JudikaturBVwG

L501 2300471-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
14. Oktober 2024

Spruch

L501 2300471-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Irene ALTENDORFER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Nina ABRAHAM und Dr. Andreas GATTINGER als Beisitzer über die Beschwerde von Frau XXXX , VSNR. XXXX , gegen Spruchpunkt B) des Bescheides des AMS Linz vom 09.09.2024 wegen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung in einer Angelegenheit des § 49 AlVG zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 13 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) stattgegeben und Spruchpunkt B) des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Spruchpunkt A) des gegenständlich angefochtenen Bescheides sprach die belangte Behörde aus, dass die beschwerdeführende Partei (in der Folge kurz „bP“) von 20.08.2024 bis 03.09.2024 keinen Anspruch auf Notstandshilfe habe. Begründend wurde ausgeführt, dass sie den vorgeschriebenen Kontrollmeldetermin am 20.08.2024 nicht eingehalten und sich erst am 04.09.2024 wieder bei ihrer zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet habe.

Mit Spruchpunkt B) des gegenständlich angefochtenen Bescheides schloss die belangte Behörde die aufschiebende Wirkung einer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG aus. Begründend wurde wie folgt ausgeführt:

„Die Einhaltung einer Kontrollmeldung ist ein wesentliches Instrument der Arbeitsvermittlung und dient der raschen Integration in den Arbeitsmarkt, weshalb diese grundsätzlich einmal wöchentlich wahrzunehmen ist. Die im öffentlichen Interesse gelegene rasche Arbeitsmarktintegration gestaltet sich umso schwieriger, je länger die arbeitslose Person der Vermittlungstätigkeit des AMS fernbleibt, indem er vorgeschriebene Kontrollmeldungen ohne Vorliegen von triftigen Gründen nicht wahrnimmt.

Da im Zeitraum ab dem versäumten Kontrollmeldetermin bis zur Wiedermeldung (bzw. neuerlichen Antragstellung) dem AMS die Beendigung der Arbeitslosigkeit durch Vermittlung einer zumutbaren Beschäftigung nicht möglich war, stünde eine vorläufige Auszahlung der Leistung im Hinblick auf die von der_dem Beschwerdeführer_in verursachte Verhinderung der Vermittlungs- und Betreuungsmöglichkeit in einem die Versichertengemeinschaft grob belastenden Missverhältnis.

Eine aufschiebende Wirkung würde den aus generalpräventiver Sicht im öffentlichen Interesse gelegenen Normzweck, Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur bei gleichzeitiger Verfügbarkeit für die Arbeitsvermittlung zu gewähren, unterlaufen. Aus diesem Grund überwiegt das öffentliche Interesse gegenüber dem mit einer Beschwerde verfolgten Einzelinteresse. Die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ist daher auszuschließen.“

In der fristgerecht erhobenen Beschwerde erklärte die bP, sie habe den Kontrollmeldetermin nicht wahrnehmen könne, da er ihr nicht bekannt gewesen sei und beantragte ohne weitere Begründung, den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde aufzuheben.

Mit Schreiben vom 09.10.2024 legte die belangte Behörde die Beschwerde gegen Spruchpunkt B) samt Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und hielt fest, dass sie über die Beschwerde gegen Spruchpunkt A) des angefochtenen Bescheides mit Beschwerdevorentscheidung entscheiden werde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen:

Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergibt sich aus dem unter Punkt I. referierten Verfahrensgang.

II.2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Gerichtsakt sowie den vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde. Der Sachverhalt ergibt sich unmittelbar aus dem Akteninhalt und ist nicht strittig.

II.3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch einen Senat, anzuwendendes Verfahrensrecht:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gemäß § 56 Abs. 2 AlVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide einer Geschäftsstelle durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter angehören, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und aus dem Kreis der Arbeitnehmer. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde

II.3.2. Zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung

3.2.1. Die gegenständliche Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im angefochtenen Bescheid wurde zusammen mit der Beschwerde in der Hauptsache ausgeführt. Beim Ausspruch des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG in dem die Hauptsache erledigenden Bescheid handelt es sich – wie im vorliegenden Fall – um einen von der Hauptsache trennbaren, selbstständigen Nebenabspruch (Hengstschläger/Leeb1, AVG § 64 RZ 36).

Gemäß § 13 Abs. 1 VwGVG hat eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG aufschiebende Wirkung. Diese kann gemäß Abs. 2 leg.cit. mit Bescheid von der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

Gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG hat die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen.

Dass das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat, bedeutet, dass es gleichsam einem Eilverfahren ohne Setzung der sonstigen üblichen Verfahrensschritte, etwa Gewährung von Parteiengehör oder Durchführung einer Verhandlung, aber auch ohne jede Möglichkeit, ergänzende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen, über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu erkennen hat (vgl. VwGH 1.9.2014, Ra 2014/03/0028, 10.10.2014, Ro 2014/02/0020; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 13 VwGVG, K17; Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) [§ 13 VwGVG, Anm 8]). Das Verwaltungsgericht hat somit ausschließlich aufgrund der vorgelegten Aktenteile zu entscheiden.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung, welche die berührten öffentlichen Interessen UND die Interessen von Verfahrensparteien berücksichtigt (VwGH 01.09.2014, Ra2014/03/0028, VfGH 02.12.2014, G74/2014). § 13 Abs. 2 VwGVG ermöglicht es, den in der Praxis bestehenden Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Einbringung allenfalls unberechtigt empfangener Geldleistungen zu begegnen und dem Interesse der Versichertengemeinschaft, die Einbringlichkeit von (vermeintlich) zu Unrecht gewährten Leistungen an den einzelnen Versicherten ohne Zuwarten auf eine rechtskräftige Entscheidung im Falle der Bekämpfung eines Bescheides zu berücksichtigen, indem die berührten öffentlichen Interessen mit den Interessen des Leistungsempfängers abgewogen werden. Stellt sich im Zuge dieser Interessenabwägung heraus, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheids wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, so kann die Behörde die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde mit Bescheid ausschließen (VwGH 11.04.2018, 2017/08/0033).

Das Tatbestandsmerkmal „Gefahr im Verzug“ bringt zum Ausdruck, dass der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nur das Eintreten erheblicher Nachteile für eine Partei bzw. gravierender Nachteile für das öffentliche Wohl verhindern soll (Hengstschläger/Leeb1, AVG § 64 RZ 31; Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, § 13 VwGVG K12).

3.2.2. Verfahrensgegenständlich begründete die belangte Behörde den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung mit der generalpräventiven Wirkung im Hinblick auf den Normzweck des § 49 AlVG.

Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AlVG (iVm § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 3f und 19 zu § 56). Wirkt der Notstandshilfebezieher an den Feststellungen über die Einbringlichkeit nicht mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden (Müller in Pfeil AlVG-Komm Rz 19 zu § 56).

Zumal der Normzweck des § 49 AlVG (Bezugseinstellung wegen mangelnder Verfügbarkeit) dem gemäß § 10 AlVG ähnlich ist, ist angesichts der Judikatur auch in diesem Fall davon auszugehen, dass ein öffentliches Interesse nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung dem Grunde nach gegeben ist, welches den Interessen der bP gegenüberzustellen und abzuwägen ist.

Im verfahrensgegenständlichen Fall ergibt sich weder aus dem Bescheid noch aus dem Akteninhalt (vgl. dazu 05.09.2018, Zl. Ra 2017/03/0105, wonach das Verwaltungsgericht das Vorliegen der Voraussetzungen für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung eigenständig zum Zeitpunkt seiner Entscheidung zu beurteilen hat), dass die Einbringlichkeit eines durch Weitergewährung der Leistung eventuell eintretenden Überbezuges gefährdet wäre. Es vermag daher keine „Gefahr im Verzug“ erkannt zu werden, welche den vorzeitigen Vollzug dringend gebieten würde.

Da sich zusammenfassend aus dem Akteninhalt keine begründeten Zweifel an der Einbringlichkeit allfälliger Rückforderungen ergeben, und die belangte Behörde durch § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG in die Lage versetzt ist, eine gegebenenfalls zu Unrecht bezogene Leistung zurückfordern (vgl. dazu etwa VwGH 06.07.2011, 2011/08/0102), ist in diesem Fall keine Gefährdung der Interessen der Versichertengemeinschaft an der Verfügbarkeit von Mitteln für Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erkennbar (vgl. dazu VwGH 13.05.2009, 2007/08/0285).

Nach Maßgabe des dem BVwG auf Grund der übermittelten Aktenteile vorliegenden Sachverhaltes – aus denen letztlich in der Sache nur hervorgeht, dass die bP erklärt, sie habe den Kontrollmeldetermin nicht wahrnehmen können, da er ihr nicht bekannt gewesen sei, und die belangte Behörde die näheren Umstände der Zustellung der Vorschreibung des Kontrollmeldetermins darlegt - ist daher nicht davon auszugehen, dass der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist, weshalb der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß § 13 Abs 2 VwGVG stattzugegeben und Spruchpunkt B des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben ist.

Der Vollständigkeit halber wird festgehalten, dass mit der gegenständlichen Entscheidung über die aufschiebende Wirkung eine Entscheidung in der Sache (Spruchpunkt A des angefochtenen Bescheides) in keiner Weise vorweggenommen wurde.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil zu den gegenständlich anzuwendenden Bestimmungen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vorliegen, die Rechtsfragen in der bisherigen Rechtsprechung einheitlich beantwortet wurden und in der vorliegenden Entscheidung von der höchstrichterlichen Spruchpraxis auch nicht abgewichen wurde.

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