JudikaturBVwG

G307 2294989-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
06. August 2024

Spruch

G307 2294987-1/4E

G307 2294988-1/4E

G307 2294989-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerde 1. der XXXX , geboren am XXXX , 2. der XXXX , geboren am XXXX , sowie 3. des XXXX , geboren am XXXX , alle StA.: Serbien, die Zweitbeschwerdeführerin gesetzlich vertreten durch die Schwester, XXXX , geboren am XXXX , alle rechtlich vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) Gesellschaft mbH in 1020 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.05.2024, Zahlen, XXXX , XXXX und XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerden werden hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis V. der angefochtenen Bescheide als unbegründet abgewiesen.

II. Den Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte VII. der angefochtenen Bescheide wird stattgegeben und gemäß § 55 Abs. 1 und 2 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1) ist die Schwester und gesetzliche Vertreterin der Zweitbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF2). Der Drittbeschwerdeführer (im Folgenden: BF3) ist der Vater der BF1 und BF2.

2. Die BF reisten spätestens am 02.06.2023 in das Bundesgebiet ein und stellten am 05.06.2023 die verfahrensgegenständlichen Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes im Bundesgebiet.

3. Am 08.06.2023 Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die polizeiliche Erstbefragung der BF1 und des BF3 statt.

4. Am 13.09.2024 wurden die BF1 und der BF3 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion XXXX , niederschriftlich einvernommen.

5. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des BFA, der BF1 zugestellt am 03.06.2024 bzw. dem BF3 zugestellt am 31.05.2024, wurden die Anträge der BF auf Gewährung internationalen Schutzes sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.), als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Serbien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt V.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1, 2 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VI.) und gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VII.).

6. Mit Schreiben vom 28.06.2024, beim BFA eingebracht am selben Tag, erhoben die BF durch die angeführte Rechtsvertretung (im Folgenden: RV) Beschwerden gegen die im Spruch genannten Bescheide an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurde beantragt, die Bescheide zu beheben und zur Ergänzung an die belangte Behörde zurückzuverweisen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen, falls nicht alle zu Lasten der BF gehenden Rechtswidrigkeiten der angefochtenen Bescheide in den Beschwerden geltend gemacht wurden, diese von Amts wegen aufzugreifen, festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist und festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG vorliegen und den BF daher gemäß § 58 Abs. 2 AsylG eine Aufenthaltsberechtigung von Amts wegen zu erteilen sei, in eventu festzustellen, dass die Abschiebung nach Serbien unzulässig sei. Die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde angeregt.

7. Die gegenständlichen Beschwerden und die zugehörigen Verwaltungsakte wurden dem BVwG vom BFA am 01.07.2024 vorgelegt, wo sie am 05.07.2024 einlangten.

8. Mit Teilerkenntnis des BVwG vom 08.07.2024, Zahlen G307 2294987-1/3Z, 2294988-1/3Z und G307 2294989-1/3, wurde den Beschwerden gegen die Spruchpunkte VI. der Bescheide stattgegeben und diesen gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu den einzelnen BF:

1.1.1. BF1 ist die Schwester und gesetzliche Vertreterin der BF2. BF3 ist der Vater von BF1 und BF2.

Die BF führen die im Spruch angegebenen Identitäten (Namen und Geburtsdatum), wurden in Serbien geboren und sind serbische Staatsangehörige. Ihre Muttersprache ist Serb(okroat)isch. Sie gehören der Volksgruppe der Roma an und bekennen sich zum christlich-orthodoxen Glauben.

1.1.2. BF1 ist grundsätzlich gesund, arbeitsfähig, ledig und kinderlos. Sie besuchte in Serbien acht Jahre die Grundschule und hat im Herkunftsstaat die Ausbildung zur landwirtschaftlichen Produzentin (drei Jahre Landwirtschaftsschule) absolviert. BF1 war – abgesehen von ihrer ehrenamtlichen Tätigkeit in Serbien als Minderheitenbeauftragte – bis dato nie erwerbstätig.

Eigenen Angaben zu Folge leidet BF1 an einem Magengeschwür, gegen welches sie in Serbien Antibiotika einnahm und das im August 2023 hätte operiert werden sollen. Weiters habe sie Kreuzschmerzen, sei diesbezüglich in Serbien wie im Jänner 2023 drei Mal von einem Orthopäden in Wien behandelt worden. Diesbezüglich wurden keine medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht.

1.1.3. BF2 ist ebenfalls ledig, kinderlos und war bisher nie erwerbstätig. Sie leidet an Trisomie 21 (Down-Syndrom), nimmt Beruhigungs- und Schlafmittel ein und ist auf ständige Pflege und Betreuung angewiesen. BF2 hat in Serbien keine Schule besucht, war jedoch zumindest kurzzeitig in einer Einrichtung für Kinder mit Entwicklungsstörung untergebracht.

1.1.3. BF3 ist geschieden, besuchte im Herkunftsstaat acht Jahre die Grundschule und war im Herkunftsstaat jahrelang als Verlader und Installateur erwerbstätig. Er bezieht aktuell eine Pension aus Serbien.

Der BF3 leidet Multipler Sklerose, Diabetes sowie Thrombose und steht in medikamentöser Behandlung.

1.1.4. Die BF reisten am 01.06.2023 legal, unter Verwendung ihrer serbischen Reisepässe mit dem Bus von Serbien nach Ungarn. Von dort aus gelangten sie in das Bundesgebiet, wo sie am 05.06.2023 die gegenständlichen Asylanträge stellten. Seither halten sie sich durchgehend im Bundesgebiet auf.

Aus dem serbischen Reisepass der BF1 ist ein Einreisestempel in den Schengenraum via Ungarn vom 12.01.2023 und ein Ausreisestempel vom 06.02.2023 ersichtlich.

In den serbischen Reisepässen der BF2 und BF3 scheint jeweils ein Einreisestempel in den Schengenraum via Ungarn vom 01.06.2023 auf.

1.2. Zu den Fluchtgründen der BF:

1.2.1. Es war nicht feststellbar, dass die BF aufgrund der politischen Tätigkeit der BF1 in Serbien durch Privatpersonen bedroht oder verfolgt wurden.

Die BF haben Serbien aus wirtschaftlichen Gründen, zur Erlangung (besserer) medizinischer Behandlung sowie wegen der von der serbischen Bevölkerung gegenüber Zugehörigen zur Volksgruppe der Roma allgemein entgegengebrachten Diskriminierung und der geplanten Unterbringung der BF2 in einer Einrichtung für Menschen mit Beeinträchtigungen verlassen. Die BF haben Serbien daher aus persönlichen, gesundheitlichen und wirtschaftlichen Gründen verlassen.

1.2.2. Es wird festgestellt, dass die BF in ihrem Heimatstaat keiner asylrelevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt sind und sie eine solche, im Falle einer Rückkehr, nicht zu befürchten haben.

Der BF hatten mit den Behörden des Herkunftsstaates weder auf Grund ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwelche Probleme.

1.3. Zur Rückkehrsituation der BF in ihrem Herkunftsland:

1.3.1. Im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat droht den BF kein reales Risiko einer Verletzung der Art. 2 oder 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention.

Fest steht, dass die BF in Serbien keiner sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen wären sowie im Falle ihrer Rückkehr in keine existenzgefährdende Notsituation gerieten oder als Zivilpersonen keiner ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen Konfliktes ausgesetzt wären.

1.3.2. Die BF leiden an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung im Endstadium, die in Serbien nicht behandelbar wäre. Wie bereits festgestellt, ist die BF1 gesund und arbeitsfähig. BF2 und der BF3 leiden an den oben genannten Erkrankungen und stehen in medizinischer Behandlung. BF2 und der BF3 wurden bereits im Herkunftsstaat medizinisch behandelt. Außergewöhnliche Gründe, die eine Rückkehr der BF ausschlössen, bestehen nicht.

1.3.3. Eine volljährige Schwester der BF1 und BF2 bzw. Tochter des BF3, ein Onkel der BF1 und BF2 bzw. Bruder des BF3 und der Großvater der BF1 und BF2 bzw. Vater des BF3 leben mit ihrer Familie im Herkunftsstaat. Die BF haben telefonischen Kontakt zu ihren Angehörigen in Serbien.

Die BF lebten im Herkunftsstaat gemeinsam in dem im Eigentum des Großvaters der BF1 und BF2 bzw. Vaters des BF3 stehenden Haus. Die BF bestritten im Herkunftsstaat ihren Lebensunterhalt durch die Erwerbstätigkeit sowie dem Pensionsbezug des BF3 und dem Pflegegeld für die BF2.

Die BF können bei einer Rückkehr nach Serbien wieder im Haus des Großvaters bzw. Vaters leben und ihren Lebensunterhalt weiterhin durch den Pensionsbezug des BF3, dem Pflegegeldbezug der BF2 sowie durch die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die BF1 oder den BF3 sowie durch die Unterstützung ihrer Angehörigen bestreiten.

1.4. Zum (Privat-)Leben der BF in Österreich:

1.4.1. Die BF gingen in Österreich bis dato keiner legalen Beschäftigung nach, sind nicht selbsterhaltungsfähig, beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und sind in einer Bundesbetreuungseinrichtung untergebracht.

Die BF sprechen kein Deutsch, haben keinen Deutschkurs besucht, sind weder Mitglied in einem Verein noch in einer sonstigen Organisation und nehmen nicht am gesellschaftlichen Leben in Österreich teil. Sie verfügen weder über Barmittel, noch Ersparnisse oder sonstige Vermögenswerte.

Die BF habe eigenen Angaben zu Folge keinerlei Bindungen zum Bundesgebiet. Auch sonst konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer tiefgreifenden Integration der BF in beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden.

1.4.2. Die Mutter der BF1 und BF2 bzw. Exfrau des BF3, XXXX , geb. XXXX , lebt seit dem Jahr 2003 im Bundesgebiet. Die BF haben keinen Kontakt zu dieser.

Ansonsten leben keine Angehörigen der BF in Österreich.

1.4.3. Die BF sind im Bundesgebiet strafgerichtlich unbescholten.

1.5. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Gemäß § 1 Z 6 HStV (Herkunftsstaaten-Verordnung, BGBl. II Nr. 177/2009 idF BGBl. II Nr. 129/2022) gilt Serbien als sicherer Herkunftsstaat.

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom BFA herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Serbien, Version 5 vom 16.01.2024, gekürzt wiedergegeben:

Politische Lage

Letzte Änderung 2024-01-12 13:36

Serbien ist eine parlamentarische Demokratie mit kompetitiven Mehrparteienwahlen, aber in den letzten Jahren hat die regierende Serbische Fortschrittspartei (SNS) die politischen Rechte und bürgerlichen Freiheiten kontinuierlich eingeschränkt und Druck auf unabhängige Medien, die politische Opposition und zivilgesellschaftliche Organisationen ausgeübt (FH 10.3.2023; vgl. LPB o.D.). Seit Jahren wird im Land immer wieder gegen den autokratischen Regierungsstil von Präsident Vučić demonstriert. Die Opposition in Serbien ist schwach und zersplittert (LPB o.D.).

Die 250 Abgeordneten des Parlaments werden für vier Jahre gewählt. Der Präsident wird für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt und die Amtszeit des Präsidenten ist auf maximal zwei Amtsperioden begrenzt (OSZE 29.12.2021).

Die Volksvertretung der Republik Serbien ist ein Einkammerparlament (Narodna Skupština, 250 Abgeordnete). Der aktuelle Staatspräsident Aleksandar Vučić verfügt über eine sehr starke Stellung gegenüber Parlament und Regierung und hat de facto ein Präsidialsystem geschaffen. Strategisches Ziel Serbiens ist der Beitritt zur EU. Gleichzeitig pflegt Serbien seine engen Beziehungen zu China und Russland, auch wenn die serbische Regierung Letztere seit dem völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine auf den Prüfstand stellt. 2007 hat sich Serbien durch Parlamentsbeschluss zur militärischen Neutralität verpflichtet. Serbien beteiligt sich am von der Bundesregierung 2014 initiierten Berlin-Prozess, der die regionale Kooperation, u. a. durch wirtschaftliche Zusammenarbeit vertieft. Haupthindernis bleibt die aus serbischer Sicht ungelöste Kosovo-Frage: Nachdem Serbien den sogenannten Ahtisaari-Plan im Rahmen einer internationalen Vermittlung abgelehnt hatte, erklärte die Republik Kosovo am 17.2.2008 ihre Unabhängigkeit von Serbien. Serbien betrachtet „Kosovo und Metochien“ gemäß Verfassung von 2006 weiter als autonome serbische Provinz. Maßgebliches Verhandlungsformat für eine umfassende Normalisierung des Verhältnisses ist der Normalisierungsdialog zwischen Kosovo und Serbien, in dem der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) seit 2011/13 vermittelt. Seit 2.4.2020 gibt es einen Sonderbeauftragten für den Normalisierungsdialog (AA 9.10.2023).

Am 3.4.2022 fanden in Serbien u. a. Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen statt. Die von der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) geführte Liste „Aleksandar Vučić - Gemeinsam können wir alles schaffen“ gewann die Parlamentswahlen mit 42,9 % der Stimmen. Die Präsidentschaftswahlen gewann Aleksandar Vučić mit 58,8 % (KAS 5.2022; vgl. BPB 5.4.2022). Aufgrund von Beschwerden ordnete die Republikanische Wahlkommission (RIK) eine Wiederholung der Präsidentschaftswahlen in 54 Wahllokalen und der Parlamentswahlen in 35 Wahllokalen an (KAS 5.2022). Eine Delegation der Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) hat bei den Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Serbien am 3.4.2022 eine Reihe von Unregelmäßigkeiten und Defiziten im gesamten Wahlprozess festgestellt (Euractiv 21.6.2022; vgl. OSCE 2022).

Der serbische Präsident Aleksandar Vučić, dem vorgeworfen wird mit autoritären Methoden zu regieren und über Vertraute Medien, Justiz und Verwaltung größtenteils zu kontrollieren, löste im Herbst 2023 das Parlament auf und setzte für den 17.12.2023 vorgezogene Wahlen an. Vorgezogene Neuwahlen sind in Serbien häufig (Zeit 13.10.2023; vgl. EN 4.11.2023; DS 1.11.2023). Die SNS von Präsident Vučić gewann die Wahl deutlich mit 46 % der Stimmen. Damit hätte sie mit 128 von 250 Mandaten eine absolute Mehrheit in der Volksversammlung (Skupstina) erreicht (FR 18.12.2023). Eine internationale Beobachtermission aus Vertretern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), des EU-Parlaments und des Europarats stellte eine Reihe von Unregelmäßigkeiten fest, darunter Fälle von Gewalt, Stimmenkauf und gefälschte Stimmzettel (Zeit 18.12.2023; vgl. DS 18.12.2023; FR 18.12.2023).

Die Premierministerin Brnabić (SNS) wurde nach Neuwahlen am 21.6.2020, am 3.4.2022 und am 26.10.2022 bereits zum dritten Mal im Amt bestätigt. Ihre Regierung bekennt sich weiterhin zum EU-Kurs des Landes, betont aber auch ein gutes Verhältnis zu Russland und China (AA 11.8.2023).

Am 21.1.2014 wurden EU-Beitrittsverhandlungen mit Serbien aufgenommen (AA 11.8.2023). Der EU‐Fortschrittsbericht vom 12.10.2022 konstatiert – wie auch in den Jahren davor – nur mäßige Ergebnisse Serbiens in der Annäherung an den EU Aquis (ER-REU 18.1.2023; vgl. VB 14.4.2023).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (9.10.2023): Serbien: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/politisches-portraet/207554?view=, Zugriff 12.12.2023

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 12.12.2023

BPB – Bundeszentrale für politische Bildung (5.4.2022): Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Serbien 2022, https://www.bpb.de/kurz-knapp/hintergrund-aktuell/506842/parlaments-und-praesidentschaftswahlen-in-serbien-2022/#node-content-title-1, Zugriff 12.12.2023

DS – Der Standard (18.12.2023): Regierungspartei SNS von Präsident Vučić bei Wahl in Serbien an erster Stelle, https://www.derstandard.at/story/3000000200072/sns-laut-laut-eigenen-angaben-klaren-wahlsieg-in-serbien, Zugriff 18.12.2023

DS – Der Standard (1.11.2023): Präsident Vučić löste serbisches Parlament auf und beraumt Neuwahlen an, https://www.derstandard.at/story/3000000193392/praesident-vucic-loeste-serbisches-parlament-auf-und-beraumt-neuwahlen-an

EN – Euronews (4.11.2023): Serbische pro-europäische Opposition bildet Bündnis vor Neuwahlen, https://de.euronews.com/2023/11/04/serbische-pro-europaische-opposition-bildet-bundnis-vor-neuwahlen, Zugriff 12.12.2023

ER-REU – Europäischer Rat – Rat der Europäischen Union (18.1.2023): Serbien, https://www.consilium.europa.eu/de/policies/enlargement/serbia/, Zugriff 12.12.2023

Euractiv (21.6.2022): Europarat stellt Mängel im serbischen Wahlprozess fest, https://www.euractiv.de/section/innenpolitik/news/europarat-stellt-maengel-im-serbischen-wahlprozess-fest/?_ga=2.74845975.480487687.1678175876-378562376.1676973570, Zugriff 12.12.2023

FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 – Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088554.html, Zugriff 12.12.2023

FR – Frankfurter Rundschau (18.12.2023): Wahl in Serbien: Hinweise auf Betrug – Russland und Ungarn gratulieren, https://www.fr.de/politik/umfragen-wahl-serbien-vucic-rechtspopulisten-sns-europa-eu-russland-ergebnisse-manipulation-betrug-zr-92732896.html, Zugriff 12.12.2023

KAS – Konrad Anenauer-Stiftung (5.2022): Parlamentswahlen in Serbien 2022, https://www.ecoi.net/en/file/local/2078732/Parlamentswahlen+in+Serbien+2022.pdf, Zugriff 12.12.2023

LPB – Landeszentrale für politische Bildung Baden-Wütemberg (o.D.): Infoportal östliches Europa, Politisches System und aktuelle Politik in Serbien, https://osteuropa.lpb-bw.de/serbien-politisches-system, Zugriff 12.12.2023

OSZE – Organization for Security and Co-operation in Europe (2022): International Election Observation Mission, Republic of Serbia – Presidential and Early Parliamentary Elections, 3 April 2022, https://www.osce.org/files/f/documents/f/1/515177.pdf, Zugriff 12.12.2023

OSZE - Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (29.12.2021): Serbia, Presidential and Early Parliamentary Elections, 3 April 2022: Needs Assessment Mission Report, https://www.osce.org/files/f/documents/9/0/509426.pdf, Zugriff 15.4.2022

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Zeit (18.12.2023): Tausende demonstrieren in Belgrad gegen Wahlverlauf in Serbien, https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-12/serbien-wahl-vucic-sns-demonstration, Zugriff 19.12.2023

Zeit (13.10.2023): Serbiens Präsident kündigt Neuwahl an, https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-10/serbien-aleksandar-vucic-neuwahl-proteste-kosovo, Zugriff 12.12.2023

Sicherheitslage

Letzte Änderung 2024-01-12 15:00

Die politische Lage ist stabil (AA 1.12.2023; vgl. EDA 6.6.2023). Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Serbien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2023).

Zwei Amokläufe im Mai 2023 mit 18 Toten haben wöchentliche Demonstrationen gegen die Regierung ausgelöst. Die Menschen werfen den von Vučić kontrollierten Medien vor, im Lande ein Klima des Hasses und der Gewaltverherrlichung zu schüren (MDR 6.11.2023; vgl. Zeit 4.6.2023; Merkur 13.10.2023).

Als Reaktion auf die beiden Amokläufe hat Präsident Vučić eine Verschärfung des Waffenrechtes angekündigt. Eine 30‐tägige Amnestie bei freiwilliger Abgabe von illegalen Waffen und Sprengmittel wurden verfügt (VB 5.12.2023).

Darüber hinaus löste Vučić das Parlament im Herbst 2023 auf und kündigte für Dezember 2023 vorgezogene Wahlen an. Diese fanden am 17.12.2023 statt (DS 1.11.2023; vgl. MDR 6.11.2023; DS 18.12.2023). Die serbischen Oppositionsparteien und zivilgesellschaftlichen Organisationen setzten am 28. Oktober 2023 ihre wöchentlichen Proteste gegen die Regierung und gegen Gewalt im Land fort, nachdem sie sich auf die Teilnahme an den vorgezogenen Wahlen im Dezember 2023 auf einer gemeinsamen Liste geeinigt hatten (VB 5.12.2023; vgl. MDR 6.11.2023)

Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u. a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus (AA 11.8.2023).

In der teils mehrheitlich von der albanischen Volksgruppe bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien im Preševo-Tal (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil. Die albanische Bevölkerung Südserbiens orientiert sich teils stark nach Kosovo. Mitunter wird über etwaige Grenzanpassungen spekuliert, die das Gebiet betreffen würden (AA 11.8.2023).

Die Beziehungen Serbiens zu seinen Nachbarn sind nach wie vor angespannt (BICC 7.2023).

Zwischen Serbien und dem Kosovo schwelt seit der einseitigen Unabhängigkeitserklärung ein offener Grenzkonflikt (BICC 7.2023; vgl. AA 1.12.2023; EDA 6.6.2023). Die Spannungen halten bis heute an und führen trotz der Bemühungen seitens der EU um eine Beilegung der Streitigkeiten, immer wieder zum Aufflammen des Konflikts wie jüngst im Streit um Autokennzeichen und Ausweispapiere oder im Falle von bewaffneten Auseinandersetzungen im Dezember 2022 oder im Laufe des Jahres 2023. Aktuell wirft die kosovarische Regierung der serbischen Armee vor, Militär und Polizeieinheiten entlang der Grenze zum Kosovo verlegt zu haben. Auch die USA beobachteten eine neuerliche große Militärpräsenz Serbiens an den Grenzen zum Kosovo und forderten die serbische Regierung auf, ihre dort stationierten Truppen abzuziehen (LPB o.D.a; vgl. LPD o.D.b). Zu diesem Spannungs- und Konfliktpotenzial kommt die Befürchtung von vermehrten russischen hybriden Destabilisierungsversuchen im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine (B90 26.5.2023).

Zwischen Serbien und Kroatien gab es gleichfalls ungelöste Grenzfragen. Nach kontinuierlicher Verbesserung der Beziehung zwischen den beiden Ländern konnte im Juni 2016 ein als historisch bezeichneter Pakt beschlossen werden, durch den die Grenzkonflikte beigelegt wurden und den jeweiligen Minderheiten in den Ländern mehr Rechte zugesprochen werden sollen. Die Beziehung gilt jedoch weiterhin als angespannt und die langfristige Anerkennung der Einigung als ungewiss (BICC 7.2023).

Bosnien und Herzegowina und Serbien streiten sich ebenfalls über ungelöste Grenz- und Territorialfragen entlang der Flüsse Drina und Lim. Serbien hat einen Landtausch vorgeschlagen, eine Einigung konnte aber noch nicht gefunden werden (BICC 7.2023).

Im Zusammenhang mit den Migrationsbewegungen nach Europa kam es vermehrt auch zu Spannungen zwischen Ungarn und Serbien (BICC 7.2023).

Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands der EU unter anderem im Bereich Sicherheit erreicht. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei (EK 12.10.2022).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt (1.12.2023): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 13.12.2023

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

B90 - Bündnis 90 (26.5.2023): Bundeswehr-Mandat für Kosovo wird verlängert, https://www.gruene-bundestag.de/themen/europa/bundeswehr-mandat-fuer-kosovo-wird-verlaengert, Zugriff 13.12.2023

BICC – Bonn International Center for Conversion (7.2023): Serbien - Länderinformationen zu den Europäischen Kriterien für Rüstungsexporte, https://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/serbien/2023_Serbien.pdf, Zugriff 13.12.2023

DS - Der Standard (18.12.2023): Regierungspartei SNS von Präsident Vučić bei Wahlen in Serbien an erster Stelle, https://www.derstandard.at/story/3000000200072/sns-laut-laut-eigenen-angaben-klaren-wahlsieg-in-serbien, Zugriff 13.12.2023

DS - Der Standard (1.11.2023): https://www.derstandard.at/story/3000000193392/praesident-vucic-loeste-serbisches-parlament-auf-und-beraumt-neuwahlen-an, Zugriff 13.12.2023

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (6.6.2023): Reisehinweise für Serbien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/serbien/reisehinweise-fuerserbien.html, Zugriff 13.12.2023

EK – Europäische Kommission (12.10.2022): Serbia 2022 Report [SWD(2022) 338], https://www.ecoi.net/en/file/local/2082847/Serbia+Report+2022.pdf, Zugriff 13.12.2023

LPD - Landeszentrale für politische Bildung (o.D.a.): Politisches System und aktuelle Politik in Serbien, https://osteuropa.lpb-bw.de/serbien-politisches-system, Zugriff 13.12.2023

LPD - Landeszentrale für politische Bildung (o.D.b.): Geschichte des Kosovo, https://osteuropa.lpb-bw.de/kosovo-geschichte, Zugriff 13.12.2023

Merkur (13.10.2023): „Wendepunkt“ in Serbien: Präsident Vučić kündigt nach massiven Protesten Neuwahlen an, https://www.merkur.de/politik/serbien-vucic-proteste-neuwahlen-kosovo-ukraine-balkan-zr-92575427.html, Zugriff 13.12.2023

MDR - Mitteldeutsche Rundfunk (6.11.2023): Superwahlen in Serbien: Eine Chance für die Opposition?, https://www.mdr.de/nachrichten/welt/osteuropa/politik/serbien-neuwahlen-chancen-opposition-100.html#sprung0, Zugriff 13.12.2023

Zeit (4.6.2023): Zehntausende in Belgrad demonstrieren erneut gegen die Regierung, https://www.zeit.de/politik/ausland/2023-06/serbien-belgrad-proteste-zehntausende, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (5.12.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Rechtsschutz / Justizwesen

Letzte Änderung 2024-01-15 14:02

Die Verfassung und die Gesetze sehen das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess vor, und die Justiz setzt dieses Recht im Allgemeinen durch (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023).

Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich Anzeige erstatten. Auch können entsprechende Beschwerden an die Institutionen des Ombudsmanns gerichtet werden. Darüber hinaus besteht auch für Personen, die sich an den Ombudsmann gewandt haben, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidrigem Verhalten der Sicherheitsbehörden an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden. Ohne Einschränkung haben in Serbien lebende Personen, unabhängig von Staatsbürgerschaft und Ethnie, den gleichen Zugang zu Justiz-, Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden. Rechtsmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen und gesetzlich verankert. Bei rechtswidrigem Verhalten wird gegen die Beamten Strafanzeige erstattet und/oder ein Disziplinarverfahren durchgeführt. Bei Übergriffen gegen Minderheiten (z. B. Roma oder Sinti) bestehen keine Ausnahme- oder Sonderregelungen. Sie sind wie alle anderen Staatsbürger vor dem Gesetz gleichgestellt (VB 14.4.2023).

Trotz verfassungsmäßiger und anderer gesetzlicher Bestimmungen zur Unabhängigkeit der Justiz berichten Aufsichtsgremien, internationale und nationale NGOs, dass die Justiz anfällig für Korruption und politische Einflussnahme ist (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023).

Darüber hinaus sind die Justiz- und Strafverfolgungsbehörden in Serbien nicht in der Lage, Korruptionsfälle auf hoher Ebene neutral und operativ unabhängig zu untersuchen und zu verfolgen. Zu den Haupthindernissen in diesem Bereich gehören das durchsetzungsstarke Vorgehen der Regierung und Handlungsspielraum der Gerichtspräsidenten und Leiter der Staatsanwaltschaften bei der Arbeit der einzelnen Richter und stellvertretenden Staatsanwälten (OCI 2023). Regierungsbeamte und Parlamentsabgeordnete äußerten sich weiterhin öffentlich zu laufenden Ermittlungen, Gerichtsverfahren oder zur Arbeit einzelner Richter und Staatsanwälte. Dadurch entsteht der Eindruck der politischen Einflussnahme auf die Gerichte (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023; OCI 2023). Akteure des Privatsektors genießen je nach ihren Beziehungen zu hochrangigen PolitikerIn häufig Schutz vor Gericht, da sie entweder das Gerichtsverfahren in die Länge ziehen oder günstige Gerichtsentscheidungen erwirken (OCI 2023).

Dennoch waren in den letzten Jahren einige Fortschritte zu verzeichnen, da der Rückstand bei den Vollstreckungsverfahren abgebaut und Mechanismen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis eingeführt wurden. Darüber hinaus wurden die operativen Kapazitäten der Sonderstaatsanwaltschaft durch Schulungen und maßgeschneiderte Lehrpläne gestärkt, die hauptsächlich von internationalen Organisationen wie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSCE) finanziert wurden, sowie durch die internationale Zusammenarbeit mit Eurojust (OCI 2023).

Nach einer Volksabstimmung im Jahr 2021 wurden vom Nationalparlament im Februar 2022 Verfassungsänderungen verabschiedet, mit denen diverse Aspekte des Justizwesens an die EU-Standards angepasst wurden. Die Änderungen sehen beispielsweise vor, dass die Richter und Staatsanwälte nicht mehr vom Parlament, sondern vom Hohen Justizrat und vom Hohen Rat der Staatsanwälte gewählt werden. Darüber hinaus beinhalten sie die Umbenennung des Obersten Kassationsgerichts in Oberster Gerichtshof. Gewählt wurden außerdem auch der Vorsitzende und die Mitgliedern der Republikanischen Wahlkommission (RIK), sowie 29 stellvertretende Staatsanwälte und 16 Richter (B92.net 9.2.2022; vgl. SN 16.1.2022; EK 12.10.2022). Kritiker bemängeln, dass die Reform nicht weit genug gehe, um eine wirklich unabhängige Justiz zu schaffen (EN 17.1.2022; vgl. USDOS 20.3.2023).

Das Humanitarian Law Center, eine NGO zur Überwachung von Kriegsverbrechen, stellte im Mai 2022 veröffentlichten Jahresbericht über Kriegsverbrecherprozesse im Land fest, dass das Büro des für Kriegsverbrechen zuständigen Staatsawaltes (OWCP) untätig war. Die regionale Zusammenarbeit bei der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen bleibt begrenzt. Die Regierung setzte die Umsetzung ihrer nationalen Strategie für Verfolgung von Kriegsverbrechen 2021-2026 fort; internationale und nationale Überwachungsgremien berichteten jedoch, dass die Schnelligkeit und der Umfang der Ermittlungen und Strafverfolgungen unzureichend sind. Die Behörden bieten verurteilten oder mutmaßlichen Kriegsverbrechern weiterhin Unterstützung und öffentlichen Raum und reagieren nur langsam auf Hassrede oder auf die Leugnung von Kriegsverbrechen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die andauernde Verherrlichung von Kriegsverbrechern und historischem Revisionismus in Bezug auf die Konflikte der 1990er-Jahre im ehemaligen Jugoslawien (USDOS 20.3.2023; vgl. AI 27.3.2023).

Quellen:

AI – Amnesty International (27.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; The State of the World's Human Rights; Serbia 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089601.html, Zugriff 13.12.2023

B92.net - serbische Online Tageszeitung (9.2.2022): Promenjen Ustav Srbije (Änderung der serbischen Verfassung), https://www.b92.net/info/vesti/index.php?yyyy=2022 mm=02 dd=09 nav_category=11 nav_id=2102704, Zugriff 13.12.2023

EK – Europäische Kommission (12.10.2022): Serbia 2022 Report [SWD(2022) 338], https://www.ecoi.net/en/file/local/2082847/Serbia+Report+2022.pdf, Zugriff 13.12.2023

EN - Euronews (17.1.2023): Schritt Richtung EU: Mehrheit in Serbien für unabhängigere Justiz, https://de.euronews.com/2022/01/17/schritt-richtung-eu-mehrheit-in-serbien-fur-unabhangigere-justiz, Zugriff 13.12.2023

FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Serbia, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088554.html, Zugriff 13.12.2023

SN - Salzburger Nachrichten (16.1.2022): Referendum in Serbien: Mehrheit für Verfassungsänderungen, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/referendum-in-serbien-mehrheit-fuer-verfassungsaenderungen-115592035, Zugriff 13.12.2023

OCI – Organized Crime Index (2023): Serbia, https://ocindex.net/assets/downloads/2023/english/ocindex_profile_serbia_2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

USDOS – US Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089125.html, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Sicherheitsbehörden

Letzte Änderung 2024-01-15 14:08

Die Tätigkeit der Polizei (Aufsicht des Innenministeriums), des Sicherheitsdienstes und der Streitkräfte (Verteidigungsministerium) erfolgen auf rechtsstaatlicher Basis und sind gesetzlich geregelt (AA 11.8.2023; vgl. USDOS 20.3.2023). Ohne Einschränkung haben in Serbien lebende Personen, unabhängig von Staatsbürgerschaft und Ethnie, den gleichen Zugang zu Justiz-, Verwaltungs- und Sicherheitsbehörden. Rechtsmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen und gesetzlich verankert (VB 14.4.2023). Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsbehörden oder des Militärs an die Gerichte oder auch den Ombudsmann oder den Beauftragten für Datenschutz und freien Informationszugang zu wenden (AA 11.8.2023). Bei rechtswidrigem Verhalten wird gegen die Beamten Strafanzeige erstattet und/oder ein Disziplinarverfahren durchgeführt. Bei Übergriffen gegen Minderheiten (z. B. Roma oder Sinti) bestehen keine Ausnahme- oder Sonderregelungen. Sie sind wie alle anderen Staatsbürger vor dem Gesetz gleichgestellt. Es kommt jedoch in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Befugnisse überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht ordnungsgemäß bearbeiten (VB 14.4.2023).

Die Zivilbehörden übten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte aus. Im Laufe des Jahres 2022 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat (USDOS 20.3.2023).

Gegenwärtig unterstehen die etwa 28.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u. a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die Special Antiterrorist Unit und die Counterterrorist Unit (BICC 7.2023).

Die Strafverfolgung wird in Serbien hauptsächlich von der Polizei durchgeführt. Eine wesentliche Schwäche der Strafverfolgungskapazitäten ist der häufige Wechsel in der Leitung der Ermittlungsbehörden, der auf politische Loyalität und Einflussnahme zurückzuführen ist. Der Posten des Polizeidirektors ist seit fast zwei Jahren nicht besetzt. Darüber hinaus erschweren die weitverbreitete Korruption und die Verbindungen zwischen kriminellen Netzwerken und Behörden die Ermittlungsbemühungen gegen den Privatsektor und die Wirtschaft. Es gibt keine eigenständige unabhängige zivile Polizeiaufsichtsbehörde. Beschwerden gegen die Polizei werden von der Abteilung für interne Kontrolle der Polizei bearbeitet (OCI 2023).

Misshandlungen durch die Polizei sind weiterhin ein Problem. Berichten zufolge gab es Fälle von Folter und anderen Formen von Misshandlung durch Polizeibeamte gegenüber Festgenommenen (CoE 10.3.2022; vgl. CoE o.D.; CoE-CPT 10.3.2022). Darüber hinaus wird der Polizei unnötige und übermäßige Gewalt gegen Demonstranten vorgeworfen (AI 4.2023).

In den ersten acht Monaten des Jahres 2022 hat die Abteilung für interne Kontrolle des Innenministeriums drei Strafanzeigen gegen Polizeibeamte wegen des begründeten Verdachts der Misshandlung und Folter erstattet. Im gleichen Zeitraum erstattete die Abteilung 128 Strafanzeigen und sieben Zusatzklagen gegen Polizeibeamte und zivile Mitarbeiter des Ministeriums ohne die Einzelheiten dieser Anzeigen zu veröffentlichen (USDOS 20.3.2023).

Neben dem Militär sind insbesondere die Polizei und der Geheimdienst Gegenstand der Sicherheitssektorreform. Derzeit verfügt Serbien über drei Geheimdienste: einen zivilen, den Security Information Service (BIA), und zwei militärische, den Military Intelligence Service (VOA) und die Military Security Agency (VBA). Eine Reform des Geheimdienstes ist weiterhin aufgrund der gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Verflechtungen nur äußerst begrenzt möglich. Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren de-zentralisieren, bis heute nur bedingt erreicht (BICC 7.2023).

Außer den staatlichen Sicherheitskräften gibt es ebenfalls einen großen Markt privater Sicherheitsanbieter, der im letzten Jahrzehnt deutlich gewachsen ist. Mit dem Beginn der Sicherheitssektorreformen und der damit verbundenen Verkleinerung der Streitkräfte und der Polizei drängten viele Menschen auf den Markt, um ihre Fähigkeiten anzubieten. Schätzungen zufolge gibt es derzeit etwa 3.000 private Sicherheitsunternehmen, die annähernd 30.000 Menschen beschäftigen (BICC 7.2023).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

AI – Amnesty International (4.2023): Submission for European Union Enlargement Package/Opinion, 2023 [EUR 70/6688/2023], https://www.ecoi.net/en/file/local/2090571/EUR7066882023ENGLISH.pdf, Zugriff 13.12.2023

BICC – Bonn International Center for Conversion (7.2023): Serbien - Länderinformationen zu den Europäischen Kriterien für Rüstungsexporte, https://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/serbien/2023_Serbien.pdf, Zugriff 13.12.2023

CoE - Council of Europe (o.D.): Serbia - Executive Summary (CPT/Inf (2022) 03 - part), https://rm.coe.int/1680a5c8a5, Zugriff 13.12.2023

CoE - Council of Europe (10.3.2022): Antifolterkomitee: Misshandlung durch die Polizei in Serbien weiter ein großes Problem, doch Fortschritt in Gefängnissen feststellbar, https://www.coe.int/de/web/portal/-/anti-torture-committee-police-ill-treatment-in-serbia-remains-a-serious-problem-but-some-progress-observed-in-prisons, Zugriff 13.12.2023

CoE-CPT - Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (10.3.2022): Report to the Serbian Government on the periodic visit to Serbia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 9 to 19 March 2021 [CPT/Inf (2022) 03], https://www.ecoi.net/en/file/local/2069493/2022-3-inf-eng.pdf, Zugriff 13.12.2023

OCI – Organized Crime Index (2023): Serbia, https://ocindex.net/assets/downloads/2023/english/ocindex_profile_serbia_2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

USDOS - US Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089125.html, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Korruption

Letzte Änderung 2024-01-15 15:59

Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Beamte vor, aber die Regierung setzte das Gesetz generell nicht wirksam um (USDOS 20.3.2023).

Der Korruptionsindex (CPI) von Transparency International berichtete über ein hohes Maß an Korruption im Land, obwohl sich die Regierung zur Korruptionsbekämpfung verpflichtet hat (USDOS 20.3.2023; vgl. AA 11.8.2023). Serbien erreichte im CPI 2022 einen Indexwert von 36 (von 100) Punkten (0=highly corrupt, 100=very clean) und belegte damit Platz 101 von 180 untersuchten Staaten (je höher, desto schlechter) (TI 2023).

Serbien verfügt generell über eine angemessene Politik zur Korruptionsbekämpfung, Prävention von Kriminalität und Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, aber die größte Herausforderung bleibt deren Umsetzung. Die Behörden zur Korruptionsprävention entsprechen im Wesentlichen internationalen Standards (OCI 2023; vgl. BCHR 2023). Die Wirksamkeit dieser Institutionen wird jedoch durch begrenzte Personalressourcen, ineffizienten Datenaustausch und mangelnde Zusammenarbeit untergraben. Darüber hinaus hindert sie die mangelnde Prioritätensetzung der Regierung daran, das Problem effektiv anzugehen. Daneben behindern weitverbreitete Korruption und die Verbindungen zwischen kriminellen Netzwerken und Behörden die Effektivität der Ermittlungen im Privatsektor und in der Wirtschaft (OCI 2023).

Im Laufe des Jahres gab es zahlreiche Korruptionsvorwürfe gegen die Regierung. Sporadische Ermittlungen durch die Behörden und strafrechtliche Verfolgung von Beamten der unteren bis mittleren Ebene wurden weiterhin durchgeführt. Allerdings gab es keine Ermittlungen zu Korruptionsvorwürfen, an denen hochrangige RegierungsmitgliederInnen, einschließlich Minister oder Personen mit politischen Verbindungen beteiligt waren. Dies führte dazu, dass der Eindruck entstand, dass die Mächtigen oder gut Vernetzten straffrei davonkommen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 10.3.2023; OCI 2023). Kritiker haben Präsidenten Vučić und die SNS-Regierung beschuldigt, Beziehungen zur organisierten Kriminalität zu haben. Weiters ist Berichten zufolge Vetternwirtschaft durch Vergabe von Arbeitsplätzen an Vertraute des Präsidenten und der Regierungspartei weit verbreitet. Die Zuständigkeit für die Verfolgung von Korruptionsfällen wurde auf verschiedene Staatsanwälte verteilt, die der Polizei in der Regel vorwerfen, in Prozessen gegen Minister keine ausreichenden Beweismittel zu liefern. Die Arbeit des Rechnungshofs wird zum Teil auch durch die unklare Verteilung der Zuständigkeiten auf andere mit der Korruptionsbekämpfung beauftragte Stellen beeinträchtigt (FH 10.3.2023; vgl. OCI 2023).

Die Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) forderte weitere Maßnahmen zur Prävention von Korruption bei Personen in Spitzenpositionen, einschließlich des Präsidenten, der Minister, der stellvertretenden Minister, der Staatssekretäre, der Kabinettschefs und der politischen Berater sowie der Mitglieder der Polizei (GRECO 5.7.2022; vgl. CoE 5.7.2022).

NGOs wiesen darauf hin, dass bei mutmaßlichen Korruptionsfällen, in die Beamte der niedrigeren Führungsebene verwickelt sind, nach wie vor zu oft Anklagepunkte wie Amtsmissbrauch oder Beeinflussung erhoben werden, und erklärten, dass Verurteilungen aufgrund dieser Anklagepunkte nicht besonders abschreckend wirkten. Sowohl der Antikorruptionsrat des Landes, als auch die NGO Transparency Serbia, wiesen auf einen erheblichen Mangel an staatlicher Transparenz hin. NGO-Berichten zufolge kamen die Behörden die Verpflichtung zur Bereitstellung von Daten an den Öffentlichkeitsbeauftragten häufig nicht nach, wenn Bürger um Informationen baten (USDOS 20.3.2023; vgl. BCHR 2023).

Im Laufe des Jahres 2022 wurden laut dem Innenministerium 635 Strafanzeigen gegen 1.109 Personen wegen des Vorwurfs der Korruption erstattet. Die meisten Anklagen wurden wegen Einflussnahme, Amtsmissbrauchs, Betrugs bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und Geldwäsche erhoben. Zwischen März 2018 und 30. Juni 2022 meldeten die Spezialabteilungen für Korruptionsbekämpfung der Oberstaatsanwaltschaft 2.644 Verurteilungen wegen Korruption und Finanzdelikten. Von Jänner bis Dezember 2022 registrierten die Antikorruptionsabteilungen der Oberstaatsanwaltschaft in Belgrad, Novi Sad und Kraljevo 671 Anklagen und 519 Urteile wegen Korruptionsdelikten (USDOS 20.3.2023).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

BCHR – Belgrade Centre for Human Rights (2023): Human Rights in Serbia 2022, https://www.bgcentar.org.rs/wp-content/uploads/2023/03/Human-Rights-in-Serbia-2022-web.pdf, Zugriff 13.12.2023

CoE – Council of Europe (5.7.2022): GRECO: Publication of report on measures to take concerning top executive functions and the police in Serbia, https://www.coe.int/en/web/human-rights-rule-of-law/-/serbia-council-of-europe-anti-corruption-body-publishes-report-on-measures-to-take-concerning-top-executive-functions-and-the-police, Zugriff 13.12.2023

FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Serbia, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088554.html, Zugriff 13.12.2023

GRECO – Group of States agains Corruption (5.7.2022): FIFTH EVALUATION ROUND - Preventing corruption and promoting integrity in central governments (top executive functions) and law enforcement agencies - EVALUATION REPORT SERBIA, https://rm.coe.int/fifth-evaluation-round-preventing-corruption-and-promoting-integrity-i/1680a7216b, Zugriff 13.12.2023

OCI – Organized Crime Index (2023): Serbia, https://ocindex.net/assets/downloads/2023/english/ocindex_profile_serbia_2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

TI – Transparency International (2023): Serbia, https://www.transparency.org/en/countries/serbia, Zugriff 13.12.2023

USDOS – US Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089125.html, Zugriff 13.12.2023

Religionsfreiheit

Letzte Änderung 2024-01-16 10:35

Serbiens Verfassung (Art. 43) garantiert Religionsfreiheit und gebietet konfessionelle Neutralität des Staates (Art. 44) (AA 11.8.2023; vgl. USDOS 15.5.2023; FH 10.3.2023; EK 12.10.2022). Diese Rechte werden in der Praxis generell respektiert (FH 10.3.2023).

Es gibt kein Anzeichen für eine diskriminierende Strafverfolgungs- und Strafzumessungspraxis (AA 11.8.2023).

84,6 % der serbischen Bevölkerung sind serbisch-orthodox, rund 5 % römisch-katholisch, 3 % muslimisch, 1 % protestantisch, 1,1 % konfessionslos und die verbleibenden 6 % umfassen andere Christen, Juden, Buddhisten, Hare Krishna, Zeugen Jehovas, Agnostiker oder Personen ohne angegebene Religionszugehörigkeit (USDOS 15.5.2023; vgl. CIA 1.11.2023; AA 11.8.2023).

Das Religionsgesetz differenziert zwischen sieben traditionellen und den übrigen nicht-traditionellen Religionsgemeinschaften. Die vom Gesetz privilegierten traditionellen Kirchen/Religionsgemeinschaften sind die Serbisch-Orthodoxe Kirche, die Römisch-Katholische Kirche, die Slowakisch-Evangelische Kirche, die Reformierte Christliche Kirche, die Evangelische Kirche, die Islamische Gemeinde und die Jüdische Gemeinde. Diese sieben Gruppen sind automatisch im staatlichen Register für Religionsgemeinschaften eingetragen, können sich die Mehrwertsteuer erstatten lassen und haben eigene Militärgeistliche. Auch dürfen sie neue Gebäude für Gottesdienste errichten, Immobilien besitzen, staatliche Subventionen beantragen, Bankkonten eröffnen, Restitutionsansprüche geltend machen und als Arbeitgeber fungieren (AA 11.8.2023; vgl. USDOS 15.5.2023).

Die Serbisch-Orthodoxe Kirche (SOK) erhält zusätzliche staatliche Subventionen, und ihre Stellung kommt in der Praxis der einer Staatskirche nahe. Da die bisherigen serbischen Regierungen (im Widerspruch zur Verfassung) das kanonische Recht der Serbisch-Orthodoxen Kirche faktisch als Teil der staatlichen Rechtsordnung betrachten, wird eine Reihe anderer orthodoxer Kirchen (z. B. ethnischer Minderheiten) die dem Alleinvertretungsanspruch der Serbisch-Orthodoxen Kirche entgegenstehen, von Staatsorganen immer wieder in ihrer Betätigung behindert (AA 11.8.2023; vgl. USDOS 15.5.2023).

Aufgrund eines anhaltenden Streits zwischen den beiden muslimischen Vereinigungen des Landes kann keine von ihnen die gesamte muslimische Gemeinschaft in Verhandlungen mit der Regierung vertreten. Dies führt zu Schwierigkeiten bei der Koordinierung von Eigentumsrückgabeforderungen und bei der Auswahl von Lehrkräften für Religionskurse an öffentliche Schulen. Nationalistische Gruppen nutzten soziale Medien, um migrantenfeindliche und antimuslimische Botschaften zu verbreiten. Landesweit kommt es zu antimuslimischen Äußerungen (z. B. Graffiti, Wandbemalungen) (USDOS 15.5.2023).

Vertreter der jüdischen Gemeinde berichteten über keine spezifischen antisemitischen Vorfälle im Lauf des Jahres 2022. Im Juli 2022 wurde jedoch eine Freiluftausstellung in Novi Sad mutwillig beschädigt. Antisemitische Literatur ist weiterhin über das Internet bei informellen Verkäufern erhältlich (USDOS 15.5.2023). Im Rahmen des im Jahr 2016 verabschiedeten Restitutionsgesetzes, das die Rückgabe jüdischen Eigentums regelt, das während des Zweiten Weltkrieges beschlagnahmt wurde, erhalten die jüdischen Gemeinden seit Jänner 2017 in den kommenden 25 Jahren jährlich 950.000 Euro (USDOS 15.5.2023; vgl. GOS/OHCHR-UN 3.10.2023; JA 18.4.2016; IN 27.7.2018, DS 9.3.2016).

Die Makedonisch-Orthodoxe Kirche bemühte sich seit 2017 verstärkt um ihre Anerkennung in der Weltorthodoxie. Trotz anfänglicher Ablehnung anerkannte die Serbisch-Orthodoxe Kirche im Mai 2022 deren Autokephalie. Damit wurde eine seit Langem bestehende Pattsituation zwischen den beiden Kirchen beendet (USDOS 15.5.2023; vgl. NÖK 6.2022).

Im Mai 2019 wies der EGMR eine Beschwerde der Baptistengemeinde und der Protestantischen Evangelischen Kirche zurück, die sich 2013 vergeblich um Registrierung bemüht hatte. Vor dem EGMR anhängig ist derzeit eine Klage der Islamischen Gemeinde Serbiens mit Sitz in Belgrad gegen die serbische Regierung. Die 2006 eingetragene Gemeinde klagt gegen die aus ihrer Sicht unzulässige Registrierung der Islamischen Gemeinde in Serbien mit Sitz in Novi Pazar im Jahr 2007 (AA 11.8.2023).

Einigen Religionsgemeinschaften, z. B. christlichen Freikirchen, wurde die Registrierung bisher verwehrt. Dies gilt auch für eine Reihe orthodoxer Kirchen (z. B. die nicht als autokephal anerkannte Montenegrinisch-Orthodoxe Kirche). Diese Glaubensgemeinschaften haben nicht die Möglichkeit Errichtung eigener Gotteshäuser. Manche andere Religionsgemeinschaften (vor allem evangelische Freikirchen) werden von nichtstaatlichen Gruppierungen angefeindet, belästigt oder bedroht. Nicht zuletzt unter dem Einfluss der Serbisch-Orthodoxen Kirche gibt es Bestrebungen, die Betätigung von „Sekten“ (d. h. aller nicht bereits im früheren Königreich Jugoslawien registrierten Religionsgemeinschaften, insbesondere jedoch evangelischer Freikirchen) einzuschränken. Die kanonisch anerkannte Rumänisch-Orthodoxe Kirche ist nur in der Autonomen Provinz Vojvodina als „traditionelle Religionsgemeinschaft“ anerkannt (AA 11.8.2023).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

CIA (11.12.2023): The World Factbook, Serbia, Military and Security, https://www.cia.gov/the-world-factbook/countries/serbia/#people-and-society, Zugriff 13.12.202

DS – Der Standard (9.3.2016): 71 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg - Materielle Gerechtigkeit für serbische Juden, https://www.derstandard.at/story/2000032508416/71-jahre-nach-dem-zweiten-weltkrieg-materielle-gerechtigkeit-fuer-serbische, Zugriff 13.12.202

EK – Europäische Kommission (12.10.2022): Serbia 2022 Report [SWD(2022) 338], https://www.ecoi.net/en/file/local/2082847/Serbia+Report+2022.pdf, Zugriff 13.12.202

FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Serbia, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088554.html, Zugriff 13.12.202

GOS/OHCHR-UN – Government of Serbia/UN Office of the High Commissioner for Human Rights (3.10.2022): Common core document forming part of the reports of States parties; Serbia [24 June 2022] [HRI/CORE/SRB/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2087460/G2251075.pdf, Zugriff 13.12.202

IN – Israel Netz (27.6.20218): Rivlin lobt Serbien für Restitutionsgesetz, https://www.israelnetz.com/rivlin-lobt-serbien-fuer-restitutionsgesetz/, Zugriff 13.12.202

JA – Jüdische Allgemeine (18.4.2016): Die Regierung gibt der jüdischen Gemeinde mehr als 3000 Immobilien zurück, https://www.juedische-allgemeine.de/juedische-welt/recht-und-moral/, Zugriff 13.12.202

NÖK – Nachrichtendienst Östliche Kirchen (6.2022): Kirchenstreit Nordmakedonien - Der lange Weg der Makedonischen Orthodoxen Kirche zur Autokephalie, https://noek.info/bilder/dossier/N%C3%96K_dossier_nordmakedonien_autokephalie3.pdf, Zugriff 13.12.202

USDOS – US Department of State (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091900.html, Zugriff 13.12.202

Ethnische Minderheiten

Letzte Änderung 2024-01-16 10:41

Laut der neuesten Volkszählung aus dem Jahr 2022 gibt es in Serbien weiterhin 21 nationale und ethnische Minderheiten mit jeweils mehr als 2.000 Angehörigen (VB 6.9.2023).

Die Verfassung garantiert allen in der Republik Serbien lebenden Menschen (insbesondere Minderheiten) alle Rechte, im Einklang mit internationalen Standards. Hierbei bestehen zusätzliche Rechte, die es Minderheiten ermöglichen, über einzelne Fragen bezüglich ihrer Kultur, Ausbildung und amtlichen Verwendung der Sprache und Schrift zu entscheiden (VB 14.4.2023).

Der Rechtsrahmen für die Achtung und den Schutz von Minderheiten und kulturellen Rechten ist weitgehend vorhanden und wird im Einklang mit den Übereinkommen des Europarats über nationale Minderheiten generell eingehalten (EK 12.10.2022; vgl. GOS/OHCHR-UN 3.10.2022).

Ein im März 2009 verabschiedetes allgemeines Antidiskriminierungsgesetz stärkt u. a. auch die Rechte nationaler Minderheiten. Probleme ergeben sich aber immer wieder bei der Implementierung. Im Zuge der EU-Beitrittsverhandlungen ändert bzw. ergänzt Serbien die gesetzlichen Rahmenbedingungen für den Minderheitenschutz. Die vollständige Umsetzung steht jedoch noch aus (AA 11.8.2023).

Zu den Aufgaben der Mitte 2007 erstmals gewählten Ombudsperson gehört ausdrücklich auch das Eintreten für Minderheitenrechte (AA 11.8.2023).

In der Republik Serbien bestehen derzeit 23 nationale Minderheitenräte (einschließlich dem Verband der jüdischen Gemeinden Serbiens): Bunjewatzen, Bosniaken, Ungarn, Roma, Rumänen, Russinen, Slowaken, Ukrainer, Kroaten, Albaner, Aschkali, Walachen, Griechen, Ägypter, Deutsche, Slowenen, Tschechen, Mazedonier, Montenegriner, Russen, Polen (VB 6.9.2023). Die nationalen Minderheitenräte vertreten die ethnischen Minderheiten des Landes und verfügen über eine breite Kompetenz in den Bereichen Bildung, Medien, Kultur und Gebrauch von Minderheitensprachen (USDOS 20.3.2023). Bei den Minderheitenratswahlen im November 2022 wurden insgesamt 474 Mitglieder der 23 Minderheitenräte gewählt (GOS-HRC 20.2.2023).

Laut OSZE bezeichnen die meisten Minderheitenvertreter ihre eigene Situation als grundsätzlich zufriedenstellend (AA 11.8.2023).

Trotz der gesetzlichen Verpflichtung, die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung zu berücksichtigen, sind nationale Minderheiten in der öffentlichen Verwaltung weiterhin unterrepräsentiert (EK 12.10.2022).

Der Unterricht in Minderheitensprachen oder das Studium der Minderheitensprachen wird an mehreren Universitäten und höheren Bildungseinrichtungen angeboten. Es gibt 14 Minderheitensprachen, die an fünf Universitäten und vier Berufsschulen unterrichtet werden (GOS-HRC 20.2.2023). Im Schuljahr 2019/2020 wurde in 68 lokalen Selbstverwaltungseinheiten der Primärunterricht in acht nationalen Minderheitensprachen angeboten, im Sekundarbereich in 27. Das Fach namens Muttersprache mit Elementen der nationalen Kultur wurde in 16 Minderheitensprachen in 374 Schulen in Serbien angeboten (HRC 1.3.2023).

In den öffentlichen Medien wird das Programm in 16 Sprachen der Minderheiten ausgestrahlt, die meisten davon auf RTV Vojvodina. Im Jahr 2020 wurden 33 Zeitungen oder Zeitschriften in den Minderheitensprachen veröffentlicht, drei davon waren zwei oder mehrsprachige Ausgaben (GOS-HRC 20.2.2023). Die öffentlichen Rundfunk- und Fernsehdienste in den Minderheitensprachen sind immer noch nicht ausreichend (EK 12.10.2022).

In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten (Roma, Albaner, Bosniaken, Muslime, LGBTI) unverändert weit verbreitet (AA 11.8.2023). Die Regierung unternahm gewisse Maßnahmen zur Bekämpfung von Gewalt und Diskriminierung gegen Personen, die einer Minderheit angehören (USDOS 21.3.2023). Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z. B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen) (AA 11.8.2023).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

EK – Europäische Kommission (12.10.2022): Serbia 2022 Report [SWD(2022) 338], https://www.ecoi.net/en/file/local/2082847/Serbia+Report+2022.pdf, Zugriff 13.12.2023

GOS-HRC – Government of Serbia/UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (20.2.2023): National report submitted pursuant to Human Rights Council resolutions 5/1 and 16/21; Serbia [A/HRC/WG.6/43/SRB/1], https://www.ecoi.net/en/file/local/2090000/G2302974.pdf, Zugriff 13.12.2023

GOS/OHCHR-UN – Government of Serbia/UN Office of the High Commissioner for Human Rights (3.10.2022): Common core document forming part of the reports of States parties; Serbia [24 June 2022] [HRI/CORE/SRB/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2087460/G2251075.pdf, Zugriff 13.12.2023

USDOS – US Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089125.html, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (6.9..2023): Auskunft des VB, per E-Mail

ROMA

Letzte Änderung 2024-01-16 10:43

Bei der letzten Volkszählung 2022 gaben 131.936 Personen an, der Roma-Minderheit anzugehören (VB 6.9.2023). Die tatsächliche Zahl dürfte laut Schätzungen der OSZE zwischen 300.000 und 500.000 liegen (Schätzungen von Roma-Verbänden gehen teilweise von 700.000 bis 800.000 aus). Die Roma sind die offiziell drittgrößte Minderheit in Serbien (AA 11.8.2023).

Die Vertreter der Roma sind untereinander zerstritten, eine Minderheitenpartei ist derzeit nicht im Parlament vertreten (AA 11.8.2023). In der öffentlichen Verwaltung sind Roma ebenfalls unterrepräsentiert (EK 12.10.2023). Auch auf nationaler wie lokaler Ebene sind sie so gut wie gar nicht vertreten. Dies gefährdet die Ausübung ihrer Grundrechte im Bereich Wohnen, Bildung, Beschäftigung und Gesundheitswesen (HRC 10.2.2023).

Es gibt keinerlei systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma (AA 11.8.2023). Berichten zufolge werden Roma jedoch stärker diskriminiert und ausgegrenzt als jede andere Minderheitengruppe. Ihnen fehlte es an Informationen über ihre Rechte und an die zur Verfügung stehenden Mechanismen zur Bekämpfung von Diskriminierung (USDOS 21.3.2023; vgl. Praxis 3.1.2023; HRC 1.3.2023; FH 10.3.2023).

Die Koordinationsstelle zur Überwachung der Umsetzung der Strategie für die soziale Integration der Roma wurde 2021 eingerichtet, um die Maßnahmen der staatlichen Verwaltung zu koordinieren (HRC 1.3.2023). Auf der Ebene der lokalen Selbstverwaltungen wurden sogenannte mobile Teams für die Inklusion von Roma eingeführt. Sie bestehen aus einem Koordinator, pädagogischen Assistenten, Gesundheitsmediatoren, Vertretern des Arbeitsamtes sowie bei Bedarf weiteren Vertretern der lokalen Selbstverwaltung. Bisher wurden 56 mobile Teams gebildet, die den Zugang zu Versorgungsleistungen erleichtern und die Ausübung der Rechte der Roma fördern sollen (GOS/OHCHR-UN 3.10.2022). Innerhalb des Ministeriums für Menschen- und Minderheitenrechte und sozialen Dialog wurde die Abteilung für die soziale Inklusion der Roma eingerichtet, in der Beamte mit Roma-Nationalität beschäftigt sind (GOS-HRC 20.2.2023). Seit 2011 organisiert die Regierung in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission alle zwei Jahre Seminare zur sozialen Inklusion von Roma (GOS/OHCHR-UN 3.10.2023).

Roma haben, sofern sie mit einem ständigen Wohnsitz registriert sind, Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen. Allerdings stellt die Registrierung in der Praxis ein ernsthaftes Hindernis beim Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge, Bildungseinrichtungen und Wohnraum dar (AA 11.8.2023). Ohne die Registrierung des dauerhaften Wohnsitzes ist nicht möglich, einen Personalausweis zu erhalten. Eltern, die keinen Personalausweis besitzen, können ihre Kinder nicht unmittelbar nach der Geburt in die Geburtenregister eintragen lassen (Praxis 3.1.2023; vgl. USDOS 21.3.2023). Gemäß den geltenden Vorschriften können Kinder von Eltern ohne Papiere bis zu einem Jahr ohne Registrierung der Geburt sein. Bis zur Registrierung bleiben die betroffenen Kinder sozusagen unsichtbar, sind von Staatenlosigkeit bedroht und haben keinen Zugang zu zahlreichen Rechten wie Gesundheitsversorgung und Sozialschutz (USDOS 21.3.2023). Serbiens Regierung hat in den vergangenen Jahren den Rechtsrahmen verbessert (AA 11.8.2023; vgl. GOS/OHCHR-UN 3.10.2022; EK 12.10.2022; GOS-HRC 20.2.2023). Die Maßnahmen führten dazu, dass mittlerweile die meisten Roma in Serbien über amtliche Dokumente verfügen (EK 12.10.2022). Eine im Jahr 2019 von UNICEF durchgeführte Studie zeigt, dass 99 % der Kinder unter fünf Jahren aus Roma-Siedlungen im Geburtenregister eingetragen sind (GOS-CoE-ECSR 28.3.2023).

Der Zugang zu Wohnraum ist für Roma v. a. in den Städten schwierig. Sozialwohnungen sind überfüllt. Roma wohnen daher häufig in illegal errichteten Behelfssiedlungen am Stadtrand (AA 11.8.2023). Der im Dezember 2020 veröffentlichten Kartierung zufolge gibt es 702 Roma-Siedlungen mit einer Bevölkerungszahl von etwa 168.000 Menschen. Fast 20 % der Bevölkerung in den kartierten Roma-Siedlungen hatten keinen oder nur unzureichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser, über 55 % hatten keinen oder nur unzureichenden Zugang zu Kanalisation und 14,5 % hatten keinen oder nur unzureichenden Zugang zu Strom (EK 12.10.2022; vgl. ERRR 22.2.2023; HRC 1.3.2023). Obwohl der Rechtsrahmen im Bereich des Wohnungswesens durch die Verabschiedung des Gesetzes über das Wohnungswesen und die Instandhaltung von Gebäuden erheblich verbessert wurde, sind dem Bürgerbeauftragten zufolge weitere Maßnahmen in Zusammenhang mit der Räumung der Roma-Siedlungen erforderlich (GOS/CoE-ECSR 28.3.2023). Die Bewohner der Roma-Siedlungen sind nach wie vor von Zwangsräumungen betroffen. Für die Vertriebenen wird in der Regel keine Ersatzunterkunft angeboten und sie haben keinen Zugang zu Rechtsmitteln, um Räumungsbescheide anzufechten (FH 10.3.2023; vgl. EK 12.10.2022).

Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Roma grundsätzlich schwierig. Ursächlich hierfür sind nicht nur die weitverbreiteten gesellschaftlichen Vorurteile, sondern vor allem das niedrige Bildungs- und Qualifikationsniveau (AA 11.8.2023; vgl. HRC 10.2.2023). Durch öffentliche Maßnahmen konnten 26 junge Roma in 20 lokalen Selbstverwaltungseinheiten angestellt werden (HRC 20.2.2023).

Roma-Kinder sind in Serbiens Schulen weiterhin unterrepräsentiert. Während 98 % aller Kinder die Grundschule besuchen, sind es bei Kindern der Roma-Minderheit rund 84 %. Unter den 18-21-jährigen Roma haben nur rund zwei Drittel die achtjährige Grundschule abgeschlossen, 14 % der 22 - 25-Jährigen die vierjährige Mittelschule und 1 % der 26 - 29-Jährigen eine Hochschule (Nicht-Roma: 94 % - 89 % - 23 %). Diese Zahlen sind bis auf den Hochschulbereich für Roma-Mädchen noch niedriger. Die Schulabbrechquote ist nach wie vor hoch, insbesondere bei Roma-Mädchen. Gleichzeitig besucht rund jedes zehnte Roma-Kind zwischen 7 und 15 Jahren eine Sonderschule. Damit sind sie laut dem European Roma Rights Centre (ERRC) deutlich überrepräsentiert: 21 % der Kinder, die in solche Schulen gingen, seien Roma (AA 11.8.2023; vgl. EK 12.10.2022; HRC 1.3.2023). Um die Zahl der Schulabbrecher im Primarbereich vollständig zu reduzieren, wurde ein Instrument zur Erkennung von Schülern, bei denen die Gefahr eines vorzeitigen Schulabbruchs besteht, eingeführt. Der Unterricht in der Roma-Sprache mit Elementen der nationalen Kultur wurde im Schuljahr 2019/2020 von 2.467 Schülern (1.163 Mädchen und 1.304 Jungen) in 68 Schulen besucht. Um Risikoschülern zu ermöglichen, ihre Ausbildung fortzusetzen, werden Stipendien und ein Mentorensystem für Schüler angeboten, die an Fördermaßnahmen teilnehmen. In den letzten fünf Schuljahren wurden 5.419 Stipendien aus dem Staatshaushalt und aus Spendegeldern für Roma (65 % Mädchen) an Sekundarschulen vergeben. Änderungen des Schulgesetzbuches über Schüler- und Studiendarlehen und -stipendien aus dem Jahr 2017 ermöglichen Roma Anspruch auf Darlehen und Stipendien ohne Erfolgskriterien. Darüber hinaus wurden 200 Mentoren eingestellt, um Schüler der nationalen Minderheit der Roma zu unterstützen (GOS/OHCHR-UN 3.10.2022; vgl. EK 12.10.2022; GOS/CoE-ECSR 28.3.2023).

Früh- und Kinderehen unter Roma sind weiterhin ein Problem, sind aber keine legalen Eheschließungen. 2022 waren 56 % aller Eheschließungen in Roma-Siedlungen Kinderehen (USDOS 21.3.2023; vgl. EK 12.10.2022; HRC 1.3.32023; CoE-GRETA 16.6.2023). Im März 2022 verabschiedete die Nationale Minderheitenrat der Roma eine Deklaration über die Abschaffung der Kinderehen in Serbien, in der die Anführer der Roma aufgefordert werden, die Praxis und den Glauben, dass Kinderehen Teil des kulturellen Erbes der Roma sind, zu überdenken (USDOS 21.3.2023; vgl. EK 12.10.2022).

Roma sind besonders anfällig für Zwangsheirat, sexuelle Ausbeutung, Zwangskriminalität und Zwangsbettelei (HRC 1.3.2023; vgl. CoE-GRETA 16.6.2023).

Insgesamt hat sich in den letzten Jahren die Situation der Roma verbessert. Staatliche Programme wie die Beschäftigung von Roma-GesundheitsmediatorInnen, Zugang zum Gesundheitssystem auch für nicht registrierte Personen sowie die Einstellung von pädagogischen Assistenten an Schulen zeigen Erfolge (AA 11.8.2023; vgl. GOS/OHCHR-UN 3.10.2022; ERRC 22.2.2023). Die Kindersterblichkeit wurde gesenkt, wenn sie auch mit 13 % bei Babys und 14 % bei den unter 5-Jährigen immer noch doppelt so hoch wie in der Gesamtbevölkerung ist (AA 11.8.2023; vgl. HRC 1.3.2023).

In Serbien halten sich weiterhin 196.140 aus dem Kosovo vertriebene Personen auf, von denen mehr als 68.500 mehr als 20 Jahre nach der Vertreibung immer noch keine dauerhafte Lösung gefunden werden konnte (HRC 1.3.2023). Nach Angaben des UNHCR sind die 20.000 vertriebene Roma nach wie vor die am stärksten gefährdete und marginalisierte geflüchtete Bevölkerungsgruppe des Landes. Binnenvertriebene Roma leben in informellen Siedlungen unter miserablen Bedingungen, ohne grundlegende Infrastruktur und in extremer Armut (USDOS 21.2023; vgl. HRC 1.3.2023). Das Kommissariat für Flüchtlinge und Migration organisiert Programme zur Verbesserung der Lebensbedingungen der intern vertriebenen Roma-Bevölkerung und der Roma-Rückkehrer. Seit 2018 führt das UNHCR ein Projekt in Partnerschaft mit der NGO A11 namens Initiative für wirtschaftliche und soziale Rechte durch, das sich auf die Beratung der vertriebenen Roma-Bevölkerung im Bereich der sozialen und wirtschaftlichen Rechte konzentriert. Zwischen Jänner 2018 und Juli 2021 wurden 2.414 Beratungstätigkeiten durchgeführt und 167 Verwaltungs- und Gerichtsverfahren eingeleitet (ERRC 22.2.2023).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

CoE-GRETA – Council of Europe - Group of Experts on Action against Trafficking in Human Beings (16.6.2023): Evaluation Report Serbia; Third Evaluation Round; Access to justice and effective remedies for victims of trafficking in human beings [GRETA(2023)09], https://www.ecoi.net/en/file/local/2094791/GRETA_2023_09_FGR_SRB_en.docx.pdf, Zugriff 13.12.2023

EK – Europäische Kommission (12.10.2022): Serbia 2022 Report [SWD(2022) 338],https://www.ecoi.net/en/file/local/2082847/Serbia+Report+2022.pdf, Zugriff 13.12.2023

FH – Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Serbia, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088554.htm, Zugriff 13.12.2023

ERRC – European Roma Rights Center (22.2.2023): Justice Denied: Roma in the criminal justice system of Serbia, 22. Februar 2023, https://www.ecoi.net/en/file/local/2088475/5468_file1_justice-denied-roma-in-the-criminal-justice-system-of-serbia.pdf, Zugriff 13.12.2023

GOS-CoE-ECSR – Government of Serbia/Council of Europe - European Committee of Social Rights (28.3.2023): 12th National Report on the implementation of the European Social Charter submitted by the Government of Serbia; Articles 7, 8, 16, 17, and 19 of the European Social Charter for the period 01/01/2018 – 31/12/2021; Cycle 2023 [RAP/RCha/SRB/12(2023) ], https://www.ecoi.net/en/file/local/2090265/RAP_Rcha_SRB_12_2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

GOS-HRC – Government of Serbia/UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (20.2.2023): National report submitted pursuant to Human Rights Council resolutions 5/1 and 16/21; Serbia [A/HRC/WG.6/43/SRB/1], https://www.ecoi.net/en/file/local/2090000/G2302974.pdf, Zugriff 13.12.2023

GOS/OHCHR-UN – Government of Serbia/UN Office of the High Commissioner for Human Rights (3.10.2022): Common core document forming part of the reports of States parties; Serbia [24 June 2022] [HRI/CORE/SRB/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2087460/G2251075.pdf, Zugriff 13.12.2023

HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (Autor) (1.3.2023): Serbia; Compilation of information prepared by the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights [A/HRC/WG.6/43/SRB/2], https://www.ecoi.net/en/file/local/2090002/G2302302.pdf, Zugriff 13.12.2023

HRC – UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (10.2.2023): Summary of stakeholders’ submissions on Serbia; Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights [A/HRC/WG.6/43/SRB/3], https://www.ecoi.net/en/file/local/2090003/G2302284.pdf, Zugriff 13.12.2023

PRAXIS (3.1.2023): Submission concerning Serbia to Human Rights Committee; For Consideration at the 137th session (27 February to 24 March 2023), https://tbinternet.ohchr.org/_layouts/15/TreatyBodyExternal/DownloadDraft.aspx?key=Z2evgg/KQitPmEcSGMucoPuJlDtlGdnRv1k5e0bFv948p0nKMq6lQ41/rGuCfXPV2HvYGySKG6nnM2k9dXuCzw==, Zugriff 13.12.2023

USDOS – US Department of State (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089125.html, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (6.9.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Relevante Bevölkerungsgruppen

FRAUEN

Letzte Änderung 2024-01-16 10:46

Das Gesetz sieht für Frauen in allen Bereichen den gleichen Rechtsstatus und die gleichen Rechte vor wie für Männer, aber die Regierung setzt diese Gesetze nicht immer durch (USDOS 21.3.2023; vgl. AA 11.8.2023).

Das im März 2009 verabschiedete allgemeine Antidiskriminierungsgesetz konkretisiert diesen Grundsatz ebenso wie zahlreiche Einzelgesetze u. a. das derzeit in Überarbeitung befindliche Geschlechtergleichheitsgesetz. Im Mai 2012 wurde erstmals eine Gleichstellungsbeauftragte gewählt (AA 11.8.2023).

Trotz gesetzlicher Gleichstellung besteht Diskriminierung gegen Frauen weiter. Frauen wurden sowohl zu Hause als auch auf dem Arbeitsmarkt diskriminiert (USDOS 21.3.2023). Frauen haben zwar einen gesetzlichen Anspruch auf gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, doch wird diese Regel nicht weitgehend eingehalten (FH 10.3.2023). Darüber hinaus gelten sie in der Strategie für Beschäftigung 2021-2026 der Republik Serbien immer noch als sensible Gruppe und erhalten zusätzliche, intensive und umfassende Unterstützung auf dem Arbeitsmarkt (UN 20.2.2023).

Systematische geschlechtsspezifische Menschenrechtsverletzungen von staatlicher Seite können nicht festgestellt werden, in führenden Ämtern in Politik und Wirtschaft sind Frauen - trotz Fortschritten in Einzelbereichen - jedoch immer noch unterrepräsentiert (AA 11.8.2023).

Im Oktober 2022 stellte Präsident Vučić die neue serbische Regierung, mit 29 Ministern vor, von denen zehn Frauen waren, darunter Premierministerin Ana Brnabić, . In der Verwaltung auf lokaler Ebene waren Frauen jedoch weniger stark vertreten und nur 13 % der Bürgermeister des Landes waren Frauen (USDOS 21.3.2023).

Auf Vorschlag des Ministeriums für Arbeit, Beschäftigung, Veteranen und soziale Angelegenheiten wurde am 22.4.2021 eine Strategie zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt in den Jahren 2021-2025 entwickelt. Das Dokument wurde mit Unterstützung von UN Women und in Kooperation mit UNDP und UNFPA erstellt (VB 14.4.2023; vgl. GOS/OHCHR-UN 3.10.2023).

Vergewaltigung, einschließlich Vergewaltigung in der Ehe, wird mit bis zu 40 Jahren Freiheitsstrafe sanktioniert; die Regierung setzte dieses Gesetz nicht wirksam durch. Häusliche Gewalt wird mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe geahndet. Sexuelle Belästigung von Frauen und Männern ist eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sechs Monaten und bei einer unterstellten oder abhängigen Person von bis zu einem Jahr bestraft wird (USDOS 21.3.2023).

Obwohl das Gesetz Frauen das Recht gewährt, eine einstweilige Verfügung gegen Gewalttäter zu erwirken, wurde es von der Regierung nicht wirksam durchgesetzt (USDOS 21.3.2023).

Das Gesetz über häusliche Gewalt ist seit Mitte 2017 in Kraft. In den drei Jahren (November 2018 bis Oktober 2021) in denen das Justizministerium Daten über die Anzahl der Opfer häuslicher Gewalt auswertet, wurden insgesamt 64.335 Opfer häuslicher Gewalt registriert. Davon waren in 73,3 % (47.136 Personen) Frauen (BCHR 2022).

Seit November 2016 gibt es ein Gesetz zur Verhinderung häuslicher Gewalt, zugleich wurde die Strafgesetzgebung entsprechend geändert. Anwälte schätzen jedoch, dass aus Furcht oder Scham nur wenige Frauen Gewalt anzeigen und Polizeibeamte Anzeigen nicht immer angemessen bearbeiten. Dafür spricht auch, dass einer OSZE-Studie von 2018 zufolge 85 % der Frauen der Meinung sind, dass Gewalt gegen Frauen Normalität sei (AA 11.8.2023).

Laut NGO-Berichten bleibt häusliche Gewalt weit verbreitet (FH 10.3.2023).

Medienberichten zufolge wurden im Jahr 2022 27 Femizide in Serbien registriert und seit Anfang 2023 wurden 9 Frauen Opfer tödlicher Gewalt. Darüber hinaus wurden laut Meiden im Jahr 2021 ca. 19.000 SOS-Anrufe von Frauen registriert. Auf die Daten zum Jahr 2022 wird nach wie vor gewartet. Aufgrund der Statistiken gibt es die meisten Anrufe in Belgrad, weil hier die meisten Frauenschutzorganisationen bestehen (VB 14.4.2023). Das Land verfügt jedoch über kein offizielles Femizid-Verzeichnis und Frauenorganisationen gehen davon aus, dass die Gesamtzahl der Tötungen von Frauen höher ist, als die in den Medien berichteten Fälle. Laut einer aktuellen Umfrage über geschlechtsspezifische Gewalt, die vom Nationalen Statistischen Amt durchgeführt wurde, wurde eine von fünf Frauen von einem Partner psychisch misshandelt, eine von zehn Frauen erlitt körperliche oder sexuelle Gewalt, und eine von fünf Frauen wurde am Arbeitsplatz sexuell belästigt (USDOS 21.3.2023).

Das Gesetz schreibt vor, dass Polizei, Staatsanwaltschaft, Gerichte und Sozialhilfezentren eine elektronische Datenbank über einzelne Fälle von häuslicher Gewalt führen und Notfall- und zusätzliche Maßnahmen ergreifen müssen. Laut Experten und NGOs hat das Fehlen einer einheitlichen elektronischen Täter-Datenbank zum Anstieg der Übergriffe beigetragen. Frauenorganisationen berichteten, dass weibliche Gewaltopfer sich allein und unverstanden fühlen, häufig mit Verurteilung durch die Familie, Freunde und Bevölkerung sowie mit Repressalien durch die Angreifer konfrontiert sind. Die Angst vor Repressalien und mangelndes Vertrauen in die Institutionen sind nach wie vor die Haupthindernisse, welche Frauen davon abhalten, Gewalthandlungen zu melden (USDOS 21.3.2023).

Mehrere Anschuldigungen wegen sexuellen Missbrauch oder sexueller Belästigung wurden von Mädchen und Frauen gegen Männer in hohen politischen, pädagogischen oder beruflichen Positionen erhoben. Zwar wurden einige strafrechtliche Ermittlungen eingeleitet, es kam jedoch nicht zu Verurteilungen (AI 29.3.2022).

In Serbien befinden sich Frauenhäuser in folgenden Städten: Belgrad, Novi Sad, Sombor, Sremska Mitrovica, Zrenjanin, Nis, Jagodina, Pancevo, Leskovac, Sabac, Smederevo, Priboj, Vranje und ein Aufnahmezentrum für dringende Fälle in Vlasotince. Die Adressen der Frauenhäuser sind geheim. Es gibt keine offizielle Information zu ihrer Kapazität, jedoch wird angenommen, dass sie über 20 und 30 Betten verfügen. In einem Frauenhaus dürfen Frauen sowie Kinder bis zu sechs Monaten untergebracht werden. In diesem Zeitraum haben sie den Anspruch auf Pflege sowie medizinische und psychologische Unterstützung. In den Frauenhäusern werden diverse Programme organisiert (je nach den technischen Möglichkeiten des Frauenhauses) und Unterstützung bei Kontakt mit Institutionen (Gericht, Rechtshilfe, Zentrum für Soziale Arbeit, Schule, Polizei, u. a.) angeboten. Aktuell gibt es in Serbien 24 NGOs zur Unterstützung weiblicher Opfer häuslicher Gewalt (VB 14.4.2023).

In Serbien wurde Ende 2018 eine SOS-Hotline für Frauen und Mädchen eingerichtet. Sie bietet telefonische Beratung und direkte Unterstützung für Gewaltopfer (GOS/OHCHR-UN 3.10.2022). In Serbien gibt es aktuell 43 SOS-Notrufdienste (VB 14.4.2023).

Serbien ist traditionell Durchgangs- und in zunehmendem Umfang auch Herkunfts- bzw. Zielland des organisierten Frauenhandels (AA 11.8.2023).

Es gab keine Berichte über Zwangsabtreibungen oder -sterilisierungen seitens der staatlichen Behörden. Die Bevölkerung war im Allgemeinen über sichere, wirksame und bezahlbare Methoden der Familienplanung/Verhütung ihrer Wahl informiert und hatte Zugang dazu (USDOS 21.3.2023).

Artikel 66, Absatz 1 der serbischen Verfassung sieht das Recht auf besonderen Schutz für Familien, Mütter, Alleinerziehende und Kinder vor. Besonderer Schutz sei für Kinder mit Behinderungen vorgesehen. Bestimmte Personengruppen, wie unter anderem Alleinerziehende mit Kindern bis zu sieben Jahren, haben nach Artikel 68 ein Recht auf durch die öffentliche Hand finanzierte Gesundheitsversorgung. Für einen Haushalt eines alleinstehenden Elternteils mit einem oder mehreren Kindern sei die Rate der Armutsgefährdung bei 31,9 % gelegen (Quelle: PBC - Statistical Office of the Republic of Serbia, 15.10.2021). Alleinerziehende und Kinder aus gesellschaftlich vulnerablen Gruppen werden einem weiteren Bericht zufolge oft als von Obdachlosigkeit bedroht eingestuft (Belgrade Centre for Human Rights, 2021). Der Mangel an Anteilnahme und Verständnis seitens der Gesellschaft für die besondere Lage, in der sich diese Familien befinden, tragen dazu bei, dass sie strukturell stärker als der Rest der Bevölkerung gefährdet sind. Auch die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Alleinerziehenden (insbesondere gegenüber alleinerziehenden Müttern) stellt eine Art Kontinuum dar, das von absoluter Unterstützung über ambivalente Einstellungen bis hin zu [negativen] Überzeugungen und Unverständnis reicht. Wobei Unverständnis und [negative] Überzeugungen die am weitesten verbreitete Art und Weise sind, wie die Gesellschaft mit Eltern, die ihre Kinder allein erziehen, umgeht. Auf institutioneller Ebene deuten die Studienergebnisse darauf hin, dass das formale System der Unterstützung für Alleinerziehende in Serbien weitgehend begrenzt ist und dass es an einer organisierten und gezielten Antwort des Systems auf die Bedürfnisse und Probleme von Alleinerziehenden mangelt. Das Fehlen einer konkreten staatlichen Antwort hinsichtlich Alleinerziehenden, dass sich im Fehlen eines angemessenen institutionellen Rahmens und von Lösungen (begrenzte und nicht verfügbaren Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen) manifestiert, macht diese zu unsichtbaren Subjekten der Sozialpolitik. Ein Bericht zur Teilnahme von Alleinerziehenden am Arbeitsmarkt erwähnt ebenfalls Probleme, mit denen diese Personen konfrontiert sind. Artikel 66 Absatz 1 der serbischen Verfassung garantiert zwar speziellen Schutz für Alleinerziehende und auch weitere Bestimmungen würden die verschiedene Rechte dieser Personen sichern, jedoch sind die Alleinerziehende in Serbien nicht ausreichend als Rechtskategorie anerkannt. Dies führt zu zahlreichen Problemen, wie unter anderem ungelösten Wohnfragen, Arbeitslosigkeit, Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt und das Fehlen einer angemessenen sozialen institutionellen und nicht-institutionellen Unterstützung. Für die meisten der genannten und viele weitere Probleme, mit denen Alleinerziehende konfrontiert sind, gibt es auf Basis bestehender Regelungen keine adäquaten gesetzlichen Lösungen; Fällen, in denen derartige Lösungen existieren würden, würden sie in der Praxis oft nicht zeitgerecht und umfassend angewandt (ACCORD 30.11.2021).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (30.11.2021): Anfragebeantwortung zu Serbien: Lage von alleinerziehender Mutter ohne soziales Netzwerk (Armutsgefährdung, soziale Absicherungen) [a-11735-2], https://www.ecoi.net/de/dokument/2064600.html, Zugriff 13.12.2023

AI - Amnesty International (29.3.2022): Amnesty International Report 2021/22; The State of the World's Human Rights; Serbia 2021, https://www.ecoi.net/de/dokument/2070262.html, Zugriff 13.12.2023

BCHR - Belgrade Centre for Human Rights (2022): Human Rights in Serbia 2021, Periodischer Bericht, Englisch, http://www.bgcentar.org.rs/bgcentar/eng-lat/wp-content/uploads/2022/03/Human-Rights-in-Serbia-2021.pdf, Zugriff 13.12.2023

FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Serbia, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088554.htm, Zugriff 13.12.2023

GOS/OHCHR-UN – Government of Serbia/UN Office of the High Commissioner for Human Rights (3.10.2022): Common core document forming part of the reports of States parties; Serbia [24 June 2022] [HRI/CORE/SRB/2022], https://www.ecoi.net/en/file/local/2087460/G2251075.pdf, Zugriff 13.12.2023

GOS-HRC – Government of Serbia/UN Human Rights Council (formerly UN Commission on Human Rights) (20.2.2023): National report submitted pursuant to Human Rights Council resolutions 5/1 and 16/21; Serbia [A/HRC/WG.6/43/SRB/1],https://www.ecoi.net/en/file/local/2090000/G2302974.pdf, Zugriff 13.12.2023

USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071152.html, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Bewegungsfreiheit

Letzte Änderung 2024-01-16 10:49

Die Verfassung sieht Bewegungsfreiheit im Inland (inklusive Auswahl des Arbeits- und Ausbildungsortes ohne Einschränkung), Auslandsreisen, Auswanderung und Repatriierung vor, und die Regierung respektiert generell diese Rechte (USDOS 20.2.2023; vgl. FH 10.3.2023).

Nach den Spannungen im Norden des Kosovo wurde im Rahmen des von der EU geförderten Dialogs am 30.9.2021 eine Vereinbarung zur Deeskalation und eine befristete Maßnahme für Nummernschilder Fragen. Die EU erwartet von den Parteien, dass sich die konstruktiv an diesem Prozess beteiligen, um die Bewegungsfreiheit der Bürger:Innen zu gewährleisten (EK 19.10.2021). Der Kennzeichenstreit bleibt trotz diverser Bemühungen auf unterschiedlichen Ebenen weiterhin ungelöst (VB 14.4.2023; vgl. EK 12.10.2022).

In Bezug auf Reiseverbindungen bestehen derzeit keine Einschränkungen. Die Kontrollen an den serbischen Grenzübergängen und bei den benachbarten Staaten sind aufgrund der Migrationssituation und der Bemühungen angrenzender Staaten mit Blick auf den Beitritt zum Schengener Abkommen verstärkt worden (AA 25.5.2023).

Die Einreise nach Serbien aus Kosovo ist nur möglich, wenn die Einreise nach Kosovo zuvor auf dem Landweg aus Serbien erfolgt ist und die Gesamtreisedauer drei Monate nicht übersteigt. Selbst dann kann es zu Schwierigkeiten, bis hin zur Einreiseverweigerung, kommen. Hintergrund ist, dass Serbien Kosovo als Teil seines staatlichen Territoriums und nicht als Ausland betrachtet (AA 1.12.2023).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.12.2023): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 13.12.2023

FH - Freedom House (10.3.2023): Freedom in the World 2023 - Serbia, 2023, https://www.ecoi.net/de/dokument/2088554.htm, Zugriff 13.12.2023

EK - Europäische Kommission (12.10.2022): Serbia 2022 Report [SWD(2022) 338], https://www.ecoi.net/en/file/local/2082847/Serbia+Report+2022.pdf, Zugriff 13.12.2023

EK - Europäische Kommission (19.10.2021): Serbia 2021 Report, https://ec.europa.eu/neighbourhood-enlargement/system/files/2021-10/Serbia-Report-2021.pdf, Zugriff 13.12.2023

USDOS - US Department of State [USA] (20.3.2023): 2022 Country Report on Human Rights Practices: Serbia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2071152.html, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Grundversorgung / Wirtschaft

Letzte Änderung 2024-01-16 10:50

Serbien hat sich bei den in den letzten Jahren unternommenen Wirtschaftsreformen wesentlich an Empfehlungen des IWF orientiert und ist seit Ende 2022 auch in einem neuen, zweijährigen IWF-Programm. Dieses sieht bei sehr positiven Ergebnissen in der fiskalischen Stabilisierung v. a. bei strukturellen Reformen noch Nachholbedarf. Die Arbeitslosenrate ist laut Statistikamt von 17,7 % (2015) kontinuierlich auf 8,9 % (2022) gesunken, gerade die Arbeitslosenquote unter Jugendlichen bleibt mit 25,4 % (2022) aber weiterhin hoch. Die wirtschaftliche und soziale Lage eines Großteils der Bevölkerung ist nach wie vor schwierig. Zwar hat sich das Nettodurchschnittseinkommen 2022 auf 640 Euro sichtbar erhöht (2021: 560 Euro), aber rund die Hälfte aller Arbeitenden verdiente weniger als 538 Euro. Dies sowie mangelnde Berufs- und Karrierechancen angesichts Nepotismus, Vetternwirtschaft und Korruption führen dazu, dass viele junge Menschen auswandern. Viele Familien leben v. a. von Überweisungen aus dem Ausland. Die Durchschnittsrente 2021 lag bei umgerechnet 250 Euro. Die Inflationsrate 2022 lag im zweistelligen Bereich. Nach Angaben der serbischen Regierung lebten 6,9 % der Bevölkerung Serbiens (rund 480.000 Personen) 2020 unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Der Trend verzeichnet einen langsamen Rückgang von 0,1 % jährlich über die letzten fünf Jahre. Das deutet auf einen festen Kern hin, auf den Armutsbekämpfungsmaßnahmen keine Wirkung zeigen. Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage in Teilen Serbiens und bei vulnerablen Bevölkerungsschichten ist die Versorgung mit Lebensmitteln gesichert. Flüchtlinge und Rückkehrende sowie Roma sind stärker von Armut betroffen als die serbische Durchschnittsbevölkerung (AA 11.8.2023).

Das für März 2023 berechnete Durchschnittsgehalt (Brutto) betrug 117.699,00 RSD (ca. EUR 1.003,00), während das Durchschnittsgehalt ohne Steuern und Beiträge (Netto) 85.485,00 RSD (ca. EUR 729,00) betrug (RZS 25.5.2023). Die durchschnittliche Pensionshöhe betrug im April 2023 37.807,00 RSD (ca. EUR 322,00) (PIO RS 5.2023).

Im Jahr 2022 hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in Serbien geschätzt rund 9.528,43 US-Dollar betragen. Für das Jahr 2023 wird das BIP pro Kopf Serbiens auf rund 11.301,22 US-Dollar prognostiziert (Statista 13.10.2023).

Im Jahr 2022 hat die Arbeitslosenquote in Serbien geschätzt rund 9,4 % betragen. Für das Jahr 2023 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 9,2 % prognostiziert (Statista 29.6.2023).

Unter Jugendlichen ist die Arbeitslosenquote zwar rückläufig, mit 25,4 % (2022) aber weiterhin hoch (AA 11.8.2023).

Serbien, Nordmazedonien und Albanien haben am 29.7.2021 bei einem regionalen Wirtschaftsforum in Skopje den vor knapp zwei Jahren ins Leben gerufenen „Mini‐Schengen‐Raum“ in „Open Balkan“ umgetauft. Zwei Vereinbarungen beziehen sich auf den freien Verkehr von Waren und Dienstleistungen in der Region sowie den freien Zugang von Bürgern der drei Staaten zu den Arbeitsmärkten. Die dritte Vereinbarung soll eine engere Zusammenarbeit im Falle von Naturkatastrophen sichern. Die drei Staaten Nordmazedonien, Albanien und Serbien erhoffen sich von „Open Balkan“ eine bedeutende Steigerung ihrer Bruttosozialprodukte (VB 14.4.2023).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

PIO RS - Republički Fond za penzijsko i invalidsko osiguranje (Republikanische Pensions- und Invalidenversicherungsanstalt) (25.5.2023): Prosečna penzija (Durchschnittliche Pensionshöhe), https://www.pio.rs/, Zugriff 13.12.2023

RZS - Republički zavod za statistiku (Republikanisches Statistikamt) (25.5.2023): Prosečne zarade po zaposlenom, mart 2023. (Durchschnittliches Einkommen, Mai 2023), https://www.stat.gov.rs/sr-Latn/oblasti/trziste-rada/zarade, Zugriff 13.12.2023

Statista - deutsches Online-Portal für Statistik (13.10.2023): Serbien, Bruttoinlandsprodukt (BIP) pro Kopf in jeweiligen Preisen von 1997 bis 2022 und Prognosen bis 2028, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/368629/umfrage/bruttoinlandsprodukt-bip-pro-kopf-in-serbien/, Zugriff 13.12.2023

Statista - deutsches Online-Portal für Statistik (29.6.2023): Serbien, Arbeitslosenquote von 1997 bis 2022 und Prognosen bis 2028, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/368654/umfrage/arbeitslosenquote-in-serbien/, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

SOZIALBEIHILFEN

Letzte Änderung 2024-01-16 10:50

Zweigstellen der Sozialfürsorge (Zentrum für Sozialarbeit) gibt es in jeder Gemeinde in Serbien. Die sozialen Dienste in Serbien sind kostenlos. Das Angebot der Sozialämter beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderung oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selbst zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern sowie Familien mit drei oder mehr Kindern. Das Sozialfürsorgesystem steht allen Personen zur Verfügung, die die Kriterien erfüllen und vom Zentrum für Sozialfürsorge offiziell als sozial schutzbedürftig anerkannt sind (d. h. Personen ohne Einkommen, mit schlechten Lebensbedingungen usw.). Der Betroffene muss sich bei der örtlichen Geschäftsstelle des Zentrums für Sozialarbeit an seinem Wohnort/Gemeinde anmelden. Ein gültiger Personalausweis, ein Nachweis der Arbeitslosigkeit und eine Krankenversicherung sind erforderlich. Weitere Anforderungen hängen von der Art der Sozialleistung ab, die die Person beantragen möchte (IOM CFS 12.2023).

Anspruch auf Sozialhilfe (Mindestsatz: 72 EUR) haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld ausbezahlt. Sozialhilfeempfänger, die (ausreisen und in der Folge) vereinbarte Termine bei der Nationalen Arbeitsverwaltung verpassen, verlieren für sechs Monate das Recht, sich arbeitslos zu melden und damit die Grundlage für Sozialhilfe und weitere Sozialleistungen (u. a. Krankenversicherung). Sozialwohnungen sind meist belegt, für Neubauten sind kaum Mittel vorhanden. Familiäre und nachbarschaftliche Solidaritätsnetzwerke sind in Serbien noch relativ funktionsfähig. Sofern nachweislich keine private Unterkunftsmöglichkeit besteht, sind die örtlich zuständigen „Zentren für Sozialarbeit“ im Einzelfall bereit, bescheidene Quartiere auf kommunale Kosten anzumieten (AA 11.8.2023).

Seit dem 1. April 2021 beträgt die Sozialhilfe für Einzelperson, bzw. für den sogenannten Rechtsinhaber in der Familie 8.781 RSD (EUR 74,41). Für jede weitere erwachsene Person in der Familie beträgt diese Leistung 4.391 RSD (EUR 37,21) (VB 8.3.2022). Ab Jänner 2023 beträgt das Kindergeld für das anspruchsberechtigte Kind 3.829,86 RSD (EUR 32,73). Dies erhöht sich weiter um 30 % für alleinerziehende Eltern bzw. Erziehungsberechtigte und beträgt 4.978,81 RSD (EUR 42,55). Das Kindergeld für pflegebedürftige Kinder erhöht sich auf 5.744,80 (EUR 49,10) (VB 14.4.2023).

Im März 2022 trat das Sozialkartengesetz in Kraft. Laut der neuen Verordnung wurde ein Register für die Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten derjenigen Personen eingeführt, die irgendeine Form sozialer Unterstützung erhalten. Damit sollen ihre wirtschaftliche Gesamtsituation erfasst und die für diese Zwecke bereitgestellten Ressourcen des Staatshaushalts möglicherweise umverteilt werden. Zur Bestimmung des sozioökonomischen Status schreibt das Gesetz die Erhebung einer langen Liste personenbezogener Daten aus verschiedenen Quellen vor. Diese werden in einem zentralen Register zusammengeführt, und dort wird in einem automatisierten Bewertungsprozess festgelegt, ob und in welcher Höhe eine Person Anspruch auf weiteren Leistungsbezug hat. Dabei wird es kritisiert, dass das Gesetz nicht darauf ausgerichtet sei, neue LeistungsbezieherInnen aufzunehmen, sondern lediglich bestehende Ressourcen neu zu verteilen und einige der derzeitigen Leistungsempfänger auszuschließen. Weiters bestehen Bedenken wegen des Verstoßes gegen die Vorschriften zur Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten sowie gegen Vorschriften, die Bürger vor für sie nachteiligen Entscheidungen durch automatisierte Systeme schützen sollen. Es besteht außerdem die Gefahr, dass diese Systeme Diskriminierung von vulnerablen Personen reproduzieren und verstärken. Bis April 2023 wurde das Sozialkartengesetz landesweit in mehr als 80 % der Zentren für Sozialarbeit umgesetzt und führte dazu, dass etwa 27.000 Personen (15 % der Leistungsempfänger) aus dem Register für Sozialhilfe gestrichen wurden. Das Gesetz hatte besonders negative Auswirkungen auf Mitglieder der ohnehin marginalisierten Gemeinschaft der Roma, die wesentlich häufiger Sozialhilfe erhalten, als andere Gruppen. Gleichzeitig stieg das Armutsniveau, da in Serbien eine Inflationsrate von 15 % und einen drastischen Anstieg der Lebenshaltungskosten verzeichnet wurden (AI 4.2023; vgl. Voxeurop 15.2.2023).

Es gibt keine finanzielle Unterstützung für die offiziell registrierten arbeitslosen Bürger. Eine gewisse Unterstützung ist jedoch über die nationale Arbeitsverwaltung verfügbar, die Beratung und bei Bedarf zusätzliche Ausbildungen und Vorqualifizierungsmöglichkeiten anbietet. Wenn arbeitslose Bürger bei der Nationalen Arbeitsverwaltung registriert sind, können diese von ermäßigten Kosten für öffentliche Verkehrsmittel und einer abgedeckten öffentlichen Krankenversicherung profitieren (IOM CFS 12.2022).

Soziale Zuschüsse für den Wohnungsbau in Form der Zuweisung von Baumaterialien und Hilfe beim Kauf von Häusern vor allem in ländlichen Gebieten sind ebenfalls über ein örtliches Treuhandbüro/den Rat für Migration erhältlich. Die Hilfe besteht in der Bereitstellung von Wohngeld, der Zuweisung von Baumaterialpaketen zur Anpassung von Häusern oder dem Kauf von Häusern auf dem Land. Eine vollständige Liste aller Büros in jeder Gemeinde in Serbien ist auf der Website des Kommissariats für Flüchtlinge und Migration verfügbar: http://www.kirs.gov.rs/ (IOM CFS 12.2022).

Neben der Unterstützung durch das Zentrum für Sozialarbeit können auch bestimmte NGOs Hilfe leisten (IOM CFS 12.2022).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

AI - Amnesty International (4.2023): Submission for European Union Enlargement Package/Opinion, 2023 [EUR 70/6688/2023], https://www.ecoi.net/en/file/local/2090571/EUR7066882023ENGLISH.pdf, Zugriff 13.12.2023

IOM (CFS) - International Organization for Migration (12.2022): Serbia - Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2021_Serbia_DE.pdf, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (8.3.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Voxeurop (15.2.2023): Serbien – ein Versuchslabor für Diskriminierung durch Algorithmen, https://voxeurop.eu/de/serbien-ein-versuchslabor-fur-diskriminierung-durch-algorithmen/#, Zugriff 13.12.2023

Medizinische Versorgung

Letzte Änderung 2024-01-16 10:52

In Serbien wurden mit 12.3.2022 alle Covid-Maßnahmen aufgehoben. Mit Ende November 2022 sind Krankenhäuser nicht länger im Covid Regime (VB 14.4.2023).

Das Gesundheits- und Krankenversicherungssystem ist in zwei Gruppen aufgeteilt: Öffentlich (kostenlos) und privat: Öffentlich (kostenlos) und privat (private Krankenversicherung ab 20 bis 150 Euro pro Monat, je nach Alter, Geschlecht und Deckungsniveau bzw. Gesundheitsleistungen. Die Patienten müssen sich zunächst an das primärmedizinische Zentrum an ihrem Wohnort wenden. Wenn weitere Untersuchungen oder Behandlungen erforderlich sind, werden sie von ihrem/ihrer designierten AllgemeinmedizinerIn an ein Krankenhaus oder eines der wichtigsten klinischen Zentren überwiesen, die für die Bereitstellung spezialisierter Gesundheitsdienste zuständig sind. Wenn ein Patient bei der gesetzlichen Krankenversicherung versichert ist, reicht ein Gesundheitsheft aus, um zu einer Untersuchung oder Behandlung aufgenommen zu werden. Allerdings sollten diese vorher telefonisch oder online arrangiert werden (für Notfälle ist kein Termin erforderlich). Behandlungen und Medikamente sind für Bürger, die unter dem Schirm der öffentlichen Krankenversicherung registriert sind, vollständig abgedeckt. Jeder Patient muss sich bei einem örtlichen Zentrum für primäre Gesundheitsfürsorge melden, um einen bestimmten Allgemeinmediziner (GP) zu bekommen, der/die seinen/ihren Gesundheitszustand verfolgt und bei Bedarf eine Überweisung vornimmt. Für folgende Bürger sind Kosten und Leistungen von der Krankenversicherung abgedeckt: Neugeborene und Kinder bis zu sechs Jahren, einschließlich präventive und regelmäßige Check-Ups, Impfungen und spezielle Gesundheitspflege, Schulkinder und junge Erwachsene bis zu 19 Jahren wie Kinder bis sechs; Frauen: volle medizinische Leistungen abgedeckt; Erwachsene: volle medizinische Leistungen abgedeckt. Jede Gemeinde im Land verfügt über ein Zentrum für medizinische Grundversorgung mit Allgemeinärzt:Innen die für die Bereitstellung von Basisgesundheitsdiensten, Untersuchungen und Überweisungen zuständig sind. Die größten Gesundheitszentren in Serbien befinden sich in Novi Sad, Belgrad, Kragujevac und Nis. Alle Medikamente sind erhältlich und die meisten Arzneimittel haben ähnliche Preise wie in anderen europäischen Ländern. Der öffentliche Krankenversicherungsfond wird durch Pflichtbeiträge aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor finanziert. Arbeitslose besitzen eine Krankenversicherung auf Kosten des Staates. Sollte einer der FamilienmitgliederInnen eine Krankenversicherung besitzen, sind FamilienmitgliederInnen unter 26 Jahren automatisch versichert. Rückkehrer müssen ein Anmeldeformular ausfüllen und gültige Ausweisdokumente (serbische Ausweisdokumente, Geburtsurkunde und serbische Staatsbürgerschaft) beim öffentlichen Krankenversicherungsfond einreichen, um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können, um im öffentlichen Krankenversicherungssystem registriert werden zu können (IOM CFS 12.2022).

Der Fonds der öffentlichen Krankenversicherung ist durch den Pflichtbeitrag aller erwerbstätigen Bürger oder Arbeitgeber im privaten Sektor sichergestellt. Es gibt zwei Kategorien für die Anspruchsberechtigung: erwerbstätige Bürger sind obligatorisch auf Kosten ihres Arbeitgebers krankenversichert und arbeitslose Bürger sind auf Kosten des Republic Fund of Health Insurance krankenversichert. Wenn eine Person in einer der beiden oben genannten Formen krankenversichert ist, sind ihre arbeitslosen Familienmitglieder unter 26 Jahren automatisch versichert und können auf Kosten der versicherten Familienmitglieder kostenlose öffentliche Gesundheitsversorgung erhalten. Es gibt keine festgelegten Deckungssummen. Informelle Zahlungen sind eine übliche Praxis im serbischen Gesundheitssystem, die negative Auswirkungen auf die Patienten hat. Der Umfang der informellen Zahlungen in Serbien ist schwer zu ermitteln, da sie illegal sind und weitgehend nicht gemeldet werden (SFH 25.8.2021).

Eine medizinische Versorgung nach deutschem Standard ist in Serbien nicht landesweit gewährleistet. Auch Krankenhäuser verfügen nicht immer über eine adäquate Ausstattung und sind mitunter nicht in der Lage, Patienten mit bestimmten Krankheitsbildern angemessen medizinisch zu versorgen. Die hygienischen Rahmenbedingungen sind oft unzureichend. Vorwiegend in Belgrad existieren - oft private - Kliniken und Arztpraxen mit Ausstattungen, die europäischen Standards entsprechen (AA 1.12.2023; vgl. EDA 6.6.2023).

Es gibt nur sehr wenige Erkrankungen, die in Serbien nicht oder nur schlecht behandelt werden können. Gut ausgebildetes medizinisches Personal ist trotz Personalengpässen grundsätzlich vorhanden. Überlebensnotwendige Operationen sind in der Regel durchführbar (AA 11.8.2023).

In Belgrad und allen größeren Städten gibt es staatliche Krankenhäuser. Private Kliniken, auch Fachkliniken (Ophthalmologie, Gynäkologie und zur Behandlung von Suchtkrankheiten) existieren in Belgrad, Novi Sad, Kragujevac, Nis und in einigen anderen größeren Orten. Des Weiteren gibt es in Belgrad und in Novi Sad private Zentren zur Hämodialyse. In staatlichen Krankenhäusern entsprechen Hygiene und Verpflegung nicht immer westlichen Standards und Vorstellungen. Qualität der Ausstattung und Organisation können je nach Ort unterschiedlich sein, wie zuletzt auch im Zusammenhang mit der Covid-19-Pandemie deutlich wurde. Für Operationen gibt es oft Wartelisten, lebensbedrohliche Erkrankungen werden im Regelfall sofort behandelt (AA 11.8.2023).

Psychische Krankheiten werden in Serbien vorwiegend medikamentös behandelt. Es besteht jedoch (wenn auch in begrenztem Umfang) auch die Möglichkeit anderer Therapieformen, so gibt es z. B. für die Teilnahme an Gruppenpsychotherapie Wartelisten. Therapiezentren existieren u. a. in Novi Sad, Vranje, Leskovac und Bujanovac (Südserbien). Es gibt Kliniken für die Behandlung von Suchtkrankheiten. Schulen für Schüler mit Gehör- und Sprachschädigung sind in Serbien vorhanden. Die Grundversorgung mit häufig verwendeten, zunehmend auch mit selteneren Medikamenten, ist gewährleistet. Spezielle (insbesondere ausländische) Präparate sind jedoch in staatlichen Apotheken nicht immer verfügbar, können aber innerhalb weniger Tage auch aus dem Ausland bestellt werden, wenn sie für Serbien zugelassen sind. Für Patienten fällt bei Vorlage eines vom Allgemeinarzt ausgestellten Rezeptes lediglich eine Beteiligungsgebühr von 50,00 RSD an. (ca. 0,45 EUR). Es gibt jedoch auch Medikamente, für die von Patienten eine Beteiligungsgebühr von 10 bis 90 % des Anschaffungspreises gezahlt werden muss (AA 11.8.2023).

Quellen:

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff 13.12.2023

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.12.2023): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 13.12.2023

EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten [Schweiz] (6.6.2023): Außenpolitik, Reisehinweise für Serbien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/serbien/reisehinweise-fuerserbien.html#eda8d4e7e, Zugriff 13.12.2023

IOM (CFS) - International Organization for Migration (12.2022): Serbia - Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2021_Serbia_DE.pdf, Zugriff 13.12.2023

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (25.8.2021): Serbien: Dialyse, 25. August 2021, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060651/210825_SER_Dialyse_anonym.pdf, Zugriff 13.12.2023

VB des BM.I für Serbien und Montenegro [Österreich] (14.4.2023): Auskunft des VB, per E-Mail

Rückkehr

Letzte Änderung 2024-01-16 10:53

Serbische Staatsangehörige, die zurückgeführt wurden, können nach ihrer Ankunft problemlos in ihre Heimatstädte fahren. Eine Befragung durch die Polizei u. ä. findet nicht statt, sofern nicht in Serbien aus anderen Gründen Strafverfahren anhängig sind. Sanktionen wegen der Stellung eines Asylantrags im Ausland gibt es weder de iure noch de facto. Als erste Anlaufstelle für Rückkehrer dient ein Wiederaufnahmezentrum für Rückgeführte am Flughafen Belgrad, das eine Informationsbroschüre auf Deutsch, Serbisch und Romanes bereithält, die u. a. Fragen zur Registrierung und den dafür erforderlichen Unterlagen sowie Kontakttelefonnummern enthält. Rückkehrende Personen können, wie alle anderen Bürger, frei über ihren Wohnort entscheiden und einen Wohnsitz anmelden. Der Verbleib von rückkehrenden Personen wird weder erfasst noch in sonstiger Weise kontrolliert. Erfahrungsgemäß kehren sie oftmals an ihren letzten Wohnsitz zurück. Das Meldegesetz, das seit Ende 2011 in Kraft ist, regelt die Voraussetzungen für die Anmeldung des Wohnsitzes. Fälle, in denen Rückkehrenden die Anmeldung verweigert wurde, wurden in letzter Zeit nicht mehr bekannt. Eine online verfügbare mehrsprachige Broschüre des serbischen Flüchtlingskommissariats informiert über die Rechte und Pflichten von Rückkehrenden (https://kirs.gov.rs/cir/readmisija/prirucnici) (AA 11.8.2023).

Eine vorübergehende Unterkunft für bis zu 14 Tage für serbische Rückkehrende wird durch das Zentrum für die dringende Aufnahme von Rückkehrenden in Bela Palanka bereitgestellt. Die Unterbringung im Zentrum für die dringende Aufnahme von Rückkehrenden erfolgt auf der Grundlage der Anweisungen des serbischen Kommissariats für Flüchtlinge und Migration. Familien oder Einzelpersonen, die eine Erklärung behaupten/unterzeichnen, dass sie nach ihrer Rückkehr nach Serbien keine Unterkunft oder Unterkunftsmöglichkeiten haben, können im Zentrum untergebracht werden. Der Kontakt mit dem Zentrum ist über das Kommissariat für Flüchtlinge und Migration möglich. Soziale Zuschüsse für den Wohnungsbau in Form der Zuweisung von Baumaterialien und Hilfe beim Kauf von Häusern vor allem in ländlichen Gebieten sind manchmal über ein örtliches Treuhandbüro/den Rat für Migration erhältlich, sofern Projekte erlauben. Die Hilfe besteht in der Bereitstellung von Wohngeld, der Zuweisung von Baumaterialpaketen zur Anpassung von Häusern oder dem Kauf von Häusern auf dem Land. Eine vollständige Liste aller Büros in jeder Gemeinde in Serbien ist auf der Website des Kommissariats für Flüchtlinge und Migration verfügbar: http://www.kirs.gov.rs/. Das Zentrum für Sozialarbeit stellt auch eine vorübergehende Unterkunft für gefährdete Gruppen wie unbegleitete Kinder und Menschenhandelsopfer zur Verfügung. Das Zentrum stellt eine Unterkunft in einem sicheren Haus oder einer Unterkunft zur Verfügung, sobald eine Person als Menschenhandelsopfer oder unbegleitetes Kind identifiziert wird, die Hilfe benötigt (IOM CFS 12.2022).

Die Kontrollen an den serbischen Grenzübergängen und bei den benachbarten Staaten sind aufgrund der Flüchtlingssituation und der Bemühungen angrenzender Staaten mit Blick auf den Beitritt zum Schengener Abkommen verstärkt worden (AA 1.12.2023).

Quellen:

AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (1.12.2023): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff

AA – Auswärtiges Amt [Deutschland] (11.8.2023): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG (Stand: Juni 2023), https://www.ecoi.net/en/file/local/2095905/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29a_AsylG%2C_11.08.2023.pdf, Zugriff

IOM (CFS) - International Organization for Migration (12.2022): Serbia - Country Fact Sheet 2022, https://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2022_Serbia_EN.pdf, Zugriff

2. Beweiswürdigung:

Die oben getroffenen Feststellungen erschließen sich im Allgemeinen aus der Einsichtnahme in die vorliegenden Verwaltungsakte des gegenständlichen Verfahrens sowie den im Verfahren vorgelegten Bescheinigungen einschließlich ständiger Beobachtung der aktuellen Berichterstattung zum Herkunftsstaat Beweis erhoben.

2.1. Zu den Feststellungen zur Person der BF:

2.1.1. Die Feststellungen zur Identität der BF ergeben sich aus den Angaben der BF1 und BF3 vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde und in den Beschwerden. Der BF legten auf ihre Namen lautende serbische Reisepässe vor, an deren Echtheit und Richtigkeit keine Zweifel aufgekommen sind (AS 35 des Aktes der BF1, AS 19, 71 des Aktes der BF2, AS 27, 83 des Aktes des BF3).

Der Umstand der Obsorge der BF1 für die BF2 ergibt sich aus dem dahingehenden Vorbringen der Erstgenannten sowie dem im Akt einliegenden Obsorgebeschluss aus 2015 (AS 119ff des Aktes der BF1).

Die Sprachkenntnisse, sowie die Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit folgen den Angaben der BF (AS 69, 73 des Aktes der BF1, AS 9, 71f des Aktes des BF3).

Die Feststellungen zu Familienstand und Leben der BF in Serbien, insbesondere ihrer Schulausbildung und den ausgeübten Erwerbstätigkeiten sowie dem Pensionsbezug des BF3, gründen auf den diesbezüglichen Angaben und dem im Akt einliegenden Urteil des serbischen Amtsgerichtes betreffend die alleinige Obsorge des BF3 hinsichtlich der damals noch minderjährigen BF1 und BF2 (AS 5, 9, 73, 75, 95, 97 des Aktes der BF1, AS 9, 73, 75 des Aktes des BF3).

Der Gesundheitszustand der BF erschließt sich aus den diesbezüglichen Ausführungen sowie den in den Akten einliegenden medizinischen Unterlagen (AS 73ff des Aktes der BF1, AS 19, 73, 85ff, 89 des Aktes des BF3).

Der BF3 gab betreffend seinen Gesundheitszustand zusammengefasst an, bei ihm seien im Jahr 1992 Multiple Sklerose und im Jahr 2014 Diabetes diagnostiziert worden. In den Jahren 2014 und 2015 habe er Thrombosen bekommen. Auch leide er am rechten Auge an grauem Star und habe aufgrund dessen beinahe keine Sehkraft mehr. Er sei diesbezüglich im Jahr 2005 operiert worden. Im Jahr 1989 habe er eine Knieoperation gehabt und sei auf Krücken angewiesen. Er nehme die Medikamente ThromboAss, Sirdalus und Metformin ein. Seine Erkrankungen seien in Serbien diagnostiziert und behandelt worden, jedoch nicht so gut wie im Bundesgebiet. Auch habe er die benötigten Medikamente in Serbien erhalten (AS 73 des Aktes des BF3).

Aus der Medikamentenverschreibung des XXXX vom XXXX .2023 geht folgende Medikation des BF3 hervor: Actos, Arosuva+Ezetimib, Jardiance, Sirdalud, Sita/Metf und Thrombo Ass (AS 89 des Aktes des BF3).

Dem Befundbericht des XXXX , Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, vom XXXX .2023 sind die Diagnosen „Multiple Sklerose G35 mit progressiven Folgen, Nichtorganische Insomnie (F51.0), I 80.2 Phlebitis et phlebotrombitis Extremitäten inferior profund Fraxiitin sc. später nur Aspirin, Xarelto war zu teuer und somatisch: Blutzucker KH, Blutdruck“ und die Therapien „Pflanzliche AD wie Baldrian, dann SSRI, Zoldem (Zolpidem) 10mg Pack a 20stk, ½ abds. bei Bedarf, Sig/MEt 50/1000mg 2x1, Actos 30mg 1-0-0 Actos bei nächster Ko erhöhen auf 45mg, Sirdalud 2mg, Thrombo ASS 100mg, Rosuvastatin 20mg d und Kontrolle bei uns in 3 Woche“ zu entnehmen (AS 85f des Aktes des BF3).

2.1.2. Die Feststellungen zu Einreise und Aufenthalt der BF im Bundesgebiet sind den Angaben der BF sowie der im Reisepass der BF ersichtlichen Einreisestempel (AS 9f, 79 des Aktes der BF1, AS 15 des Aktes des BF3) geschuldet.

2.2. Zum Fluchtvorbringen der BF:

2.2.1. BF1 gab in ihrer Erstbefragung zu ihren Fluchtgründen an, sie hätten Serbien verlassen müssen, weil sie dort als Roma von den Serben diskriminiert worden seien. Besonders BF2 werde aufgrund ihrer Erkrankung (Down-Syndrom) diskriminiert. Dies seien alle ihre Fluchtgründe. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte sie um ihr Leben, weil sie dort stark diskriminiert werden würden und es unerträglich sei (AS 13 des Aktes der BF1).

In ihrer Einvernahme vor dem BFA gab die BF1 an, sie sei am XXXX .2023 beim Sozialamt in Serbien gewesen. Man habe ihr gesagt, dass BF2 in einer Einrichtung untergebracht werden solle. BF1 habe angegeben, dass sie das nicht wolle. Ihr sei gesagt worden, dass sie das nicht zu entscheiden habe. Es habe kein diesbezügliches Verfahren gegeben. Es sei die Mitteilung gewesen, dass ein solches Verfahren eingeleitet werden würde. Die BF hätten dies als Drohung aufgefasst. In ihrem Heimatdorf würde das Sozialamt armen Familien die Kinder abnehmen und diese an Familien ohne Kinder weiterverkaufen. Aufgrund der Diskriminierungen, der Drohung, die BF2 in einer Einrichtung unterzubringen, der Drohung der Partei, dass sie der BF1 und ihrer Familie etwas antäten, weil die BF1 die Partei verlassen habe sowie wegen der Leute, die die BF1 angegriffen und gesagt hätten „schöne Grüße von der Partei“ hätten die BF die gegenständlichen Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes gestellt. Im Falle einer Rückkehr nach Serbien habe sie Angst, dass sie ihnen etwas antäten. Sie habe auch Angst, weil sie die BF2 zwangsweise unterbringen wollen würden. Die Diskriminierungen aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bestehe, seit sie sich erinnern könne. Sie sei ausgelacht worden, manche Kinder hätten nicht mit ihnen spielen wollen oder dürfen. Wenn sie mit der BF2 unterwegs gewesen sei, sei die BF2 aufgrund ihrer Erkrankung immer ausgelacht worden (AS 79 des Aktes der BF1). Auf Nachfrage, weshalb BF1 so lange im Herkunftsstaat gelebt habe, führte sie aus, dass dies einfach zur Routine werde. Sie seien ja nicht direkt bedroht worden, erst nachdem dies passiert sei, hätten sie weggmüssen. Die direkte Bedrohung sei gewesen, dass sie die BF2 gegen ihren Willen unterbringen möchten. Sie selbst sei von der „ XXXX Partei“, der Partei des XXXX XXXX , bedroht worden. BF1 sei im Jahr 2012 der Partei beigetreten. Sie sei ein einfaches Mitglied der Partei gewesen, habe sich bei Besprechungen eingebracht und sei zu den Kundgebungen gegangen. Ab dem Jahr 2015 sei sie die Stellvertreterin des stellvertretenden Präsidenten der Ortsgruppe gewesen und habe bis 2018 ehrenamtlich als Minderheitenbeauftragte gearbeitet. Dann sei sie im Außendienst eingesetzt worden und habe vor Ort in den Roma Siedlungen etwa drei bis vier Stunden täglich gearbeitet. Ende 2022 habe sie sich mit dem örtlichen Präsidenten der Partei zerstritten und sei aus der Partei ausgetreten. Man habe ihr gesagt, dass sie nicht aus der Partei austreten dürfe (AS 81 des Aktes der BF1). BF1 sei öfters angerufen und besucht worden. Man habe wiederholt versucht, die BF1 zu überreden, nicht aus der Partei auszutreten. Es seien auch Drohungen dabei gewesen, dass sie keine Arbeit mehr finden werde und es ihr und ihrer Familie nicht gut gehen werden (AS 83 des Aktes der BF1). Am XXXX .2023 seien BF1 und BF2 am Nachhauseweg einer Feier von hinten von drei Männern angegriffen und geschlagen worden. Am Schluss hätten die Männer „schöne Grüße von der XXXX Partei“ geschrien. Die BF1 habe die Männer nicht erkannt. Sie habe den Vorfall bei der Polizei angezeigt. Die Polizei habe nur ein Protokoll aufgenommen. Sie hätten dabei nicht angeführt, dass „schöne Grüße von der Partei“ ausgerichtet worden wären. Die Beamten hätten gemeint, dass sie das nicht ins Protokoll schreiben könnten. BF1 wisse nicht, ob es diesbezüglich Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft gebe (AS 83 des Aktes der BF1).

BF3 gab in seiner Erstbefragung betreffend seine Fluchtgründe an, dass er in Serbien weder für sich noch für seine Töchter Sicherheit habe, vor allem weil sie Roma seien und dort stark diskriminiert werden würden. Er leide an Multipler Sklerose, Diabetes und Thrombose. BF2 leide am Down-Syndrom und unter Depressionen. Ihr seien diesbezüglich auch Medikamente verschrieben worden. BF3 sei auf Therapien angewiesen und habe auch in Serbien dementsprechende Medikamente erhalten, welcher er auch in Österreich benötige. Bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat fürchte er, dass seine Kinder aufgrund der Diskriminierung nicht in Sicherheit wären (AS 19 des Aktes des BF3).

In seiner Einvernahme vor dem BFA führte der BF3 aus, dass sie in Serbien keine Rechte hätten und diskriminiert werden würden. Sie seien psychisch und physisch malträtiert worden. BF1 und BF2 seien am XXXX .2023 am Nachhauseweg angegriffen und verletzt worden. Die Polizei habe nichts gemacht. Am XXXX .2023 sei die Familie vom Sozialamt angerufen worden, weil BF2 in einer Einrichtung untergebracht werden solle. BF1 habe dies untersagt. Das Sozialamt habe gesagt, dass dies BF1 nichts angehen würde. Aus diesem Grund seien sie nach Österreich gekommen. Er glaube, dass dies alles von der Politik ausgehe. BF1 sei von 2012 bis 2022 in der Politik gewesen. Nachdem sie die Partei verlassen habe, sei sie bedroht worden. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst um seine Kinder, weil diese Morddrohungen erhalten hätten. Auch stünden nunmehr Wahlen bevor und fielen nunmehr 500 Stimmen weg, welche die BF1 der Partei gebracht habe (AS 77 des Aktes des BF3). Er werde in Serbien sein ganzes Leben lang diskriminiert und beschimpft. Auf Nachfrage, weshalb BF3 so lange im Herkunftsstaat gelebt habe, führte er aus, dies früher ertragen zu haben. Nun sei die Situation eine andere, weil sie die BF2 wegnehmen wollten. BF1 habe im Internet gelesen, dass es in Österreich Asyl gebe und habe den BF3 gefragt, ob sie hierherkommen und es versuchen wollen. Hier sei auch die Behandlung für seine Erkrankungen besser. Der Auslöser für die Ausreise aus Serbien sei gewesen, dass sie BF2 wegnehmen wollten und die BF1 und BF2 angegriffen worden seien. Auch seien sie als Minderheit bei der Arbeitssuche benachteiligt (AS 79 des Aktes des BF3).

In den Beschwerden wurde zusammengefasst vorgebracht, dass die BF wegen ihrer Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Angehörigen einer Minderheit sowie die überdies wegen des Vorliegens einer geistigen Behinderung einer unmittelbaren Verfolgung ausgesetzt seien (vgl. etwa AS 277 des Aktes der BF1).

2.2.2. Was die Fluchtgründe der BF betrifft, schließt sich das BVwG den Feststellungen und der Beweiswürdigung des BFA an. Das BFA hat zu Recht festgehalten, dass die BF keine aktuelle oder zum Fluchtzeitpunkt bestehende asylrelevante Verfolgung haben glaubhaft machen können. So hat das BFA das Fluchtvorbringen der BF in der Beweiswürdigung des Bescheides der BF1 wie folgt beurteilt:

„Dass Sie in Serbien keiner begründeten Furcht vor asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt waren bzw. Sie einer solchen dort gegenwärtig ausgesetzt wäre, ergibt sich aus der Gesamtschau Ihrer Angaben und ist dies im Ermittlungsverfahren nicht hervorgetreten.

Insbesondere war es Ihnen bereits vorab im Jänner 2023 möglich, legal mit Reisepass Serbien zu verlassen, um sich in Österreich behandeln zu lassen und kehrten Sie danach in Ihr Heimatland zurück.

Ebenso war es Ihnen und auch möglich, Serbien zuletzt Anfang Juni 2023 rechtmäßig (Stempel Reisepass) mit dem Bus über die serbische Grenze zu verlassen. Diese Art der Ausreise spricht ebenfalls gegen eine Sie persönlich betreffende Verfolgung durch staatliche Stellen.

Die Feststellung, dass Ihnen keine Bedrohung oder Verfolgung maßgeblicher Intensität aufgrund Ihrer Volksgruppenzugehörigkeit der Roma droht, ergibt sich ebenfalls aus Ihren Angaben vor dem Bundesamt.

Die Behörde verkennt nicht, dass es als Angehöriger einer Minderheit zu möglichen Benachteiligungen und Diskriminierungen kommt, jedoch geht aus Ihren Angaben nicht hervor, dass diese in einem unerträglichen Maße oder gezielt auf Ihre Person gerichtet stattgefunden haben und ist der Behörde nicht ersichtlich, warum diese in Zukunft stattfinden sollten.

Dass Sie Serbien aufgrund eines Angriffs von unbekannten Personen auf Sie und Ihre beeinträchtigte Schwester verlassen haben, ergibt sich aus Ihren glaubhaften Aussagen und der Vorlage eines Aktenvermerks/Protokolls der Polizei. Es ist völlig verständlich, dass dieser Vorfall für Sie und Ihre Schwester ein einschneidendes Erlebnis darstellt, Ängste und Unsicherheit verursacht, jedoch besteht in keinem Land eine Garantie, dass man nicht Opfer einer Straftat werden könnte. Dass es in Ihrem Herkunftsstaat sehr wohl ein rechtsstaatliches System gibt und Straftaten nicht toleriert werden, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass von der Polizei ein Aktenvermerk/Protokoll über diesen Vorfall angefertigt wurde. Da es sich laut Ihren Angaben um unbekannte Täter gehandelt habe, ist es für die Justiz, ganz gleich ob in Serbien oder in Österreich, schwer, konkrete Maßnahmen zu setzen, dies zeugt jedoch keinesfalls von einer Nichtwilligkeit des Staates.

Aus den Länderinformationen zu Serbien geht hervor, dass Angehörige der Volksgruppe der Roma verstärkt benachteiligt werden und beeinträchtigte Menschen wie Ihre Schwester in der Tat besonders von Diskriminierungen betroffen sind. Roma sind dennoch, wie alle Einwohner in Serbien, vor dem Gesetz gleich. In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Staats-, als auch auf der lokalen Ebene, an die sich Roma im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Den Länderfeststellungen ist zu entnehmen, dass sich die Situation der Roma verbessert hat und der Staat Serbien um eine Verbesserung bemüht ist.

Eine Bedrohung maßgeblicher Intensität aufgrund Ihres beabsichtigten Austretens aus der XXXX Partei ist für die Behörde aufgrund Ihrer geschilderten Angaben nicht erkennbar. Anzumerken ist, dass diese Wahlen bereits stattgefunden haben und die XXXX mit XXXX wieder gewählt worden ist und ist für die erkennende Behörde somit nicht ersichtlich, warum aktuell ein bestehendes Interesse an Ihrer Person vorherrschen sollte, zumal der Wahlkampf beendet ist.

Dass Sie auch aufgrund der beabsichtigten Entziehung Ihrer Schwester XXXX durch das Sozialamt ausgereist sind, ergibt sich aus ebenfalls aus Ihren Angaben und einem Abgleich der getätigten Angaben Ihres Vaters in der Einvernahme vor dem Bundesamt. Dass Sie das nicht möchten, ist nachvollziehbar, jedoch kann daran nichts Abstraktes erkannt werden. Das Sozialamt schreitet ausschließlich zum Wohle des Betroffenen ein. Auch in Österreich kommt es regelmäßig zu Unterbringungen von Kindern, Jugendlichen oder beeinträchtigten Personen, welche eine besondere Pflege/Betreuung benötigen, wenn diese im familiären Umfeld nicht in ausreichendem Maße sichergestellt ist.

Weitere Ausreisegründe brachten Sie in keinem Stadium des Verfahrens vor.

Dass die Entscheidung zur erneuten Reise nach Österreich nicht aus asylrelevanten Gründen und nicht aufgrund einer Sie unmittelbar persönlich konkreten betreffenden verfahrensrelevanten Bedrohung maßgeblicher Intensität erfolgte, ergibt sich aus der Gesamtschau Ihrer Aussagen in der Erstbefragung und vor dem Bundesamt.“

2.2.3. Wie vom BFA zutreffend ausgeführt, waren die Angaben der BF betreffend die vom Sozialamt initiierte Unterbringung der BF2 in einer Einrichtung für beeinträchtigte Menschen sowie im Hinblick auf den Angriff auf BF1 und BF2 grundsätzlich glaubwürdig. Dies erschließt sich insbesondere aus den dahingehend gleichbleibenden und übereinstimmenden Angaben der BF1 und BF3 sowie der vorgelegten Anzeige bei der serbischen Polizei (AS 117 des Aktes der BF1).

2.2.4. Dass der Angriff auf BF1 und BF2 politisch motiviert gewesen ist, war nicht glaubhaft. Zunächst ist auszuführen, dass BF1 eigenen Angaben zu Folge bereits im Jahr 2022 aus der Partei ausgetreten ist. Es ist für das BVwG selbst bei Wahrunterstellung der Angaben nicht nachvollziehbar, weshalb BF1 deswegen erst rund ein Jahr später angegriffen werden sollte. Auch reiste BF1 im Jänner 2023 in das Bundesgebiet, um sich hier medizinisch behandeln zu lassen und kehrte anschließend wieder nach Serbien zurück (vgl. Angaben: AS 73 des Aktes der BF1, Kopie des Reisepasses: AS 35 des Aktes der BF1). Wäre BF1 bereits seit ihrem Parteiaustritt im Jahr 2022 – wie vorgebracht – wiederholt bedroht und aufgefordert worden, die Partei nicht zu verlassen – erscheint es nicht nachvollziehbar, weshalb sie trotzdem wieder nach Serbien zurückgereist ist, sich einer vermeintlichen Verfolgung ausgesetzt hat und untermauert dies das Fehlen einer tatsächlichen Bedrohung in der Heimat. So widerspricht es der Logik – aber auch der menschlichen Natur – sich nach erfolgter Flucht erneut in den Gefahrenbereich zurückzubegeben. Das gezeigte Verhalten der BF1 legt das mangelnde Vorliegen einer tatsächlichen Gefahr sowohl aus politischen als auch aus Gründen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit im Herkunftsstaat nahe.

Insbesondere ist auch darauf zu verweisen, dass eine weitere Schwester bzw. Tochter der BF mit deren Familie sowie weitere Angehörige der BF augenscheinlich problemlos in Serbien leben können. Dass diese ebenfalls bedroht werden würden, wurde nicht vorgebracht. Auch ist der vorgelegten Anzeige bei der serbischen Polizei kein Hinweis auf einen politisch motivierten Hintergrund des Angriffes auf die BF1 und BF2 zu entnehmen. Das Vorbringen der BF1, die serbische Polizei habe angegeben, die vorgebrachten politischen Drohungen während des Angriffes nicht ins Protokoll schreiben zu können, sind nicht glaubhaft.

Auch wurde eine politische Verfolgung der BF weder von BF1 noch vom BF3 in ihren Erstbefragungen vorgebracht. Zur Feststellung, dass den BF in seinem Herkunftsstaat keine gezielte Verfolgung droht, ist auch auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen oder, wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31).

Weiters haben – wie zutreffend vom BFA ausgeführt – in Serbien im April 2022 und im Dezember 2023 Wahlen stattgefunden, welche jeweils von der XXXX , der Partei des XXXX , gewonnen wurden. Es ist für das BVwG – wie für das BFA – nicht erkennbar, weshalb die Partei nunmehr noch immer ein Interesse an der BF1 haben sollte.

2.2.5. Das BVwG schließt sich auch betreffend die vorgebrachten Fluchtgründe der BF hinsichtlich einer Diskriminierung aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit der Roma und aufgrund der Erkrankung der BF2 den Ausführungen des BFA an.

Aus den Länderberichten zur Lage der Roma in Serbien ergibt sich zwar, dass in der serbischen Öffentlichkeit Vorbehalte und Vorurteile gegen Roma unverändert weit verbreitet sind, dennoch in bestimmten, näher genannten Bereichen, Fortschritte zu verzeichnen sind. So wurde im Jahr 2021 die Koordinationsstelle zur Überwachung der Umsetzung der Strategie für die soziale Integration der Roma eingerichtet, um die Maßnahmen der staatlichen Verwaltung zu koordinieren. Auf der Ebene der lokalen Selbstverwaltungen wurden sogenannte mobile Teams für die Inklusion von Roma eingeführt. Sie bestehen aus einem Koordinator, pädagogischen Assistenten, Gesundheitsmediatoren, Vertretern des Arbeitsamtes sowie bei Bedarf weiteren Vertretern der lokalen Selbstverwaltung. Bisher wurden 56 mobile Teams gebildet, die den Zugang zu Versorgungsleistungen erleichtern und die Ausübung der Rechte der Roma fördern sollen. Innerhalb des Ministeriums für Menschen- und Minderheitenrechte und sozialen Dialog wurde die Abteilung für die soziale Inklusion der Roma eingerichtet, in der Beamte mit Roma-Nationalität beschäftigt sind. Seit 2011 organisiert die Regierung in Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommission alle zwei Jahre Seminare zur sozialen Inklusion von Roma. Roma haben, sofern sie mit einem ständigen Wohnsitz registriert sind, Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen. Der Zugang zum Arbeitsmarkt ist für Roma grundsätzlich schwierig. Ursächlich hierfür sind nicht nur die weitverbreiteten gesellschaftlichen Vorurteile, sondern vor allem das niedrige Bildungs- und Qualifikationsniveau. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren die Situation der Roma verbessert. Staatliche Programme wie die Beschäftigung von Roma-Gesundheitsmediatoren, Zugang zum Gesundheitssystem auch für nicht registrierte Personen sowie die Einstellung von pädagogischen Assistenten an Schulen zeigen Erfolge. Es gibt keinerlei systematische staatliche Verfolgungsmaßnahmen gegenüber Roma.

Eine Gruppenverfolgung von Zugehörigen zur Minderheit der Roma ergibt sich aus den Länderberichten nicht. Die wirtschaftliche Situation der Roma ist prekär, jedoch hat sich die Lage für Roma generell in Serbien stetig verbessert.

Insgesamt ist auszuführen, dass BF1 Serbien in der Vergangenheit bereits einmal verlassen hat und wieder dorthin zurückgekehrt ist. Dem BF3 war es jahrelang möglich, einer Erwerbstätigkeit in Serbien nachzugehen. Auch hatten die BF Zugang zu öffentlichen Leistungen im Herkunftsstaat. So bestritt die Familie ihren Lebensunterhalt in Serbien (u.a.) durch den Pflegegeldbezug der BF2 und den Pensionsbezug des BF3. Auch der Umstand, dass die BF gezielt, geplant und legal unter Verwendung ihrer Reisepässe Serbien verlassen haben, spricht gegen das Vorliegen einer asylrelevanten Verfolgung im Herkunftsstaat. Bei einer tatsächlich stattgefundenen asylrelevanten Verfolgung erscheint es naheliegend, den Herkunftsstaat unverzüglich zu verlassen.

Wie sich aus den oben angeführten Länderberichten ergibt, unterliegen Angehörige der Volksgruppe der Roma sowie Menschen mit Behinderungen durchaus von der allgemeinen Bevölkerung ausgeübten gesellschaftlichen Diskriminierungen. Derartige Diskriminierungen gehen jedoch nicht vom Staat oder den Behörden aus. Diesbezüglich wurde von den BF auch keine einzige vom Staat ausgehende konkrete Diskriminierung genannt. Hinsichtlich der von den BF vorgebrachten allfälligen Diskriminierungen durch Dritte ist auszuführen, dass die staatlichen Behörden Serbiens in der Lage und auch Willens sind, den BF im Falle von diesbezüglichen Angriffen oder auch Diskriminierungen Schutz zu gewähren.

Schlussendlich war es den BF auch möglich, sich im Falle der tatsächlichen Bedrohung oder Diskriminierung an die entsprechenden (Sicherheits-)Behörden in Serbien zu wenden. Sie haben nicht substantiiert vorgebracht, dass ihnen entsprechender Schutz der Behörden verweigert wurde oder dieser nicht effektiv sei. Eine Schutzunfähigkeit oder Schutzunwilligkeit Serbiens ist insgesamt nicht hervorgekommen.

In Zusammenschau des konkreten Vorbringens und der dargestellten Länderfeststellungen haben sich insgesamt keine Anhaltspunkte für ein mögliches Schutzdefizit bei einer Bedrohung durch Privatpersonen - auch im konkreten Fall - ergeben. In diesem Zusammenhang ist weiters darauf zu verweisen, dass in keinem Staat der Welt ein möglicher präventiver Schutz absolut und lückenlos sein kann.

Die durchaus glaubhaft vorgebrachte Diskriminierung der BF aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit bzw. der Erkrankung der BF2 durch Dritte ist zwar als verwerflich anzusehen, erreicht jedoch nicht einen auf der Stufe der GFK normierten Grad der Verfolgung.

2.2.6. Des Weiteren ist auch aus dem Vorbringen der BF, BF2 solle durch das Sozialamt – gegen den Willen der BF1 und des BF3 – in eine Einrichtung für beeinträchtigte Personen untergebracht werden, eine asylrelevante Verfolgung der BF nicht ersichtlich. Wie zutreffend vom BFA ausgeführt, kommt es auch in Österreich zu Unterbringungen von Kindern, Jugendlichen oder beeinträchtigten Personen, welche eine besondere Pflege/Betreuung benötigen, wenn diese im familiären Umfeld nicht in ausreichendem Maße sichergestellt ist. Dass die vorgebrachte Unterbringung der BF2 politisch motiviert sein sollte, war nicht glaubhaft.

2.2.7. Im Ergebnis vermochten es die BF nicht, eine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat darzulegen.

2.3. Zu den Feststellungen zur Rückkehrsituation der BF in den Herkunftsstaat:

2.3.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr der BF in ihr Herkunftsland ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten.

2.3.2. Es wurden im gesamten Verfahren keinerlei medizinische Unterlagen vorgelegt, aus denen eine lebensbedrohliche Erkrankung der BF hervorginge, sodass für den erkennenden Richter hinsichtlich des Gesundheitszustandes der BF kein Sachverhalt ersichtlich ist, welcher geeignet wäre, den Schutzbereich des Art. 3 EMRK zu tangieren. Insbesondere gaben die BF wiederholt an, in Serbien medizinisch behandelt worden zu sein.

Die BF kehren im Familienverband zurück. Die Pflege der BF2 ist im Falle der Rückkehr nach Serbien sohin weiterhin durch BF1 und BF3 sichergestellt.

Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit oder gegen eine Arbeitsfähigkeit der BF1 und des BF3 sprächen. Es liegen keine Hinweise vor, dass die BF im Falle ihrer Rückkehr in ihre Heimat nicht in der Lage wären, ihren Unterhalt durch berufliche Tätigkeiten sowie durch den Pensions- und Pflegegeldbezug oder Unterstützung durch Familienangehörige (erneut) zu bestreiten.

Weiters sind im Verfahren keine Hinweise hervorgekommen, dass die BF nicht erneut im Haus ihres Großvaters bzw. Vaters Unterkunft nehmen könnten.

2.3.3. Die Feststellungen zum Aufenthaltsort von Angehörigen in Serbien und dem Kontakt zu diesen, ergeben sich aus den Ausführungen der BF (AS 7, 73 des Aktes der BF1, AS 13, 73 des Aktes des BF3).

Dass die BF in Serbien im Eigentumshaus des Großvaters bzw. Vaters gelebt und ihren Lebensunterhalt durch den Bezug der Pension des BF3 sowie des Pflegegeldes für die BF2 bestritten haben, gründet auf den diesbezüglichen Angaben der BF (AS 75 des Aktes der BF1, AS 75 des Aktes des BF3)

2.4. Zu den Feststellungen zum (Privat-)Leben der BF in Österreich:

2.4.1. Die Feststellungen zum Leben der BF in Österreich, insbesondere zur finanziellen Situation, der Aufenthaltsdauer, den (fehlenden) Deutschkenntnissen, den (mangelnden) Anknüpfungspunkten und der (nicht vorhandenen) Integration in Österreich, stützen sich auf die Angaben der BF (AS 77 des Aktes der BF1, AS 75ff des Aktes des BF3), der Einsichtnahme in das ZMR, dem GVS und aus den auf den Inhalt der auf den Namen der BF lautenden Sozialversicherungsdatenauszüge.

2.4.2. Der Aufenthalt der Mutter bzw. Exfrau der BF im Bundesgebiet sowie der fehlende Kontakt zu dieser fußt auf den Angaben der BF (AS 7, 75, 77 des Aktes der BF1, AS 73 des Aktes des BF3) sowie dem im Akt einliegenden Urteil des serbischen Amtsgerichtes betreffend die alleinige Obsorge des BF3 hinsichtlich der damals noch minderjährigen BF1 und BF2 (AS 89ff des Aktes der BF1).

2.4.3. Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich.

2.5. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

2.5.1. Aus § 1 Z 6 Herkunftsstaaten-Verordnung (HStV) ergibt sich die Einstufung von Serbien als sicherer Herkunftsstaat.

2.5.2. Die – von der belangten Behörde ins Verfahren eingebrachten – obigen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat ergeben sich aus den in oben genannten Länderinformationen angeführten herkunftsstaatsbezogenen Erkenntnisquellen.

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie des Umstandes, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

Es wurden im gesamten Verfahren keinerlei Gründe dargelegt, die an der Richtigkeit und inhaltlichen Detailliertheit der Informationen zur allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Zweifel aufkommen ließen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkte I.):

3.1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention – GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentraler Aspekt des Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.01.2001, 2001/20/0011). Für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung ist es nicht erforderlich, dass bereits Verfolgungshandlungen gesetzt worden sind; sie ist vielmehr bereits dann anzunehmen, wenn solche Handlungen zu befürchten sind (vgl. VwGH 26.02.1997, 95/01/0454; 09.04.1997, 95/01/0555), denn die Verfolgungsgefahr - Bezugspunkt der Furcht vor Verfolgung - bezieht sich nicht auf vergangene Ereignisse (vgl. VwGH 18.04.1996, 95/20/0239; 16.02.2000, 99/01/0097), sondern erfordert eine Prognose. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss vorliegen, wenn der Asylbescheid erlassen wird; auf diesen Zeitpunkt hat die Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; 19.10.2000, 98/20/0233). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 09.09.1993, 93/01/0284; 15.03.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat zurechenbar sein (vgl. VwGH 16.06.1994, 94/19/0183; 18.02.1999, 98/20/0468). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.03.1995, 95/19/0041; VwGH 27.06.1995, 94/20/0836; VwGH 23.07.1999, 99/20/0208; VwGH 21.09.2000, 99/20/0373; VwGH 26.02.2002, 99/20/0509 m. w. N.; VwGH 12.09.2002, 99/20/0505 sowie VwGH 17.09.2003, 2001/20/0177) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären.

Auch wenn in einem Staat allgemein schlechte Verhältnisse bzw. sogar bürgerkriegsähnliche Zustände herrschen sollten, so liegt in diesem Umstand für sich alleine noch keine Verfolgungsgefahr iSd GFK. Um asylrelevante Verfolgung erfolgreich geltend zu machen, bedarf es daher einer zusätzlichen, auf asylrelevanten Gründe gestützte, Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten hinausgeht (vgl. VwGH 19.10.2000, 98/20/0233). Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt.

3.1.2. Es sei weiters betont, dass die Glaubwürdigkeit des Vorbringens die zentrale Rolle für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und Asylgewährung einnimmt (vgl. VwGH vom 20.06.1990, 90/01/0041). Die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht setzt positiv getroffene Feststellungen von Seiten der Behörde und somit die Glaubwürdigkeit des diesen Feststellungen zugrundeliegenden Vorbringens des Asylwerbers voraus (vgl. VwGH 11.06.1997, 95/01/0627). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers die zentrale Entscheidungsgrundlage dar. Dabei genügen aber nicht bloße Behauptungen, sondern bedarf es, um eine Anerkennung als Flüchtling zu erwirken, hierfür einer entsprechenden Glaubhaftmachung durch den Asylwerber (vgl. VwGH 04.11.1992, 92/01/0560).

Umstände, die individuell und konkret die BF betreffen und auf eine konkrete Verfolgung der BF hindeuten könnten, konnten – aus den Gründen, die bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt wurden – nicht festgestellt werden.

3.1.3. Im gegenständlichen Fall gelangte das BVwG aus den oben im Rahmen der Beweiswürdigung erörterten Gründen zum Ergebnis, dass die BF keiner individuellen Verfolgung im Herkunftsstaat ausgesetzt waren oder im Fall der Rückkehr ausgesetzt wären, sodass internationaler Schutz nicht zu gewähren ist.

Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt jedenfalls nicht, um den Status eines Asylberechtigten zu erhalten (VwGH vom 15.12.2015, Ra 2015/18/0100).

Auch bei Zugrundelegung des Vorbringens der BF ist im konkreten Fall unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ausführungen von der Schutzgewährungswilligkeit und -fähigkeit der Behörden in Serbien, im Rahmen dessen, was einem Staat realistischer Weise zugesonnen werden kann, auszugehen. Wie bereits ausgeführt, ergibt sich aus den Länderberichten, dass die, die Sicherheitsbehörden in Serbien repräsentierenden, Einrichtungen grundsätzlich willens und in der Lage sind, Menschen – Männern wie Frauen – und unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder sozialen Minderheit oder vor allfälligen rechtswidrigen Übergriffen durch Dritte auf ihre Person ausreichenden Schutz zu gewähren. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang darauf, dass der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen hat, mangelnde Schutzfähigkeit bedeute – bei außer Streit stehendem Schutzwillen des Staates – des Staates nicht, dass dieser nicht in der Lage sei, seine Bürger gegen jedwede Art von Übergriffen durch Private präventiv zu schützen, sondern, dass mangelnde Schutzfähigkeit erst dann vorliege, wenn eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung "infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt" nicht abgewendet werden könne. Davon kann aber im gegenständlichen Fall – vor dem Hintergrund der vorliegenden, oben genannten Länderberichte, des festgestellten Sachverhalts und der Wahrunterstellung des Vorbringens – jedenfalls nicht ausgegangen werden.

Auch das Vorbringen der BF betreffend bessere medizinische Versorgung ist asylrechtlich nicht relevant. Unabhängig davon sind die gesundheitlichen Beschwerden der BF bisher schon in Serbien behandelt worden und auch weiterhin in Serbien behandelbar.

Zur Abweisung der Asylanträge sei erwähnt, dass auch ein wirtschaftlicher Nachteil unter bestimmten Voraussetzungen als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention zu qualifizieren sein kann, im Ergebnis jedoch nur dann, wenn durch den Nachteil die Lebensgrundlage massiv bedroht ist und dieser in einem Kausalzusammenhang mit den Gründen der Flüchtlingskonvention steht. Eine solche Bedrohung der Lebensgrundlage ist den Feststellungen zufolge nicht gegeben und ein derartiger Kausalzusammenhang ist im vorliegenden Fall auch nicht ersichtlich.

3.1.4. Da insgesamt weder eine individuell-konkrete Verfolgung, eine Gruppenverfolgung oder Verfolgungsgefahr noch eine begründete Furcht, die in die Sphäre der GFK hineinreicht, festgestellt wurden, liegen die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 AsylG nicht vor.

Aufgrund der Situation in Serbien ist auch sonst nicht darauf zu schließen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Gründe nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK vorliegen.

Daher waren die Beschwerden gegen die Spruchpunkte I. der angefochtenen Bescheide gemäß § 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zur Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkte II.):

3.2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden im Falle der Abweisung des Antrags auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

3.2.2. Aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgt, dass eine Voraussetzung für die Gewährung subsidiären Schutzes das Drohen einer realen Gefahr ("real risk") insbesondere einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung ist (VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0137). Um von der realen Gefahr ("real risk") im Falle der Rückkehr ausgehen zu können, reicht es nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird.

Zum AsylG 2005 hat der VwGH betreffend die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz – entsprechend dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 – (insbesondere) auf den Maßstab des Art. 3 MRK abgestellt (vgl. VwGH 21.05.2019, Ra 2019/19/0006; 06.11.2018, Ra 2018/01/0106, Rn. 14 f, mwN). Nach dieser Rechtsprechung kann die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat etwa auch dann eine Verletzung von Art. 3 MRK bedeuten und daher die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründen, wenn – wobei eine solche Situation allerdings nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen ist – der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also seine Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz nicht gedeckt werden können (vgl. näher zu den Voraussetzungen einer solchen Annahme etwa VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0200; 25.04.2017, Ra 2017/01/0016). Ebenso ist in der Rechtsprechung des VwGH in Hinblick auf den anzuwendenden Prüfungsmaßstab des Art. 3 MRK (weiterhin) anerkannt, dass es unter Berücksichtigung der Judikatur des EGMR Ausnahmefälle geben kann, in denen durch eine schwere Erkrankung bzw. einen fehlenden tatsächlichen Zugang zur erforderlichen Behandlung im Herkunftsstaat die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründet wird (vgl. jüngst VwGH 21.03.2018, Ra 2018/18/0021).

3.2.3. Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 123, mwN).

3.2.4. Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht. Dies ist gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 dann der Fall, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann (Innerstaatliche Fluchtalternative). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind. Bei der Prüfung, ob eine innerstaatliche Fluchtalternative gegeben ist, ist auf die allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftsstaates und auf die persönlichen Umstände der Asylwerberin zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag abzustellen (§ 11 Abs. 2 AsylG 2005).

Selbst wenn einem Antragsteller in seiner Herkunftsregion eine Art. 3 EMRK-widrige Situation drohen sollte, ist seine Rückführung daher dennoch möglich, wenn ihm in einem anderen Landesteil seines Herkunftsstaates eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung steht (§ 11 AsylG 2005). Die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative muss dem Fremden - im Sinne eines zusätzlichen Kriteriums - zumutbar sein (Prüfung der konkreten Lebensumstände am Zielort); für die Frage der Zumutbarkeit (im engeren Sinn) muss daher ein geringerer Maßstab als für die Zuerkennung subsidiären Schutzes als maßgeblich angesehen werden (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 2016, § 11 AsylG 2005, K15).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 EMRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (vgl. VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).

3.2.5. Im konkreten Fall der BF ist nicht ersichtlich, dass derart exzeptionelle Umstände vorlägen, die deren Außerlandesschaffung im Hinblick auf die Gegebenheiten in Serbien hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage gemäß Art. 3 EMRK unzulässig erscheinen ließen.

Aus der allgemeinen Situation allein erschließen sich keine Hinweise darauf, es sei maßgeblich wahrscheinlich, dass die BF im Falle einer Rückkehr nach Serbien im Sinne des § 8 AsylG 2005 bedroht wären.

3.2.6. Die BF sind im serbischen Umfeld sozialisiert worden, mit den dortigen Gepflogenheiten vertraut und sprechen Serb(okroat)isch als Muttersprache. BF3 verfügt auch über entsprechende Arbeitserfahrung. Die BF haben den Großteil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht, verfügen über die notwendigen Kenntnisse der infrastrukturellen Gegebenheiten und werden sich nach ihrer Rückkehr problemlos im Herkunftsstaat zurechtfinden können. Zudem verfügen sie dort über familiäre Anknüpfungspunkte und können (erneut) Sozialleistungen in Anspruch nehmen. So bezieht BF3 auch derzeit Pensionsleistungen aus Serbien. Aufgrund der Erkrankung der BF2 wurde dieser bereits in der Vergangenheit Pflegegeld gewährt. Anhaltspunkte dafür, dass die BF nicht erneut solchen Sozialleitungen beziehen können und/oder keinen ausreichenden Zugang zum serbischen Arbeitsmarkt hätten, waren nicht greifbar. Überdies können die BF erneut im Haus ihres Großvaters bzw. Vaters Unterkunft nehmen, sodass auch ihre Unterunftnahme gesichert ist.

3.2.7. Hinsichtlich der festgestellten Erkrankungen der BF ist jedenfalls auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes (VfGH vom 06.03.2008, Zl: B 2400/07-9) zu verweisen, welches die Rechtsprechung des EGMR zur Frage der Vereinbarkeit der Abschiebung Kranker in einen anderen Staat mit Art. 3 EMRK festhält (D. v. the United Kingdom, EGMR 02.05.1997, Appl. 30.240/96, newsletter 1997,93; Bensaid, EGMR 06.02.2001, Appl. 44.599/98, newsletter 2001,26; Ndangoya, EGMR 22.06.2004, Appl. 17.868/03; Salkic and others, EGMR 29.06.2004, Appl. 7702/04; Ovdienko, EGMR 31.05.2005, Appl. 1383/04; Hukic, EGMR 29.09.2005, Appl. 17.416/05; EGMR Ayegh, 07.11.2006; Appl. 4701/05; EGMR Goncharova Alekseytsev, 03.05.2007, Appl. 31.246/06).

Zusammenfassend führt der VfGH darin aus, aus den erwähnten Entscheidungen des EGMR ergebe sich, dass im Allgemeinen kein Fremder ein Recht hat, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (Fall D. v. the United Kingdom).

Vor dem Hintergrund dieser strengen Judikatur des EGMR kann jedenfalls nicht erkannt werden, dass eine Überstellung der BF nach Serbien eine Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 3 EMRK darstellte, weil aktuell bei ihnen nicht das Endstadium einer tödlichen Krankheit gegeben und die Gesundheitsversorgung in Serbien stabil ist. Ausgehend von den Länderfeststellungen und dem Vorbringen der BF liegen letztlich auch keine Hinweise dafür vor, dass die BF nicht erneut Zugang zu herkunftsstaatlichen Gesundheitsleitungen hätten. Vielmehr steht jedem serbischen Staatsbürger der Zugang zum Gesundheitssystem offen. Auch gaben die BF explizit an, in Serbien medizinisch behandelt worden zu seien. BF2, die aufgrund ihrer Erkrankung auf Pflege angewiesen ist, kehrt in ihrem Familienverband – bestehend aus ihrer Schwester und ihrem Vater – nach Serbien zurück. Ihre Versorgung ist sohin gewährleistet.

Schließlich ist auch darauf hinzuweisen, dass die Fremdenpolizeibehörde bei der Durchführung einer Abschiebung im Fall von bekannten Erkrankungen des Drittstaatsangehörigen durch geeignete Maßnahmen dem Gesundheitszustand Rechnung zu tragen hat. Insbesondere wird kranken Personen eine entsprechende Menge der verordneten Medikamente mitgegeben. Anlässlich einer Abschiebung werden von der Fremdenpolizeibehörde auch der aktuelle Gesundheitszustand und insbesondere die Transportfähigkeit beurteilt sowie gegebenenfalls bei gesundheitlichen Problemen die entsprechenden Maßnahmen gesetzt. Im Fall einer schweren psychischen Erkrankung und insbesondere bei Selbstmorddrohungen werden geeignete Vorkehrungen zur Verhinderung einer Gesundheitsschädigung getroffen.

3.2.8. Schwierige Lebensumstände genügen für eine Schutzgewährung im Sinne des § 8 AsylG 2005 nicht. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellte (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), liegt nicht vor.

3.2.9. Unter Berücksichtigung der Länderberichte und der persönlichen Situation der BF ist in einer Gesamtbetrachtung nicht zu erkennen, dass sie im Fall ihrer Abschiebung nach Serbien in eine ausweglose Lebenssituation gerieten und Gefahr liefen, eine Verletzung ihrer durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der durch die Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention geschützten Rechte zu erleiden. Die BF haben gegenüber der Behörde nicht detailliert und konkret dargelegt, dass exzeptionelle Umstände vorliegen, die ein reales Risiko einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuteten (vgl. auch BVwG 12.08.2022, W296 2245589-1/10E).

Im Ergebnis waren daher die Beschwerden auch hinsichtlich der Spruchpunkte II. der angefochtenen Bescheide abzuweisen.

3.3. Zur Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkte III.-V.):

3.3.1. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu erteilen ist.

3.3.2. Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist gemäß § 57 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt (Z 1), wenn dies zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel notwendig ist (Z 2) oder wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist (Z 3).

3.3.3. Die BF befinden sich seit Juni 2023 im Bundesgebiet. Am 05.06.2023 stellten sie die gegenständlichen Anträge auf Gewährung internationalen Schutzes. Der Aufenthalt der BF ist im Bundesgebiet nicht im Sinne dieser Bestimmung geduldet bzw. zur Gewährleistung einer Strafverfolgung erforderlich. Sie sind aktuell weder Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen noch Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die amtswegige Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor.

3.3.4. Gemäß § 52 Abs. 2 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

Die BF sind als Staatsangehörige von Serbien keine begünstigten Drittstaatsangehörigen und es kommt ihnen kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu, weil mit der erfolgten Abweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz das Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 mit der Erlassung dieser Entscheidung endet.

Daher liegen die Voraussetzungen für die Prüfung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG vor.

3.3.5. Das Bundesamt hat gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung auf Grund des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG rechtskräftig auf Dauer für unzulässig erklärt wurde.

Ob eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG: Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist nach § 9 Abs. 1 BFA-VG die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

3.3.6. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen: die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet war (Z 9).

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruhen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff. NAG) verfügten, unzulässig wäre.

3.3.7. Nach Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff in die Ausübung des Rechts auf Privat- und Familienleben nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutze der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangte eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn darf eine Ausweisung nicht erlassen werden, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden schwerer wiegen, als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

3.3.8. Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wurde – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.3.9. Vom Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK ist nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern umfasst, sondern z. B. auch Beziehungen zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, Appl. 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Eltern und erwachsenen Kindern (etwa EKMR 06.10.1981, Appl. 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Dies allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt. Es kann nämlich nicht von vornherein davon ausgegangen werden, dass zwischen Personen, welche miteinander verwandt sind, immer auch ein ausreichend intensives Familienleben iSd Art. 8 EMRK besteht, vielmehr ist dies von den jeweils gegebenen Umständen, von der konkreten Lebenssituation abhängig. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK setzt daher neben der Verwandtschaft auch andere, engere Bindungen voraus; die Beziehungen müssen eine gewisse Intensität aufweisen. So ist etwa darauf abzustellen, ob die betreffenden Personen zusammenleben, ein gemeinsamer Haushalt vorliegt oder ob sie (finanziell) voneinander abhängig sind (vgl. etwa VwGH 26.01.2006, 2002/20/0423; 08.06.2006, 2003/01/0600; 26.01.2006, 2002/20/0235, worin der Verwaltungsgerichtshof feststellt, dass das Familienleben zwischen Eltern und minderjährigen Kindern nicht automatisch mit Erreichen der Volljährigkeit beendet wird, wenn das Kind weiter bei den Eltern lebt).

3.3.10. Unter dem „Privatleben“ sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. EGMR 16.06.2005, Fall Sisojeva ua., Appl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die nach Art. 8 EMRK durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. etwa VwGH 25.4.2018, Ra 2018/18/0187; 6.9.2017, Ra 2017/20/0209; 30.8.2017, Ra 2017/18/0070 bis 0072; 20.6.2017, Ra 2017/22/0037, jeweils mwN).

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).

3.3.11. Die Mutter bzw. Exfrau der BF lebt seit etwa 20 Jahren im Bundesgebiet. Zu dieser besteht jedoch kein Kontakt. Ansonsten verfügen die BF über keine Familienangehörigen oder Verwandten im Bundesgebiet. Mit der nunmehrigen Entscheidung wird gegen alle BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, sodass diese im Familienverband nach Serbien zurückkehren. Demzufolge ist den BF ein berücksichtigungswürdiges Privat- nicht jedoch Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK zuzuerkennen (vgl. Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, ÖJZ 2007/74, 857f).

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende berücksichtigungswürdige besondere Integration der BF in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht sind nicht erkennbar. Weder gehen der BF Erwerbstätigkeiten im Bundesgebiet nach noch haben sie Bemühungen zum Erlernen der deutschen Sprache nachzuweisen vermocht. Sie sind weder Mitglieder in einem Verein noch einer sozial-, kulturell- oder sportlich orientierten Organisation und nicht selbsterhaltungsfähig. Zudem können die BF auch nicht auf einen längeren Aufenthalt in Österreich zurückblicken und haben der den Großteil ihres Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wo sie auch nach wie vor über familiäre Anknüpfungspunkte verfügen.

Der Aufenthalt der BF in Österreich ist ausschließlich auf ihren Antrag auf internationalen Schutz gestützt, wodurch sie – abgesehen von dem durch den Asylantrag begründeten vorübergehenden – nie über ein Aufenthaltsrecht, verfügt haben.

Das Interesse der BF an einem Verbleib im Bundesgebiet ist jedenfalls dadurch geschwächt, dass sie sich bei allen Integrationsschritten eines unsicheren Aufenthaltsstatus und damit auch der Vorläufigkeit der Integrationsschritte bewusst sein mussten.

Die Dauer des Verfahrens übersteigt auch nicht das Maß dessen, was für ein rechtsstaatlich geordnetes, den verfassungsrechtlichen Vorgaben an Sachverhaltsermittlungen und Rechtschutzmöglichkeiten entsprechendes Asylverfahren angemessen ist. Es liegt somit kein Fall vor, in dem die öffentlichen Interessen an der Einhaltung der einreise- und fremdenrechtlichen Vorschriften sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung angesichts der langen Verfahrensdauer oder der langjährigen Duldung des Aufenthaltes im Inland nicht mehr hinreichendes Gewicht haben, die Rückkehrentscheidung als "in einer demokratischen Gesellschaft notwendig" erscheinen zu lassen (vgl. VfSlg. 19.752/2013; EGMR 04.12.2012, Butt gegen Norwegen, Appl. 47017/09).

Die BF können zum Entscheidungszeitpunkt keine außergewöhnliche Integration vorweisen. Im Ergebnis kann auch keine außergewöhnliche Konstellation erkannt werden, die trotz des erst kurzen Aufenthaltes in Österreich dennoch ein Aufenthaltsrecht im Sinne des Art. 8 EMRK geböte (vgl. VwGH 16.07.2020, Ra 2020/21/0165).

3.3.12. Es ist nach wie vor von einer engen Bindung der BF zu Serbien auszugehen, zumal sie dort sozialisiert wurden, Serb(okroat)isch als Muttersprache sprechen und über Familienangehörige im Herkunftsstaat verfügen. Es kann sohin nicht gesagt werden, dass die BF ihrem Kulturkreis völlig entrückt wären, sodass sie sich in Serbien auch mit Hilfe der Unterstützung von Verwandten wieder eingliedern können.

3.3.13. Dass die BF strafrechtlich unbescholten sind, vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen.

3.3.14. Aufgrund der genannten Umstände überwiegen in einer Gesamtabwägung die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung die privaten der BF am Verbleib im Bundesgebiet. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthaltes der BF im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt und daher durch die angeordneten Rückkehrentscheidungen eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen, wonach im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig wäre.

Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG 2005 stellt sohin keine Verletzung des Rechts der BF auf Privat- und Familienleben gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK dar. Die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist daher nicht geboten.

Daher sind die Beschwerden abzuweisen, soweit sie sich gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung wenden.

3.3.15. Mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung ist gemäß § 52 Abs. 9 FPG gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 1 FPG unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 EMRK oder das 6. bzw. 13. ZPEMRK verletzt würden oder für den Betroffenen als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes verbunden wäre. Das entspricht dem Tatbestand des § 8 Abs. 1 AsylG 2005.

Die Abschiebung in einen Staat ist gemäß § 50 Abs. 2 FPG unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben des Betroffenen oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder persönlichen Ansichten bedroht wäre, es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Das entspricht dem Tatbestand des § 3 AsylG 2005. Die Abschiebung ist schließlich nach § 50 Abs. 3 FPG unzulässig, solange ihr die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entgegensteht.

Im gegenständlichen Fall ist die Zulässigkeit der Abschiebung der BF nach Serbien gegeben, weil nach den die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz tragenden Feststellungen keine Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 Abs. 1 und 2 FPG ergäbe und auch keine entsprechende Empfehlung des EGMR für Serbien besteht. Vielmehr handelt es sich bei Serbien um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 1 Z 6 HStV.

3.4. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung und Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkte VI. und VII.):

Der mit „Frist für die freiwillige Ausreise“ betitelte § 55 FPG lautet:

„§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.

(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.“

Wie bereits zuvor ausgeführt, wurde mit oben unter Punkt I.8. genanntem Teilerkenntnis des BVwG den gegenständlichen Beschwerden gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt, weshalb – aufgrund des Wegfalls des Ausschließungstatbestandes des § 55 Abs. 1a FPG – mangels Vorbringens eines besonderen Grundes seitens der BF gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 2 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der gegenständlichen Rückkehrentscheidungen festzulegen ist.

3.5. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung „wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint“ unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist den angefochtenen Bescheiden ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für eine Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des BVwG keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. So ist die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht hinreichend nachgekommen. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in den Beschwerden auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes konnte im vorliegenden Fall die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beim BVwG gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG unterbleiben, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerden samt Ergänzung geklärt war. Was das Vorbringen der BF in den Beschwerden betrifft, so findet sich in diesen kein neues bzw. kein ausreichend konkretes Tatsachenvorbringen, welches die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätte.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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