JudikaturBVwG

W136 2292920-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
02. Oktober 2024

Spruch

W136 2292920-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.03.2024, Zl. 1328830908-223237673, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte am 12.10.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Am 13.10.2022 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des BF statt.

Zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Syrien im Oktober 2012 wegen des Krieges verlassen habe. Bei einer Rückkehr müsse er zum Militär und das wolle er nicht.

2. Am 07.09.2023 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache niederschriftlich einvernommen.

Zu seiner Person gab er an, dass er in XXXX /Damaskus geboren und aufgewachsen sei. Im Oktober 2012 habe er Syrien legal mit dem Flugzeug verlassen und sei nach Ägypten gegangen. Dies deshalb, weil das syrische Regime zu Beginn der Krise begonnen habe, die Leute für den Reservemilitärdienst zu rekrutieren. Er habe aber nicht am Krieg teilnehmen wollen, deswegen habe er Syrien verlassen. Seinen Militärdient habe er von 2004 bis 2006 geleistet, bei einer Spezialeinheit, er sei normaler Rekrut gewesen, habe Sport gemacht und Wache geschoben. Einberufungsbefehl habe er keinen erhalten, aber später als er bereits ausgereist gewesen sei, habe er erfahren, dass man ihn hätte rekrutieren wollen. Er sei dann wegen der besseren Arbeitsmöglichkeiten nach Libyen gegangen und von dort im Oktober 2014 in die Türkei. Bis 24.08.2022 sei er in der Türkei gewesen und dann über den Westbalkan nach Österreich gereist. Er sei verheiratet und habe zwei Kinder, geboren 2015 und 2016, seine Frau würde mit den Kindern in der Türkei leben, ebenso eine Schwester. Seine Eltern und seine anderen Geschwister würden in Libyen leben.

Den Dolmetscher habe er einwandfrei verstanden und habe keine Einwendungen gegen die Rückübersetzung (AS 96).

Vorgelegt wurde ein abgelaufener syrischer Reisepass (15.08.2019 bis 14.02.2022), Auszüge aus dem syrischen Personenstandsregister den BF und seine Familie betreffend, seine Heiratsurkunde und das Militärbuch (AS 101 ff).

3. Mit dem oben im Spruch angeführten Bescheid des BFA vom 25.03.2024 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigen zuerkannt (Spruchpunkt II.) und diesem gemäß § 8 Abs. 4 AsylG eine befristete Aufenthaltsberechtigung für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

Das BFA begründete im angefochtenen Bescheid die abweisende Entscheidung in Spruchpunkt I. im Wesentlichen damit, dass dem BF in Syrien keine Einberufung zum Reservedienst durch die syrische Regierung und auch sonst keine Verfolgung aus einen in der GFK genannten Gründen drohe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der BF sein Heimatland aufgrund einer gegen ihn persönlich gerichteten, individuellen Verfolgung im Sinne der GFK verlassen habe.

4. Gegen Spruchpunkt I. des oben genannten Bescheides wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. In dieser wurde inhaltliche Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Ergänzend wurde vorgebracht, dass der BF von 2011 bis Oktober 2012 in seinem Heimatort XXXX an Demonstrationen teilgenommen habe, er sei von iranischen Milizen bedroht und geschlagen worden und habe eine Spezialausbildung in einer Artilleriedivision im Wehrdienst absolviert. Der BF habe Syrien aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung durch das syrische Regime aufgrund einer zumindest unterstellten oppositionellen Gesinnung verlassen. Bei einer Rückkehr weise er ein erhebliches Risiko auf, in Syrien aufgrund der Weigerung der Ableistung des ihm drohenden Reservedienstes ins Visier als „Oppositioneller“ zu geraten und deswegen verfolgt zu werden. Ein allfälliger Freikauf würde nicht mehr vor einem Einzug schützen. Daher liege eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit der Verfolgung des BF vor.

5. Die Beschwerde samt dem dazugehörigen Verwaltungsakt langte am 03.06.2024 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

6. Mit Ladung vom 03.07.2024 wurden der BF sowie das BFA und ein Dolmetscher für die arabische Sprache zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 08.08.2024 geladen und darin auf die vom Bundesverwaltungsgericht dazu herangezogenen Länderberichte hingewiesen.

7. Mit Schriftsatz vom 05.08.2024 wurde auf das aktuelle LIB betreffend Einberufung als Reservist sowie eine Anfragebeantwortung von ACCORD vom 02.06.2023 betreffend Einberufung von Reservisten hingewiesen. Im Übrigen sei ein Freikauf vom Reservedienst gar nicht möglich und selbst wenn dies möglich sei, müssten Männer, die Syrien illegal verlassen hätten, einen „Versöhnungsprozess“ durchführen. Außerdem habe der BF an einer Demonstration in Österreich teilgenommen, wovon zwei Fotos vorgelegt wurden, die den BF (auf dem Stephansplatz in Wien) mit einer Fahne der freien syrischen Armee vor dem Bild des Bashar Al-Assad mit negativen Kommentar zeigen.

8. Am 08.08.2024 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die arabische Sprache, mit dem BF und seinem Rechtsvertreter eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, bei der der BF ausführlich zu seinen persönlichen und familiären Umständen und Fluchtgründen befragt wurde. Die belangte Behörde nahm entschuldigt nicht an der Verhandlung teil, hatte aber bereits bei Vorlage des Aktes die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF ist Staatsangehöriger Syriens, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist Moslem. Der BF spricht Arabisch.

Der BF ist XXXX im Bezirk XXXX in Damaskus, geboren und hat dort bis zur 9. Schulstufe die Schule besucht. Danach hat er als Automechaniker gearbeitet. Von 2008 bis 2012 hat der BF in einem Textilgeschäft in XXXX , hat diese Arbeit jedoch beendet als die Sicherheitslage die Arbeit bzw den Weg dorthin nicht mehr zuließ. Im Oktober 2012 hat der BF Syrien legal über Ägypten in Richtung Libyen verlassen und reiste im Jahr 2014 in die Türkei, wo er sich bis 24.08.2022 aufhielt.

Im Jahr 2014 hat der BF XXXX , geb. XXXX , in Jordanien geheiratet, war jedoch bei der Eheschließung nicht anwesend, sondern wurde diese von seinem Onkel vs. arrangiert. Der BF hat mit seiner Frau einen Sohn und eine Tochter ( XXXX ca. 9 Jahre und XXXX ca. 8 Jahre), welche beide in der Türkei geboren wurden. Seine Frau lebt mit den Kindern in Istanbul.

Die Eltern und die Geschwister des BF leben mit Ausnahme einer Schwester, die verheiratet in der Türkei lebt, alle in Libyen.

Der BF hat von 2004 bis 2006 seinen Militärdienst abgeleistet. Er hat dort als einfacher Soldat seinen Dienst geleistet und verfügt über keine speziellen militärischen Fähigkeiten oder Kenntnisse.

Der BF lebt in Österreich als subsidiär Schutzberechtigter und ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

Der BF verließ im Jahr 2012 sein Heimatland aufgrund der Bürgerkriegssituation in Syrien. Er hat in seiner Herkunftsregion Damaskus durchgehend bis zu seiner Ausreise im Jahr 2012 nach Ägypten gelebt. Von 2014 bis 2022 hat der BF legal mit Aufenthaltsberechtigung (Kimlik) in die Türkei gelebt. Von dort ist er 2022 illegal und schlepperunterstützt weiter Richtung Österreich ausgereist. Die Kosten der Fluchtreise in der Höhe von USD 10.000,- wurden zu einem großen Teil von seiner Familie finanziert, die dafür ein Grundstück im Umland von Damaskus verkaufte.

Festgestellt wird, dass sich die Stadt Damaskus, die Hauptstadt Syriens, die Heimatstadt des BF, unter der Kontrolle der syrischen Regierung befindet.

Bei der Erstbefragung am 13.10.2023 gab der BF als Fluchtgrund an, dass er Syrien wegen des Krieges verlassen habe und er bei seiner Rückkehr Militärdienst leisten müsste.

Dasselbe gab der BF in seiner Einvernahme vor dem BFA am 07.09.2023 an. Er gab an, dass er zwar keinen Einberufungsbefehl erhalten habe, aber später erfahren habe, dass alle Männer in seinem Alter zum Reservedienst herangezogen würden. Aus diesem Grund würde auch ein Haftbefehl gegen ihn bestehen. Politisch tätig sei er jedoch niemals gewesen.

In der Beschwerde gab der BF erstmals an, eine Spezialausbildung in der Artilleriedivision erhalten zu haben und zudem in Damaskus von 2011 bis Oktober 2012 an Demonstrationen teilgenommen zu haben. In einer vorab getätigten Stellungnahme wurde zudem angegeben, dass der BF in Österreich an einer Demonstration gegen das syrische Regime teilgenommen habe.

Dem BF droht in seiner Herkunftsregion, der Stadt Damaskus keine asylrelevante Verfolgung seitens der syrischen Regierung.

Der BF wurde nicht in den Reservedienst der syrischen Armee einberufen, weder im Jahr 2012 noch zu einem späteren Zeitpunkt. Er war zu keinem Zeitpunkt in Syrien einem Rekrutierungsversuch ausgesetzt und wird nicht von der syrischen Regierung gesucht.

Er hat den verpflichtenden Militärdienst in Syrien von 2004 bis 2006 abgeleistet und wurde als einfacher Rekrut aus dem Militärdienst entlassen. Der BF erhielt keine militärische Spezialausbildung, erreichte keinen besonderen Dienstgrad und übte keinen Beruf aus, in dem er für einen Militäreinsatz relevante Qualifikationen erwarb. Er hat an keinen Kampfhandlungen oder Militäroperationen teilgenommen.

Er ist nach Ableistung seines Militärdienstes von 2006 - 2008 nicht noch einmal von der syrischen Armee einberufen worden und würde ihm auch bei einer Rückkehr nach Damaskus keine Einberufung drohen, da der bereits im 40. Lebensjahr stehende BF mangels spezieller militärischer Fähigkeiten nicht mehr für die Armee interessant ist.

Der BF war in Syrien nicht politisch aktiv und ist nicht Mitglied einer oppositionellen Gruppierung. Der BF ist auch nicht als Regimekritiker bei den syrischen Behörden bekannt und wird auch deswegen nicht von ihnen gesucht. Er gab zudem bei seinen Einvernahmen bei der Polizei und dem BFA niemals an, dass er oder seine Familienmitglieder politisch tätig gewesen wären. Die diesbezüglichen Ausführungen über seine Teilnahme an Demonstrationen 2011 bis 2012, sind nicht glaubhaft (vgl. 2.3.)

Überdies konnte nicht festgestellt werden, dass sein Name den syrischen Behörden auf andere Weise zugetragen wurde. Es gab in Syrien keinen Versuch ihn festzunehmen.

Der BF ist auch nicht aus sonstigen Gründen bedroht, von der syrischen Regierung als politischer Gegner angesehen zu werden. Die in Vorlage gebrachten Fotos und Angaben zur Teilnahme an einer regimekritischen Demonstration in Österreich im Zuge des Beschwerdeverfahrens sind nicht geeignet, darzulegen, dass der BF dadurch derart oppositionell in Erscheinung getretenen ist, als dass er deshalb ins Visier des syrischen Regimes geraten war oder würde.

Dem BF droht bei einer Rückkehr keine Verfolgung aufgrund der Tatsache, dass er in Österreich einen Asylantrag stellte und Rückkehrer ist.

Der BF wird weder aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung noch aus anderen Gründen in asylrelevanter Intensität verfolgt.

1.3. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

1.3.1. Aus dem ins Verfahren eingeführten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Syrien, Version 11, März 2024, (LIB) ergibt sich das Folgende:

3. Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Rechtliche Bestimmungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Die Dauer des Wehrdienstes beträgt 18 Monate bzw. 21 Monate für jene, die die fünfte Klasse der Grundschule nicht abgeschlossen haben (PAR 1.6.2011). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert.

Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 2.2.2024). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023). Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (ÖB Damaskus 12.2022). Einer vertraulichen Quelle des niederländischen Außenministeriums zufolge sollen Männer auch unabhängig ihres Gesundheitszustandes eingezogen und in der Verwaltung eingesetzt worden sein (NMFA 8.2023).

Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetz, darunter Fahnenflucht.

Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB Damaskus 12.2022).

Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 2.2.2024). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 2.2.2024; vgl. ICWA 24.5.2022). […]

Die Umsetzung

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten (STDOK 8.2017; vgl. DIS 7.2023).

Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).

Obwohl die offizielle Wehrdienstzeit etwa zwei Jahre beträgt, werden Wehrpflichtige in der Praxis auf unbestimmte Zeit eingezogen (NMFA 5.2022; vgl. AA 29.3.2022), wobei zuletzt von einer „Verkürzung“ des Wehrdienstes auf 7,5 Jahre berichtet wurde. Die tatsächliche Dauer richtet sich laut UNHCR Syrien jedoch nach Rang und Funktion der Betreffenden (ÖB Damaskus 12.2022). Personen, die aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse von großem Wert für die Armee und nur schwer zu ersetzen sind, können daher über Jahre hinweg im Militärdienst gehalten werden. Personen, deren Beruf oder Fachwissen in der Gesellschaft sehr gefragt ist, wie z.B. Ärzte, dürfen eher nach Ablauf der offiziellen Militärdienstzeit ausscheiden (NMFA 5.2022).

Seit März 2020 hat es in Syrien keine größeren militärischen Offensiven an den offiziellen Frontlinien mehr gegeben. Scharmützel, Granatenbeschuss und Luftangriffe gingen weiter, aber die Frontlinien waren im Grunde genommen eingefroren. Nach dem Ausbruch von COVID-19 und der Einstellung größerer Militäroperationen in Syrien Anfang 2020 verlangsamten sich Berichten zufolge die militärischen Rekrutierungsmaßnahmen der SAA. Die SAA berief jedoch regelmäßig neue Wehrpflichtige und Reservisten ein. Im Oktober 2021 wurde ein Rundschreiben herausgegeben, in dem die Einberufung von männlichen Syrern im wehrpflichtigen Alter angekündigt wurde. Auch in den wiedereroberten Gebieten müssen Männer im wehrpflichtigen Alter den Militärdienst ableisten (EUAA 9.2022). Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt aufgrund von Entlassungen langgedienter Wehrpflichtiger und zahlreicher Verluste durch Kampfhandlungen unverändert hoch (AA 2.2.2024).

Rekrutierungspraxis

Es gibt, dem Auswärtigen Amt zufolge, zahlreiche glaubhafte Berichte, laut denen wehrpflichtige Männer, die auf den Einberufungsbescheid nicht reagieren, von Mitarbeitern der Geheimdienste abgeholt und zwangsrekrutiert werden (AA 2.2.2024). Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert (AA 2.2.2024; vgl. NMFA 5.2022), wobei es in den Gebieten unter Regierungskontrolle zahlreiche Checkpoints gibt (NMFA 5.2022; vgl. NLM 29.11.2022). Im September 2022 wurde beispielsweise von der Errichtung eines mobilen Checkpoints im Gouvernement Dara’a berichtet, an dem mehrere Wehrpflichtige festgenommen wurden (SO 12.9.2022). In Homs führte die Militärpolizei gemäß einem Bericht aus dem Jahr 2020 stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 6.3.2020). Im Jänner 2023 wurde berichtet, dass Kontrollpunkte in Homs eine wichtige Einnahmequelle der Vierten Division seien (EB 17.1.2023). Glaubhaften Berichten zufolge gibt es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet (AA 2.2.2024).

Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Lokale Medien berichteten, dass die Sicherheitskräfte der Regierung während der Fußballweltmeisterschaft der Herren 2022 mehrere Cafés, Restaurants und öffentliche Plätze in Damaskus stürmten, wo sich Menschen versammelt hatten, um die Spiele zu sehen, und Dutzende junger Männer zur Zwangsrekrutierung festnahmen (USDOS 20.3.2023).

Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z. B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vgl. ICG 9.5.2022, EB 6.3.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden (DIS 5.2020). Hausdurchsuchungen finden dabei v.a. eher in urbanen Gebieten statt, wo die SAA stärkere Kontrolle hat, als in ruralen Gebieten (DIS 1.2024). Mehrere Quellen berichteten im Jahr 2023 wieder vermehrt, dass Wehr- und Reservedienstpflichtige aus ehemaligen Oppositionsgebieten von der syrischen Regierung zur Wehrpflicht herangezogen wurden, um mehr Kontrolle über diese Gebiete zu erlangen bzw. um potenzielle Oppositionskämpfer aus diesen Gebieten abzuziehen (NMFA 8.2023; vgl. DIS 7.2023). Eine Quelle des Danish Immigration Service geht davon aus, dass Hausdurchsuchungen oft weniger die Rekrutierung als vielmehr eine Erpressung zum Ziel haben (DIS 1.2024).

Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht (STDOK 8.2017). Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren (STDOK 8.2017; vgl. FIS 14.12.2018). Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020). Anfang April 2023 wurde beispielsweise von verstärkten Patrouillen der Regierungsstreitkräfte im Osten Dara’as berichtet, um Personen aufzugreifen, die zum Militär- und Reservedienst verpflichtet sind (ETANA 4.4.2023). Glaubhaften Berichten zufolge gab es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet (AA 4.12.2020).

Während manche Quellen berichten, dass sich die syrische Regierung bei der Rekrutierung auf Alawiten und regierungstreue Gebiete konzentrierte (EASO 4.2021), berichten andere, dass die syrische Regierung Alawiten und Christen nun weniger stark in Anspruch nimmt (ÖB Damaskus 12.2022; vgl. EASO 4.2021). Da die Zusammensetzung der syrisch-arabischen Armee ein Spiegelbild der syrischen Bevölkerung ist, sind ihre Wehrpflichtigen mehrheitlich sunnitische Araber, die vom Regime laut einer Quelle als „Kanonenfutter“ im Krieg eingesetzt wurden. Die sunnitisch-arabischen Soldaten waren (ebenso wie die alawitischen Soldaten und andere) gezwungen, den größeren Teil der revoltierenden sunnitisch-arabischen Bevölkerung zu unterdrücken. Der Krieg forderte unter den alawitischen Soldaten bezüglich der Anzahl der Todesopfer einen hohen Tribut, wobei die Eliteeinheiten der SAA, die Nachrichtendienste und die Shabiha-Milizen stark alawitisch dominiert waren (Al-Majalla 15.3.2023).

Im Rahmen sog. lokaler „Versöhnungsabkommen“ in den vom Regime zurückeroberten Gebieten sowie im Kontext lokaler Rückkehrinitiativen aus Libanon hat das Regime Männern im wehrpflichtigen Alter eine sechsmonatige Schonfrist zugesichert. Diese wurde jedoch in zahlreichen Fällen, auch nach der Einnahme des Südwestens, nicht eingehalten. Sowohl in Ost-Ghouta als auch in den südlichen Gouvernements Dara‘a und Quneitra soll der Militärgeheimdienst dem Violations Documentation Center zufolge zahlreiche Razzien zur Verhaftung und zum anschließenden Einzug ins Militär durchgeführt haben (AA 2.2.2024). […]

Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z. B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung) (STDOK 8.2017). Reservisten können laut Gesetz bis zum Alter von 42 Jahren mehrfach zum Militärdienst eingezogen werden. Die syrischen Behörden ziehen weiterhin Reservisten ein (NMFA 5.2022; vgl. NMFA 8.2023; vgl. DIS 1.2024). Die Behörden berufen vornehmlich Männer bis 27 ein, während ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können (ÖB Damaskus 12.2022). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen Über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020). V.a. weil die SAA derzeit nicht mehr so viele Männer braucht, werden über 42-Jährige derzeit eher selten einberufen. Das syrische Regime verlässt sich vor allem auf Milizen, in deren Dienste sich 42-Jährige einschreiben lassen können (DIS 1.2024).

Das niederländische Außenministerium berichtet unter Berufung auf vertrauliche Quellen, dass Männer über 42 Jahre, die ihren Wehrdienst abgeleistet hatten, Gefahr laufen, verhaftet zu werden, um sie zum Reservedienst zu bewegen. Männer, auch solche über 42 Jahren, werden vor allem in Gebieten, die zuvor eine Zeit lang nicht unter der Kontrolle der Behörden standen, als Reservisten eingezogen. Dies soll eine Form der Vergeltung oder Bestrafung sein. Personen, die als Reservisten gesucht werden, versuchen, sich dem Militärdienst durch Bestechung zu entziehen oder falsche Bescheinigungen zu erhalten, gemäß derer sie bei inoffiziellen Streitkräften, wie etwa regierungsfreundlichen Milizen, dienen (NMFA 5.2022). Manchen Quellen des Danish Immigration Service zufolge werden Reservisten unabhängig ihrer Qualifikationen einberufen, andere Quellen wiederum geben an, dass das syrische Regime Reservisten je nach ihrer militärischen Spezialisierung einzieht. Eine Quelle glaubt, dass Reservisten oft qualifikationsunabhängig eingezogen werden, aber immer öfter auf die Spezialisierung geachtet wird.

Eine besondere Stellung bei der Einberufung zum Reservedienst nehmen Angestellte des öffentlichen Sektors ein. Manche Quellen sprechen davon, dass diese seltener einberufen werden, andere Quellen geben an, dass diese eher entsprechend ihrer Tätigkeiten (z.B. im medizinischen Bereich) im Rahmen ihres Reservedienstes an Orte geschickt werden, wo ihre Funktion gerade dringender gebraucht wird (DIS 1.2024).

Rekrutierungsbedarf und partielle Demobilisierung

Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen (DIS 10.2019). Mit der COVID-19-Pandemie und der Beendigung umfangreicher Militäroperationen im Nordwesten Syriens im Jahr 2020 haben sich die groß angelegten militärischen Rekrutierungskampagnen der syrischen Regierung in den von ihr kontrollierten Gebieten jedoch verlangsamt (COAR 28.1.2021), und im Jahr 2021 hat die syrische Regierung damit begonnen, Soldaten mit entsprechender Dienstzeit abrüsten zu lassen. Nichtsdestotrotz wird die syrische Armee auch weiterhin an der Wehrpflicht festhalten, nicht nur zur Aufrechterhaltung des laufenden Dienstbetriebs, sondern auch, um eingeschränkt militärisch operativ sein zu können. Ein neuerliches „Hochfahren“ dieses Systems scheint derzeit [Anm.: Stand 16.9.2022] nicht wahrscheinlich, kann aber vom Regime bei Notwendigkeit jederzeit wieder umgesetzt werden (BMLV 12.10.2022).

Als die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren (DIS 5.2020). Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International CrisisGroup schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020). Der syrische Präsident erließ einen ab Oktober 2022 geltenden Verwaltungserlass mit Blick auf die unteren Ebenen der Militärhierarchie, der die Beibehaltung und Einberufung von bestimmten Offizieren und Reserveoffiziersanwärtern, die für den obligatorischen Militärdienst gemeldet sind, beendete. Bestimmte Offiziere und Offiziersanwärter, die in der Wehrpflicht stehen, sind zu demobilisieren, und bestimmte Unteroffiziere und Reservisten dürfen nicht mehr weiterbeschäftigt oder erneut einberufen werden (TIMEP 17.10.2022; vgl. SANA 27.8.2022). Ziel dieser Beschlüsse ist es, Hochschulabsolventen wie Ärzte und Ingenieure dazu zu bewegen, im Land zu bleiben (TIMEP 17.10.2022). Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab (DIS 5.2020, vgl. NMFA 5.2022). Ein weiterer Beschluss wurde im Dezember 2023 erlassen, wonach Reserveoffiziere, die mit 31.01.2024 ein Jahr oder mehr aktiv ihren Wehrdienst abgeleistet haben, ab 1.2.2024 nicht mehr einberufen werden. Dieser Beschluss beendet ebenfalls die Einberufung von Unteroffizieren und Reservisten, die mit 31.1.2024 sechs Jahre oder mehr aktiven Wehrdienst geleistet haben (SANA 4.12.2023).

Die Rekruten werden während des Wehrdienstes im Allgemeinen nicht gut behandelt. Der Umgang mit ihnen ist harsch. Nur wer gute Verbindungen zu höheren Offizieren oder Militärbehörden hat oder wer seine Vorgesetzten besticht, kann mit einer besseren Behandlung rechnen. Außerdem ist die Bezahlung sehr niedrig und oft ist es den Rekruten während des Wehrdienstes nicht gestattet, ihre Familien zu sehen (DIS 1.2024).

Einsatz von Rekruten im Kampf

Grundsätzlich vermeidet es die syrische Armee, neu ausgebildete Rekruten zu Kampfeinsätzen heranzuziehen, jedoch können diese aufgrund der asymmetrischen Art der Kriegsführung mit seinen Hinterhalten und Anschlägen trotzdem in Kampfhandlungen verwickelt werden (BMLV 12.10.2022), wie in der Badia-Wüste, wo es noch zu Konfrontationen mit dem IS kommt (DIS 7.2023). Alle Eingezogenen können laut EUAA (European Union Agency for Asylum) unter Berufung auf einen Herkunftsländerbericht vom April 2021 potenziell an die Front abkommandiert werden. (EUAA 2.2023; vgl. DIS 7.2023). Ihr Einsatz hängt laut EUAA vom Bedarf der Armee für Truppen sowie von den individuellen Qualifikationen der Eingezogenen und ihrem Hintergrund oder ihrer Kampferfahrung ab (EUAA 2.2023). Andere Quellen hingegen geben an, dass die militärische Qualifikation oder die Kampferfahrung keine Rolle spielt, beim Einsatz von Wehrpflichtigen an der Front (DIS 7.2023). Eingezogene Männer aus „versöhnten“ Gebieten werden disproportional oft kurz nach ihrer Einberufung mit minimaler Kampfausbildung als Bestrafung für ihre Illoyalität gegenüber dem Regime an die Front geschickt. Reservisten werden in (vergleichsweise) kleinerer Zahl an die Front geschickt (EUAA 2.2023; vgl. NMFA 8.2023). [Anm.: In welcher Relation die Zahl der Reservisten zu den Wehrpflichtigen steht, geht aus den Berichten nicht hervor.]

Befreiungsgebühr für Syrer mit Wohnsitz im Ausland

[…] Ein Freikauf vom Reservedienst ist gemäß Quellen des niederländischen Außenministeriums nicht möglich, wobei mit Stand August 2023 aufgrund der aktuellen geringen Intensität der Kampfhandlungen es nur selten zur Einberufung von Reservisten gekommen ist (NMFA 8.2023). Das Italian Institute for International Political Studies (ISPI) hingegen schreibt, dass seit der Änderung des Wehrpflichtgesetzes im November 2020 auch Reservisten sich durch eine Gebühr von 5.000 USD nach einem Auslandsaufenthalt von mindesten einem Jahr freikaufen können (ISPI 5.6.2023). Auch die staatliche Nachrichtenagentur SANA schrieb im Dezember 2023 vom Legislaturdekret Nr. 37, wonach Reservisten, die das 40. Lebensjahr erreicht haben und noch nicht im Dienst waren, sich durch eine Befreiungsgebühr von 4.800 USD vom Reservedienst freikaufen können (SANA 1.12.2023; vgl. EB 3.12.2023). Das Auswärtige Amt schreibt, dass es zahlreiche Berichte, darüber gäbe, dass auch Reservisten zum Militärdienst eingezogen werden (AA 2.2.2024).

Rückkehr

Die Regierung erlaubt SyrerInnen, die im Ausland leben, ihre abgelaufenen Reisepässe an den Konsulaten zu erneuern. Viele SyrerInnen, die aus Syrien geflohen sind, zögern jedoch, die Konsulate zu betreten, aus Angst, dass dies zu Repressalien gegen Familienangehörige in Syrien führen könnte (USDOS 20.3.2023).[…]

Die Behandlung von Einreisenden nach Syrien ist stark vom Einzelfall abhängig, über den genauen Kenntnisstand der syrischen Behörden gibt es keine gesicherten Kenntnisse. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die syrischen Nachrichtendienste über allfällige exilpolitische Tätigkeiten informiert sind, ebenso ist von vorhandenen 'black lists' betreffend Regimegegner immer wieder die Rede. Je nach Sachlage kann es aber (z.B. aufgrund von Desertion oder Wehrdienstverweigerung oder früherer politischer Tätigkeit) durchaus zu Schwierigkeiten mit den syrischen Behörden kommen. Seit 1.8.2020 wurde – bedingt durch den Devisenmangel – bei Wiedereinreise ein Zwangsumtausch von 100 USD pro Person zu dem von der Regierung festgelegten Wechselkurs eingeführt. Damit einher geht ein Kursverlust gegenüber Umtausch zum Marktkurs von mittlerweile bereits mehr als 50 % (ÖB Damaskus 12.2022).

Auch länger zurückliegende Gesetzesverletzungen im Heimatland (z. B. illegale Ausreise) können von den syrischen Behörden bei einer Rückkehr verfolgt werden. In diesem Zusammenhang kommt es immer wieder zu Verhaftungen. Z.B. müssen deutsche männliche Staatsangehörige, die nach syrischer Rechtsauffassung auch die syrische Staatsangehörigkeit besitzen, sowie syrische Staatsangehörige mit Aufenthaltstitel in Deutschland auch bei nur besuchsweiser Einreise damit rechnen, zum Militärdienst eingezogen oder zur Zahlung eines Geldbetrages zur Freistellung vom Militärdienst gezwungen zu werden. Eine vorab eingeholte Reisegenehmigung der syrischen Botschaft stellt keinen verlässlichen Schutz vor Zwangsmaßnahmen seitens des syrischen Regimes dar. Auch aus Landesteilen, die aktuell nicht unter der Kontrolle des syrischen Regimes stehen, sind Fälle zwangsweiser Rekrutierung bekannt (AA 16.5.2023). Die Dokumentation von Einzelfällen zeigt immer wieder, dass es insbesondere auch bei aus dem Ausland Zurückkehrenden trotz positiver Sicherheitsüberprüfung eines Dienstes jederzeit zur Verhaftung durch einen anderen Dienst kommen kann. In nur wenigen Fällen werden Betroffene in reguläre Haftanstalten oder an die Justiz überstellt (AA 29.3.2023).

Es ist nicht Standard, dass SyrerInnen bei der legalen Ein- und Ausreise nach ihren Login-Daten für ihre Konten für soziale Medien gefragt werden, aber für Einzelfälle kann das nicht ausgeschlossen werden, z. B. wenn jemand - aus welchem Grund auch immer - auf dem Flughafen das Interesse der Behörden bei der Ausreise - erweckt (NMFA 5.2022) (Anm.: bzgl. Abfrage derartiger Daten bei Verhören siehe Kapitel Allgemeine Menschenrechtslage).

Durch das Fehlen klarer Informationen über das Prozedere für eine Rückkehr, durch das Zurückhalten der Gründe für die Ablehnung einer Rückkehr, bzw. durch das Fehlen einer Einspruchsmöglichkeit enthält die syrische Regierung ihren BürgerInnen im Ausland das Recht auf Einreise in ihr eigenes Land vor (UNCOI 7.2.2023).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit und Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf den diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF und seinen vorgelegten Dokumenten, insbesondere dem syrischen Personenregisterauszug und dem Pass des BF.

Das Datum der Antragstellung und die Ausführungen zum Verfahrensverlauf ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zur persönlichen und familiären Situation und zum Herkunfts- bzw. Wohnort des BF in Syrien ergeben sich aus seinen im Wesentlichen gleichbleibenden und glaubhaften Angaben im Rahmen des Verfahrens vor dem BFA bzw. im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Dass der BF von 2004 bis 2006 Militärdienst geleistet hat und als Rekrut entlassen wurde, fußt auf seine Angaben vor dem Bundesamt und stimmt mit den diesbezüglichen Daten seines Wehrdienstbuches überein. Dass der BF über keine speziellen militärischen Fähigkeiten oder Kenntnisse verfügt, basiert auf folgenden Erwägungen: Zwar hat der BF bereits vor dem Bundesamt angegeben, in einer Spezialeinheit seinen Militärdienst abgeleistet zu haben, gab jedoch zu seiner Funktion bzw Verwendung an, als einfacher Soldat abgerüstet zu sein und dort Wachdienst und Sport gemacht zu haben (AS 93). In der Beschwerde wurde sodann vorgebracht, dass der BF eine Spezialausbildung in der Artilleriedivision absolviert habe. Dass der BF in einer derartigen Einheit seinen Militärdienst versehen hat, ist glaubhaft, weil er Angaben über die dort verwendeten Waffen machen konnte. Allerdings sind die vom BF in der Verhandlung vor dem BVwG getätigten Angaben über jene Waffen, an denen er ausgebildet wurde, nicht so, dass es glaubhaft wäre, dass der BF dort eine hervorgehobene Funktion innehatte oder über besondere militärischen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen würden. So blieben die Angaben, an welcher Waffe der BF ausgebildet wurde, oberflächlich (vgl. „Kanone“ Verhandlungsschrift Seite 11) und waren teils widersprüchlich (vgl. „Panzerabwehr“, „Granatwerfer“, „Raketenwerfer“ Verhandlungsschrift Seite 11). Aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass der BF in einer derartigen Einheit zwar Dienst versehen hat und ihm daher diesbezügliche Begriffe bekannt sind, nicht jedoch, dass er selbst über militärisches Spezialwissen verfügt. Die Erklärung des BF, dass er vieles vergessen habe, überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, ebenso nicht seine Erklärung, dass er vor dem BFA seine Aufgaben nicht im Detail erzählt habe. Auch das vom BF vor dem Verwaltungsgericht erwähnte Training an der Kalaschnikow wäre nicht geeignet, ihm besondere militärische Fähigkeiten zu vermitteln.

Dass der BF in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das österreichische Strafregister.

Die Feststellung zum subsidiären Schutz ergibt sich aus dem gegenständlichen Bescheid.

2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen des BF:

Dass der BF bei einer Rückkehr nach Syrien mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit in die syrische Armee als Reservist eingezogen wird, war nicht als glaubhaft anzusehen. Denn der BF hat durchgehend eingeräumt, dass er zum Zeitpunkt, als er Syrien legal verlassen hat, keinen Einberufungsbefehl erhalten hatte. Seine weitwendigen Ausführungen, warum es ihm nicht gelungen sei, eine Bestätigung über seine Angabe, dass er dennoch gesucht werde, vorzulegen, waren nicht plausibel und ebenso wenig geeignet, eine Bedrohung dazustellen, wie seine Ausführungen, dass er im Jahr 2016 einen Pass über die „Koalition“ verlängern und abstempeln ließ, weshalb er dadurch ins Blickfeld des syrischen Regimes geraten sei. Im Übrigen ist darauf zu verweisen, dass dem BF am 15.08.2019 von den syrischen Behörden ein Reisepass mit einer Gültigkeitsdauer von zweieinhalb Jahren ausgestellt wurde, was ebenso dagegen spricht, dass der BF vom syrischen Regime gesucht wird oder in dessen Blickfeld geraten ist.

Dass ihm bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien keine Einberufung drohen würde ergibt sich aus folgenden Erwägungen: Es ist unstrittig, dass der BF den verpflichtenden Militärdienst in Syrien von 2004 bis 2006 abgeleistet hat, in diesem Militärdienst hat er jedoch keine speziellen Kenntnisse oder Fähigkeiten erworben, wie oben unter Punkt 2.1. bereits beweiswürdigend ausgeführt. Daher konnte festgestellt werden, dass der BF, der nunmehr zwar noch wehrpflichtig, jedoch mittlerweile im 40. Lebensjahr ist, nicht mehr von Interesse für das syrische Militär ist, zumal sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass vornehmlich Männer bis 27 zum Reservedienst eingezogen werden.

Dem BF droht daher bei einer hypothetischen Rückkehr nach Syrien weder eine individuelle Verfolgung aufgrund einer Nichtbefolgung eines Einberufungsbefehls zum Reservedienst noch läuft er Gefahr seitens der Regierung zwangsweise rekrutiert zu werden:

In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 bis 42 Jahren. Der Reservedienst betrifft syrische Männer nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn sie sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheiden. Reservisten können bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Die Altersgrenze für den Reservedienst kann erhöht werden, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat. Der BF gibt selbst an, dass er seinen verpflichtenden Wehrdienst in der syrischen Armee von 2004 - 2006 abgeleistet hat. Dass er erneut einberufen worden sei, hat er mangels konkreter und plausibler Angaben dazu nicht glaubhaft machen können. Er hat weder glaubhaft gemacht, dass er eine hervorgehobene Funktion während seines Wehrdienstes hatte, noch findet sich aufgrund dieses Umstandes sonst ein Hinweis darauf, dass die syrische Armee demgemäß ein besonderes Interesse am mittlerweile im 40. Lebensjahr stehenden BF hätte. Mangels spezieller militärischer Fähigkeiten ist der BF daher nicht mehr für die Armee interessant.

Zum Vorbringen, wonach der BF verhaftet würde und als Oppositioneller gesehen würde, weil er sowohl in als auch außerhalb Syriens an Demonstrationen teilgenommen habe, ist zu bemerken, dass der BF noch vor dem Bundesamt jegliche politische Betätigung in Syrien verneint hat (vgl AS 92). Das erstmalige floskelhafte Vorbringen des BF in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass er in Syrien demonstriert habe, stellt sich als Steigerung seines Vorbringens dar und ist ebenso wenig wie seine einmalige Teilnahme an einer Demonstration in Wien, geeignet, wesentliche regimekritische Aktivitäten des BF glaubhaft zu machen werden. Die vorgelegten Fotos über eine Teilnahme des BF an einer Demonstration werden nicht verkannt, jedoch ist nicht davon auszugehen, dass die Teilnehmer dieser Demonstration von den syrischen Behörden identifiziert werden und aufgrund dessen ins Visier der syrischen Regierung geraten, zumal der BF auch keine weiteren Anhaltspunkte, die auf eine daraus resultierende konkrete Bedrohung schließen würden, anführt.

In Bezug auf den BF ergaben sich daher im Verfahren keine Hinweise darauf, dass er oppositionell tätig gewesen wäre, den Reservedienst tatsächlich verweigert hat, oder aus anderen Gründen ins Blickfeld der syrischen Behörden geraten wäre, weshalb ihm auch keine Verfolgung als ein von der Regierung eingestufter Oppositioneller droht.

2.3. Zu den Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat des BF:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Die Feststellung zur aktuellen Kontrolle über das Herkunftsgebiet des BF, die Stadt Damaskus, ergibt sich darüber hinaus aus:

Liveuamap - Live Universal Awareness Map: Map of Syrian Civil War, https://syria.liveuamap.com (Zugriff am 07.08.2024). Der BF hat in der mündlichen Verhandlung auch angegeben, dass das syrische Regime Kontrolle über sein Herkunftsgebiet hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Zu A)

3.1. Gemäß § 3 Abs 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen (zulässigen) Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie (Richtlinie 2011/95/EU) verweist). Gemäß § 3 Abs 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offensteht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0080, mwN).

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist im Übrigen, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht. Sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet (vgl VwGH 23.02.2016, Ra 2015/20/0113).

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in der konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen (VwGH 22.03.2017, Ra 2016/19/0350, mwN). Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 10.11.2015, Ra 2015/19/0185, mwN).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH liegt eine dem Staat zuzurechnende Verfolgungshandlung nicht nur dann vor, wenn diese unmittelbar von staatlichen Organen aus Gründen der Konvention gesetzt wird. Auch kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH vom 18.11.2015, Ra 2014/18/0162, mwN). Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/20/0030). Ob in diesem Zusammenhang eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, kommt darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichen Schutzes einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (VwGH 08.09.2009, 2008/23/0027, mwN). Eine mangelnde staatliche Schutzgewährung setzt nicht voraus, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht (VwGH 22.03.2000, 99/01/0256).

Um die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu erreichen, müssen konkrete, gegen den Asylwerber selbst gerichtete Verfolgungshandlungen glaubhaft gemacht werden (VwGH 10.03.1994, 94/19/0056). In diesem Zusammenhang hat der Betroffene die erhebliche Wahrscheinlichkeit einer aktuellen und ernsthaften Gefahr schlüssig darzustellen (EGMR 07.07.1987, Nr 12877/87, Kalema/Frankreich).

Nach der Rechtsprechung des VwGH ist der Begriff der „Glaubhaftmachung“ im AVG oder in den Verwaltungsvorschriften iSd ZPO zu verstehen. Es genügt daher diesfalls, wenn der [Beschwerdeführer] die Behörde von der (überwiegenden) Wahrscheinlichkeit des Vorliegens der zu bescheinigenden Tatsachen überzeugt. Diesen trifft die Obliegenheit zu einer erhöhten Mitwirkung, dh er hat zu diesem Zweck initiativ alles vorzubringen, was für seine Behauptung spricht (Hengstschläger/Leeb, AVG § 45 Rz 3 mit Judikaturhinweisen). Die „Glaubhaftmachung“ wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen seitens der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit der „hierzu geeigneten Beweismittel“, insbesondere des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 19.03.1997, 95/01/0466). Die Frage, ob eine Tatsache als glaubhaft gemacht zu betrachten ist, unterliegt der freien Beweiswürdigung der Behörde (VwGH 27.05.1998, 97/13/0051).

Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative nach § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Hinblick auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 erst dann zu prüfen, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber „in der Heimatregion seines Herkunftsstaats“ Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht (vgl. etwa VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192). Eine „innerstaatliche Fluchtalternative" (§ 3 Abs. 3 Z 1 AsylG und § 11 AsylG) ist im Beschwerdefall jedoch schon deshalb nicht zu bejahen, weil dies im Widerspruch zu der erfolgten Gewährung von subsidiärem Schutz stünde (vgl etwa VwGH 23.11.2016, Ra 2016/18/0054, mwN).

3.2. Zur Anwendung der rechtlichen Voraussetzungen auf den konkreten Fall

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung unter 2.2. dargestellt wurde, ist das Vorbringen des BF zu den behaupteten Fluchtgründen hinsichtlich Verfolgung aufgrund eines ihm drohenden Einzugs in den Reservedienst insgesamt als nicht glaubhaft zu werten.

Weder war das Vorbringen über allgemeine spätere Einberufung in den Reservedienst in späteren Jahren (nach 2012) geeignet, eine gezielt gegen den BF gerichtete Verfolgung glaubhaft zu machen, noch ist den Länderberichten zu entnehmen, dass der BF mit seinem Alter und seinem militärischen Rang mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit als Reservist einberufen werden würde.

Es hat sich aufgrund der Angaben auch keine derartige regimekritische Gesinnung des BF, feststellen lassen, welche ihn konkret ins Visier der Behörden bringen würde. Daran vermag auch die Teilnahme an einer regimekritischen Demonstration in Österreich nichts zu ändern.

Es ist dem BF insgesamt nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe hätte, glaubhaft zu machen. Vor dem Hintergrund der Feststellungen zur Lage in Syrien sowie des Vorbringens kann daher nicht erkannt werden, dass dem BF im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides ist daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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