Spruch
W284 2297251-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen – BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX . 2024, Zl. XXXX , zu Recht:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige Syriens, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stelle am 26.09.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz, den sie in ihrer Erstbefragung am selben Tag (Aktenseite = AS 5-18) damit begründete, dass die Lage in Syrien nicht sicher sei. Syrien sei kein sicheres Land und würde seit vier Jahren von Terroristen regiert werden. Sie könne dort als Frau nicht sicher leben (AS 15). Bei einer Rückkehr befürchte sie, umgebracht zu werden (AS 15).
2. Am 13.05.2024 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme (AS 65-79) der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt). Befragt zu ihren Fluchtgründen gab sie im Wesentlichen an, dass die allein nach Österreich gereist sei um zu ihrem Ehemann zu gelangen. Legal sei dies nicht möglich gewesen. Wegen des Krieges sei es nicht möglich, in Syrien zu leben (AS 72,75).
3. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid (AS 103-311) wies das Bundesamt den Antrag der Beschwerdeführerin hinsichtlich des Status der Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihr jedoch den Status der subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihr eine auf ein Jahr befristete Aufenthaltsberechtigung (Spruchpunkte II. und III.).
4. Mit fristgerecht erhobener Beschwerde (AS 331-353) gegen Spruchpunkt I. dieses Bescheides gab die Beschwerdeführerin – ergänzend – an, ihrer Herkunftsregion würde unter Kontrolle der Türkei stehen (AS 332). Sie gehöre zur sozialen Gruppe der alleinstehenden Frauen, weshalb ihr die Flüchtlingseigenschaft iSd GFK (AS 248) zuzuerkennen sei.
5. Die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht erfolgte am 09.08.2024.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Identität der Beschwerdeführerin steht durch Vorlage eines auf Echtheit überprüften (AS 101) syrischen Identitätsdokumentes (AS 81f) fest. Die Beschwerdeführerin führt den im Spruch angeführten Namen und das im Spruch angeführte Geburtsdatum, sie ist zum Entscheidungszeitpunkt 27 Jahre alt. Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige von Syrien, Kurdin und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam (AS 5f, 70).
Sie ist seit Mitte Juli 2023 traditionell-islamisch verheiratet (Gatte: XXXX , und ist derzeit mit dem ersten gemeinsam Kind schwanger. Der Ehegatte lebt in Österreich als Aylberechtigter.
1.1.2. Die Beschwerdeführerin wurde am XXXX .1997 in XXXX , im Gouvernement Al-Hassaka im Nordosten von Syrien, direkt an der türkischen Grenze geboren (AS 3, 68). Die Stadt steht derzeit unter Kontrolle türkei-naher Kräfte in Syrien (vgl. https://syria.liveuamap.com).
1.1.3. Die Beschwerdeführerin hat zumindest neun Jahre lang die Pflichtschule und zwei Jahre lang ein Gymnasium besucht, dieses jedoch nie abgeschlossen (AS 7, 75). Sie spricht Arabisch und Kurdisch (AS 7). Die Beschwerdeführerin hat keinen Beruf erlernt, aber während ihres Aufenthalts in der Türkei in einem Supermarkt gearbeitet (AS 71).
1.1.4. Die Familie der Beschwerdeführerin besteht aus ihrem Vater, ihrer Mutter sowie zwei Brüdern und zwei Schwestern, welche alle in der Türkei leben (AS 9, 74).
Es besteht regelmäßiger Kontakt mit der Familie in der Türkei (AS 74).
1.1.5. Die Beschwerdeführerin reiste Anfang 2022 illegal aus Syrien Richtung Türkei aus und hat fortan – bis zu ihrer Weiterreise in U. in der Türkei gelebt und gearbeitet (AS 15, 70f). Von dort aus reiste sie schlepperunterstützt (AS 15: Reisekosten ca. 4.500 EUR) illegal nach Österreich (AS 15, 70f), wo sie am 26.09.2023 (AS 7) den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich stellte.
1.1.6. Die Beschwerdeführerin ist gesund (AS 68f). Ihr kommt in Österreich der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zu (AS 103).
1.2. Zu den Fluchtgründen der Beschwerdeführerin:
1.2.1. Die Beschwerdeführerin verließ Syrien einerseits aufgrund der allgemein schlechten, unsicheren Situation und aufgrund des Krieges (AS 15, 75f), weshalb ihr vom Bundesamt auch der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde (AS 103 ff.).
Andererseits ist das Motiv ihrer illegalen Reise nach Österreich in dem Wunsch gelegen, zu ihrem Mann nach Österreich nachzureisen (AS 15, 75).
1.2.2. Die Beschwerdeführerin hat Syrien weder aus Furcht vor persönlichen Eingriffen in ihre körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen. Beides droht ihr auch im Fall der Rückkehr nach Syrien nicht.
1.2.3. Die – verheiratete - Beschwerdeführerin hätte als Rückkehrende (Angehörige der sozialen Gruppe der alleinstehenden bzw. ‚unverheirateten‘ Frauen) in Syrien keine konkrete Verfolgung oder Bedrohung zu erwarten.
1.2.4. Dass der Beschwerdeführerin eine oppositionelle Haltung unterstellt wird, ist unwahrscheinlich. Nicht jedem Rückkehrer, der unrechtmäßig ausgereist ist und der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, wird eine oppositionelle Gesinnung unterstellt. Ebenso ist die Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung aufgrund der Nichtableistung des Wehrdienstes hinsichtlich der Brüder der Beschwerdeführerin in ihrer Herkunftsregion unwahrscheinlich. Der Beschwerdeführerin droht in Syrien daher keine Gefahr.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus der vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformation der Staatendokumentation Syrien, Version 11 vom 27.03.2024, auszugsweise wiedergegeben:
Selbstverwaltungsgebiet Nord- und Ostsyrien
Letzte Änderung 2024-03-08 11:12
2011 soll es zu einem Übereinkommen zwischen der syrischen Regierung, der iranischen Regierung und der Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistanê, PKK) gekommen sein, deren Mitglieder die Partei der Demokratischen Union (Partiya Yekîtiya Demokrat, PYD) gründeten. Die PYD, ausgestattet mit einem bewaffneten Flügel, den Volksverteidigungseinheiten (YPG), hielt die kurdische Bevölkerung in den Anfängen des Konfliktes davon ab, sich effektiv an der Revolution zu beteiligen. Demonstrationen wurden aufgelöst, Aktivisten festgenommen, Büros des Kurdischen Nationalrats in Syrien, einer Dachorganisation zahlreicher syrisch-kurdischer Parteien, angegriffen. Auf diese Weise musste die syrische Armee keine 'zweite Front' in den kurdischen Gebieten eröffnen und konnte sich auf die Niederschlagung der Revolution in anderen Gebieten konzentrieren. Als Gegenleistung zog das Ba'ath-Regime Stück für Stück seine Armee und seinen Geheimdienst aus den überwiegend kurdischen Gebieten zurück. In der zweiten Jahreshälfte 2012 wurden Afrîn, 'Ain al-'Arab (Kobanê) und die Jazira/Cizîrê von der PYD und der YPG übernommen, ohne dass es zu erwähnenswerten militärischen Auseinandersetzungen mit der syrischen Armee gekommen wäre (Savelsberg 8.2017).
Im November 2013 - etwa zeitgleich mit der Bildung der syrischen Interimsregierung (SIG) durch die syrische Opposition - rief die PYD die sogenannte Demokratische Selbstverwaltung (DSA) in den Kantonen Afrîn, Kobanê und Cizîrê aus und fasste das so entstandene, territorial nicht zusammenhängende Gebiet unter dem kurdischen Wort für "Westen" (Rojava) zusammen. Im Dezember 2015 gründete die PYD mit ihren Verbündeten den Demokratischen Rat Syriens (SDC) als politischen Arm der Demokratischen Kräfte Syriens (SDF) (SWP 7.2018). Die von den USA unterstützten SDF (TWI 18.7.2022) sind eine Koalition aus syrischen Kurden, Arabern, Turkmenen und anderen Minderheitengruppen (USDOS 20.3.2023), in dem der militärische Arm der PYD, die YPG, die dominierende Kraft ist (KAS 4.12.2018). Im März 2016 riefen Vertreter der drei Kantone (Kobanê war inzwischen um Tall Abyad erweitert worden) den Konstituierenden Rat des "Demokratischen Föderalen Systems Rojava/Nord-Syrien" (Democratic Federation of Northern Syria, DFNS) ins Leben (SWP 7.2018). Im März 2018 (KAS 4.12.2018) übernahm die Türkei völkerrechtswidrig die Kontrolle über den kurdischen Selbstverwaltungskanton Afrîn mithilfe der Syrischen Nationalen Armee (SNA), einer von ihr gestützten Rebellengruppe (taz 15.10.2022). Im September 2018 beschloss der SDC die Gründung des Selbstverwaltungsgebiets Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES) auf dem Gebiet der drei Kantone (abzüglich des von der Türkei besetzten Afrîn). Darüber hinaus wurden auch Gebiete in Deir-ez Zor und Raqqa (K24 6.9.2018) sowie Manbij, Takba und Hassakah, welche die SDF vom Islamischen Staat (IS) befreit hatten, Teil der AANES (SO 27.6.2022).
Der Krieg gegen den IS forderte zahlreiche Opfer und löste eine Fluchtwelle in die kurdischen Selbstverwaltungsgebiete aus. Die syrischen Kurden stehen zwischen mehreren Fronten und können sich auf keinen stabilen strategischen Partner verlassen. Die erhoffte Kriegsdividende, für den Kampf gegen den IS mit einem autonomen Gebiet 'belohnt' zu werden, ist bisher ausgeblieben (KAS 4.12.2018). Die syrische Regierung erkennt weder die kurdische Enklave noch die Wahlen in diesem Gebiet an (USDOS 20.3.2023). Türkische Vorstöße auf syrisches Gebiet im Jahr 2019 führten dazu, dass die SDF zur Abschreckung der Türkei syrische Regierungstruppen einlud, in den AANES Stellung zu beziehen (ICG 18.11.2021). Die Gespräche zwischen der kurdischen Selbstverwaltung und der Regierung in Damaskus im Hinblick auf die Einräumung einer Autonomie und die Sicherung einer unabhängigen Stellung der SDF innerhalb der syrischen Streitkräfte sind festgefahren (ÖB Damaskus 1.10.2021). Mit Stand Mai 2023 besteht kein entsprechender Vertrag zwischen den AANES und der syrischen Regierung (Alaraby 31.5.2023). Unter anderem wird über die Verteilung von Öl und Weizen verhandelt, wobei ein großer Teil der syrischen Öl- und Weizenvorkommen auf dem Gebiet der AANES liegen (K24 22.1.2023). Normalisierungsversuche der diplomatischen Beziehungen zwischen der Türkei und der syrischen Regierung wurden in den AANES im Juni 2023 mit Sorge betrachtet (AAA 24.6.2023). Anders als die EU und USA betrachtet die Türkei sowohl die Streitkräfte der YPG als auch die Partei PYD als identisch mit der von der EU als Terrororganisation gelisteten PKK und daher als Terroristen und Gefahr für die nationale Sicherheit der Türkei (AA 2.2.2024).
Die Führungsstrukturen der AANES unterscheiden sich von denen anderer Akteure und Gebiete in Syrien. Die "autonome Verwaltung" basiert auf der egalitären, von unten nach oben gerichteten Philosophie Abdullah Öcalans, der in der Türkei im Gefängnis sitzt [Anm.: Gründungsmitglied und Vorsitzender der PKK]. Frauen spielen eine viel stärkere Rolle als anderswo im Nahen Osten, auch in den kurdischen Sicherheitskräften. Lokale Nachbarschaftsräte bilden die Grundlage der Regierungsführung, die durch Kooptation zu größeren geografischen Einheiten zusammengeführt werden (MEI 26.4.2022). Es gibt eine provisorische Verfassung, die Lokalwahlen vorsieht (FH 9.3.2023). Dies ermöglicht mehr freie Meinungsäußerung als anderswo in Syrien und theoretisch auch mehr Opposition. In der Praxis ist die PYD nach wie vor vorherrschend, insbesondere in kurdisch besiedelten Gebieten (MEI 26.4.2022), und der AANES werden autoritäre Tendenzen bei der Regierungsführung und Wirtschaftsverwaltung des Gebiets vorgeworfen (Brookings 27.1.2023; vgl. SD 22.7.2021). Die mit der PYD verbundenen Kräfte nehmen regelmäßig politische Opponenten fest. Während die politische Vertretung von Arabern formal gewährleistet ist, werden der PYD Übergriffe gegen nicht-kurdische Einwohner vorgeworfen (FH 9.3.2023). Teile der SDF haben Berichten zufolge Übergriffe verübt, darunter Angriffe auf Wohngebiete, körperliche Misshandlungen, rechtswidrige Festnahmen, Rekrutierung und Einsatz von Kindersoldaten, Einschränkungen der Meinungs- und Versammlungsfreiheit sowie willkürliche Zerstörung und Abriss von Häusern. Die SDF haben die meisten Vorwürfe gegen ihre Streitkräfte untersucht. Einige Mitglieder der SDF wurden wegen Missbrauchs strafrechtlich verfolgt, jedoch lagen dazu keine genauen Zahlen vor (USDOS 20.3.2023).
Zwischen den rivalisierenden Gruppierungen unter den Kurden gibt es einerseits Annäherungsbemühungen, andererseits kommt es im Nordosten aus politischen Gründen und wegen der schlechten Versorgungslage zunehmend auch zu innerkurdischen Spannungen zwischen dem sogenannten Kurdish National Council, der Masoud Barzanis KDP [Anm.: Kurdistan Democratic Party - Irak] nahesteht und dem ein Naheverhältnis zur Türkei nachgesagt wird, und der PYD, welche die treibende Kraft hinter der kurdischen Selbstverwaltung ist, und die aus Sicht des Kurdish National Council der PKK zu nahe steht (ÖB 1.10.2021).
Seitdem der Islamische Staat (IS) 2019 die Kontrolle über sein letztes Bevölkerungszentrum verloren hat, greift er mit Guerilla- und Terrortaktiken Sicherheitskräfte und lokale zivile Führungskräfte an (FH 9.3.2023). Hauptziele sind Einrichtungen und Kader der SDF sowie der syrischen Armee (ÖB 1.10.2021).
Türkische Militäroperationen in Nordsyrien
"Operation Schutzschild Euphrat" (türk. "Fırat Kalkanı Harekâtı")
Am 24.8.2016 hat die Türkei die "Operation Euphrates Shield" (OES) in Syrien gestartet (MFATR o.D.; vgl. CE 19.1.2017). Die OES war die erste große Militäroperation der Türkei in Syrien (OR o.D.). In einer Pressemitteilung des Nationalen Sicherheitsrats (vom 30.11.2016) hieß es, die Ziele der Operation seien die Aufrechterhaltung der Grenzsicherheit und die Bekämpfung des Islamischen Staates (IS) im Rahmen der UN-Charta. Außerdem wurde betont, dass die Arbeiterpartei Kurdistans (Partiya Karkerên Kurdistan - PKK) sowie die mit ihr verbundene PYD (Partiya Yekîtiya Demokrat) und YPG (Yekîneyên Parastina Gel) keinen "Korridor des Terrors" vor den Toren der Türkei errichten dürfen (CE 19.1.2017). Obwohl die türkischen Behörden offiziell erklärten, dass die oberste Priorität der Kampf gegen den IS sei, betonen viele Kommentatoren und Analysten, dass das Ziel darin bestand, die Schaffung eines einzigen von den Kurden kontrollierten Gebiets in Nordsyrien zu verhindern (OR o.D.; vgl. TWI 26.3.2019, SWP 30.5.2022). Die Türkei betrachtet die kurdische Volksverteidigungseinheit (YPG) und ihren politischen Arm, die Partei der Demokratischen Union (PYD), als den syrischen Zweig der PKK und damit als direkte Bedrohung für die Sicherheit der Türkei (SWP 30.5.2022).
"Operation Olivenzweig" (türk. "Zeytin Dalı Harekâtı")
Im März 2018 nahmen Einheiten der türkischen Armee und der mit ihnen verbündeten Freien Syrischen Armee (FSA) im Rahmen der "Operation Olive Branch" (OOB) den zuvor von der YPG kontrollierten Distrikt Afrin ein (Bellingcat 1.3.2019). Laut türkischem Außenministerium waren die Ziele der OOB die Gewährleistung der türkischen Grenzsicherheit, die Entmachtung der "Terroristen" in Afrin und die Befreiung der lokalen Bevölkerung von der Unterdrückung der "Terroristen". Das türkische Außenministerium berichtete weiter, dass das Gebiet in weniger als zwei Monaten von PKK/YPG- und IS-Einheiten befreit wurde (MFATR o.D.). Diese Aussage impliziert, dass Ankara bei der Verfolgung der Grenzsicherheit und der regionalen Stabilität keinen Unterschied zwischen IS und YPG macht (TWI 26.3.2019). Bis März 2018 hatte die türkische Offensive Berichten zufolge den Tod Dutzender Zivilisten und laut den Vereinten Nationen (UN) die Vertreibung Zehntausender zur Folge. Von der Türkei unterstützte bewaffnete Gruppierungen, die mit der FSA in Zusammenhang stehen, beschlagnahmten, zerstörten und plünderten das Eigentum kurdischer Zivilisten in Afrin (HRW 17.1.2019).
"Operation Friedensquelle" (türk. "Barış Pınarı Harekâtı")
Nachdem der ehemalige US-Präsident Donald Trump Anfang Oktober 2019 ankündigte, die US-amerikanischen Truppen aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen, startete die Türkei am 9.10.2019 eine Luft- und Bodenoffensive im Nordosten Syriens. Im Zuge dessen riefen die kurdischen Behörden eine Generalmobilisierung aus. Einerseits wollte die Türkei mithilfe der Offensive die YPG und die von der YPG geführten Syrian Democratic Forces (SDF) aus der Grenzregion zur Türkei vertreiben, andererseits war das Ziel der Offensive, einen Gebietsstreifen entlang der Grenze auf syrischer Seite zu kontrollieren, in dem rund zwei der ungefähr 3,6 Millionen syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei leben, angesiedelt werden sollen (CNN 10.10.2019). Der UN zufolge wurden innerhalb einer Woche bis zu 160.000 Menschen durch die Offensive vertrieben und es kam zu vielen zivilen Todesopfern (UN News 14.10.2019). Im Hinterland begannen IS-Zellen, Anschläge zu organisieren (GEG 3.4.2023). Medienberichten zufolge sind in dem Gefangenenlager ʿAyn Issa 785 ausländische IS-Sympathisanten auf das Wachpersonal losgegangen und geflohen (Standard 13.10.2019). Nach dem Beginn der Operation kam es außerdem zu einem Angriff durch IS-Schläferzellen auf die Stadt Raqqa. Die geplante Eroberung des Hauptquartiers der syrisch-kurdischen Sicherheitskräfte gelang den Islamisten jedoch nicht (Zeit 10.10.2019). Auch im Zuge der türkischen Militäroperation "Friedensquelle" kam es zu Plünderungen und gewaltsamen Enteignungen von Häusern und Betrieben von Kurden, Jesiden und Christen durch Türkei-nahe Milizen (ÖB Damaskus 12.2022).
Die syrische Armee von Präsident Bashar al-Assad ist nach einer Einigung mit den SDF am 14.10.2019 in mehrere Grenzstädte eingerückt, um sich der "türkischen Aggression" entgegenzustellen, wie Staatsmedien berichteten (Standard 15.10.2019). Laut der Vereinbarung übernahmen die Einheiten der syrischen Regierung in einigen Grenzstädten die Sicherheitsfunktionen, die Administration soll aber weiterhin in kurdischer Hand sein (WP 14.10.2019). Seitdem verblieben die Machtverhältnisse [mit Stand April 2023] weitgehend unverändert (GEG 3.4.2023). Die syrischen Regierungstruppen üben im Gebiet punktuell Macht aus, etwa mit Übergängen zwischen einzelnen Stadtvierteln (z. B. Stadt Qamischli im Gouvernement Al-Hassakah) (AA 29.3.2023). Nach Vereinbarungen zwischen der Türkei, den USA und Russland richtete die Türkei eine "Sicherheitszone" in dem Gebiet zwischen Tall Abyad und Ra's al-ʿAyn ein (SWP 1.1.2020), die 120 Kilometer lang und bis zu 14 Kilometer breit ist (AA 19.5.2020).
Siehe dazu auch die Unterkapitel "Nordost-Syrien" und "Nordwest-Syrien" im Kapitel "Sicherheitslage".
"Operation Frühlingsschild" (türk. "Bahar Kalkanı Harekâtı")
Nachdem die syrische Regierung im Dezember 2019 eine bewaffnete Offensive gestartet hatte, gerieten ihre Streitkräfte im Februar 2020 mit den türkischen Streitkräften in einen direkten Konflikt (CC 17.2.2021). Während des gesamten Februars führten die syrische Regierung und regierungsnahe Kräfte im Nordwesten Syriens Luftangriffe durch, und zwar in einem Ausmaß, das laut den Vereinten Nationen zu den höchsten seit Beginn des Konflikts gehörte. Auch führten die syrischen Regierungskräfte Vorstöße am Boden durch. Zu den täglichen Zusammenstößen mit nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen gehörten gegenseitiger Artilleriebeschuss und Bodenkämpfe mit einer hohen Zahl von Opfern (UNSC 23.4.2020). Nach Angriffen syrischer Streitkräfte auf Stellungen der türkischen Armee, bei denen 34 türkische Soldaten getötet wurden, leitete Ankara die Operation "Frühlingsschild" in der Enklave Idlib (INSS 4.9.2022) am 27.2.2020 ein (UNSC 23.4.2020). Die Türkei versuchte damit ein Übergreifen des syrischen Konflikts auf die Türkei als Folge der neuen Regimeoffensive - insbesondere in Form eines Zustroms von Extremisten und Flüchtlingen in die Türkei - zu verhindern. Ein tieferer Beweggrund für die Operation war der Wunsch Ankaras, eine Grenze gegen weitere Vorstöße des Regimes zu ziehen, welche die türkischen Gebietsgewinne in Nordsyrien gefährden könnten. Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) war ein - wenn auch unintendierter - wichtiger Profiteur der Operation (Clingendael 9.2021). Im März 2020 wurde ein Waffenstillstandsabkommen zwischen der Türkei und Russland in Idlib unterzeichnet, das die Schaffung eines sicheren Korridors um die Autobahn M4 und gemeinsame Patrouillen der russischen und türkischen Streitkräfte vorsah (INSS 4.9.2022). Der zwischen den Präsidenten Erdoğan und Putin vereinbarte Waffenstillstand sorgte für eine Deeskalation. Es kommt aber immer wieder zu lokal begrenzten militärischen Gefechten zwischen den erwähnten Konfliktparteien (ÖB Damaskus 12.2022). Rund 8.000 Soldaten des türkischen Militärs verbleiben in der Region und unterstützen militärisch und logistisch die dort operierenden Organisationen, vor allem die Syrian National Army (SNA, ehemals Free Syrian Army, FSA) und die HTS (INSS 4.9.2022).
"Operation Klauenschwert" (türk. "Pençe Kılıç Hava Harekâtı") und von Präsident Erdoğan ankündigte Bodenoffensiven der Türkei
Ein Hauptziel der Türkei besteht darin, eine Pufferzone zu den Kräften des syrischen Regimes aufrechtzuerhalten, deren Vorrücken - ohne vorherige Absprache oder Vereinbarung - die Sicherheit der türkischen Grenze gefährden würde. Das vorrangige Ziel Russlands und des syrischen Regimes ist es, den Druck auf HTS aufrechtzuerhalten (EPC 17.2.2022). Es kommt in den türkisch-besetzten Gebieten zu internen Kämpfen zwischen von der Türkei unterstützten bewaffneten Gruppen (AC 1.12.2022; vgl. SO 26.5.2022) und vor allem im nördlichen Teil der Provinz Aleppo, auch vermehrt zu Anschlägen seitens der kurdischen YPG. Die sehr komplexe Gemengelage an (bewaffneten) Akteuren, u. a. YPG und Türkei-nahe Rebellengruppen, die sich auch untereinander bekämpfen, führt zu einer sehr konfliktgeladenen Situation in der Provinz Aleppo und vor allem in deren nördlichem Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Erdoğan hat wiederholt angekündigt, einen 30 Kilometer breiten Streifen an der syrischen Grenze vollständig einzunehmen, um eine sogenannte Sicherheitszone auf der syrischen Seite der Grenze zu errichten (MI 21.11.2022; vgl. IT 30.5.2023), unter anderem, um dort syrische Flüchtlinge und Vertriebene, sowohl sunnitische Araber als auch Turkmenen, anzusiedeln. Dieser Prozess ist in Afrîn, al-Bab und Ra's al-'Ayn bereits im Gange (GEG 3.4.2023; vgl. NPA 5.6.2023, VOA 12.1.2023). Zuletzt konzentrierte die türkische Regierung ihre Drohungen auf die Region um Kobanê und Manbij - also die westlichen Selbstverwaltungsgebiete (MI 21.11.2022). Damit kann eine Verbindung zwischen dem Gebiet al-Bab-Jarablus und dem Gebiet Tel Abyad-Ra's al-'Ayn hergestellt werden (GEG 3.4.2023), außerdem ist Kobanê ein Symbol des kurdischen Widerstands gegen den IS (GEG 3.4.2023; vgl. ANF 29.11.2022).
Am 13.11.2022 wurde in Istanbul ein Bombenanschlag verübt, bei dem sechs Menschen starben und rund 80 verletzt wurden (AJ 22.11.2022). Die Türkei machte die YPG und PKK für den Anschlag verantwortlich, was beide Gruppierungen bestritten (AJ 24.11.2022; vgl. REU 14.11.2022). Die Türkei hat ihre militärischen Aktivitäten im Norden und Nordosten als Antwort auf den Vorfall verstärkt (ÖB Damaskus 12.2022; vgl. AJ 24.11.2022). Eine Woche nach dem Anschlag startete das türkische Militär die Operation "Klauenschwert" (AJ 22.11.2022) und führte als Vergeltungsmaßnahme eine Reihe von Luftangriffen auf mutmaßliche militante Ziele in Nordsyrien und im Irak durch (BBC 20.11.2022). Nach Angaben der SDF wurden bei den Luftschlägen auch zivile Ziele getroffen, während es sich bei den zerstörten Zielen laut türkischen Angaben um Bunker, Tunnel und Munitionsdepots handelte (Zeit 20.11.2022). Am 23.11.2022 richteten sich die türkischen Angriffe auch gegen einen SDF-Posten im Gefangenenlager al-Hol, in dem mehr als 53.000 IS-Verdächtige und ihre Familienangehörigen festgehalten werden, die meisten von ihnen Frauen und Kinder aus etwa 60 Ländern (HRW 7.12.2022).
Türkische Regierungsvertreter signalisierten wiederholt, dass eine Bodenoffensive folgen könnte (AJ 22.11.2022, FR24 14.1.2023), wovor Russland, der Iran (AJ 22.11.2022) und die USA warnten (NPA 18.1.2023). Die USA haben zur "sofortigen Deeskalation" aufgerufen. Größte Sorge in Washington ist, dass eine türkische Offensive im Nordirak der Terrormiliz IS in die Hände spielt (RND 27.11.2022; vgl. USDOS 23.11.2022). Zellen des IS sind in Syrien immer noch aktiv. Die YPG ist ein wichtiger Verbündeter der USA im Kampf gegen den IS. Tausende ehemalige IS-Kämpfer sitzen in Gefängnissen, die von der Kurdenmiliz kontrolliert werden. Eine Schlüsselrolle für die türkische Syrien-Strategie spielt Russland. Präsident Wladimir Putin ist der wichtigste politische und militärische Verbündete des syrischen Machthabers Bashar al-Assad. Die russischen Streitkräfte haben die Lufthoheit über Syrien. Für eine Bodenoffensive braucht Erdoğan zumindest die Duldung Moskaus (RND 27.11.2022). Auch auf Bestreben Moskaus (FR24 14.1.2023) gibt es Normalisierungsbemühungen zwischen Ankara und Damaskus (Alaraby 25.1.2023; vgl. FR24 14.1.2023). Syriens Außenminister betonte im Mai 2023 allerdings, dass es zu keiner Normalisierung der beiden Länder kommen werde, solange die Türkei syrisches Staatsgebiet besetzt hält (Tasnim 22.5.2023). Die syrischen Kurden befürchten, dass Präsident Assad im Gegenzug für einen vollständigen Rückzug der Türkei aus Syrien einem härteren Vorgehen gegen die YPG zustimmen könnte (IT 30.5.2023). Analysten gingen Anfang 2023 allerdings davon aus, dass ein vollständiger Rückzug der Türkei in naher Zukunft aus einer Reihe von Gründen unwahrscheinlich sei und sich wahrscheinlich als äußerst kompliziert erweisen werde (Alaraby 25.1.2023).
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt und durch Einsichtnahme in die im Verfahren vorgelegten Urkunden.
Die Feststellungen basieren auf den in den Klammern angeführten Beweismitteln.
2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin:
2.1.1. Die Identität der Beschwerdeführerin konnte nach Vorlage eines syrischen Personalausweises (AS 81 f) festgestellt werden. Die Feststellungen zu Staats- und Religionszugehörigkeit und der Muttersprache der Beschwerdeführerin gründen auf ihren diesbezüglich gleichbleibenden Angaben (AS 5 f, 70f).
Die Feststellung zur Eheschließung und Schwangerschaft der Beschwerdeführerin war anhand ihrer durchwegs gleichlautenden und daher glaubwürdigen Angaben während des gesamten Verfahrens zu treffen (AS 15, 71). Die Schwangerschaft ergibt sich aus der Vorlage eines Mutter-Kind-Passes (AS 87). Dass der Ehemann der Beschwerdeführerin als Asylberechtigter in Österreich lebt, war ebenso aufgrund der glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin festzustellen (AS 71).
2.1.2. Die Beschwerdeführerin gab ihr Geburtsdatum und ihren Geburtsort während des gesamten Verfahrens stringent und daher glaubwürdig an (vgl. auch Übersetzung der syrische ID-Karte AS 85), weswegen beides festzustellen war (AS 5, 68). Die Feststellung zur Gebietskontrolle über die Herkunftsregion der Beschwerdeführerin lässt sich einer tagesaktuellen Nachschau unter https://syria.liveuamap.com entnehmen.
2.1.3. Die Feststellungen zur Schulbildung, Sprachkenntnissen und der beruflichen Tätigkeit der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren durchwegs übereistimmenden Angaben während des gesamten Verfahrens (AS 7, 71).
2.1.4. Die Feststellungen zu ihrer familiären Situation gründen auf ihre diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben (AS 9, 74.). Es ist für das Gericht jedenfalls kein Grund erkennbar, weshalb die Beschwerdeführerin hierzu wahrheitswidrige Angaben hätte machen sollen.
Dass sie mit ihren Familienmitgliedern in regelmäßigem Kontakt steht, gab die Beschwerdeführerin ebenso glaubhaft an (AS 74).
2.1.5. Die Feststellung zur illegalen Einreise samt Reisekosten ergibt sich aus den Eigenangaben der Beschwerdeführerin selbst (AS 11ff, 70 ff).
2.1.6. Dass die Beschwerdeführerin gesund ist, kann aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben entnommen werden (AS 50: „F: Sind Sie gesund?“ A: „Ja“. F: „Sind Sie in ärztlicher Behandlung?“ A: „Nein“.).
Dass ihr in Österreich der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zukommt, war dem im Akt aufliegenden Bescheid des Bundesamtes zu entnehmen (AS 103 ff). Auch das Fremdenregister (IZR) wurde hierzu eingesehen.
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:
2.2.1. Dass die Beschwerdeführerin Syrien aufgrund der Bürgerkriegssituation bzw. der allgemein schlechten Situation verlassen hat, brachte sie einhellig in der Erstbefragung (AS 15) und in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt (AS 75) vor. Aufgrund des herrschenden Bürgerkrieges und der allgemein unsicheren Lage hat die Beschwerdeführerin auch subsidiären Schutz erhalten (AS 103ff).
Dass sie zu ihrem Mann nach Österreich wollte (Motiv ihrer illegalen Reise nach Österreich) ergibt sich aus den in dieser Hinsicht durchwegs gleichlautenden Angaben der Beschwerdeführerin selbst. So gab die Beschwerdeführerin bereits in ihrer Erstbefragung an, den Entschluss zur Ausreise aus Syrien bereits vor drei Jahren gefasst zu haben (AS 11). Sie wollte Syrien „nur“ verlassen (AS 11). Sie reiste daraufhin in die Türkei wo sie – wie festgestellt – zwei Jahre lebte und auch einer Berufstätigkeit nachging. Nachgefragt, hatte Sie zu diesem Zeitpunkt noch kein konkretes Zielland (AS 11). Später in der Befragung nannte sie schließlich ein konkretes Zielland – Österreich. Nach dem Grund gefragt, gab die Beschwerdeführerin an: „Ich will hier in Österreich bleiben, weil mein Freund hier in Österreich […] lebt“ (AS 15).
Die Motivlage der Beschwerdeführerin konkretisierte sich ferner durch ihre Angaben in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt. So gab die Beschwerdeführerin über Nachfrage, warum sie erst in Österreich und nicht schon früher einen Asylantragt gestellt hat an: „Wegen meinem Ehemann, da er hier lebt und ich bei ihm sein wollte“ (AS 75). Gefragt, warum sie allein nach Österreich gereist ist, gab sie an: „Ich reiste nach Österreich wegen meinem Ehemann. Legal war es nicht möglich“ (AS 74). Von etwaigen Verfolgungshandlungen, auf die ohnehin noch gesondert eingegangen wird, konnte die Beschwerdeführerin – auch über konkrete Nachfrage – nicht berichten (AS 74 f).
Es hat sich damit aufgrund der Chronologie der Ereignisse das Bild ergeben, dass die Beschwerdeführerin nicht aus Gründen der befürchteten Verfolgung um Asyl ansuchte, sondern weil sie bei ihrem Gatten, den sie in dessen Abwesenheit (er war bereits in Österreich) in der Türkei traditionell-islamisch geheiratet hat, leben möchte.
2.2.2. Zur Feststellung, dass die Beschwerdeführerin keine persönliche Verfolgung zu gewärtigen hatte bzw. hat oder sie drohende Eingriffe in ihre körperliche Integrität zur Flucht veranlassten, ergibt sich daraus, dass die Beschwerdeführerin diesbezügliche Fragen des Bundesamts ausdrücklich verneinte (AS 76: LA: „Fanden jemals Übergriffe gegen Ihre Person in Syrien statt? VP: Nein“. Eine auch nur annährend politisch motivierte Tätigkeit oder entsprechende Gefährdung der Beschwerdeführerin konnte den Angaben der Beschwerdeführerin nicht entnommen werden (AS 74: „LA: „Haben Sie sich in Syrien oder in einem anderen Land je politisch geäußert oder Ihre politische Einstellung bzw. Meinung öffentlich kundgetan? VP: Nein“. Auch die Fragen hinsichtlich einer Verfolgung aufgrund einer politischen Gesinnung oder Religion wurden von der Beschwerdeführerin verneint (AS 75). Die Beschwerdeführerin gab lediglich an, in XXXX als Kurdin „Probleme“ gehabt zu haben. Gefragt, wie sich diese Probleme geäußert haben, konnte die Beschwerdeführerin jedoch kein substantiiertes, auf ihre Person bezogenes Vorbringen erstatten. Lediglich oberflächlich wurde angegeben, dass die „freie Armee“ im Grenzgebiet keine Kurden wolle. Dies jedoch, nachdem sämtliche Fragen hinsichtlich spezifischer Probleme ausdrücklich verneint wurden (AS 74 ff).
Das erkennende Gericht übersieht dabei auch nicht, dass die Beschwerdeführerin in ihre von Türkei-nahen Milizen kontrollierte Herkunftsregion als Kurdin einer besonderen Gefährdung ausgesetzt sein könnte, allerdings lebte die Beschwerdeführerin – ihren eigenen Angaben folgend – bis zu ihrer Ausreise dort ohne konkrete Probleme. Spezifische auf ihre Person bezogene Probleme nannte die Beschwerdeführerin nicht (AS 74 f). Das Gericht sieht dabei keinen logisch nachvollziehbaren Grund an den diesbezüglichen Angaben der Beschwerdeführerin zu zweifeln.
2.2.3. Dass die Beschwerdeführerin als Rückkehrende in Syrien keine konkrete Verfolgung oder Bedrohung als Angehörige der sozialen Gruppe der alleinstehenden bzw. ‚unverheirateten‘ Frauen zu befürchten hätte, war festzustellen, weil die Beschwerdeführerin ihren eigenen Angaben folgend verheiratet ist. Selbst wenn sie im Falle ihrer Rückkehr ohne ihren Ehemann, der den Asylstatus genießt, de-facto der weibliche Haushaltsvorstand wäre, ergibt sich aus den Länderberichten nicht, dass jedem weiblichem Haushaltsvorstand Verfolgungshandlungen im Sinne der GFK drohen würden, wenngleich das Risiko als „erhöht“ anzusehen ist. Den Länderberichten folgend besteht insbesondere für Witwen und geschiedene Frauen eine erhöhte Gefahr, doch muss hier das Augenmerk auf das bisherige problemlose Leben der Beschwerdeführerin gerichtet werden.
2.2.4. Auch allein aufgrund ihrer illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich oder der Ausreise ihrer Brüder bzw. der Familie droht der Beschwerdeführerin keine Gefahr, mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden. Vielmehr belegen die Länderberichte Probleme von enger gefassten Personengruppen, nämlich die von oppositionell gesinnten Rückkehrern, unter welche die Beschwerdeführerin allerdings nicht fällt. Dass eine Verfolgung aufgrund der Ausreise der Beschwerdeführerin bzw. einer ihr hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung unwahrscheinlich ist, fußt somit auf den Länderberichten. Aus den Länderberichten ergibt sich nicht, dass allen Rückkehrenden, die unrechtmäßig ausgereist sind und die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird (vgl. VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0147). Ebenso wenig genügt eine Asylantragstellung in Österreich für die Asylzuerkennung, weil die Antragstellung den Behörden im Herkunftsstaat nicht bekannt ist. Ebenso wenig lässt sich den Länderinformationen entnehmen, dass Rückkehrende in Gebieten, die unter nicht-Regierungskontrolle stehen, von diesen verübten systematischen Repressalien aufgrund der Ausreise oder Asylantragstellung ausgesetzt wären. Ein Eingriff in die psychische und/oder körperliche Unversehrtheit der Beschwerdeführerin allein aufgrund ihrer Ausreise und der Asylantragstellung im Ausland ist daher nicht wahrscheinlich.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG, FPG) nicht getroffen, weshalb Einzelrichterzuständigkeit vorliegt.
Zu A)
3.1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
§ 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:
„Status des Asylberechtigten
§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.
(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.
(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.
…“
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).
Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).
Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).
Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).
Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 18.03.2021, Ra 2020/18/0450, mwN).
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kam dem konkreten Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrem Fluchtgrund keine Asylrelevanz zu. Der Beschwerdeführerin ist es deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen ihre Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, darzutun.
Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben.
3.2. Absehen von einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht;
Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein diesen Grundsätzen entsprechendes Ermittlungsverfahren durch das Bundesamt vorangegangen. Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen; die Beschwerdeführerin wurde insgesamt einmal polizeilich „erstbefragt“ und einmal ausführlich vor der Behörde niederschriftlich einvernommen. Das Bundesamt hat die vorgenommene Beweiswürdigung, welche die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen trägt, in seiner Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt und teilt das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen. In der Beschwerde wurde ein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender Sachverhalt bloß unsubstantiiert behauptet.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.