Spruch
W169 2269137-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU-GmbH), gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.02.2023, Zl. 1307541610-221568533, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2024, zu Recht:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte nach illegaler, schlepperunterstützter Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 12.05.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Folgetag gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er aus der Stadt Dinsor in der Region Bay stamme und der Religionsgemeinschaft der Muslime sowie dem Clan der Galjecel angehöre. Seine Muttersprache sei Somali, er habe die Grundschule besucht und zuletzt als Mechaniker gearbeitet. Die Eltern, die Schwester sowie die Ehefrau und die minderjährige Tochter des Beschwerdeführers würden in Somalia leben. Er sei im Jänner 2022 legal mit seinem Reisepass aus Somalia in die Türkei ausgereist. Dieser befinde sich nun in einer Unterkunft in der Türkei. Er könne vielleicht per E-Mail eine Kopie beschaffen, da ein Freund von ihm noch in der Türkei sei. Seine Schleppung bis Österreich habe 2.000,- Euro gekostet. Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer an, dass Mitte 2021 in Somalia eine Frau namens Ikran Tahlil getötet worden sei. Sie habe bei der somalischen Einheit NISA gearbeitet und sei verschwunden. Aufgrund dessen hätten sie als Clanangehörige Geld gesammelt und eine Demonstration für diese Frau organisiert. Sie hätten vom Chef der NISA wissen wollen, wo die Frau sei und ob sie noch lebe, bzw. wenn sie tot sei, wo ihre Leiche sei. Sie hätten auch ein „Testschreiben“ an den Minister Roble geschickt. Dieser habe sie unterstützt, um die Wahrheit über das Geschehen dieser Frau zu erfahren. Aus Rache habe dann der Chef der NISA, Fahad Yasin, sie verfolgt. Der Beschwerdeführer und sechs weitere Personen, die das Geld gesammelt und die Demonstration organisiert hätten, seien für sieben Tage ins Gefängnis der Regierung eingesperrt worden. Zwei Parlamentsabgeordnete namens XXXX und XXXX hätten zu Fahad Yasin gesagt, dass, sollte er sie nicht sofort aus dem Gefängnis erlassen, sie gegen seinen Clan kämpfen oder andere Angehörige seines Clans entführen würden, damit er spüren könne, welches Gefühl das sei. Aus diesem Grund seien sie aus dem Gefängnis freigekommen, diese Parlamentsabgeordneten hätten für den Beschwerdeführer ein Visum für die Türkei besorgt und er habe Somalia verlassen. Im Falle einer Rückkehr habe der Beschwerdeführer Angst getötet zu werden.
2. Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.01.2023 gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass er der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime sowie dem Clan Hawiye, Subclan Galjecel, angehöre. Er stamme aus Dinsor in der Region Bay und habe zuletzt aufgrund der Dürre von Juli 2020 bis zu seiner Ausreise im Jänner 2022 in Mogadischu gelebt. Er habe zwölf Jahre die Grundschule besucht und als Mechaniker gearbeitet. Er sei verheiratet und habe eine minderjährige Tochter. Diese würden nun genauso wie seine Eltern und seine Schwester in einem Flüchtlingslager in Äthiopien leben. Er habe Kontakt zu ihnen. Der Beschwerdeführer habe seinen Reisepass und seinen Führerschein bei einem Freund in der Türkei zurückgelassen, doch sei dieser nun selbst aus der Türkei weggegangen, weshalb er nicht wisse, wo sich die Dokumente nun befinden würden.
Zu seinem Ausreisegrund führte der Beschwerdeführer in freier Erzählung aus, dass Mitte 2021 in Somalia eine Frau namens Ikran Tahlil getötet worden sei. Diese habe für den Geheimdienst NISA gearbeitet. Die Frau sei nicht mehr gefunden worden und habe seinem Clan angehört. Sie hätten für Ikran Geld gesammelt und eine Demonstration organisiert. Sie hätten einen Brief verfasst und mit diesem beim Premierminister Roble um Hilfe ersucht. Der Beschwerdeführer und sechs weitere Personen seien die Organisatoren der Demonstration gewesen. Aus diesem Grund seien sie für sieben Tage im Regierungsgefängnis eingesperrt gewesen. Der Chef der NISA, der hinter der Inhaftierung gesteckt habe, sei von zwei Parlamentsmitgliedern, die den Clan des Beschwerdeführers vertreten würden, aufgefordert worden, dass er sie schnellstmöglich aus der Haft entlassen solle, sonst würden sie dafür sorgen, dass ihr Clan seinen Clan angreifen und Angehörige seines Clans entführen werde. Die beiden Parlamentarier hätten XXXX und XXXX geheißen. Dann seien sie aus dem Gefängnis entlassen worden. Die beiden hätten dem Beschwerdeführer ein Visum für die Türkei besorgt und ihn in die Türkei geschickt. Für den Beschwerdeführer persönlich habe die „Mama“ XXXX das Visum besorgt. Diese sei bereits verstorben.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 wurde ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).
4. Gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und monierte nach Wiederholung der bisher getätigten Angaben unter Ausführung näherer Gründe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren, eine fehlerhafte Beweiswürdigung und daraus folgend eine unrichtige rechtliche Beurteilung.
5. Mit Stellungnahme vom 03.06.2024 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass die in der Einvernahme durch das Bundesamt beschriebenen Verletzungen bzw. Narben an seinem Körper tatsächlich auf die von ihm vorgebrachte Weise (gemeint nämlich: durch Gewalteinwirkung mittels Schlägen mit einem Gewehr, mit einem Leichtmetallstab und durch Stiefeltritte in Haft) zustande gekommen sein können.
6. Am 27.08.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist entschuldigt nicht erschienen. Im Rahmen der Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt (s. Verhandlungsprotokoll).
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Er ist ein Staatsangehöriger von Somalia und gehört der Religionsgemeinschaft der sunnitischen Muslime sowie dem Clan der Hawiye, Subclan Galjecel, an. Er hat in Somalia zwölf Jahre die Grundschule besucht und als Mechaniker gearbeitet. Der Beschwerdeführer stammt aus der in der Region Bay gelegenen Stadt Dinsor. Er hat nicht in Mogadischu gelebt. In Dinsor leben seine Eltern und seine Schwester, die eine Landwirtschaft besitzen. Desweiteren hat er teils in Dinsor, teils in Mogadischu Onkeln väterlicherseits und mütterlicherseits. Der Beschwerdeführer hat in Somalia nicht geheiratet und hat dort kein Kind. Er steht in Kontakt zu seinen Angehörigen.
Entgegen der von ihm angegebenen Ausreisegründe wurde der Beschwerdeführer nicht vom somalischen Geheimdienst NISA wegen der Organisation einer Demonstration inhaftiert, misshandelt und bedroht.
2. Beweiswürdigung:
Mangels Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments steht die Identität des Beschwerdeführers nicht fest. Im Gegenteil ist davon auszugehen, dass er willentlich keine derartigen Dokumente beibringt, behauptete er doch in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 13.05.2022, mit einem Reisepass als auch einem Führerschein aus Somalia ausgereist zu sein, diese jedoch in einer Unterkunft in der Türkei zurückgelassen zu haben (AS 23). Zwar meinte er dort noch, zumindest eine Kopie durch einen dort wohnhaften Freund beschaffen zu können, doch redete er sich in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 23.01.2023 darauf aus, dass dieser Freund nun auch die Türkei verlassen habe und er daher nichts über den Verbleib seiner Dokumente sagen könne (AS 76). Dadurch erweckte der Beschwerdeführer den Eindruck, seine Dokumente mit der Absicht zurückgelassen zu haben, seine wahre Identität zu verbergen, ist doch kein anderer Grund erkennbar, aus dem er zwar mit zumindest zwei Identitätsdokumenten aus Somalia ausgereist wäre, beide jedoch bei der Einreise in die Europäische Union nicht mehr mitgeführt hätte und sie nun trotz zunächst gegenteiliger Behauptung selbst in Kopie nicht vorlegen könnte. Der Beschwerdeführer ist sohin schon daher als persönlich unglaubwürdig anzusehen.
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staats-, Religions- und Clanzugehörigkeit sowie zu seiner Schulbildung und Arbeitserfahrung können aber dem Grunde nach als plausibel angesehen werden, zumal er zweifellos aus dem somalischen Kulturraum stammt.
Glaubhaft ist mangels anderer Anhaltspunkte auch, dass der Beschwerdeführer aus der in der Region Bay gelegenen Stadt Dinsor stammt. Ihm kann jedoch nicht darin gefolgt werden, vor seiner im Jänner 2022 stattgefundenen Ausreise aus Somalia aufgrund von Dürre nach Mogadischu verzogen zu sein. Während er nämlich in der Einvernahme durch das Bundesamt angab, im Juli 2020 nach Mogadischu gezogen zu sein (AS 79), datierte er dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.08.2024 auf den Juli 2019 (Verhandlungsprotokoll S. 3), wohingegen er in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes überhaupt meinte, dass sein letzter Wohnort sein Geburtsort Dinsor gewesen sei (AS 19). Ebenso brachte er in der Einvernahme durch das Bundesamt vor, lediglich mit seiner Ehefrau und seiner dann dort geborenen Tochter in Mogadischu gelebt zu haben (AS 79), während er im Laufe der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete, dass auch seine Eltern und seine Schwester dort wohnhaft gewesen seien (Verhandlungsprotokoll S. 6). Der Beschwerdeführer war somit nicht in der Lage, gleichbleibend anzugeben, seit wann und mit wem er dort gelebt hätte. Der Beschwerdeführer zeigte zudem im Rahmen seines Fluchtvorbringens keine Ortskenntnisse der Stadt (s. weiter unten).
Der Beschwerdeführer erzählte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass seine Eltern in Dinsor eine Landwirtschaft besessen hätten und er mit ihnen sowie seiner Schwester im eigenen Haus gelebt habe. Soweit er im Weiteren vorbrachte, dass seine gesamte Familie aufgrund seiner eigenen Fluchtgründe nun nach Äthiopien geflohen sei, kann dem schon alleine aufgrund der – sogleich erörterten – Unglaubhaftigkeit dieser Fluchtgründe nicht gefolgt werden. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte kann aber die Aussage des Beschwerdeführers, in Dinsor und Mogadischu Onkeln sowohl väterlicher als auch mütterlicher Seite zu haben, dem Verfahren zugrunde gelegt werden (Verhandlungsprotokoll S. 4 f).
Letztlich sagte der Beschwerdeführer zu seinem Familienstand stets aus, in Somalia geheiratet und eine minderjährige Tochter zu haben. Während er aber in der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu Protokoll gab, dass seine Ehefrau XXXX heiße (AS 19), behauptete er in der Einvernahme durch das Bundesamt gänzlich widersprüchlich, dass sie den Namen XXXX trage (AS 77). Soweit der Beschwerdeführer sich in der gegenständlichen Beschwerde damit rechtfertigte, dass der in der Erstbefragung vermerkte Namen eigentlich jener seiner Schwester sei (S. 10 der Beschwerde), ist dem entgegenzuhalten, dass er zum einen die Richtigkeit des Protokolls dieser Erstbefragung nach einer Rückübersetzung mit seiner Unterschrift bestätigte, zum anderen nicht ersichtlich ist, weshalb seine Schwester einen anderen Nachnamen tragen würde als er und seine Elternm. Darüber hinaus führte der Beschwerdeführer in der Einvernahme an, dass seine Frau 20 Jahre alt sei (AS 77), während er anderthalb Jahre später in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ihr Alter nun mehr auf „zwischen 20 und 25 Jahre“ schätzen konnte (Verhandlungsprotokoll S. 5). Der Beschwerdeführer konnte sich in der Einvernahme durch das Bundesamt weder an die Zeugen der Hochzeit erinnern, noch eine Heiratsurkunde beibringen (AS 77 f). Im Übrigen ist – auch wenn dies nicht per se einer Verheiratung in Somalia entgegensteht – darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer in Österreich mit einer anderen somalischen Frau ein Kind zeugte (OZ 2). Insgesamt betrachtet konnte der Beschwerdeführer dadurch nicht überzeugend darlegen, vor seiner Ausreise aus Somalia geheiratet zu haben und dort ein Kind zu haben.
Der Beschwerdeführer gab gleichbleibend an, mit seinen Angehörigen Kontakt zu haben.
Seine Ausreise aus Somalia begründete der Beschwerdeführer zusammengefasst damit, vom somalischen Geheimdienst NISA inhaftiert, misshandelt und bedroht worden zu sein, weil er eine Demonstration zum Verschwinden von Ikran Tahlil organisiert habe (vgl. dazu auch Wikipedia, Disappearence of Ikran Tahlil Farah, https://en.wikipedia.org/wiki/Disappearance_of_Ikran_Tahlil_Farah). Der Beschwerdeführer ist jedoch in seiner Behauptung einer persönlichen Involvierung in diese (zumal in Somalia) öffentlich bekannten Ereignisse gänzlich unglaubhaft.
Während der Beschwerdeführer in der Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl noch korrekt – wenn auch eher vage – wiedergeben konnte, dass Ikran Tahlil „Mitte 2021“ verschwunden ist (AS 80), konkret nämlich am 26.06.2021, verortete er dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fälschlich im Juni 2020 (Verhandlungsprotokoll S. 6). Da diese ebenso dem Clan der Galjecel angehöre, sei beschlossen worden, eine Demonstration für sie zu organisieren. Wer die Demonstration organisiert und welche Rolle der Beschwerdeführer dabei eingenommen habe, konnte er aber nicht stringent darlegen. Auf der einen Seite nahm er diese Organisation für sich selbst und sechs, fünf oder auch vier Freunde und Bekannte in Anspruch, auf der anderen Seite gab er aber auch wieder an, dass die Clanältesten, von denen er aber nur einen beim Namen nennen konnte, die Organisatoren gewesen seien. Während er insoweit in der Einvernahme durch das Bundesamt angab, dass er und seine Freunde und Bekannten „nur“ das Geld organisiert hätten, sagte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht aus, dass jeder unterschiedliche Aufgaben erhalten habe und der Beschwerdeführer mit der Medienarbeit betraut worden sei, welche er in weiterer Folge aber wiederum nur höchst vage näher erklären konnte (AS 25; AS 82; Verhandlungsprotokoll S. 7 ff und 11). Der Beschwerdeführer widersprach sich desweiteren zum Datum der Demonstration, welche er in der Einvernahme vor dem Bundesamt auf den 05.09.2021 legte (AS 81), in der mündlichen Verhandlung dagegen vage im Oktober 2022 verortete (Verhandlungsprotokoll S. 7 f), und konnte ebenso wenig den Ablauf dieser Demonstration näher darlegen (Verhandlungsprotokoll S. 10). Darüber hinaus meinte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung, dass die Demonstration zwischen dem Parlament und dem Präsidentenpalast („Villa Somalia“) auf der Wadada Wadnaha stattgefunden habe (Verhandlungsprotokoll S. 7), obwohl diese Straße, wie auf öffentlichen Kartendiensten wie Google Maps ersichtlich, an keinem der beiden Gebäude vorbeiführt. Der Beschwerdeführer war somit nicht in der Lage, eine Beteiligung an einer Demonstration zugunsten von Ikran Tahlil glaubhaft zu machen.
Ebenso wenig konnte der Beschwerdeführer eine daraus resultierende Repression glaubhaft darlegen. Während er in der Einvernahme durch das Bundesamt zu Protokoll gab, am 23.10.2021 – somit etwa anderthalb Monate nach der Demonstration – von der NISA verhaftet worden zu sein (AS 83), konnte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht einmal ein ungefähres Datum nennen, meinte aber, dass die Verhaftung bereits eine Woche nach der Demonstration passiert sei (Verhandlungsprotokoll S. 10). Laut seinen Angaben in der Einvernahme sei er in ein Gefängnis namens XXXX im Stadtbezirk Abdiaziz gebracht worden (AS 83), gemäß jenen in der mündlichen Verhandlung dagegen in ein Gefängnis namens XXXX im Stadtbezirk Mama Khadija (Verhandlungsprotokoll S. 11). Während er in der Einvernahme erzählte, gemeinsam mit seinen sechs mitorganisierenden Freunden und Bekannten in eine Zelle gesperrt worden zu sein – wobei er zu diesem Zeitpunkt der Einvernahme nur mehr vier Personen beim Namen nennen konnte – (AS 85), behauptete er in der mündlichen Verhandlung, dass sie alle getrennt eingesperrt worden seien (Verhandlungsprotokoll S. 12). In der Einvernahme sagte der Beschwerdeführer darüber hinaus aus, dass er im Gefängnis persönlich vom Leiter der NISA, nämlich Fahad Yasin, befragt worden sei (AS 83), obwohl dieser gemäß öffentlich zugänglichen Berichten der somalischen Medien aufgrund der Affäre um Ikran Tahlil bereits am 08.09.2021 von seinem Amt zurückgetreten war und somit zum Zeitpunkt der behaupteten Inhaftierung des Beschwerdeführers nicht mehr Leiter der NISA war (vgl. Wikipedia, Fahad Yasin Haji Dahir, https://en.wikipedia.org/wiki/Fahad_Yasin_Haji_Dahir, „On 8 September, Villa Somalia announced that Yasin had resigned as head of NISA.“). Der Beschwerdeführer erzählte weiter, nach sieben Tagen Haft aufgrund des Drucks zweier Parlamentsabgeordneter entlassen worden zu sein, jedoch weiterhin Drohungen erhalten zu haben. In der Einvernahme durch das Bundesamt gab er zu Protokoll, bis zu seiner Ausreise Anfang Jänner 2022 ca. drei bis vier Mal pro Woche von Mitarbeitern der NISA telefonisch bedroht worden zu sein (AS 85 f), in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht hingegen führte er im Widerspruch aus, drei bis vier Mal pro Tag von ihm unbekannten Personen bis etwa 20 Tage vor seiner Ausreise derart bedroht worden zu sein (Verhandlungsprotokoll S. 13). Während er schließlich in der Einvernahme angab, zwei Monate nach seiner Enthaftung ausgereist zu sein (AS 85 f), verkürzte er diesen Zeitraum in der mündlichen Verhandlung auf einen Monat (Verhandlungsprotokoll S. 10).
In Gesamtbetrachtung dieser Erwägungsgründe besteht somit kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer eine Involvierung in das öffentlich bekannte Verschwinden von Ikran Tahlil lediglich konstruierte und sein Fluchtvorbringen somit nicht der Wahrheit entspricht. Er belegte es auch nicht mit Schreiben etwa der Clanältesten oder jener beiden Parlamentarier, die ihm nach seinen Angaben die Ausreise finanziert bzw. organisiert hätten, oder auch durch Medienberichte über die Demonstration. An dieser Beweiswürdigung vermögen auch die Narben am Körper des Beschwerdeführers nichts zu ändern, die nach seinen Angaben durch seine Misshandlung in Haft entstanden seien, mögen diese doch auch aus anderen Umständen herrühren. Der Beschwerdeführer legte insoweit wiederum keine Atteste oder medizinische Belege vor, die diese beschreiben würden. Insoweit braucht auch dem Antrag des Beschwerdeführers auf Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass diese auf die von ihm vorgebrachte Weise zustande gekommen „sein können“ (OZ 9), nicht nachgekommen werden, da die bloße Möglichkeit, dass die Narben von einer Misshandlung herrühren, nicht ausschließt, dass sie auch auf andere Weise – zumal nicht im vom Beschwerdeführer behaupteten Zusammenhang – entstanden sind. Letzteres ist aber aufgrund des gänzlich unglaubhaften Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers jedenfalls anzunehmen, sodass die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu keinem anderen Ergebnis führen könnte.
Sonstige Fluchtgründe oder Rückkehrbefürchtungen verneinte der Beschwerdeführer (Verhandlungsprotokoll S. 14).
3. Rechtliche Beurteilung:
Zum Spruchteil A)
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Flüchtling iSd. Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist, wer sich „aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.“
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass der Antragsteller bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung („Vorverfolgung“) für sich genommen nicht hinreichend (VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108).
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 23.10.2019, Ra 2019/19/0413).
Das Vorbringen des Antragstellers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit der Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (VwGH 10.08.2019, Ra 2018/20/0314).
Wie beweiswürdigend unter Punkt II.2.1. ausgeführt wurde, ist das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers über eine Bedrohung durch den somalischen Geheimdienst NISA nicht glaubhaft. Sonstige Gründe einer aktuellen, asylrelevanten Bedrohung sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Es besteht somit keine maßgebliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung des Beschwerdeführers aus Konventionsgründen.
Da sohin keine Umstände vorliegen, wonach es ausreichend wahrscheinlich wäre, dass der Beschwerdeführer in seiner Heimat in asylrelevanter Weise bedroht wäre, ist die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten durch das Bundesamt im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zum Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen, wie sie in der rechtlichen Beurteilung dargelegt wurden. Maßgeblich für die Beurteilung der Sache waren letztlich beweiswürdigende Erwägungen über die Unglaubhaftigkeit des Vorbringens.