer noch Probleme?
BF: Die Gesetze haben sich ja nicht geändert. Die Situation ist ja jetzt nur noch schlimmer geworden. Willkürlich tötet jeder jeden.
RI: Was konkret befürchten Sie wegen der regierungskritischen Postings?
BF: Ich mache die Einträge aus meiner Pflicht heraus. Ich sehe es als meine Pflicht, solche Einträge zu machen und sonst nicht.
Frage wird wiederholt und erörtert.
BF: Wegen den Einträgen kann ich nach dem Cyber-Security-Act Geldstrafen und auch Gefängnisstrafen bekommen. Durch diese Einträge wurden ja Leute der Awami-League und auch andere Staatsdiener beleidigt, weshalb ich wegen Verleumdungen verfolgt werde.
RI: Gibt es darauf Hinweise?
BF: Das kann sein. Wenn ich in das Heimatland zurückkehre, kann das sein. Hier bin ich ja in Sicherheit. Wenn ich in das Heimatland zurückkehren würde, würde man das feststellen.
Die Verhandlung wird für eine 5 minütige Pause unterbrochen.
RI: Ich hätte noch eine kurze Frage wegen der polizeilichen Beweismittel im Zusammenhang mit Homosexualität: in diesen wird festgehalten, dass man Sie 2017 bei der Ausübung eines homosexuellen Geschlechtsaktes betreten hätte. Zu dem Zeitpunkt waren Sie seit rund zwei Jahren in Österreich. Können Sie mir das erklären?
BF: Ich habe die Frage nicht verstanden.
Frage wird wiederholt und erörtert.
BF: Die polizeiliche Anzeige wurde 2017 erstattet, aber das ich bei der Homosexualität erwischt wurde, das war in Bangladesch.
RI: Wann war das?
BF: An das Datum kann ich mich nicht erinnern.
RI: Was können Sie mir über Ihren Atheismus erzählen?
BF: Kann ich viel sagen.
RI: Dann erzählen Sie.
BF: Was soll ich sagen. Wenn Sie mich fragen, kann ich Ihnen antworten.
RI: Warum haben Sie sich vom Islam abgewandt?
BF: Weil es für mich unlogisch ist, deshalb.
RI: Das müssen Sie mir jetzt näher erklären.
BF: Von klein auf bin ich in einer muslimischen Familie großgeworden. Die Leute in unserer Umgebung waren auch religiös. Etwa 10 Arme entfernt von unserem Zuhause gibt es eine Moschee, diese gibt es vermutlich immer noch. Ich ging dort als Kind immer zum Beten hin. Als ich dann älter wurde, im Jahr 2005, kam mir das alles unlogisch vor. Dass diese Schariaregeln so sind. Ich respektiere aber jeden, der daran glaubt. Aber wenn mich jemand danach fragt, dann werde ich natürlich sagen, warum es für mich unlogisch ist.
RI: Haben Sie sich einer anderen Glaubensgemeinschaft zugewandt?
BF: Nein.
RI: Wer weiß aller von Ihrem Atheismus?
BF: Was ich über den Atheismus weiß?
RI: Nein, wer aller von Ihrem Atheismus weiß.
BF: Viele wissen davon.
RI: Seit wann?
BF: Seit meinem Aufenthalt in Bangladesch. Ich wollte aber damals, dass niemand erfährt, dass ich Atheist bin. Wenn jemand davon erfahren hätte und aber ein guter Freund von mir war, dann hätte er gleich die Freundschaft beendet.
RI: Einerseits sagen Sie, viele wüssten seit Ihrem Aufenthalt in Bangladesch von Ihrem Atheismus, andererseits sagen Sie – wenige Sekunden später – Sie hätten nicht gewollt, dass jemand von Ihrem Atheismus erfährt und Freunde hätten Ihnen diesfalls die Freundschaft gekündigt. Können Sie mir das erklären?
BF: Als ich in Bangladesch war und aber schon Atheist war, habe ich es ja niemandem so gesagt. Denn dann wäre mein Leben gefährdet. Wenn ich es einem Freund gesagt habe, dann: „Es ist fertig“. Der Freund hätte die Freundschaft beendet.
RI: Warum haben Sie dann gesagt, es wüssten viele in Bangladesch seit Ihrem Aufenthalt von Ihrem Atheismus?
BF: Ja.
RI: Inwiefern haben Sie Ihren Atheismus in Bangladesch ausgelebt?
BF: Ich habe nicht gebetet oder gefastet und nahm an den religioösen Aktivitäten nicht teil.
RI: Ist das aufgefallen?
BF: Es ist viel aufgefallen.
RI: Hatten Sie deswegen jemals Probleme in Bangladesch?
BF: Viel.
RI: Welche Probleme hatten Sie?
BF: Jegliche Probleme, verschiedenster Art, gesellschaftlich.
RI: Bitte erklären Sie mir das näher.
BF: Welches genau? Ich verstehe es nicht ganz.
Frage wird wiederholt und erörtert.
BF: Bangladesch ist ein muslimisches Land. Es sind dort mehr oder weniger alle, 93% der Menschen Muslime. Terrororganisationen gibt es auch.
RI: Ich will keine allgemeinen Ausführungen hören, sondern was Ihnen konkret passiert ist. Hat man Sie bedroht, Sie geschlagen oder Sie nicht zum Geburtstag eingeladen?
BF: Das war ja ganz normal.
RI: Was genau ist Ihnen jetzt passiert? Die Frage dürfte nicht so schwierig zu beantworten sein.
BF: Nachdem ich ein Atheist bin und die Leute davon erfuhren, habe ich telefonisch Drohungen bekommen.
RI: Was ist sonst noch passiert?
BF: Ich wurde gesellschaftlich benachteiligt und konnte mich weniger frei bewegen.
RI: Warum konnten Sie sich nicht frei bewegen?
BF: Für Atheisten gibt es dort Terrororganisationen, also Islamisten, die Atheisten verabscheuen.
RI: Wer hat Sie bedroht, wann wurden Sie bedroht?
BF: Sie haben es mir zu verstehen gegeben durch Drohungen, z.B. wenn 3 Personen zu mir nachhause gekommen sind und mich aufklären wollten.
RI: Wurden Sie jetzt persönlich oder telefonisch bedroht?
BF: Persönlich zuhause.
RI: Warum haben Sie vorhin von telefonischen Drohungen gesprochen?
BF: Es waren auch telefonische Drohungen.
RI: Wer hat Sie bedroht, wann wurden Sie bedroht?
BF: Ich kannte sie nicht, aber sie haben meine Identität bekannt gegeben und mich dann mit dem Umbringen bedroht.
RI: Wann wurden Sie bedroht?
BF: Als ich in Bangladesch war.
RI: Beantworten Sie bitte konkret meine Fragen. Ich denke nicht, dass diese hochkompliziert sind.
BF: Ich entschuldige mich. Ich habe es oft nicht verstanden.
RI: Ich würde um Ihre Antwort ersuchen. Wann wurden Sie bedroht?
BF: Vermehrt in der Nacht.
Die Verhandlung wird für 5 Minuten unterbrochen.
Schreibkräftewechsel von Fr. XXXX auf Hr. XXXX
RI: Ich wollte wissen, wann Sie datumsmäßig bedroht wurden.
BF: Das Datum ist mir nicht erinnerlich.
RI: Ist Ihnen der Zeitraum erinnerlich?
BF: Ab 2007 hatte es begonnen. Bis 2015, bis ich in das Land gekommen bin.
RI: Wie oft oder wie regelmäßig wurden Sie bedroht?
BF: Wie oft das war – es war von verschiedenen Personen zu verschiedenen Uhrzeiten. Einmal war es an einem Nachmittag im Jahr 2008. Nein, Entschuldigung es war 2009. Ich war zuhause am Lernen und drei Personen sind von der Moschee nachhause gekommen und warfen mir vor, dass ich Gott und den Propheten nicht respektiere und dass sie erwarten, dass ich wieder auf den Gottespfad zurückkehre. Ich hatte Angst, denn ich kannte sie nicht.
RI: Was wollte man denn im Allgemeinen mit den Drohungen erreichen?
BF: Sie wollten, dass ich den Glauben, also ich bin ja Atheist, dass ich die unlogischen Sachen nicht verbreite.
RI: Kam es auch zu körperlichen Übergriffen in diesem Zusammenhang?
BF: Körperliche Angriffe, nein, aber einmal ist es passiert, aber wegen etwas Anderem.
RI: Welche konkreten Befürchtungen hegen Sie im Rückkehrfall aufgrund Ihres Atheismus?
BF: Bangladesch ist für Atheisten kein sicherer Ort. Es gibt viele religiös–terroristische Organisationen. Sie sind strenggläubig und denken, dass von Gott diese Religion gemacht wird. Sie verabscheuen Atheisten extrem und mögen sie gar nicht. Insbesondere werden Ex-Muslime gehasst im Vergleich zu anderen.
RI: Haben Sie eine Bedrohung wegen Atheismus schon im ersten Verfahren vorgebracht?
BF: Ja, habe ich ja schon gesagt.
RI: Was können Sie mir zum vorhin erwähnten körperlichen Übergriff sagen?
BF: Ich bin in ein „Babytaxi“ eingestiegen, vielleicht kennen Sie den Begriff „Babytaxi“?
RI: Nein.
D: Das sind dreirädrige Motorräder.
BF: Ich bin eingestiegen und ein Mann hielt eine Pistole und ein anderer hielt ein Messer. Beide waren links und rechts von mir. Einer hielt das Messer an meinem Hals und vorne ist beim Fahrer noch einer gewesen. Während dem fahrenden Auto wurde ich rausgeworfen. Warum die das gemacht haben, weiß ich nicht.
RI: Könnte es ein missglückter Raubüberfall gewesen sein?
BF: Nein, glaube ich nicht.
RI: Warum glauben Sie das nicht?
BF: Denn wie viel Geld werde ich wohl damals gehabt haben?
RI: Haben Sie irgendwelche Indizien, was für einen Grund dieser Übergriff gehabt haben könnte?
BF: Nein, nein, das ist für mich heute noch unbekannt.
RI: Wurden heute noch nicht angeführte konkrete Verfolgungshandlungen in Ihrem Herkunftsstaat gegen Sie verwirklicht?
BF: Ja, noch ein Grund ist, dass letzten Sonntag am 01. fünf Personen der Jamaat-E- Islam und der Hefazot Islam und der Shivir gekommen sind. Sie waren zuhause. Sie sagten: „Möchten Sie wegen der Anzeige gegen Ihren Sohn eine behördliche Strafe, oder eine Strafe nach der Scharia?“. Sie sagten: „wir werden ihn zwar nicht umbringen, aber ihn mit der Peitsche schlagen.“. Als sie weggingen sagten sie noch, dass es gut wäre, wenn für die Moschee zwei Millionen Taka gezahlt werden könnten.
RI: Der angebliche homosexuelle Vorfall war 2015. Angezeigt wurden Sie angeblich 2017. Das Land verlassen haben Sie 2015. Warum sollte im September 2024 jemand zu Ihrer Familie wegen dieses Vorfalles kommen?
BF: Die Sache ist ja nicht mehr geheim. Die Sache ist ja schon bekannt geworden. Die Polizei kam regelmäßig und holte Bestechungsgelder ab.
RI: Gibt es sonst noch Gründe, außer jenen, die schon vorgebracht haben, weshalb Sie nicht in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren könnten?
BF: Das sind hauptsächlich die gleichen Gründe. In Bangladesch würde ich für meine Krankheiten keine psychische Behandlung bekommen.
RI: Gibt es zu diesem Fragenkomplex (Fluchtvorbringen) Fragen des RV?
RV: Keine.
RI: Möchten Sie Beweisanträge stellen?
RV: Nein.
[…]“
29. Mit handschriftlicher Eingabe, hg. eingelangt am 17.09.2024, beantragte der BF die Anhörung seiner Schwester als Zeugin, die Überprüfung seiner Beweismittel in Bangladesch sowie die Übermittlung des Länderinformationsblattes und des Sachverständigengutachtens. Beigeschlossen waren dem Schreiben zwei aktuelle Zeitungsartikel betreffend die allgemeine Lage in Bangladesch („Bangladesh's interim government lifts ban on Jamaat-e-lslami party“ und „'Anti-lndia, pro-Pakistar-l': lslamic radicals want to make Bangladesh another Afghanistan, warns Taslima Nasreen“).
30. Am Folgetag übermittelte das BVwG das o.a. Schreiben des BF an die BBU unter Einräumung einer siebentägigen Stellungnahmefrist.
31. Mit 01.10.2024 führte die BBU – nach vorangegangener Fristerstreckung – aus, der BF ziehe den Antrag auf zeugenschaftliche Einvernahme seiner Schwester zurück und habe die Länderberichte sowie das Sachverständigengutachten erhalten und zur Kenntnis genommen. Hinsichtlich der im Akt befindlichen polizeilichen Anzeigen werde nochmals betont, dass dadurch die Anhängigkeit eines Strafverfahrens gegen den BF und damit einhergehend seine Verfolgung bewiesen werde. Im Hinblick auf die Zeitungsartikel führe der BF aus, die Lage im Herkunftsstaat spitze sich zu, beispielsweise hätte die Interimsregierung die radikalislamische Partei Jamaat-e-Islami wieder erlaubt. Betreffend die Frage der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung weise der BF darauf hin, dass er bereits seit neun Jahren in Österreich aufhältig sei, diesem Zeitraum komme maßgebliche Bedeutung bei der Interessensabwägung zu. Auch führe der BF trotz gesundheilicher Einschränkungen ein Gewerbe und sei selbsterhaltungsfähig. Im Falle der Abweisung der Beschwerde im Hinblick auf den Asylstatus und den Status des subsidiär Schutzberechtigten sei daher die Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig zu erklären.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Die Identität des BF steht fest. Der BF führt heißt XXXX , wurde am XXXX geboren und ist Staatsangehöriger von Bangladesch. Er ist der bengalischen Titularethnie angehörig, bekennt sich zum Islam sunnitischer Prägung und beherrscht die Sprache Bengali auf muttersprachlichem Niveau. Der BF ist ledig und hat keine Kinder oder anderweitige Sorgepflichten.
Der BF wurde in seinem Herkunftsstaat geboren und stammt aus einem Dorf namens „ XXXX “ im Polizeiverwaltungsbezirk XXXX des Distriktes XXXX , wo er auch bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 in seinem Elternhaus lebte. Teilweise wohnte der BF auch in XXXX . Der BF erwarb in Bangladesch Schulbildung und schloss ein Wirtschaftsstudium ab. Zum beruflichen Hintergrund des BF konnten keine Feststellungen getroffen werden. Seine finanziellen Verhältnisse stellten sich gesamthaft als gut dar.
1.2. Der BF verfügt in Bangladesch bzw. in seiner Herkunftsregion über familiäre Anknüpfungspunkte. Seine Eltern und sein jüngerer Bruder sowie zahlreiche weitere Angehörige leben in der Herkunftsregion, wobei er zumindest zu seiner Mutter Kontakt pflegt. Die Kernfamilie des BF finanziert ihren Lebensunterhalt durch den Einzelhandel des Vaters des BF.
1.3. Der BF leidet an einem Alkoholabhängigkeitssyndrom (F10.2) sowie an einer paranoiden Schizophrenie (F20.0). Die Erkrankungen sind nicht lebensbedrohlich. Zur Behandlung des Krankheitsbildes der paranoiden Schizophrenie ist die Weiterführung einer neuroleptischen Therapie erforderlich. Bezüglich des Alkoholabhängigkeitssyndroms wäre eine Entzugs- und Entwöhnungstherapie zu empfehlen. Dies setzt aber die Mitwirkung des BF voraus. Es besteht bezüglich der Alkoholproblematik keine adäquate Krankheits- und Behandlungseinsicht.
Es zeigt sich kein Hinweis für das Vorliegen einer akuten Suizidgefährdung.
Der BF ist arbeitsfähig, er leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen.
1.4. Der BF hatte vor seiner Ausreise keine Nachteile aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit, seines Religionsbekenntnisses, seines politischen Hintergrundes oder seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe zu gewärtigen.
1.5. Vor seiner Ausreise aus dem Herkunftsstaat war der BF auch keiner individuellen Gefährdung oder psychischen und/oder physischen Gewalt durch staatliche Organe oder Privatpersonen ausgesetzt. Dem BF droht im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht die Todesstrafe. Ihm droht auch keine anderweitige individuelle Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf eine drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie bewaffnete Auseinandersetzungen oder terroristische Anschläge in seiner Herkunftsregion.
Der BF verließ im Jahr 2015 auf legalem Wege seine Heimat.
Der BF wird im Falle einer Rückkehr in seine Herkunftsregion (bzw. einer Rückkehr nach Bangladesch im Allgemeinen) keiner individuellen Gefährdung oder psychischen und/oder physischen Gewalt und auch keiner anderweitigen asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt sein. Der BF wurde nicht von Privatpersonen oder staatlichen Organen mit dem Umbringen oder dem Eintreten anderer (schutzrelevanter) Nachteile bedroht. Im Fall einer Rückkehr wird er wiederum in den Familienverband integriert werden. Im Übrigen wird der BF im Stande sein, selbst für seinen Lebensunterhalt Sorge zu tragen.
Die Herkunftsregion des BF ist (ebenso wie sämtliche andere Regionen Bangladeschs) ohne die maßgebliche Wahrscheinlichkeit eintretender sicherheitsrelevanter Vorfälle erreichbar.
1.5.1. Die für die Behandlung seiner unter Punkt 1.3. dargelegten Erkrankungen erforderlichen Ärzte und Wirkstoffe sind in Bangladesch verfügbar und hat der BF auch in der Praxis Zugang zu diesen.
1.6. Der BF ist in die Gesellschaft seines Herkunftsstaates integriert. In Bangladesch verfügt der BF über eine gesicherte Existenzgrundlage. Er wird nach erfolgter Rückkehr Aufnahme im Familienverband finden, einer beruflichen Tätigkeit nachgehen können und/oder – sofern er dies wünscht – im Familienverband versorgt werden und/oder auch selbsterhaltungsfähig sein. Dem BF ist die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit möglich und zumutbar.
1.7. Der BF hält sich seit dem Jahr 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtmäßig in das Bundesgebiet ein, war zunächst von 01.06.2015 bis 31.08.2016 aufgrund eines Aufenthaltstitels legal aufhältig, stellte rechtzeitig einen Verlängerungsantrag, der im Jänner 2018 negativ erledigt wurde, und stellte in der Folge (bereits während seines nunmehr unrechtmäßig gewordenen Aufenthalts) am 16.03.2018 einen ersten Asylantrag. Dieser Antrag wurde mit Rechtskraft vom 04.12.2019 abgelehnt, in der Folge war der Aufenthalt des BF neuerlich illegal, wobei ihm im Zeitraum von 22.01.2020 bis 08.06.2020 aufgrund eines Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs (i.d.F. „VfGH“) die aufschiebende Wirkung zukam, und wurde dieser erst in der Folge des gegenständlichen Asylantrags am 26.05.2021 erneut legalisiert.
Der BF geht seit 03.05.2019 einem selbstständigen Gewerbe nach und ist selbsterhaltungsfähig. Er bezieht keine Transferleistungen. Davor war der BF (während seines legalen Aufenthalts im Rahmen des NAG) von 10.05.2016 bis 03.05.2017 als Arbeiter im Gastgewerbe tätig.
Der BF beherrscht die deutsche Sprache auf dem Niveau A2, ist aber allenfalls zur Kommunikation auf schlichtem Niveau im Stande.
Die Schwester des BF samt deren Ehegatten und Kindern ist legal in Österreich aufhältig. Über Angehörige in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union verfügt der BF nicht.
Seine Freizeit verbringt der BF damit, in der Stadt spazieren zu gehen und Musik zu hören.
Der BF verfügt über keinen maßgeblichen Freundeskreis im Bundesgebiet.
Der BF führt keine Liebesbeziehung.
Der BF ist nicht in Vereinen oder ehrenamtlich engagiert.
Eine maßgebliche Integration des BF in Österreich ist nicht vorliegend.
1.8. Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet war nie nach § 46a Abs 1 Z 1 oder Abs 1a FPG geduldet. Der Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von damit zusammenhängenden zivilrechtlichen Ansprüchen notwendig. Der BF wurde nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
1.9. Zur Lage im Herkunftsstaat werden folgende Feststellungen getroffen:
Politische Lage
Letzte Änderung 2024-08-16 15:33
Allgemein
Nach einem neunmonatigen Befreiungskrieg erklärte die Volksrepublik Bangladesch am 26.03.1971, unterstützt durch Indien, ihre Unabhängigkeit von Pakistan. Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und [bengalischen, Anm.] Nationalismus als Ziele fest (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. BS 19.3.2024). Offiziell ist das Staatsoberhaupt der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Er übt allerdings großteils zeremonielle Funktionen aus (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. FH 2024). Die Macht liegt in den Händen des Premierministers, welcher von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt wird (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. AA 30.8.2023; BS 19.3.2024). Zudem untersteht das Militär, welches zwar für die äußere Sicherheit zuständig ist, aber auch für interne Sicherheitsanforderungen eingesetzt werden kann, dem Premierminister, der [bisher] gleichzeitig Verteidigungsminister ist (AA 30.8.2023).
Das nationale Parlament (Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer, die sich aus 350 Mitgliedern zusammensetzt, von denen 300 in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählt werden. Die verbleibenden 50 Sitze sind für Frauen reserviert, die von den vorgenannten Abgeordneten gewählt werden (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Direkte Wahlen zum Einkammerparlament, an denen alle Bürger ab dem 18. Lebensjahr teilnehmen können, finden in der Regel alle fünf Jahre statt (AA 30.8.2023).
Bangladesch hat ein Mehrparteiensystem (FH 2024). Die Anwendung des reinen Mehrheitswahlrechts hat allerdings die Herausbildung zweier dominierender und konkurrierender Parteien, der "Bangladesh Nationalist Party" (BNP) und der "Awami League" (AL), begünstigt (AA 30.8.2023; vgl. ÖB New Delhi 11.2022). Offiziell war Bangladesch damit 1991 nach Militärherrschaften zu einem parlamentarischen System zurückgekehrt, doch persönliches Charisma und verfassungsrechtliche Bestimmungen führten zur Konzentration der Macht in den Händen der jeweiligen Premierministerinnen, Khaleda Zia (BNP, 1991-1996, 2001) oder Sheikh Hasina (AL, 1996-2001, 2008 bis 2024) (BS 19.3.2024; vgl. ÖB New Delhi 11.2022, FH 2024). Persönliche Animositäten zwischen diesen beiden Machthaberinnen, Machtkämpfe um jeden Preis und ein Vertrauensdefizit zwischen den Parteien mündeten in einer schädlichen politischen Kultur (BS 19.3.2024; vgl. DFAT 30.11.2022; FH 2024), während die demokratischen Institutionen entweder nicht vorhanden oder stark geschwächt blieben (BS 19.3.2024).
Während die BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der „Bangladesh Jamaat-e-Islami“ hat, bekam die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei (LDP) und der national-sozialen Partei „Jatiyo Samajtantrik Dal“ (JSD) (ÖB New Delhi 11.2022). Allgemein wird die BNP eher der konservativ-religiösen Seite zugeschrieben, hingegen die AL eher als links und säkular (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Stark hierarchische Führungsstrukturen, in denen familiäre Bindungen, persönliche Loyalitäten und geschäftliche Verbindungen von großer Bedeutung sind, prägen alle Parteien (AA 30.8.2023; vgl. FH 2024). Wie in der Region üblich, geht es bei politischen Parteien weniger um Ideologie, als um einzelne Persönlichkeiten und deren Netzwerke, die im Falle eines Wahlsieges auch finanziell profitieren, indem sie mit wichtigen Staatsposten versorgt werden (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. DFAT 30.11.2022).
Auch lokale Regierungen können ob ihrer Kompetenzen in kommunaler Entwicklung, Sozialfürsorge sowie Recht und Ordnung das tägliche Leben der Bürger erheblich beeinflussen. Da die bangladeschische Politik in hohem Maße auf Klientelismus beruht, ist Loyalität, vor allem gegenüber der Regierung, sehr wichtig. Oft sind persönliche Ergebenheiten zu lokalen Politikern entscheidend, um Zugang zu grundlegenden Gütern und Dienstleistungen (z.B. in Bezug auf Grund und Boden, Sozialhilfe, Arbeitsplätze) zu erhalten (DFAT 30.11.2022). Ebenso sind Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung parteipolitisch durchdrungen (AA 30.8.2023).
Das Militär und Großunternehmen nutzen ihren erheblichen politischen Einfluss, um ihre jeweiligen Interessen zu schützen (BS 19.3.2024). Durch Gewährung von weitreichenden wirtschaftlichen Betätigungsmöglichkeiten und Beförderungen konnte Sheikh Hasina das Militär für sich gewinnen. Zunehmend machte die Regierung auch erhebliche Zugeständnisse an den weiter erstarkenden konservativen Islam, auch, weil sich das entstandene Vakuum auf Oppositionsseite als Nährboden für islamistischen Terrorismus erweist (AA 30.8.2023; vgl. BS 19.3.2024).
Aus der Auseinandersetzung mit der BNP ist die AL als klarer Sieger hervorgegangen. Sie führte seit 2009 - mit Wiederwahlen 2014 und 2018 - die im Übrigen aus sehr kleinen Parteien bestehende Regierungskoalition an (AA 30.8.2023; vgl. ÖB New Delhi 11.2022). Die Parlamentswahlen vom 30.12.2018 brachten einen überwältigenden Sieg für die von der AL geführte Regierungskoalition (ÖB New Delhi 11.2022). Sie erhielt 96 Prozent der Stimmen und gewann 288 der 298 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 31.12.2018; vgl. BS 23.2.2022; Dhaka Tribune 31.12.2018; ÖB New Delhi 11.2022). Lokale wie internationale Medien berichteten allerdings über massive Wahlmanipulationen durch AL-Kader (BS 23.2.2022). Während des Wahlkampfes gab es viele glaubwürdige Berichte über Schikanen, Einschüchterungen, willkürliche Verhaftungen und Gewalt, die es Oppositionskandidaten und ihren Anhängern erschwerten, sich zu treffen, Kundgebungen abzuhalten oder ungehindert Wahlkampf zu betreiben (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023; FH 2024; BS 19.3.2024). Laut einer Einschätzung von westlichen Diplomaten kam es zu massiven Manipulationen in einem bisher nie da gewesenen Ausmaß (ÖB New Delhi 11.2022). Auch die Bertelsmann-Stiftung spricht von der am stärksten manipulierten Wahl der Landesgeschichte. Aufgrund dieser gravierenden Defizite könne die Regierung demnach auch nicht als demokratisch gewählt bezeichnet werden (BS 23.2.2022; vgl. BS 19.3.2024).
Regierung, Parlament, Verwaltung und weitere Institutionen waren seitdem fest in der Hand der AL, die mit einer verfassungsändernden Dreiviertelmehrheit regierte. Zudem wurden Zivilgesellschaft, die Judikative und Medien immer weiter gleichgeschaltet (AA 30.8.2023). Die Schwächen der staatlichen Institutionen schränkten eine Kontrolle der Entscheidungen der AL ein. Der geringe Anteil an Oppositionellen im Parlament reduzierte auch die Kontrollmöglichkeiten der Opposition in Hinblick auf Regierungspolitik, den Haushalt und die Gesetzesinitiativen signifikant (FH 2024; vgl. AA 30.8.2023).
Im Vergleich zu 2018 hatte die Regierung zuletzt die Restriktionen bei Demonstrationen wieder gelockert, die BNP konnte 2023 zu Beginn einige große Protestmärsche abhalten. Mit der Ankündigung eines Wahlboykotts und der Abhaltung von Streiks und Blockaden als Protest gegen den Wahlprozess wurde dieser Raum wieder signifikant beschränkt. Allein zwischen Oktober und Dezember 2023 sollen 20.000 Oppositionsmitglieder verhaftet worden sein (FH 2024).
Der AL-Regierung gelang es, ihren autoritären Kurs durch das Wirtschaftswachstum und den Ausbau der Infrastruktur der letzten Jahre zu legitimieren (BS 19.3.2024; vgl. Zeit Online 6.8.2024). Das Land hat in den letzten Jahren beachtliche Erfolge in Wirtschaft und Entwicklung erreicht, von denen auch die ärmeren Bevölkerungsschichten profitierten (AA 30.8.2023). Sheikh Hasina wird die Modernisierung des Landes zugeschrieben. Für die Bevölkerung galt sie lange als ein Garant für Stabilität und Bollwerk gegen Islamisten (Zeit Online 6.8.2024). Zuletzt war, auch bedingt durch die Covid-19-Pandemie und die gestiegene Inflation, die Armut jedoch wieder angestiegen (AA 30.8.2023).
Wahl 2024 und Sturz der AL-Regierung
Tatsächlich boykottierten die großen Oppositionsparteien die Parlamentswahl im Jänner 2024 auch wie angekündigt und Sheikh Hasina gelang es, sich für eine vierte Amtszeit die Funktion der Premierministerin zu sichern (vgl. ABC News 3.8.2024, Zeit Online 6.8.2024).
Im Juli 2024 brachen allerdings Massenproteste und Unruhen aus. Ihren Ursprung nahmen sie in Studentenprotesten gegen eine Quotenregelung für die Vergabe von Posten im öffentlichen Dienst, die nach Ansicht der Demonstranten Unterstützer von Sheikh Hasina bevorzugte (Zeit Online 8.8.2024). Die Regelung hätte eine 30-prozentige Quote bei Anstellungen im öffentlichen Dienst für Nachkommen von Veteranen des Unabhängigkeitskrieges vorgesehen (ABC News 3.8.2024).
Gerade aber durch das brutale Vorgehen gegen die Proteste entwickelten sich diese erst in eine breite Bewegung für den Rücktritt der Regierungschefin (BBC 12.8.2024; vgl. Zeit Online 8.8.2024, ABC News 3.8.2024). Nachdem bei Straßenschlachten zwischen Demonstranten, Sicherheitskräften und dem Studenten-Flügel der regierenden AL verschiedenen Schätzungen zufolge mindestens 300 Menschen ums Leben kamen, darunter Studenten und Polizisten, aber auch Unbeteiligte und Kinder, schlossen sich immer mehr Bevölkerungsgruppen an (Zeit Online 6.8.2024; vgl. ABC News 3.8.2024). Bereits Ende Juli wurde von mehr als 4.000 Verhafteten berichtet (BBC 26.7.2024). Einige Medien sprachen von 11.000 Verhafteten (ABC News 3.8.2024). Schlussendlich floh die Premierministerin am 6. August nach der Stürmung ihrer Residenz durch Demonstranten nach Indien. Zuletzt hatten auch Aussagen pensionierter Militärs in den Medien darauf hingedeutet, dass die Unterstützung des Militärs im Angesicht der Gewalt gegen Demonstranten bröckelte. So ist jenes nun auch bestrebt, sich aufseiten des Volkes zu präsentieren (Zeit Online 6.8.2024).
Mit dem Rückhalt des Militärs wurde der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus nach seiner Rückkehr aus seinem Exil in Frankreich als Übergangsregierungschef vereidigt. Damit wurde eine Forderung der Protestierenden angenommen. Yunus soll die Regierungsgeschäfte bis zu Neuwahlen führen, deren Abhaltung er innerhalb weniger Monate ankündigte. Dem Wirtschaftswissenschaftler wurde 2006 der Friedensnobelpreis verliehen, aufgrund seiner Entwicklung eines Systems der Vergabe von Mikrokrediten in den 1980er Jahren (Zeit Online 8.8.2024). Dessen ungeachtet war der harte Kritiker der vorigen Regierung zu einem halben Jahr Haft verurteilt worden, seiner Aussage nach, aufgrund politisch fingierter Gründe (BBC 12.8.2024).
Das Chaos im Land und die Sicherheitslage sind damit noch nicht beruhigt. Als Reaktion auf den Umsturz streikte die Polizei und die zuvor demonstrierenden Studenten übernahmen Aufgaben wie die Regulierung des Straßenverkehrs (BBC 12.8.2024). Der Oberste Richter Bangladeschs und weitere Richter des Supreme Courts traten hingegen auf Druck der Anführer der Studentenproteste zurück (AP 12.8.2024).
Im Zuge der Proteste wurden, besonders nach dem Umsturz, Hindus sowie deren Tempel, Geschäfte und Häuser von Mobs angegriffen (ToI 9.8.2024; vgl. DW 10.8.2024, India Today 12.8.2024). Hindus gelten mehrheitlich als Unterstützer der Regierung, die den Säkularismus betonte. Allerdings mobilisierten sich Vertreter der bangladeschischen Zivilgesellschaft um die hinduistischen Minderheit zu schützen (DW 10.8.2024; BuS 11.8.2024). Medien berichten ebenso von Übergriffen auf Einrichtungen und lokale Führungspersonen der AL (BuS 11.8.2024).
Die Sorge vor einem Erstarken islamistischer Organisationen besteht nicht nur im Nachbarland Indien und unter den religiösen Minderheiten (India Today 12.8.2024) - so ist die islamistische Oppositionspartei Jamaat-e-Islami für breite Angriffe auf die hinduistische und christliche Minderheit mit um die Hundert Toten in den 2010er Jahren verantwortlich (USGPO 30.4.2015; vgl. SADF 2.3.2017, AI 6.3.2013), sondern auch in der bangladeschischen Bevölkerung selbst (Zeit Online 6.8.2024). Die Nominierung von Yunus wird dabei als positives Zeichen gewertet (DW 10.8.2024; vgl. ToI 9.8.2024).
Quellen
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ABC News - Australian Broadcasting Corporation News (3.8.2024): Protests and violence break out again in Bangladesh amid calls for the government's resignation, https://abcnews.go.com/International/wireStory/protests-continue-bangladesh-amid-outrage-crackdown-112535941, Zugriff 13.8.2024
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AP - Associated Press (12.8.2024): Bangladesh’s chief justice resigns under pressure as Yunus-led interim government starts working, https://apnews.com/article/bangladesh-hasina-yunus-student-protest-chief-justice-9b3f6070d35e60e5e4bd9b47d9976690, Zugriff 14.8.2024
BBC - British Broadcasting Corporation (12.8.2024): Yunus: I will help make students’ dream for Bangladesh come true, https://www.bbc.com/news/articles/c89w7gd2j7no, Zugriff 13.8.2024
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BuS - Business Standard (11.8.2024): ‘Persecution’ of Hindus in Bangladesh: Fake posts uncovered by BBC, https://www.tbsnews.net/bangladesh/persecution-hindus-bangladesh-fake-posts-uncovered-bbc-914141, Zugriff 14.8.2024
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DW - Deutsche Welle (10.8.2024): Indien: Suche nach neuer Strategie für Bangladesch, https://www.dw.com/de/indien-suche-nach-neuer-strategie-für-bangladesch/a-69898145, Zugriff 13.8.2024
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USGPO - U.S. Government Publishing Office (30.4.2015): House Hearing, 114 Congress, Bangladesh's Fracture: Political And Religious Extremism, Hearing Before The Subcommittee On Asia And The Pacific Of The Committee On Foreign Affairs House Of Representatives, One Hundred Fourteenth Congress, First Session, https://www.govinfo.gov/content/pkg/CHRG-114hhrg94391/pdf/CHRG-114hhrg94391.pdf, Zugriff 14.8.2024
Zeit Online - Zeit Online (8.8.2024): Bangladesch: Muhammad Yunus als Regierungschef von Bangladesch vereidigt, https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-08/bangladesch-muhammad-yunus-regierungschef-vereidigung, Zugriff 11.8.2024
Zeit Online - Zeit Online (6.8.2024): Bangladesch: Die eiserne Regentin flieht, https://www.zeit.de/politik/ausland/2024-08/bangladesch-ministerpraesidentin-ruecktritt-proteste-scheich-hasina, Zugriff 12.8.2024
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2023-06-14 16:54
Sicherheitsbedrohungen umfassen politisch motivierte Gewalt, unter anderem zwischen rivalisierenden politischen Gruppen, besonders vor Wahlen, Terroranschläge islamistischer Extremistengruppen, kriminelle Gewalt und vereinzelte Konflikte über Landbesitz in den Chittagong Hill Tracts (CHT) zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern (DFAT 30.11.2022).
In verschiedenen Landesteilen Bangladeschs operieren Guerilla - sowie weitere, einheimische militante Gruppen(Crisis 24 15.4.2022). Eine erhöhte Terrorgefahr besteht zudem aufgrund des wachsenden islamistischen Radikalismus und der Präsenz trans-nationaler militanter Terrorgruppen (Crisis 24 15.4.2022; vgl. AA 2.3.2023, EDA 8.2.2023). Es gab sporadische Anschläge gegen Sicherheitskräfte und religiöse Minderheiten. So verzeichneten Dhaka, Khulna, Chittagong und Sylhet einige gegen Sicherheitskräfte gerichtete Bombenanschläge. Der Islamischen Staat (IS) bzw. Daesh hat seit 2015 einige terroristische Akte im Land für sich reklamiert. Neben dem IS agieren auch Gruppen, welche der "Al-Qaida auf dem indischen Subkontinent" (AQIS) nahestehen und ebenfalls verschiedene Angriffe für sich beanspruchen (FCDO 16.5.2023) wie z.B. der bengalische Zweig der Gruppe Harkat-ul-Jihad al-Islami (CIA 14.4.2023). Letztere ging wie weitere militante islamistische Gruppen 2019 in der Organisation Jamaat Ul-Ansar-Fil-Hind-Al-Sharqiya (JAFAR) auf (DIP 12.10.2022).
Den Höhepunkt des Terrors stellte im Juli 2016 ein Angriff auf eine Bäckerei in Dhaka dar, bei welchem 20 Geiseln und zwei Polizisten getötet wurden (DFAT 30.11.2022; vgl. AIIA 6.3.2023, FCDO 16.5.2023). 2017 kam es auch zu mehreren Selbstmordattentaten (BMEIA 9.3.2023; vgl. AA 2.3.2023). Die Behörden haben auf solche Angriffe stets mit harter Hand reagiert, u.a. durch Verbote militanter Gruppen oder Verhaftungen von Hunderten Kämpfern (DFAT 30.11.2022). Der Anti-Terrorism Act von 2009 stellt jegliche terroristische Aktivität unter Todesstrafe (AA 23.8.2022).
Durch das harte Durchgreifen der Sicherheitskräfte gab es seitdem keine Anschläge im Ausmaß des Angriffes auf die Holey Bakery mehr. Während ein (Gewalt-)Risiko im gesamten Land weiterhin besteht, ist die Zahl der Terroranschläge in den letzten Jahren zurückgegangen (DFAT 30.11.2022; vgl. AA 23.8.2022). Die Sicherheitslage hat sich inzwischen stabilisiert (AA 23.8.2022). Die Behörden befinden sich dennoch in höchster Alarmbereitschaft. Kurzfristig kann die Präsenz der Sicherheitskräfte erhöht und die Bewegungsfreiheit eingeschränkt werden (FCDO 16.5.2023). Es finden auch immer wieder Razzien durch die Spezialeinheiten der Polizei statt (AA 2.3.2023). Das South Asia Terrorism Portal (SATP) verzeichnet für 2023 (Stand: 25.4.2023) 80 Vorfälle im Zusammenhang mit islamistischen Terrorismus, bei welchen 36 Personen, darunter 29 Zivilisten und ein Mitglied der Sicherheitskräfte, starben. Im gesamten Jahr 2022 waren es 64 Fälle mit 22 Toten, davon 19 Zivilisten (SATP 25.4.2023).
In jüngster Zeit haben sich die meisten terroristischen Aktivitäten in die Grenzgebiete der CHT, welche JAFAR als Rückzugsort dienen, verlagert. Gemäß des Australian Institute of International Affairs (AIIA) stellt die Gruppe im Jahr 2023 eine der größten terroristischen Bedrohungen für Bangladesch dar (AIIA 6.3.2023).
Weiters bestehen Sicherheitsbedrohungen vor allem in politisch motivierter Gewalt, einschließlich gewaltsamer Zusammenstöße rivalisierender Gruppen, insbesondere im Vorfeld von Wahlen (DFAT 30.11.2022). Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) Rivalitäten, wobei eine Aufklärung selten erfolgt (AA 23.8.2022). Animositäten zwischen den beiden Großparteien - "Awami League" (AL) und "Bangladesh Nationalist Party" (BNP), deren Vorsitzenden Sheik Hasina bzw. Khaleda Zia sowie zwischen Kadern der unteren Ebenen hat zu anhaltender politischer Gewalt geführt (FH 10.3.2023; vgl. DFAT 30.11.2022). Beide Großparteien verfügen über eigene, ihnen nahestehende "Studentenorganisationen": Die Bangladesh Chattra League (BCL) sowie die (Bangladesh Awami) Jubo League stehen der AL nahe, die Bangladesh Chattra Dal (BCD) der BNP. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der jeweiligen Mutterpartei fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 23.8.2022). Im Jahr 2022 wurden 121 Tote und 7.467 Verletzte aufgrund politischer Gewalt erfasst (ODHIKAR 30.1.2023).Hierbei ist die Schutzfähigkeit staatlicher Behörden grundsätzlich gering. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber (ÖB New Delhi 11.2022).
Darüber hinaus kommt es regelmäßig zu Bürger- und Arbeiterprotesten, vor allem in Dhaka und anderen Großstädten. Das Risiko eines Gewaltausbruchs während solchen Demonstrationen wird vom Sicherheitsdienstleister Crisis24 als mäßig bis hoch eingeschätzt, hauptsächlich wenn Sicherheitskräfte eingreifen (Crisis 24 15.4.2022; vgl. AA 2.3.2023, EDA 8.2.2023). Gewaltsame Zusammenstöße und Demonstrationen mit politischen, ethnischen oder religiösen Motiven fordern immer wieder auch Todesopfer und Verletzte [siehe Kapitel Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit, Opposition]. Entführungen zwecks Lösegelderpressung kommen vor; sie richten sich hauptsächlich gegen Personen bangladeschischen Ursprungs (EDA 8.2.2023).
Im Gebiet der CHT kommt es zu sporadischen Zusammenstößen zwischen indigenen Gruppen und bengalischen Siedlern um Landbesitz (DFAT 30.11.2022; vgl. AA 2.3.2023, AIIA 6.3.2023, BMEIA 9.3.2023, EDA 8.2.2023). Auch die Spannungen zwischen indigenen Gruppen und der Regierung in den CHT nehmen zu (Crisis 24 15.4.2022); ein Konflikt niedriger Intensität dauert im Gebiet an, weil die versprochene Autonomie nie verwirklicht wurde [siehe dazu auch Kapitel Ethnische Minderheiten] (BS 23.2.2022). Betroffen von Übergriffen sind prinzipiell alle Minderheitengruppen. Zudem ist in vielen Fällen nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für Unruhen sind (AA 23.8.2022). Das Militär unterhält weiterhin eine starke Präsenz in der Region, wo es bis Ende der 1990er-Jahre Operationen zur Aufstandsbekämpfung gegen Stammesguerillas durchführte (CIA 14.4.2023).
Zudem wirkt sich der interethnische Konflikt in Myanmar auch auf Bangladesch aus. Er hat politische, soziale und ethnisch-religiöse Spannungen verstärkt, insbesondere aufgrund der Anwesenheit von rund einer Million Rohingya-Flüchtlingen (EDA 8.2.2023; vgl. AIIA 6.3.2023, CIA 14.4.2023). Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Proteste und einige Gewaltausbrüche in diesen Gebieten (FCDO 16.5.2023). Solche kurzfristigen, lokalen Gewaltausbrüche haben wiederholt Todesopfer und Verletzte gefordert (EDA 8.2.2023; vgl. FCDO 16.5.2023). Die Regierung reguliert den Zugang zum südlichen Teil des Distrikts Cox's Bazar, in welchem die Rohingya untergebracht werden (FCDO 16.5.2023). In Teknaf, einem Unterdistrikt von Cox's Bazar, kommt es außerdem häufig zu Morden und Schießereien zwischen Drogenbanden und den Strafverfolgungsbehörden (FCDO 16.5.2023; vgl. AIIA 6.3.2023).
Außerdem fanden die zunehmenden Kämpfe zwischen dem myanmarischen Militär und der bewaffneten ethnischen Gruppe Arakan Army im myanmarischen Bundesstaat Rakhine über der Grenze Niederschlag und gefährdeten Rohingya-Flüchtlinge und Zivilisten (HRW 12.1.2023). Bangladesch gab dazu im September 2022 eine Erklärung ab, in der es seine "tiefe Besorgnis über den Einschlag von Mörsergranaten auf bangladeschischem Territorium, den wahllosen Luftbeschuss durch Myanmar in angrenzenden Gebieten und die Verletzung des Luftraums durch Myanmar" zum Ausdruck brachte (REU 17.9.2022). Die Grenzbehörden Myanmars errichteten eine 200 km lange Drahtsperranlage, die illegale Grenzübertritte und Spannungen durch die militärische Aufrüstung entlang der Grenze verhindern soll (CIA 14.4.2023).
Bangladesch hat seine Seegrenzansprüche gegenüber Myanmar (Birma) und Indien vor dem Internationalen Seegerichtshof geltend gemacht. Im September 2011 unterzeichneten Indien und Bangladesch ein Protokoll zum Land Boundary Agreement von 1974, welches die Beilegung langjähriger Grenzstreitigkeiten über nicht demarkierte Gebiete und den Austausch territorialer Enklaven vorsah. Bis dato wurde es allerdings noch nicht umgesetzt (CIA 14.4.2023). Es gibt regelmäßig Berichte über Personen, die getötet wurden, weil sie die Grenze zu Indien illegal überquert hatten (FCDO 16.5.2023). 2022 wurden 18 Bangladescher von der indischen Border Security Force (BSF) getötet, 21 wurden verletzt (ODHIKAR 30.1.2023). Gelegentlich kommt es auch zu Zusammenstößen inkl. Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzsoldaten (FCDO 16.5.2023; vgl. EDA 8.2.2023). Beide Länder haben jedoch bereits mehrere Schritte zur Verbesserung der Grenzinfrastrukturen unternommen. Gemeinsam führen sie Militärübungen und Patrouillen der Küstenwache sowie regelmäßige Treffen zwischen Strafverfolgungsbeamten in den Grenzregionen durch (BS 23.2.2022).
Trotz der Herausforderungen ist das Gewaltmonopol des Staates auf dem gesamten Staatsgebiet fest etabliert (BS 23.2.2022).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.3.2023): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/ReiseUndSicherheit/bangladeschsicherheit/206292#content_1, Zugriff 25.4.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_(Stand_Juli_2022),_23.08.2022.pdf, Zugriff 12.4.2023 [Login erforderlich]
AIIA - Australian Institute of International Affairs (6.3.2023): Bangladesh’s Non-Traditional Security Complex - Australian Institute of International Affairs, https://www.internationalaffairs.org.au/australianoutlook/bangladeshs-non-traditional-security-complex, Zugriff 25.4.2023
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BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069721/country_report_2022_BGD.pdf, Zugriff 12.4.2023
CIA - Central Intelligence Agency [USA] (14.4.2023): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/#people-and-society, Zugriff 20.4.2023
Crisis 24 - Crisis24 (15.4.2022): Bangladesh Country Report: Security, https://crisis24.garda.com/insights-intelligence/intelligence/country-reports/bangladesh?origin=de_riskalert, Zugriff 26.4.2023
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DIP - Diplomat, The (12.10.2022): New Islamist Militant Outfit Emerges in Bangladesh, https://thediplomat.com/2022/10/new-islamist-militant-outfit-emerges-in-bangladesh, Zugriff 26.4.2023
EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (8.2.2023): Reisehinweise für Bangladesch, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/bangladesch/reisehinweise-fuerbangladesch.html#eda2977e6, Zugriff 25.4.2023
FCDO - Foreign, Commonwealth Development Office [United Kingdom] (16.5.2023): Safety and security - Bangladesh travel advice, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh, Zugriff 25.4.2023
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088488.html, Zugriff 18.4.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Events of 2022: Bangladesh, https://www.hrw.org/world-report/2023/country-chapters/bangladesh, Zugriff 4.5.2023
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Bangladesch Asylländerbericht, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_ÖB-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 12.4.2023 [Login erforderlich]
ODHIKAR - ODHIKAR (30.1.2023): Annual Human Rights Report 2022 Bangladesh, https://odhikar.org/wp-content/uploads/2023/04/AHRR-2022_English_30.01.2023.pdf, Zugriff 26.4.2023
REU - Reuters (17.9.2022): Rohingya teenager killed in Bangladesh by mortar fired from Myanmar, https://www.reuters.com/world/asia-pacific/rohingya-teenager-killed-bangladesh-by-mortar-fired-myanmar-2022-09-17, Zugriff 15.5.2023
SATP - South Asia Terrorism Portal (25.4.2023): Datasheet - Islamist Terrorism, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/fatalities/bangladesh-islamistterrorism, Zugriff 26.4.2023
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2023-06-14 16:26
Die Gesetzgebung sieht die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 23.8.2022; vgl. BS 23.2.2022). Diese wird jedoch durch Überlastung, überlange Verfahrensdauern mit dem damit verbundenen gewaltigen Rückstau an offenen Fällen, Ineffizienz, Korruption und politische Einflussnahme behindert (AA 23.8.2022; vgl. ÖB New Delhi 11.2022). Die verfassungsmäßig vorgesehene Gewaltenteilung ist durch die Machtkonzentration auf die Premierministerin in der Realität nicht gegeben. Die Justiz ist an die Exekutive gebunden (BS 23.2.2022). Die Ernennung der Richter ist auf allen Ebenen stark politisiert und der politische Druck bei der Entscheidungsfindung ist groß (FH 10.3.2023; vgl. FIDH 12.2021). Das Justizministerium kontrolliert Beförderungen, Entsendungen und Versetzungen von untergeordneten Richtern (FH 10.3.2023). Es wird berichtet, dass Richter, die Entscheidungen zuungunsten der Regierung treffen, Gefahr laufen, an andere Gerichte verwiesen zu werden (USDOS 21.3.2023; vgl. ÖB New Delhi 11.2022). Menschenrechtsbeobachter vermuten, dass untere Gerichte manchmal aufgrund des Einflusses politischer Klientelnetzwerke oder in Loyalität zu diesen entscheiden, insbesondere in Fällen, die gegen Anhänger der Oppositionspartei angestrengt werden (USDOS 20.3.2023). Strafverfahren gegen Aktivisten der Awami League (AL) werden hingegen regelmäßig aus "politischer Rücksichtnahme" eingestellt, wodurch Gerichtsverfahren untergraben und eine Kultur der Straflosigkeit gefestigt werden (FH 10.3.2023). Auch sollen Richter in einigen Fällen Bestechungsgelder von Anwälten oder anderen Gerichtsbeamten für Kautionen oder Freisprüche in Strafsachen angenommen haben (USDOS 20.3.2023). Das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Justiz ist gesunken (BS 23.2.2022). Auch gezielte Gewalt gegen Richter stellt - wie die meisten Beobachter übereinstimmend angeben - ein Problem dar (ÖB New Delhi 11.2022). Richterinnen und Richter des Obersten Gerichtshofs haben hingegen des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB New Delhi 11.2022).
Gerichtswesen
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court) (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Beide Instanzen verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen (ÖB New Delhi 11.2022). Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen Common Law (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Die erstinstanzlichen Gerichte bestehen aus richterlichen Beamten (Magistrates), die der Exekutive zuzurechnen sind, sowie den Sitzungs- und Distriktrichtern (Session-, District Judges), die der Judikative angehören. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem High Court, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem Appellate Court, dessen Entscheidungen alle übrigen Gerichte, einschließlich des High Court, binden. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB New Delhi 11.2022).
Auf Grundlage des "Public Safety Act", des „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act” sowie des "Special Powers Act" wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen – es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Speedy Trial Tribunals haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zu Tode verurteilt (ÖB New Delhi 11.2022).
Die Gerichtsverfahren sind weitgehend papiergestützt, die Bürokratie ist langsam und Beamte verlangen Bestechungsgelder allein für die Weiterleitung von Dokumenten zwischen den Büros oder für einfache Vorgänge. Die Gerichtsinfrastruktur (Gebäude, Ausrüstung) ist oft in schlechtem Zustand, was zu schlechter Aufbewahrung und Zugang zu den Akten führt (DFAT 30.11.2022). Es gibt nicht genügend Richter, um die anhängigen Fälle zeitnah zu bearbeiten (USDOS 20.3.2023).
Strafverfahren, Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis
Gemäß den gesetzlichen Vorgaben dürfen Verhaftungen nur bei vorliegendem Haftbefehl vorgenommen werden. In der Praxis gibt es jedoch viele Ausnahmen von dieser Regel (DFAT 30.11.2022). Das Sonderermächtigungsgesetz von 1974 erlaubt die Inhaftierung ohne Anklage, und die Strafprozessordnung erlaubt die Inhaftierung ohne Haftbefehl (FH 10.3.2023). Festnahmen ohne Angabe von Gründen, sind für bis zu 30 Tage zur Verhinderung von Taten erlaubt, welche die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden. Die Festgenommenen haben kein Recht auf einen Verteidiger. Hauptsächlich Betroffene sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben (ÖB New Delhi 11.2022). In vielen Fällen wird eine unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft verhängt (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. FH 10.3.2023). Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Es gibt Hinweise auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen (ÖB New Delhi 11.2022).
In Bangladesch wurde vielfach festgestellt, dass Zeugen, insbesondere in Strafsachen, von den Angeklagten bedroht, eingeschüchtert und sogar körperlich angegriffen werden. In vielen Fällen ziehen sich Zeugen zurück oder verweigern die Aussage, weil sie um die Sicherheit ihrer Person und ihrer Familie fürchten. Bisher wurden keine Zeugenschutzgesetze oder -programme in Kraft gesetzt (TDS 7.4.2023).
Es werden wiederholt Bedenken geäußert, dass die Verfahren und Urteile des Internationalen Strafgerichtshofs, ein nationales Regierungsgremium, das Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskriegs in Bangladesch untersucht, den internationalen Standards in Bezug auf Opfer- und Zeugenschutz, Unschuldsvermutung, Zugang zu einem Rechtsbeistand und Recht auf Kaution nicht entsprechen. Zudem wurden in den letzten Jahren wiederholt Todesurteile verhängt (FH 10.3.2023).
Die Korruption und ein erheblicher Rückstau von Fällen behinderten das Gerichtssystem, und die Gewährung langer Vertagungen verhinderte, dass viele Angeklagte ein faires Verfahren erhielten. In den Medien wurde berichtet, dass während der Pandemie viele Gerichte geschlossen waren und nur sehr wenige virtuell operierten, was die Fallrückstände verschärfte (USDOS 20.3.2023).
Rechtsschutz
Der Zugang der Bürger zum Justizsystem wird durch die weitverbreitete Korruption innerhalb der Gerichte und den erheblichen Rückstand bei der Bearbeitung von Fällen beeinträchtigt (FH 10.3.2023). Aufgrund der hohen Kosten und der Notwendigkeit, Bestechungsgelder zu zahlen, haben die Armen kaum Zugang zu den Gerichten (DFAT 30.11.2022). Den Armen steht theoretisch Prozesskostenhilfe zur Verfügung. Diese wird von der Regierung durch Rechtshilfebeamte in jedem Bezirksgericht gewährt. Nichtregierungsorganisationen bieten ebenfalls Rechtsbeistand an. Aufgrund von Finanzierungsengpässen oder anderen praktischen Schwierigkeiten steht es jedoch möglicherweise nicht allen Angeklagten zur Verfügung (DFAT 30.11.2022). Bedürftige Angeklagte haben das Recht auf einen Pflichtverteidiger, in vielen Fällen waren die Pflichtverteidiger allerdings nicht gut vorbereitet (USDOS 20.3.2023). Die National Legal Aid Services Organization bietet einige Dienstleistungen für Angeklagte an, die sich keine privaten Anwälte leisten können, jedoch erfordert der Zugang zu diesen Dienstleistungen oft umständliche Formalitäten und lange Wartezeiten. Viele Angeklagte wussten nichts von diesen Dienstleistungen (USDOS 20.3.2023).
Sharia und informelles Justizsystem
Die Verfassung umfasst sowohl den Säkularismus als auch den Islam als die Staatsreligion. Die Gesetze müssen der Scharia entsprechen (BS 23.2.2022). Die islamische Scharia ist jedoch nicht formell als Gesetz eingeführt (ÖB New Delhi 11.2022). Religiöse Gesetze gelten nur für Fragen der Ehe und des Eigentums (BS 23.2.2022; vgl. ÖB New Delhi 11.2022). Obwohl das säkulare Common Law, das während der Kolonialzeit verfasst und in den letzten 50 Jahren geändert wurde, die Grundlage des Rechtssystems bildet, hat die amtierende Regierungspartei zunehmend gezeigt, dass sie dazu neigt, konservative Versionen des islamischen Denkens und der Praktiken zu berücksichtigen (BS 23.2.2022). Die zunehmend enge Beziehung zwischen den ultra-konservativen Hefazat-e-Islam und der Awami League (AL) schafft ein Umfeld, das für den Einfluss von religiösem Dogma auf Politik und Verwaltung günstig ist. Die Premierministerin hat wiederholt betont, dass ihre Regierung keine "anti-islamischen" Aktivitäten zulassen wird (BS 23.2.2022).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formale Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden (ÖB New Delhi 11.2022). In ländlichen Gebieten kommt es zu Verurteilungen durch Dorfälteste oder Geistliche nach traditionellem, islamischem "Scharia Recht". Nicht immer greifen die Behörden ein (AA 23.8.2022). Es gibt in Bangladesch Hunderte von "Dorfgerichten", die nach dem Dorfgerichtsgesetz von 1976 arbeiten. Diese Gerichte wenden eine breite Palette von traditionellen Regeln an, die oft stark von traditionellem religiösem Recht oder Gewohnheitsrecht beeinflusst werden und unterliegen traditionellen Machtstrukturen in Gemeinden (DFAT 30.11.2022). Obwohl diese "Gerichte" eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch (ÖB New Delhi 11.2022).
Doppelbestrafung
Es sind keine Fälle von Doppelbestrafung bekannt.Die Gesetze, einschließlich der Verfassung, verbieten die Doppelbestrafung (DFAT 30.11.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 18.4.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069721/country_report_2022_BGD.pdf, Zugriff 28.4.2023
DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade / Australian Government [Australien] (30.11.2022): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2086697/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 18.4.2023
FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/document/2088488.html, Zugriff 18.4.2023
FIDH -International Federation for Human Rights (12.2021): OUT OF CONTROL Human rights and rule of law crises in Bangladesh, https://www.fidh.org/IMG/pdf/bangladesh784ang.pdf, Zugriff 2.5.2023
ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch
TDS – The Daily Star (7.4.2023): The state of witness protection in Bangladesh, https://www.thedailystar.net/law-our-rights/news/the-state-witness-protection-bangladesh-3291146, Zugriff 13.4.2023
USDOS - US Department of State (20.3.2023), 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/document/2089131.html, Zugriff 18.4.2023
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung 2023-06-07 08:38
Die Sicherheitskräfte sind für die innere Sicherheit sowie die Sicherheit an den Grenzen zuständig. Zu den Sicherheitskräften gehören die nationale Polizei, Grenzwachen und Terrorismusbekämpfungseinheiten, darunter das Rapid Action Bataillon. Die Sicherheitskräfte sind dem Innenministerium unterstellt. Das Militär untersteht dem Verteidigungsministerium (USDOS 20.3.2023). Es ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für Bereiche der inneren Sicherheit eingesetzt werden. Es unterhält ein starkes Kontingent an Sicherheitskräften in den Chittagong Hills Tracts, wo es ein Wiederaufflammen der Konflikte zwischen Indigenen und zugewanderten Bangladeschis verhindern soll. Die Streitkräfte sind mit UN-Einsätzen sowie lukrativen Wirtschaftsverflechtungen zufriedengestellt (AA 23.8.2022). Zivilbehörden üben effektive Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus (USDOS 20.3.2023).
Die Polizei ist die wichtigste Gesetzesvollzugsbehörde des Landes. Die Professionalität der Polizei variiert. Höherrangige Polizeibeamte sind relativ gut ausgebildet und gut bezahlt. Hingegen sind Polizeibeamte, die niedrigere Dienstgrade führen, schlecht ausgebildet und schlecht ausgerüstet. Niedrige Einkommen fördern Korruption, und Bestechungsgelder sind weitverbreitet. Vorschriften zur Gewährleistung der Rechenschaftspflicht und der Redlichkeit werden nicht immer befolgt. Das Polizeiwesen ist hochbürokratisch (DFAT 30.11.2022). Die Tätigkeit der Polizei ist durch einen Ressourcenmangel gekennzeichnet. Beispielsweise herrschen Infrastrukturmängel, Mangel an Personal/Ausbildung und Arbeitsmaterialien sowie Ineffizienz (AA 23.8.2022).
Gemäß Berichten begehen Mitglieder der Sicherheitskräfte zahlreiche Missbrauchshandlungen. Korruption, missbräuchliche Handlungen sowie Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte bleiben größtenteils straffrei (USDOS 20.3.2023). Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, sorgt die politische Ebene für Nachbesserungen, und die zuständigen Polizisten werden oft bestraft (AA 23.8.2022). In der Praxis finden Verhaftungen - entgegen der gesetzlichen Bestimmungen - oft ohne Haftbefehl statt (DFAT 30.11.2022). Betroffene von Menschenrechtsverletzungen im Strafverfahren, die mit sehr langer Untersuchungshaft rechnen müssen, sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden anzuzeigen (AA 23.8.2022). Die Polizei wendet unnötige oder übermäßige Gewalt an, um Proteste niederzuschlagen (AI 27.3.2023). Die meisten Menschen bringen der Polizei kein Vertrauen entgegen. Mehrere religiöse Minderheiten profitieren allerdings von der Polizeipräsenz (DFAT 30.11.2022).
Die Special Branch of Police (SB) ist beauftragt, die nationale Sicherheit zu gewährleisten, nachrichtendienstliche Informationen zu sammeln und Spionage abzuwehren. Die SB ist überall in Bangladesch vertreten und besitzt die Fähigkeit, innerhalb und außerhalb des Landes zu agieren (AA 23.8.2022).
Das Rapid Action Bataillon (RAB) ist u. a. für Terrorabwehr, Drogendelikte und andere schwere Verbrechen zuständig (AA 23.8.2022). Das RAB besteht aus 15 Einheiten, ist gut ausgebildet und modern ausgerüstet. Die RABs sind hauptsächlich in den städtischen Zentren des Landes stationiert und rekrutieren sich zumeist aus Polizei und Armee. Die RABs verfolgen eine aggressive Strategie gegen bewaffnete Gang-Mitglieder, was zu zahlreichen Toten durch Schießereien führt (ÖB New Delhi 11.2022). Dem RAB werden demnach auch schwere menschenrechtliche Verstöße zugeschrieben (AA 23.8.2022; vgl. DFAT 30.11.2022).
Die Bangladesh Ansar sind dem Innenministerium unterstellt. Sie werden zur Unterstützung der Polizei im ländlichen Raum eingesetzt und übernehmen auch Zivilschutzaufgaben (ÖB New Delhi 11.2022).
Border Guard Bangladesh (BGB – ehemalige Bangladesh Rifles): Diese paramilitärische Truppe untersteht ebenfalls dem Innenministerium, wird aber hauptsächlich von Armee-Offizieren geführt und dient in erster Linie dem Grenzschutz. Die BGB ist auch für die Verhinderung von Schmuggel und Menschenhandel zuständig (ÖB New Delhi 11.2022). Mitglieder der BGB werden der Folter beschuldigt (ODHIKAR 30.1.2023).
Village Defence Parties (VDP) dienen der Unterstützung der Polizei bei der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sowie der Unterstützung der Zivilbehörden bei sozialen und wirtschaftlichen Wiederaufbauprogrammen und bei Naturkatastrophen. In Städten gibt es analog dazu Town Defence Parties (ÖB New Delhi 11.2022).
Die Nationale Menschenrechtskommission hat keine Befugnis, Menschenrechtsverletzungen, die von Polizei oder Militär begangen wurden, zu untersuchen. Im Falle einer Beschwerde darf die Kommission die Polizei um einen Bericht bitten (DFAT 30.11.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 12.4.2023
AI – Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Bangladesh 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089426.html, Zugriff 30.3.2023
DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (30.11.2022): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2086697/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 18.4.2023
ÖB New Delhi – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Bangladesch Asylländerbericht, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_%C3%96B-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 12.4.2023
ODHIKAR (30.1.2023): Annual Human Rights Report 2022 Bangladesh, https://odhikar.org/wp-content/uploads/2023/04/AHRR-2022_English_30.01.2023.pdf, Zugriff 26.4.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089131.html, Zugriff 18.4.2023
Korruption
Letzte Änderung 2024-08-16 15:33
Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 23.8.2022; vgl. ODHIKAR 30.1.2023, FH 10.3.2023). Die Bemühungen zur Korruptionsbekämpfung werden durch eine politisierte Durchsetzung und die Untergrabung der Gerichtsverfahren geschwächt. Endemische Korruption und Kriminalität, schwache Rechtsstaatlichkeit, begrenzte bürokratische Transparenz und politische Polarisierung haben lange Zeit die staatliche Rechenschaftspflicht untergraben (FH 10.3.2023).
Bangladesch schneidet in fast allen glaubwürdigen internationalen Indizes zur Regierungsführung und Korruption nach wie vor schlecht ab (DAST o.D.). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2022 den 147. Rang unter 180 Staaten (TI 31.1.2023). Im Jahr 2020 belegt es noch den 146. Platz (TI o.D.).
Das Gesetz sieht strafrechtliche Maßnahmen vor, wenn Beamte aufgrund von Korruption verurteilt werden, doch die Regierung setzt dieses nicht effektiv um. Es gibt zahlreiche Berichte über die weitverbreitete Straflosigkeit bei Korruption durch die Sicherheitskräfte. Die Regierung ergreift wenige Maßnahmen, um Beamte oder Mitglieder der Sicherheitskräfte, die Korruption begangen haben, zu ermitteln und strafrechtlich zu belangen (USDOS 20.3.2023).
Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden, die Polizei sowie die Rechtspflege genannt. NGOs und Militär genießen den besten Ruf (AA 23.8.2022).
Aufgrund der weitverbreiteten Korruption in Justiz und Polizei ist es eine nahe liegende Vermutung, dass es auch zu ungerechtfertigten Anschuldigungen kommt, nicht notwendiger Weise auf staatliches Betreiben, sondern von Privatpersonen mit wirtschaftlichen oder persönlichen Motiven. Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weitverbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB New Delhi 11.2022).
Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird jedoch als "eher zahnloser Papiertiger" sowie "reines Aushängeschild" beurteilt (ÖB New Delhi 11.2022). Die ACC darf der Korruption verdächtigte Staatsbedienstete nur mit Erlaubnis der Regierung anklagen. Faktisch ist sie machtlos (AA 23.8.2022). Sie ist somit ineffektiv. Außerdem unterliegt sie offener politischer Einflussnahme (FH 10.3.2023). Die ACC hat sich zu einem untergeordneten Organ der amtierenden Regierung entwickelt (ODHIKAR 30.1.2023, vgl. NA o.D.).
Die Medien des Landes und die Zivilgesellschaft sehen sich mit restriktiven Maßnahmen konfrontiert und sind daher immer weniger in der Lage, die Korruption der Regierung aufzudecken. Allerdings schreibt der Right to Information Act (Gesetz zum Recht auf Information) aus dem Jahr 2009 einen öffentlichen Zugang zu allen Informationen vor, die sich im Besitz von öffentlichen Einrichtungen befinden und hebt die Geheimhaltungsvorschriften auf. Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft hatten einigen Erfolg bei seiner Nutzung zur Erlangung von Informationen, auch wenn es nicht einheitlich umgesetzt wird (FH 10.3.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_(Stand_Juli_2022),_23.08.2022.pdf, Zugriff 12.4.2023 [Login erforderlich]
DAST - Daily Star, The (o.D.): Another year of missed opportunities against corruption, https://www.thedailystar.net/opinion/views/news/another-year-missed-opportunities-against-corruption-3208201, Zugriff 26.4.2023
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088488.html, Zugriff 18.4.2023
NA - New Age (o.D.): ACC must act on its own in fight against corruption, https://www.newagebd.net/article/195638/acc-must-act-on-its-own-in-fight-against-corruption, Zugriff 26.4.2023
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Bangladesch Asylländerbericht, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_ÖB-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 12.4.2023 [Login erforderlich]
ODHIKAR - ODHIKAR (30.1.2023): Annual Human Rights Report 2022 Bangladesh, https://odhikar.org/wp-content/uploads/2023/04/AHRR-2022_English_30.01.2023.pdf, Zugriff 26.4.2023
TI - Transparency International (o.D.): Corruption Perceptions Index 2020 - Bangladesh, https://www.transparency.org/en/cpi/2020/index/bgd, Zugriff 26.4.2023
TI - Transparency International (31.1.2023): Corruption Perceptions Index 2022 - Bangladesh, https://www.transparency.org/en/cpi/2022/index/bgd, Zugriff 26.4.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089131.html, Zugriff 18.4.2023
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2023-06-07 09:59
Die Menschenrechte werden gemäß der Verfassung mit Gesetzesvorbehalten garantiert (AA 23.8.2022). Bangladesch ist bisher mehreren UN- Menschenrechtskonventionen beigetreten bzw. hat diese ratifiziert (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. OHCHR o.D., AA 23.8.2022). Die Verfassung von Bangladesch listet in ihrem Teil III einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Es kommt allerdings zu groben Menschenrechtsverletzungen, wie z.B. das Verschwindenlassen von Personen, Folter und außergerichtlicher Tötungen, Fälle grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung oder willkürliche Verhaftungen (ODHIKAR 30.1.2023; vgl. AI 27.3.2023, USDOS 20.3.2023). So berichtet die in Bangladesch ansässige Menschenrechtsorganisation Odhikar, dass im Jahr 2022 insgesamt 31 Personen mutmaßlich außergerichtlich getötet wurden (ODHIKAR 30.1.2023).
Der Rapid Action Batallion (RAB), einer paramilitärischen Truppe in Bangladesch, werden seit ihrer Gründung im April 2004 schwere Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch vorgeworfen (AJ 3.2.2021). Im Dezember 2021 belegten die USA die RAB sowie deren wichtigste Kommandanten mit Sanktionen (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. HRW 12.1.2023). Nach diesen Menschenrechtssanktionen gingen außergerichtliche Tötungen und das Verschwindenlassen von Personen drastisch zurück (HRW 12.1.2023). Die Regierung in Bangladesch ging neueren Berichten zufolge vereinzelt gegen Mitglieder der RABs vor. Obwohl die RABs in den letzten Jahren Hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB New Delhi 11.2022).
Unter dem international stark kritisierten Digital Security Act (DSA) wurden bisher mehrere Hundert Menschen verhaftet, unter ihnen auch zahlreiche Menschenrechtsverteidiger, Blogger und Journalisten (AA 23.8.2022). Er erlaubt es der Regierung, Durchsuchungen durchzuführen oder Personen ohne Haftbefehl zu verhaften, und kriminalisiert verschiedene Formen der Meinungsäußerung (FH 10.3.2023).
Die Rechte von Arbeitnehmern und ethnischen und religiösen Minderheiten in Bangladesch sind bedroht. Die Wahrung der Menschenrechte der Rohingya-Flüchtlinge im größten Flüchtlingslager der Welt stellt weiterhin eine große Herausforderung dar (AI 27.3.2023). Im März 2022 forderten die Vereinten Nationen die Regierung von Bangladesch nachdrücklich auf, Informationen über die Umsetzung der Empfehlungen bezüglich der Foltervorwürfe zu übermitteln, die bei einer Überprüfung der Verpflichtungen des Landes im Rahmen des Übereinkommens gegen Folter im Jahr 2019 vorgebracht wurden und die das Land seit über zwei Jahren ignoriert (HRW 12.1.2023).
Bangladesch ist nach wie vor ein wichtiges Herkunfts- und Transitland für Opfer des Menschenhandels. Frauen und Kinder werden sowohl ins Ausland als auch innerhalb des Landes zum Zwecke der häuslichen Sklaverei und sexuellen Ausbeutung, Männer vor allem als Arbeitskräfte ins Ausland, gehandelt. Ein umfassendes Gesetz zur Bekämpfung des Menschenhandels aus dem Jahr 2013 bietet den Opfern Schutz und verschärft die Strafen für die Menschenhändler, doch die Durchsetzung ist nach wie vor unzureichend (FH 10.3.2023). Hinzukommt, dass laut internationalen Organisationen einige Grenzschutz-, Militär- und Polizeibeamte in den Handel mit Rohingya-Frauen und -Kindern involviert sind (USDOS 20.3.2023). Im Jahr 2022 stellte das US-Außenministerium fest, dass die Regierung ihre Bemühungen zur Durchsetzung der Gesetze insgesamt zwar verstärkt hat, die Schutzmaßnahmen allerdings eingeschränkt blieben (USDOS 7.2022). Die Rechenschaftspflicht für alle Verbrechen, einschließlich des Menschenhandels, ist nach wie vor ein Problem (USDOS 20.3.2023)
Obwohl das Gesetz eine Ombudsperson zur Korruptionsbekämpfung vorsieht, wurde diese nicht eingerichtet. Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission – ACC) (ÖB New Delhi 11.2022). Lokale Menschenrechtsorganisationen stellen die Unabhängigkeit und Wirksamkeit der ACC in Frage (USDOS 20.3.2023).
Artikel 102 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum High Court offen. Eine National Human Rights Commission (NHRC) wurde im Dezember 2007 eingerichtet und hat mittlerweile sieben Mitglieder, davon fünf ehrenamtlich (ÖB New Delhi 11.2022). Die NHRC kann Gefängnisse und Haftanstalten besichtigen, Mediationen durchführen und von staatlichen Stellen die Vorlage von Dokumenten verlangen (DFAT 30.11.2022). Die NHRC ist bei der Global Alliance of National Human Rights Institution (GANHRI) akkreditiert. Die GANHRI bewertet die NHRC mit dem Status "B", was einer teilweisen Übereinstimmung mit den Pariser Grundsätzen entspricht (GANHRI 29.11.2022). Die bewusste Nichtbereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen schränkt die Tätigkeit und Unabhängigkeit der Kommission ein (ÖB New Delhi 11.2022). Die Menschenrechts-NGO Odhikar wirft der NHRC demnach auch vor, dass sie den Opfern der Menschenrechtsverletzungen keine Unterstützung bietet (ODHIKAR 30.1.2023).
Die Verwirklichung der in der Verfassung garantierten Rechte ist demnach nicht ausreichend. Grundsatzurteile des Obersten Gerichtshofs zu Menschenrechtsgarantien werden von Regierung und Behörden nicht ausreichend umgesetzt bzw. ignoriert (AA 23.8.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 2.5.2023
AI – Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Bangladesh 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089426.html, Zugriff 2.5.2023
AJ – Al Jazeera (3.2.2021): Rapid Action Battalion: Bangladesh’s notorious paramilitary force, https://www.aljazeera.com/news/2021/2/3/what-is-the-bangladeshs-rapid-action-battalion-rab, Zugriff 2.5.2023
DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (30.11.2022): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 10.5.2023
FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088488.html, Zugriff 2.5.2023
GANHRI – Global Alliance of National Human Rights Institution (29.11.2022): Members, https://ganhri.org/membership/, Zugriff 10.5.2023
HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085390.html, Zugriff 2.5.2023
ÖB New Delhi – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/document-search/?country%5B%5D=bgd srcId%5B%5D=11389, Zugriff 2.5.2023
ODHIKAR (30.1.2023): Annual Human Rights Report 2022 Bangladesh, https://odhikar.org/bangladesh-annual-human-rights-report-2022-2/, Zugriff 2.5.2023
OHCHR – United Nations Office of the High Commissioner for Human Rights (o.D.): View the ratification status by country or by treaty - Bangladesh, https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/Treaty.aspx?CountryID=14 Lang=en, Zugriff 2.5.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/document/2089131.html, Zugriff 2.5.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (7.2022): Trafficking in Persons Report July 2022, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2022/10/20221020-2022-TIP-Report.pdf, Zugriff 2.5.2023
Meinungs- und Pressefreiheit
Letzte Änderung 2023-06-14 11:07
Meinungs- und Pressefreiheit sind laut Verfassung garantiert, werden aber gleichzeitig von der Regierung häufig eingeschränkt (USDOS 20.3.2023). Auch die freie Meinungsäußerung bleibt eingeschränkt (AI 27.3.2023). Seit Jahren ist zu beobachten, dass die zunehmend autoritär handelnde Regierung diese Rechte zur eigenen Machtsicherung in immer größerem Maße verletzt (AA 23.8.2023).
Bangladesch verfügt über eine lebhafte Medienlandschaft, vor allem im Bereich der Printpresse. Der einzige terrestrische staatliche TV-Sender (BTV) sowie das staatliche Radio berichten hauptsächlich aus Sicht der jeweiligen Regierung (ÖB New Delhi 11.2022) und fungieren damit als staatliche Propagandaanstalten (RSF 3.5.2022). Die dicht besiedelte Medienlandschaft des privaten Sektors umfasst 3.000 Printmedien, 30 Radiosender, 30 Fernsehkanäle und mehrere Hundert Nachrichten-Websites (RSF 3.5.2022). Die unabhängigen Online- und Print-Medien sind aktiv und drücken eine Vielzahl von Ansichten aus, sind allerdings Druck seitens der Regierung ausgesetzt, wenn sie diese kritisieren. Aus Angst vor Belästigung und Repressalien kommt es weiterhin vor, dass sich Journalisten auch selbst zensieren (USDOS 20.3.2023; vgl. RSF 3.5.2022). Den beiden führenden Tageszeitungen, der bengalischsprachigen Prothom Alo und der englischsprachigen The Daily Star, gelingt es, eine gewisse redaktionelle Unabhängigkeit zu wahren (RSF 3.5.2022).
Die Verfassung setzt Kritik an der Verfassung mit Verhetzung gleich. Die Strafe für Verhetzung reicht von drei Jahren bis zu lebenslanger Haft (USDOS 20.3.2023). Auch Hassreden sind verboten. Allerdings ermöglicht die fehlende Definition im Gesetz der Regierung einen breiten Interpretationsspielraum (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Die Regierung kann die Redefreiheit einschränken, wenn sie als gegen die Sicherheit des Staates gerichtet, gegen freundschaftliche Beziehungen mit ausländischen Staaten, gegen die öffentliche Ordnung, Anstand oder Moral oder wegen Missachtung des Gerichts, Verleumdung oder Anstiftung zu einer Straftat erachtet wird (USDOS 20.3.2023). Das Gesetz von 2009 über das Recht auf Information (Right to Information Act, RIA) schreibt den öffentlichen Zugang zu allen Informationen vor, die sich im Besitz von öffentlichen Einrichtungen befinden (FH 10.3.2023). Alle anderen Gesetze werden laut RTI hierdurch ersetzt oder außer Kraft gesetzt. Somit hat mit dem Inkrafttreten des RTI auch der noch aus Kolonialzeiten stammende "Official Secrets Act" (OSA) als veraltetes, koloniales Anti-Spionage-Gesetz seine Bedeutung verloren, wenngleich noch 2021 eine Journalistin in einem aufsehenerregenden Prozess auf dessen Grundlage verurteilt wurde (The Daily Star 25.5.2021).
Journalisten und Medienunternehmen sind vielen Formen von Druck ausgesetzt. Kritische Journalisten sehen sich systematischen Verleumdungsklagen und auch gewalttätigen Angriffen ausgesetzt, die mitunter zum Tode führen. Neben Sicherheitskräften stellen auch Parteiaktivisten und islamisch-fundamentalistische Gruppen eine potenzielle Gefahrenquelle für Medien und deren Vertretung dar. In den letzten Jahren wurden immer wieder Blogger, die für ihre säkulare oder anti-islamische Haltung bekannt waren, von Extremisten getötet (ÖB New Delhi 11.2022). Laut der Menschenrechtsorganisation Odhikar wurden im Jahr 2022 zwei Journalisten getötet, 103 verletzt, 52 attackiert, fünf verhaftet und 21 bedroht. Neun Journalisten wurden im Zuge ihrer beruflichen Tätigkeit verklagt (ODHIKAR 30.1.2023). Es mehrten sich zuletzt wieder Medienberichte über angegriffene oder verschwundene Journalisten. Einige von ihnen blieben vermisst (ÖB New Delhi 11.2022). Ein Klima der Straffreiheit für Angriffe auf Medienschaffende ist nach wie vor die Norm, und es wurden kaum Fortschritte bei der Gewährleistung von Gerechtigkeit für eine Reihe von Blogger-Morden seit 2015 erzielt. Dutzende Blogger sind weiterhin untergetaucht oder im Exil (FH 10.3.2023).
Der DSA, der "Digital Security Act", der vorgeblich zur Eindämmung der Internetkriminalität verabschiedet wurde, sieht Strafen von bis zu lebenslanger Haft für die Verbreitung von "Propaganda" gegen den Befreiungskrieg in Bangladesch, die Nationalhymne oder die Nationalflagge vor (USDOS 20.3.2023; vgl. ÖB New Delhi 11.2022). Der DSA erlaubt Durchsuchungen und Verhaftungen ohne jede Form von Durchsuchungsbefehl sowie die Verletzung der Vertraulichkeit der Quellen von Journalisten aus willkürlichen Gründen (RSF 3.5.2022). Laut Menschenrechtsorganisationen wird dazu eingesetzt, um abweichende Meinungen und Kritik an der Regierung zu unterdrücken (AI 27.3.2023; vgl. HRW 12.1.2023). Der DSA gibt den Behörden - nicht zuletzt aufgrund seiner sehr vagen Bestimmungen - die Freiheit, gegen praktisch jedes unerwünschte Verhalten im Bereich der sozialen Medien vorzugehen (ÖB New Delhi 11.2.2022). Das Gesetz wurde zunehmend gegen Äußerungen in sozialen Medien, auf Websites und anderen digitalen Plattformen zur Anwendung gebracht, auch gegen Kommentatoren, die außerhalb des Landes leben. Während des gesamten Jahres 2022 hat die Regierung den DSA in großem Umfang gegen Kritiker eingesetzt. Dies betraf z.B. auch Personen, die den Umgang der Regierung mit der Pandemie in Frage stellten (USDOS 20.2.2023). Auch die Äußerung von Kritik an der Erhöhung der Preise für Treibstoff und für Güter des täglichen Bedarfs in den sozialen Medien konnte dazu führen, dass betreffende Personen in Polizeigewahrsam genommen wurden (ODHIKAR 30.1.2023). Im April 2022 veröffentlichte das Centre for Governance Studies einen Bericht, aus dem hervorging, dass zwischen Januar 2020 und Februar 2022 in 890 DSA-Fällen mindestens 2.244 Personen angeklagt wurden. Die meisten der Beschuldigten waren Politiker, gefolgt von Journalisten. Dabei wurden auch Klagen gegen mindestens 20 Kinder im Alter zwischen 13 und 17 Jahren eingereicht (USDOS 20.2.2023).
Die "Bangladesh Telecommunication Regulatory Commission" (BTRC) ist mit der Regulierung der Telekommunikation beauftragt, beschränkt den Internetzugang und filtert Internetinhalte, die die Regierung als schädlich für die "nationale Einheit und den religiösen Glauben" erachtet (USDOS 20.3.2023).
Im Weltpressefreiheitsindex 2022 ist Bangladesh im Vergleich zu 2021 um 10 Plätze zurückgefallen und rangiert nun auf Platz 162 von 180 Ländern (RSF 3.5.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Auswärtiges Amt – Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 24.4.2023
AI – Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Bangladesh 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089426.html, Zugriff 24.4.2023
FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088488.html, Zugriff 12.6.2023
HRW – Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085390.html, Zugriff 24.4.2023
ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_%C3%96B-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 24.4.2023
ODHIKAR (30.1.2023): Annual Human Rights Report 2020, Bangladesh, https://odhikar.org/wp-content/uploads/2023/04/AHRR-2022_English_30.01.2023.pdf, Zugriff 25.4.2023
RSF - Reporters Without Borders (3.5.2022): 2022 World Press Freedom Index, https://rsf.org/en/index, Zugriff 28.4.2023
The Daily Star (25.5.2021): Is Official Secrets Act relevant in Bangladesh?, https://www.thedailystar.net/law-our-rights/news/university-dhaka-makes-history-bangladesh-the-global-stage-reflective-overview-the-journey-jessup-3343621, Zugriff 12.6.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089131.html, Zugriff 24.4.2023
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung 2024-08-16 15:33
In der bangladeschischen Verfassung ist das Versammlungs- und Vereinigungsrecht festgehalten. Dies wird allerdings nicht konsequent eingehalten (FH 10.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Seit Jahren ist zu beobachten, dass die zunehmend autoritär handelnde Regierung diese Rechte zur eigenen Machtsicherung in wachsendem Ausmaß verletzt (AA 23.8.2022). Proteste und Demonstrationen müssen vorab genehmigt werden und die Regierung darf ex lege Versammlungen von mehr als vier Personen verbieten (USDOS 20.3.2023).
Unter dem Vorwand der Gefährdung der öffentlichen Sicherheit gemäß § 144 Strafprozessgesetz wurden im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 vermehrt Oppositionsproteste durch Aufhebung der Versammlungsfreiheit verboten (AA 23.8.2022). Ebenfalls wurden im Zuge des Wahlkampfes Anhängerschaft und Kandidierende der größten Oppositionspartei "Bangladesh National Party" (BNP) durch die Sicherheitsbehörden mit falschen Anzeigen, vornehmlich wegen öffentlichen Aufruhrs, eingedeckt [vgl. hierzu auch Kap. 3 Politische Lage] (ÖB New Delhi 11.2022).
Die Regierung löste in der Vergangenheit verbotene Versammlungen auch gewaltsam auf (AA 23.8.2022). In jüngster Vergangenheit sind Sicherheitskräfte sowohl bei parteipolitischen Demonstrationen als auch bei islamistischen oder gewerkschaftlichen Protesten mit Brutalität vorgegangen (ÖB New Delhi 11.2022). Bei Zusammenstößen mit der Polizei werden Demonstranten auch häufig verletzt, gelegentlich kommt es zu Todesopfern (FH 10.3.2023). Bei politischen Versammlungen oder Demonstrationen kann es außerdem zu gewalttätigen Übergriffen seitens rivalisierender Parteiaktivisten kommen (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. AI 27.3.2023b, USDOS 20.3.2023), z.B. durch die "Bangladesh Chattra League" (BCL), eine von der regierenden "Awami League" (AL) unterstützte Studentenorganisation (ODHIKAR 30.1.2023). Die BNP wirft dem Sicherheitsapparat mangelnde Neutralität und unzureichenden Schutz vor Angriffen von Unterstützenden der AL auf die Proteste vor (BAMF 23.1.2023).
Der Raum für Proteste dehnte sich 2022 aus (FH 10.3.2023). Kundgebungen wurden zugelassen bzw. von den Sicherheitskräften nicht aufgelöst, auch von der BNP, vermutlich, weil von diesen Versammlungen keine nachhaltige Gefahr für die Regierung ausging (ÖB New Delhi 11.2022). Dennoch waren im Jahr 2022 Repressionen der Regierung gegen Führungskräfte und Aktivisten sowohl der BNP als auch anderer Oppositionsparteien weitverbreitet (ODHIKAR 30.1.2023).
Zwischen September und Dezember 2022 wurden mehrere Tausend Anhänger der Opposition im Zuge von Protesten verhaftet (USDOS 20.3.2023). Laut eigenen Angaben wurden mehr als 4.000 BNP-Mitglieder nach landesweiten Protesten [vgl. hierzu auch Kap. 3 Politische Lage] zwischen dem 20.8.2022 und dem 17.10.2022 angeklagt (BAMF 23.1.2023). Es gibt außerdem Vorwürfe des Verschwindenlassens von Mitgliedern der Opposition (USDOS 20.3.2023).
Die Mitgliedschaft in oder die Unterstützung einer Oppositionspartei an sich führen nicht zu einer Verfolgung durch die Regierung. Vertreter der Parteien können ungehindert Kontakte zum diplomatischen Korps sowie anderen politischen Akteuren pflegen. Die politischen Parteien haben in den Medien die Möglichkeit zur Meinungsäußerung. Allerdings hat die Regierung schon seit dem Wahlboykott der BNP 2014 bis zu den Vorwahlmonaten 2018 viele Oppositionspolitiker verhaften lassen (AA 23.8.2022). Laut der Einschätzung der österreichischen Botschaft dürften Repressionen mangels politischer Relevanz der BNP wesentlich geringer geworden sein, als es noch während Wahlen im Dezember 2018 war (ÖB New Delhi 11.2022).
Bei einer Inhaftierung oder strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern der Oppositionsparteien scheint die politische Zugehörigkeit ein Faktor zu sein, auch bei fadenscheinig wirkenden Anklagen unter dem Vorwand, auf Bedrohungen der nationalen Sicherheit zu reagieren. Menschenrechtsaktivisten berichten, dass die Polizei Fälle gegen Führer und Mitglieder der Opposition konstruiert und die Regierung die Rechtsdurchsetzung auch benutzt, um gegen politische Rivalen vorzugehen (USDOS 20.3.2023).
Aufgrund der hohen Verbreitung der Korruption in der Politik sind die Grenzen zwischen begründeter Strafverfolgung und politisch motivierter Verfolgung fließend (ÖB New Delhi 11.2022). So beruhen viele der Anklagen wegen Korruption gegen Oppositionspolitiker vermutlich auf Fakten. Spitzenrepräsentanten der BNP-Partei wurden verhaftet bzw. mussten ins Ausland fliehen, wodurch die BNP derzeit über keine glaubwürdige Parteiführung verfügt und weiterhin zersplittert bleibt (AA 23.8.2022; vgl. BS 23.2.2022, USDOS 20.3.2023, ÖB New Delhi 11.2022). Diese starke Schwächung der politischen Opposition führte schrittweise zu einer Einschränkung des pluralistischen Meinungsbildes und zur Entwicklung in Richtung eines Einparteienstaats (AA 23.8.2022). In der Regierungszeit der BNP wurden umgekehrt viele AL Politiker wegen Korruption inhaftiert (AA 23.8.2022).
Gewerkschaften
Im Rahmen von Gesetzesreformen wurden 2015 die Beschränkungen für die Gründung von Gewerkschaften gelockert. Allerdings sind Gewerkschaftsführer, die versuchen, Beschäftigte gewerkschaftlich zu organisieren, weiterhin Entlassungen sowie körperlicher Gewalt ausgesetzt. Arbeitsrechtsorganisationen werden ebenfalls schikaniert. Die Unzufriedenheit der Arbeitnehmer führt zu Unruhen in den Fabriken, insbesondere in der Bekleidungsindustrie, wo Proteste gegen Löhne und Arbeitsbedingungen an der Tagesordnung sind. Diese Protestierenden sind häufig mit Gewalt, Verhaftung und Entlassung konfrontiert (FH 10.3.2023). Ein Streikrecht gibt es in Bangladesch nicht (ÖB New Delhi 11.2022).
Das Gesetz erlaubt den Bürgern die Gründung von Vereinigungen, sofern "angemessene Einschränkungen" im Interesse der Sittlichkeit und öffentlichen Ordnung eingehalten werden. Die Regierung achtet dieses Recht im Allgemeinen (USDOS 20.3.2023).
Quellen
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Auswärtiges_Amt,_Bericht_über_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_(Stand_Juli_2022),_23.08.2022.pdf, Zugriff 12.4.2023 [Login erforderlich]
AI - Amnesty International (27.3.2023b): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World’s Human Rights; Bangladesh 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089426.html, Zugriff 3.5.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (23.1.2023): Briefing Notes Zusammenfassung - Bangladesch II/2022, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2022/Zusammenfassungen/briefingnotes-zf-hj-2-2022-bangladesch.html, Zugriff 24.4.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 Country Report: Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2069721/country_report_2022_BGD.pdf, Zugriff 12.4.2023
FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088488.html, Zugriff 18.4.2023
ÖB New Delhi - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Bangladesch Asylländerbericht, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_ÖB-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 12.4.2023 [Login erforderlich]
ODHIKAR - ODHIKAR (30.1.2023): Annual Human Rights Report 2022 Bangladesh, https://odhikar.org/wp-content/uploads/2023/04/AHRR-2022_English_30.01.2023.pdf, Zugriff 26.4.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089131.html, Zugriff 18.4.2023
Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2023-06-07 11:28
89 Prozent der Bevölkerung sind sunnitische Muslime, zehn Prozent werden dem Hinduismus zugerechnet. Darüber hinaus gibt es Christen, Theravada-Hinayana-Buddhisten, kleine Gruppen schiitischer Muslime, Bahais, Animisten, Ahmadi-Muslime, Agnostiker und Atheisten. Ethnische Minderheiten, die in den Chittagong Hill Tracts und in den nördlichen Distrikten konzentriert sind, praktizieren im Allgemeinen nicht islamische Glaubensrichtungen (USDOS 2.6.2022). Religiöse und ethnische Minderheiten überschneiden sich häufig [siehe dazu auch Kapitel Ethnische Minderheiten] (ÖB New Dehli 11.2022).
Die Verfassung legt den Islam als Staatsreligion fest, erkennt aber auch den Grundsatz des Säkularismus [Trennung von Kirche und Staat] an (USDOS 2.6.2022). Laut der Verfassung sind religiös begründete politische Parteien verboten (FH 2023). Die Rechte der religiösen Minderheiten auf ungehinderte Ausübung ihrer Religion werden durch die Verfassung geschützt (ÖB New Delhi 11.2022). Die Verfassung sieht die Gleichberechtigung aller Religionen vor und verbietet religiöse Diskriminierung (USDOS 2.6.2022). In der Politik und in staatlichen Behörden sind religiöse Minderheiten allerdings unterrepräsentiert (FH 2023).
Traditionell gilt Bangladesch als ein religiös tolerantes, islamisches Land. Regierung und bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens setzen sich in der Regel für das friedliche Zusammenleben der Religionen ein (ÖB New Delhi 11.2022). Der Einfluss islamistischer Gruppen auf die Regierungspolitik wächst allerdings. Wer säkulare oder nicht konforme Anschauungen vertritt, kann mit gesellschaftlicher Ächtung und Angriffen durch islamistische Gruppierungen konfrontiert sein (FH 2023).
Die religiösen Minderheiten sehen sich auch zunehmendem Druck und gewalttätigen Übergriffen durch islamisch-fundamentalistische Gruppen ausgesetzt. In den letzten Jahren wurden verstärkt (teils) tödliche Angriffe auf Vertreter nicht-muslimischer Gruppen verübt, wozu sich der sogenannte Islamische Staat (IS) bekannte (ÖB New Delhi 11.2022). Besonders auf dem Land sehen sich religiöse Minderheiten Schikanen durch konservative Muslime ausgesetzt. In den letzten Jahren kam es zu einigen tätlichen Angriffen auf Landgemeinden der Ahmadis sowie zu mehreren Fällen von Vandalismus gegen buddhistische Tempel, christliche Kirchen und hinduistische Gemeinden (AA 23.8.2022). Gelegentlich kommt es zu Mob-Gewalt gegen Gebetshäuser religiöser Minderheiten. Gewalt gegen religiöse Minderheiten kann in den sozialen Medien vorsätzlich provoziert werden. Beispielsweise wurden im Juli 2022 Wohnstätten und Unternehmen im Besitz von Hindus Opfer von Vandalismus, ebenso ein Tempel im Dorf Sahapara. Dies geschah als offenkundige Reaktion auf ein Facebook-Posting, welches den Islam verunglimpft hatte (FH 2023).
Die Regierung ist bemüht, die Übergriffe auf religiöse Minderheiten zu unterbinden. Dennoch scheint die Polizei nicht in der Lage zu sein, religiöse Minderheiten effektiv vor Übergriffen zu schützen. Religiöse Umzüge, Feste und Gotteshäuser werden durch Sicherheitskräfte geschützt. Wo es zu Übergriffen kommt, ist nicht generell von einem rein religiösen Hintergrund auszugehen. Oft sind es auch Übergriffe krimineller Banden, welchen wirtschaftliche oder soziale Motive zugrunde liegen (ÖB New Delhi 11.2022).
Im täglichen Leben sehen sich Angehörige religiöser Minderheiten Diskriminierungen ausgesetzt (ÖB New Delhi 11.2022). Es gibt eine sichtbare und eine versteckte Art der Diskriminierung von Hindus in Bangladesch. Eine lange Geschichte von Unterdrückung und Gewalt hat zu einer massiven Reduktion des hinduistischen Bevölkerungsanteils geführt (AA 23.8.2022). Religiöse Minderheiten sind außerdem in hohem Maße von Landraub betroffen [siehe dazu auch Kapitel Ethnische Minderheiten] (ACN 2021). Landenteignung ("land grabbing") und Umsiedlung sind wohl eine der Hauptursachen für die starke Abwanderung von Hindus (ÖB New Delhi 11.2022) in das Nachbarland Indien, die seit Jahrzehnten erfolgt (AA 23.8.2022).
Religionswechsel, Missionierung sowie Austritt aus dem Islam sind gesetzlich erlaubt, aber in weiten Teilen der Gesellschaft verpönt und ziehen gesellschaftliche bzw. familiäre Ächtung nach sich (AA 23.8.2022). Konvertiten sind schwerwiegenden Einschränkungen, Diskriminierung und Angriffen ausgesetzt (OD 12.2022). Obwohl die Minderheiten das Recht auf freie Religionsausübung haben, werden religiöse Minderheiten gelegentlich aufgrund von Missionierung oder angeblicher Blasphemie [Gotteslästerung] rechtlich belangt (FH 2023). In Bangladesch gibt es kein Blasphemie-Gesetz. Das Strafgesetzbuch enthält jedoch den Tatbestand der Verletzung oder 'Beleidigung religiöser Gefühle' anderer (ACN 2021). Diesbezüglich werden Geld- oder Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verhängt. Das Strafgesetzbuch erlaubt der Regierung auch die Beschlagnahmung aller Exemplare von Zeitungen, Magazinen und anderen Veröffentlichungen, deren Inhalt Feindseligkeit und Hass zwischen den Bürgern schürt oder religiöse Überzeugungen verunglimpft (USDOS 2.6.2022). Ehen zwischen verschiedenen Religionszugehörigkeiten sind gesetzlich zugelassen (AA 23.8.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 12.4.2023
ACN – Aid to the Church in Need (2021): Religionsfreiheit Weltweit - Bericht 2021: Bangladesch, https://acninternational.org/religiousfreedomreport//wp-content/uploads/2021/04/Bangladesh-2.pdf, Zugriff 9.5.2023
FH – Freedom House (2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088488.html, Zugriff 18.4.2023
ÖB New Delhi – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Bangladesch Asylländerbericht, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_%C3%96B-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 12.4.2023
OD – Open Doors (12.2022): Bangladesh: World Watch List (WWL) 2023 Full Country Dossier, https://www.opendoors.org/persecution/reports/Full-Country-Dossier-Bangladesh-2023.pdf, Zugriff 9.5.2023
USDOS – US Department of State [USA] (2.6.2022): 2021 Report on International Religious Freedom: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2073986.html, Zugriff 21.4.2023
Relevante Bevölkerungsgruppen
LGBTQ+
Letzte Änderung 2023-06-13 13:59
In der durch islamisch-patriarchalische Traditionen geprägten Gesellschaft Bangladeschs sind LGBTQ+ diskreditiert (AA 23.8.2022) und Homosexualität ein Tabuthema (AA 23.8.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Weibliche Homosexualität ist ein absolutes „Nicht-Thema“ (AA 23.8.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Homosexuelle Handlungen stehen gemäß § 377 Strafgesetzbuch unter Strafe (AA 23.8.2022; vgl. DFAT 30.11.2022, HRW 12.1.2023). Die Strafen dafür reichen von 10 Jahren bis lebenslänglich (HRW 12.1.2023; vgl. ILGA 12.2020). Die Anwendung des § 377 Strafgesetzbuch wird angedroht, um Homosexuelle zu erpressen, regierungskritische Meinungsäußerungen zu verhindern oder die Anpassung an heterosexuelle Normen zu erzwingen (AA 23.8.2022). So berichten Mitglieder der LGBTI+-Gemeinschaft, dass die Polizei das Gesetz benutzt, um sie - oder aber auch Personen, die unabhängig von ihrer sexuellen Orientierung als LGBTQ+ wahrgenommen werden - zu schikanieren (USDOS 20.3.2023). Die strafrechtliche Durchsetzung des Verbots gelangt tatsächlich allerdings nur selten zur Anwendung (FH 10.3.2023; vgl. AA 23.8.2022, DFAT 30.11.2022). Vermutlich weil die LGBTQ+-Gemeinschaft verborgen agiert (DFAT 30.11.2022).
Traditionell tendiert die Bevölkerung zu einer gemäßigten Ausübung des Islam, die Sexualmoral ist allerdings konservativ. Homosexualität ist absolut verpönt und wird von den Betroffenen nicht offen gelebt (ÖB New Delhi 11.2022). Fast alle LGBTQ+-Personen in Bangladesch halten ihre sexuelle Orientierung oder Geschlechtsidentität geheim. Die sozialen und kulturellen Möglichkeiten für LGBTQ+-Personen in Bangladesch sind stark eingeschränkt, weshalb viele LGBTQ+-Personen ins Ausland fliehen. Diejenigen, die bleiben, verwenden aufgrund kultureller Tabus, die offene Diskussionen über LGBTQ+-Themen untersagen, eine eigene Slang-Sprache (DFAT 30.11.2022). Wo Homosexuelle als solche erkannt werden, haben sie mit gesellschaftlicher Diskriminierung, in Einzelfällen auch mit Misshandlungen bis hin zu Mord (insbesondere vor dem Hintergrund steigender Islamisierung) zu rechnen (ÖB New Delhi 11.2022). Schwule Männer und Lesben stehen unter starkem familiären und sozialen Druck, heterosexuelle Ehen einzugehen (DFAT 30.11.2022). Aktivisten berichten, dass sogenannte Konversionstherapien weit verbreitet sind. Laut Aussagen lesbischer Frauen und schwuler Männer wurden sie z.B. von ihren Eltern in Drogenrehabilitationszentren oder zu Beruhigungsmitteln gezwungen. Die Regierung verurteilt diese Praktiken nicht (USDOS 20.3.2023).
LGBTQ+-Personen werden regelmäßig angegriffen (FH 10.3.2023; vgl. AA 23.8.2022). Lesben, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Personen sowie ihre Fürsprecher sehen sich Gewalt und Drohungen ausgesetzt, ohne angemessenen Schutz durch die Polizei (HRW 12.1.2023). Drohbotschaften erfolgen z.B. auch per Telefon, SMS und über soziale Medien (USDOS 20.3.2023). Derartige Drohungen gehen auch von religiöse Extremisten aus. Homophobe Hassreden sind in den sozialen Medien verbreitet (DFAT 30.11.2022). Druck und Einschüchterung durch islamistische Gruppen schränken auch Aktivitäten von NGOs zu einigen Themen wie LGBTI Rechte ein (FH 10.3.2023). Es gibt nur sehr wenige LGBTQI+-Organisationen, insbesondere für Lesben (USDOS 20.3.2023).
Eine besondere Rolle kommt dem „dritten Geschlecht“ zu, den sogenannten Hijras, nämlich Eunuchen, Transsexuellen und Intersexuellen (AA 23.8.2022). Mitglieder der Hirja Commuinity identifizieren sich weder als männlich noch als weiblich und sind als eigene Geschlechtsidentität in Bangladesch klassifiziert (FH 10.3.2023). Aus der Perspektive des indischen Subkontinents sind Hijras keine Transgender, sondern Cisgender (Syed, R. o.D.). Der Begriff "Hijra" ist somit nicht gleichbedeutend mit dem Begriff "Transgender". Es ist möglich, eine Transgender-Frau zu sein, die nicht Teil der Hijra-Kultur oder Gemeinschaft ist (DFAT 30.11.2022). Einige Transgender-Frauen im Land identifizieren sich als Hijra, weil sie sich der Hijra-Subkultur verbunden fühlen oder mehr sozialen Schutz wünschen. Einige konservative Geistliche verurteilen die Transgender-Gemeinschaft, aber unterscheiden sie deutlich von der Hijra-Identität, wobei letztere für sie tolerierbar ist, während ersteres inakzeptabel bleibt (USDOS 20.3.2023).
Hijras sind aufgrund einer langen Tradition auf dem indischen Subkontinent im Bewusstsein der Gesellschaft präsent und quasi etabliert. Dieser Umstand schützt sie jedoch nicht vor Übergriffen und gesellschaftlicher Diskriminierung (AA 23.8.2022). Für Transgender-Personen sind einige rechtliche Anerkennungen vorhanden, jedoch werden sie in der Praxis stark diskriminiert (FH 10.3.2023). So anerkennt die Regierung Hijras als drittes Geschlecht, allerdings bleibt es in der Praxis für diese schwierig, Zugang zu medizinischer Versorgung und anderen staatlichen Dienstleistungen zu erhalten, ein Problem, das sich während der Covid-19-Pandemie weiter verschärfte (ÖB New Delhi 11.2022). Laut Transgender Aktivisten führt die Regierung in einigen Fällen Genitaluntersuchungen bei Hijra durch, bevor sie ihnen Zugang zu Dienstleistungen gewährt (USDOS 20.3.2023). Auch wenn sie eine akzeptierte Rolle in der Gesellschaft Bangladeschs innehaben und viele Hijras in organisierten Gemeinschaften leben, die sich seit Generationen erhalten haben, bleiben sie trotzdem marginalisiert (DFAT 30.11.2022). Die Akzeptanz von Hijras innerhalb der Familie ist im Allgemeinen gering, und sie haben keine Erbrechte gemäß den Bestimmungen der Scharia (DFAT 30.11.2022).
Pässe und Ausweisdokumente, einschließlich Wählerregistrierungsformularen, enthalten die Möglichkeit, "X" oder "Hijra" als drittes Geschlecht auszuwählen. Die nationale Volkszählung, die im Laufe des Jahres durchgeführt wurde, enthielt eine Kategorie für das "dritte Geschlecht". Obwohl die Regierung einige Fortschritte bei der Förderung der sozialen Akzeptanz von Hijra-Personen gemacht hat, unternimmt sie nur begrenzte Anstrengungen, um die Rechte anderer in der LGBTQI+-Gemeinschaft zu fördern, und bietet für diese keine rechtliche Anerkennung an (USDOS 20.3.2023).
Die gesellschaftliche Diskriminierung von Frauen, wie auch von LGBTQ+-Personen, schränkt die Beteiligung an der Politik in der Praxis ein (FH 10.3.2023). 2019 wurde erstmals eine Vertreterin der Hijras ins Parlament gewählt (AA 23.8.2022). Die Stadt Trilochanpur wählte Ende 2021 einen Bürgermeister aus der Hijra-Community (FH 10.3.2023).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 12.5.2023
DFAT - Australian Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (30.11.2022): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2086697/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 12.5.2023
FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/document/2088488.html, Zugriff 12.5.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085390.html, Zugriff 12.5.2023
ILGA – International Lesbian, Gay, Bisexual, Trans and Intersex Association(12.2020): State-Sponsored Homophobia; Global Legislation Overview Update 2020 (Autor: Mendos, Lucas Ramon) https://www.ecoi.net/en/file/local/2044751/ILGA_World_State_Sponsored_Homophobia_report_global_legislation_overview_update_December_2020.pdf, Zugriff 22.5.2023
ÖB New Delhi – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/document/2090012.html, Zugriff 12.5.2023
Syed, Renate (o.D.): „Nicht Mann, nicht Frau“ Hijras: Indiens drittes Geschlecht, https://www.renate-syed.de/nicht-mann-nicht-frau, Zugriff am 22.5.2023
USDOS – United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/document/2089131.html, Zugriff 12.5.2023
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung 2023-06-13 14:04
Die Verfassung garantiert den Bürgern das Recht, sich im gesamten Staatsgebiet frei zu bewegen, sich an jedem beliebigen Ort in Bangladesch aufzuhalten und niederzulassen sowie das Land zu verlassen bzw. wieder zurückzukehren (DFAT 30.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, FH 10.3.2023). Ausnahmen bestehen jedoch für folgende sensible Gebiete: die Chittagong Hill Tracts (CHT), die Rohingya-Flüchtlingslager in Cox's Bazar (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 23.8.2023, FH 10.3.2023) und die Insel Bhasan Char im Golf von Bengalen (USDOS 20.3.2023).
Die CHT-Distrikte sind ein stark militarisiertes Gebiet und der Zugang zu großen Teilen ist eingeschränkt. Militärische Kontrollpunkte verhindern die freie Bewegung selbst für die lokale Bevölkerung (DFAT 30.11.2022). Hinsichtlich der Wahl der Ausbildung oder des Arbeitsplatzes gibt es nur wenige gesetzliche Beschränkungen (FH 10.3.2023). Faktisch migriert jährlich eine große Zahl von Menschen vom Land in die Großstädte wie Dhaka und Chittagong. Es handelt sich hierbei teilweise um Klimaflüchtlinge, deren Lebensgrundlage entzogen wurde und teilweise um Arbeitssuchende, die hoffen, insbesondere in der Textilindustrie Anstellung zu finden. Neuankömmlinge fallen wegen fehlender familiärer Bindungen und aufgrund der engen Nachbarschaftsverhältnisse auf. Dies setzt der Anonymität auch in Städten gewisse Grenzen (AA 23.8.2022). Das DFAT geht davon aus, dass Frauen ohne Zugang zu Familie oder anderen Unterstützungsnetzwerken mehr Schwierigkeiten bei der Umsiedlung haben als Männer, insbesondere wenn sie arm oder alleinstehend sind oder geschlechtsspezifische Gewalt erlitten haben (DFAT 30.11.2022).
Frauen brauchen keine Erlaubnis ihrer Väter oder Ehemänner, um zu reisen. Minderjährige über zwölf Jahren brauchen keinen gesetzlichen Vertreter, um einen Pass zu beantragen. Sie dürfen auch alleine reisen, bedürfen dazu aber eines speziellen, von einem Elternteil unterschriebenen Formulars. Personen, die in der Vergangenheit bereits ihren Pass verloren haben, bekommen allerdings oft nur Reisepässe ausgestellt, die für wenige Monate gültig sind. Ein Ausreiseverbot besteht für Personen, welche verdächtigt werden, an den Kriegsverbrechen während des Unabhängigkeitskrieges 1971 beteiligt gewesen zu sein (ÖB New Delhi 11.2022).
Ein staatliches Meldewesen oder Staatsangehörigkeitsregister gibt es nicht (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. AA 23.8.2022).
Für Angehörige ethnischer oder religiöser Minderheiten dürften innerstaatliche Fluchtmöglichkeiten kaum vorhanden sein (ÖB New Delhi 11.2022; vgl. UKHO 3.2022). Indiz dafür ist auch die verstärkte Auswanderung religiöser Minderheiten Richtung Indien (ÖB New Delhi 11.2022). Dasselbe gilt im Falle von Verfolgung und/oder ernsthaftem Schaden durch den Staat (UKHO 3.2022). Aufgrund des Bevölkerungsreichtums und der nur schwach ausgeprägten staatlichen Strukturen dürfte allerdings insbesondere für Opfer lokaler politischer motivierter Verfolgung (ÖB New Delhi 11.2022) sowie bei Verfolgung durch nicht-staatliche Akteure das Ausweichen in andere Landesteile eine plausible Alternative sein. Für Atheisten bzw. Personen, die beschuldigt wurden, "die religiösen Gefühle verletzt" zu haben, ist eine Ausweichmöglichkeit in der Einschätzung des britischen Innenministerium allerdings wiederum unwahrscheinlich (UKHO 3.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Auswärtiges Amt – Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 25.4.2023
DFAT - Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (30.11.2022): Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2086697/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 28.4.2023
FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom House: Freedom in the World 2023 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088488.html, Zugriff 25.4.2023
ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_%C3%96B-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 25.4.2023
UKHO - UK Home Office [Vereinigtes Königreich] (3.2022): Country Policy and Information Note Bangladesh: Religious minorities and atheists, https://www.ecoi.net/en/file/local/2070685/BGD_CPIN_Religious_minorities_and_atheists.pdf, Zugriff 28.4.2023
USDOS – US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Reports on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089131.html, Zugriff 2.5.2023
Grundversorgung
Letzte Änderung 2023-06-13 14:20
Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich verbessert (AA 23.8.2022). Bangladesch hat in den letzten Jahren ein beträchtliches Wirtschaftswachstum erzielt und die Armut im Land erheblich reduzieren können (GIZ 31.12.2022). Den Rückschlag durch die Corona-Pandemie konnte Bangladesch sehr schnell wieder aufholen (BMZ 14.2.2023a; vgl. WB 6.4.2023). Im Durchschnitt ist die Wirtschaft in den letzten zwei Jahrzehnten jährlich um etwa sechs Prozent gewachsen (CIA 14.4.2023; vgl. WB 6.4.2023). Laut Weltbank erreichte Bangladesch 2015 den Status eines Landes mit niedrigem mittlerem Einkommen und es ist am Weg, 2026 von der UN-Liste der am wenigsten entwickelten Länder gestrichen zu werden (WB 6.4.2023).
Die Armutsbekämpfung bleibt jedoch eine der wichtigsten Aufgaben für die Regierung. Obwohl die Armutsquote in den letzten zwei Dekaden zurückging, leben weiterhin mindestens 20,5 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze (BMZ 14.2.2023a). Staatlicherseits gibt es Nahrungsmittel-, Düngemittel- und Treibstoffsubventionen. Außerdem gibt es ein ebenfalls extrem ineffizientes System der Nahrungsmittelausgabe mittels Rationskarten. Oft werden die für Arme vorgesehenen preisgestützten Lebensmittel aber illegal zu Marktpreisen verkauft. Die Bevölkerung ist auf die Versorgung durch ihre Familie und ihre Ersparnisse angewiesen (ÖB 11.2022). Gemäß Welthunger-Index 2022 (WHI) belegt Bangladesch Platz 84 von 121 Ländern und mit einem Wert von 19,6 auf dem WHI fällt es in die Schweregradkategorie "mäßig" (WHI 10.2022).
Bei der Grundversorgung der Bevölkerung sind somit noch große Defizite zu verzeichnen. Nur 59 Prozent der Menschen in Bangladesch Zugang zu einer sicher betriebenen Trinkwasserversorgung. Etwa ein Viertel der Erwachsenen kann nicht lesen und schreiben, etwa 25 Prozent der Bevölkerung nutzen das Internet (BMZ 14.2.2023a). Zur Stromnachfrage hat sich seit 2009 die Zahl der Haushalte mit Stromanschluss auf rund 43 Millionen fast vervierfacht - womit etwa 77 Prozent der rund 170 Millionen Einwohner Zugang zu Strom haben. Vor allem in den ländlichen Regionen sind aber viele Haushalte noch nicht an das Stromnetz angeschlossen (GTAI 28.6.2022).
2017 trugen die Landwirtschaft, Industrie und der Dienstleistungssektor jeweils geschätzt 14,2 Prozent, 29,3 Prozent und 56,5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Der landwirtschaftliche Sektor beschäftigt knapp die Hälfte der Gesamtbevölkerung (CIA 14.4.2023). Die offizielle Arbeitslosenrate lag 2022 laut der Internationalen Arbeitsorganisation bei lediglich 4,7 Prozent (ILO 11.2022). Formelle und organisierte Beschäftigung gibt es allerdings lediglich im staatlichen Bereich sowie bei größeren Unternehmen. 85 Prozent der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor. Für diese gibt es keine mit europäischen Verhältnissen vergleichbare soziale Absicherung, sei es durch ein System der Kranken-, Unfall-, Pensions- oder Arbeitslosenversicherung. Von ca. 70 Millionen Beschäftigten sind nur rund zwei Millionen gewerkschaftlich organisiert. Die Gewerkschaften sind stark politisiert oder von einzelnen Führern oder Unternehmen abhängig. Ein Streikrecht gibt es in Bangladesch nicht (ÖB 11.2022).
Arbeitsmigration, vornehmlich in die Golfstaaten und Malaysia, ist stark ausgeprägt (AA 23.8.2022; vgl. CIA 14.4.2023) und wird von der Regierung gefördert. Etwa zehn Millionen bangladeschische Staatsangehörige arbeiten im Ausland (AA 23.8.2022). Pro Jahr verlassen schätzungsweise bis zu 400.000 Personen Bangladesch zur legalen Beschäftigung im Ausland (hauptsächlich in Indien, Pakistan, Malaysia, Jordanien und den Golfstaaten). Nach Schätzungen des Germany Trade Invest dürften die für den privaten Konsum wichtigen Rücküberweisungen von im Ausland arbeitenden bangladeschischen Staatsbürgern im Jahr 2022 rund 21 Milliarden USD betragen (GTAI 16.12.2022). Die Migration wird durch das „Bureau of Manpower, Employment and Training“ gesteuert. Daneben existieren weitere Organisationen, die sich der Bedürfnisse der Wanderarbeiter vor Ausreise und nach Rückkehr annehmen (z.B. "BRAC", "Welfare Association of Bangladeshi Returnee Employees", "Bangladesh Migrant Centre", "Bangladesh Women Migrants Association"). Dachverband ist das "Bangladesh Migration Development Forum". Diese Organisationen werden aber auch bei zurückgeführten Personen aktiv (AA 23.8.2022).
Zunehmend ziehen mehr Menschen in die Städte. Die rasche Urbanisierung setzt die Städte unter Druck. Zugleich ist das Land vom Klimawandel betroffen. Überschwemmungen und Wirbelstürme treten öfter und stärker auf (GIZ 31.12.2022). Insbesondere informelle urbane Siedlungsgebiete (Slums) sind überschwemmungsgefährdet und es fehlt an Wohn- und Versorgungsinfrastruktur (BMZ 14.2.2023b). Darüber hinaus führen der Klimawandel und die Übernutzung von Ökosystemen zum Verlust der Artenvielfalt und zur Degradierung der Biotope. Der Nutzungsdruck auf die Land- und Meeresflächen steigt (GIZ 31.12.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 26.4.2023
BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (14.2.2023a): Soziale Situation, Das Wachstum erreicht nicht alle, https://www.bmz.de/de/laender/bangladesch/soziale-situation-10692, Zugriff 26.4.2023
BMZ - Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung [Deutschland] (14.2.2023b): Kernthema „Klima und Energie, Just Transition“, Energie effizienter nutzen und erneuerbare Energien ausbauen, https://www.bmz.de/de/laender/bangladesch/klima-und-energie-just-transition-10738, Zugriff 26.4.2023
CIA – Central Intelligence Agency [USA] (14.4.2023): The World Factbook – Bangladesh, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/bangladesh/#economy, Zugriff 26.4.2023
GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (31.12.2022): Bangladesch, https://www.giz.de/de/weltweit/351.html, Zugriff 26.4.2023
GTAI - Germany Trade Invest [Deutschland] (16.12.2022): Globale Krisen bremsen die Konjunktur, https://www.gtai.de/de/trade/bangladesch/wirtschaftsumfeld/globale-krisen-bremsen-die-konjunktur-255380, Zugriff 26.4.2023
GTAI - Germany Trade Invest [Deutschland] (28.6.2022): Auf der Suche nach dem richtigen Mix, https://www.gtai.de/de/trade/bangladesch/branchen/auf-der-suche-nach-dem-richtigen-mix-851414, Zugriff 26.4.2023
ILO - International Labour Organization (11.2022): Unemployment rate by sex and age -- ILO modelled estimates, Nov. 2022 (%) - Annual, https://www.ilo.org/shinyapps/bulkexplorer41/?lang=en segment=indicator id=UNE_2EAP_SEX_AGE_RT_A, Zugriff 26.4.2023
ÖB New Delhi – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/document/2090012.html, Zugriff 11.5.2023
WB - World Bank (6.4.2023): The World Bank in Bangladesh, https://www.worldbank.org/en/country/bangladesh/overview, Zugriff 24.4.2023
WHI - Welthunger-Index (10.2022): Welthunger-Index 2022: Bangladesch, https://www.globalhungerindex.org/pdf/de/2022/Bangladesh.pdf, Zugriff 26.4.2023
Sozialbeihilfen
Letzte Änderung 2023-06-13 14:23
Bei regionaler Nahrungsmittelknappheit werden von der Regierung Bezugsscheine für staatliche Nothilferationen bzw. subventionierte Lebensmittel ausgegeben. Sonstige staatliche Hilfe für bedürftige Personen gibt es nicht (AA 23.8.2022). Aufgrund des Fehlens eines staatlichen Sozialversicherungssystems muss allgemein auf Hilfe innerhalb von Familienstrukturen zurückgegriffen werden. Dies gilt auch für die Absicherung alter und behinderter Menschen (ÖB 11.2022). Nicht-staatliche Unterstützung durch religiös ausgerichtete Wohltätigkeitsvereine und andere NGOs kann in Anbetracht der hohen Bevölkerungszahl nur einem kleinen Teil der Bedürftigen geleistet werden. Eine flächendeckende soziale Absicherung besteht nicht (AA 23.8.2022).
Eine Alterspension in der Höhe von monatlich 500 Taka [ca. 4 Euro] wird an Männer über 65 und Frauen über 62 Jahren mit Wohnsitz in Bangladesch ausgezahlt, wobei nur ein Familienmitglied eine Pension beziehen kann. Eine Behindertenpension beträgt monatlich 700 Taka [ca. 6 Euro], wobei die Bezugsberechtigung durch eine Kommission festgestellt wird. Im Falle einer Krankheit wird das Gehalt zu 100 Prozent für insgesamt 14 Tage jährlich ausbezahlt. Mütter erhalten den Durchschnitt ihres Gehalts der letzten drei Monate vor der Ankündigung der Schwangerschaft für den Zeitraum von acht Wochen vor bis acht Wochen nach der Geburt, für insgesamt zwei Lebendgeburten, ausbezahlt; ab der dritten Geburt ist keine Unterstützung vorgesehen. Bei temporärer Behinderung nach einem Arbeitsunfall werden 100 Prozent des Gehaltes für zwei Monate, danach 2/3 für die nächsten zwei Monate, danach die Hälfte des Gehaltes bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren bezahlt. Bei permanenter Behinderung in Folge eines Arbeitsunfalles wird ein Fixbetrag von 125.000 Taka [ca. 1.074 Euro] bezahlt. Es gibt keine staatliche Arbeitslosenunterstützung, Unternehmen müssen eine Kündigungsabfindung in der Höhe von 30 Tagesgehältern pro Jahr Firmenzugehörigkeit bezahlen (USSSA 3.2019). 85 Prozent der Beschäftigten arbeiten allerdings im informellen Sektor. Für diese gibt es keine mit europäischen Verhältnissen vergleichbare soziale Absicherung (ÖB 11.2022)
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (21.6.2020): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 26.4.2026
ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_%C3%96B-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 26.4.2023
USSSA – United States Social Security Administration [USA] (3.2019): Social Security Programs Throughout the World: Asia and the Pacific, 2018, https://www.ecoi.net/en/file/local/2005488/bangladesh.pdf, Zugriff 26.4.2023
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2023-06-13 14:29
Alle Bürger Bangladeschs haben das Recht auf den Zugang zu öffentlichen Gesundheitseinrichtungen (WHO 2021a). Die Finanzierung des Gesundheitswesens erfolgt vollständig über das allgemeine Steuersystem der Regierung (ANN 23.9.2022). Doch ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht (AA 23.8.2022; vgl. ÖB 11.2022).
Das Gesundheitssystem in Bangladesch besteht aus vier Hauptkomponenten: dem öffentlichen (staatlichen) Sektor, dem privaten Sektor, den Nichtregierungsorganisationen und einem "informellen" Sektor (UKHO 7.2022; vgl. WHO 11.1.2023). Das staatliche Gesundheitssystem ist vor allem in der Primärversorgung mit kleinen - meist schlecht ausgestatteten - ambulanten Kliniken (Upazila Health Complexes) aktiv (GTAI 1.7.2022; vgl. WHO 11.1.2023), wobei jede von ihnen etwa 6.000 Menschen versorgt (WHO 11.1.2023). Die nächste Ebene sind die Gesundheits- und Familienfürsorgezentren der Union, die Gesundheitsdienste für Mütter und Kinder sowie eine begrenzte kurative Versorgung anbieten. Auf der Upazila- und Distriktebene gibt es Upazila-Gesundheitskomplexe (Krankenhäuser mit 50 Betten) und Distriktkrankenhäuser (250 Betten). Auf tertiärer Ebene bieten medizinische Hochschulen und Postgraduierten-Institute ein breites Spektrum an spezialisierten Dienstleistungen an (WHO 11.1.2023). Überlebensnotwendige Maßnahmen können in Krankenhäusern und anderen medizinischen Einrichtungen in der Hauptstadt Dhaka sowie in Sylhet, Chittagong und Barishal durchgeführt werden (AA 23.8.2022).
Einige teure Privatkliniken, die bei der sekundären und tertiären Versorgung (GTAI 1.7.2022) dominieren, bieten bessere Dienstleistungen (DFAT 30.11.2022) nach internationalem Ausstattungsstand an. Die Behandlung in diesen Krankenhäusern ist den zahlungsfähigen Patienten vorbehalten (AA 23.8.2022; vgl. ÖB 11.2022). Ferner bestehen private Arztpraxen, deren Inhaber häufig im Ausland ausgebildet wurden (AA 23.8.2022). Viele Gesundheitseinrichtungen werden auch von Entwicklungspartnern und NGOs bereitgestellt (DFAT 30.11.2022; vgl. AA 23.8.2022, WHO-SEAJPH 2.2021).
Ende 2019 wurden 5.300 private Kliniken und Krankenhäuser mit insgesamt 91.000 Betten verzeichnet. Darüber hinaus gab es 2019 rund 250 staatliche Krankenhäuser mit 55.000 Betten. Zwar lag Bangladesch mit 0,8 Klinikbetten pro 1.000 Einwohner knapp über dem Durchschnitt aller LDC (Least Developed Countries)-Staaten, aber noch weit unter dem globalen Mittelwert von drei Betten pro 1.000 Personen (GTAI 1.7.2022; vgl. BIDA o.D.).
Außerhalb der Städte ist die medizinische Versorgung nicht gewährleistet (BMEIA 9.3.2023; vgl. DFAT 30.11.2022). Schätzungsweise erreichen lediglich 12 Prozent aller schweren Krankheitsfälle das staatliche Gesundheitssystem (ÖB 11.2022). Der Großteil der armen Landbevölkerung ist auf Selbsthilfe oder private Hilfsinitiativen angewiesen (ÖB 11.2022), während wohlhabende Bangladescher und westliche Ausländer bei Erkrankungen häufig das regionale Ausland vorziehen (AA 23.8.2022).
Gemäß Schätzung der WHO sind etwa 68 Prozent der gesamten Gesundheitsdienstleister qualifiziert und anerkannt. Im Gegensatz dazu machen unqualifizierte bzw. nicht anerkannte Gesundheitsdienstleister, wie z. B. traditionelle Heiler oder Verkäufer von Heilmitteln und ähnliche Anbieter, die verbleibenden 32 Prozent des nationalen Gesundheitspersonals aus. Laut WHO stehen für das gesamte Land 531.454 anerkannte Gesundheitsfachkräfte (staatliche und nicht-staatliche), davon 184.691 Ärzte, 276.684 medizinisch-technische Fachkräfte und 53.204 persönliche Pflegekräfte zur Verfügung. Davon werden die Beschäftigten im staatlichen Sektor auf rund 137.932 und im nicht-staatlichen auf 393.522 geschätzt. Im Jahr 2020 wies Bangladesch eine Dichte von 9,9 Ärzten, Krankenschwestern und Hebammen pro 10.000 Einwohner auf: eine Zahl, die weit unter dem weltweiten Durchschnitt von 48,6 liegt. Die Dichte des anerkannten Gesundheitspersonals (sowohl staatlich als auch nicht-staatlich) ist in städtischen Gebieten höher als in ländlichen Gebieten (WHO 2021b). Es sind mehr Ärzte als Krankenschwestern im Dienst. Mit einem Verhältnis von 1:0,6 zwischen Ärzten und Krankenschwestern liegt das Land unter dem internationalen Standard von 1:3 für die Krankenschwestern-/Hebammendichte (WHO 11.1.2023).
Die Qualität der Gesundheitsversorgung ist im Allgemeinen dürftig (DFAT 30.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Sie entspricht nicht den europäischen Standards (BMEIA 9.3.2023; vgl. AA 4.5.2023). Zu den Problemen, die den Zugang zur Gesundheitsversorgung beeinträchtigen, zählen u. a. die geringe Personalausstattung, fehlende finanzielle Mittel, Korruption, fehlende Einrichtungen, hohe Kosten aus eigener Tasche und ein hohes Maß an Armut (DFAT 30.11.2022). Die medizinische Versorgung im Lande ist vielfach technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch (AA 4.5.2023).
Im Zuge der COVID-Krise hat sich das Gesundheitssystem des Landes, obwohl die Pandemie erst sehr spät in Bangladesch ankam und somit genügend Zeit zur Vorbereitung bestand, als völlig überlastet erwiesen bzw. als unfähig, mit der Pandemie umzugehen (ÖB 11.2022; vgl. DFAT 30.11.2022). Impfstoffe und Sauerstoff wurden von Entwicklungspartnern gespendet, aber waren nicht für alle Bangladescher verfügbar (DFAT 30.11.2022). Doch auch schon vor der Coronakrise wurden die meisten öffentlichen Krankenhäuser jenseits ihrer Kapazitätsgrenzen betrieben (GTAI 1.7.2022).
Bangladesch produziert preisgünstige Medikamente (Generika) für den lokalen Markt sowie für den Export. Der heimische Markt wird weitgehend von den lokalen Produzenten bedient (AA 23.8.2022). Die lokale Pharmaindustrie liefert 98 Prozent aller für das Land wichtigen Arzneimittel (WHO 11.1.2023). Die Versorgung mit Medikamenten ist aber auch durch Importmöglichkeiten gewährleistet (AA 23.8.2022).
Für Menschen mit Behinderungen, ob Kinder oder Erwachsene, gibt es wenige Dienste. Die Vorhandenen sind oft nicht barrierefrei. Die Einrichtungen der psychischen Gesundheit und zur Behandlung psychischer Erkrankungen - inklusive grundlegender psychiatrischer Medikamente - sind unzureichend (DFAT 30.11.2022; vgl. AA 23.8.2022). Es gibt zwei spezialisierte psychiatrische Krankenhäuser: das Pabna Mental Hospital mit 500 Betten und das National Institute of Mental Health mit 400 Betten. In allgemeinen Krankenhäusern, medizinischen Hochschulen und Universitäten befinden sich 62 stationäre psychiatrische Abteilungen mit insgesamt 195 Betten. Es gibt 15 Betten in forensischen Abteilungen und einige Tausend Betten in stationären Einrichtungen wie Heimen für Mittellose, stationären Entgiftungszentren und Heimen für Menschen mit chronischen psychischen Erkrankungen und neurologischen Behinderungen. Gemäß dem Atlas der psychischen Gesundheit 2020 und dem Nationalen Strategieplan für psychische Gesundheit 2020-2030 gibt es im Land ambulante Einrichtungen für psychische Gesundheit. Die psychosozialen Dienste im Rahmen der Primärversorgung müssen WHO zufolge ausgebaut werden. Shishu Bikash Kendras (SBKs) sind in 34 medizinischen Universitätskliniken und einem Bezirkskrankenhaus eingerichtet. Diese konzentrieren sich auf die umfassende Versorgung von Autismus und neurologischen Entwicklungsstörungen, einschließlich Einrichtungen für die Diagnose und Behandlung von Epilepsie, wie sie im Nationalen Strategieplan für neurologische Entwicklungsstörungen vorgesehen sind. Schließlich befassen sich auch NGOs wie die Shuchona Foundation in Zusammenarbeit mit den Gemeinden mit Autismus, psychischer Gesundheit und Behinderungen (WHO 6.9.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Auswärtiges Amt_Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 10.5.2023
AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland [Deutschland] (4.5.2023): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise (Stand: 10.5.2023), https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292#content_0, Zugriff 10.5.2023
ANN - Asia News Network (23.9.2022): How Bangladesh can achieve universal health coverage, https://asianews.network/how-bangladesh-can-achieve-universal-health-coverage/, Zugriff 10.7.2023
BANG - Bangladesh Labour Act [Bangladesch] (2006): Bangladescher Arbeitsgesetz, https://www.google.com/url?sa=t rct=j q= esrc=s source=web cd= cad=rja uact=8 ved=2ahUKEwiklK2qvrj-AhUvQ_EDHetFBqEQFnoECBIQAQ url=https%3A%2F%2Fwww.ilo.org%2Fdyn%2Fnatlex%2Fdocs%2FELECTRONIC%2F76402%2F110637%2FF-1265526237%2FBGD76402%2520Eng.pdf usg=AOvVaw1tXoeInWPf-5tkofqzMLlT, Zugriff 10.5.2023
BIDA- Bangladesh Investment Development Authority (o.D.): Healthcare, https://bida.gov.bd/healthcare#:%7E:text=The%20Bangladesh%20healthcare%20sector%20comprises%20of%20hospitals%2C%20clinics%2C,trials%2C%20outsourcing%2C%20telemedicine%2C%20and%20medical%20devices%20and%20equip, Zugriff 10.5.2023
BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (9.3.2023): Reise Services, Reiseinformation, Bangladesch (Volksrepublik Bangladesch) (Stand: 10.5.2023), https://www.bmeia.gv.at/reise-services/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 10.5.2023
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (30.11.2022): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2086697/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 10.5.2023
GTAI - Germany Trade Invest [Deutschland] (1.7.2022): Der Gesundheitssektor wird ausgebaut, https://www.gtai.de/de/trade/bangladesch/branchen/der-gesundheitssektor-wird-ausgebaut-850672, Zugriff 10.5.2023
ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_%C3%96B-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 10.5.2023
UKHO - United Kingdom Home Office (7.2022): Country Policy and Information Note Bangladesh: Medical treatment and healthcare [Version 2.0], https://www.ecoi.net/en/file/local/2076101/Country_Policy_and_Information_Note_Bangladesh_Medical_treatment_and_healthcare.pdf, Zugriff 10.5.2023
USDOS - United States Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089131.html, Zugriff am 10.5.2023
WHO - World Health Organization (11.1.2023): WHO Bangladesh Country Cooperation Strategy: 2020–2024, https://apps.who.int/iris/rest/bitstreams/1487313/retrieve, Zugriff 10.5.2023
WHO - World Health Organisation (6.9.2022): Addressing mental health in Bangladesh, https://apps.who.int/iris/rest/bitstreams/1481714/retrieve, Zugriff 10.5.2023
WHO - World Health Organization (2021a): Health Financing Progress Matrix assessment, Bangladesh 2021, Summary of findings and recommendations, https://www.google.com/url?sa=t rct=j q= esrc=s source=web cd= ved=2ahUKEwjml92poZX-AhXDVvEDHa2dD3YQFnoECAcQAQ url=https%3A%2F%2Fapps.who.int%2Firis%2Frest%2Fbitstreams%2F1429259%2Fretrieve usg=AOvVaw09heqrJ_CE7tX_RgSl-JIN, Zugriff 10.5.2023
WHO - World Health Organization (2021b): Assessment of Healthcare Providers in Bangladesh 2021, https://cdn.who.int/media/docs/default-source/searo/bangladesh/assessment-of-healthcare-providers-in-bangladesh-2021.pdf, Zugriff 10.5.2023
WHO-SEAJPH - World Health Organization South-East Asia Journal of Public Health (2.2021): Maintaining essential health services during the pandemic in Bangladesh: the role of primary health care supported by routine health information system, https://apps.who.int/iris/bitstream/handle/10665/351493/SEAJPH2021V10S1P93-eng.pdf?sequence=1 isAllowed=y, Zugriff 10.5.2023
Rückkehr
Letzte Änderung 2023-06-14 15:49
Die Rückkehr bangladeschischer Staatsangehöriger unterliegt keinen rechtlichen Beschränkungen (AA 23.8.2023). Es ist bisher nicht bekannt geworden, dass sich Rückkehrer aufgrund der Stellung eines Asylantrages staatlichen Maßnahmen ausgesetzt sahen (AA 23.8.2023; vgl. ÖB New Delhi 11.2022, DFAT 30.11.2022).
Staatliche Repressionen nach Rückkehr wegen oppositioneller Tätigkeiten im Ausland (z.B. Demonstrationen und Presseartikel) sind nicht bekannt (AA 23.8.2022). Auch dem DFAT sind keine Fälle bekannt, in denen Rückkehrer an den Grenzen des Landes wegen politischer Aktivitäten im Ausland inhaftiert wurden. Allenfalls könnte die Einreise nach Bangladesch bei Vorliegen eines bestimmten politischen Profils des Rückkehrers vermerkt werden (DFAT 30.11.2022). Soweit Kritiker der Regierung oder rivalisierender politischer Parteien in Bangladesch selbst gefährdet waren, gilt dies auch für deren eventuelle Rückkehr. Hinweise auf eine systematische Verfolgung gibt es jedoch nicht. Durch den massiven neuerlichen Wahlsieg der Regierungspartei 2018 hat sich das repressive Klima allerdings merklich verschlechtert. In diesem Sinne wurden zahlreiche Oppositionelle, die sich im Ausland aufhalten, zu hohen - teilweise lebenslangen - Haftstrafen bzw. sogar zum Tode verurteilt. Im Zuge einer Rückkehr würden diese Strafen freilich vollstreckt werden. Grundsätzlich kommt es bei oppositioneller Betätigung innerhalb Bangladeschs darauf an, ob die lokal oder sachlich zuständigen Behörden von der Regierung oder von der Opposition kontrolliert werden. Die Behörden sind in der Regel keine neutralen Akteure, sondern unterstützen die politischen Ziele der jeweiligen Machthaber. Dies gilt auch im Falle falscher Anzeigen bzw. sonstiger Verfolgung von Anhängern der politischen Opposition, wobei in letzter Zeit mit Stand November 2022 aufgrund der mangelnden Relevanz kaum mehr Berichte über eine politische Verfolgung der Oppositionsanhängerschaft auftauchen (ÖB New Delhi 11.2022).
Die "International Organization for Migration" (IOM) kennt keine Fälle, in denen eine rückgeführte Person misshandelt wurde. In einigen seltenen Fällen wurden die Rückkehrer zu einem sogenannten "General Diary" gebeten. Nach IOM-Angaben handelt es sich dabei um ein ca. halbstündiges Gespräch mit der Immigrationsbehörde, die die Daten des Rückkehrers aufnimmt und ihn zum Auslandsaufenthalt befragt. IOM sind bislang keine Fälle bekannt geworden, in denen dem Rückkehrer ein Nachteil entstanden ist (AA 23.8.2022). Da Bangladesch ein Land mit einer sehr großen Diaspora und einer ausgeprägten Abwanderungskultur ist und Zehntausende jedes Jahr das Land verlassen oder wieder einreisen, hat die Regierung weder die Kapazität noch das Interesse, jede einzelne dieser Personen zu kontrollieren oder zu überwachen (DFAT 22.11.2022).
Sofern es sich um Opfer von Schlepperei handelt, können diese nicht mit staatlicher Unterstützung rechnen (ÖB New Delhi 11.2022).
Auch wenn "erfolglose Rückkehrer" von ihren Familien und lokalen Gemeinschaften als Schandfleck betrachtet werden (ÖB New Delhi 11.2022), sind familiäre und verwandtschaftliche Unterstützung andererseits für die Rückkehrer maßgeblich und dienen als Auffangnetz in einer kritischen Lebensphase. Rückkehrer sind aufgrund der großen Familien, enger, weitverzweigter Verwandtschaftsverhältnisse und noch intakter nachbarschaftlicher bzw. dörflicher Strukturen in der Regel nicht auf sich allein gestellt. IOM spricht in diesem Zusammenhang von der wichtigen Rolle der „social networks of family and neighbourhoods“, denen eine wichtige inoffizielle Schutzfunktion zukomme (AA 23.8.2022).
Für freiwillige Rückkehrer bieten die Joint Reintegration Services (JRS) von FRONTEXReintegrationsunterstützung. Diese umfasst ein post-arrival-Paket im Wert von € 615, das der unmittelbaren Unterstützung nach der Ankunft im Heimatland dient und u.a. eine temporäre Unterkunft bis zu drei Tagen sowie unmittelbare medizinische Unterstützung beinhaltet. Sofern keine oder weniger Sofortleistungen in Anspruch genommen werden, wird der anteilige Betrag von € 615 vom lokalen Partner in bar ausbezahlt. Darüber hinaus wird im Rahmen einer längerfristigen Reintegrationsunterstützung ein Post-Return Paket in der Höhe von € 2.000 ausgegeben. Die Rückkehrwilligen erhalten Sachleistungen auf Grundlage eines Reintegrationsplans, der mithilfe der lokalen Partnerorganisation in den ersten sechs Monaten nach der Rückkehr erstellt wird. Sie umfassen unter anderem Unterstützung bei der Gründung eines Kleinunternehmens, Unterstützung beim Eintritt in den Arbeitsmarkt sowie bei der Einschulung mitausreisender Kinder, weiters Bildungsmaßnahmen und Trainings, rechtliche administrative Beratungsleistungen, Familienzusammenführung, medizinische und psychosoziale Unterstützung sowie Unterstützung im Zusammenhang mit Wohnen und Haushalt (BMI o.D.).
Unbegleitete Minderjährige Flüchtlinge (UMF)
Es gibt staatliche Aufnahmeeinrichtungen/Waisenhäuser für Minderjährige. Hierbei muss eine finanzielle Unterstützung für die Unterbringung, Verpflegung, Schulgeld, Kleidung etc. der Jugendlichen von dritter Seite bereitgestellt werden. Zuständig ist das "Ministry of Women and Children Affairs". Nach Auskunft von IOM können auch über die Organisation "Bangladesh National Womens Lawyers Association" (BNWLA) Aufnahmeeinrichtungen vermittelt werden (AA 23.8.2022) [Anmerkung: Zur allgemeinen Lage von Kindern/Minderjährigen, inkl. Hilfsprogramme siehe Kapitel Kinder].
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Auswärtiges Amt – Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 24.4.2023
DFAT - Australian Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (22.11.2022): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2086697/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 12.6.2023
ÖB New Delhi – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_%C3%96B-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 24.4.2023
BMI - Bundesministerium für Inneres [Österreich]: Return from Austria - Bangladesch, https://www.returnfromaustria.at/bangladesh/bangladesh_deutsch.html, Zugriff 12.6.2023
Dokumente
Letzte Änderung 2023-06-13 14:32
Die Registrierung von Geburten ist zwar obligatorisch, dennoch werden nicht alle Geburten registriert. Die Ausstellung erfolgt außerdem nicht nach festgelegten Verfahren, und die Zuverlässigkeit der Bescheinigungen ist gering. Geburts-, Heirats- und Sterbeurkunden werden in verschiedenen Teilen des Landes in Papierform aufbewahrt und sind nur sehr schwer zu verifizieren. Es ist nicht ungewöhnlich, dass in Dokumenten, die sich auf ein und dieselbe Person beziehen, z. B. eine Geburts- und eine Heiratsurkunde derselben Person, unterschiedliche Angaben eingetragen sind, z.B. eine andere Schreibweise eines Namens oder ein anderes Geburtsdatum. Dies kann auf Betrug zurückzuführen sein, aber auch auf mangelhafte Aufzeichnungspraktiken oder Schreibfehler wie Tipp- oder Transkriptionsfehler (DFAT 30.11.2022).
Alle Bürger über 18 Jahre müssen eine von der Wahlkommission von Bangladesch (BEC) ausgestellte nationale Identitätskarte (NIC) besitzen. Seit 2016 werden "Smart NICs" ausgestellt. Die Karten sind maschinenlesbar und enthalten verschiedene biometrische Informationen über einen Bürger, die in einen Mikrochip eingebettet sind. Viele ältere Karten ohne Sicherheitsmerkmale sind allerdings ebenfalls noch in Gebrauch (DFAT 30.11.2022).
Verfälschungen, Fälschungen und Handel mit jeder Art von Dokumenten sind weit verbreitet und mittels persönlicher Beziehungen oder Bestechung ohne größeren Aufwand zu beschaffen (AA 23.8.2022). Grundsätzlich werden alle Arten von Dokumenten gefälscht: Reisepässe, Geburts- und Heiratsurkunden, Schul- und Universitätszeugnisse (ÖB 11.2022). Es handelt sich nach lokaler Anschauung um Kavaliersdelikte, die strafrechtlich ungenügend verfolgt werden (AA 23.8.2022).
Echte Dokumente unwahren Inhalts und Gefälligkeitsbescheinigungen von Behörden, Privatpersonen und Firmen sind problemlos gegen Zahlung erhältlich (AA 23.8.2022; vgl. ÖB 11.2022). Die Fälschung von Personenstandsurkunden ist nicht notwendig, da jegliche Art von Standesfall sehr einfach (nach-)beurkundet werden kann. Beglaubigungen durch das Außenministerium erfolgen in der Regel ohne weitere Prüfung der Dokumente. Ihre Aussagekraft bezüglich Echtheit oder inhaltlicher Richtigkeit steht daher infrage (AA 23.8.2022).
Mit der Einführung des maschinenlesbaren Reisepasses sind Fälle von Passmanipulationen deutlich zurückgegangen (AA 23.8.2022). Von allen Passantragstellern werden Fingerabdrücke genommen (AA 23.8.2022; vgl. DFAT 30.11.2022).
Hinweise auf Fälschungen sind insbesondere unvollständige Siegelstempel, fehlende Unterschriften sowie bei Rechtsanwälten fehlende Adressenangabe und Aktenzeichen (ÖB 11.2022).
In vielen Fällen legen Antragsteller die übersetzten Abschriften angeblicher justizieller Dokumente wie z.B. "First Information Report", "Charge Sheet" oder Haftbefehl vor. In der Vergangenheit haben sich die vorgelegten Dokumente in fast allen Fällen als gefälscht erwiesen (AA 23.8.2022).
Quellen:
AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (23.8.2022): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch (Stand: Juli 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2078027/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Juli_2022%29%2C_23.08.2022.pdf, Zugriff 6.4.2023
DFAT – Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (30.11.2022): DFAT Country Information Report Bangladesh, https://www.ecoi.net/en/file/local/2086697/country-information-report-bangladesh.pdf, Zugriff 6.4.2023
ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi [Österreich] (11.2022): Asylländerbericht zu Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2090012/BANG_%C3%96B-Bericht_2022_11.docx, Zugriff 6.4.2023
Patient: männlich, 36 Jahre alt
Diagnose(n): Abhängigkeitssyndrom (F10.2) Paranoide Schizophrenie (F20.0)
Behandlung(en):
Medikamente (Wirkstoffe): Olanzapin, Sertralin
1. Sind Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie verfügbar?
2. Sind die in der Fallbeschreibung angegebenen Medikamente oder entsprechende Alternativen verfügbar?
3. Besteht die Möglichkeit der Inanspruchnahme einer neuroleptischen Therapie und einer Entzugs- und Entwöhnungstherapie für alkoholabhängige Personen?
4. Wie hoch sind die Kosten für die Wirkstoffe und/oder für die Konsultationen der Fachärzte?
Quellenlage/Quellenbeschreibung:
Aufgrund der medizinisch-spezifischen Art der Fragestellungen wurden diese an MedCOI zur Recherche übermittelt. Informationen zu MedCOI finden sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at.
Zusammenfassung:
Gemäß der nachfolgend zitierten Quelle sind in der bangladeschischen Hauptstadt Dhaka folgende Behandlungen verfügbar (AVA 17690):
• stationäre Behandlung und ambulante Behandlung sowie Nachsorge durch einen Neurologen;
• ambulante Behandlung und Nachsorge durch einen Psychiater;
• stationäre Behandlung und ambulante Behandlung sowie Nachsorge durch einen Psychologen;
• psychiatrische Behandlung der Alkohol- und Drogenabhängigkeit in einer spezialisierten Klinik (Entgiftung);
• psychiatrische klinische Behandlung in einer geschlossenen Einrichtung (nicht unbedingt Zwangseinweisung);
• psychiatrische Zwangseinweisung, falls erforderlich;
• psychiatrische klinische Langzeitbehandlung (z. B. für chronisch psychotische Patienten).
Alle angefragten Wirkstoffe und Behandlungen sind verfügbar (AVA 17690).
Die Kosten für die Wirkstoffe bzw. Behandlungen/Untersuchungen/Laborleistungen etc. entnehmen Sie bitte dem PDF ACC-7909.
Die Originale folgender Anfragebeantwortungen von MedCOI werden als Anlage übermittelt bzw. liegen im Archiv der Staatendokumentation auf:
• International SOS via EUAA MedCOI (23.1.2024): AVA 17690, Zugriff 29.2.2024
• EUAA MedCOI (28.2.2024): Question Answer ACC 7909, Zugriff 29.2.2024
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes, die niederschriftlichen Angaben des BF, die im Verfahren seitens des BF vorgelegten Urkunden, durch die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks des BF im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie durch Einholung aktueller Auszüge aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister, dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem AJWEB und dem Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich und im Wege der Einsichtnahme in die vom BVwG in das Verfahren eingebrachten Erkenntnisquellen betreffend die asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat des BF, nämlich das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16.08.2024.
Darüber hinaus erfolgte eine Einsichtnahme in die Gerichtsakten W195 2205142-1 sowie W195 2205142-2 und wurden ein psychiatrisches Sachverständigengutachten des BF sowie eine medizinische Anfragebeantwortung der Staatendokumentation beigeschafft.
2.2. Die Identität des BF erachtete das Bundesamt aufgrund des vorgelegten bengalischen Reisepasses als erwiesen. Dieser Einschätzung wird seitens des BVwG nicht entgegengetreten, weshalb die Identität des BF mit dem im Spruch ausgewiesenen Datenbestand als feststehend qualifiziert wird.
Hinsichtlich seiner Volksgruppenzugehörigkeit erwies sich der BF als glaubwürdig. Einen Abfall vom Islam konnte der BF nicht glaubhaft machen und geht das BVwG folglich davon aus, dass er sich nach wie vor zum Islam sunnitischer Prägung bekennt; Näheres hiezu ist der Beweiswürdigung unter Punkt 2.4.4. zu entnehmen.
Die Feststellungen zur Abstammung des BF und seinen persönlichen und familiären Lebensumständen im Herkunftsstaat bis zur Ausreise sowie seinen Familienverhältnissen unter Punkt 1.1. und 1.2. beruhen auf den insoweit weitestgehend stringenten Angaben des BF im Verfahren erster Instanz und vor dem BVwG. Substantielle Zweifel an seinen diesbezüglichen Angaben bestehen nicht.
Positive Feststellungen hinsichtlich des beruflichen Hintergrundes des BF waren nicht zu treffen, zumal sich der BF in verschiedenen Verfahrensstadien divergierend äußerte und seine Angaben nicht miteinander in Einklang zu bringen sind. So gab er einerseits gegenüber der bB an, seine Eltern hätten seinen Lebensunterhalt finanziert, während er vom erkennenden Richter dahingehend befragt äußerte, er habe Schüler unterrichtet.
2.3. Die Feststellungen unter Punkt 1.3. beruhen auf dem Sachverständigengutachten des Prim. Dr. XXXX vom 23.11.2023, welches dem BF und seiner Rechtsvertretung zur Verfügung gestellt sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung erörtert wurde.
Die Arbeitsfähigkeit des BF ergibt sich zweifelsohne aus dessen Berufstätigkeit.
2.4. Hinsichtlich der vom BF angegebenen Gründe für das Verlassen seines Herkunftsstaates ist Folgendes auszuführen:
2.4.1. Zusammengefasst stützte der BF sein Fluchtvorbringen darauf, dass er aufgrund seiner Homosexualität erpresst werde, ein Strafverfahren wegen seiner Homosexualität gegen ihn anhängig sei bzw. ein solches ihm aufgrund regierungskritischer Beiträge drohen könne, er vom Islam abgefallen sowie psychisch krank sei.
Der BF machte sohin zusammengefasst einerseits eine politische Verfolgung, andererseits eine Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Homosexuellen in Bangladesch geltend.
2.4.2. Das Bundesamt führte ein einwandfreies Ermittlungsverfahren und wurde dem BF (im Rahmen von zwei Einvernahmen) schon im erstinstanzlichen Verfahren hinreichend Gelegenheit zur Äußerung eingeräumt. Die bB legte ihre Erwägungen übersichtlich und schlüssig dar.
2.4.3. Zur vom BF behaupteten Homosexualität und den damit einhergehenden Verfolgungshandlungen sei ausgeführt, dass dies bereits im Erstverfahren zu hg. Zl. W195 2205142-1 sein Primärvorbringen darstellte und seine diesbezüglichen Behauptungen für unglaubhaft befunden wurden. Der Gang zu den Höchstgerichten war – ebenso wie ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens – erfolglos (siehe Beschluss des VfGH vom 08.06.2020, E 164/2020-13; Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs [i.d.F. „VwGH“] vom 23.08.2021, Ra 2021/20/0276; Erkenntnis des BVwG vom 07.06.2021, Zl. W195 2205142-2).
Allein schon aus diesen Gründen sieht sich das erkennende Gericht nicht veranlasst, die Behauptung des BF neuerlich im Detail zu überprüfen und somit in die rechtskräftige hg. Entscheidung vom 04.12.2019 einzugreifen.
Der Vollständigkeit halber wird dennoch angemerkt, dass der erkennende Richter die Prozessbehauptung zumindest rudimentär überprüfen wollte, dem BF jedoch (neuerlich) eine Glaubhaftmachung misslang, zumal der mit Schreiben vom 16.03.2022 von ihm selbst namhaft gemachte Zeuge XXXX nunmehr nicht mehr als Zeuge benannt werden konnte, was der BF gegenüber dem BVwG lapidar damit begründete, er führe mit ihm keine Beziehung mehr und stehe auch nicht mehr im Kontakt, was das BVwG angesichts der Bedeutung des Prozessgegenstandes für den BF und des Umstands, dass man entsprechend der allgemeinen Lebenserfahrung durchaus noch Kontaktmöglichkeiten zu ehemaligen Partnern hat, nicht überzeugt. Im Übrigen scheint es – in Übereinstimmung mit der Beweiswürdigung des Richters im Erstverfahren, welcher sich bereits umfassend mit den Behauptungen des BF auseinandersetzte - auch nicht plausibel, dass der BF entsprechend seiner eigenen Behauptungen im Jahr 2015 (sohin jenem Jahr, in welchem er Bangladesch verließ) beim homosexuellen Geschlechtsakt betreten worden sein soll, dies jedoch erst im Jahr 2017 zur Anzeige gebracht worden wäre (siehe OZ 28) und im Jahr 2024, sohin sieben Jahre später und just in jenem Jahr, in welchem das BVwG seinen Beschwerdefall verhandelte, seine Familie aus diesem Grunde behelligt werden würde.
In diesem Zusammenhang ist auch Antrag des BF (siehe Verhandlungsschrift vom 10.09.2024 [i.d.F. „VHS“] Seite [i.d.F. „S.“] 11, OZ 32), die von ihm vorgelegte Anzeige OZ 28 zu verifizieren, zu behandeln:
Festzuhalten ist, dass die Beweismittel bereits im rechtskräftigen Erstverfahren vorgelegt und der Entscheidung zugrundegelegt wurden und sich der erkennde Richter vorbehaltlos der damaligen Würdigung anschließt: „Auch in Zusammenschau mit den Länderberichten, wonach echte Dokumente unwahren Inhalts und Gefälligkeitsbescheinigungen von Behörden, Privatpersonen und Firmen problemlos gegen Zahlung erhältlich sind, wird davon ausgegangen, dass es sich bei der vom BF vorgelegten „Anzeige“ um eine Fälschung handelt.“.
2.4.4. Bezugnehmend auf seine Behauptung, er sei vom Islam abgefallen und nunmehr als Atheist einer Bedrohung ausgesetzt, hält das BVwG fest, dass er einen Abfall vom Islam zwar schon im Erstverfahren geltend machte, sich die damals zuständige Gerichtsabteilung jedoch (nachvollziehbarerweise) nicht mit einer damit im Zusammenhang stehenden Rückkehrgefährdung auseinandersetzte, da der BF selbst schlichtweg kein entsprechendes Vorbringen erstattete, sondern lediglich rudimentär ausführte, er fühle sich nicht mehr dem Islam zugehörig, was er mit seiner – nicht glaubhaften – sexuellen Orientierung begründete.
Als tatsächlichen Ausreisegrund machte der BF seinen (behaupteten) Atheismus erstmals in der ergänzenden Einvernahme der bB am 19.05.2023 (ohne dies jedoch in irgendeiner Weise zu konkretisieren) geltend, obschon er genug Gelegenheit gehabt hätte, im Erstverfahren, oder in einem früheren Stadium des gegenständlichen Zweitverfahrens ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten, was schon für sich erhebliche Zweifel an der diesbezüglichen Ausreisemotivation des BF begründet. Dies deshalb, weil es gänzlich unplausibel und dem Prozessstandpunkt für jedermann erkennbar gravierend abträglich ist, schutzrelevantes Vorbringen nicht zum frühestmöglichen Zeitpunkt (was diesfalls die polizeiliche Erstbefragung im Erstverfahren vom 16.03.2018 gewesen wäre) zu erstatten. Zu einem späteren Zeitpunkt erstattetes, zumal dann, wenn es – wie gegenständlich – keinen nachvollziehbaren Grund für das anfängliche Verschweigen gibt, sohin gesteigertes, Vorbringen ist kritisch zu hinterfragen, zumal der Verdacht der prozesstaktischen Behauptung und des „Nachschiebens“ eines Fluchtgrundes indiziert ist, da tatsächlich verfolgte Personen üblicherweise bestrebt sind, ehestmöglich alle Fluchtgründe offenzulegen, um ihre Chancen auf Schutzgewährung zu optimieren.
Zu obigen Erwägungen tritt hinzu, dass das Vorbringen des BF gegenüber dem BVwG keinesfalls als stringent bezeichnet werden kann. So behauptete er zunächst, er habe telefonische Drohungen erhalten (siehe VHS S. 15), nur um in weiterer Folge darzulegen, er sei persönlich zu Hause bedroht worden (ebd.). Auch sein Vorbringen, wer aller von seinem Atheismus wissen würde, war keinesfalls gleichbleibend, sondern passte er dies beliebig an, indem er einerseits behauptete, sein Atheismus sei in seinem Herkunftsstaat allgemein bekannt und viele wüssten darum, (siehe VHS S. 14) andererseits hätte niemand davon gewusst, da er dies aus gesellschaftlichen Gründen nicht gewollt hätte (ebd.). Auf entsprechende Rückfragen war der BF außer Stande, den Widerspruch zu entkräften (ebd.). Des Weiteren war der BF in keinster Weise in der Lage, seine Beweggründe für den Abfall vom Islam plausibel darzulegen, sondern verwies ausschließlich darauf, der Islam sei für ihn unlogisch, (ebd.) und führte zunächst an, er könne dem BVwG viel über seinen Atheismus erzählen (ebd.), nur um auf die Aufforderung, dies zu tun, zu replizieren, das Gericht möge im Fragen stellen (ebd.). Dass seine diesbezüglichen Schilderungen im Übrigen außerordentlich oberflächlich, vage und detailarm waren und er zu keinem Zeitpunkt den Eindruck erweckte, er schildere tatsächlich Erlebtes, sei abschließend ins Treffen geführt. Auf S. 15 der VHS wird diesbezüglich auszugsweise verwiesen:
„RI: Inwiefern haben Sie Ihren Atheismus in Bangladesch ausgelebt?
BF: Ich habe nicht gebetet oder gefastet und nahm an den religioösen Aktivitäten nicht teil.
RI: Ist das aufgefallen?
BF: Es ist viel aufgefallen.
RI: Hatten Sie deswegen jemals Probleme in Bangladesch?
BF: Viel.
RI: Welche Probleme hatten Sie?
BF: Jegliche Probleme, verschiedenster Art, gesellschaftlich.
RI: Bitte erklären Sie mir das näher.
BF: Welches genau? Ich verstehe es nicht ganz.
Frage wird wiederholt und erörtert.
BF: Bangladesch ist ein muslimisches Land. Es sind dort mehr oder weniger alle, 93% der Menschen Muslime. Terrororganisationen gibt es auch.
RI: Ich will keine allgemeinen Ausführungen hören, sondern was Ihnen konkret passiert ist. Hat man Sie bedroht, Sie geschlagen oder Sie nicht zum Geburtstag eingeladen?
BF: Das war ja ganz normal.
RI: Was genau ist Ihnen jetzt passiert? Die Frage dürfte nicht so schwierig zu beantworten sein.
BF: Nachdem ich ein Atheist bin und die Leute davon erfuhren, habe ich telefonisch Drohungen bekommen.
RI: Was ist sonst noch passiert?
BF: Ich wurde gesellschaftlich benachteiligt und konnte mich weniger frei bewegen.
RI: Warum konnten Sie sich nicht frei bewegen?
BF: Für Atheisten gibt es dort Terrororganisationen, also Islamisten, die Atheisten verabscheuen.“
Insgesamt war dem BF sohin hinsichtlich seiner Behauptung, er hätte sich vom Islam abgewandt und sei Atheist, nicht zu folgen und erweisen sich seine Ausführungen als konstruiert.
Unbeschadet dessen, dass sich das Vorbringen des BF, er befürchte aufgrund eines behaupteten Abfalls vom Islam in Bangladesch Verfolgung, als gänzlich unglaubhaft herausstellte, sei in aller gebotenen Kürze darauf verwiesen, dass Bangladesch grundsätzlich als religiös tolerantes Land gilt und sich die Regierung und bedeutende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in der Regel für das friedliche Zusammenleben der Religionen einsetzen. Zwar kommt es, insbesondere in ländlichen Gegenden, was den BF angesichts seiner lokalen Herkunft vergleichsweise wenig betrifft, zu Druck und gewalttätigen Übergriffen auf Angehörige religiöser Minderheiten, dies ist jedoch nicht als die Regel anzusehen. Diskriminierungen religiöser Minderheiten finden im täglichen Leben statt, dies ist jedoch – so lange die Schwelle zur Verfolgung, worauf es gegenständlich selbst bei Annahme eines Abfalls vom Islam keine Hinweise gibt, nicht erreicht ist – hinzunehmen.
Das BVwG geht aufgrund der oben dargelegten Erwägungen sohin zusammengefasst keinesfalls davon aus, dass der BF vom Islam abgefallen sei oder deshalb in der Vergangenheit gar Verfolgung erlitten hätte. Selbst, wenn er Atheist wäre, würde ihm deshalb mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit aber allenfalls Diskriminierung drohen und würde sich eine schutzrelevante Verfolgung als bloß theoretische Möglichkeit darstellen.
2.4.5. Zur Behauptung des BF, er habe regierungskritische Beiträge auf Facebook erstellt und befürchte deswegen Verfolgung, ist – in Übereinstimmung mit der bB – festzustellen, dass der BF derartige Postings tatsächlich abgesetzt hat, was einerseits durch die Ermittlungstätigkeiten des Bundesamtes im Zuge der Einvernahmen und andererseits durch die durch das Gericht beigeschafften Übersetzungen vorgelegter Screenshots (siehe OZ 28) verifiziert werden konnte.
Beweismittel für seine Verfolgung nach dem Digital Security Act legte der BF nicht vor und ist das Bundesamt im Recht, wenn es auf das – diesbezüglich seit Bescheiderlassung unveränderte – Länderinformationsblatt verweist, welches festhält, dass staatliche Repressionen nach Rückkehr wegen oppositioneller Tätigkeiten im Ausland (z.B. Demonstrationen und Presseartikel) nicht bekannt seien. Die gegenständlichen Beiträge wurden, insoweit ins Verfahren eingebracht, allesamt im Zeitraum 2019 bis 2022, sohin während der BF bereits schon lange in Österreich war, veröffentlicht. Im Übrigen richteten sich die Beiträge (naheliegenderweise) gegen die Regierung der Sheik Hasina, deren Regierung gestürzt wurde und welche am 06.08.2024 aus dem Land floh, sodass der Regierungswechsel - unbeschadet der gegenteiligen Behauptungen des BF (siehe VHS S. 5 ff., OZ 38), welches aus hg. Sicht nicht nachvollziehbar sind, da einerseits seine Postings aufgrund der Tatsache, dass die Vorgängerregierung betroffen war, aus Sicht der jetzigen Regierung wohl (allenfalls) zu begrüßen sind, und andererseits seine behaupteterweise seiner Homosexualität geschuldeten Probleme mit nunmehr nicht mehr marginalisierten radikalislamischen Gruppierungen mangels Glaubhaftmachung seiner in den Raum gestellten sexuellen Orientierung konsequenterweise auch nicht den Feststellungen zugrundezulegen waren – nicht zu seinem Nachteil gereichen kann. Darauf, dass es zwischenzeitig zur Installation einer Übergangsregierung unter der Leitung des Friedensnobelpreisträgers Muhammad Yunus gekommen ist, wird verwiesen.
Unbeschadet der obigen Darlegungen ist dem Bundesamt beizupflichten, wenn es erwägend darlegte, dass der BF sich - entsprechend des beschwerdeführerseitigen Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahrens – lediglich spekulativ äußerte, ohne seine Vermutungen einer drohenden oder aktuellen staatlichen Verfolgung untermauern zu können. Eine Glaubhaftmachung auch dieser angeblichen Rückkehrgefährdung misslang sohin.
2.4.6. Dass der vom BF behauptete körperliche Übergriff, konkret die behauptete Entführung mit einem dreirädrigen Motorrad, wobei man ihn bedroht und anschließend aus dem fahrenden Gefährt geworfen hätte, (siehe VHS S. 16 f.) selbst bei Wahrheitsunterstellung ungeeignet ist, die Erteilung eines Schutzstatus nach sich zu ziehen, beruht darauf, dass nicht einmal der BF im Stande war, die Motivation der Täter darzulegen, sodass die Verknüpfung mit einem GFK-Grund gänzlich ausgeschlossen war. Dass derartige Überfälle die Regel wären, ergibt sich weder aus den Länderinformationen noch wurde derartiges vom BF in den Raum gestellt.
2.4.7. Zu den mit Eingabe vom 16.03.2022 gestellten, gegenüber dem BVwG nicht wiederholten, Beweisanträgen ist Folgendes festzuhalten:
Den Beweisanträgen 1) und 2) - bei diesen handelt es sich um das Ersuchen um Bestellung eines Sachverständigen für Psychologie, Psychotherapie oder einer ähnlich relevanten Disziplin sowie um Einbindung der Staatendokumentation zum Beweis dafür, dass eine Behandlung des BF in Bangladesch nicht möglich sei - wurde entsprochen, wobei dies dahingehend einzuschränken ist, dass der BF in den Beweisanträgen auf seine behauptete Homosexualität referenzierte, welche er jedoch nicht glaubhaft zu machen im Stande war (siehe Punkt 2.4.3.). Die Beweisanträge 3) und 4), welche die Einholung von Beweisen für Menschenrechtsverletzungen sowie spezifische Strafdrohungen betreffen, gingen ins Leere, da das aktuelle Länderinformationsblatt die aufgeworfenen Fragen hinreichend behandelt, im Übrigen wurden auch das damit im Zusammenhang stehende Vorbringen des BF durch das BVwG verworfen (siehe Punkt 2.4.3. und 2.4.5.), weshalb selbst dann, wenn das Länderinformationsblatt diesbezüglich als unzureichend anzusehen wäre, keine Verfahrensrelevanz gegeben wäre. Unter Beweisanträg 4) wurde mitunter beantragt, das BVwG möge Erkundigungen zu Strafdrohungen nach bengalischem Suchtmittelrecht einholen, wobei mangels entsprechenden Vorbringen nicht nachvollziehbar ist, inwiefern der BF von einer diesbezüglichen Strafverfolgung betroffen sein sollte. Mit Beweisantrag 5) wurde die Anhörung des XXXX oder seiner Mitbewohner als Zeugen begehrt, wobei das BVwG den BF mehrmals schriftlich zur Namhaftmachung von Zeugen und Bekanntgabe ladungsfähiger Adressen aufforderte, wobei der BF – wie schon unter Punkt 2.4.3. begründet – mit Eingabe vom 09.08.2024 (OZ 25) bekanntgab, er mache keine Zeugen namhaft, womit der diesbezügliche Beweisantrag als zurückgezogen anzusehen ist.
Im Übrigen wird ausdrücklich angemerkt, dass die im Schreiben vom 16.03.2024 gewählte Verteidigungsstrategie, der Richter im Erstverfahren habe dem BF hinsichtlich seiner sexuellen Orientierung keinen Glauben geschenkt und er habe zwar keine Revision erhoben, im Revisionfall hätte er jedoch sicher obsiegt, zumal Entscheidungen der betroffenen Gerichtsabteilung wiederholt aufgehoben worden seien, gänzlich ins Leere geht: Der BF hat durchaus versucht, die Höchstgerichte anzurufen, der VfGH wies jedoch den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab und lehnte die Behanldung der Beschwerde ab, während der VwGH – ebenfalls – den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ablehnte. Der BF verzichtete sohin selbst darauf, den VwGH (nunmehr auf eigene Kosten) anzurufen und kann diese prozessrechtliche Entscheidung des BF dem BVwG (und seinen Richtern) nicht zum Vorwurf gemacht werden. Dass im Übrigen – im Falle der Unterstellung der Richtigkeit der diesbezüglichen Behauptungen des BF – selbst wiederholte Korrekturen von Entscheidungen durch Höchstgerichte keinesfalls die Annahme rechtfertigen, auch unbekämpft gebliebene Entscheidungen seien rechtsunrichtig, wird explizit festgehalten.
2.4.8. Insgesamt ist festzuhalten, dass der bB nicht entgegengetreten werden kann und das BVwG ihre Schlüsse teilt.
Dem BF misslang es auch aus Sicht des erkennenden Richters, schutzrelevante Migrationsmotive glaubhaft zu machen, und war sohin ein asylrelevanter Hintergrund nicht festzustellen. Im Übrigen erweckte der BF den Eindruck, er bestrebe mit der Einbringung eines Folgeasylantrags primär die Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit des hg. Erkenntnisses vom 04.12.2019 außerhalb des Instanzenzuges, was jedoch nicht dessen Zweck sein kann.
2.5. Dass dem BF in seinem Herkunftsstaat nicht die Verhängung der Todesstrafe droht, war problemlos daraus abzuleiten, dass er nicht Ziel von Strafverfolgungsmaßnahmen ist. Dafür, dass dem BF bei Rückkehr eine Verletzung seines Rechts auf Leben oder körperliche Unversehrtheit, Folter oder unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung oder Bestrafung drohen würde, gibt es bei Zugrundelegung der gerichtlichen Feststellungen keine Hinweise. Dass derartige Eingriffe schlechthin jedem, der in Bangladesch lebt, drohen, kann ebenso wenig aus den Länderfeststellungen der Staatendokumentation erschlossen werden. Dass dem BF keine Verfolgungshandlungen seitens der Behörden seines Herkunftsstaates oder Dritter drohen, gründet sich auf der o.a. Beweiswürdigung (Punkte 2.4.). Nachdem ihm schon zuvor keine maßgeblichen Verfolgungshandlungen drohten, geht das erkennende Gericht begründeter Weise nicht davon aus, dass ihm solche nach Rückkehr drohen könnten.
Die Rechtmäßigkeit der Ausreise des BF aus seinem Herkunftsstaat entspricht dem diesbezüglich unbestrittenen Aktenstand.
Die direkte und gefahrlose Erreichbarkeit der Herkunftsregion ergibt sich zweifelsohne daraus, dass in Bangladesch keinerlei nennenswerte sicherheitsrelevante Vorfälle, die den grenzüberschreitenden oder innerstaatlichen öffentlichen Verkehr beeinträchtigen würden, stattfinden. Gegenteilige Behauptungen wurden im Verfahren nicht vorgebracht. Insbesondere die politische Lageänderung führte weder zu einer Einschränkung der Reisefreiheit noch zu landesweiten Konflikten oder vergleichbaren allgemeinen Sicherheitsrisiken relevanten Ausmaßes.
2.5.1. Die im Sachverständigengutachtens des Prim. Dr. XXXX dargestellten Erkrankungen sowie die erforderlichen Therapien wurden den Feststellungen unter Punkt 1.3. zugrundegelegt. Die unter Punkt 1.5.1. festgestellte Behandelbarkeit seiner Erkrankungen sowie die praktische Verfügbarkeit von Therapien und Wirkstoffen im Herkunftsstaat beruhen auf einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.02.2024 samt Beilagen; diese wurden dem BF und seiner rechtsfreundlichen Vertretung (sowie dem Bundesamt) rechtzeitig zur Verfügung gestellt und deren mündliche Erörertung ermöglicht.
Aus der Anfragebeantwortung ergibt sich zweifelsfrei, dass sämtliche erforderliche Fachärzte, Therapien sowie Wirkstoffe im Herkunftsstaat des BF verfügbar sind.
Die zu erwartenden Kosten werden in der Beilage „Medical Country of Origin Information ACC 7909“ umfassend dargelegt und stehen diese, auch bei Berücksichtigung des niedrigeren Lohnniveaus in Bangladesch, nicht außer Verhältnis oder stünde im Raum, dass der BF – allenfalls unter Zuhilfenahme seines familiären Netzwerks – diese nicht bezahlen könnte, zumal seine Familie entsprechend seiner eigenen Angaben als wirtschaftlich abgesichert und er selbst in der Vergangenheit als durchaus wohlhabend anzusehen ist.
Im Falle der Abschiebung ist laut Gutachten des Prim. Dr. XXXX – unter der Voraussetzung, dass die neuroleptische Therapie fortgesetzt wird – mit einer signifikanten Verschlechterung des Gesundheitszustands des BF nicht zu rechnen und ist auch die Gefahr eines lebensbedrohlichen Zustands nicht gegeben.
Auch aus medizinischer Sicht spricht sohin nichts gegen die Rückführung des BF.
2.6. Die unter Punkt 1.6. getroffenen Feststellungen zur (nicht sicherheitsrelevanten) Rückkehrsituation des BF ergeben sich grundsätzlich aus seinen diesbezüglichen Angaben des BF. Auf die Integration des BF in der herkunftsstaatlichen Gesellschaft war aufgrund seiner Geburt und seines Aufwachsens in Bangladesch zu schließen. Seine familiäre Verwurzelung erschließt sich aus den stringenten Angaben des BF und wird es ihm nach erfolgter Rückkehr selbstverständlich möglich sein, – wie auch schon vor seiner Ausreise – bei seinen Angehörigen Unterkunft zu nehmen und zumindest kurzfristig die Unterstützung seiner Verwandten zu beanspruchen. Auch ist die Familie des BF wirtschaftlich sowie im Hinblick auf Wohnraum abgesichert, verfügen sie doch über Arbeit und Wohnsitze. Der BF würde insoweit jedenfalls für ihn kostenlose Unterkünfte in Bangladesch vorfinden, was die ökonomische Lage im Rückkehrfall insoweit entspannen würde, als vom individuellen oder familiären Einkommen keine Ausgaben für Wohnraum bestritten werden müssten. Auch in XXXX lebte der BF nach eigenen Angaben in der Vergangenheit und ist ihm auch diese Großstadt sohin aus persönlicher Erfahrung bekannt, was eine dortige Unterkunftnahme (mitsamt in Anspruchnahme dortiger Ärzte und Integration in den dortigen Arbeitsmarkt) erleichert. Seine nunmehr selbstständige Tätigkeit in Österreich stellt zweifelsfrei unter Beweis, dass er – selbst bei Unkenntnis der rechtlichen Grundlagen, der Sprache und der Kultur eines fremden Staates – anpassungsfähig und im Stande ist, seinen Lebensunterhalt durch eigenes Wirken zu bestreiten, weshalb keineswegs naheliegend ist, dies wäre ihm in seinem Herkunftsstaat verwehrt. Hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse der Familie konnte nach den Angaben des BF davon ausgegangen werden, dass sich diese gesamthaft als gut darstellen. Aufgrund der familiären und sozialen Vernetzung sowie der überdurchschnittlichen Ausbildung und der im österreichischen Bundesgebiet erworbenen Berufserfahrung des BF hat der erkennende Richter keinerlei Zweifel daran, dass es ihm friktionsfrei möglich sein wird, sich binnen kurzer Zeit erneut eine gesicherte, wenn auch allenfalls bescheidene Existenz in Bangladesch aufzubauen. Auch wird die Zurverfügungstellung von Wohnraum kein Problem darstellen und ihm sohin keinesfalls die Unterstandslosigkeit drohen. Angesichts der engen familiären Bande in der Herkunftskultur des BF ist nämlich keinesfalls zu erwarten, dass seine Angehörigen seine Unterstandslosigkeit in Kauf nehmen würden.
Dem BF ist eine Wiedereingliederung in die bengalische Gesellschaft und den bengalischen Arbeitsmarkt sohin im Ergebnis aus eigener Kraft ohnedies möglich und zumutbar und kann er dabei auch auf die tatkräftige Unterstützung durch seine Familie vertrauen.
2.7. Die unter Punkt 1.7. getroffenen Feststellungen zum Aufenthalt des BF in Österreich, seinen Aktivitäten und Integrationsbemühungen, gründen sich auf die bezughabenden Darlegungen in den Verfahren vor dem Bundesamt und dem BVwG, denen keine gegenteiligen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens entgegenstehen. Zweifel an seinen Angaben bestehen prinzipiell nicht. Die Zeiträume seines legalen bzw. illegalen Aufenthalts im Bundesgebiet sind friktionsfrei aus den vorliegenden Akten abzuleiten. Die Feststellung zu den Kenntnissen der deutschen Sprache beruht auf den Wahrnehmungen des erkennenden Richters in der mündlichen Verhandlung, wo festgestellt werden konnte, dass der BF lediglich auf Elementarniveau kommunizieren kann und seine Sprachkenntnisse jedenfalls nicht über das durch Vorlage eines entsprechenden Diploms nachgewiesene A2-Niveau hinausgehen:
„RI: „Sprechen Sie Deutsch?“
BF: Ja.
RI: „Mit wem unterhalten Sie sich auf Deutsch?“
BF: Ich verstehe schon.
RI: „Wie sind Sie heute hierher zu Gericht gekommen?“
BF: Ich habe gekommen von Wien by Taxi.“
Seine Selbstständigkeit und der Umstand, dass der BF keine Transferleistungen bezieht, konnten aufgrund seiner Angaben in Verbindung mit den vorliegenden Beweismitteln festgestellt werden. Laut AJWEB war der BF darüberhinaus im Zeitraum 10.05.2016 bis 03.05.2017 als Arbeiter im Gastgewerbe tätig.
Die Feststellungen betreffend seine familiären Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet sowie im Schengenraum, seine Freizeitgestaltung, seinen Beziehungsstatus und sein ehrenamtliches Engagement beruhen auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben.
Befragt nach seinem inländischen Freundeskreis führte der BF lediglich einen Freund namens XXXX ins Treffen, mit dem er sich regelmäßig treffe und auf Deutsch sowie Englisch kommuniziere, weitere Freunde relevierte der BF nicht. Im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung legte der BF vier Referenzschreiben vor, nämlich von XXXX , XXXX , XXXX und XXXX , wobei lediglich das Schreiben des XXXX nähere Informationen zum BF und dessen Bezug zum Referenzgeber zum Inhalt hat, während die drei weiteren Schreiben ausschließlich die persönliche Bekanntschaft und den guten Charakter bzw. das gute Benehmen des BF bestätigen. Bemerkenswert war, dass der BF seine Referenzgeber mit keinem Wort erwähnte, was erhebliche Zweifel am persönlichen Naheverhältnis begründet.
Eine maßgebliche Integration des BF in Österreich ist nicht erkennbar, da er trotz seiner Aufenthaltsdauer von über neun Jahren nur rudimentäre Kenntnisse der deutschen Sprache erworben und offensichtlich keinen nennenswerten Freundeskreis aufgebaut hat sowie keine sonstigen Akte der Aufenthaltsverfestigung erkennbar sind. Für ihn spricht – neben seiner Aufenthaltsdauer, die jedoch der Einbringung von inzwischen zwei unberechtigten Asylanträgen und der Verweigerung der Ausreise trotz entsprechender Verpflichtung geschuldet ist – ausschließlich seine Selbsterhaltungsfähigkeit. Darin kann noch keine maßgebliche Integration erblickt werden.
2.8. Den Daten des Informationsverbundsystems Zentrales Fremdenregister kann darüber hinaus entnommen werden, dass der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet nie nach § 46a Abs 1 Z 1 oder Abs 1a FPG geduldet war. Hinweise darauf, dass sein weiterer Aufenthalt zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig wäre oder der BF im Bundesgebiet Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO wurde, kamen im Verfahren nicht hervor. Es wurde auch kein dahingehendes Vorbringen erstattet, sodass keine positiven Feststellungen in dieser Hinsicht getroffen werden können.
2.9. Die zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den vom BVwG herangezogenen Erkenntnisquellen (aktuelles Länderinformationsblatt zu Bangladesch sowie Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.02.2024 samt Beilagen), die dem BF im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung sowie der bB unter gleichzeitiger Angaben der herangezogenen Quellen zur Erstattung einer Stellungnahme übermittelt wurden. Der BF und das Bundesamt sind den ihnen übermittelten Berichten ebenfalls nicht entgegengetreten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten:
3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 83/2022 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention), droht.
§ 2 Abs. 1 Z. 11 AsylG 2005 umschreibt Verfolgung als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, worunter – unter anderem – Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist (VwGH 31.07.2018, Ra 2018/20/0182).
Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Eine Verfolgungsgefahr ist anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht.
3.1.2. Glaubhaftmachung bedeutet, die Behörde davon zu überzeugen, dass der behauptete Sachverhalt wahrscheinlich verwirklicht oder nicht verwirklicht worden ist. Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der hiezu geeigneten Beweismittel, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (AsylGH, 5.5.2009, A11 306.977-2/2009).
Die Glaubhaftmachung hat das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt (VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252). Nach der Judikatur ist die Wahrscheinlichkeit dann gegeben, wenn die für den ursächlichen Zusammenhang sprechenden Erscheinungen, wenn auch noch so geringfügig, gegenüber den im entgegen gesetzten Sinn verwertbaren Erscheinungen überwiegen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 355 mit Hinweisen auf die Judikatur). Hat die Partei ein Ereignis glaubhaft zu machen, trifft die Partei die "Beweislast", dh. kann das Ereignis durch die – von der Partei anzubietenden – Beweise (iS. von Bescheinigungsmitteln) nicht glaubhaft gemacht werden, so ist ihr Antrag abzuweisen (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8, Rz 623 mit Hinweisen auf die Judikatur und das Schrifttum). (AsylGH 15.12.2008, E2 244.479-0/2008)
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der "Glaubhaftmachung" im Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetz oder in den Verwaltungsvorschriften im Sinne des § 274 ZPO zu verstehen (VwGH 15.03.2001, 2001/16/0136; 25.06.2003, 2000/04/0092). Ausgehend von § 274 Absatz 1 letzter Satz ZPO eignet sich nur eine Beweisaufnahme, die sich sofort ausführen lässt (mit Hilfe so genannter "parater" Bescheinigungsmittel) zum Zwecke der Glaubhaftmachung (siehe dazu VwGH 25.06.2003, 2000/04/0092 unter Hinweis auf OGH 23.03.1999, 4 Ob 26/99y, in ÖBl 1999, 240; sowie OGH 23.09.1997, 4 Ob 251/97h, in ÖBl 1998, 225), wobei der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen seiner asylrechtlichen Spruchpraxis von dieser Einschränkung offenkundig abweicht. Mit der Glaubhaftmachung ist aber auch die Pflicht der Verfahrenspartei verbunden, initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der behaupteten Voraussetzungen spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für das Vorliegen dieser Voraussetzung liefern. Insoweit trifft die Partei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl dazu VwGH 24.02.1993, 92/03/0011; 01.10.1997, 96/09/0007; 25.06.2003, 2000/04/0092; siehe auch Hengstschläger/Leeb, AVG 2. Teilband [2005], § 45 Rz 3 mit Hinweisen auf die Judikatur). (AsylGH 22.10.2008, E2 221.979-0/2008)
Zwar reicht für eine Glaubhaftmachung im Gegensatz zu einer Beweisführung der Nachweis der Wahrscheinlichkeit aus, es müssen aber die für die Annahme eines Sachverhaltes sprechenden Gründe die gegenteiligen Gründe jedenfalls überwiegen, wobei der Aussage des Asylwerbers selbst wesentliche Bedeutung zukommt (AsylGH 15.6.2009, D11 260.145-0/2008/8E).
Auch ein bei der Einvernahme gewonnener unmittelbarer Eindruck von der Glaubwürdigkeit des Vernommenen muss in der Bescheidbegründung in einer nach dem Prüfmaßstab des Verwaltungsgerichtshofes objektiv nachvollziehbaren Art und Weise seinen Niederschlag finden (VwGH 16.5.2007, 2007/01/0151).
Es liegt in der Natur der Sache, dass die vom Asylwerber geltend gemachte Furcht nicht bloß behauptet, sondern auch glaubhaft gemacht werden muss. Dabei steht die Vernehmung des Asylwerbers als wichtigstes Beweismittel zur Verfügung. Im Rahmen der Beweiswürdigung ist grundsätzlich den Angaben des Asylwerbers bei seiner ersten Befragung im Verwaltungsverfahren größere Glaubwürdigkeit zuzumessen als späterem Vorbringen. Erfahrungsgemäß machen nämlich Asylwerber gerade bei der ersten Befragung spontan jene Angaben, die der Wahrheit am nächsten kommen. Als glaubwürdig können Fluchtgründe im Allgemeinen nicht angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder gar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen und wenn er maßgebliche Tatsachen erst spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt. Die erkennende Behörde kann einen Sachverhalt grundsätzlich nur dann als glaubwürdig anerkennen, wenn der Asylwerber gleichbleibende Angaben macht, wenn diese Angaben wahrscheinlich und damit einleuchtend erscheinen und wenn erst spät gemachte Angaben nicht den Schluss aufdrängen, dass sie bloß der Asylerlangung dienen sollen, der Wirklichkeit aber nicht entsprechen (AsylGH, 7.4.2009, D12 219.513-4/2009/2E; VwGH 06.3.1996, 95/20/0650).
Auch der VwGH hat bereits mehrmals ausgesprochen, dass bei gleichbleibenden Verhältnissen im Herkunftsland bei gesteigertem Vorbringen des Asylwerbers die Wertung eines Vorbringens als unglaubwürdig nachvollziehbar sein kann (VwGH 27.4.2006, 2002/20/0170).
Auch der VwGH geht davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 7.6.2000, 2000/01/0250).
Erachtet die Behörde im Rahmen der Beweiswürdigung die Angaben des Asylwerbers grundsätzlich als unwahr, dann können die von ihm behaupteten Fluchtgründe gar nicht als Feststellung der rechtlichen Beurteilung zugrundegelegt werden und es ist auch deren Eignung zur Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung gar nicht näher zu beurteilen. (VwGH 09.05.1996, 95/20/0380)
3.1.3. Das BVwG qualifizierte das Vorbringen des BF als unwahr und von ihm zwecks Legalisierung seines Aufenthalts in einem ihm genehmen Mitgliedsstaats der Europäischen Union konstruiert. Verfolgungshandlungen durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure gegen den BF, welche deren Begründung in einem von der GFK besonders geschützten individuellen Merkmal finden, traten nicht ans Licht und drohen ihm solche auch im Rückkehrfall nicht.
3.1.4. Dem Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Flüchtlingsstellung war sohin kein Erfolg zu bescheiden und war die Beschwerde diesbezüglich abzuweisen.
3.2. Nichtzuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten:
3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1) oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Demgemäß hat das Bundesverwaltungsgericht zu prüfen, ob im Falle der Rückführung des BF nach Bangladesch Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde.
Bei der Beurteilung, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht, bedarf es einer Auseinandersetzung mit der allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat (VwGH 27.04.2020, Ra 2019/19/0455 mwN). Die dabei anzustellende Gefahrenprognose erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen.
Nach der ständigen Judikatur des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Verwaltungsgerichtshofs obliegt es grundsätzlich dem BF, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines Risikos glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Durchführung einer Rückführungsmaßnahme eine dem Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung drohen würde (EGMR U 05.09.2013, I. gegen Schweden, Nr. 61204/09; VwGH 18.03.2015, Ra 2015/01/0255). Der Antragsteller muss die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr mit konkreten, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerten Angaben schlüssig darstellen. Rein spekulative Befürchtungen reichen ebenso wenig aus, wie vage oder generelle Angaben bezüglich möglicher Verfolgungshandlungen (EGMR U 17.10.1986, Kilic gegen Schweiz, Nr. 12364/86).
3.2.2. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 sind in Ansehung des BF nicht gegeben:
Für die Gewährung des Abschiebungsschutzes ist die maßgebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts der Verletzung der Menschenrechte gefordert.
Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.2.2004, 99/20/0573, mwH auf die Judikatur des EGMR). Es müssen sachliche, stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der betroffenen Person eine derartige Gefahr drohen würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus.
Nach der Judikatur des EGMR obliegt es der betroffenen Person, die eine Verletzung von Art. 3 EMRK im Falle einer Abschiebung behauptet, so weit als möglich Informationen vorzulegen, die den innerstaatlichen Behörden und dem Gerichtshof eine Bewertung der mit einer Abschiebung verbundenen Gefahr erlauben (EGMR 5.7.2005, Said gg. die Niederlande).
Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH zu § 51 FPG hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen – also im Fall der Abschiebung dort gegebenen – durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Dabei ist die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung in das Herkunftsland zu beurteilen. Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung genügt allerdings nicht, um die Abschiebung unter dem Gesichtspunkt des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG als unzulässig erscheinen zu lassen (VwGH, 13.04.2010, 2008/18/0333).
Gemäß Art. 15 StatusRL gilt als ernsthafter Schaden iS einer Voraussetzung für die Gewährung von subsidiärem Schutz:
a) die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe oder
b) Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung eines Antragstellers im Herkunftsland oder
c) eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.
Eine in den Schutzbereich von Art. 3 EMRK fallende Maßnahme stellt dann eine unmenschliche Behandlung oder Strafe dar, wenn sie eine gewisse Schwelle erreicht. Die Bestimmung der Frage, ob eine konkrete Maßnahme dieses Mindestmaß erreicht, ist relativ und hängt von den genannten Umständen des Falles ab, einschließlich der Dauer der Maßnahme sowie ihrer physischen und mentalen Auswirkungen (EGMR, 28.11.1996, Nsona v. Niederlande Nr. 23366/94).
Eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verletzt Art. 3 EMRK, wenn begründete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Fremde im Zielland gefoltert oder unmenschlich behandelt wird (EGMR GK 07.07.1989, Soering gegen Vereinigtes Königreich, Nr. 14038/88). Dass der BF in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden, eine dahingehende reale Gefahr ist somit nicht gegeben.
3.2.3. Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie unter anderem für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinn des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011 nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Dabei ist zu überprüfen, ob sich die von einem bewaffneten Konflikt für eine Vielzahl von Zivilpersonen ausgehende und damit allgemeine Gefahr in der Person des BF so verdichtet hat, dass sie eine erhebliche individuelle Bedrohung darstellt. Eine allgemeine Gefahr kann sich insbesondere durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche Umstände können sich auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Der den bestehenden bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt muss ein so hohes Niveau erreichen, dass stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, eine Zivilperson würde bei Rückkehr in das betreffende Land oder die betreffende Region allein durch ihre Anwesenheit in diesem Gebiet Gefahr laufen, einer solchen Bedrohung ausgesetzt zu sein (vgl. EuGH U 17.02.2009, Meki Elgafaji und Noor Elgafaji gegen Staatssecretaris van Justitie, C-465/07). Ob eine Situation genereller Gewalt eine ausreichende Intensität erreicht, um eine reale Gefahr einer für das Leben oder die Person zu bewirken, ist insbesondere anhand folgender Kriterien zu beurteilen: ob die Konfliktparteien Methoden und Taktiken anwenden, die die Gefahr ziviler Opfer erhöhen oder direkt auf Zivilisten gerichtet sind, ob diese Taktiken und Methoden weit verbreitet sind, ob die Kampfhandlungen lokal oder verbreitet stattfinden und schließlich die Zahl der getöteten, verwundeten und vertriebenen Zivilisten (EGRM U 28.06.2011, Sufi/Elmi gegen Vereinigtes Königreich, Nrn. 8319/07, 11449/07). Der EuGH nennt als weitere maßgebliche Kriterien die Intensität der bewaffneten Auseinandersetzungen, der Organisationsgrad der beteiligten Streitkräfte und die Dauer des Konflikts, das geografische Ausmaß der Lage willkürlicher Gewalt, den tatsächlichen Zielort des Asylwerbers bei einer Rückkehr in das betreffende Land oder Gebiet und schließlich ob die die Aggression der Konfliktparteien gegen Zivilpersonen eventuell mit Absicht erfolgt (EuGH U 10.06.2021, CF und DN gegen Bundesrepublik Deutschland, C-901/19).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt jedoch nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (VwGH 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; EGMR U 20.07.2010, N. gegen Schweden, Nr. 23505/09; U 13.10.2011, Husseini gegen Schweden, Nr. 10611/09).
Verkannt wird zwar nicht, dass die Versorgungs- und Wirtschaftslage in Bangladesch sich teilweise als herausfordernd darstellt, eine pauschale Gefährdung von Rückkehrern iSd obigen Judikatur und Literatur kann jedoch keineswegs erkannt werden.
3.2.4. Der BF ist ein an nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen psychischer Natur leidender und physisch gesunder, anpassungsfähiger, arbeitsfähiger und arbeitswilliger Mann mittleren Alters mit schulischer sowie akademischer Ausbildung und in Österreich erworbener Berufserfahrung. Er ist mit der Sprache, den lokalen Umständen sowie den Gebräuchen in Bangladesch vertraut und wird folglich im Rückkehrfall in der Lage, sein Auskommen als Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft zu bestreiten. Ferner ist davon auszugehen, dass der BF bei seinen in Bangladesch lebenden Angehörigen sozialen Anschluss und Unterstützung im Wege der zumindest anfänglichen Zurverfügungstellung von Grundnahrungsmitteln und einer Unterkunft vorfinden wird, wobei eine solche Unterstützung angesichts des persönlichen Hintergrundes des BF, welcher nicht indiziert, dass er ohne Unterstützung in eine aussichtslose Lage geraten würde, nicht als zwingende Rückkehrvoraussetzung angesehen werden kann.
Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet auch nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können (VwGH 17.09.2019, Ra 2019/14/0160).
3.2.5. Ziel des Refoulementschutzes ist es jedoch nicht, Menschen vor unangenehmen Lebenssituationen, wie es beispielsweise der Neuaufbau einer Lebensgrundlage im Herkunftsland sein wird, zu beschützen, sondern einzig und allein Schutz vor Lebenssituationen, die ua Art. 3 EMRK widersprechen würden, zu gewähren (AsylGH 12.1.2009, D11 227593-0/20008/8E). Laut Länderinformationsblatt der Staatendokumentation droht dem BF durch die Rückkehr in den Herkunftsstaat ansich keinerlei Gefährdung seiner Person. Dass er in der Lage sein wird, sich erneut eine Existenz aufzubauen wurde ebenso unter Hinweis auf sein Alter, seine (Aus)Bildung und seine Erwerbsfähigkeit sowie seine familiäre und soziale Vernetzung bewiesen. Seine Anpassungsfähigkeit, die es ihm sogar erlaubt, in einem ihn völlig fremden Land ein Gewerbe zu betreiben, ist ebenfalls zu berücksichtigen.
Auch betont der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung die erforderliche Exzeptionalität der Umstände und die hohe Schwelle, die auch in Fällen schlechter wirtschaftlicher Existenzgrundlage vorliegen muss, um eine Verletzung von Art. 3 EMRK darzustellen (VwGH 23.09.2009, Zl. 2007/01/0515; VwGH 06.11.2009, Zl. 2008/19/0174).
3.2.6. In Bensaid v. Vereinigtes Königreich, 6.2.2001 (Nr. 44599/98), hat der EGMR die Abschiebung einer an Schizophrenie leidenden Person als zulässig erklärt. Der EGMR sprach dabei aus, dass bei der Prüfung von außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten nur dann in der Außerlandesschaffung eine Verletzung des Art. 3 EMRK liegen kann, wenn außergewöhnliche, exzeptionelle Umstände glaubhaft gemacht sind.
Soweit die Beschwerde die mit einer Behandlung im Kosovo verbundene finanzielle Belastung ins Treffen führt, wird kein im vorliegenden Fall unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 EMRK wesentlicher Aspekt angesprochen. Dem Umstand schließlich, dass der Beschwerdeführer auch unter medizinischen Gesichtspunkten im Kosovo schwierigere Verhältnisse vorfinden würde als in Österreich, kommt unter dem Blickwinkel des Art. 3 EMRK keine entscheidende Bedeutung zu (vgl. insbesondere das Urteil des EGMR vom 6.2.2001, Beschwerde Nr. 44599/98, Bensaid gg. das Vereinigte Königreich; VwGH 7.10.2003, 2002/01/0379).
Für die Prüfung der persönlichen Situation ist insbesondere auf Verwandte und Bezugspersonen im Zielland abzustellen, wobei das Vorhandensein von Verwandten im Zielland nicht automatisch bedeutet, dass die Abschiebung zulässig ist und auch umgekehrt das Fehlen von Verwandten die Abschiebung nicht automatisch unzulässig macht. Sie sind daher keine zwingende Voraussetzung für die Zulässigkeit der Abschiebung.
Auf Grundlage des Gesundheitszustandes und der physischen und psychischen Konsequenzen einer Abschiebung muss sich die Behörde mit den medizinischen Möglichkeiten im Herkunftsstaat auseinandersetzen (VwGH 17.12.2003, 2000/20/0208).
Unter Darlegung der maßgeblichen persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers (insbesondere zu seinen finanziellen Möglichkeiten und zum familiären und sonstigen sozialen Umfeld) wäre allenfalls weiter zu prüfen, ob ihm der Zugang zur notwendigen medizinischen Behandlung nicht nur grundsätzlich, sondern auch tatsächlich angesichts deren konkreter Kosten und Erreichbarkeit ärztlicher Hilfsorganisationen möglich wäre (VwGH 15.03.2005, 2002/21/0056, siehe auch VfGH 22.06.2009, U469/09).
Obwohl es sich bei der Judikatur des EGMR um reine Einzelfallentscheidungen handelt, lassen sich doch Judikaturlinien nachzeichnen, welche die maßgeblichen Entscheidungsdeterminanten für eine Art. 3 EMRK-konforme Abschiebungsentscheidung im Falle von psychischen Erkrankungen der Betroffenen verdeutlichen. Folgende Aspekte haben daher bei psychischen Erkrankungen wie zB schweren Depressionen und PTBS mit suizidaler Einengung in die Abschiebungsentscheidung einzufließen:
Zunächst lässt sich ein Anspruch auf Verbleib im Vertragsstaat prinzipiell nicht mit dem Hinweis begründen, ein solcher sei notwendig, um weiterhin medizinische, soziale und andere Formen von Unterstützung durch den Abschiebestaat zu erhalten.
Von diesem Grundsatz ist ausnahmsweise abzuweichen, wenn es sich um eine lebensbedrohende, bereits ein tödliches Stadium erreichende Erkrankung handelt und die Aussicht auf medizinische Hilfe oder familiäre Unterstützung im Herkunftsstaat fehlt.
Schwere psychische Erkrankungen erreichen solange nicht die erforderliche Gravität, als es nicht zumindest einmal zu einer Zwangseinweisung in eine geschlossene Psychiatrie gekommen ist. Sollte diese allerdings schon länger als ein Jahr zurückliegen und in der Zwischenzeit nichts Nennenswertes passiert sein, dürfte von keiner akuten Gefährdung mehr auszugehen sein. Die lediglich fallweise oder aber auch regelmäßige Inanspruchnahme von psychiatrischen oder psychotherapeutischen Leistungen einschließlich freiwilliger Aufenthalte in offenen Bereichen psychiatrischer Kliniken indizieren eine fehlende Gravität der Erkrankung (AsylGH 1.10.2008, E9 300863-2/2008).
Im Falle einer diagnostizierten PTBS, die auf traumatische Erlebnisse im Herkunftsstaat zu- rückzuführen ist, wird diese umso unbeachtlicher respektive unglaubwürdiger, je später im Verfahren die dieser Erkrankung behauptetermaßen zugrunde liegenden Erlebnisse vorgebracht werden. Nach Ansicht des EGMR kann zwar die Erkrankung erst nach Jahren ausbrechen bzw. erkannt werden, vom Asylwerber kann aber erwartet werden, dass er den traumakausalen Sachverhalt bereits in einem frühen Verfahrensstadium erstmals erwähnt.
Mentaler Stress, der durch eine Abschiebungsentscheidung hervorgerufen wird, rechtfertigt nicht die Abstandnahme von der Effektuierung dieser Entscheidung.
Auch wenn eine akute Suizidgefahr besteht, ist ein Vertragsstaat nicht dazu verpflichtet, von der Durchführung der Abschiebung Abstand zu nehmen, wenn konkrete Maßnahmen getroffen werden, um einen Selbstmord zu verhindern. Die Zusicherung von Garantien, welche von der die Abschiebung durchführenden Polizei zu beachten sind (zB die Charterung eines eigenen, mit einem ärztlichen Team ausgestatteten Flugzeuges), reichen hiezu aus. Dies gilt auch für den Fall bereits mehrer vorangegangener Suizidversuche. Auch wenn es sich um eine sehr ernste und schwere Erkrankung handelt, steht diese einer Abschiebung in den Herkunftsstaat nicht entgegen, wenn dort eine adäquate Behandlungsmöglichkeit besteht. Der Umstand, dass die Verhältnisse für den Betroffenen in diesem Zusammenhang im Zielstaat ungünstiger sein mögen, als jene, die er in dem jeweiligen Aufenthaltsstaat genießen konnte, ist in Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht relevant. Selbst erhebliche Kosten für die Inanspruchnahme erforderlicher medizinischer Hilfe und Medikamente sowie Therapien im Zielstaat sind unbeachtlich, wenn die betroffene Person dort über familiäre oder anderweitige Unterstützung verfügt.
Keinesfalls handelt es sich bei schweren psychischen Erkrankungen um von vornherein unbeachtliche Faktoren, sondern haben die Auswirkungen einer Abschiebung auf den Gesundheitszustand des Betroffenen in die Erwägungen miteinzufließen. Zu diesem Zweck sind der aktuelle Stand der Erkrankung einerseits und jener der medizinischen Versorgungslage sowie die persönliche Situation des Betroffenen im Zielstaat andererseits zu erheben, um eine hinreichend genaue „real risk“-Einschätzung vornehmen zu können (AsylGH 1.10.2008, E9 300 863-2/2008).
Im Fall Ayegh (EGMR 7.11.2006 Nr. 4701/05) drohte einem Beschwerdeführer, dem in zwei Gutachten eine schwere Traumatisierung, Depressionen, Angstzustände und die Gefahr, Selbstmord zu begehen, attestiert wurden, die Abschiebung in den Iran. Der EGMR begründete seine Entscheidung, die Beschwerde für unzulässig zu erklären, damit, dass schlechtere Behandlungsmöglichkeiten im Iran kein Abschiebehindernis seien und dass auch die Selbstmorddrohung für den Fall der Ausweisung den Staat nicht daran hindere, die Abschiebung zu vollziehen, vorausgesetzt, dass konkrete Maßnahmen zur Verhinderung des angedrohten Selbstmordes vom Staat ergriffen werden.
Die Abschiebung der Beschwerdeführer nach Russland im Fall Goncharova Alekseytsev (EGMR 3.5.2007, Nr. 31.246/06) erkannte der EGMR nicht als Verletzung in Art. 3 EMRK, obwohl der Zweitbeschwerdeführer schwer psychisch krank war, bereits zwei Selbstmordversuche hinter sich und gedroht hatte, sich im Fall der Abschiebung umzubringen. Der EGMR begründete seine Entscheidung erneut – unter Zitierung der Entscheidung D. v. United Kingdom - damit, dass nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände Art. 3 EMRK verletzt sein könnte. Der Zweitbeschwerdeführer sei jedoch nicht in einer geschlossenen Anstalt gewesen und habe auch nicht ständigen Kontakt mit einem Psychiater gehabt. Auch die Drohung, im Falle der Abschiebung Selbstmord zu begehen, hindere den Vertragsstaat nicht daran, die Abschiebung zu veranlassen.
Abschiebungsschutz als Realisierung der Rechte aus Art. 3 EMRK soll einem Fremden nicht eine Heilung von Krankheit unter Einsatz des sozialen Netzes des Aufenthaltsstaates sichern, sondern vor gravierender Beeinträchtigung der Rechtsgüter Leib und Leben bewahren (vgl. hiezu z.B. auch das Urteil des OVG NRW vom 20.9.2006, Zahl 13 A 1740/05.A). Diese Restriktion leuchtet nicht zuletzt aus der Absolutheit hervor, mit der Art. 3 EMRK das Recht eines jeden, nicht gefoltert oder einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen zu werden, garantiert. Dadurch, dass der EGMR in seiner Judikatur zur Art. 3 EMRK regelmäßig auf den hohen Eingriffschwellenwert („high threshold“) dieser Bestimmung hinweist (und deshalb letztlich auch viele Beschwerden verwirft), bringt er unmissverständlich zum Ausdruck, dass Art. 3 EMRK lediglich einen – aber dafür absoluten und unverbrüchlichen – Mindestschutzstandard garantiert, den er trotz der Fortentwicklungen in den modernen Gesellschaften und sich ändernder sozialer Bedürfnisse offenkundig nicht erweitert (AsylGH 24.07.2008, E2 310892-1/2008).
Zusammenfassend ergibt sich aus den erwähnten Entscheidungen, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzliche Behandlungsmöglichkeiten im Zielland bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt (vgl. Fall Ndangoya). Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom). (VfGH 6.3.2008, Zl. B 2400/07).
3.2.7. Dass dem BF bei Effektuierung einer Rückkehrentscheidung keine Gefährdung seiner Rechte im Sinne der unter Punkt 3.2.6. angeführten (partiell) höchst- bzw. europarechtlichen Judikatur droht, wurde unter Punkt 2.5.1. hinreichend beweiswürdigend dargelegt und stützte sich das BVwG dabei maßgeblich auf die Ausführungen des Sachverständigen Prim. Dr. XXXX sowie die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.02.2024 samt Beilagen, welche die theoretische und praktische Verfügbarkeit sämtlicher erforderlicher Ärzte, Therapien und Wirkstoffe im Herkunftsstaat nachwies, sodass den Ansprüchen der Höchstgerichte und des EGMR jedenfalls Genüge getan wird.
3.2.8. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden, sodass der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zu Recht abgewiesen wurde.
3.3. Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz:
3.3.1. Wird ein Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, ist gemäß § 58 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen. Über das Ergebnis der von Amts wegen erfolgten Prüfung ist gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
3.3.2. Der Aufenthalt des BF im Bundesgebiet war ausweislich der Feststellungen nie nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Sein Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Er wurde schließlich nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.
3.3.3. Dem BF ist daher kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen. Der gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides erhobenen Beschwerde kommt keine Berichtigung zu.
3.4. Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK und Erlassung einer Rückkehrentscheidung:
3.4.1. Die Einreise des BF in das Gebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich im Jahr 2015 ist rechtmäßig erfolgt. Er hielt sich in weiterer Folge – zunächst aufgrund eines Aufenthaltstitels nach dem NAG, in der Folge aufgrund eines Verlängerungsantrags – bis Jänner 2018 legal im Bundesgebiet auf. Er war ab Stellung seines ersten Asylantrags im März 2018 als Asylweber gemäß § 13 AsylG 2005 für die Dauer des damals abgeschlossenen Verfahrens zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Nach Rechtskraft des ersten Asylverfahrens brachte der BF im Jahr 2021 einen zweiten (nunmehr gegenständlichen) Asylantrag ein. Ein auf eine andere Rechtsgrundlage gestütztes Aufenthaltsrecht ist nicht gegeben. Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG 2005 ist diese Entscheidung somit mit einer Rückkehrentscheidung nach dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.
Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden nach Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.
3.4.2. Für die Beurteilung, ob ein relevantes Privat- und/oder Familienleben iSd Art 8 EMRK vorliegt, sind nach der höchstgerichtlichen Judikatur insbesondere nachfolgende Umstände beachtlich:
Privatleben:
Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z. B. eine Rückkehrentscheidungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).
Bei der Schutzwürdigkeit des Privatlebens manifestiert sich der Grad der Integration des Fremden insbesondere an intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen (vgl. EGMR 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 5.7.2005, 2004/21/0124; 11.10.2005, 2002/21/0124).
Familienleben:
Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00); etwa bei Zutreffen anderer Faktoren aus denen sich ergibt, dass eine Beziehung genügend Konstanz aufweist, um de facto familiäre Bindungen zu erzeugen: z. B. Natur und Dauer der Beziehung der Eltern und insbesondere, ob sie geplant haben ein gemeinsames Kind zu haben; ob der Vater das Kind als eigenes anerkannt hat; ob Unterhaltszahlungen für die Pflege und Erziehung des Kindes geleistet wurden; und die Intensität und Regelmäßigkeit des Umgangs (EGMR v. 8.1.2009, Zl 10606/07, Fall Grant gg. Vereinigtes Königreich).
Eine familiäre Beziehung unter Erwachsenen fällt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) nur dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. dazu auch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 9. Juni 2006, B 1277/04, unter Hinweis auf die Judikatur des EGMR; des Weiteren auch das Erkenntnis des VwGH vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0423 und die darauf aufbauende Folgejudikatur, etwa die Erkenntnisse vom 26. Jänner 2006, Zl. 2002/20/0235, vom 8. Juni 2006, Zl. 2003/01/0600, vom 22. August 2006, Zl. 2004/01/0220 und vom 29. März 2007, Zl. 2005/20/0040, vom 26. Juni 2007, 2007/01/0479).
Alle anderen verwandtschaftlichen Beziehungen (zB zwischen Enkel und Großeltern, erwachsenen Geschwistern [vgl. VwGH 22.08.2006, 2004/01/0220, mwN; 25.4.2008, 2007/20/0720 bis 0723-8], Cousinen [VwGH 15.01.1999, 97/21/0778; 26.6.2007, 2007/01/0479], Onkeln bzw. Tanten und Neffen bzw. Nichten) sind nur dann als Familienleben geschützt, wenn eine „hinreichend starke Nahebeziehung“ besteht. Nach Ansicht der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist für diese Wertung insbesondere die Intensität und Dauer des Zusammenlebens von Bedeutung (vgl. VfSlg 17.457/2005). Dabei werden vor allem das Zusammenleben und die gegenseitige Unterhaltsgewährung zur Annahme eines Familienlebens iSd Art 8 EMRK führen, soweit nicht besondere Abhängigkeitsverhältnisse, wie die Pflege eines behinderten oder kranken Verwandten, vorliegen.
Ist von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die gesamte Familie betroffen, greift sie lediglich in das Privatleben der Familienmitglieder und nicht auch in ihr Familienleben ein; auch dann, wenn sich einige Familienmitglieder der Abschiebung durch Untertauchen entziehen (EGMR im Fall Cruz Varas gegen Schweden). In diesen Fällen ist nach der Judikatur des EGMR der Eingriff in das Privatleben gegebenenfalls separat zu prüfen (Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 856 mwN).
Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entferntere verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität aufweisen, etwa ein gemeinsamer Haushalt vorliegt (vgl. dazu EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; Frowein - Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention, EMRK-Kommentar, 2. Auflage (1996) Rz 16 zu Art. 8; Baumgartner, Welche Formen des Zusammenlebens schützt die Verfassung? ÖJZ 1998, 761; vgl. auch Rosenmayer, Aufenthaltsverbot, Schubhaft und Abschiebung, ZfV 1988, 1). In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).
3.4.3. Basierend auf die getroffenen Feststellungen ist davon auszugehen, dass die Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben darstellt, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben.
Im vorliegenden Fall ist der Eingriff gesetzlich vorgesehen und verfolgt gem. Art 8 Abs 2 EMRK legitime Ziele, nämlich
- die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, worunter auch die geschriebene Rechtsordnung zu subsumieren ist;
- das wirtschaftliche Wohl des Landes;
Öffentliche Ordnung / Verhinderung von strafbaren Handlungen (insb. im Bereich des Aufenthaltsrechtes):
Der EGMR geht davon aus, dass die Konvention kein Recht auf Aufenthalt in einem bestimmten Staat garantiert. Der EGMR erkennt in stRsp weiters, dass die Konventionsstaaten nach völkerrechtlichen Bestimmungen berechtigt sind, Einreise, Rückkehrentscheidung und Aufenthalt von Fremden ihrer Kontrolle zu unterwerfen, soweit ihre vertraglichen Verpflichtungen dem nicht entgegenstehen (vgl. uva. zB. Urteil Vilvarajah/GB, A/215 § 102 = NL 92/1/07 und NL 92/1/27f.). Die Schaffung eines Ordnungssystems, mit dem die Einreise und der Aufenthalt von Fremden geregelt wird, ist auch im Lichte der Entwicklungen auf europäischer Ebene notwendig. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) daher ein hoher Stellenwert zu (VfGH 29.9.2007, B 328/07, VwGH 16.01.2001, Zl. 2000/18/0251 uva.). Die öffentliche Ordnung, hier va. das Interesse an einer geordneten Zuwanderung, erfordert es daher, dass Fremde, die nach Österreich einwandern wollen, die dabei zu beachtenden Vorschriften einhalten. Die öffentliche Ordnung wird z. B. schwerwiegend beeinträchtigt, wenn einwanderungswillige Fremde, ohne das betreffende Verfahren abzuwarten, sich unerlaubt nach Österreich begeben, um damit die österreichischen Behörden vor vollendete Tatsachen zu stellen. Die Rückkehrentscheidung kann in solchen Fällen trotz eines vielleicht damit verbundenen Eingriffs in das Privatleben und Familienleben erforderlich sein, um jenen Zustand herzustellen, der bestünde, wenn sich der Fremde gesetzestreu verhalten hätte (VwGH 21.2.1996, 95/21/1256). Dies insbesondere auch deshalb, weil als allgemein anerkannter Rechtsgrundsatz grundsätzlich gilt, dass aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen. (VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007). Der VwGH hat weiters festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Rückkehrentscheidung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31.10.2002, Zl. 2002/18/0190). Aus Art 8 EMRK ist zudem kein Recht auf Wahl des Familienwohnsitzes ableitbar (VfGH 13.10.2007, B1462/06 mwN).
Die rechtswidrige Einreise und der rechtswidrige Aufenthalt im Bundesgebiet stellen eine Verwaltungsübertretung dar. Im darin enthaltenen Strafrahmen des FPG lässt der Gesetzgeber das hohe öffentliche Interesse an der Verhinderung bzw. Bekämpfung des nicht rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet erkennen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung stellt daher ein Instrument zur Verhinderung eines derartigen unter Strafe gestellten Verhaltens bzw. Unterlassens dar. Die allgemeine Lebenserfahrung zeigt, dass die Mehrzahl der Fremden nach rechtskräftigem Abschluss ihres Asylverfahrens der durch die Rückkehrentscheidung bestehenden auferlegten Ausreiseverpflichtung nicht (freiwillig) nachkommt. Nur für den Fall der Erlassung eines den Aufenthalt des Fremden beendenden Titels besteht (unbeschadet der sonstigen Zuständigkeit der Sicherheitsbehörde für Aufenthaltsbeendigungen von Fremden) für diesen Fremden nach Abschluss seines Asylverfahrens die gesetzliche Verpflichtung Österreich zu verlassen und können Organe des öffentlichen Sicherheitsdienste nur diesfalls im Falle der Weigerung im Auftrage der Sicherheitsbehörde diese im öffentlichen Interesse notwendige Aufenthaltsbeendigung auch mit behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durchführen.
Wirtschaftliches Wohl:
Die geordnete Zuwanderung von Fremden ist auch für das wirtschaftliche Wohl des Landes (vgl zB EGMR 31.7.2008, Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen) von besonderer Bedeutung, da diese sowohl für den geordneten Arbeitsmarkt als auch für das Sozial- und Gesundheitssystem erhebliche Auswirkung hat.
Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass insbesondere bei nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältigen Fremden, welche daher auch grundsätzlich über keine arbeitsrechtliche Berechtigung verfügen, idR die reale Gefahr besteht, dass sie zur Finanzierung ihres Lebensunterhaltes in die gesellschaftlich unerwünschte, aber doch real vorhandene Schattenwirtschaft ausweichen, was wiederum erhebliche Folgewirkungen auf den offiziellen Arbeitsmarkt, das Sozialsystem und damit auf das wirtschaftliche Wohl des Landes hat (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).
Wenn das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, ist dies bei der Abwägung gegebenenfalls als die persönlichen Interessen mindernd in Betracht zu ziehen (EGMR 24.11.1998, Fall Mitchell, Appl. 40.447/98; 5.9.2000, Fall Solomon, Appl. 44.328/98; 31.1.2006, Fall Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Appl. 50.435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562, Fall Nnyanzi gg. Vereinigtes Königreich, Fall Darren Omoregie u.a. gg. Norwegen).
Privatleben iSd Art 8 Abs 1 EMRK kann grundsätzlich nur im Rahmen eines legalen Aufenthaltes entstehen. Eine während des laufenden Asylverfahrens bloß vorläufige Aufenthaltsberechtigung ist nicht geeignet berechtigterweise schon die Erwartung hervorzurufen, in Österreich bleiben zu dürfen (EGMR in den Sachen Ghiban v. 7.10.04, 33743/03 und Dragan NVwZ 2005, 1043, Nnyanzi gg. Norwegen).
Der Asylwerber kann während seines Asylverfahrens nicht darauf vertrauen, dass ein in dieser Zeit entstehendes Privat- bzw. Familienleben auch nach der Erledigung seines Asylantrages fortgesetzt werden kann. Die Rechte aus der GFK dürfen nicht dazu dienen, die Einwanderungsregeln zu umgehen (ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 857 mwN).
Verfügt der BF über einen gesicherten Aufenthalt und ist sie nicht straffällig geworden, so bewirken diese Umstände keine relevante Verstärkung ihrer persönlichen Interessen (Hinweis E 24. Juli 2002, 2002/18/0112; 31.10.2002, 2002/18/0190).
Das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration ist weiters dann gemindert, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf einen unberechtigten Asylantrag zurückzuführen ist (VwGH 26.6.2007, 2007/01/0479 mwN). Beruht der bisherige Aufenthalt auf rechtsmissbräuchlichem Verhalten (insbesondere bei Vortäuschung eines Asylgrundes [vgl VwGH 2.10.1996, 95/21/0169]), relativiert dies die ableitbaren Interessen des Asylwerbers wesentlich [vgl. die Erkenntnisse vom 28. Juni 2007, Zl. 2006/21/0114, und vom 30. August 2007, Zl. 2006/21/0246] (VwGH 20.12.2007, 2006/21/0168).
Bei der Abwägung der Interessen ist auch zu berücksichtigen, dass es den beschwerdeführenden Parteien bei der asylrechtlichen Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des FPG bzw. NAG wieder in das Bundesgebiet zurückzukehren (vgl. ÖJZ 2007/74, Peter Chvosta, Die Rückkehrentscheidung von Asylwerbern und Art 8 EMRK, S 861, mwN).
Dem Fremden musste bei der Antragstellung klar sein, dass der Aufenthalt in Österreich im Falle einer Abweisung des Asylantrages nur ein vorübergehender ist. Ebenso indiziert die Einreise unter Umgehung der Grenzkontrolle den Umstand, dass dem Fremden die Unmöglichkeit der legalen Einreise und dauerhaften Niederlassung bewusst war. Dazu kommt, dass der Fremde gerade in diesem Stadium des ungewissen Aufenthaltes Anknüpfungspunkte gem. Art. 8 (1) EMRK begründete, weshalb er nicht schützenswert erscheint. Eine Prüfung der sonstigen genannten Kriterien brachte keine weiteren gewichtigen Argumente für den Verbleib im Bundesgebiet. Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Könnte sich ein Fremder nunmehr in einer solchen Situation erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen, würde dies darüber hinaus dazu führen, dass Fremde, welche die unbegründete bzw. rechtsmissbräuchliche Asylantragstellung allenfalls in Verbindung mit einer illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet in Kenntnis der Unbegründetheit bzw. Rechtsmissbräuchlichkeit des Antrag unterlassen, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, welche genau zu diesen Mitteln greifen um sich ohne jeden sonstigen Rechtsgrund den Aufenthalt in Österreich legalisieren, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (vgl. hierzu auch das Estoppel-Prinzip) (AsylGH 4.8.2008, E10 313376-1/2008).
3.4.4. Im Einzelnen ergibt sich unter zentraler Beachtung der in § 9 Abs 1 Z 1-9 BFA-VG genannten Determinanten Folgendes:
- Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war:
Der BF reiste zunächst rechtmäßig in das Bundesgebiet ein, stellte jedoch, zwei Monate nach Ablauf der (durch einen Verlängerungsantrag prolongierten) Gültigkeit seines Aufenthaltstitels im Jänner 2018, anstatt auszureisen im März 2018 einen ersten – im Ergebnis rechtskräftig negativ beschiedenen - Asylantrag. In weiterer Folge negierte er konsequent seine Ausreisepflicht und brachte stattdessen nach Ablauf eines maßgeblichen Zeitraums des illegalen Aufenthalts einen zweiten Asylantrag ein.
Abgesehen von der aus den bloßen Asylantragstellungen resultierenden vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen für die Dauer der Verfahren kam nicht hervor, dass der BF (abgesehen vom im Jahr 2016 abgelaufenen und bis Jänner 2018 prolongierten Aufenthaltstitel „Student“) zu irgendeinem Zeitpunkt über einen anderen Aufenthaltstitel im Bundesgebiet verfügt hätte.
- das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens:
Der BF verfügt über keine relevanten familiären Anknüpfungspunkte in Österreich. Zwar lebt die Schwester des BF mit deren Familie in Österreich, eine wechselseitige Abhängigkeit wurde jedoch nicht behauptet.
- Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren:
Die Anknüpfungspunkte in Österreich wurden weitestgehend in einer Zeit erlangt, in der der Aufenthalt des BF durch die bloß vorläufigen Aufenthaltsberechtigungen für die Dauer der Asylverfahren prekär war. Zu berücksichtigen ist weiters, dass auch der Aufenthaltstitel „Student“ keinen dauerhaften, sondern lediglich einen kurzfristigen Aufenthalt begründet, sodass ihm und allfälligen Sozialkontakten von Anfang an klar sein musste und auch war, dass eine dauerhafte Niederlassung des BF in Österreich seitens der Behörden nicht beabsichtigt ist.
Einem Asylwerber muss (spätestens) nach der erstinstanzlichen Abweisung seines Asylantrages - auch wenn er subjektiv Hoffnungen auf ein positives Verfahrensende haben sollte - im Hinblick auf die negative behördliche Beurteilung des Antrages von einem nicht gesicherten weiteren Aufenthalt ausgehen [Hinweis E 25. März 2010, 2010/21/0064 bis 0068] (VwGH 29.4.2010, 2010/21/0085). Im gegenständlichen Fall wurde der Asyl(folge)antrag des BF mit Bescheid vom 23.05.2023 abgewiesen, während sein Erstantrag bereits im Jahr 2018 vom Bundesamt und im Jahr 2019 vom BVwG negativ erledigt wurde. Weiters kommt hinzu, dass davon auszugehen ist, dass diese letztlich als unbegründet zu erachtenden Asylanträge zudem hinsichtlich der Fluchtgründe auf falsche Gegebenheiten gestützt und damit versucht wurde, die Asylinstanzen wiederholt zu täuschen.
Nach der erstinstanzlichen Entscheidung am 23.05.2023 war der weitere Aufenthalt neuerlich lediglich durch Ergreifung eines Rechtsmittels gegen diese Entscheidung und der dadurch bedingten Verlängerung der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung möglich.
- Grad der Integration:
Der BF hält sich seit dem Jahr 2015 in Österreich auf. Er reiste rechtmäßig in das Bundesgebiet ein, wobei sein ursprünglicher Aufenthaltstitel im Jahr 2016 ablief, im Jänner 2018 wurde sein Verlängerungsantrag abgewiesen. Seit März 2018 ist der BF, mit einer Unterbrechung des legalen Aufenthalts aufgrund einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung, als Asylwerber im Bundesgebiet aufhältig. Seinen Aufenthalt konnte er lediglich durch die Stellung unbegründeter (Folge-)Anträge auf internationalen Schutz vorübergehend legalisieren. Der aus dem negativen Verfahrensausgang hinsichtlich seines (Erst-)Antrages auf internationalen Schutz erwachsenen Ausreiseverpflichtung kam der BF nicht nach, sondern stellte stattdessen am 26.05.2021 einen neuen (bzw. gegenständlichen zweiten) Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag). Seit dem 03.05.2019 geht der BF einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nach und nimmt er gegenwärtig auch keine Transferleistungen in Anspruch, davor war der BF – während seines Aufenthalts im Sinne des NAG – rund ein Jahr als Arbeiter im Gastgewerbe beschäftigt. Der BF verfügt in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte in Gestalt einer Schwester samt Familie. Er verbringt seine Freizeit mit Spaziergängen und dem Hören von Musik. Seine Deutschkenntnisse befinden sich auf dem Niveau A2, er hat darüber hinaus keine weiteren Qualifizierungsmaßnahmen zum Erwerb deutscher Sprachkenntnisse ergriffen und ist praktisch nur sehr eingeschränkt kommunikationsfähig. Der BF hat keinen nennenswerten Freundeskreis und ist in keinem Verein Mitglied, er engagierte sich während seines bisherigen Aufenthaltes auch nicht ehrenamtlich.
- Bindungen zum Herkunftsstaat:
Der BF wurde in Bangladesch geboren, hat dort die prägendsten Abschnitte seiner Sozialisation erfahren, kann sich im Herkunftsstaat in der (auch in seiner Herkunftsregion) vorherrschenden bengalischen Landessprache in Wort und Schrift verständigen und hat den überwiegenden Teil seines Lebens in Bangladesch zugebracht. Der BF genoss schulische und akademische Bildung im Herkunftsstaat. Sein beruflicher Werdegang konnte aufgrund widersprüchlicher Angaben nicht festgestellt werden, jedoch haben sich seine finanziellen Verhältnisse laut eigenen Angaben gesamthaft als gut dargestellt. Der BF verfügt in Bangladesch bzw. in seiner Herkunftsregion über familiäre Anknüpfungspunkte. Zumindest seine Eltern und sein jüngerer Bruder halten sich in der Herkunftsregion auf und ist deren Lebensunterhalt gesichert. Zu seiner Familie in Bangladesch hat er laut eigenen Angaben regelmäßigen Kontakt. Der BF hält sich seit Juni 2015, sohin rund neuneinhalb Jahren, nicht mehr in Bangladesch auf. Es kann somit angesichts seines Lebensalters nicht davon ausgegangen werden, dass er von seinem Herkunftsstaat völlig entwurzelt wäre.
- strafrechtliche Unbescholtenheit:
In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen gerichtlicher Verurteilungen auf.
- Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-. Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:
Der BF reiste zwar rechtmäßig in das Bundesgebiet ein, er hielt sich jedoch nach Ablauf seines Aufenthaltstitels (und Ablehnung des Verlängerungsantrags) rund zwei Monate illegal in Österreich auf bevor er seinen Aufenthalt durch Stellung seines ersten Asylantrags neuerlich vorrübergehend legalisierte. Mit 04.12.2019 wurde eine Beschwerde gegen den ersten Asylantrag als unbegründet abgewiesen, ab Zustellung dieses Erkenntnisses mit selbem Tag bis zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch den VfGH mit 22.01.2020 war der BF ausreisepflichtig. Die Ausreisepflicht lebte mit Ablehnung der Behandlung der Beschwerde mit 08.06.2020 wieder auf und hielt sich der BF in der Folge bis zur Einbringung des gegenständlichen Asylantrags mit 26.05.2021, sohin rund ein Jahr, illegal im Bundesgebiet auf. Erst an diesem Tag wurde sein Aufenthalt neuerlich (vorrübergehend) legalisiert, womit mehrere Verstöße gegen das Fremdenrecht objektiviert sind.
Der BF verletzte auch durch die nicht wahrheitsgemäße Begründung seiner (Folge-)Anträge auf internationalen Schutz seine Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren.
- mögliches Organisationsverschulden durch die handelnden Behörden in Bezug auf die Verfahrensdauer
Es ist im Rahmen einer Gesamtschau zwar festzuhalten, dass eine raschere Erledigung beider Asylverfahren bei Vorhandensein entsprechender Ressourcen erwartet werden konnte, dennoch ist im gegenständlichen Fall aufgrund des Vorbringens des BF sowie seines Verhaltens im Verfahren davon auszugehen, dass kein Sachverhalt vorliegt, welcher die zeitliche Komponente im Lichte der Erkenntnisse des VfGH B 950-954/10-08 bzw. B1565/10, in den Vordergrund treten ließe, dass aufgrund der Verfahrensdauer im Rahmen der Interessensabwägung im Sinne des Art. 8 EMRK von einem Überwiegen der privaten Interessen des BF auszugehen wäre (in Bezug auf ein gewisses Behördenverschulden in Bezug auf die Verfahrensdauer vgl. auch bei Vorliegen von weitaus engeren Bindungen im Sinne des Art. 8 EMRK und einem ca. zehnjährigen Aufenthalt im Staat der Antragstellung das Urteil des EGMR Urteil vom 8. April 2008, NNYANZI gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06). Auch sei an dieser Stelle auch darauf hingewiesen, dass die zeitliche Komponente nicht das allein ausschlaggebende Faktum darstellt.
3.4.5. Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass sich der BF kaum in die österreichische Gesellschaft integriert hat und die vorhandenen Anknüpfungspunkte zu bzw. in Österreich während eines Zeitraumes erlangt wurden, in dem der Aufenthaltsstatus des BF stets ungewiss war, was dem BF (sowie allfälligen Sozialkontakten) auch bewusst sein musste.
Hinzu kommt erschwerend, dass der Asylantrag des BF von Vornherein unbegründet war, der BF die Asylbehörden offensichtlich durch Behauptung falscher Tatsachen versuchte, in die Irre zu führen, um unberechtigt einen Aufenthaltstitel zu erlangen. Erst durch Missachtung der österreichischen Rechtsordnung konnte sich die bP diese Vorteile verschaffen.
Bestandteil einer gelungenen Integration ist u. a., dass sich die asylwerbende Person auch im Asylverfahren im Wesentlichen regelkonform verhält, worüber sie überdies ausdrücklich zu Beginn und im Laufe des Verfahrens belehrt wird. Das Verhalten im Asylverfahren, also konkret vor den staatlichen Behörden des Aufnahmestaates, in dem sie behauptet, Schutz vor Verfolgung zu benötigen, kann somit bei einer Bewertung der Integration in Österreich nicht ausgeblendet werden. Auf Grund von nicht wahrheitsgemäßen Angaben führt dies gegenständlich zu einer Minderung der privaten Interessen des BF und zu einer Stärkung der genannten öffentlichen Interessen.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit wirkt sich in der Bewertung neutral aus und führt nicht zur Verstärkung der privaten Interessen.
Soweit der BF über private Bindungen in Österreich verfügt, ist im Übrigen darauf hinzuweisen, dass diese zwar durch eine Rückkehr nach Bangladesch gelockert werden, es deutet jedoch nichts darauf hin, dass der BF hierdurch gezwungen wäre, den Kontakt zu jenen Personen, die ihm in Österreich nahestehen, gänzlich abzubrechen. So stünde es dem BF frei, diese durch briefliche, telefonische, elektronische Kontakte oder durch gegenseitige Besuche aufrecht zu erhalten (vgl. Peter Chvosta: „Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK“, ÖJZ 2007/74 mwN). Ebenso stünde es dem BF – so wie jedem anderen Fremden auch – frei, sich um eine legale Wiedereinreise und einen legalen Aufenthalt zu bemühen.
Nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung ist bei einem mehr als 10 Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen und kann grundsätzlich nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, eine Aufenthaltsbeendigung ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen werden kann. Diese zu mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalten entwickelte Judikatur wurde vom VwGH - bei stärkerem Integrationserfolg - auch auf Fälle übertragen, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter 10 Jahren lag (vgl. VwGH vom 17.09.2021, Ra 2020/19/0420, mwN). Diese Rechtsprechungslinie betraf aber nur Konstellationen, in denen der Inlandsaufenthalt bereits über 10 Jahre dauerte und sich aus dem Verhalten des Fremden - abgesehen vom unrechtmäßigen Verbleib in Österreich - sonst keine Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit ergab (VwGH 25.4.2014, Ro 2014/21/0054; 10.11.2015, Ro 2015/19/0001).
Der BF hält sich noch keine zehn Jahre im Bundesgebiet auf und sind seine Integrationsleistungen darüberhinaus als außerordentlich dürftig anzusehen.
Abgesehen von seiner selbstständigen Beschäftigung im Gesamtausmaß von rund fünfeinhalb Jahren hat der BF während seines hiesigen Aufenthalts keine ernstlichen Bemühungen um Aufenthaltsverfestigung an den Tag gelegt; von einer Verfestigung des BF in der österreichsichen Gesellschaft ist sohin keinesfalls auszugehen.
Es sind auch ansonsten keine besonderen zu Gunsten des BF sprechenden integrativen Schritte erkennbar. Der BF hat zwar einen Sprachkurs auf dem Niveau A2 positiv absolviert, wobei das erkennende Gericht feststellen musste, dass eine Gesprächsführung allenfalls auf einfachstem Niveau möglich ist. Er weist sohin nur elementarste Deutschkenntnisse auf und vermag sich in dieser Sprache – selbst bei stark vereinfachter Kommunikationsführung – kaum zu verständigen. Der Spracherwerb und der tatsächliche Wille, die deutsche Sprache zu erlernen, stellen ein wesentliches Kriterium bei der Beurteilung der Integration in Österreich dar. Dahingehende Bemühungen können dem BF zwar nicht zur Gänze abgesprochen werden, ein nennenswerter Fortschritt beim Spracherwerb liegt jedoch gegenständlich – trotz knapp neuneinhalbjährigem Aufenthalt in Österreich – nicht vor. In diesem Zusammenhang ist auch auf die höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach selbst die – hier bei Weitem nicht vorhandenen – Umstände, dass selbst ein Fremder, der perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, über keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale verfügt und diesen daher nur untergeordnete Bedeutung zukommt (Erk. d. VwGH vom 6.11.2009, 2008/18/0720; 25.02.2010, 2010/18/0029). Der BF hat in Österreich auch keine Schul- oder anderweitige Ausbildung absolviert und ist auch nicht Mitglied eines Vereins. Unterstützungsschreiben konnte der BF zwar vorlegen, die Referenzgeber korrelieren jedoch nicht mit dem von ihm behaupteten Freundeskreis und waren drei von vier Schreiben außerordentlich rudimentär gehalten.
Im Verfahren kam ansonsten nicht hervor, dass er tiefergehend in die österreichische Gesellschaft integriert wäre. Es liegen daher keine – über das gewöhnliche Maß einer durch den bloßen Aufenthalt vermittelten Verfestigung – besonderen Integrationsmerkmale in Bezug auf den BF vor.
Es besteht dadurch noch keine derartige Verdichtung seiner persönlichen Interessen, dass dem BF schon deshalb unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK ein dauernder Verbleib in Österreich ermöglicht werden müsste.
Die Bindungen zum Heimatstaat des BF sind deutlich stärker ausgeprägt. Der BF wurde in Bangladesch geboren, dort sozialisiert, kann sich in seiner Herkunftsregion in der dort vorherrschenden Landessprache Bengali auf dem Niveau der Muttersprache verständigen und hat den überwiegenden Teil seines Lebens in diesem Staat zugebracht. Der BF genoss schulische und akademische Bildung. Unklar ist zwar, wie genau er seinen Lebensunterhalt bestritt, jedoch haben sich seine finanziellen Verhältnisse laut eigenen Angaben gesamthaft als gut dargestellt. Der BF verfügt in Bangladesch bzw. in seiner Herkunftsregion über familiäre Anknüpfungspunkte. Seine Eltern und sein jüngerer Bruder leben in der Herkunftsregion. Zu seiner Familie in Bangladesch, zumindest zu seiner Mutter, hat er laut eigenen Angaben regelmäßigen Kontakt. Überdies kann in Ansehung der (in Österreich erworbenen) beruflichen Qualifikation des BF angenommen werden, dass einer neuerlichen Aufnahme einer Beschäftigung keine Hindernisse entgegenstehen. Es ist daher nicht erkennbar, inwiefern sich der BF im Falle seiner Rückkehr bei der Wiedereingliederung in die dortige Gesellschaft unüberwindbaren Hürden gegenübersehen könnte. Im Vergleich ist gegenständlich von einer deutlich stärkeren Bindung des BF zu Bangladesch auszugehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem mehrfach darauf hingewiesen, dass es im Sinne des § 9 Abs. 2 Z 8 BFA-VG maßgeblich relativierend ist, wenn integrationsbegründende Schritte in einem Zeitpunkt gesetzt wurden, in dem sich der Fremde seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein musste (vgl. VwGH 28.02.2019, Ro 2019/01/0003, mwN).
Letztlich ist auch auf die Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach die allfällige Trennung von Familienangehörigen ebenso wie mögliche Schwierigkeiten bei der Wiedereingliederung im Heimatland im öffentlichen Interesse in Kauf zu nehmen sind (vgl. VwGH 09.07.2009, 2008/22/0932; 22.02.2011, 2010/18/0417) und selbst Schwierigkeiten bei der Gestaltung der Lebensverhältnisse, die infolge der alleinigen Rückkehr auftreten können, hinzunehmen sind (vgl. VwGH 15.03.2016, Zl. Ra 2015/21/0180).
Unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und unter Einbeziehung der oa. Judikatur der Höchstgerichte ist gegenständlich ein überwiegendes öffentliches Interesse – nämlich die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, konkret das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung und Stärkung der Einwanderungskontrolle, das wirtschaftliche Wohl des Landes sowie zur Verhinderung von strafbaren Handlungen insbesondere in Bezug auf den verwaltungsstrafrechtlich pönalisierten, nicht rechtmäßigen Aufenthalt von Fremden im Bundesgebiet – an der Aufenthaltsbeendigung des BF festzustellen, das die Interessen des BF an einem Verbleib in Österreich überwiegt. Die Rückkehrentscheidung ist daher als notwendig und nicht unverhältnismäßig zu erachten.
3.4.6. Es erfolgte daher zu Recht die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs 2 Z 2 FPG.
3.5. Zulässigkeit der Abschiebung und Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise:
3.5.1. Für die gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG 2005 (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0234).
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde das Bestehen einer aktuellen und durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 50 Abs. 1 oder Abs. 2 FPG 2005 – diese Bestimmungen stellen auf dieselben Gründe ab, wie sie in den §§ 3 und 8 AsylG 2005 enthalten sind – glaubhaft zu machen. Es ist die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Fremden in diesen Staat zu beurteilen (VwGH 10.08.2018, Ra 2018/20/0314).
Der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf den subsidiären Schutz entspricht somit jenem des Refoulementverbots im FPG 2005. Erkennbar eben deshalb ist nach den Vorstellungen des Gesetzgebers aber auch ein gesonderter Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Grunde des § 50 FPG 2005 nicht möglich; einem Fremden ist es verwehrt, eine derartige Feststellung zu begehren, weil über das Thema dieser Feststellung ohnehin im Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz abzusprechen ist. Ein inhaltliches Auseinanderfallen der genannten Entscheidungen (insbesondere nach § 8 AsylG 2005) einerseits und der Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG 2005 andererseits ist ausgeschlossen (VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119).
3.5.2. Bezüglich § 50 Abs. 1 FPG 2005 bleibt festzuhalten, dass im Rahmen des Ermittlungsverfahrens betreffend den vom BF gestellten Antrag auf internationalen Schutz nicht festgestellt werden konnte, dass der BF im Fall der Rückkehr in seinen Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde der BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 EMRK oder ihren relevanten Zusatzprotokollen verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung, noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde, liegt ausweislich der getroffenen Feststellungen zur Lage in Bangladesch ebenfalls nicht vor.
Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Ebenso sind keine von Amts wegen aufzugreifenden stichhaltige Gründe für die Annahme erkennbar, dass im Herkunftsstaat des BF dessen Leben oder dessen Freiheit aus Gründen der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten im Sinn des § 50 Abs. 2 FPG 2005 bedroht wäre und wird insoweit auf die Erwägungen in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung betreffend den vom BF gestellten Antrag auf internationalen Schutz verwiesen.
3.5.3. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 3 FPG 2005 schließlich unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht. Eine solche Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme besteht hinsichtlich des Staates Bangladesch nicht.
3.5.4. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung ergibt sich zwingend aus § 55 Abs. 2 erster Satz FPG 2005. Dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen würden, wurde nicht vorgebracht. Die eingeräumte Frist ist angemessen.
3.5.5. Der Flughafen Dhaka ist geöffnet und von Wien aus (im Wege von Umsteigeverbindungen) im Luftweg erreichbar, sodass auch keine Hindernisse erkannt werden können, das Bundesgebiet innerhalb der eingeräumten First in den Herkunftsstaat zu verlassen.
3.5.6. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte V. und VI. des bekämpften Bescheides war daher ebenfalls als unbegründet abzuweisen.
4. Der angefochtene Bescheid erweist sich ob der vorstehenden Ausführungen als rechtsrichtig, sodass die dagegen erhobene Beschwerde insgesamt als unbegründet abzuweisen ist.
Zu B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Aus den dem gegenständlichen Erkenntnis entnehmbaren Ausführungen geht hervor, dass das zur Entscheidung berufene Gericht in seiner Rechtsprechung im gegenständlichen Fall nicht von der bereits zitierten einheitlichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, insbesondere zum Erfordernis der Glaubhaftmachung der vorgebrachten Gründe, zum Flüchtlingsbegriff, zum Refoulementschutz und zum durch Art. 8 EMRK geschützten Recht auf ein Privat- und Familienleben abgeht. In Bezug auf die Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides liegt das Schwergewicht zudem in Fragen der Beweiswürdigung.