Spruch
I405 2288356-1/9E
I405 2288358-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Sirma KAYA als Einzelrichterin über die Beschwerden von
1) XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch den Verein SUARA, Lerchenfelder Gürtel 45, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.02.2024, Zl. XXXX ,
2) XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, vertreten durch den Verein SUARA, Lerchenfelder Gürtel 45, 1160 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.02.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 14.06.2024, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Verfahren der Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1), und des Zweitbeschwerdeführers (im Folgenden: BF2) werden gemäß § 34 AsylG 2005 und § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
I. Verfahrensgang:
1. Die BF1 und der BF2 sind Geschwister. Sie sind nigerianische Staatsangehörige. Sie reisten nach eigenen Angaben irregulär in das Bundesgebiet ein und stellten am 16.02.2023 die gegenständlichen Anträge auf internationalen Schutz.
2. Der BF2 wurde am 18.03.2023 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Zu seinem Fluchtgrund gab er an, dass er Nigeria verlassen habe, da Personen seiner Volksgruppe im November und Dezember von Fulanis umgebracht worden seien. Aus Angst ebenfalls umgebracht zu werden, sei er mit seiner Schwester geflohen.
3. Die BF1 wurde aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes erst am 24.02.2023 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt. Sie gab als Fluchtgrund an, dass sie ihre Heimat wegen des Krieges zwischen den Fulanis und den Ibos verlassen habe. Es würden ständig Leute umgebracht. Im Falle einer Rückkehr in ihre Heimat befürchte sie umgebracht zu werden.
4. Am 15.11.2023 wurden die beiden BF einer niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde unterzogen.
Dabei brachte die BF1 vor, dass ihre Familie von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen ansässigen Ackerbauern und nomadisierenden Viehzüchtern, welche der Volksgruppe der Fulani angehören, in ihrem Heimatort XXXX betroffen gewesen wäre, indem Rinder auf ihre Plantagen getrieben worden wären.
Der BF2 führte ergänzend aus, dass es zu zwei Angriffen gekommen sei, und zwar am 6.12.2022 sowie am 22./23.12.2022. Am 25.12.2022 hätte er an einer Demonstration im Zentrum Ehe Amafus teilgenommen; hierzu legte der BF2 Fotos vor.
5. Mit angefochtenen Bescheiden des BFA vom 02.02.2024, Zln. XXXX (BF1) und XXXX (BF2) wurden die Anträge der BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchteil I.), die Anträge auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria gem. § 8 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen die BF gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für ihre freiwillige Ausreise betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).
6. Gegen diese Bescheide richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 06.03.2024. Hinsichtlich der Fluchtgründe der BF wurde zudem noch ausgeführt, dass BF2 an Kampfhandlungen gegen die Fulani-Viehhirten aktiv beteiligt gewesen sei. Aufgrund der Untätigkeit der nigerianischen Behörden hätten die Dorfbewohnen einen Protest veranstaltet, wobei beide BF an diesen teilgenommen hätten. Da die BF nach wie vor keinen Schutz vom nigerianischen Staat erhalten hätten und würden, hätten sie Nigeria verlassen. Schließlich werde auf das protokollierte Vorbringen der BF1 auf den Seiten 8 bzw. 9 der jeweiligen Bescheide verwiesen. Als Name des Hotels sei ein Tabuwort, welches insbesondere im Hinblick auf die Herkunft der BF merkwürdig erscheint, angeführt worden. Die Existenz eines Ortes bzw. Unternehmens mit dem in den Bescheiden protokollierten Namen erscheine in einem afrikanischen Land als sehr unplausibel. Es sei zwar möglich, dass es sich um einen Tippfehler handle, dennoch, da es in zwei von der Behörde erlassen Bescheiden, wohl nach sorgfältigen Überprüfung, aufscheine, sei aus anwaltlicher Vorsicht die Verfahrensbehauptung, dass es möglicherweise einen Befangenheitsgrund, welcher den Ausgang der jeweiligen Ermittlungsverfahren beeinflussen hätte können, seitens des verfahrensleitenden Organs gegenüber den BF gab. Das Verfahren wäre aus diesem Grund an die Behörde zurückzuverweisen, damit das Ermittlungsverfahren von einem unbefangenen Organ durchgeführt werden könne.
7. Mit Schreiben vom 14.03.2017, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 08.03.2024, legte das BFA dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden samt Verwaltungsakten vor. Hinsichtlich des Befangenheitsvorwurfes in der Beschwerde wurde ausgeführt, dass die Einvernahme der BF nicht von dem Referenten durchgeführt worden sei, welcher die angefochtenen Bescheide verfasst habe. Der einvernehmende Referent habe im Zuge der Anhörung der aus Anambra State stammenden BF die Angabe des Namens des Hotels zunächst phonetisch protokolliert. Aufgrund des auffälligen Namens sei eine einfache Google-Suche durchgeführt worden, mit dem Ergebnis, dass es tatsächlich ein Hotel mit dem genannten Namen gebe. Es sei dann der Begriff unter Anführungszeichen protokolliert und auch in den Bescheid genommen worden. Der Beschwerdevorlage wurden die entsprechenden Google-Suchergebnisse beigelegt, denen zufolge tatsächlich Hotels mit dem besagten Namen in Nigeria existieren.
8. Am 14.06.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Innsbruck, eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor der erkennenden Richterin in Anwesenheit der BF1 und des BF2, ihrem Rechtsvertreter sowie einer Dolmetscherin für Englisch statt. Ein:e Vertreter:in der belangten Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person der BF:
Der volljährige BF1 und die volljährige BF2 Geschwister. Sie sind Staatsangehörige Nigerias. Sie sind ledig und haben keine Kinder. Ihre Identität steht nicht fest.
Die BF gehören der christlichen Glaubensrichtung und der Volksgruppe Ibo an.
Die BF leiden weder an einer schweren Krankheit noch sind sie längerfristig pflege- oder rehabilationsbedürftig. Die BF 1 wurde nach ihrer Ankunft wegen „Ut. Myomatusos und Bronchopneumonie“ stationär behandelt. Des Weiteren wurde bei ihr im Jänner 2024 ein Eisenmangel diagnostiziert, wogegen sie medikamentös behandelt wurde. Derzeit nimmt sie keine Medikamente ein. Ansonsten sind die BF gesund und arbeitsfähig.
Die BF stammen aus dem Bundesstaat Enugu. Sie lebten vor ihrer Ausreise dort im elterlichen Haus. Die BF1 verfügt über eine zwölfjährige Schulbildung und Berufsausbildung in „Public Administration“ und Berufserfahrung im Marketing- und Reinigungsbereich. Der BF2 verfügt über zwölfjährige Schulbildung und Berufserfahrung als Reinigungskraft und Landwirtschaftsarbeiter. In Nigeria leben noch Onkeln und Tanten der BF. Ihre Geschwister leben überwiegend in Angola. Die Eltern der BF sind bereits verstorben.
Die BF befinden sich seit 16.02.2023 durchgehend im Bundesgebiet. Über ihre Beziehung untereinander hinaus verfügen die BF über keine weiteren familiären Bezüge in Österreich. Die BF führt mit einem österreichischen Staatsangehörigen seit Februar 2024 eine Beziehung und wohnt mit diesem im gemeinsamen Haushalt. Eine besonderes Beziehungs-, Pflege- oder Abhängigkeitsverhältnis besteht jedoch nicht.
Die BF1 hat einen Alphabetisierungskurs absolviert und besucht derzeit einen A1/1 Deutschkurs, über qualifizierte Deutschkenntnisse verfügt sie nicht und sie hat auch keine qualifizierte Deutschprüfung erfolgreich abgelegt. Sie hat gemeinnützige Tätigkeiten für die Stadt S. im Ausmaß von 240 Stunden, von 03. bis 28.07.2023 und 23.10. bis 21.11.2023 verrichtet. Die BF1 arbeitet seit 20.02.2024 als Reinigungskraft bei der BUAK und bringt für 20 Stunden pro Woche € 1.024,30 brutto ins Verdienen.
Der BF2 hat einen A1/1 Deutschkurs besucht und verfügt über ein Zertifikat des bfi zur Qualifizierung zur Gastronomiehilfskraft sowie eine Bestätigung über die Absolvierung eines Beschäftigungsprogramms bei der BBU. Eine qualifizierte Sprachprüfungen hat er auch nicht abgelegt und verfügt somit auch nicht über qualifizierte Deutschkenntnisse. Er hat ebenfalls gemeinnützige Tätigkeiten für die Stadt S. im Ausmaß von 120 Stunden, von 28. bis 15.09.2023 verrichtet. Des Weiteren ist er seit April dieses Jahres als Platzwart bei einem Tennisclub in Vollzeit beschäftigt. Er hat dort auch freundschaftliche Kontakte geschlossen. Durch seine Tätigkeit bringt er € 2.850,- brutto ins Verdienen. Er ist somit selbsterhaltungsfähig.
Die BF sind unbescholten. Sie beziehen keine Leistungen aus der Grundversorgung.
Hinweise auf eine außergewöhnliche Integration in sprachlicher, beruflicher, sozialer oder kultureller Hinsicht haben sich im Verfahren nicht ergeben. Es ist von keiner nachhaltigen Verfestigung auszugehen.
1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:
Die BF konnten nicht glaubhaft machen, dass sie ihre Heimat aufgrund von gewalttätigen Auseinandersetzung zwischen den Fulani-Viehhirten und Igbos verlassen haben. Zudem konnten die BF auch nicht glaubhaft machen, dass sie wegen ihrer behaupteten politischen Tätigkeit für die IPOB verfolgt wurden oder im Falle ihrer Rückkehr verfolgt werden würden.
Es kann insgesamt nicht festgestellt werden, dass die BF1 und der BF2 Nigeria aufgrund ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt wurden oder werden würden.
Die BF können gemeinsam nach Nigeria zurückkehren. Im Fall ihrer Rückkehr nach Nigeria werden sie mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner wie immer gearteten asylrelevanten Verfolgung oder sonstigen existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.
1.3. Zur allgemeinen Situation in Nigeria:
Die aktuelle Situation im Herkunftsstaat der BF stellt sich im Wesentlichen wie folgt dar:
Politische Lage
Letzte Änderung 2023-07-05 14:03
Nigeria ist eine Bundesrepublik mit einem präsidialen Regierungssystem (AA 30.5.2023; vgl. ÖB 9.2022). Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der Präsident der Republik (ÖB 9.2022; vgl. AA 24.11.2022), der für vier Jahre gewählt wird; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Der Staatspräsident führt den Vorsitz der von ihm ernannten Bundesregierung (Federal Executive Council) (ÖB 9.2022).
Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und das Federal Capital Territory (FCT, Abuja) (ÖB 9.2022; vgl. AA 24.11.2022) mit insgesamt 774 LGAs (Local Government Areas, dt. Bezirke) unterteilt (AA 22.2.2022). Jeder der 36 Bundesstaaten wird von einer Regierung unter der Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs (State Governor) geführt (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 9.2022). Polizei und Justiz werden vom Bund kontrolliert (AA 24.11.2022).
Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Elemente eines demokratischen Rechtsstaates, einschließlich eines Grundrechtskataloges, und orientiert sich insgesamt am US-Präsidialsystem. Einem starken Präsidenten und einem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. In der Verfassungswirklichkeit dominiert die Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und der ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 24.11.2022).
Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen und machtstrategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 24.11.2022). Gewählte Amtsträger setzen im Allgemeinen ihre Politik um. Ihre Fähigkeit, dies zu tun, wird jedoch durch Faktoren wie Korruption, parteipolitische Konflikte und schlechte Kontrolle über Gebiete, in denen militante Gruppen aktiv sind (FH 13.4.2023).
Am 29.5.2023 trat Staatspräsident Tinubu sein Amt nach seiner Wahl im Februar 2023 an (AA 30.5.2023). Bola Tinubu von der regierenden APC (All Progressives Congress) erlangte gemäß Wahlkommission 8,8 Millionen Stimmen, Atiku Abubakar von der größten Oppositionspartei PDP (Peoples Democratic Party) erhielt laut Wahlkommission 6,9 Millionen Stimmen, Peter Obi von der LP (Labour-Partei) 6,1 Millionen. Letzterer wurde vor allem von jüngeren Nigerianern gewählt (KAS 5.4.2023; vgl. FAZ 1.3.2023).
Die Partei des Gewinners der Präsidentschaftswahl, APC, konnte auch die Wahlen zur Nationalversammlung im Februar 2023 für sich entscheiden. Damit bleibt der APC in den beiden Kammern des Parlaments mit 55 von 109 Sitzen im Senat und 159 von 360 Sitzen im Repräsentantenhaus stärkste Kraft. Die größte Oppositionspartei PDP kam auf 107 Sitze im Repräsentantenhaus und 33 Sitze im Senat. Damit stellen die beiden größten Parteien des Landes 80 Prozent des Senats und knapp 74 Prozent des Repräsentantenhauses (KAS 5.4.2023). Die größte Oppositionspartei, die PDP, hatte von 1999-2015 durchgehend den Präsidenten gestellt. Die PDP stellt eine starke Opposition für die APC dar und bleibt v. a. im Süden und Südosten des Landes die treibende politische Kraft (AA 22.2.2022).
Drei Wochen nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden im März 2023 Gouverneurs- und Landesparlamentswahlen statt. Ergebnisse: APC 15, PDP 9, LP 1, NNPP 1 (Gouverneure) (KAS 5.4.2023; vgl. PT 21.3.2023). Damit werden die beiden Parteien voraussichtlich zumindest auf Landesebene ihre politische Dominanz auch gegenüber der auf nationaler Ebene erstarkten LP behalten (KAS 5.4.2023; vgl. PT 21.3.2023)
Ein neues Wahlgesetz "Electoral Act 2022" diente als rechtliche Grundlage der Wahlen 2023 (PT 27.9.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (30.5.2023): Nigeria: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/nigeria-node/innenpolitik/205844, Zugriff 29.6.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (22.2.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Januar 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2068657/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Januar_2022%29%2C_22.02.2022.pdf, Zugriff 3.10.2022
BBC - BBC News (26.2.2019): Nigeria Presidential Elections Results 2019, https://www.bbc.co.uk/news/resources/idt-f0b25208-4a1d-4068-a204-940cbe88d1d3, Zugriff 24.10.2022
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (1.3.2023): Umstrittener Wahlsieg für Bola Tinubu, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nigeria-bola-tinubu-gewinnt-praesidentenwahl-18713667.html, Zugriff 29.6.2023
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
KAS - Konrad Adenauer Stiftung (5.4.2023): Nigeria hat gewählt, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/nigeria-hat-gewaehlt, Zugriff 29.6.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf, Zugriff 11.10.2022
PT - Premium Times Nigeria (21.3.2023): 2023 General Elections - Gubernatorial State House of Assembly, https://www.premiumtimesng.com/2023-elections-gubernatorial, Zugriff 29.6.2023
PT - Premium Times Nigeria (27.9.2022): Key issues that will shape Nigeria’s 2023 elections – Report, https://www.premiumtimesng.com/news/headlines/556316-key-issues-that-will-shape-nigerias-2023-elections-report.html, Zugriff 25.10.2022
Sicherheitslage
Letzte Änderung 2023-07-05 14:49
Nigeria sieht sich mit einer beispiellosen Welle unterschiedlicher, sich überschneidender Sicherheitskrisen konfrontiert. Fast jeder Teil des Landes ist aktuell von Gewalt und Kriminalität betroffen. Zu den landesweiten und regionsunspezifischen Bedrohungen gehören: (Kindes)Entführungen, Raub, Klein- und Cyberkriminalität, Verbrechen, Terrorismus/Aufstände, Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen, Landstreitigkeiten, Ausbruch von Krankheiten, Proteste und Demonstrationen. In jüngster Zeit konnte eine Eskalation von einigen Konflikten beobachtet werden: So löste Nigeria mit April 2022 den Irak mit den meisten vom sog. Islamischen Staat (IS) beanspruchten Attentaten ab (ÖB 9.2022). Entführungen und interkommunale Gewalt kommen in allen Regionen Nigerias vor (UKFCDO 22.6.2023a).
Politische Kundgebungen, Proteste und gewalttätige Demonstrationen können im ganzen Land unangekündigt stattfinden (UKFCDO 22.6.2023a). Beim Jahrestag der #EndSARS Proteste (Demonstrationen, die nach einem Massaker am 20.10.2020, wobei zwölf Menschen zu Tode kamen, zur Auflösung der für Gewaltanwendung gegen und Tötung von Zivilisten bekannten Spezialeinheit SARS - Special Anti-Robbery Squad führten) am 22.10.2022 wurden erneute Demonstrationen nicht zum Ort des damaligen Massakers durchgelassen (RANE 27.10.2022). [Anm.: Die Einheit wurde nach dem Massaker nicht faktisch aufgelöst, sondern in SWAT (Special Weapons and Tactics Team) umbenannt (EASO 6.2021).]
Im Nordwesten des Landes ist organisierte Bandenkriminalität präsent, v. a. in den Bundesstaaten Zamfara, Katsina und Kaduna. Bei schweren Überfällen auf Dörfer werden dabei regelmäßig Zivilisten getötet, verschleppt und vertrieben (AA 24.11.2022; vgl. EASO 6.2021). Der Nordwesten Nigerias (Bundesstaaten: Kaduna, Kano, Jigawa, Kebbi, Sokoto, Zamfara) erlebt einen komplexen, multidimensionalen Konflikt, den verschiedene Banden und ethnische Milizen gegen die Regierung führen. Die Zahl an Todesopfern im Nordwesten übersteigt mittlerweile jene im Nordosten (Stand 2021) (ÖB 9.2022). Zudem haben sich die Aktivitäten der Islamisten von den nordöstlichen Staaten in die nordwestlichen Bundesstaaten ausgeweitet (EASO 6.2021).
Im Nordosten hat sich die Sicherheitslage nach zeitweiliger Verbesserung (2015-2017) seit 2018 weiter verschlechtert (AA 24.11.2022). Angriffe erfolgen vorwiegend durch Boko Haram sowie ISWAP [Islamischer Staat Westafrika Provinz] in den Bundesstaaten Borno, Yobe und Adamawa, aber es gab auch bedeutende Anschläge in Gombe, Kano, Kaduna, Plateau, Bauchi und Taraba (UKFCDO 22.6.2023b).
Der seit Jahrzehnten schwelende und immer wieder aufflammende Konflikt zwischen Hirten und Bauern im sog. „Middle Belt“ in Zentralnigeria um knapper werdende Ressourcen dauert weiter an (AA 24.11.2022; vgl. FH 13.4.2023). Beide Seiten machen sich Hassreden und Gewaltverbrechen schuldig (AA 24.11.2022). Standen zu Beginn vor allem die Bundesstaaten Kaduna und Plateau im Zentrum der Auseinandersetzungen, haben sich diese südlich nach Nasarawa, Benue, Taraba und Adamawa ausgeweitet (AA 24.11.2022; vgl. EASO 6.2021). Bei Zusammenstößen um begrenzte Ressourcen wurden bereits tausende Menschen getötet sowie Sachbeschädigungen, Brandschatzungen und Vergewaltigungen begangen (ÖB 9.2022).
Die Lage im Südosten des Landes („Biafra“) bleibt latent konfliktanfällig. In Nigeria selbst haben die Auseinandersetzungen zwischen Regierung und der seit 2017 als „terroristische Vereinigung“ verbotenen IPOB (Indigenous People of Biafra) zugenommen (AA 24.11.2022). In der letzten Zeit hat es dort eine Anzahl von Angriffen gegeben (UKFCDO 22.6.2023c). Im Niger-Delta (Zentrum der Erdöl- und Erdgasindustrie) klagt die dortige Bevölkerung über massive, auch durch internationale Ölförderkonzerne verursachte, Umweltdegradation, jahrzehntelange Benachteiligung, kaum vorhandene Infrastruktur oder Bildungseinrichtungen und Korruption (AA 24.11.2022).
Die Kriminalitätsrate in Nigeria ist sehr hoch, die allgemeine Sicherheitslage hat sich in den vergangenen Jahren laufend verschlechtert. In allen Regionen können unvorhersehbare lokale Konflikte aufbrechen. Ursachen und Anlässe der Konflikte sind meist politischer, wirtschaftlicher, religiöser, gesellschaftlicher oder ethnischer Art. Insbesondere die Bundesstaaten Zamfara, das westliche Taraba und das östliche Nasarawa, das nördliche Sokoto und die Bundesstaaten Plateau, Kaduna, Benue, Niger und Kebbi sind derzeit von bewaffneten Auseinandersetzungen bzw. inner-ethnischen Konflikten zwischen nomadisierenden Viehzüchtern und sesshaften Farmern sowie organisierten kriminellen Banden betroffen. In den südöstlichen und südlichen Bundesstaaten Imo, Rivers, Anambra, Enugu, Ebonyi und Akwa-Ibom kommt es derzeit gehäuft zu bewaffneten Angriffen auf Institutionen staatlicher Sicherheitskräfte. Die nigerianische Polizei hat nach einem erheblichen Anstieg von Sicherheitsvorfällen am 19.5.2021 die "Operation Restore Peace" in diesen Bundesstaaten begonnen. Dies kann lokal zu einer höheren polizeilichen Präsenz führen. In den nordöstlichen Landesteilen werden fortlaufend terroristische Gewaltakte, wie Angriffe und Sprengstoffanschläge von militanten Gruppen auf Sicherheitskräfte, Märkte, Schulen, Kirchen und Moscheen verübt. Auch Angriffe auf dort tätige humanitäre Hilfsorganisationen waren zu verzeichnen. In den nördlichen bzw. nordwestlichen Bundesstaaten, insbesondere im Grenzgebiet zu Niger, kommt es verstärkt zu Entführungen und schweren Gewaltakten, deren Urheberschaft nicht eindeutig ist, die aber unter Umständen ebenfalls terroristischen Gruppen zuzuschreiben sind. Demonstrationen und Proteste sind insbesondere in Abuja und Lagos, aber auch anderen großen Städten möglich und können zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen (AA 2.6.2023).
Das Risiko terroristischer Angriffe hat sich durch im Jahr 2022 erfolgte Attacken des ISWAP im Federal Capital Territory (FCT) erhöht (UKFCDO 22.6.2023b).
In der Zeitspanne Mai 2022 bis Mai 2023 stechen folgende nigerianische Bundesstaaten mit einer hohen Anzahl an Toten durch Gewaltakte besonders hervor: Borno (2.139), Zamfara (851), Kaduna (671), Niger (625). Folgende Bundesstaaten stechen mit einer niedrigen Zahl hervor: Ekiti (8), Jigawa (8), Gombe (11) (CFR 6.2023). Intensive Unsicherheit und Gewalt haben seit 2018 in Nigeria Bestand bzw. haben diese zugenommen (EASO 6.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (2.6.2023): Nigeria: Reise- und Sicherheitshinweise (Teilreisewarnung), https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788#content_5, 29.6.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
CFR - Council on Foreign Relations (6.2023): Nigeria Security Tracker, https://www.cfr.org/nigeria/nigeria-security-tracker/p29483, Zugriff 29.6.2023
EASO - European Asylum Support Office (6.2021): Nigeria - Security Situation Version 1.1, https://www.ecoi.net/en/file/local/2053722/2021_06_EASO_COI_Report_Nigeria_Security_situation.pdf, Zugriff 3.10.2022
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf, Zugriff 11.10.2022
RANE Worldview (27.10.2022): Two Years After the 'Lekki Massacre,' Police Brutality Still Looms Large Over Nigerian Elections, kostenpflichtiger Thinktank, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf, https://worldview.stratfor.com/article/two-years-after-lekki-massacre-police-brutality-still-looms-large-over-nigerian-elections?id=743c2bc617 e=43cabd063c uuid=6937d4b7-893f-49da-915f-228fcd1e0261 mc_cid=04da2dd08c mc_eid=43cabd063c,Zugriff 10.11.2022
UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth Development Office [Großbritannien] (22.6.2023a): Foreign travel advice - Nigeria - Summary, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria, Zugriff 4.7.2023
UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth Development Office [Großbritannien] (22.6.2023b): Foreign travel advice - Nigeria - Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria/terrorism, Zugriff 4.7.2023
UKFCDO - United Kingdom Foreign, Commonwealth Development Office [Großbritannien] (22.6.2023c): Foreign travel advice - Nigeria - Safety and Security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/nigeria/safety-and-security, Zugriff 4.7.2023
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2023-07-05 15:10
Die 1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 9.2022). Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen (AA 24.11.2022). Seit Amtsantritt der Zivilregierung im Jahr 1999 hat sich die Menschenrechtssituation zwar verbessert (Freilassung politischer Gefangener, relative Presse- und Meinungsfreiheit, nur vereinzelte Vollstreckung der Todesstrafe) (ÖB 9.2022), doch bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen in vielen Bereichen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 24.11.2022) und viele Probleme bleiben ungelöst, wie etwa Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, die Scharia-Rechtspraxis, Entführungen und Geiselnahmen sowie das Problem des Frauen- und Kinderhandels. Zudem ist der Schutz von Leib und Leben der Bürger gegen Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht keineswegs verlässlich gesichert und besteht weitgehend Straflosigkeit bei Verstößen der Sicherheitskräfte und bei Verhaftungen von Angehörigen militanter Organisationen. Das hohe Maß an Korruption auch im Sicherheitsapparat und der Justiz wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (ÖB 9.2022).
Zu den schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gehören glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige und willkürliche Tötungen durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; gewaltsames Verschwindenlassen durch die Regierung, Terroristen und kriminelle Gruppen; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung und terroristische Gruppen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 13.4.2023, AI 28.3.2023); harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Misshandlungen in einem Konflikt, einschließlich Tötungen, Entführungen und Folter von Zivilisten (USDOS 20.3.2023); schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit, einschließlich Gewalt oder Drohungen gegen Journalisten und die Existenz von Verleumdungsgesetzen; Eingriffe in die friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 13.4.2023, AI 28.3.2023); schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich, aber nicht beschränkt auf häusliche und intime Partnergewalt, sexuelle Gewalt, Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung, weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung und andere schädliche Praktiken; Gewaltverbrechen, die sich gegen Angehörige nationaler/rassischer/ethnischer Minderheiten richten (USDOS 20.3.2023); das Vorhandensein oder die Anwendung von Gesetzen, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 13.4.2023); und das Vorhandensein der schlimmsten Formen von Kinderarbeit (USDOS 20.3.2023). Frauen sind allgegenwärtiger Diskriminierung ausgesetzt (FH 13.4.2023).
Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten, strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten führten zu Amputations- und Steinigungsurteilen. Die wenigen Steinigungsurteile wurden jedoch jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben; auch Amputationsstrafen wurden in den vergangenen Jahren nicht vollstreckt (USDOS 20.3.2023). Nach Kenntnis des Auswärtigen Amts wurden in den frühen 2000er-Jahren drei Amputationsurteile vollstreckt, weitere Vollstreckungen sind nicht bekannt geworden (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Die Dunkelziffer liegt ggf. höher, da Scharia-Gerichte Vollstreckungen nicht systematisch dokumentieren (AA 24.11.2022). Im Juni verurteilte ein Scharia-Gericht im Bundesstaat Bauchi einen Mann zu 30 Peitschenhieben, weil er einen elektrischen Ventilator aus einer Moschee gestohlen hatte (USDOS 20.3.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Nigeria 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089579.html, Zugriff 16.5.2023
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf, Zugriff 11.10.2022
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
Relevante Bevölkerungsgruppen
Frauen
Letzte Änderung 2023-07-05 15:29
Auch wenn die Verfassung Gleichberechtigung vorsieht (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 24.11.2022, STDOK 3.12.2021), kommt es zu beachtlicher ökonomischer Diskriminierung von Frauen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 13.4.2023). Seit der Pandemie haben sich prekäre Lebensverhältnisse und Obdachlosigkeit verschlimmert, und das führt Frauen in weitere ökonomische Abhängigkeiten und Perspektivlosigkeit (LEFÖ 2023). Des Weiteren besteht Benachteiligung im Bereich der Bildung (FH 13.4.2023). Der Zugang dazu ist für Frauen grundsätzlich schwierig, viele von ihnen arbeiten bereits im Kindesalter in der Landwirtschaft und lernen nie richtig lesen und schreiben (LEFÖ 2023). Frauen werden in der patriarchalen und teilweise polygamen Gesellschaft Nigerias in vielen Rechts- und Lebensbereichen benachteiligt (AA 24.11.2022; vgl. STDOK 3.12.2021). So sind Frauen in vielen Landesteilen aufgrund von Gewohnheitsrecht von der Erbfolge nach ihrem Ehemann ausgeschlossen (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Vor allem im Osten des Landes werden entwürdigende Witwenzeremonien praktiziert. Zum Beispiel werden Witwen gezwungen, sich den Kopf zu rasieren, oder sie werden unter Hausarrest gestellt und vergewaltigt. Darüber hinaus können Frauen im Norden zum Teil keiner beruflichen Betätigung nachgehen, weil sie die familiäre Wohnung ohne Begleitung eines männlichen Angehörigen nicht verlassen dürfen (AA 24.11.2022). Die geschlechtsspezifische Diskriminierung im Rechtssystem konnte allerdings reduziert werden, vor allem für die mittleren und höheren sozialen Klassen (BS 23.2.2022). Dennoch sind Frauen von Diskriminierungen in allen Formen betroffen (LEFÖ 2023). Frauen sind formal politisch gleichberechtigt, aber restriktive gesellschaftliche Normen schränken ihre Beteiligung in der Praxis ein (FH 13.4.2023).
Frauen ist es in Nigeria gesellschaftlich nicht zugedacht, Karriere zu machen. Männer gelten als Versorger der Familie (STDOK 3.12.2021). Nigeria hat laut Policy and Legal Advocacy Centre einen der geringsten Anteile an politischer Vertretung durch Frauen weltweit. Nach den Parlamentswahlen 2019 gewannen Frauen acht von 109 Sitzen im Senat und 18 von 360 Sitzen im Repräsentantenhaus. Seit der Demokratisierung 1999 gab es keine Staatspräsidentin; zudem gibt es derzeit keine Gouverneurin und nur zwei stellvertretende Gouverneurinnen (ÖB 9.2022).
Gebildete Frauen mit Sekundär- und Tertiärbildung haben Zugang zu Arbeitsplätzen in staatlichen und öffentlichen Institutionen sowie im expandierenden Privatsektor. Einige Frauen besetzen prominente Posten in Regierung und Justiz (STDOK 3.12.2021; vgl. BS 23.2.2022). Und Frauen nehmen zudem eine vitale Rolle in der informellen Wirtschaft, der Landwirtschaft und beim Verkauf von Nahrungsmitteln ein. Üblicherweise ist es für Frauen also – unter Berücksichtigung der allgemein hohen Arbeitslosigkeit – möglich, eine Arbeit zu finden. Die Art der Arbeit hängt von der Bildung ab (STDOK 3.12.2021).
Die COVID-19-Krise festigt die Geschlechterungleichheit am Arbeitsmarkt. Im Juli/August 2018 haben 82 Prozent der Männer und 72 Prozent der Frauen im Arbeitsalter gearbeitet, jedoch sind diese Anteile mit Stand September 2020 auf 78 Prozent bei Männern und 65 Prozent bei Frauen gesunken (STDOK 3.12.2021).
Rechtlich ist keine Vorschrift vorhanden, die gleiche Bezahlung für Frauen und Männer für gleichwertige Tätigkeiten festschreibt. Es gibt auch kein Diskriminierungsverbot bei der Einstellung von Angestellten. Im formalen Sektor bleiben Frauen unterrepräsentiert (DFAT 3.12.2020; vgl. USDOS 20.3.2023). Internationalen Beobachtern zufolge sind Frauen im Rahmen traditioneller und religiöser Praktiken mit erheblicher wirtschaftlicher Diskriminierung konfrontiert (DFAT 3.12.2020).
Im September 2022 ratifizierte Nigeria das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Gewalt und Belästigung (C190) und war damit das erste Land in Westafrika und das achte Land weltweit, das dies tat. Der Vertrag verpflichtet Nigeria, umfassende Schutzmaßnahmen zu ergreifen, um eine Arbeitswelt zu gewährleisten, die frei von Gewalt und Belästigung ist, einschließlich geschlechtsspezifischer Gewalt und sexueller Belästigung (HRW 12.1.2023).
Reproduktive Rechte sind weiter beinahe nicht-existent. Riskante Schwangerschaftsabbrüche sind für bis zu 30 Prozent der gesamten Müttersterblichkeit verantwortlich, nur wenige Frauen im gebärfähigen Alter haben Zugang zu Verhütungsmitteln und Menstruationsprodukten. Abtreibungen sind nach wie vor gesetzlich verboten (das Gesetz stammt aus der britischen Kolonialzeit), außer sie sind zum gesundheitlichen Schutz der Mutter erforderlich. Wer gegen das Gesetz verstößt, riskiert eine Gefängnisstrafe von sieben Jahren (die Frau) oder 14 Jahren (die/der Ausführende) (ÖB 9.2022).
Die am weitesten verbreiteten gewalttätigen Handlungen gegen Frauen in Nigeria beinhalten sexuelle Belästigung, physische Gewalt, schädliche traditionelle Praktiken, emotionale und psychische Gewalt sowie sozioökonomische Gewalt. Vielen Opfern mangelt es an einem strukturierten Sozialsystem sowie am Zugang zu Hotlines und Notunterkünften (STDOK 3.12.2021). Häusliche Gewalt durch Ehepartner, Vergewaltigungen, sexualisierte Übergriffe und Überfälle sind weit verbreitet und betreffen eine hohe Anzahl an Frauen und Mädchen (LEFÖ 2023).
Das Gesetz Violence Against Persons Prohibition Act (VAPP) befasst sich mit sexueller, körperlicher, psychologischer und sozioökonomischer Gewalt sowie mit schädlichen traditionellen Praktiken. Laut dem VAPP stellen häusliche Gewalt, gewaltsames Hinauswerfen des Ehepartners aus der gemeinsamen Wohnung, erzwungene finanzielle Abhängigkeit, verletzende Witwenzeremonien, Genitalverstümmelung (FGM/C) usw. Straftatbestände dar (VA 20.1.2021; vgl. STDOK 3.12.2021). Durchgesetzt wird das Gesetz von NAPTIP (National Agency for the Prohibition of Trafficking in Persons). Mit Stand Jänner 2021 sind seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2015 61 Fälle anhängig. Es kam in diesem Zeitraum seit Inkrafttreten bis Jänner 2021 zu fünf Verurteilungen auf Grundlage des VAPP (VA 20.1.2021; vgl. STDOK 3.12.2021). Da das einschlägige Bundesgesetz nicht in allen Bundesstaaten verabschiedet worden ist, gelten für die meisten Fälle von Vergewaltigung und sexueller Nötigung weiterhin die Gesetze der Bundesstaaten, die in der Regel geringere Strafen vorsehen. Während einige, meist südliche, Bundesstaaten Gesetze zum Verbot bestimmter Formen geschlechtsspezifischer Gewalt oder zum Schutz bestimmter Rechte erlassen haben, gibt es in den meisten Bundesstaaten keine solchen Gesetze (USDOS 20.3.2023).
Die nigerianische Polizei verfügt in allen Bundesstaaten über eigene Gender Desks zur Betreuung von Opfern geschlechtsspezifischer Gewalt. Vergehen können der FCIID Gender (Force Criminal Intelligence and Investigation Department Gender) der nigerianischen Polizei oder auch beim NHRC (National Human Rights Council) gemeldet werden (STDOK 3.12.2021).
Generell ist es für Frauen schwierig, rechtlichen Schutz in Anspruch zu nehmen oder Entschädigung zu erhalten. Verfahren dauern sehr lange und kosten viel Geld. Zudem wird auf Opfer Druck ausgeübt. Folglich werden viele Verfahren entweder gar nicht eröffnet, oder aber sie verlaufen im Sand. Sowohl NAPTIP als auch NGOs bieten Beratung und rechtliche Unterstützung im Bereich häusliche Gewalt, auch Anwälte werden zur Verfügung gestellt. In größeren Städten – etwa Abuja, Lagos oder Port Harcourt – sind Frauen besser sensibilisiert und eher bereit, einen gewalttätigen Ehemann zu verlassen (STDOK 3.12.2021).
Häusliche Gewalt bleibt weit verbreitet (STDOK 3.12.2021; vgl. USDOS 12.4.2022, ÖB 9.2022). Diese wird in gewissem Maße sozial akzeptiert (STDOK 3.12.2021; vgl. USDOS 12.4.2022). Die Züchtigung eines Kindes, einer Ehefrau, von Schülerinnen oder Hausangestellten ist in den Staaten im Norden Nigerias legal, solange sie nicht zu schweren Verletzungen führt (ÖB 9.2022). Im Falle von häuslicher Gewalt kann sich das Opfer an die Polizei wenden, allerdings schreitet letztere nicht in jedem Fall ein. Manchmal werden Opfer wieder zum Täter nach Hause geschickt. Nach anderen Informationen ist es durchaus sinnvoll, sich an die Polizei zu wenden. Ist das Opfer verletzt, kommt es mitunter zu Verhaftungen. Der Großteil der Opfer erstattet jedenfalls bei häuslicher Gewalt keine Anzeige (STDOK 3.12.2021).
Zahlreiche Mädchen oder Frauen sind sexueller Gewalt ausgesetzt. Vergewaltigungen bleiben weit verbreitet. Im Prinzip kann sich ein Vergewaltigungsopfer an die Polizei wenden. Die Praxis gestaltet sich allerdings schwierig. Viele Mädchen und Frauen wenden sich aufgrund mangelnden Vertrauens oder aus Angst vor einem mit der Vergewaltigung einhergehenden Stigma weder an die Polizei noch an Gerichte oder Gesundheitseinrichtungen (STDOK 3.12.2021).
Oft kommen Zwangsehen aufgrund von Armut zustande, manchmal kommt es auch zu lange im Vorfeld arrangierten Ehen. Zwangsehen sind im Norden verbreiteter als im Süden. Im Fall einer drohenden Zwangsehe können sich Betroffene an eine kirchliche Institution oder an traditionelle Führer wenden. Meist hilft aber nur die Flucht (STDOK 3.12.2021).
Das Bundesgesetz kriminalisiert seit 2015 weibliche Genitalverstümmelung (FGM) auf nationaler Ebene [Anm.:VAPP] (USDOS 12.4.2022; vgl. STDOK 3.12.2021). Allerdings haben nur wenige (nach einer Angabe: 13) Bundesstaaten tatsächlich Gesetze zum Verbot von FGM verabschiedet. Gesetze gegen FGM werden kaum vollzogen. Die bisher verhängten, geringfügigen Geldstrafen sind bei der Bekämpfung von FGM unzureichend. Im FCT kann eine Frau hinsichtlich FGM staatlichen Schutz finden; außerhalb davon gestaltet sich dies schwierig. Zwar gibt es Aufklärungskampagnen und eine nationale Strategie zur Bekämpfung von FGM, doch liegen kaum Berichte vor, wonach die Regierung gegen FGM vorgeht (STDOK 3.12.2021).
Regional bestehen große Unterschiede. Die Regionen Süd-Ost und Süd-West sind am stärksten betroffen (STDOK 3.12.2021; vgl. USDOS 12.4.2022). Insgesamt ist die Verbreitung von FGM jedenfalls rückläufig (STDOK 3.12.2021). Eine am 13.12.2023 veröffentlichte wissenschaftliche Analyse von Erhebungen zur FGM-Prävalenzrate in Nigeria ab 2008 kommt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass der Anteil der von FGM betroffenen nigerianischen Mädchen mit Ausnahme der Bundesstaaten Bauchi, Kaduna und Taraba stetig zurückgeht. Ein Rückgang sei insbesondere in städtischen Gebieten und im Süden des Landes festzustellen. Die individuelle Gefahr, FGM unterzogen zu werden, erhöht sich dagegen für Mädchen, deren Mütter arm, ohne Zugang zu Bildung und Medien sowie von Entscheidungen im Haushalt ausgeschlossen sind (BAMF 23.1.2023). Die geringste Verbreitung von FGM besteht bei wohlhabenden Frauen, gebildeten Frauen, jenen, die in städtischem Milieu leben oder deren Mutter selbst nicht beschnitten ist (STDOK 3.12.2021). Gemäß Nigeria Demographic and Health Survey 2018 [Anm. alle fünf Jahre veröffentlicht] waren 20 Prozent der Frauen im Alter von 15 bis 49 Jahren von FGM betroffen (USDOS 12.4.2022; vgl. BAMF 23.1.2023).
Sind beide Eltern gegen FGM, können sie die Beschneidung in der Regel verhindern. Allerdings kann es zu Stigmatisierung von und/oder Druck auf Eltern und Tochter kommen. Durch einen Umzug können Eltern die Beschneidung ihrer Tochter am ehesten verhindern. Möchte sich ein Mädchen selbst nicht beschneiden lassen, dann hilft in der Regel nur die Flucht. Es gibt allerdings eine große Zahl von Organisationen, die sich mit FGM befassen (STDOK 3.12.2021).
Menschenhandel, auch der inner-nigerianische, ist weit verbreitet. Für Opfer des Menschenhandels besteht zudem das Risiko eines „Re-Trafficking“. Gleichzeitig werden aus dem Ausland mittellos zurückkommende Nigerianerinnen als Verliererinnen stigmatisiert. Der Bundesstaat Edo ist Knotenpunkt und Quelle für den Menschenhandel, 80 bis 90 Prozent der im Rahmen von Menschenhandel nach Europa gekommenen Prostituierten stammen aus nur drei LGAs [Local Government Areas] in Edo (STDOK 3.12.2021).
Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung oder der Ausbeutung der Arbeitskraft ist verboten. Die vorgesehenen Strafen sind ausreichend streng. NAPTIP ist die zentrale Stelle für die Bekämpfung des Menschenhandels. Es sind jedoch auch viele andere Behörden eingebunden. In neun Bundesstaaten – darunter Edo – wurden Task Forces zur Bekämpfung des Menschenhandels eingerichtet. NAPTIP agiert u.a. auch als Ermittlungsbehörde. Bisher ist es NAPTIP in den vergangenen Jahren gelungen, dass mehr als 400 Täter des Menschenhandels verurteilt worden sind. Zudem hat die Behörde mehr als 17.000 Opfer gerettet. Dabei hat für Opfer die Strafverfolgung der Täter oft nur geringe Priorität. Die Opfer sind in erster Linie an ihrer eigenen (Re-)Integration interessiert (STDOK 3.12.2021). Die nigerianische Regierung [Anm.: via NAPTIP] hat im Zeitraum April 2021 bis März 2022 insgesamt 852 Untersuchungen bei Fällen von Menschenhandel eingeleitet, darunter 323 Fälle von Menschenhandel zum Zweck der sexuellen Ausbeutung, 168 zum Zweck der Ausbeutung von Arbeitskräften und 361 unspezifizierte Fälle (AA 24.11.2022). NAPTIP kann als – im nigerianischen Vergleich – durchaus effektive Institution angesehen werden und kooperiert mit mehreren EU-Mitgliedstaaten bei der Reintegration (ÖB 9.2022).
NAPTIP implementiert den Großteil der Regierungsprogramme zur Unterstützung von Überlebenden des Menschenhandels, darunter Familienzusammenführung, Unterkünfte, Beratung, Zugang zu Gesundheitsversorgung, Ausbildung und finanzielle Unterstützung. Des Weiteren gibt es ein starkes Netzwerk nationaler NGOs, die ähnliche Dienste anbieten (STDOK 3.12.2021).
NAPTIP betreibt für Opfer von Menschenhandel Frauenhäuser im ganzen Land. Mehr als 10.000 Personen wurde dort bereits geholfen. Im FCT ist NAPTIP für die Durchsetzung des VAPP zuständig, dort können auch Gewaltopfer in NAPTIP-Frauenhäusern untergebracht werden. Neben NAPTIP gibt es auch NGOs, welche über Frauenhäuser verfügen. Meist liegt auch dort der Fokus auf Opfern des Menschenhandels. Es gibt aber auch regionale sowie bundesweit operierende NGOs, die sich um alleinstehende Frauen, sowie Opfer von häuslicher Gewalt und FGM kümmern. Diese Organisationen betreiben Wohn- und Bildungsmöglichkeiten für Frauen. In den meisten Schutzeinrichtungen wird auch einfache medizinische Betreuung angeboten sowie psychosoziale Beratung. Frauenhäuser sind in der Regel temporäre Unterkünfte. In den Frauenhäusern wird – wenn nötig – versucht, die Familie ausfindig zu machen. Opfer kehren nach dem Leben in einem Frauenhaus üblicherweise zu ihren Familien zurück (STDOK 3.12.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (23.1.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw04-2023.html, Zugriff 24.1.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Nigeria Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_NGA.pdf, Zugriff 3.10.2022
DFAT - Department of Foreign Affairs and Trade [Australien] (3.12.2020): DFAT Country Information Report Nigeria, https://www.dfat.gov.au/sites/default/files/dfat-country-information-report-nigeria-3-december-2020.pdf, Zugriff 11.10.2022
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html, Zugriff 18.1.2023
LEFÖ - Interventionsstelle für Betroffene des Frauenhandels (2023): Monitoringbericht Projektreise Nigeria, übermittelt via E-Mail, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf, Zugriff 11.10.2022
STDOK - Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl [Österreich] (3.12.2021): Themenbericht - Zur sozioökonomischen Lage der und Gewalt gegen Frauen unter Hinzunahme der Informationen der FFM Nigeria 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066684/NIGR_THEM_Frauen_2021_12_03_KE.pdf, Zugriff 11.10.2022
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
VA - Vertrauensanwalt der ÖB Abuja (20.1.2021): Bericht des VA, übermittelt via e-mail am 21.1.2021, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung 2023-11-21 10:48
Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 10.2023, USDOS 20.3.2023, FH 13.4.2023). Allerdings wird sie bisweilen durch das Eingreifen der Sicherheitsorgane gegen politisch unliebsame Versammlungen (z. B. von Schiiten oder Biafra-Aktivisten) in der Praxis eingeschränkt (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, FH 13.4.2023). Die Regierung verbietet gelegentlich gezielt Versammlungen, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass deren politischer, ethnischer oder religiöser Charakter zu Unruhen führen könnte. Die Regierung schränkt öffentliche Versammlungen ein (USDOS 20.3.2023).
Die Vereinigungsfreiheit wird durch die Verfassung ebenso garantiert (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 10.2023, USDOS 20.3.2023) wie das Recht, einer politischen Partei oder einer Gewerkschaft anzugehören (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Dies wird auch praktiziert (ÖB 10.2023) und hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahlreichen NGOs geführt. Gleichzeitig gibt es verschiedene Versuche der Regierung, zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum durch repressive Gesetzgebung und Verwaltungspraxis einzuschränken. Gewerkschaften können sich grundsätzlich frei betätigen (AA 24.11.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
Opposition, inkl. IPOB und IMN und YORUBA-Separatisten
Letzte Änderung 2023-11-21 10:50
In Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition, sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch – meist marginale – Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 24.11.2022).
Die Indigenous People of Biafra (IPOB) sind im September 2017 und die schiitische „Islamic Movement of Nigeria“ (IMN) im August 2019 verboten worden (AA 24.11.2022). Im Jahr 2021 kam es vermehrt zu Agitationen seitens IPOB im Südosten und der Yoruba Nation im Südwesten. Dies unterstreicht die steigenden Spannungen im Land. Die Behörden reagieren darauf manchmal mit exzessiver Gewalt (HRW 13.1.2022). Sicherheitskräfte und Bürgerwehren, die gegen die Separatisten vorgehen, sind in Misshandlungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen, in der Region verwickelt. Nigerianische Medien berichteten, dass zwischen Jänner und Mai 2022 über 287 Menschen im Südosten des Landes getötet wurden (HRW 12.1.2023).
IPOB: Der in der Region seit 2012 herrschende radikale Separatismus belastet den nationalen Zusammenhalt. Die separatistische Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB) strebt die Abspaltung von einigen Bundesstaaten (Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo und Rivers, sowie Regionen in Benue und Kogi) im Südosten (einschließlich dem ölreichen Niger Delta) an. IPOB besteht hauptsächlich aus Angehörigen der ethnischen Gruppe der Igbo (Christen) und strebt die Ausrufung der unabhängigen Nation Biafra an. Die Idee von Biafra ist nicht neu; im Jahr 1967 riefen die regionalen Führer einen unabhängigen Staat aus, wodurch ein brutaler Bürgerkrieg begann, der zum Tod von bis zu einer Million Menschen führte. IPOB wurde 2014 von Nnamdi Kanu gegründet. Dieser befindet sich seit 2021 wegen Terrorismus und Hochverrats in Untersuchungshaft und musste sich im September 2023 vor Gericht verantworten. Die Bewegung ist geprägt von dem Gefühl der „collective victimisation“ der Igbos durch die Unterrepräsentation in der von den (muslimischen) Fulani geprägten Bundesregierung. Seit dem Beginn der Militäroperation Operation Python Dance im Jahr 2016 und der Exercise Golden Dawn haben sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der IPOB und ihrem paramilitärischen Arm Eastern Security Network (ESN) und den nigerianischen Sicherheitskräften in der Region verschärft. IPOB hat für jeden Montag sowie für jeden Gerichtstag Kanus eine stay-at-home order ausgerufen, die mit teils brutaler Gewalt durchgesetzt wird; auch ist die Wirtschaft durch die angeordnete Schließung von Geschäften sehr belastet. Seit 2021 kommt es verstärkt zu Guerilla-Angriffen gegen Vertreter der nigerianischen Regierung und deren Sympathisanten. Im Gegenzug sind in der Region Sicherheitskräfte in Gewalttaten - einschließlich außergerichtlicher Tötungen von Separatisten - verwickelt. Lokale Führungspersönlichkeiten versuchen, die Freilassung von Kanu zu erwirken, um die Situation zu entspannen und die stay-at-home order zu beenden (ÖB 10.2023).
2020 wurde der bewaffnete Arm der IPOB, das ESN, gegründet. Dieses wird mit zahlreichen tödlichen Anschlägen auf Polizeistationen und andere öffentliche Einrichtungen in Verbindung gebracht (ÖB 10.2021). Die Mitgliederzahl des ESN beläuft sich nach Angaben der nigerianischen Armee auf etwa 50.000. Das ESN unterhält in verschiedenen Teilen des Südostens Nigerias Ausbildungslager. Es behauptet auch, Ausbildungslager in anderen Teilen der Süd-Süd-Region zu haben. Es gibt eine Kommandostruktur. Der Anführer der IPOB, Mazi Nnamdi Kanu, kann als sein Oberbefehlshaber angesehen werden (VA ÖB 27.5.2022). Im Südosten waren in jüngster Zeit die Bundesstaaten Imo und Anambra von Gewalt betroffen. Im Juli 2023 haben Sicherheitskräfte mehrere Lager der IPOB und des ESN zerstört. Die Operation war Teil einer wieder aufgenommenen Kampagne gegen IPOB-Mitglieder in den Zonen Süd-Süd und Südost (BAMF 31.7.2023).
IMN: Die Regierung hat in den letzten Jahren heftig auf die Aktivitäten des IMN reagiert. 2015 überfielen Sicherheitskräfte das Gelände von el-Zakzaky, verhafteten ihn und seine Frau und töteten mindestens 300 IMN-Mitglieder. Dutzende Weitere wurden bei einem Armeeeinsatz im Jahr 2018 getötet (FH 13.4.2023). Die IMN ist im August 2019 verboten worden (AA 24.11.2022). Im September 2021 wurden acht Menschen getötet und 57 festgenommen, als Sicherheitskräfte und das IMN in Abuja zusammenstießen (FH 13.4.2023). Die seit Ende 2015 andauernde Inhaftierung von Ibrahim Zakzaky führte immer wieder zu Straßenprotesten in der Hauptstadt Abuja, in deren Folge es bei gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften zu Dutzenden Toten gekommen war. Nach fast sechs Jahren in Haft wurden Ibrahim Zakzaky und seine Ehefrau am 28.7.2021 infolge eines Freispruchs durch den Obersten Gerichtshof des Bundesstaats Kaduna freigelassen. Die Staatsanwaltschaft soll die Freilassung des Paares bestätigt und Berufung gegen den Freispruch angekündigt haben. Nach zahlreichen Freisprüchen von Mitgliedern der IMN in den Jahren 2019 und 2020 war zuletzt nur noch das Ehepaar in Haft gesessen. Vorgeworfen wurde dem Paar u.a. Mord, Verschwörung und Störung des Friedens (BAMF 2.8.2021).
Yoruba-Separatisten: Auch der Südwesten Nigerias, lange Zeit die friedlichste Region des Landes, blieb von den jüngsten Spannungen und Unruhen zwischen den Volksgruppen nicht verschont. Anders als in anderen Teilen des Landes beruhen die Konflikte nicht auf religiösen Extremismus oder Terrorismus, sondern werden als Ausdruck der versuchten Unterdrückung der Yoruba durch die (muslimischen) Fulani gesehen, die demnach aufgrund ihrer Vertretung in der Bundesregierung im Verdacht stehen, Immunitäten für ihre Straftaten zu genießen. Durch die zunehmenden Spannungen wurde das – bisher inaktive – Engagement der Yoruba-Separatisten verschärft. Sie streben die Ausrufung der "Oduduwa-Republik" an (ÖB 10.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (31.7.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw31-2023.pdf?__blob=publicationFile v=6, Zugriff 3.11.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2.8.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw31-2021.pdf?__blob=publicationFile v=2 , Zugriff 4.10.2022
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html, Zugriff 18.1.2023
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2066473.html, Zugriff 4.10.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2021): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066259/NIGR_%C3%96B-Bericht_2021-10.pdf, Zugriff 4.10.2022
VA ÖB - Vertrauensanwalt der ÖB Abuja (27.5.2022): Antwort des VA in Abuja übermittelt von der ÖB am 27.5.2022
Grundversorgung
Letzte Änderung 2023-07-05 15:52
Nigeria ist als bevölkerungsreichstes Land Afrikas mit geschätzten mehr als 218 Millionen Einwohnern neben Ägypten und Südafrika eine der größten Volkswirtschaften des Kontinents (ÖB 9.2022). Vor einigen Jahren zog das westafrikanische Land in puncto Wirtschaftsleistung an Südafrika vorbei. Trotz der zahlreichen Herausforderungen ist das Land ein vielversprechender Wirtschaftsstandort. Neben Öl und Gas spielen der Handel und vermehrt der Konsumgüterbereich eine Rolle. Alleine aufgrund seiner Bevölkerungsgröße ist Nigeria ein interessanter Verbrauchermarkt - die Vereinten Nationen gehen von einer Verdoppelung der Einwohnerzahl auf 400 Millionen bis zum Jahr 2050 aus (ABG 2.2023).
Für den Zeitraum von 2023 bis 2025 wird ein durchschnittliches jährliches Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent prognostiziert, das nur geringfügig über der geschätzten Bevölkerungswachstumsrate von 2,4 Prozent liegt. Das Wachstum wird vermutlich von Dienstleistungen, Handel und dem verarbeitenden Gewerbe getragen werden. Die Abwärtsrisiken für diese Wachstumsaussichten haben sich verschärft, wobei die meisten Risiken von der Innenpolitik, der anhaltend niedrigen (wenn auch in letzter Zeit steigenden) Ölproduktion und der Knappheit an Devisen und lokaler Währung ausgehen (WB 31.3.2023). 2021 erreichte die nigerianische Wirtschaft vor allem aufgrund der deutlich gestiegenen Ölpreise und der fortschreitenden Erholung des privaten Sektors ein deutlich über den Erwartungen des IWF liegendes reales Wachstum von 3,4 Prozent. Damit gelang nach sechs Jahren wirtschaftlichen Wachstums, welches durchgehend niedriger als das Bevölkerungswachstum war, eine Trendumkehr. Im Jahr 2022, dem letzten Regierungsjahr des betagten Präsidenten und Ex-Generals Buhari, schwächte sich die wirtschaftliche Entwicklung allerdings - u. a. aufgrund der von der Zentralbank im letzten Quartal verursachten Banknoten-Knappheit - bereits wieder auf 3,1 Prozent ab (WKO 15.6.2023).
Nigeria leidet, ebenso wie andere ressourcenreiche Entwicklungsländer, unter dem sogenannten Erdöl-Fluch. Dieser hat in den letzten 40 Jahren zur Vernachlässigung vieler anderer Wirtschaftszweige geführt und die Importabhängigkeit des Landes in vielen Bereichen sehr groß werden lassen. Der Erdölsektor erwirtschaftet über 95 Prozent der Exporteinnahmen und über 60 Prozent der Staatseinnahmen Nigerias. Er stagnierte während der letzten Jahre jedoch in seiner Entwicklung und trägt lediglich ca. acht Prozent zum BIP bei. Die große Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas im Bereich des Exports und damit der Einnahme von Devisen war die grundlegende Ursache der nigerianischen Wirtschaftskrisen der Jahre 2016, 2017 und 2020. Gleichzeitig stellt der Import von raffinierten Erdölprodukten den größten Ausgabeposten bei den Importen dar. Dies ist einerseits durch die mangelnde Funktionstüchtigkeit der vier großen staatlichen nigerianischen Raffinerien zu erklären, andererseits aber auch dadurch, dass die Stromversorgung von Produktionsbetrieben und Infrastruktureinrichtungen sowie von wohlhabenderen Haushalten zum Großteil auf den Betrieb von Dieselgeneratoren beruht. Eine deutliche Verbesserung der Situation sollte sich aus den Ergebnissen der Turn-Around-Wartungsarbeiten an den großen staatlichen Raffinerien sowie aus der Inbetriebnahme der weltgrößten Einstrang-Ölraffinerie durch die private Dangote Group ergeben (ÖB 9.2022).
Die Verarmung des Großteils der nigerianischen Bevölkerung wird sich fortsetzen. Das Fehlen wirtschaftlicher Chancen bei gleichzeitig hohem Bevölkerungswachstum gilt als Hauptantrieb für Migration. Sozio-ökonomisch betrachtet gehören die Migranten eher zur wachsenden gebildeten unteren Mittelklasse und kommen oft aus Städten des Südens und Südwestens Nigerias (vor allem aus dem Bundesstaat Edo). Dort gibt es seit Jahrzehnten eine hohe Mobilität landwirtschaftlicher Arbeitskräfte, Schmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke, eine prekäre Arbeitssituation und kaum Aussicht für Jugendliche, das angestrebte Lebensziel zu verwirklichen. Sozio-kulturelle Zwänge sowie ein von sozialen Medien falsches kolportiertes Bild von Europa sind weitere Push-Faktoren (ÖB 9.2022).
Stärken der nigerianischen Wirtschaft: Reiche Erdöl- und Gasvorkommen; relativ breit aufgestellte Industrie in Lagos; größter Verbrauchermarkt Afrikas mit mehr als 210 Millionen Einwohnern; großer Pool an motivierten Arbeitskräften. Schwächen: schlechte Infrastruktur; Korruption und Vetternwirtschaft in der öffentlichen Verwaltung; hohe Standortkosten und steigende Sicherheitskosten; Großteil der Bevölkerung mit rückläufiger Kaufkraft (ABG 2.2023). Nigeria verfügt durch in den 1950er bzw. 1970er-Jahren entdeckte umfangreiche Öl- und Gasvorkommen, großteils noch unerschlossene Bodenschätze, eine ausreichende Agrarbasis, ein relativ günstiges Klima und fruchtbare Böden, eine vergleichsweise gut ausgebaute, jedoch unzureichend instandgehaltene Infrastruktur und einen Binnenmarkt von mehr als 200 Millionen Menschen über deutlich bessere Entwicklungschancen als die meisten anderen Staaten Westafrikas (ÖB 9.2022).
Nigeria ist im Bereich der Landwirtschaft keineswegs autark, sondern auf Importe, vor allem von Reis, angewiesen. Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertriebenenbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram und ISWAP, herrschen lang andauernde Hungerperioden in den nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten (ÖB 9.2022). Die Inflation bei Lebensmitteln in Nigeria erreichte im Juli 2022 22 Prozent und verursachte große Probleme, da die Familien darum kämpfen, sich Lebensmittel leisten zu können. Im Juni 2022 gab die Bundesregierung bekannt, dass 2 Millionen Haushalte von ihrem Conditional Cash Transfer (CCT) Programm profitieren (HRW 12.1.2023).
Die Ungleichheit in Bezug auf Einkommen und Chancen ist nach wie vor groß und hat sich negativ auf die Armutsbekämpfung ausgewirkt. Der Mangel an Beschäftigungsmöglichkeiten ist eine der Hauptursachen für die hohe Armut, die regionale Ungleichheit und die sozialen und politischen Unruhen. Auch die hohe Inflation hat das Wohlergehen der Haushalte beeinträchtigt, und die Preissteigerungen in den Jahren 2020-2022 haben mehr Nigerianer in die Armut getrieben (WB 31.3.2023). Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt. Etwa 60 Prozent der geschätzten 200 Millionen Menschen leben in absoluter Armut (BS 23.2.2022). Gemäß Schätzungen der Weltbank leben ca. 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar pro Tag, 30 Prozent (ca 70 Millionen Menschen) in extremer Armut (ÖB 9.2022). Nach Schätzungen der Weltbank leben über 95 Millionen Nigerianer in Armut und müssen mit etwa 1,90 US-Dollar pro Tag auskommen. Eine Untersuchung von Human Rights Watch aus dem Jahr 2021 ergab, dass Nigeria über kein funktionierendes Sozialschutzsystem verfügt, das die Bürger vor wirtschaftlichen Schocks schützt (HRW 12.1.2023).
Die letzten offiziellen Zahlen des nigerianischen National Bureau of Statistics (NBS) die Arbeitslosigkeit betreffend stammen aus dem 4. Quartal 2020. Demnach waren Ende 2020 56,1 Prozent der arbeitsfähigen nigerianischen Bevölkerung entweder arbeitslos (33,3 Prozent) oder unterbeschäftigt (22,8 Prozent). Damit hat sich die Arbeitslosigkeit laut offiziellen Daten innerhalb von fünf Jahren mehr als vervierfacht. Zumindest jeder zweite erwerbsfähige nigerianische Bürger ist völlig ohne Arbeit oder unterbeschäftigt (ÖB 9.2022; vgl. WKO 6.2023). Laut NBS sind mit Stand Juni 2023 immer noch die Zahlen aus Q4 2020 die aktuellsten. Die Arbeitslosigkeit lag im Q4 2020 bei 33,3 Prozent (NBS 2023). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 9.2022; vgl. BS 23.2.2022).
Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 23.2.2022).
Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige (ÖB 9.2022). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 23.2.2022). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 9.2022).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Die Nahrungsmittelkrise infolge der russischen Invasion in der Ukraine treibt die Getreidepreise beträchtlich in die Höhe (ÖB 9.2022).
Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbstständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbstständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden zehn Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2021).
Dass mit dem Amtsantritt von Bola Tinubu Ende Mai 2023 tatsächlich eine sehr andere und deutlich wirtschaftsorientierte, aktivere Regierungsperiode begonnen hat, bewies Tinubu indem er bereits am Tag seines Amtsantritts die Subvention des Benzinpreises, ein jahrzehntealtes Goldenes Kalb der nigerianischen Politik, ersatzlos abschaffte, wobei es ihm gleichzeitig durch das Einschalten der Justiz gelang, zumindest vorläufig Massenproteste zu verhindern. Auch die Suspendierung sowie Verhaftung des unter Präsident Buhari geradezu allmächtigen Nationalbankgouverneurs Godwin Emefiele und das offizielle Floaten [Anm.: Die Bildung und Entwicklung der Wechselkurse wird den Marktkräften überlassen. Das bedeutet flexible Wechselkurse ohne staatliche Intervention]der nigerianischen Währung ließen aufhorchen und hat gezeigt, dass in Abuja nunmehr ein völlig neuer Regierungsstil herrscht (WKO 15.6.2023).
Infolge massiver Überschwemmungen im September und Oktober 2022 sind nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) in Nigeria mittlerweile mehr als 2,5 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Dazu zählen demnach 1,5 Millionen Kinder, die durch sich ausbreitende Krankheiten, Hunger oder Ertrinken bedroht sind. Es handelt sich um die schlimmsten Überflutungen der vergangenen zehn Jahre. 34 der insgesamt 36 Bundesstaaten sind von den Überschwemmungen betroffen. Mehr als 600 Menschen sind ums Leben gekommen, mehr als 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner haben ihr Zuhause verloren (TS 22.10.2022). Extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Hitze haben an Intensität und Häufigkeit zugenommen, insbesondere in den nördlichen Teilen des Landes. Diese Klimarisiken haben bereits zu einem Rückgang der Pro-Kopf-Nahrungsmittelproduktion beigetragen, sodass der Anteil der Bevölkerung, der von Unterernährung betroffen ist, von 6,5 Prozent im Jahr 2004 auf 12,7 Prozent im Jahr 2020 gestiegen ist (WB 31.3.2023).
Im Nordosten Nigerias benötigen UN-Angaben vom 28.6.2023 zufolge rund sechs Millionen Menschen humanitäre Hilfe. In den Bundesstaaten Borno, Adamawa und Yobe sind 4,3 Millionen Menschen in den kommenden Monaten unmittelbar von Hunger bedroht. 700.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut von lebensgefährlicher Unterernährung bedroht – doppelt so viele wie 2022 und viermal so viele wie 2021. Ursachen sind die schwierige Wirtschaftslage Nigerias mit hoher Inflation und die jahrelange Sicherheitskrise aufgrund der Bedrohungslage durch die islamistischen Gruppierungen Boko Haram und Islamic State West Africa Province (ISWAP). Die Unsicherheit hindert viele Menschen daran, Landwirtschaft zu betreiben oder ein Einkommen zu erzielen. Das UN-Nothilfeprogramm hat die Weltgemeinschaft dazu aufgefordert, eingeplante Hilfsgelder auszuzahlen (BAMF 4.7.2023).
Quellen:
ABG - Africa Business Guide (2.2023): Länderprofil Wirtschaft in Nigeria, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/nigeria, Zugriff 27.6.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (4.7.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw27-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 5.7.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Nigeria Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_NGA.pdf , Zugriff 3.10.2022
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html, Zugriff 18.1.2023
NBS - National Bureau of Statistics [Nigeria] (2023): Homepage, https://www.nigerianstat.gov.ng/, Zugriff 17.1.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf, Zugriff 11.10.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2021): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066259/NIGR_%C3%96B-Bericht_2021-10.pdf, Zugriff 4.10.2022
TS - Tagesschau / NDR (22.10.2022): Überschwemmungen in Nigeria - 2,5 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/nigeria-ueberschwemmungen-un-101.html, Zugriff 9.11.2022
WB - World Bank (31.3.2023): Nigeria - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/nigeria/overview, Zugrifff 27.6.2023
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (15.6.2023): Nigeria: Wirtschaftslage, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/die-nigerianische-wirtschaft.html, Zugriff 27.6.2023
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (6.2023): Wirtschaftsbericht Nigeria, https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/nigeria-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 27.6.2023
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2023-07-05 16:23
Nigeria verfügt über ein pluralistisches Gesundheitssystem, in dem die Gesundheitsfürsorge gemeinsam vom öffentlichen und privaten Sektor sowie durch moderne und traditionelle Systeme erbracht wird. Die Verwaltung des nationalen Gesundheitssystems ist dezentralisiert in einem dreistufigen System zwischen Bundes-, Landes- und Lokalregierungen (EUAA 4.2022). Die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten in Nigeria sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor hat sich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Trotzdem ist die Gesundheitsversorgung - vor allem auf dem Land - mangelhaft (AA 24.11.2022). Die Bundesregierung gibt weniger für Gesundheit und Bildung aus als fast jedes andere Land der Welt (0,6 Prozent des BIP für Gesundheit) (ÖB 9.2022).
Obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt gestiegen ist (54,7 Jahre laut Human Development Report 2020), hat die Verbesserung des Zugangs zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung in Nigeria keine hohe Priorität. Aufgrund von Konflikten, Terroranschlägen, sozioökonomischen Bedingungen, Unterernährung, Klimawandel, Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene gibt es nach wie vor große Unterschiede im Gesundheitszustand zwischen den Bundesstaaten und geopolitischen Zonen (ÖB 9.2022).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern (z. B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard (AA 24.11.2022).
Wie die meisten afrikanischen Länder leidet auch Nigeria unter einem kritischen Mangel an Fachkräften beim Gesundheitspersonal (HRH). Obwohl das Land einen der größten Bestände an Gesundheitspersonal hat, ist die Dichte an Ärzten, Krankenschwestern und Hebammen unzureichend (1,95 pro 1.000). Nach Schätzungen der Weltbank kamen im Jahr 2018 etwa 0,4 Ärzte auf 1.000 Einwohner während die Zahl der Krankenschwestern und Hebammen im Jahr 2019 auf 1,5 pro 1.000 Einwohner geschätzt wurde. Weitere Herausforderungen im Bereich der Humanressourcen sind die ungleiche Verteilung des Gesundheitspersonals auf die Bundesstaaten, Finanzierungslücken und Abwanderung von qualifiziertem Gesundheitspersonal in andere Länder (EUAA 4.2022).
Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen (AA 24.11.2022). Es gibt so gut wie keine Dienste für die psychische Gesundheit (ÖB 9.2022). Im ambulanten Bereich gibt es in Einzelfällen in den größeren Städten qualifizierte Psychiater, die nicht einweisungspflichtige Patienten mit klassischen Psychosen und Persönlichkeitsstörungen behandeln können (AA 24.11.2022). Es gibt weniger als 300 Psychiater für eine Bevölkerung von mehr als 200 Millionen Menschen, und angesichts der geringen Kenntnisse über psychische Störungen in der Primärversorgung sind die Familien in den ländlichen Gebieten auf sich allein gestellt, wenn es darum geht, ihre betroffenen Familienmitglieder zu versorgen. Auch die Zahlen für psychosoziale Fachkräfte sind niedrig, denn die Gesamtzahl der Fachkräfte im Bereich der psychischen Gesundheit liegt bei 0,9 pro 100.000 Einwohner, aufgeschlüsselt (jeweils pro 100.000 Einwohner) in 0,70 Krankenschwestern, 0,02 Psychologen, 0,10 Psychiater, 0,04 Sozialarbeiter und 0,01 Ergotherapeuten (EUAA 4.2022). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team des Krankenhauses direkt am Flughafen sollten im Einzelfall vorher erfragt werden. Die Behandlungskosten sind je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich (AA 24.11.2022).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch im informellen Sektor (AA 24.11.2022). Die Krankenversicherung hat in Nigeria, was die prozentuale Abdeckung der Bevölkerung angeht, kaum an der Oberfläche gekratzt. 97 Prozent der nigerianischen Bevölkerung sind in keiner Weise krankenversichert (Dataphyte 24.12.2021). Die drei Prozent der Bevölkerung (Dataphyte 24.12.2021; vgl. TL 11.2022) im Alter von 15-49 Jahren (TL 11.2022), die krankenversichert sind, werden durch die Krankenversicherung der Arbeitnehmer abgedeckt. Von diesen drei Prozent sind 56,7 Prozent Männer und 43,3 Prozent Frauen. Der Zugang zu einer erschwinglichen Gesundheitsversorgung bleibt für die meisten Nigerianer unerreichbar, insbesondere für diejenigen, die keine formelle Beschäftigung haben. Trotz der Einführung verschiedener Krankenversicherungsprogramme ist es dem National Health Insurance Scheme (NHIS) nicht gelungen, diejenigen zu erfassen, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Die kumulierte Deckungsrate dieser anderen Programme lag bei weniger als einem Prozent der Krankenversicherten. Die Alternative zur Krankenversicherung sind enorme individuelle Ausgaben für die Gesundheit, und im Jahr 2018 war Nigeria das Land mit den dritthöchsten privat getätigten Ausgaben für die Gesundheit. 76,6 Prozent der Gesundheitsausgaben in dem Land wurden aus eigener Tasche bezahlt (Dataphyte 24.12.2021).
Apotheken und in geringerem Maße private Kliniken verfügen über essenzielle Medikamente. Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Für Medikamente muss man selbst aufkommen. Das Preisniveau ist insgesamt uneinheitlich, selbst Generika können bisweilen durchaus teurer als in, zum Beispiel, deutschen Apotheken sein (AA 24.11.2022). Die Kosten medizinischer Behandlung und Medikamente müssen im Regelfall selbst getragen werden; die Kosten für Medikamente sind hoch und für die meisten Nigerianer unerschwinglich. Medikamente gegen einige weitverbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖB 9.2022). Gemäß einer weiteren Quelle werden Medikamente für sogenannte vorrangige Krankheiten in staatlichen Gesundheitseinrichtungen kostenlos zur Verfügung gestellt, darunter antiretrovirale Medikamente sowie Medikamente gegen Tuberkulose und multiresistente Tuberkulose. Probleme in der Versorgungskette haben zur Bildung informeller Arzneimittelmärkte geführt. Die Medikamentenpreise variieren in den nördlichen und südlichen Regionen; sie sind im Norden höher, weil die Verteilung von den südlichen Häfen in die nördlichen Regionen kostenintensiver ist (EUAA 4.2022).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die nur eingeschränkt wirken (AA 24.11.2022). Der unerlaubte Verkauf von Medikamenten und die schlechte Qualität von gefälschten Arzneimitteln sind weitere große Herausforderungen (ÖB 9.2022).
Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists“ und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 9.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
Dataphyte (24.12.2021): Health Insurance in Nigeria - Only 3% of Nigerians are Covered, https://www.dataphyte.com/latest-reports/development/health-insurance-in-nigeria-only-3-of-nigerians-are-covered/, Zugriff 21.10.2022
EUAA - European Union Agency for Asylum (4.2022): Report on medical care (political context; economy; socio-cultural features; organisation of the health system; healthcare human resources; pharmaceutical sector; patient pathways; insurance; cost; treatments; mental healthcare; selected medicines price list), https://www.ecoi.net/en/file/local/2071828/2022_04_EUAA_MedCOI_Report_Nigeria.pdf, Zugriff 21.10.2022
TL - The Lancet (11.2022): Nigeria's mandatory health insurance and the march towards universal health coverage, https://www.thelancet.com/journals/langlo/article/PIIS2214-109X(22)00369-2/fulltext, Zugriff 28.6.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf, Zugriff 11.10.2022
Rückkehr
Letzte Änderung 2023-01-26 09:23
Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 9.2022).
Die Österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JRO) gemeinsam mit FRONTEX und anderen EU-Mitgliedstaaten. Nach der COVID-19 bedingten Suspendierung der Repatriierungsflüge wurden diese im März 2022 wieder aufgenommen und Landegenehmigungen erteilt (ÖB 9.2022).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 24.11.2022). Die Rückgeführten verlassen nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die nigerianischen Behörden das Flughafengebäude und steigen zumeist in ein Taxi oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann aufgrund von fehlenden Erfahrungen jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden zu gewärtigen haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 9.2022).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 24.11.2022). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 9.2022).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, sodass z. B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne Weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure betreiben Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. IOM ist ebenfalls in Abuja und Lagos vertreten. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert und es werden Aus- oder Weiterbildungsprojekte angeboten (AA 24.11.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf, Zugriff 11.10.2022
Dokumente, Staatsbürgerschaft, Meldewesen
Letzte Änderung 2023-07-05 17:53
In der National Identity Database (NID), einer Datenbank für nigerianische und ausländische Personen, die in Nigeria wohnhaft sind, sind Zeitungsberichten zufolge etwa 10-15 Prozent der Bevölkerung registriert [Anm.: Bei einer geschätzten Einwohnerzahl von 210 Millionen wären das 21 bis 31,5 Millionen Menschen] (AA 24.11.2022). Gemäß anderen Angaben hat sich die Anzahl der registrierten Personen 2021 und 2022 stark erhöht, es sind inzwischen (Stand 28.11.2022) 92,63 Millionen Menschen registriert. Im Zuge dieser Registrierung wird die National Identity Number (NIN) vergeben. Die Registrierung erfolgt durch die National Identity Management Commission (NIMC). In Nigeria gibt es keine Ausweispflicht, und es werden in der Praxis keine Bußgelder verhängt, wenn jemand keinen Ausweis bei sich trägt (MBZ 1.2023). Wird die Vorlage einer Geburtsurkunde verlangt, so leisten zwei Personen für den Antragsteller eine eidesstattliche Erklärung („Affidavit“), die die Geburt bezeugt, wann auch immer diese stattgefunden haben mag. Lediglich darauf basierend wird eine Geburtsurkunde ausgestellt und in weiterer Folge sämtliche anderen Dokumente, auch der neue biometrische Reisepass (ÖB 9.2022).
Die NIN ist Voraussetzung für den Erhalt von Dokumenten. Die NIN muss laut Gesetz bei der Beantragung verschiedener Dokumente, z. B. eines Reisepasses oder eines Führerscheins, angegeben. In der Praxis wird die NIN nur bei der Beantragung eines "erweiterten elektronischen Reisepasses" verlangt. Die NIN wird auch für den Zugang zu verschiedenen öffentlichen und privaten Dienstleistungen, wie z. B. die Eröffnung eines Bankkontos, die Eintragung von Grundbesitz oder der Zugang zu Gesundheitsversorgung benötigt (MBZ 1.2023).
Mit der Einführung des biometrischen Passes im Jahr 2007 haben die Behörden einen wichtigen Schritt unternommen, die Dokumentensicherheit zu erhöhen. Es sind auch so gut wie keine gefälschten nigerianischen Pässe im Umlauf, da es keinerlei Problem darstellt, einen echten Pass unter Vorlage gefälschter Dokumente oder Verwendung falscher Daten zu erhalten. Es ist aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ohne Weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist (AA 24.11.2022). Mangels eines geordneten staatlichen Personenstandwesens ist die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten durch nigerianische Behörden mit einem großen Aufwand verbunden. Angesichts der in Nigeria allgemein nicht gegebenen Dokumentensicherheit ist die bloß formale Bestätigung der Echtheit einer Unterschrift oder eines Siegels eines nigerianischen Ministeriums nicht dazu geeignet, eine Beglaubigung unter Einhaltung der gesetzlichen notariellen Sorgfaltspflicht und im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen vorzunehmen (ÖB 9.2022).
Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden, Zeugnisse von Schulen und Universitäten etc.) sind in Lagos und anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Sie sind professionell gemacht und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte (Gefälligkeits-)Bescheinigungen sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. Fälschungstypische Fehler sind dabei in der Natur der Sache nicht immer aufzeigbar. Vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden sind in der Form oft fehlerhaft oder enthalten falsche Darstellungen behördlicher Zuständigkeiten und sind dadurch als Fälschungen zu erkennen. Aufrufe von Kirchengemeinden – z. B. genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren – sind oft gefälscht (AA 24.11.2022). Trotz Maßnahmen zur Bekämpfung der Dokumentenfälschung, wie der Einführung des Nationalen Identitätsmanagementsystems und der Erfassung biometrischer Daten in der Datenbank, ist Dokumentenfälschung in Nigeria immer noch weit verbreitet. Zu den häufig gefälschten Dokumenten gehören Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Pässe und internationale Führerscheine. In Nigeria gibt es mehrere Unternehmen und Privatpersonen, die leicht und kostengünstig gefälschte Dokumente ausstellen, die unter anderem für die Beantragung von Pässen verwendet werden (MBZ 1.2023).
Kinder leiten ihre Staatsbürgerschaft von ihren Eltern ab (USDOS 20.3.2023). Geburten werden insbesondere im ländlichen Raum, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt, kaum registriert (ÖB 9.2022). Es gibt keine Vorschrift zur Registrierung von Geburten. Der Großteil der Geburten wird nicht registriert; Daten zeigen, dass landesweit nur bei 42 Prozent der Kinder unter fünf Jahren die Geburt ordnungsgemäß registriert ist (USDOS 12.4.2022).
Zur Ausstellung von Reisepässen von nigerianischen Staatsbürgern in Wien: Die Botschaft stellt gemäß E-Mail Auskunft nigerianischen Staatsbürgern mit Wohnsitz in Wien Pässe aus. Die detaillierten Anforderungen für die Ausstellung von Reisepässen und alle anderen konsularischen Dienstleistungen können über die offizielle Website der Botschaft unter http://www.nigeriaembassyvienna.com/consular/ abgerufen werden (NBW 26.4.2022). Aus der angegebenen Webpage der nigerianischen Botschaft in Wien geht hervor, dass kein Dokument über die Meldung oder Wohnadresse benötigt wird. Es ist somit davon auszugehen, dass nigerianischen Staatsbürgern unabhängig von ihrem Wohnsitz Pässe ausgestellt werden (NBW o.D.).
Nach der nigerianischen Verfassung vom 5.5.1999 soll der Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit nach Artikel 29 durch Abgabe einer formgebundenen Verzichtserklärung und durch die anschließende Registrierung des Verzichtes eintreten (AA 24.11.2022). Demzufolge ist die einzig zuständige Behörde betreffend Zurücklegung der nigerianischen Staatsangehörigkeit das nigerianische Innenministerium. Bei Genehmigung eines derartigen Antrages stellt das nigerianische Innenministerium ein „Certificate of Renunciation“ aus. Allfällige Bestätigungen nigerianischer Vertretungsbehörden über das erfolgte Ausscheiden aus dem nigerianischen Staatsverband entfalten folglich keine Rechtswirkung (BMEIA 7.8.2019; vgl. BMEIA 8.5.2020). Die genaue Vorgehensweise zur Zurücklegung lautet: Der Antragsteller richtet ein Schreiben an den „Permanent Secretary, Federal Ministry of Interior, Abuja“. Dem Schreiben sind folgende Dokumente beizufügen:
Antrag (siehe z. B. Webseite der nigerianischen Botschaft Berlin unter: https://nigeriaembassygermany.org/Forms---Fees.htm)
Lichtbild
Geburtsurkunde
Die ersten fünf Seiten des nigerianischen Reisepasses (inklusive der Datenseite)
Eidesstattliche Erklärung des Antragstellers, wonach dieser die nigerianische Staatsangehörigkeit zurücklegen möchte.
Erklärung der zuständigen österreichischen Einbürgerungsbehörde, dass bei Zurücklegung der nigerianischen Staatsangehörigkeit, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden kann.
Abstammungsurkunde der örtlichen Landesregierung mit einem weiteren Lichtbild
Bestätigung des „Sekretärs“ der entsprechenden nigerianischen Landesregierung.
Gleichzeitig mit der persönlichen Antragstellung z. B. bei der zuständigen nigerianischen Botschaft, muss auch eine Antragstellung online erfolgen. Dazu muss sich der Antragsteller auf der Webpage des nigerianischen Innenministeriums registrieren (https://ecitibiz.interior.gov.ng/account/Register/) und der Antrag samt Beilagen muss auf die Webpage hochgeladen werden. Die Konsulargebühren betragen: - 30.000 Naira Antragsgebühr (zahlbar bei Antragstellung) - 50.000 Naira Genehmigungsgebühr (zahlbar bei Genehmigung) (ÖB 15.5.2019)
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (8.5.2020): Nigeria, Staatsbürgerschaft: Anfrage der MA 35 zu Entlassungsverfahren, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.8.2019): Nigeria, Ausscheiden aus dem nigerianischen Staatsverband, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
MBZ - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands [Niederlande] (1.2023): Country of origin information report Nigeria, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/directives/2023/01/31/general-country-of-origin-information-report-nigeria-january-2023/Country+of+Origin+Information+Report+Nigeria+January+2023.pdf, Zugriff 5.7.2023
NBW - Nigerianische Botschaft Wien [Nigeria] (26.4.2022): Antwort der nigerianischen Botschaft, übermittelt via E-Mail vom 26.4.2022, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
NBW - Nigerianische Botschaft in Wien [Nigeria] (o.D.): Konsularische Informationen, http://www.nigeriaembassyvienna.com/consular/, Zugriff 24.10.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (9.2022): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2079209/NIGR_%C3%96B-Bericht_2022_09.pdf, Zugriff 11.10.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (15.5.2019): STB; Prüfung Staatsbürgerschaft, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023 2. Beweiswürdigung:
2.1. Zum Verfahrensgang:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des BFA und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes, der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 14.06.2024 und den im Beschwerdeverfahren eingebrachten Stellungnahmen der rechtsfreundlichen Vertretung der BF. Auskünfte aus dem Strafregister, dem Zentralen Melderegister (ZMR), der Grundversorgung (GVS), und dem Hauptverband österreichischen Sozialversicherungsträger (AJ-WEB) wurden ergänzend zu den vorliegenden Akten eingeholt. Außerdem wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Nigeria berücksichtigt.
Die Beschwerdebehauptung, wonach es möglicherweise einen Befangenheitsgrund gegen den verfahrensleitenden Organ der belangten Behörde gebe, erweist sich angesichts der Angaben der BF1 in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und des Google-Suchergebnisses, welches von der belangten Behörde vorgelegt wurde, als haltlos. Die belangte Behörde hat somit ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt. und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst.
2.2. Zur Person der BF:
Die Feststellungen zur Volljährigkeit der BF ist augenscheinlich. Die Feststellung zur ihrem zum Verwandtschaftsverhältnis ergibt sich aus den Angaben der BF. Die Feststellungen der Staatsangehörigkeit und der christlichen Glaubensrichtung sowie Volksgruppenzugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des BF1 und der BF2 vor dem BFA und dem erkennenden Gericht.
Da die BF den österreichischen Behörden keine identitätsbezeugenden Dokumente vorlegten, steht ihre Identität nicht fest.
Der bisherige Aufenthalt der BF leiten sich aus den vorliegenden Verwaltungsakten und der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister ab. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, das Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zu den Personen der BF aufkommen lässt.
Es wurden keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen vorgebracht, welche nach Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur zur Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Falle einer Rückkehr führen könnten; dies ergibt sich aus den Angaben der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 14.06.2024, der im Verwaltungsverfahren vorgelegten medizinischen Befunde betreffend die BF1, nämlich dem Entlassungsbrief der XXXX Krankenanstalten vom 22.02.2023 und dem vorläufigen Entlassungsbrief des Krankenhauses XXXX . vom 08.01.2024.
Glaubhaft sind die gleichbleibenden Aussagen der BF, wonach sie in Enugu State aufgewachsen und bis zu ihrer Ausreise dort gelebt haben.
Die Feststellungen zur Schulbildung und Berufserfahrung der BF in Nigeria ergeben sich aus ihren diesbezüglich glaubhaften Angaben.
Die Feststellungen zum Privat- und Familienleben der BF in Österreich beruhen ebenfalls auf den Aussagen der BF sowie den vorgelegten Unterlagen (Bestätigungen der Stadt S. über die gemeinnützige Tätigkeiten der BF1 vom 02.08.2023 und 04.12.2023,Schreiben vom 16.01.2024 über das unbefristete Dienstverhältnis der BF1 bei der BUAK, Bezugsabrechnung vom Juni 2024 betreffend BF1, Zertifikat zur Qualifizierung zur Gastronomiehilfskraft des Österreichischen Roten Kreuzes vom 29.02.2024 betreffend BF2, Gehaltsabrechnung Mai 2024 betreffend BF2, Beschäftigungsbewilligungsbescheide des AMS betreffend BF1 vom 06.11.2024 und vom 16.04.2024 betreffend BF2, Bestätigung der Stadt S. über die gemeinnützige Tätigkeiten des BF2 vom 21.09.2023, Empfehlungsschreiben des Tennisclubs S. vom 11.06.2024 betreffend BF2, Bestätigung über die Absolvierung eines Beschäftigungsprogramms bei der BBU vom März 2023 betreffend BF2).
Die Feststellung, dass die BF keine Leistungen von der Grundversorgung beziehen, ist durch einen aktuellen Auszug des Betreuungsinformationssystems belegt.
Die Unbescholtenheit der BF leitet sich aus einer aktuellen Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich ab.
2.3. Zum Fluchtvorbringen der BF:
Der BF1 und die BF2 gaben in der mündlichen Verhandlung zusammengefasst an, dass sie Nigeria aufgrund von gewaltsamen Zusammenstößen zwischen ansässigen Ackerbauern und nomadisierenden Viehzüchtern verlassen haben, wobei auch sie mal persönlich angegriffen worden seien. Zudem wären sie im Falle ihrer Rückkehr wegen ihrer Mitgliedschaft bei IPOB einer Verfolgung ausgesetzt.
Das Bundesverwaltungsgericht gelangt auf Grundlage der ergänzenden Ermittlungen zum Ergebnis, dass das Vorbringen der BF zu den Fluchtgründen nicht glaubhaft ist. Die BF machten im Zuge ihrer Befragungen vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht unplausible und widersprüchliche Angaben, sodass - wie darzulegen sein wird - von der Konstruiertheit ihres gesamten Fluchtvorbringens auszugehen und ihnen die Glaubwürdigkeit zu versagen war.
Von einem Antragsteller ist ein Verfolgungsschicksal glaubhaft darzulegen. Einem Asylwerber obliegt es, bei den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere seinen persönlichen Erlebnissen und Verhältnissen, von sich aus eine Schilderung zu geben, die geeignet ist, seinen Asylanspruch lückenlos zu tragen und er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern. Die Behörde bzw. das Gericht muss somit die Überzeugung von der Wahrheit des von einem Asylwerber behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor asylrelevanter Verfolgung herleitet. Es kann zwar durchaus dem Asylwerber nicht die Pflicht auferlegt werden, dass dieser hinsichtlich asylbegründeter Vorgänge einen Sachvortrag zu Protokoll geben muss, der auf Grund unumstößlicher Gewissheit als der Wirklichkeit entsprechend gewertet werden muss, die Verantwortung eines Antragstellers muss jedoch darin bestehen, dass er bei tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit die Ereignisse schildert.
Das Vorbringen der BF entspricht diesen Anforderungen nicht und ist somit nicht glaubhaft.
Das Fluchtvorbringen der BF wird zunächst durch die widersprüchlichen Angaben der beiden BF hinsichtlich des konkreten Zeitpunktes ihrer Ausreise und deren Modalitäten in Frage gestellt.
So gab die BF1 vor der belangten Behörde an, dass sie ihr Dorf alleine im Dezember verlassen habe und in die Stadt Enugu gegangen sei. Ihr Bruder sei im Jänner nachgekommen, wobei auch eine Schwester mit nach Enugu gekommen sei. In der mündlichen Verhandlung revidierte sie sodann ihre Angaben und führte an, dass sie am 23.12.2022 gemeinsam mit dem BF2 geflüchtet sei, wobei ein weiterer Bruder (und nicht mehr Schwester) nachgekommen sei, der nunmehr in Spanien aufhältig sei.
Der BF2 gab wiederum abweichend dazu in der Einvernahme am 15.11.2023 an, dass er mit seiner Schwester gemeinsam in der Nacht geflüchtet sei. Auch das Datum der genannten Vorfälle konnte der BF2 nicht übereinstimmend widergeben. So gab er noch vor der belangten Behörde an, dass der Vorfall auf ihrem Feld, bei dem er angegriffen und verletzt worden sei, am 06.12.2022 und die gewalttätigen Angriffe auf dem Marktplatz am 21. und 22.12.2022 stattgefunden hätten. In der mündlichen Verhandlung erklärte er hingegen, dass die Angriffe am Markt am 19. und 21 11.2022 stattgefunden hätten.
Die BF1 machte zur zeitlichen Abfolge der Angriffe ebenfalls divergierende Angaben. Vor der belangten Behörde führte sie zunächst an, dass der Vorfall auf dem Feld im November gewesen sei, dann verlegte sie diesen auf Dezember, ohne jedoch ein konkretes Datum zu nennen. In der mündlichen Verhandlung gab sie hingegen an, dass sie nach dem Vorfall nachhause gegangen wären, bevor es am nächsten Tag zu dem Massaker am 18.12.2022 gekommen sei. Damit datiert sie den Vorfall auf dem Feld somit etwa mit 17.12.2022, womit sie sich und ihrem Bruder erneut widerspricht.
Des Weiteren waren die Schilderungen der BF auch hinsichtlich des Verbleibs ihrer weiteren Geschwister widersprüchlich. So gab die BF1 vor der belangen Behörde noch an, dass ihre Geschwister vor etwa fünf Jahren nach Angola gegangen seien. In der mündlichen Verhandlung führte sie hingegen an, dass eine Tante vor etwa fünf Jahren nach Angola gegangen sei und ihre Geschwister etwa vor zwei Jahren dorthin gegangen seien, wobei sie nicht wisse (!), warum ihre Geschwister das getan hätten. Auf ausdrückliche Nachfrage der erkennenden Richterin führte sie sodann an, dass ihre Geschwister vor ihnen ausgereist seien.
Der BF2 gab hingegen im Widerspruch dazu an, dass seine Geschwister etwa eine Woche nach Ihnen nach Angola gereist seien.
Die BF widersprachen sich auch hinsichtlich der Zahl der Angreifer auf dem Feld. Während der BF2 meinte, dass es fünf Personen gewesen seien, meinte die BF1, dass es zwei Personen gewesen seien. Warum der BF1 sich dann dennoch mit fünf bewaffneten Männern angelegt hat, anstatt die Flucht zu ergreifen, vermochte er nicht plausibel zu erklären.
Wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, wird nicht verkannt, dass es in XXXX zu gewaltsamen Vorfällen kam, da sie sich mit zahlreichen öffentlich zugänglichen Berichten decken, jedoch vermochten die BF ihre persönliche Betroffenheit bzw. Verfolgung aufgrund der dargestellten Widersprüche und Unplausibilitäten nicht glaubhaft zu machen.
Was das verspätete Vorbringen der BF bzgl. ihrer Mitgliedschaft bei IPOB anbelangt, welches dem Neuerungsverbot gemäß § 20 BFA-VG unterliegt, wird diesem darüber hinaus jegliche Glaubwürdigkeit abgesprochen, da es weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde mit einem Wort erwähnt wurde, obwohl beide BF vor der belangten Behörde ausdrücklich gefragt worden sind, ob sie politisch aktiv waren oder sie andere Fluchtgründe als die genannten haben, was von beiden BF ausdrücklich verneint wurde.
Der Vollständigkeit halber ist noch zu erwähnen, dass grundsätzlich auch die Möglichkeit besteht, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen. Es ist daher davon auszugehen, dass es den BF selbst im Falle einer tatsächlichen Bedrohung, möglich wäre, sich auf zumutbare Weise in einem anderen Landesteil niederzulassen und auf diese Weise mit hinreichender Wahrscheinlichkeit der Gefahr zu entziehen. Dies insbesondere, weil in Nigeria – wie aus den oben getroffenen Länderfeststellungen hervorgeht – kein Meldewesen besteht.
Auch eine sonstige besondere Gefährdung wurde nicht substantiiert dargelegt. Die BF sind jung, gesund und arbeitsfähig, verfügen in Nigeria über familiären Anschluss in Form ihrer Onkeln und Tanten und sind in der Lage, sich bei einer Rückkehr eine neue Existenz aufzubauen, zumal sie über eine umfassende schulische und universitäre Ausbildung sowie Arbeitserfahrung in Nigeria verfügen. Es wurde im Beschwerdeverfahren nicht substantiiert dargelegt, dass die BF im Falle einer Rückkehr Opfer eines Konfliktes oder einer Hungersnot werden könnte. Ebenso wenig liegen bei ihr besondere Verletzlichkeiten, etwa im Sinne einer schweren Erkrankung, vor, welche ihnen eine berufliche Tätigkeit verunmöglichen würden.
Es kann sohin nicht davon ausgegangen werden, dass die BF bei einer Rückkehr ins Herkunftsland in Bezug auf existentielle Grundbedürfnisse in eine ausweglose Situation geraten würde.
2.4. Zu den Länderfeststellungen:
Die unter Punkt 1.3. getroffenen Feststellungen zur Lage in Nigeria basieren auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 22.11.2023; zu den darin verwendeten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.
Der BF1 und die BF2 traten diesen Quellen und deren Kernaussagen zur Situation im Herkunftsland in der mündlichen Verhandlung vom 16.06.2024 auch nicht substantiiert entgegen.
Mittlerweile gibt es zwar ein aktuelles Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 16.08.2024. Nach entsprechendem Vergleich und Gegenüberstellung kommt das Bundesverwaltungsgericht jedoch zum Entschluss, dass betreffend die Situation im Herkunftsstaat der BF keine wesentliche Änderung eingetreten ist. Neue Länderberichte bewirken für sich betrachtet keine Sachverhaltsänderung (vgl. VwGH 24.01.2019, Ro 2018/21/0011).
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 7 Abs. 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht u.a. über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Z. 1) sowie über Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG (Z. 3).
Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 3 BFA-Einrichtungsgesetz - BFA-G, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, obliegt dem Bundesamt die Vollziehung des BFA-VG (Z. 1), die Vollziehung des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100 (Z. 2), die Vollziehung des 7., 8. und 11. Hauptstückes des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.100 (Z. 3) und die Vollziehung des Grundversorgungsgesetzes - Bund 2005, BGBl. I Nr.100 (Z. 4).
Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z. 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs.1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z. 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z. 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: "Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. §66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein."
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder einzustellen ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.2. Zur Nichtgewährung von Asyl:
3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 leg. cit. zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht.
Im Sinne des Art. 1 Absch. A Z 2 GFK ist als Flüchtling anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furch nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Selbst in einem Staat herrschende allgemein schlechte Verhältnisse oder bürgerkriegsähnliche Zustände begründen für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Um eine Verfolgung im Sinne des AsylG erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Herkunftsstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).
3.2.2. Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. bereits dargestellt, konnten die BF im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung durch staatliche Behörden darlegen, bzw. war der behaupteten Verfolgung aus den obgenannten Gründen die Glaubwürdigkeit zu versagen.
Insgesamt sind somit die eingangs beschriebenen Voraussetzungen für eine Asylgewährung im gegenständlichen Fall jedenfalls nicht erfüllt und waren die Beschwerden sohin gegen Spruchpunkt I. der bekämpften Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2055 als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zur Nichtgewährung von subsidiärem Schutz:
3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt. Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.
Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH 23.02.1995, 95/18/0049; VwGH 05.04.1995, 95/18/0530; VwGH 04.04.1997, 95/18/1127; VwGH 26.06.1997, 95/18/1291; VwGH 02.08.200098/21/0461). Diese Mitwirkungspflicht des Antragstellers bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in der Sphäre des Asylwerbers gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH 30.09.1993, 93/18/0214).
Die Anforderungen an die Schutzwilligkeit und Schutzfähigkeit des Staates entsprechen jenen, wie sie bei der Frage des Asyls bestehen (VwGH 08.06.2000, 2000/20/0141). Ereignisse, die bereits längere Zeit zurückliegen, sind daher nicht geeignet, die Feststellung nach dieser Gesetzesstelle zu tragen, wenn nicht besondere Umstände hinzutreten, die ihnen einen aktuellen Stellenwert geben (vgl. VwGH 14.10.1998, 98/01/0122; VwGH 25.01.2001, 2001/20/0011).
Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, 95/21/0294; VwGH 25.01.2001, 2000/20/0438; VwGH 30.05.2001, 97/21/0560).
Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH 25.11.1999, 99/20/0465; VwGH 08.06.2000, 99/20/0203; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offen bliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt bestünde, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH 08.06.2000, 99/20/0203).
Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, 98/21/0427; VwGH 20.06.2002, 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).
Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; VwGH 13.11.2001, 2000/01/0453; VwGH 09.07.2002, 2001/01/0164; VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") - die bloße Möglichkeit genügt nicht - damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, 2001/21/0137).
3.3.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben sind:
Dass die BF im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe ausgesetzt sein könnte, konnte im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.
Auch dafür, dass ihnen im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, gibt es im vorliegenden Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt.
Die BF1 und der BF2 sind volljährig, gesund und erwerbsfähig. Sie weisen eine mehrjährige Schulbildung und Berufserfahrung im Marketing- und Reinigungsbereich (BF1) und in Reinigungs- und Landwirtschaftsbereich (BF2) auf und sind arbeitsfähig und arbeitswillig. Aufgrund der Erwerbsfähigkeit der BF sowie der familiären Anknüpfungspunkte dieser in Nigeria wird es nicht zu einer existentiellen Gefährdung der BF in Nigeria kommen. So können die Verwandten der BF diese zumindest bei der Unterkunftsfindung unterstützen. Sie haben auch mit ihrer Reise nach Europa und ihren Aufenthalten in verschiedenen Ländern bewiesen, dass sie im Stande sind, für ihre existenziellen Bedürfnisse zu sorgen. Sie sprechen Englisch und Ibo und sie sind mit den Umständen am Arbeitsmarkt sowie mit den gesellschaftlichen, religiösen und kulturellen Verhältnissen ihres Herkunftsstaates vertraut. Es ist somit kein Grund ersichtlich, weshalb sie ihren Lebensunterhalt nach ihrer Rückkehr nicht durch die Aufnahme einer adäquaten Hilfstätigkeit oder Gelegenheitsarbeiten bestreiten können sollten bzw. weshalb sie im Falle der Rückkehr nicht eine staatliche oder private Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen könnten.
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.
Letztlich war zu berücksichtigen, dass die BF den vom erkennen Gericht getroffenen Feststellungen und Erwägungen zur Zumutbarkeit und Möglichkeit der Rückkehr nach Nigeria nicht substantiiert entgegengetreten ist und in weiterer Folge auch nicht dargelegt habe, wie sich eine Rückkehr in den Herkunftsstaat konkret auf ihre individuelle Situation auswirken würde, insbesondere inwieweit die BF durch die Rückkehr einem realen Risiko einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wären.
Auf Grund der eben dargelegten Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Herkunftsstaat erübrigt sich eine weitere Prüfung hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen gemäß §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 AsylG 2005.
Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würden die BF somit nicht in Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention - EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden. Weder droht im Herkunftsstaat durch direkte Einwirkung noch durch Folgen einer substanziell schlechten oder nicht vorhandenen Infrastruktur ein reales Risiko einer Verletzung der oben genannten von der EMRK gewährleisteten Rechte. Dasselbe gilt für die reale Gefahr, der Todesstrafe unterworfen zu werden.
Auch Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für die BF als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.
Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass den BF in Nigeria keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention droht. Daher waren die Beschwerden gegen Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 als unbegründet abzuweisen.
3.4. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005:
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass das BFA unter Zitierung des § 57 AsylG 2005 zwar ausgesprochen hat, dass ein Aufenthaltstitel „aus berücksichtigungswürdigen Gründen“ gemäß § 57 AslG 2005 nicht erteilt werde, dass sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheides jedoch unzweifelhaft ergibt, dass das BFA tatsächlich rechtsrichtig über eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005 abgesprochen und eine solche nicht erteilt hat.
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war den BF daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerden waren daher auch hinsichtlich des Spruchpunktes III. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 57 AsylG abzuweisen.
3.5. Zur Rückkehrentscheidung 2005:
Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz (dem AsylG) mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.
Gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt.
Gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, wenn dadurch in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind insbesondere die in § 9 Abs. 2 Z 1 bis 9 BFA-VG aufgezählten Gesichtspunkte zu berücksichtigen (die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration, die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts, die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist).
Nachdem der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen war, hat sich das BFA zutreffend auf § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gestützt.
Zu prüfen ist daher, ob die vom BFA verfügten Rückkehrentscheidungen mit Art 8 EMRK vereinbar sind, weil sie nur dann zulässig wären und nur im verneinenden Fall ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG überhaupt in Betracht käme. Die Vereinbarkeit mit Art 8 EMRK ist aus folgenden Gründen gegeben:
Die vorliegenden Asylverfahren erreichten (gerechnet von der Antragstellung am 16.02.2023) zwar eine gewisse, auch auf Verzögerungen zurückgehende Dauer. Der eineinhalb Jahre dauernde Aufenthalt der BF beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb diese während der gesamten Dauer des Aufenthaltes in Österreich ohnehin nicht darauf vertrauen durfte, dass sie sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen können.
Wie bereits unter den Feststellungen konstatiert wurde, haben die BF, abgesehen von einander, keine Verwandten oder sonstige nahen Angehörigen in Österreich. Beide BF sind von der aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht der BF auf Schutz des Familienlebens.
Hinsichtlich der seit Februar 2024 bestehenden Beziehung der BF1 mit einem österreichischen Staatsangehörigen, mit welchem ein gemeinsamer Haushalt besteht, ist anzumerken, dass diese zu einem Zeitpunkt eingegangen wurde, als den Beteiligten der unsichere rechtliche Status der BF1 bekannt sein musste, zumal ihr Antrag auf internationalen Schutz bereits mit Bescheid vom 02.02.2024 abgewiesen wurde. Aufgrund dieser Abweisung durften daher beide Betroffenen nicht mehr darauf vertrauen, dass die BF1 in Österreich zum Aufenthalt berechtigt werden würde. Aufgrund des Eingehens der Beziehung trotz auf vorübergehender Basis fußenden Aufenthaltsstatus kann eine Verletzung von Art 8 EMRK nicht bejaht werden. Zudem wurde ein besonderes Beziehungs-, Pflege- oder Abhängigkeitsverhältnis auch nicht geltend gemacht. Es ist vorliegend auch zumutbar, dass die BF1 die Beziehung zu ihrem Freund künftig via elektronischen Medien und dem Internet aufrechterhält, abgesehen von der grundsätzlichen Möglichkeit wechselseitiger Besuche.
Des Weiteren wäre ein etwaiger Eingriff in das sonstige Privatleben der BF zu prüfen. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).
Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (siehe etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts der kurzen Dauer des Inlandsaufenthaltes von eineinhalb Jahren davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der BF das Interesse an der Achtung ihres Privatlebens überwiegt. Es wird nicht verkannt, dass der die BF am Arbeitsmarkt integriert sind, der BF2 sogar selbsterhaltungsfähig ist, die BF auch Deutschkurse besucht sowie Bekanntschaften geschlossen haben und gemeinnützige Tätigkeiten für die Stadt verrichtet haben, jedoch kann dennoch nicht von einem maßgeblichen und überdurchschnittlichen Grad an Integration gesprochen werden, der ihren persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde und haben die BF bis dato keine Deutschprüfung bestanden.
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, dass der Ausübung einer Beschäftigung sowie einer etwaigen Einstellungszusage eines Asylwerbers, der lediglich über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz und über keine Arbeitserlaubnis verfügt hat, keine wesentliche Bedeutung zukommt (VwGH 22.02.2011, 2010/18/0323 mit Hinweis auf VwGH 15.09.2010, 2007/18/0612 und 29.06.2010, 2010/18/0195 jeweils mwN).
Angesichts der kurzen Aufenthaltsdauer der BF von eineinhalb Jahren, einer fehlenden nachhaltigen Integration sowie des Umstandes, dass sie in Österreich kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben führen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihre privaten Interessen an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen.
Es sind - unter der Schwelle des Art. 2 und 3 EMRK – aber auch die Verhältnisse im Herkunftsstaat unter dem Gesichtspunkt des Privatlebens zu berücksichtigen, so sind etwa Schwierigkeiten beim Beschäftigungszugang oder auch Behandlungsmöglichkeiten bei medizinischen Problemen bzw. eine etwaigen wegen der dort herrschenden Verhältnisse bewirkte maßgebliche Verschlechterung psychischer Probleme auch in die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorzunehmende Interessensabwägung nach § 9 BFA-VG miteinzubeziehen (vgl. dazu VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119). Eine diesbezüglich besonders zu berücksichtigende Situation liegt jedoch im Fall der BF nicht vor.
Da die BF gemeinsam von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme betroffen sind, ist eine gemeinsame Rückkehr nach Nigeria und die gegenseitige Unterstützung möglich. Darüber hinaus wird es den BF möglich sein, auf ihre familiären Anknüpfungspunkte in Nigeria zurückzugreifen und dabei die erforderliche Unterstützung zur Reintegration zu erhalten.
Dem allenfalls bestehenden Interesse der BF an einem Verbleib in Österreich (bzw. Europa) stehen öffentliche Interessen gegenüber. Ihnen steht das öffentliche Interesse daran gegenüber, dass das geltende Migrationsrecht auch vollzogen wird, indem Personen, die ohne Aufenthaltstitel aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs. 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die privaten Interessen der BF am Verbleib in Österreich.
Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung kann daher nicht im Sinne von § 9 Abs. 2 BFA-VG als unzulässig angesehen werden, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (z.B. vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs. 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Die BF verfügen auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerden erweisen sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich des Spruchpunktes IV. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs. 2 Z 2 FPG abzuweisen waren.
3.6. Zum Ausspruch, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist:
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist. Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder 3 EMRK oder deren 6. Bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Gemäß § 50 Abs. 2 FPG ist die Abschiebung in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Nach § 50 Abs 3 FPG ist die Abschiebung unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Im vorliegenden Fall liegen keine Gründe vor, wonach die Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig wäre.
Ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ist ausgeschlossen. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. dazu etwa VwGH, 16.12.2015, Ra 2015/21/0119 und auch die Beschlüsse VwGH 19.02.2015, Ra 2015/21/0005, 30.06.2015, Ra 2015/21/0059 - 0062, und 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig im Sinne des § 50 Abs. 2 FPG, da den BF keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte der Abschiebung entgegen.
Die in den angefochtenen Bescheiden getroffenen Feststellungen der Zulässigkeit der Abschiebung nach Nigeria erfolgte daher zu Recht.
Die Beschwerden erweisen sich daher insoweit als unbegründet, dass sie hinsichtlich Spruchpunkt V. der angefochtenen Bescheide gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 52 Abs. 9 FPG abzuweisen waren.
3.7. Zur Frist für die freiwillige Ausreise:
Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Die BF führten weder im Verfahren vor dem BFA noch im Beschwerdeverfahren besondere Umstände im Hinblick auf einen Regelungsbedarf ihrer persönlichen Verhältnisse ins Treffen, die dem Ausspruch einer Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides entgegenstünden. Solche sind auch amtswegig nicht hervorgetreten. Es ist daher für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen festzulegen.
Insofern waren die Beschwerden auch gegen Spruchpunkt IV. als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.
Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.