Spruch
W284 2296107-1/8E Schriftliche Ausfertigung des am 13.08.2024 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.08.2024, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 27.09.2023 einen Antrag auf internationalen Schutz. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA bzw. belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht - BVwG) mit seinem angefochtenen Bescheid XXXX den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.) und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt III.).
Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schreiben vom 19.07.2024 das Rechtsmittel der Beschwerde.
Nach Durchführung einer Verhandlung vor dem BVwG wurde die Beschwerde mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 13.08.2024 abgewiesen. Das mündlich verkündete Erkenntnis betraf auch seinen Bruder XXXX dessen Beschwerde mitverhandelt wurde. Mit rechtzeitig eingebrachtem Schriftsatz vom 21.08.2024 beantragte der Beschwerdeführer die schriftliche Ausfertigung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Beim in Österreich strafrechtlich unbescholtenen und gesunden Beschwerdeführer handelt es sich um den am XXXX im Dorf XXXX (auch: XXXX bzw XXXX ), im Distrikt und Gouvernement XXXX , geborenen und aufgewachsenen XXXX . Er ist im Entscheidungszeitpunkt XXXX Jahre alt, syrischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Araber an. Er bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Er beherrscht seine Muttersprache Arabisch in Wort und Schrift. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und vierfacher Familienvater. Seine Familie lebt derzeit in der Türkei. Offen blieb, ob der Beschwerdeführer in der Zeit von 2010 bis 2014 zwischen Syrien und dem Libanon hin- und herreiste.
Er reiste im November 2015 von Syrien in die Türkei aus und im September 2023 nach Europa. Am 27.09.2022 stellte er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ihm kommt der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zu.
Der Herkunftsort des Beschwerdeführers, das Dorf XXXX , befindet sich nicht im Einfluss- oder Kontrollgebiet des syrischen Regimes, sondern steht unter der Kontrolle der kurdischen Streitkräfte.
1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer verließ Syrien aufgrund der allgemein schlechten Situation und des Bürgerkriegs. Er war in Syrien nie einer individuellen konkreten asylrelevanten Bedrohung ausgesetzt. Auch aktuell droht ihm keine derartige Gefahr. Im Fall einer Rückkehr in seine Herkunftsregion würde er von der syrischen Armee weder zwangsrekrutiert noch vom syrischen Staat als oppositionell eingestuft werden. Er würde auch altersbedingt nicht von den kurdischen Streitkräften einberufen werden.
1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat
Zur aktuellen Situation in Syrien (Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation vom 27.03.2024, Version 11):
Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen
Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst
Rechtliche Bestimmungen
Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024).
Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (ÖB Damaskus 12.2022). Einer vertraulichen Quelle des niederländischen Außenministeriums zufolge sollen Männer auch unabhängig ihres Gesundheitszustandes eingezogen und in der Verwaltung eingesetzt worden sein (NMFA 8.2023).
Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetz, darunter Fahnenflucht. Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB Damaskus 12.2022).
Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 2.2.2024; vgl. ICWA 24.5.2022).
Die Umsetzung
Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten (STDOK 8.2017; vgl. DIS 7.2023). Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).
Seit März 2020 hat es in Syrien keine größeren militärischen Offensiven an den offiziellen Frontlinien mehr gegeben. Scharmützel, Granatenbeschuss und Luftangriffe gingen weiter, aber die Frontlinien waren im Grunde genommen eingefroren. Nach dem Ausbruch von COVID-19 und der Einstellung größerer Militäroperationen in Syrien Anfang 2020 verlangsamten sich Berichten zufolge die militärischen Rekrutierungsmaßnahmen der SAA. Die SAA berief jedoch regelmäßig neue Wehrpflichtige und Reservisten ein. Im Oktober 2021 wurde ein Rundschreiben herausgegeben, in dem die Einberufung von männlichen Syrern im wehrpflichtigen Alter angekündigt wurde. Auch in den wiedereroberten Gebieten müssen Männer im wehrpflichtigen Alter den Militärdienst ableisten (EUAA 9.2022). Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt aufgrund von Entlassungen langgedienter Wehrpflichtiger und zahlreicher Verluste durch Kampfhandlungen unverändert hoch (AA 2.2.2024).
Haltung des Regimes gegenüber Wehrdienstverweigerern
Wehrdienstverweigerung wird aber nicht unbedingt als oppositionsnahe gesehen. Das syrische Regime ist sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land verlassen haben, einfach um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich frei zu kaufen, damit die Regierung zumindest Geld in dieser Situation einnehmen kann. Ein für eine internationale Forschungsorganisation mit Schwerpunkt auf den Nahen Osten tätiger Syrienexperte, der allerdings angibt, dazu nicht eigens Forschungen durchgeführt zu haben, geht davon aus, dass das syrische Regime möglicherweise am Anfang des Konflikts, zwischen 2012 und 2014, Wehrdienstverweigerer durchwegs als oppositionell einstufte, inzwischen allerdings nicht mehr jeden Wehrdienstverweigerer als oppositionell ansieht (STDOK 25.10.2023).
Rekrutierung von Personen aus Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle
In Qamishli und al-Hassakah tragen diese die Bezeichnung "Sicherheitsquadrate" (al-Morabat al-Amniya), wo sich verschiedene staatliche Behörden, darunter auch solche mit Zuständigkeit für die Rekrutierung befinden. Während die syrischen Behörden im Allgemeinen keine Rekrutierungen im Selbstverwaltungsgebiet durchführen können, gehen die Aussagen über das Rekrutierungsverhalten in den Regimeenklaven bzw. "Sicherheitsquadraten" auseinander - auch bezüglich etwaiger Unterschiede zwischen dort wohnenden Wehrpflichtigen und Personen von außerhalb der Enklaven, welche die Enklaven betreten (DIS 6.2022). Ein befragter Rechtsexperte der ÖB Damaskus berichtet, dass die syrische Regierung in den Gebieten unter Kontrolle der Selbstverwaltung dort rekrutieren kann, wo sie im "Sicherheitsquadrat" im Zentrum der Gouvernements präsent ist, wie z. B. in Qamishli oder in Deir ez-Zor (Rechtsexperte 14.9.2022). Dies wird auch von SNHR bestätigt, die ebenfalls angeben, dass die Rekrutierung durch die syrischen Streitkräfte an deren Zugriffsmöglichkeiten gebunden ist (ACCORD 7.9.2023). Ein befragter Militärexperte gab dagegen an, dass die syrische Regierung grundsätzlich Zugriff auf die Wehrpflichtigen in den Gebieten unter der Kontrolle der PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat] hat, diese aber als illoyal ansieht und daher gar nicht versucht, sie zu rekrutieren (BMLV 12.10.2022). Männer im wehrpflichtigen Alter, die sich zwischen den Gebieten unter Kontrolle der SDF und der Regierungstruppen hin- und herbewegen, können von Rekrutierungsmaßnahmen auf beiden Seiten betroffen sein, da keine der beiden Seiten die Dokumente der anderen Seite [z.B. über einen abgeleisteten Wehrdienst, Aufschub der Wehrpflicht o. Ä.] anerkennt (EB 15.8.2022).
Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien
Wehrpflichtgesetz der "Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien"
Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Selbstverteidigungspflicht auf Männer beschränkt, die 1998 oder später geboren wurden und ihr 18. Lebensjahr erreicht haben. Gleichzeitig wurden die Jahrgänge 1990 bis 1997 von der Selbstverteidigungspflicht befreit (ANHA, 4.9.2021). Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022). Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (ACCORD 7.9.2023).
Rekrutierung für den nationalen syrischen Wehrdienst
Die Absolvierung des "Wehrdiensts" gemäß der Selbstverwaltung befreit nicht von der nationalen Wehrpflicht in Syrien (DIS 6.2022). Männer im wehrpflichtigen Alter, die sich zwischen den Gebieten unter Kontrolle der SDF und der Regierungstruppen hin- und herbewegen, können von Rekrutierungsmaßnahmen auf beiden Seiten betroffen sein, da keine der beiden Seiten die Dokumente der anderen Seite [z. B. über einen abgeleisteten Wehrdienst, Aufschub der Wehrpflicht o.ä.] anerkennt (EB 15.8.2022).
Laut mehreren von ACCORD für eine Anfragebeantwortung interviewten Experten gibt es de facto keine Möglichkeit des syrischen Regimes, in den von den SDF kontrollierten Gebieten zu rekrutieren, obwohl es teilweise Patrouillen des syrischen Regimes in der AANES gibt. Lediglich in jenen Gebieten, die von den Regierungstruppen kontrolliert werden, können die Personen auch rekrutiert werden (ACCORD 24.8.2023). Ebenso gibt der Syrienexperte van Wilgenburg an, dass die Kontrollpunkte der syrischen Armee nicht die Befugnis haben, Menschen in den Städten zu kontrollieren, sondern der Abschreckung der Türkei dienen (van Wilgenburg 2.9.2023). Dem widerspricht SNHR, das ebenfalls von ACCORD befragt wurde mit der Angabe, dass das syrische Regime an Checkpoints und Kontrollpunkten sehr wohl auf vom Regime gesuchte Wehrpflichtige zugreifen könnte und würde und diese in die von der Regierung kontrollierten Gebiete eskortieren würde (ACCORD 24.8.2023).
Betreten und Verlassen des Regimegebiets
Manche Reisen zwischen dem Regimegebiet und dem Selbstverwaltungsgebiet (der SDF) sind möglich, aber die genauen Konditionen sind unbekannt. BewohnerInnen von al-Hassakah und Qamishli sowie Personen, die dort geboren sind, gehören zu den Personengruppen, welche vom Regimegebiet aus in diese beiden Städte reisen können, weil die Behörden dort eine gewisse Präsenz haben. Auch Leute, die im Regimegebiet wohnen, aber aus Teilen von Raqqa und Deir az-Zour stammen, die nun unter Kontrolle der Selbstverwaltung stehen, können Berichten zufolge hin und her reisen, um ihre Besitztümer zu überprüfen oder Land zu kultivieren (NMFA 5.2022).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen hinsichtlich der Identität und des Alters des Beschwerdeführers gründen sich auf eine vorgelegte Kopie eines Personalausweises sowie den gleichgebliebenen und somit glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (AS 15, 43, 67, Verhandlungsprotokoll vom 13.08.2024 – infolge: VP, Seite 8).
Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, Staatsangehörigkeit sowie zu den Sprachkenntnissen des Beschwerdeführers, zu seiner Familie und zu seinem Herkunftsort stützen sich auf seine diesbezüglich gleichgebliebenen und glaubhaften Aussagen im Verfahren (AS 17, 43f, VP Seite 7, 9). Dass der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde seinen Herkunftsort „ XXXX “ statt „ XXXX “ nennt, ändert nichts an der Feststellung des Namens des Herkunftsortes, da er diesen im Verfahren gleichbleibend in Bezugsnähe zur Stadt XXXX verortet (Zur Nennung in der Beschwerde: AS 250). Die unterschiedliche Bezeichnung ist daher auf die Übersetzung in die deutsche Sprache zurückzuführen.
Ob der Beschwerdeführer zwischen 2010 und 2014 mehrmals in den Libanon und wieder nach Syrien einreiste, konnte keiner positiven Feststellung zugeführt werden. Dies deswegen, weil er diese Angaben erstmals in der mündlichen Verhandlung tätigte, somit zu einem eher späten Zeitpunkt im Verfahren. Zudem erwies sich die damit verbundene Fluchtgeschichte in der mündlichen Verhandlung als unglaubhaft (VP Seite 7). So gab der Beschwerdeführer an, dass er zu Herrschaftszeiten des IS an seinem Herkunftsort im Jahr 2014 deshalb nicht erneut in den Libanon ausreisen konnte, weil er kein Militärbuch der syrischen Armee hatte und dieses nur besorgen habe können, indem er nach XXXX ins Regimegebiet reiste um es dort persönlich abzuholen (VP Seite 8). Dass der Beschwerdeführer diese lange und gefährliche Reise quer durch Syrien - zudem gezielt in das Regimegebiet - auf sich genommen haben soll, obwohl er im Regimegebiet zwangsrekrutiert hätte werden können, ist nicht lebensnah. Auch die Erklärung, dass er sich ein Wehrdienstbuch holen wollte, dies obwohl er den Wehrdienst gar nicht ableisten wolle, bloß um legal in den Libanon auszureisen, ist nicht naheliegend und somit unglaubwürdig, weshalb die behauptete Reisetätigkeit von Syrien in den Libanon und retour fraglich blieb.
Die Feststellung zu seiner Reiseroute fußen auf seinen gleichbleibenden und somit glaubhaften Angaben in der Erstbefragung und in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (AS 23, 45). Die Feststellungen zur Asylantragstellung beruhen auf dem unstrittigen Akteninhalt, insbesondere dem Erstbefragungsprotokoll sowie der Einsichtnahme in das Fremdenregister (IZR). Letzterem sowie dem angefochtenen Bescheid (Spruchpunkt II.) ist auch der Status des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter zu entnehmen. An dieser Stelle gilt es auch hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer seinem eigenen („Flucht“-)Vorbringen bereits dadurch den Boden entzog, indem er in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG ausführte, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten für ihn ausreichend wäre, er jedoch Asyl deswegen begehre, damit er seine Frau und Kinder nachholen könne (VP Seite 9). Er bestätigt damit zugleich die Richtigkeit der Einräumung subsidiären Schutzes durch die Behörde.
Die Feststellungen zur Gesundheit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben in der niederschriftlichen Befragung vor dem BFA bzw. daraus, dass dem Akt nichts Gegenteiliges zu entnehmen war (AS 42). Dass er in Österreich strafrechtlich unbescholten ist, ergibt sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug.
Die Feststellungen hinsichtlich der Einfluss- und Kontrollverhältnisse im Herkunftsort des Beschwerdeführers lassen sich den Länderberichten, der historische Karte des Carter Centers (www.cartercenter.org) sowie der tagesaktuellen Syrien-Karte (https://syria.liveuamap.com/) entnehmen. Diese decken sich mit seinen Angaben im Verfahren (AS 46f, VP Seite 8). In der Vernehmung vor dem BFA sprach er einmal von einem alleinigen kurdischen Kontrollbereich und ein anderes Mal von der primären Kontrolle der kurdischen Streitkräfte bei gleichzeitiger Präsenz von russischen, türkischen, iranischen Streitkräften und Soldaten des syrischen Regimes (AS 46 bzw. AS 47). In der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sprach er wiederum erneut von der alleinigen Kontrolle der kurdischen Streitkräfte (VP Seite 8).
2.2. Zu den vorgebrachten Fluchtgründen:
Den Länderinformationen kann entnommen werden, dass die „Selbstverteidigungspflicht“ bei den kurdischen Streitkräften seit dem 04.09.2021 lediglich von Männern absolviert werden muss, die 1998 oder später geboren wurden und das achtzehnte Lebensjahr erreicht haben (Seite 157 der Länderinformation der Staatendokumentation Syrien vom 27.03.2024, Version 11 – LIB). Nachdem der Beschwerdeführer XXXX und somit vor 1998 geboren wurde, war festzustellen, dass er bei den kurdischen Streitkräften altersbedingt nicht mehr wehrpflichtig ist und daher von diesen nicht rekrutiert werden würde. Dass er für die Ableistung der Selbstverteidigungspflicht zu alt ist, wurde von ihm in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG auch zugestanden, als ihn die Richterin danach fragte (VP Seite 8).
Der Beschwerdeführer hat sich im Verfahren zuerst nicht auf die Verweigerung der Ableistung des Wehrdienstes bei der syrischen Armee gestützt, sondern darauf, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen hat (AS 25). In der Befragung vor dem BFA gab der Beschwerdeführer erstmals ohne Bezugnahme auf eine erlittene Bedrohung an, dass der IS vor seiner Ausreise im Jahr 2015 die Kontrolle hatte und man sich anschließen oder das Land verlassen musste. Das Haus der Familie sei von den Kurden, die in seinem Heimatdorf die Herrschaft hätten, zerstört worden. Würde ihn das syrische Regime festnehmen, müsste er den Militärdienst bei der syrischen Armee ableisten. Das syrische Regime sei zurzeit dreißig Kilometer von seinem Heimatdorf entfernt (AS 46f). Im Zuge der Verhandlung vor dem BVwG nannte der Beschwerdeführer, nachdem explizit danach gefragt wurde, worin seine Verfolgung genau bestehen würde, zumal er nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters legal nach Syrien ein- und ausreisen konnte, keinen Verfolgungsgrund, sondern gab lediglich an, dass er deshalb ein- und ausreisen konnte, weil er bis 01.01.2015 einen Aufschub von der Ableistung der Militärpflicht hätte (VP Seite 7). Zur Herkunft dieses Militärbuchs befragt, gab er an, dass er sich dieses bei der Rekrutierungsstelle in XXXX abgeholt hätte (VP Seite 8). Dies sei notwendig gewesen, um weiterhin rechtlich legal in den Libanon ausreisen zu können. Wie bereits unter Punkt 2.1. thematisiert, ist dieses Geschehen nicht glaubhaft. weshalb der Beschwerdeführer, der den Militärdienst seinen mehrmals wiederholten Aussagen zufolge gar nicht ableisten will, zu Zeiten der IS Herrschaft eine weite und gefährliche Reise von seiner Herkunftsregion XXXX in die Stadt XXXX unternehmen sollte, um sich dort ein Wehrdienstbuch abzuholen um dann legal aus Syrien in den Libanon auszureisen, erschließt sich logisch nicht. Er wechselte somit sein Vorbringen und damit den Kern seiner „Fluchtgeschichte“ schlichtweg aus, was auf seine Glaubwürdigkeit nachteilig durchschlägt. Damit korreliert, dass der Beschwerdeführer sein Vorbringen zusätzlich dadurch schwächte, dass er eingestand, nur deshalb den Asylstatus zu begehren, damit er seine Familie nachholen könne (VP Seite 9).
Eine tatsächliche Gefahr der Zwangsrekrutierung hat sich im Fall des Beschwerdeführers sohin nicht ergeben. Hinsichtlich einer potentiell von der syrischen Armee ausgehenden Zwangsrekrutierung ist festzuhalten, dass sich seine Herkunftsregion, das Dorf XXXX im Gouvernement XXXX und somit außerhalb des Kontrollgebiets der syrischen Armee befindet, was den Länderfeststellungen zufolge eine Rekrutierung verunmöglicht (Seite 123 LIB). Dass der Beschwerdeführer nach Erreichen des wehrpflichtigen Alters am 21.02.2014 bis zu seiner Ausreise aus Syrien am 27.11.2015 unbehelligt von der syrischen Armee leben konnte und sogar innerstaatlich Reisen unternehmen konnte, ist ein starker Indikator für eine fehlende Verfolgungsgefahr durch das syrische Regime. Bei Wahrheitsunterstellung seiner Angaben zur Abholung seines Wehrbuches in XXXX und einem anschließend erhaltenen Aufschub für die Ableistung des Wehrdienstes bis zum 01.01.2015 (VP Seite 7f) würden seine Angaben bedeuten, dass sich der Beschwerdeführer fast elf Monate (vom 01.01.2015 bis zum 27.11.2015) unbehelligt von der syrischen Armee in Syrien aufhalten hätte können, da er während des ganzen Verfahrens keine Verfolgungshandlung des syrischen Regimes ins Spiel brachte. Das Beurteilungsergebnis ändert sich auch nicht durch seinen in der Befragung vor dem BFA erwähnten und anschließend vorgelegten syrische Strafregisterauszug, demzufolge er wegen Wehrdienstverweigerung inhaftiert worden sei und deswegen eine Geldstrafe gegen ihn verhängt worden sei (AS 43). Einerseits handelt es sich dabei um eine Steigerung des Vorbringens, andererseits hat der Beschwerdeführer diese angebliche Inhaftierung bzw. Geldstrafe während des Verfahrens zu keinem Zeitpunkt thematisiert. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass es sich um ein authentisches Dokument handelt. Dafür spricht auch, dass der Beschwerdeführer selbst angab, dass ihm dieser Auszug von einem Anwalt, den er über das Internet angeschrieben habe, per WhatsApp übermittelt worden sei und er selbst nicht wisse, woher dieser Dokumente beziehen würde (AS 47).
Der Beschwerdeführer führte in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG schließlich hilfsweise aus, dass er fürchte, das dreißig Kilometer entfernten Regime könne an seinen Herkunftsort vorrücken, wodurch er zugleich bestätigt, dass es derzeit dort nicht zugegen ist VP, S. 8). Das BVwG hat jedoch die Sachlage zum Entscheidungszeitpunkt zugrunde zu legen und zu beurteilen. Aktuell besteht am Herkunftsort des Beschwerdeführers keine Regimepräsenz.
Das Gericht verkennt nicht, dass die Schwelle, von Seiten des syrischen Regimes als oppositionell betrachtet zu werden, schneller erreicht werden mag, als in anderen Staaten und Personen aus unterschiedlichen Gründen, teilweise auch willkürlich, als regierungsfeindlich angesehen werden. Es wird hierbei auch nicht übersehen, dass bestimmte Personen in Syrien aufgrund ihrer tatsächlichen oder wahrgenommenen bzw. zugeschriebenen politischen Meinung oder Zugehörigkeit angegriffen werden oder ihnen auf andere Weise Schaden zugefügt wird. Diese Zuschreibung basiert auch oft nur auf familiären Verbindungen, ihrem religiösen oder ethnischen Hintergrund oder auf der Präsenz der Person in oder ihrer Herkunft aus einem bestimmten Gebiet, welches als „regierungsfreundlich“ oder „regierungsfeindlich“ gilt. In Bezug auf den Beschwerdeführer ergaben sich jedoch im Verfahren keine Hinweise darauf, dass er oppositionell tätig gewesen wäre, oder aus anderen Gründen ins Blickfeld der syrischen Behörden geraten wäre. Der Beschwerdeführer gab selbst in der niederschriftlichen Befragung vor dem BFA zu, dass er in Syrien nicht persönlich bedroht oder verfolgt wurde und sich auch nicht politisch bzw. religiös betätigt habe und auch keiner Verfolgung aus diesem Grund, oder aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit oder seiner sozialen Stellung ausgesetzt gewesen wäre (AS 48). Andernfalls würde er wohl nicht die Erteilung des subsidiären Schutzes an ihn als ausreichend einstufen.
Auf das Vorliegen eines Verfolgungsgrundes nach der Genfer Flüchtlingskonvention ergaben sich somit keine Hinweise. So gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG letztlich selbst zu, deshalb Asyl haben zu wollen, damit er seine Frau und seine Kinder wiedersehen könne und ihnen eine sorgenfreie Zukunft bieten könne (VP Seite 8f). Dieser Wunsch stellt jedoch keinen Asylgrund dar.
Festzuhalten ist weiters, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt von konkreten individuellen ihn betreffenden Problemen mit der der syrischen Armee berichtete. So gab er in der niederschriftlichen Befragung vor dem BFA zu, niemals Kontakt mit dem Militär oder den Milizen gehabt zu haben (AS 48). Diesbezüglich ergaben sich auch keine Anhaltspunkte während des Verfahrens.
Daran ändert auch der allgemeine Hinweis des Rechtsvertreters in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht, wonach es aufgrund einer Intensivierung des Kampfgeschehens im Nordosten Syriens einen vermehrten Rekrutierungsbedarf von Seiten des Regimes gäbe (VP Seite 9). Zum Vorbringen des Rechtsvertreters unter Bezugnahme auf die Briefing Note vom 08.07.2024 (VP Seite 9, als Beilage ./A zum Akt genommen), dass die Grenzübergänge zwischen Syrien und der Türkei aufgrund von Ausschreitungen zwischen Türken und Syrern geschlossen wären, ist anzumerken, dass es sich dabei um bloß vorübergehende Grenzschließungen handeln würde. Die Briefing Note selbst spricht in diesem Zusammenhang davon, dass „größtenteils“ Grenzübergänge geschlossen wären, was im Umkehrschluss bedeutet, dass andere Grenzübergänge zwischen der Türkei und Syrien geöffnet sind und diese vom Beschwerdeführer im Anspruch genommen werden können.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf das aktuelle Länderinformationsblatt zu Syrien vom 27.03.2024, Version 11, sowie auf die am Tag der Beschwerdeverhandlung unter www.cartercenter.org abgefragte Karte betreffend die Kontroll- und Einflussgebiete unterschiedlicher Akteure im Herkunftsgebiet des Beschwerdeführer in Syrien (VP Seite 4). Auch die vorgelegte Briefing Note vom 08.07.2024 wurde in das Verfahren einbezogen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen.
Da im vorliegenden Fall keine vom syrischen Regime oder sonstigen Akteuren ausgehende asylrelevante Verfolgung festzustellen war, erübrigt sich eine gesonderte Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer im Zuge des Grenzübertritts bzw. der Rückkehr in die Herkunftsregion mit asylrelevanten Verfolgungshandlungen konfrontiert würde (vgl. VfGH 29.06.2023, E 3450/2022, Rn. 17; VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlichen Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des BVwG auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.