JudikaturBVwG

W227 2298894-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
04. Oktober 2024

Spruch

W227 2298894-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Karin WINTER über die Beschwerde der Erst- und Zweitbeschwerdeführer XXXX und XXXX , Erziehungsberechtigte des am XXXX geborenen Drittbeschwerdeführers XXXX gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Niederösterreich vom 31. Juli 2024, Zl. SPF-ZT-1319/8-2024, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Der am XXXX geborene Drittbeschwerdeführer besuchte von 5. September 2022 bis 11. Juni 2023 die Mittelschule XXXX .

Aufgrund des rechtskräftig gewordenen Ausschlussverfahrens gemäß § 49 Schulunterrichtsgesetz (SchUG) – der Drittbeschwerdeführer gefährdete über Monate hinweg bewusst die körperliche Sicherheit von Mitschülern und an der Schule tätigen Personen etwa durch Schlagen und unkontrolliertes Werfen von Scheren sowie anderen Gegenständen (siehe Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Oktober 2023, W227 2275301-1/12E) – wechselte der Drittbeschwerdeführer am 12. Juni 2023 in die Mittelschule XXXX .

Am 22. Dezember 2023 stellte die Sonderpädagogin gutachterlich fest, dass beim Drittbeschwerdeführer ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Sinne einer Verhaltensbehinderung bestehe und der Unterricht in allen Gegenständen nach dem Lehrplan der Mittelschule und den Richtlinien des Lehrplans der Sondererziehungsschule zu erfolgen habe.

2. Am 13. Februar 2024 leitete die belangte Behörde von Amts wegen ein (weiteres) Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bezüglich des Drittbeschwerdeführers ein.

3. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juli 2024, W203 2294924-1/2E, wurde der Drittbeschwerdeführer vom 22. März 2024 bis einschließlich 18. April 2024 vom weiteren Unterrichtsbesuch an der Mittelschule XXXX rechtskräftig suspendiert, weil der Drittbeschwerdeführer am 21. März 2024 versucht hatte, die Klassenvorständin am Verlassen des Klassenraumes zu hindern und dabei mit Händen und Füßen auf sie eingeschlagen und -getreten und auch Mitschüler geschlagen und getreten hatte; kurz darauf hatte er auch den Schulleiter getreten.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass für den Drittbeschwerdeführer gemäß § 8 Schulpflichtgesetz (SchPflG) aufgrund einer Verhaltensbehinderung sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe (Spruchpunkt 1.) und entschied, dass der Drittbeschwerdeführer in allen Gegenständen nach dem Lehrplan der Mittelschule unter Berücksichtigung des Lehrplanes der Sondererziehungsschule (Sonderschule für erziehungsschwierige Kinder) zu unterrichten sei (Spruchpunkt 2.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 vierter Satz SchPflG die Allgemeine Sonderschule (ASO) XXXX die für den Schulbesuch in Betracht kommende Schule ab dem Schuljahr 2024/2025 sei (Spruchpunkt 3.); weiters verfügte die belangte Behörde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG, dass einer Beschwerde gegen diesen Bescheid keine aufschiebende Wirkung zukomme (Spruchpunkt 4.).

Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus:

Aufgrund der vorliegenden nachvollziehbaren und schlüssigen sonderpädagogischen Gutachten und aus der Zusammenschau der erhobenen Beweismittel könne davon ausgegangen werden, dass der Drittbeschwerdeführer infolge einer Behinderung dem Unterricht ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermöge und ein sonderpädagogischer Förderbedarf bestehe. Der Drittbeschwerdeführer sei in allen Gegenständen nach dem Lehrplan der Mittelschule unter Berücksichtigung des Lehrplanes der Sondererziehungsschule (Sonderschule für erziehungsschwierige Kinder) zu unterrichten.

Kompromisse einzugehen, Grenzsetzungen zu akzeptieren und zu befolgen und mit Kritik offen umgehen zu lernen, sei dem Drittbeschwerdeführer in einem Setting mit geringerer Gruppengröße bereits im Schuljahr 2023/2024 teilweise angeboten worden und habe sich auch als erfolgsversprechend angedeutet. Diese Möglichkeit könne jedoch in einer Mittelschule nur in wenigen Lern- und Unterrichtssituationen angeboten und umgesetzt werden. Die Beschulung in einer Kleingruppe in einer Sonderschule biete daher den geeigneten Rahmen, um bestmöglich auf die Bedürfnisse des Drittbeschwerdeführers eingehen zu können, was an der ASO XXXX möglich sei. Durch eine Beschulung des Drittbeschwerdeführers an der ASO XXXX könne (auch) das Wohl und die Bildung aller Kinder im Sinne einer gelingenden Unterrichtsarbeit am Standort der Mittelschule XXXX bestmöglich gewährleistet werden.

Für die belangte Behörde sei – auch vor dem Hintergrund einer Suspendierung an der Mittelschule XXXX wegen Gefahr in Verzug und eines Ausschlusses von der Mittelschule XXXX und einer erneuten Suspendierung wegen Gefahr in Verzug an der Mittelschule XXXX , wegen Gefährdung der körperlichen Sicherheit von Mitschülern und an der Schule tätiger Personen (unkontrolliertes Werfen von Scheren und anderen Gegenständen, wiederholtes Schlagen von Mitschülern und Lehrkräften) – evident, dass das öffentliche Interesse an der Feststellung des sonderpädagogischer Förderbedarfs für den Drittbeschwerdeführer, an der Anwendung des Lehrplans der Mittelschule unter Berücksichtigung des Lehrplanes der Sondererziehungsschule (Sonderschule für erziehungsschwierige Kinder) für den Drittbeschwerdeführer und am Besuch der ASO XXXX durch den Drittbeschwerdeführer das Interesse der Beschwerdeführer an der Nicht-Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs deutlich überwiege, um einerseits für den Drittbeschwerdeführer an der ASO XXXX und andererseits für die Schüler der Mittelschule XXXX jeweils einen gelingenden Schulbesuch zu ermöglichen.

5. Gegen diesen Bescheid erhoben die Erst- und Zweitbeschwerdeführer fristgerecht die gegenständliche Beschwerde, in welcher sie im Wesentlichen vorbringen:

Das von der belangten Behörde eingeholte sonderpädagogische Gutachten habe lediglich festgestellt, dass eine Verhaltensbehinderung beim Drittbeschwerdeführer vorliege; die belangte Behörde habe sich jedoch nicht damit auseinandergesetzt, ob diese Verhaltensbehinderung dazu führe, dass der Drittbeschwerdeführer dem Unterricht in der Mittelschule XXXX ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermöge. Die mittlerweile medizinisch diagnostizierte Autismus-Spektrum-Störung des Drittbeschwerdeführers sei der Gutachterin bei ihrer Begutachtung zudem noch nicht bekannt gewesen.

Auch seien nicht alle sinnvollen pädagogischen Möglichkeiten im Rahmen des allgemeinen Schulwesens voll ausgeschöpft worden. Mit Hilfe einer autismusspezifischen Fachassistenz sei davon auszugehen, dass der Drittbeschwerdeführer dem Regelunterricht einer Mittelschule aus körperlicher, psychischer und kognitiver Sicht, ohne Einschränkungen folgen können sollte, da die durch die vorhandenen Diagnosen vorliegenden ,,Funktionseinschränkungen“ – gut begleitet – einem inklusiven Unterricht nicht im Wege stehen würden. Zu berücksichtigen sei, dass eine autismusspezifische Fachassistenz für den Drittbeschwerdeführer ungeachtet des Schultyps notwendig sei. Der Verein „pro mente Wien“ könne eine geeignete autismusspezifische Schulassistenz zur Verfügung stellen.

Da die Erst- und Zweitbeschwerdeführer den Besuch einer Sonderschule ablehnen würden, habe sich die belangte Behörde zu Unrecht in keiner Weise damit auseinandergesetzt, welche allgemeine Schule für den Drittbeschwerdeführer allenfalls in Betracht komme.

Die belangte Behörde verkenne auch, dass ihre Vorgehensweise in Widerspruch zum Erlass des Bildungsministers für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend die Unterstützung für Schüler mit einer Behinderung in Bildungseinrichtungen des Bundes, der UN-Behindertenrechtskonvention sowie der UN-Kinderrechtskonvention stehe; dadurch werde dem Drittbeschwerdeführer die gleichberechtigte Teilhabe am Unterricht und das Recht, in einer Regelklasse unterrichtet zu werden, verweigert. Es werde daher beantragt, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

6. Am 11. September 2024 legte die belangte Behörde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der am XXXX geborene Drittbeschwerdeführer besuchte von 5. September 2022 bis 11. Juni 2023 die Mittelschule XXXX .

Aufgrund der Verhaltensauffälligkeit des Drittbeschwerdeführers fand am 20. Februar 2023 an der Mittelschule XXXX ein Beratungsgespräch mit den Erst- und Zweitbeschwerdeführern, mit der Schulleitung und der Klassenvorständin sowie einer Diversitätsmanagerin des Fachbereiches für Inklusion, Diversität und Sonderpädagogik statt. In Folge wurde ein Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes eingeleitet, das ergab, dass beim Drittbeschwerdeführer ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Sinne einer Verhaltensbehinderung besteht und der Unterricht in allen Gegenständen nach dem Lehrplan der Mittelschule und den Richtlinien des Lehrplans der Sondererziehungsschule zu erfolgen hat.

Als der Drittbeschwerdeführer über Monate hinweg bewusst die körperliche Sicherheit von Mitschülern und an der Schule tätigen Personen (etwa durch Schlagen und unkontrolliertes Werfen von Scheren sowie anderen Gegenständen) gefährdete, wurde er vom weiteren Schulbesuch an der Mittelschule XXXX (rechtskräftig) ausgeschlossen und wechselte am 12. Juni 2023 in die Mittelschule XXXX .

Am 13. Februar 2024 leitete die belangte Behörde ein (weiteres) Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs bezüglich des Drittbeschwerdeführers ein.

Vom 22. März 2024 bis einschließlich 18. April 2024 wurde der Drittbeschwerdeführer vom weiteren Unterrichtsbesuch an der Mittelschule XXXX rechtskräftig suspendiert, weil er am 21. März 2024 versucht hatte, die Klassenvorständin am Verlassen des Klassenraumes zu hindern und dabei mit Händen und Füßen auf sie eingeschlagen und -getreten und auch Mitschüler geschlagen und getreten hatte; kurz darauf hatte er auch den Schulleiter getreten.

Die bisherigen Fördermaßnahmen waren folgende:

regelmäßige Elterngespräche mit der Klassenvorständin, dem Lehrerteam und der Schulleitung.

individuelle Betreuung, Begleitung und Unterstützung während der Unterrichtstage (Unterricht, Pausen) durch eine pädagogische Verstärkung: ab März 2023 im Ausmaß von 22 Wochenstunden; ab Februar 2024 im Ausmaß von 25 Wochenstunden; ab 30. April 2024 (auf Wunsch und Vereinbarung mit der Erstbeschwerdeführerin) nur mehr auf Abruf einer Lehrkraft bzw. auf Nachfrage des Drittbeschwerdeführers.

personenbezogene Förderungs- und Entwicklungsdokumentation:

Einsatz unterschiedlicher Lernformen (Kleingruppe, Einzelarbeit, Lernstationen, Wochenplanarbeit, computerunterstützter Unterricht).

Schaffen von geeigneten Rahmenbedingungen und Differenzierungsmaßnahmen im Unterricht (Kommunikation: klare, kurze Anweisungen, strukturierte Hilfen und Pläne, Hilfestellungen beim Bearbeiten von Arbeitsblättern, Anpassung der Leistungsanforderungen an das kognitive Leistungspotential, Aufteilung des Prüfungsstoffs in überschaubare Portionen, Zeitzugabe bei Überprüfungen und Schularbeiten, etc).

regelmäßige Hospitationen des Schulleiters

Klassenmanagement – gleichbleibende Sitzordnung (der Drittbeschwerdeführer hatte einen eigenen Tisch; bei Raumwechsel hatte der Drittbeschwerdeführer jeweils den gleichen Sitzplatz links vorne vor dem Lehrertisch).

Pausengestaltung, Pausensituation, Freiraumgestaltung: Beaufsichtigung durch die pädagogische Verstärkung; Angebote wie Tischtennis, Bastelaktivitäten wie Papierflieger falten, etc.

Beobachtungen in anderer Klassen- bzw. Gruppenzusammensetzung bzw. anderen Unterrichtsgegenstände: Kleingruppensetting führte zu einem besseren Umgang mit Frustration und aktiverer Beteiligung am Unterrichtsgeschehen.

Wechsel der Klasse bzw. Gruppe: Bei Prüfungssituationen und herausfordernden neuen Unterrichtsinhalten wurde eine Gruppenteilung bzw. eine Kleingruppe dringend empfohlen.

Experten im System Schule: Schulqualitäts- und Diversitätsmanagement boten kontinuierliche Beratung und Unterstützung an; pädagogische Verstärkung; regelmäßiger Kontakt und Betreuung durch die Schulärztin.

Experten außerhalb der Schule: schuleigene sozialpädagogische Fördermaßnahmen: Schulsozialarbeiter an der Schule (ab 16. Jänner 2024); Austausch mit Dr. XXXX (Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie) und Kontaktaufnahme mit der Kinder- und Jugendhilfe durch die Schulleitung.

Maßnahmen durch die Schulleitung: regelmäßiger Austausch und Helferkonferenzen; wiederholt Kleingruppensetting oder Einzelbetreuung, zusätzliche Teilung von Lerngruppen und im Bedarfsfall alleiniges Verbleiben mit pädagogischer Verstärkung im Klassenraum, wenn kein ungestörtes Unterrichten bzw. Weiterarbeiten der Klasse mehr möglich war. Antrag auf Suspendierung nach § 49 SchUG erfolgte in der Mittelschule XXXX im Schuljahr 2022/2023 sowie zweimal in der Mittelschule XXXX im Schuljahr 2023/2024.

außerschulische Unterstützungsmaßnahmen, Therapien und Förderungen.

Beim Drittbeschwerdeführer besteht ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Sinne einer Verhaltensbehinderung; der Unterricht hat in allen Gegenständen nach dem Lehrplan der Mittelschule unter Berücksichtigung des Lehrplanes der Sondererziehungsschule (Sonderschule für erziehungsschwierige Kinder) zu erfolgen, wofür die ASO XXXX geeignet ist.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten und sind grundsätzlich unstrittig. Die Feststellung zum sonderpädagogischen Förderbedarf und zum Lehrplan beruhen auf den schlüssigen und richtigen sonderpädagogischen Gutachten vom 22. Dezember 2023 und vom 19. Juni 2024, welche die Erst- und Zweitbeschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entkräften konnten. Dazu ist insbesondere festzuhalten, dass sich auch die Sonderpädagogin in ihrem Gutachten vom 19. Juni 2024 mit dem von der Erstbeschwerdeführerin geäußerten Verdacht (der abschließende fachärztliche Befund wurde erst nach Gutachtenserstellung vorgelegt) einer Autismus-Spektrum-Störung beim Drittbeschwerdeführer auseinandersetzte. Abgesehen davon stellt auch Autismus eine Form der Verhaltensbehinderung dar – eine Verhaltensbehinderung wurde von der sonderpädagogischen Gutachterin sowohl in ihrem Gutachten vom 22. Dezember 2023 als auch in ihrem Gutachten vom 19. Juni 2024 bereits (allgemein) festgestellt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt A)

3.1.1. Gemäß § 8 Abs. 1 SchPflG hat die Bildungsdirektion auf Antrag oder von Amts wegen mit Bescheid den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind festzustellen, sofern dieses infolge einer Behinderung dem Unterricht in der Volksschule, Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag. Unter Behinderung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Unterricht zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten. Im Zuge der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ist auszusprechen, welche Sonderschule für den Besuch durch das Kind in Betracht kommt oder, wenn die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten es verlangen, welche allgemeine Schule in Betracht kommt. Unter Bedachtnahme auf diese Feststellung hat die Bildungsdirektion festzulegen, ob und in welchem Ausmaß der Schüler nach dem Lehrplan der Sonderschule oder einer anderen Schulart zu unterrichten ist. Bei dieser Feststellung ist anzustreben, dass der Schüler die für ihn bestmögliche Förderung erhält.

Im Rahmen der Verfahren gemäß Abs. 1 kann gemäß § 8 Abs. 2 SchPflG auf Verlangen oder mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten das Kind, sofern es die Volksschule oder Mittelschule noch nicht besucht, für höchstens fünf Monate in die Volksschule oder die Mittelschule oder eine Sonderschule der beantragten Art, sofern es die Volksschule oder die Mittelschule bereits besucht, in eine Sonderschule der beantragten Art zur Beobachtung aufgenommen werden.

Sobald bei einem Kind auf die sonderpädagogische Förderung verzichtet werden kann, weil es – allenfalls trotz Weiterbestandes der Behinderung – dem Unterricht nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule zu folgen vermag, ist gemäß § 8 Abs. 3 SchPflG die Feststellung gemäß Abs. 1 erster Satz aufzuheben. Für den Fall, dass bei Fortbestand des sonderpädagogischen Förderbedarfs der Schüler dem Unterricht nach dem Lehrplan der betreffenden allgemeinen Schule zu folgen vermag, ist die Feststellung gemäß Abs. 1 vierter und fünfter Satz entsprechend abzuändern.

Gemäß § 8a Abs. 1 SchPflG sind schulpflichtige Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf (§ 8 Abs. 1) berechtigt, die allgemeine Schulpflicht entweder in einer für sie geeigneten Sonderschule oder Sonderschulklasse oder in einer den sonderpädagogischen Förderbedarf erfüllenden Volksschule, Mittelschule, Polytechnischen Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährigen Fachschule für wirtschaftliche Berufe zu erfüllen, soweit solche Schulen (Klassen) vorhanden sind und der Schulweg den Kindern zumutbar oder der Schulbesuch auf Grund der mit Zustimmung der Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten des Kindes erfolgten Unterbringung in einem der Schule angegliederten oder sonst geeigneten Schülerheim möglich ist.

Gemäß § 8a Abs. 2 SchPflG hat die Bildungsdirektion anlässlich der Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs sowie bei einem Übertritt in eine Sekundarschule die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten über die hinsichtlich der Behinderung bestehenden Fördermöglichkeiten in Sonderschulen und allgemeinen Schulen und den jeweils zweckmäßigsten Schulbesuch zu beraten. Wünschen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Aufnahme in eine Volksschule, Mittelschule, Polytechnische Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe, so hat die Bildungsdirektion zu informieren, an welcher nächstgelegenen allgemeinen Schule dem sonderpädagogischen Förderbedarf entsprochen werden kann.

Wünschen die Eltern oder sonstigen Erziehungsberechtigten die Aufnahme des Kindes in eine Volksschule, Mittelschule, Polytechnische Schule, Unterstufe einer allgemein bildenden höheren Schule oder einjährige Fachschule für wirtschaftliche Berufe und bestehen keine entsprechenden Fördermöglichkeiten an einer derartigen Schule, welche das Kind bei einem ihm zumutbaren Schulweg erreichen kann, so hat die Bildungsdirektion gemäß § 8a Abs. 3 SchPflG unter Bedachtnahme auf die Gegebenheiten im Rahmen ihrer Zuständigkeiten Maßnahmen zur Ermöglichung des Besuches der gewünschten Schulart zu ergreifen oder, falls es sich um Zentrallehranstalten (§ 1 Abs. 3 des Bildungsdirektionen-Einrichtungsgesetzes) handelt, beim Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung die Durchführung der entsprechenden Maßnahmen zu beantragen.

3.1.2. Im Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfes ist die (zunächst) ausschlaggebende Frage, ob der Schüler infolge einer physischen oder psychischen Behinderung dem Unterricht in der Volksschule, Mittelschule oder Polytechnischen Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag (vgl. in diesem Sinne Jonak/Kövesi, Das Österreichische Schulrecht, 14. Auflage, Anm. 5a zu § 8 SchPflG mit Verweis auf VwGH 23.04.2007, 2003/10/0234).

§ 8 Abs. 1 SchPflG verknüpft die Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs für ein Kind, das infolge einer Behinderung „dem Unterricht in der Volksschule, Mittelschule oder Polytechnischen Schule“ ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag, mit den Aussprüchen darüber, welche Sonderschule oder (über Verlangen) welche allgemeine Schule für den Besuch durch das Kind in Betracht kommt und (unter Bedachtnahme darauf) ob und in welchem Ausmaß der Schüler nach dem Lehrplan der Sonderschule oder einer anderen Schulart zu unterrichten ist. Dem Gesetz liegt demnach zugrunde, bei Erfüllung der allgemeinen Schulplicht durch den Besuch von öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schulen auf Antrag oder von Amts wegen den sonderpädagogischen Förderbedarf für ein Kind im Hinblick darauf festzustellen, ob dieses dem Unterricht in der für dieses Kind in Aussicht genommenen (oder bereits besuchten) Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag, und – wird ein derartiger Bedarf festgestellt – für dieses Kind in Betracht kommende Schulen zu benennen sowie den diesfalls anzuwendenden Lehrplan festzulegen (siehe VwGH 21.11.2023, Ro 2022/10/0026).

3.1.3. Für den vorliegenden Fall bedeutet das:

Wie festgestellt, besteht beim Drittbeschwerdeführer ein sonderpädagogischer Förderbedarf im Sinne einer Verhaltensbehinderung, wobei sein Unterricht in allen Gegenständen nach dem Lehrplan der Mittelschule unter Berücksichtigung des Lehrplans der Sondererziehungsschule zu erfolgen hat.

Das Beschwerdevorbringen, die Diagnose Autismus-Spektrum-Störung sei im Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs nicht berücksichtigt worden, geht ins Leere, weil es unerheblich ist, ob beim Drittbeschwerdeführer eine Autismus-Spektrum-Störung vorliegt. Denn – wie bereits oben unter Punkt 2. ausgeführt – stellt Autismus auch eine Form der Verhaltensbehinderung dar. Abgesehen davon hat die Sonderpädagogin den Verdacht einer Autismus-Spektrum-Störung ohnedies in ihrem Gutachten vom 19. Juni 2024 berücksichtigt.

Weiters empfahl die Sonderpädagogin die Beschulung in einer Kleingruppe in einer Sonderschule, damit mittels sonderpädagogischer (Förder)Maßnahmen und Unterstützungsmöglichkeiten bestmöglich auf die Bedürfnisse des Drittbeschwerdeführers eingegangen werden kann. Wie im angefochtenen Bescheid zutreffend ausgeführt, kann in einer Mittelschule die Beschulung in einer Kleingruppe nur in wenigen Lern- und Unterrichtssituationen angeboten und umgesetzt werden. Um sicherzustellen, dass der Unterricht des Drittbeschwerdeführers in allen (und eben nicht nur in einzelnen) Gegenständen in einer Kleingruppe nach dem Lehrplan der Mittelschule erfolgen kann, ist daher eine Sonderschule besonders geeignet.

Zur Befürchtung der Erst- und Zeitbeschwerdeführer, der Besuch einer Sonderschule könnte geringere Ausbildungsmöglichkeiten für den Drittbeschwerdeführer bewirken, ist nochmals darauf hinzuweisen, dass beim Drittbeschwerdeführer der Mittelschullehrplan anzuwenden ist und gerade nicht der Lehrplan der Sonderschule.

Die Beschulung in einer Kleingruppe in einer Sonderschule bietet daher den geeigneten Rahmen, um bestmöglich auf die Bedürfnisse des Drittbeschwerdeführers eingehen zu können. An der ASO XXXX ist eine solche Beschulung möglich, die ASO XXXX erfüllt auch das Kriterium der Zumutbarkeit des Schulweges (vgl. § 8a Abs. 1 SchPflG).

Dem Beschwerdevorbringen, es seien nicht alle pädagogischen Möglichkeiten genutzt worden, ist zu entgegnen, dass beim Drittbeschwerdeführer – wie festgestellt – (bereits) alle gebotenen pädagogischen Möglichkeiten des allgemeinen Schulwesens ausgeschöpft wurden, insbesondere:

Einsatz unterschiedlicher Lernformen und qualitativer sowie quantitativer Differenzierungsmaßnahmen

Schaffung geeigneter, individualisierter Rahmenbedingungen

Einsatz einer pädagogischen Verstärkung

intensiver Austausch im Kollegium, pädagogische Konferenzen

Hospitationen durch den Schulleiter

Kooperation und Austausch mit den Erziehungsberechtigten

Beratung durch die Diversitätsmanagerin

Klassenmanagement und Klassenführung

sozialpädagogische Fördermaßnahmen

Helferkonferenzen

Notfallkette und Einführung von Piktogrammen, um dem Drittbeschwerdeführer die Kommunikation und Berücksichtigung seiner Bedürfnisse zu erleichtern

Beschulung im Rahmen einer Integrationsklasse im Schuljahr 2023/2024 am Standort der Mittelschule XXXX .

Zur von den Beschwerdeführern geforderten Beschulung des Drittbeschwerdeführers an der Mittelschule XXXX ist abschließend nochmals auf die Suspendierungsverfahren und das Ausschlussverfahren (siehe dazu wieder BVwG 12.10.2023, W227 2275301-1/12E und BVwG 17.07.2024, W203 2294924-1/2E) gegen den Drittbeschwerdeführer zu verweisen: Diese Verfahren zeigen deutlich auf, dass – wie schon die belangte Behörde zu Recht im angefochtenen Bescheid argumentierte – durch eine Beschulung des Drittbeschwerdeführers an der ASO XXXX das Wohl und die Bildung aller Kinder im Sinne einer gelingenden Unterrichtsarbeit am Standort der Mittelschule XXXX bestmöglich gewährleistet werden kann. Die Mittelschule XXXX kann daher für den (weiteren) Unterricht des Drittbeschwerdeführers nicht (mehr) in Betracht kommen.

Folglich ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Angesichts der erfolgten Sachentscheidung erübrigt sich ein Abspruch über die aufschiebende Wirkung.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. etwa Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2. Auflage [2018] § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes). Außerdem ist das Schulrecht nicht von Art. 6 EMRK und auch nicht von Art. 47 GRC erfasst (vgl. etwa VfGH 10.03.2015, E 1993/2014, sowie VwGH 23.05.2017, Ra 2015/10/0127).

3.2. Zu Spruchpunkt B)

3.2.1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

3.2.2. Die Revision ist nicht zulässig, weil keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt: Dass im Verfahren zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs ausschlaggebend ist, ob der Schüler infolge einer physischen oder psychischen Behinderung dem Unterricht in der Schule ohne sonderpädagogische Förderung nicht zu folgen vermag, entspricht der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

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