Spruch
I407 2281139-1/10E
Schriftliche Ausfertigung des am 27.06.2024 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Stefan MUMELTER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. NIGERIA, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD NÖ Außenstelle Wr. Neustadt (BFA-N-ASt Wr. Neustadt) vom 28.09.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.06.2024 zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 26.10.2022 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am darauffolgenden Tag fand unter Beiziehung eines Dolmetschers für die englische Sprache die Erstbefragung des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er an, dass er Teil BIAFRA Bewegung sei, welche in Nigeria für die Freiheit der Gruppierung BIAFRA gegen den Staat kämpfe. Er habe mit seinen Leuten gegen die Soldaten gekämpft, jedoch hätten diese gewonnen. Seine Freunde und Kollegen seien umgebracht worden, weshalb er flüchten hätte müssen. Seine Mutter und sein Vater seien von Banditen umgebracht worden. Der Staat hätte sie nicht schützen können, weshalb er der BIAFRA Bewegung beigetreten sei. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.
Am 14.06.2023 erfolgte vor dem Bundesamt eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers. Zusammengefasst gab er befragt zu seinen Fluchtgründen an, dass er nach einem Vergewaltigungsversuch von einem Mann, welcher der Sohn eines (ehemaligen) Ministers gewesen sei, von Männern in ein Privatgefängnis gebracht worden sei. Durch die Hilfe eines Wächters sei ihm die Flucht gelungen. Er habe sich der Gruppierung Indigenous People of Biafra (IPOB) angeschlossen. Dort sei er für das Kochen, Wäsche waschen, etc. zuständig gewesen. An Kampfhandlungen habe er nie teilgenommen. Eines Tages sei es im Lager zu einer Auseinandersetzung zwischen der IPOB und der nigerianischen Polizei gekommen, der Beschwerdeführer sei bei diesem Vorfall nicht im Lager gewesen. Der Beschwerdeführer sei sodann nach Lagos zu seiner Schwester gelaufen. Danach habe ihm ein Mann namens XXXX bei der Ausreise aus Nigeria unterstützt.
Mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid vom 28.09.2023 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte es dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). Des Weiteren setzte das Bundesamt eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI.).
Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde vom 31.10.2023 (bei dem Bundesamt am darauffolgenden Tag eingelangt). In der Beschwerde wurde im Wesentlichen sein Fluchtvorbringen wiederholt vorgetragen und Berichtigungen vorgenommen.
Mit Schreiben vom 06.11.2023, beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 13.11.2023, legte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vor.
Aufgrund der Unzuständigkeitsanzeige der Gerichtsabteilung I405 wurde die Rechtssache der Gerichtsabteilung I407 neu zugeteilt.
Mit Schriftsatz vom 17.04.2024 übermittelte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht einen Strafantrag der Finanzpolizei (Amt für Betrugsbekämpfung), in welchem gegen eine Person, welche den Beschwerdeführer unerlaubt beschäftigt habe, zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.
Am 27.06.2024 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die englische Sprache und der Rechtsvertretung des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, welcher der Beschwerdeführer unentschuldigt fernblieb, sodass die gegenständliche Beschwerdesache in deren Abwesenheit erörtert werden musste.
Am Ende der Verhandlung wurden mittels mündlich verkündetem Erkenntnis die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Die Niederschrift der mündlichen Verkündung enthält die wesentlichen Entscheidungsgründe.
Mit Schriftsatz vom 27.06.2024, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 28.06.2024, beantragte die rechtsfreundliche Vertretung des Beschwerdeführers die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatangehöriger von Nigeria, gehört der Volksgruppe der Igbo an und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er ist ledig, gesund und arbeitsfähig. Seine Identität steht nicht fest. Er spricht muttersprachlich Igbo und fließend Englisch.
Er stammt aus Lagos, wo er geboren und aufgewachsen ist und hauptsozialisiert wurde. Er besuchte zwölf Jahre die Schule und bestritt seinen Lebensunterhalt mit der Vermarktung von Kleidung auf „social media“ Plattformen.
Bezüglich etwaiger familiärer Anknüpfungspunkte des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat können keine genaueren Feststellungen getroffen werden. Festgestellt werden kann jedoch, dass zumindest eine seiner Schwestern noch in Nigeria lebt.
Der Beschwerdeführer beantragte am 05.09.2022 in Nigeria ein Touristenvisum für Spanien. Am 08.09.2022 wurde dem Beschwerdeführer von dem Generalkonsulat von Spanien in Lagos ein Touristenvisum von 23.09.2022 bis 24.10.2022 ausgestellt. Der Beschwerdeführer trat im Asylverfahren unter verschiedenen Alias-Identitäten auf.
Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich sowie auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten über keine familiären Anknüpfungspunkte.
Er weist keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher oder gesellschaftlicher Hinsicht auf. Insbesondere hat er bislang keine Sprachprüfung erfolgreich abgelegt und ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer angemeldeten Erwerbstätigkeit nach. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er über die staatliche Grundversorgung.
Er verfügt in Österreich über soziale Kontakte und Freunde, spielt beim SC XXXX Fußball und engagiert sich in verschiedenen Bereichen des Gemeinschaftslebens in der Stadtgemeinde XXXX .
Er spricht ein wenig Deutsch.
Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zum Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist aufgrund seiner behaupteten Tätigkeit für die Gruppierung Indigenous People of Biafra (IPOB) in Nigeria nicht der Gefahr einer staatlichen Verfolgung ausgesetzt. Ebenso ist er keiner Verfolgung eines (ehemaligen) nigerianischen Ministers ausgesetzt. Sein entsprechendes Vorbringen ist nicht glaubhaft.
Es besteht auch keine reale Gefahr, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Weder wird ihm seine Lebensgrundlage gänzlich entzogen, noch besteht für ihn die reale Gefahr einer ernsthaften Bedrohung seines Lebens oder seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes.
1.3 Zur Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:
Politische Lage
Letzte Änderung 2023-11-21 15:06
Nigeria ist eine Bundesrepublik mit einem präsidialen Regierungssystem (AA 4.10.2023; vgl. ÖB 10.2023). Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist der Präsident der Republik (ÖB 9.2022; vgl. AA 24.11.2022), der für vier Jahre gewählt wird; eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Der Staatspräsident führt den Vorsitz der von ihm ernannten Bundesregierung (Federal Executive Council) (ÖB 9.2022).
Nigeria ist in 36 Bundesstaaten und das Federal Capital Territory (FCT, Abuja) (ÖB 10.2023; vgl. AA 24.11.2022) mit insgesamt 774 LGAs (Local Government Areas, dt. Bezirke) unterteilt (AA 24.11.2022). Jeder der 36 Bundesstaaten wird von einer Regierung unter der Leitung eines direkt gewählten Gouverneurs (State Governor) geführt (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 10.2023). Polizei und Justiz werden vom Bund kontrolliert (AA 24.11.2022).
Die Verfassung vom 29.5.1999 enthält alle Elemente eines demokratischen Rechtsstaates, einschließlich eines Grundrechtskataloges, und orientiert sich insgesamt am US-Präsidialsystem. Einem starken Präsidenten und einem Vizepräsidenten stehen ein aus Senat und Repräsentantenhaus bestehendes Parlament und eine unabhängige Justiz gegenüber. In der Verfassungswirklichkeit dominiert die Exekutive in Gestalt des direkt gewählten Präsidenten und der ebenfalls direkt gewählten Gouverneure. Die Justiz ist der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 24.11.2022).
Nigeria verfügt über ein Mehrparteiensystem. Die Parteienzugehörigkeit orientiert sich meist an Führungspersonen und machtstrategischen Gesichtspunkten. Parteien werden primär als Zweckbündnisse zur Erlangung von Macht angesehen. Politische Führungskräfte wechseln die Partei, wenn sie andernorts bessere Erfolgschancen sehen. Entsprechend repräsentiert keine der Parteien eine eindeutige politische Richtung (AA 24.11.2022). Gewählte Amtsträger setzen im Allgemeinen ihre Politik um. Ihre Fähigkeit, dies zu tun, wird jedoch durch Faktoren wie Korruption, parteipolitische Konflikte und schlechte Kontrolle über Gebiete, in denen militante Gruppen aktiv sind (FH 13.4.2023).
Am 29.5.2023 trat Staatspräsident Tinubu sein Amt nach seiner Wahl im Februar 2023 an (AA 4.10.2023). Bola Tinubu von der regierenden APC (All Progressives Congress) erlangte gemäß Wahlkommission 8,8 Millionen Stimmen, Atiku Abubakar von der größten Oppositionspartei PDP (Peoples Democratic Party) erhielt laut Wahlkommission 6,9 Millionen Stimmen, Peter Obi von der LP (Labour-Partei) 6,1 Millionen. Letzterer wurde vor allem von jüngeren Nigerianern gewählt (KAS 5.4.2023; vgl. FAZ 1.3.2023).
Die Partei des Gewinners der Präsidentschaftswahl, APC, konnte auch die Wahlen zur Nationalversammlung im Februar 2023 für sich entscheiden. Damit bleibt der APC in den beiden Kammern des Parlaments mit 55 von 109 Sitzen im Senat und 159 von 360 Sitzen im Repräsentantenhaus stärkste Kraft. Die größte Oppositionspartei PDP kam auf 107 Sitze im Repräsentantenhaus und 33 Sitze im Senat. Damit stellen die beiden größten Parteien des Landes 80 Prozent des Senats und knapp 74 Prozent des Repräsentantenhauses (KAS 5.4.2023). Die größte Oppositionspartei, die PDP, hatte von 1999-2015 durchgehend den Präsidenten gestellt. Die PDP stellt eine starke Opposition für die APC dar und bleibt v. a. im Süden und Südosten des Landes die treibende politische Kraft (AA 24.11.2023).
Drei Wochen nach den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen fanden im März 2023 Gouverneurs- und Landesparlamentswahlen statt. Ergebnisse: APC 15, PDP 9, LP 1, NNPP 1 (Gouverneure) (KAS 5.4.2023; vgl. PT 21.3.2023). Damit werden die beiden Parteien voraussichtlich zumindest auf Landesebene ihre politische Dominanz auch gegenüber der auf nationaler Ebene erstarkten LP behalten (KAS 5.4.2023; vgl. PT 21.3.2023)
Ein neues Wahlgesetz "Electoral Act 2022" diente als rechtliche Grundlage der Wahlen 2023 (PT 27.9.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (4.10.2023): Nigeria: Politisches Porträt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/nigeria-node/innenpolitik/205844, Zugriff 14.11.2023
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (1.3.2023): Umstrittener Wahlsieg für Bola Tinubu, https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/nigeria-bola-tinubu-gewinnt-praesidentenwahl-18713667.html, Zugriff 29.6.2023
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
KAS - Konrad Adenauer Stiftung (5.4.2023): Nigeria hat gewählt, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/nigeria-hat-gewaehlt, Zugriff 29.6.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
PT - Premium Times Nigeria (21.3.2023): 2023 General Elections - Gubernatorial State House of Assembly, https://www.premiumtimesng.com/2023-elections-gubernatorial, Zugriff 29.6.2023
PT - Premium Times Nigeria (27.9.2022): Key issues that will shape Nigeria’s 2023 elections – Report, https://www.premiumtimesng.com/news/headlines/556316-key-issues-that-will-shape-nigerias-2023-elections-report.html, Zugriff 25.10.2022
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung 2023-11-21 09:40
Die Verfassung sieht die Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz vor (AA 24.11.2022; vgl. FH 13.4.2023, ÖB 10.2023, USDOS 20.3.2023). In der Realität ist die Justiz allerdings der Einflussnahme von Exekutive und Legislative sowie einzelner politischer Führungspersonen ausgesetzt (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, FH 13.4.2023). Die Justiz kann ein volles Ausmaß der Checks and Balances nicht gewährleisten (BS 23.2.2022). Vor allem auf Bundesstaats- und Bezirksebene (LGA) versuchen Politiker die Justiz zu beeinflussen (USDOS 20.3.2023). Die insgesamt zu geringe personelle und finanzielle Ausstattung sowie mangelnde Ausbildung behindern die Funktionsfähigkeit des Justizapparats und machen ihn chronisch korruptionsanfällig (AA 24.11.2022; vgl. FH 13.4.2023, ÖB 10.2023). Trotz allem hat die Justiz in der Praxis ein gewisses Maß an Unabhängigkeit und Professionalität erreicht (FH 13.4.2023).
Die Verfassung unterscheidet zwischen Bundesgerichten (Supreme Court, Federal Court of Appeal, Federal High Court), Gerichten des Hauptstadtbezirks sowie Gerichten der 36 Bundesstaaten (ÖB 10.2023). Letztere haben die Befugnis, per Gesetz erstinstanzliche Gerichte einzusetzen (AA 24.11.2022). Daneben bestehen noch für jede der 774 LGAs eigene Bezirksgerichte (District Courts) (ÖB 10.2023).
Die Justiz stützt sich auf drei Rechtsquellen: staatliches Recht, Scharia und Gewohnheitsrecht. Diese können unter bestimmten Voraussetzungen gleichberechtigt zur Anwendung gelangen, sofern in den 36 einzelnen Bundesstaaten entsprechende Gerichtshöfe für Scharia- bzw. Gewohnheitsrecht eingerichtet werden. Das Eherecht gestattet nach staatlichem Recht nur die Einehe, Scharia-Recht vier und Gewohnheitsrecht eine unbegrenzte Anzahl von Ehefrauen (ÖB 10.2023).
Mit Einführung der erweiterten Scharia-Gesetzgebung in neun nördlichen Bundesstaaten sowie den überwiegend muslimischen Teilen dreier weiterer Bundesstaaten 2000/2001 haben die staatlichen Scharia-Gerichte strafrechtliche Befugnisse erhalten, während sie zuvor auf das islamische Personenstandsrecht beschränkt waren (AA 24.11.2022). Laut Bundesverfassung wird die Verfassung und Zuständigkeit der Gerichte seit 1999 betreffend das anzuwendende Rechtssystem (Common Law oder Customary Law) durch Gesetze der Bundesstaaten festgestellt. Einzelne Bundesstaaten haben neben Gerichten für Common Law und Customary Law auch Scharia-Gerichte geschaffen. Mehrere Bundesstaaten, einschließlich die gemischt-konfessionellen Bundesstaaten Benue und Plateau, haben auch Scharia-Berufungsgerichte eingerichtet (ÖB 10.2023).
Eine willkürliche Strafverfolgung bzw. Strafzumessungspraxis durch Polizei und Justiz, die nach Rasse, Nationalität oder Ähnliches diskriminiert, ist nicht erkennbar. Das bestehende System benachteiligt jedoch tendenziell Ungebildete und Arme, die sich weder von Beschuldigungen freikaufen noch eine Freilassung auf Kaution erwirken oder sich einen Rechtsbeistand leisten können. Zudem ist vielen eine angemessene Wahrung ihrer Rechte aufgrund von fehlenden Kenntnissen selbst elementarster Grund- und Verfahrensrechte nicht möglich (AA 24.11.2022). Die Verfassung sieht das Recht auf ein faires und öffentliches Verfahren vor, aber die Justiz setzt dieses Recht nicht immer durch. Die Behörden wahren nicht immer die Rechte der Angeklagten. Eine unzureichende Anzahl von Richtern und Gerichtssälen sowie die wachsende Zahl der Fälle führen häufig zu Verzögerungen im Vorverfahren, im Prozess und in der Berufung. Dadurch werden Verfahren um bis zu zehn Jahre verlängert. Obwohl Angeklagte Anspruch auf einen Rechtsbeistand ihrer Wahl haben, gibt es Berichten zufolge einige Fälle, in denen der Verteidiger nicht zu den vorgeschriebenen Gerichtsterminen erscheint. So werden Routineanhörungen regelmäßig in Abwesenheit eines Verteidigers durchgeführt, außer bei bestimmten Straftaten, auf deren Verurteilung die Todesstrafe steht (USDOS 20.3.2023). Vor allem das Recht auf ein zügiges Verfahren wird kaum gewährleistet. Auch der gesetzlich garantierte Zugang zu einem Rechtsbeistand oder zu Familienangehörigen wird nicht immer ermöglicht (AA 24.11.2022).
Der Zugang zu staatlicher Prozesskostenhilfe ist in Nigeria beschränkt: Das Institut der Pflichtverteidigung wurde erst vor Kurzem in einigen Bundesstaaten eingeführt. Lediglich in den Landeshauptstädten existieren NGOs, die sich zum Teil mit staatlicher Förderung der rechtlichen Beratung von Beschuldigten bzw. Angeklagten annehmen. Gerade in den ländlichen Gebieten gibt es jedoch zahlreiche Verfahren, bei denen Beschuldigte und Angeklagte ohne rechtlichen Beistand mangels Kenntnis ihrer Rechte schutzlos bleiben (AA 24.11.2022). Dauerinhaftierungen ohne Anklage oder Urteil, die sich teils über mehrere Jahre hinziehen, sind weit verbreitet (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Entgegen gesetzlicher Vorgaben ist die Untersuchungshaft nicht selten länger als die maximal zu erwartende gesetzliche Höchststrafe des jeweils infrage stehenden Delikts. Außerdem bleiben zahlreiche Häftlinge auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen in Haft, weil ihre Vollzugsakten unauffindbar sind (AA 24.11.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Nigeria Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_NGA.pdf, Zugriff 3.10.2022
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung 2023-11-21 09:54
Die 1999 in Kraft getretene Verfassung Nigerias enthält einen umfassenden Grundrechtskatalog (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 10.2023). Dieser ist zum Teil jedoch weitreichenden Einschränkungen unterworfen (AA 24.11.2022). Seit Amtsantritt der Zivilregierung im Jahr 1999 hat sich die Menschenrechtssituation zwar verbessert (Freilassung politischer Gefangener, relative Presse- und Meinungsfreiheit, nur vereinzelte Vollstreckung der Todesstrafe) (ÖB 10.2023), doch bleibt die Umsetzung der eingegangenen menschenrechtlichen Verpflichtungen in vielen Bereichen deutlich hinter internationalen Standards zurück (AA 24.11.2022) und viele Probleme bleiben ungelöst, wie etwa Armut, Analphabetentum, Gewaltkriminalität, ethnische Spannungen, die Scharia-Rechtspraxis, Entführungen und Geiselnahmen sowie das Problem des Frauen- und Kinderhandels. Zudem ist der Schutz von Leib und Leben der Bürger gegen Willkürhandlungen durch Vertreter der Staatsmacht keineswegs verlässlich gesichert und besteht weitgehend Straflosigkeit bei Verstößen der Sicherheitskräfte und bei Verhaftungen von Angehörigen militanter Organisationen. Das hohe Maß an Korruption auch im Sicherheitsapparat und der Justiz wirkt sich negativ auf die Wahrung der Menschenrechte aus (ÖB 10.2023).
Zu den schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen gehören glaubwürdige Berichte über: rechtswidrige und willkürliche Tötungen durch staatliche und nicht-staatliche Akteure; gewaltsames Verschwindenlassen durch die Regierung, Terroristen und kriminelle Gruppen; Folter und Fälle von grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung durch die Regierung und terroristische Gruppen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 13.4.2023, AI 28.3.2023); harte und lebensbedrohliche Haftbedingungen; willkürliche Verhaftungen oder Inhaftierungen; politische Gefangene; schwerwiegende Probleme mit der Unabhängigkeit der Justiz; willkürliche oder unrechtmäßige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Misshandlungen in einem Konflikt, einschließlich Tötungen, Entführungen und Folter von Zivilisten (USDOS 20.3.2023); schwerwiegende Einschränkungen der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit, einschließlich Gewalt oder Drohungen gegen Journalisten und die Existenz von Verleumdungsgesetzen; Eingriffe in die friedliche Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 13.4.2023, AI 28.3.2023); schwerwiegende Korruption in der Regierung; fehlende Ermittlungen und Rechenschaftspflicht bei geschlechtsspezifischer Gewalt, einschließlich, aber nicht beschränkt auf häusliche und intime Partnergewalt, sexuelle Gewalt, Kinder-, Früh- und Zwangsverheiratung, weibliche Genitalverstümmelung/-beschneidung und andere schädliche Praktiken; Gewaltverbrechen, die sich gegen Angehörige nationaler/rassischer/ethnischer Minderheiten richten (USDOS 20.3.2023); das Vorhandensein oder die Anwendung von Gesetzen, die einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen zwischen Erwachsenen unter Strafe stellen (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 13.4.2023); und das Vorhandensein der schlimmsten Formen von Kinderarbeit (USDOS 20.3.2023). Frauen sind allgegenwärtiger Diskriminierung ausgesetzt (FH 13.4.2023).
Die in den Jahren 2000/2001 eingeführten, strengen strafrechtlichen Bestimmungen der Scharia in zwölf nördlichen Bundesstaaten führten zu Amputations- und Steinigungsurteilen. Die wenigen Steinigungsurteile wurden jedoch jeweils von einer höheren Instanz aufgehoben; auch Amputationsstrafen wurden in den vergangenen Jahren nicht vollstreckt (USDOS 20.3.2023). Nach Kenntnis des Auswärtigen Amts wurden in den frühen 2000er-Jahren drei Amputationsurteile vollstreckt, weitere Vollstreckungen sind nicht bekannt geworden (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Die Dunkelziffer liegt ggf. höher, da Scharia-Gerichte Vollstreckungen nicht systematisch dokumentieren (AA 24.11.2022). Im Juni 2022 verurteilte ein Scharia-Gericht im Bundesstaat Bauchi einen Mann zu 30 Peitschenhieben, weil er einen elektrischen Ventilator aus einer Moschee gestohlen hatte (USDOS 20.3.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
AI - Amnesty International (28.3.2023): Amnesty International Report 2022/23; Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; Nigeria 2022, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089579.html, Zugriff 16.5.2023
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition
Letzte Änderung 2023-11-21 10:48
Die Versammlungsfreiheit wird durch die Verfassung garantiert (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 10.2023, USDOS 20.3.2023, FH 13.4.2023). Allerdings wird sie bisweilen durch das Eingreifen der Sicherheitsorgane gegen politisch unliebsame Versammlungen (z. B. von Schiiten oder Biafra-Aktivisten) in der Praxis eingeschränkt (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023, FH 13.4.2023). Die Regierung verbietet gelegentlich gezielt Versammlungen, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass deren politischer, ethnischer oder religiöser Charakter zu Unruhen führen könnte. Die Regierung schränkt öffentliche Versammlungen ein (USDOS 20.3.2023).
Die Vereinigungsfreiheit wird durch die Verfassung ebenso garantiert (AA 24.11.2022; vgl. ÖB 10.2023, USDOS 20.3.2023) wie das Recht, einer politischen Partei oder einer Gewerkschaft anzugehören (AA 24.11.2022; vgl. USDOS 20.3.2023). Dies wird auch praktiziert (ÖB 10.2023) und hat zur Herausbildung einer lebendigen Zivilgesellschaft mit zahlreichen NGOs geführt. Gleichzeitig gibt es verschiedene Versuche der Regierung, zivilgesellschaftlichen Handlungsspielraum durch repressive Gesetzgebung und Verwaltungspraxis einzuschränken. Gewerkschaften können sich grundsätzlich frei betätigen (AA 24.11.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
OPPOSITION, INKL. IPOB UND IMN UND YORUBA-SEPERATISTEN
Letzte Änderung 2023-11-21 10:50
In Nigeria kann sich die politische Opposition grundsätzlich frei betätigen. Das gilt nicht nur für die parlamentarische Opposition, sondern auch für außerparlamentarische Parteien und Gruppen. Bislang sind auch – meist marginale – Gruppen mit sezessionistischen Zielen (etwa Biafra) weitgehend toleriert worden (AA 24.11.2022).
Die Indigenous People of Biafra (IPOB) sind im September 2017 und die schiitische „Islamic Movement of Nigeria“ (IMN) im August 2019 verboten worden (AA 24.11.2022). Im Jahr 2021 kam es vermehrt zu Agitationen seitens IPOB im Südosten und der Yoruba Nation im Südwesten. Dies unterstreicht die steigenden Spannungen im Land. Die Behörden reagieren darauf manchmal mit exzessiver Gewalt (HRW 13.1.2022). Sicherheitskräfte und Bürgerwehren, die gegen die Separatisten vorgehen, sind in Misshandlungen, einschließlich außergerichtlicher Tötungen, in der Region verwickelt. Nigerianische Medien berichteten, dass zwischen Jänner und Mai 2022 über 287 Menschen im Südosten des Landes getötet wurden (HRW 12.1.2023).
IPOB: Der in der Region seit 2012 herrschende radikale Separatismus belastet den nationalen Zusammenhalt. Die separatistische Gruppe Indigenous People of Biafra (IPOB) strebt die Abspaltung von einigen Bundesstaaten (Abia, Akwa Ibom, Anambra, Bayelsa, Cross River, Delta, Ebonyi, Enugu, Imo und Rivers, sowie Regionen in Benue und Kogi) im Südosten (einschließlich dem ölreichen Niger Delta) an. IPOB besteht hauptsächlich aus Angehörigen der ethnischen Gruppe der Igbo (Christen) und strebt die Ausrufung der unabhängigen Nation Biafra an. Die Idee von Biafra ist nicht neu; im Jahr 1967 riefen die regionalen Führer einen unabhängigen Staat aus, wodurch ein brutaler Bürgerkrieg begann, der zum Tod von bis zu einer Million Menschen führte. IPOB wurde 2014 von Nnamdi Kanu gegründet. Dieser befindet sich seit 2021 wegen Terrorismus und Hochverrats in Untersuchungshaft und musste sich im September 2023 vor Gericht verantworten. Die Bewegung ist geprägt von dem Gefühl der „collective victimisation“ der Igbos durch die Unterrepräsentation in der von den (muslimischen) Fulani geprägten Bundesregierung. Seit dem Beginn der Militäroperation Operation Python Dance im Jahr 2016 und der Exercise Golden Dawn haben sich die gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen der IPOB und ihrem paramilitärischen Arm Eastern Security Network (ESN) und den nigerianischen Sicherheitskräften in der Region verschärft. IPOB hat für jeden Montag sowie für jeden Gerichtstag Kanus eine stay-at-home order ausgerufen, die mit teils brutaler Gewalt durchgesetzt wird; auch ist die Wirtschaft durch die angeordnete Schließung von Geschäften sehr belastet. Seit 2021 kommt es verstärkt zu Guerilla-Angriffen gegen Vertreter der nigerianischen Regierung und deren Sympathisanten. Im Gegenzug sind in der Region Sicherheitskräfte in Gewalttaten - einschließlich außergerichtlicher Tötungen von Separatisten - verwickelt. Lokale Führungspersönlichkeiten versuchen, die Freilassung von Kanu zu erwirken, um die Situation zu entspannen und die stay-at-home order zu beenden (ÖB 10.2023).
2020 wurde der bewaffnete Arm der IPOB, das ESN, gegründet. Dieses wird mit zahlreichen tödlichen Anschlägen auf Polizeistationen und andere öffentliche Einrichtungen in Verbindung gebracht (ÖB 10.2021). Die Mitgliederzahl des ESN beläuft sich nach Angaben der nigerianischen Armee auf etwa 50.000. Das ESN unterhält in verschiedenen Teilen des Südostens Nigerias Ausbildungslager. Es behauptet auch, Ausbildungslager in anderen Teilen der Süd-Süd-Region zu haben. Es gibt eine Kommandostruktur. Der Anführer der IPOB, Mazi Nnamdi Kanu, kann als sein Oberbefehlshaber angesehen werden (VA ÖB 27.5.2022). Im Südosten waren in jüngster Zeit die Bundesstaaten Imo und Anambra von Gewalt betroffen. Im Juli 2023 haben Sicherheitskräfte mehrere Lager der IPOB und des ESN zerstört. Die Operation war Teil einer wieder aufgenommenen Kampagne gegen IPOB-Mitglieder in den Zonen Süd-Süd und Südost (BAMF 31.7.2023).
IMN: Die Regierung hat in den letzten Jahren heftig auf die Aktivitäten des IMN reagiert. 2015 überfielen Sicherheitskräfte das Gelände von el-Zakzaky, verhafteten ihn und seine Frau und töteten mindestens 300 IMN-Mitglieder. Dutzende Weitere wurden bei einem Armeeeinsatz im Jahr 2018 getötet (FH 13.4.2023). Die IMN ist im August 2019 verboten worden (AA 24.11.2022). Im September 2021 wurden acht Menschen getötet und 57 festgenommen, als Sicherheitskräfte und das IMN in Abuja zusammenstießen (FH 13.4.2023). Die seit Ende 2015 andauernde Inhaftierung von Ibrahim Zakzaky führte immer wieder zu Straßenprotesten in der Hauptstadt Abuja, in deren Folge es bei gewaltsamen Zusammenstößen mit Sicherheitskräften zu Dutzenden Toten gekommen war. Nach fast sechs Jahren in Haft wurden Ibrahim Zakzaky und seine Ehefrau am 28.7.2021 infolge eines Freispruchs durch den Obersten Gerichtshof des Bundesstaats Kaduna freigelassen. Die Staatsanwaltschaft soll die Freilassung des Paares bestätigt und Berufung gegen den Freispruch angekündigt haben. Nach zahlreichen Freisprüchen von Mitgliedern der IMN in den Jahren 2019 und 2020 war zuletzt nur noch das Ehepaar in Haft gesessen. Vorgeworfen wurde dem Paar u.a. Mord, Verschwörung und Störung des Friedens (BAMF 2.8.2021).
Yoruba-Separatisten: Auch der Südwesten Nigerias, lange Zeit die friedlichste Region des Landes, blieb von den jüngsten Spannungen und Unruhen zwischen den Volksgruppen nicht verschont. Anders als in anderen Teilen des Landes beruhen die Konflikte nicht auf religiösen Extremismus oder Terrorismus, sondern werden als Ausdruck der versuchten Unterdrückung der Yoruba durch die (muslimischen) Fulani gesehen, die demnach aufgrund ihrer Vertretung in der Bundesregierung im Verdacht stehen, Immunitäten für ihre Straftaten zu genießen. Durch die zunehmenden Spannungen wurde das – bisher inaktive – Engagement der Yoruba-Separatisten verschärft. Sie streben die Ausrufung der "Oduduwa-Republik" an (ÖB 10.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (31.7.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw31-2023.pdf?__blob=publicationFile v=6, Zugriff 3.11.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (2.8.2021): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2021/briefingnotes-kw31-2021.pdf?__blob=publicationFile v=2 , Zugriff 4.10.2022
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html, Zugriff 18.1.2023
HRW - Human Rights Watch (13.1.2022): World Report 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/en/document/2066473.html, Zugriff 4.10.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2021): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066259/NIGR_%C3%96B-Bericht_2021-10.pdf, Zugriff 4.10.2022
VA ÖB - Vertrauensanwalt der ÖB Abuja (27.5.2022): Antwort des VA in Abuja übermittelt von der ÖB am 27.5.2022
Religionsfreiheit
Letzte Änderung 2023-11-21 11:01
Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (FH 13.4.2023; vgl. AA 24.11.2022, USCIRF 5.2023). Laut Verfassung darf die Regierung keine Staatsreligion beschließen (USDOS 15.5.2023; vgl. AA 24.11.2022, USCIRF 5.2023, ÖB 10.2023). Religiöse Diskriminierung ist verboten (USDOS 15.5.2023; vgl. USCIRF 5.2023). Jeder genießt die Freiheit, seine Religion zu wählen, auszuüben, zu propagieren und zu ändern (USDOS 15.5.2023). Im Vielvölkerstaat Nigeria ist die Religionsfreiheit ein Grundpfeiler des Staatswesens. Die Bundesregierung achtet auf die Gleichbehandlung von Christen und Muslimen, z. B. bei der Finanzierung von Gotteshäusern und Wallfahrten. Sie unterstützt den Nigerian Inter-Religious Council, der paritätisch besetzt ist und die Regierung in Religionsangelegenheiten berät. Ähnliche Einrichtungen wurden auch in mehreren Bundesstaaten erfolgreich eingeführt (AA 24.11.2022).
Obwohl die nigerianische Verfassung das Recht auf Meinungs-, Gedanken- und Gewissensfreiheit garantiert, stellt das nigerianische Strafrecht die Beleidigung von Religionen unter Strafe, und die Scharia (islamisches Recht), die in zwölf nördlichen Bundesstaaten, darunter Sokoto, gilt, stellt Blasphemie unter Strafe (HRW 12.1.2023).
In der Praxis bevorzugen Bundesstaaten die jeweils durch die lokale Mehrheitsbevölkerung ausgeübte Religion (ÖB 10.2023). Es ist bekannt, dass bundesstaatliche und lokale Regierungen auf ihrem Gebiet de-facto-offizielle Religionen anerkennen, wodurch sie gleichzeitig (anderen) religiösen Aktivitäten Grenzen setzen (FH 13.4.2023). Viele Menschen, die in Gebieten leben, in denen sie einer religiösen Minderheit angehören, fühlen sich diskriminiert und leben in Angst - und das aus gutem Grund angesichts der Geschichte religiös motivierter Gewalt. Für einen Muslim kann es schwierig sein, in einer christlich dominierten Region seine Religion offen auszuüben, ebenso für einen Christen in einer Region mit muslimischer Bevölkerungsmehrheit. Auch im Vorfeld der Wahlen im Februar 2023 besteht das Risiko religiöser Konflikte (BBC 16.10.2022).
Während einige Beamte daran arbeiten, die Ursachen für Verstöße gegen die Religionsfreiheit zu beseitigen, verletzen andere aktiv die Rechte der Nigerianer auf Religionsfreiheit, unter anderem durch die Durchsetzung von Blasphemiegesetzen. Kriminelle Aktivitäten und Vorfälle mit gewalttätigen bewaffneten Gruppen, die die Religionsfreiheit beeinträchtigen, haben sich verschlimmert (USCIRF 5.2023).
Organisationen der Zivilgesellschaft und die Medien berichten, dass im ganzen Land und insbesondere in der Nordwestregion allgemeine Unsicherheit herrscht. Vor allem im Norden des Landes kommt es weiterhin häufig zu gewalttätigen Zwischenfällen, von denen sowohl Muslime als auch Christen betroffen sind und die zahlreiche Todesopfer gefordert haben. Entführungen und bewaffnete Raubüberfälle durch kriminelle Banden haben sowohl im Süden als auch im Nordwesten, Süden und Südosten zugenommen. Die internationale christliche Organisation Open Doors hat erklärt, dass terroristische Gruppen, militante Hirten und kriminelle Banden für eine große Zahl von Todesopfern verantwortlich sind. Demnach sind Christen besonders gefährdet (USDOS 15.5.2023).
In einigen Bundesstaaten ist die Lage der jeweiligen christlichen bzw. muslimischen Minderheit problematisch, insbesondere wo der Kampf um Ressourcen zunehmend religiös und politisch instrumentalisiert wird. Anders ist die Lage bei den Yoruba im Südwesten Nigerias, bei ihnen sind Mischehen zwischen Muslimen und Christen seit Generationen verbreitet (AA 24.11.2022).
Auch die Lage zwischen den Moslems der sunnitischen Mehrheit und der schiitischen Minderheit ist teilweise stark angespannt (AA 24.11.2022). Der Konflikt der Regierung mit der Islamischen Bewegung von Nigeria (IMN), einer schiitischen muslimischen Gruppe, die für eine islamische Herrschaft in Nigeria eintritt, eskalierte 2019, als ein Gericht in Abuja die IMN verbot und sie als terroristische Organisation einstufte (FH 13.4.2023; vgl. AA 24.11.2022). Die IMN betrachtet ihren Anführer, Sheikh Ibrahim el-Zakzaky, als die letzte Autorität in Nigeria und erkennt die Regierung in Abuja nicht an (FH 13.4.2023). Das von der Regierung verhängte Verbot der IMN als illegale politische Organisation bleibt bestehen, während andere schiitische Gruppen, die nicht der IMN angehören, ihre Aktivitäten ungehindert fortsetzen (USDOS 15.5.2023).
Die islamistisch-terroristischen Organisationen Boko Haram und Islamischer Staat in Westafrika sind weiterhin aktiv und führen im Nordosten Nigerias zahlreiche Angriffe auf Bevölkerungszentren oder religiöse Ziele durch [Anm. siehe Abschnitt: Sicherheitslage] (USDOS 15.5.2023).
In Gebieten außerhalb des Nordostens, wo die Bedrohung von Boko Haram ausgeht, sind die Behörden im Allgemeinen in der Lage und bereit, wirksamen Schutz zu bieten. Im Allgemeinen gibt es Teile des Landes, in die eine Person umziehen kann, wo sie keine begründete Furcht vor Verfolgung haben muss bzw. kein tatsächliches Risiko besteht, ernsthaften Schaden durch Boko Haram zu erleiden, und es ist für eine Person angemessen, dorthin umzuziehen (UKHO 7.2021).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
BBC - BBC News (16.10.2022): Nigeria election: Dangers of being religious in a religious nation, https://www.bbc.com/news/world-africa-63255695?at_medium=RSS at_campaign=KARANGA, Zugriff 9.11.2022
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html, Zugriff 18.1.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (7.2021): Country Policy and Information Note - Nigeria: Islamist extremist groups in North East Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2056412/NGA_-_Islamist_extremist_groups_in_North_East_Nigeria_-_CPIN_-_v3.0__FINAL_Gov_UK_.pdf, Zugriff 10.10.2022
USCIRF - U.S. Commission on International Religous Freedom [USA] (5.2023): Nigeria - USCIRF - Recommended for Countries of particular concern (CPC), https://www.ecoi.net/en/file/local/2092556/Nigeria.pdf, Zugriff 21.6.2023
USDOS - U.S. Department of State [USA] (15.5.2023): 2022 Report on International Religious Freedom: Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2091928.html, Zugriff 21.6.2023
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung 2023-11-21 16:25
Die Verfassung sowie weitere gesetzliche Bestimmungen gewährleisten Bewegungsfreiheit im gesamten Land sowie Auslandsreisen, Emigration und Wiedereinbürgerung. Allerdings schränken Sicherheitsbeamte die Bewegungsfreiheit durch Ausgangssperren ein, vor allem in Gebieten, in denen es Terroranschläge oder ethnisch motivierte Gewalt gibt (USDOS 20.3.2023; vgl. FH 13.4.2023).
Bürger dürfen sich in jedem Teil des Landes niederlassen (USDOS 20.3.2023). Grundsätzlich besteht in den meisten Fällen die Möglichkeit, staatlicher Verfolgung, Repressionen Dritter sowie Fällen massiver regionaler Instabilität durch Umzug in einen anderen Teil des Landes auszuweichen (AA 24.11.2022). In den vergangenen Jahrzehnten hat eine fortgesetzte Durchmischung der Wohnbevölkerung auch der „Kern“-Staaten der drei Hauptethnien (Hausa-Fulani, Yoruba, Igbo) stattgefunden. So ist insbesondere eine starke Nord-Süd-Wanderung feststellbar, wodurch Metropolen wie Lagos heute weitgehend durchmischt sind. Es bestehen daher innerstaatliche Fluchtalternativen (ÖB 10.2023). Ein innerstaatlicher Umzug kann allerdings mit gravierenden wirtschaftlichen und sozialen Problemen verbunden sein, wenn sich Einzelpersonen an einen Ort begeben, an dem keine Mitglieder ihrer (erweiterten) Familie oder der Dorfgemeinschaft leben. Angesichts der Wirtschaftslage, ethnischem Ressentiment und der Bedeutung großfamiliärer Bindungen in der Gesellschaft ist es für viele Menschen schwer, an Orten ohne ein bestehendes soziales Netz erfolgreich Fuß zu fassen. Für alleinstehende Frauen besteht zudem die Gefahr, bei einem Umzug in die Großstadt von der eigenen Großfamilie keine wirtschaftliche Unterstützung mehr zu erhalten (AA 24.11.2022).
Bundesstaats- und Lokalregierungen diskriminieren regelmäßig ethnische Gruppen, die in ihrem Gebiet nicht einheimisch sind. Dies nötigt gelegentlich Personen dazu, in jene Regionen zurückzukehren, aus denen ihre ethnische Gruppe abstammt, obwohl sie dort über keine familiäre Bindung mehr verfügen (USDOS 20.3.2023). Im Allgemeinen gibt es Teile des Landes, in denen eine Person keine begründete Furcht vor Verfolgung haben muss bzw. die tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, nicht besteht - abhängig von der Art der Bedrohung durch nicht-staatliche Akteure bzw. die Lebensumstände der Person. Allerdings kann die Umsiedlung für alleinstehende Frauen, Nicht-Einheimische ohne Zugang zu Unterstützungsnetzwerken sowie für Angehörige sexueller Minderheiten schwieriger sein (UKHO 9.2021).
Für Überlandfahrten stehen mehrere Busunternehmen zur Verfügung, so z. B. ABC Transport, Cross Country Limited, Chisco und GUO Transport. Die Busse bieten Komfort, sind sicher, fahren planmäßig und kommen in der Regel pünktlich am Zielort an. Die nigerianische Eisenbahn gilt als preisgünstiges, aber unzuverlässiges Transportmittel. Günstige Inlandflüge zwischen den Städten werden von mehreren nigerianischen Fluggesellschaften angeboten. Um innerhalb einer der Städte Nigerias von einem Ort zum anderen zu gelangen, stehen Taxis, Minibusse, Dreirad, die Keke und Motorradtaxis, die Okada genannt werden, zur Verfügung (GIZ 9.2020).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
FH - Freedom House (13.4.2023): Freedom in the World 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2090190.html, Zugriff 15.5.2023
GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (9.2020): Nigeria - Alltag, https://www.liportal.de/nigeria/alltag/, Zugriff 1.9.2021 [Anm.: Der Link ist mit Stand 3.5.2022 nicht abrufbar. Die Daten sind jedoch bei der Staatendokumentation archiviert und abrufbar.]
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
UKHO - United Kingdom Home Office [Großbritannien] (9.2021): Country Policy and Information Note Nigeria: Internal relocation, https://www.ecoi.net/en/file/local/2060292/NGA_CPIN_Internal_Relocation.pdf, Zugriff 11.10.2022
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
MELDEWESEN
Letzte Änderung 2023-11-21 16:25
Ein Meldewesen ist nicht vorhanden (ÖB 10.2023; vgl. AA 24.11.2022; EASO 24.1.2019), wie u. a. zahlreiche Quellen bei EASO angeben. Nur eine Quelle behauptet, dass es eine Art Meldewesen gibt. Es bestehen gesetzliche Voraussetzungen, damit Bundesstaaten ein Meldewesen einrichten können. Bislang hat lediglich der Bundesstaat Lagos davon Gebrauch gemacht (EASO 24.1.2019). Auch ein funktionierendes nationales polizeiliches Fahndungssystem existiert nicht. Daraus resultiert, dass eine Ausforschung einmal untergetauchter Personen kaum mehr möglich ist. Das Fehlen von Meldeämtern und bundesweiten polizeilichen Fahndungsbehörden ermöglicht es in den allermeisten Fällen, bereits in der näheren Umgebung unterzutauchen (ÖB 10.2023).
Im Sheriffs and Civil Process Act Chapter 407, Laws of the Federation of Nigeria 1990 sind Ladungen vor Gericht geregelt. Der Sheriff oder von ihm bestellte Gerichtsvollzieher (Bailiffs) müssen die Ladungen in ganz Nigeria persönlich zustellen (ÖB 10.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
EASO - European Asylum Support Office (24.1.2019): Query Response - Identification documents system in Nigeria, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
Grundversorgung
Letzte Änderung 2023-11-21 16:28
Nigeria ist als bevölkerungsreichstes Land Afrikas (ÖB 10.2023; vgl. ABG 8.2023) mit geschätzten mehr als 230 Millionen Einwohnern neben Ägypten und Südafrika eine der größten Volkswirtschaften des Kontinents (ÖB 10.2023). Vor einigen Jahren zog das westafrikanische Land in puncto Wirtschaftsleistung an Südafrika vorbei. Trotz der zahlreichen Herausforderungen ist das Land ein vielversprechender Wirtschaftsstandort. Neben Öl und Gas spielen der Handel und vermehrt der Konsumgüterbereich eine Rolle. Alleine aufgrund seiner Bevölkerungsgröße ist Nigeria ein interessanter Verbrauchermarkt (ABG 8.2023) - die Vereinten Nationen gehen von einer Verdoppelung der Einwohnerzahl auf 400 Millionen bis zum Jahr 2050 aus (ABG 8.2023; vgl. ÖB 10.2023).
Zwischen 2000 und 2014 verzeichnete die nigerianische Wirtschaft ein breit angelegtes und nachhaltiges Wachstum von durchschnittlich über sieben Prozent pro Jahr, das von günstigen globalen Bedingungen sowie makroökonomischen und strukturellen Reformen der ersten Stufe profitierte. Von 2015 bis 2022 gingen die Wachstumsraten jedoch zurück und das Pro-Kopf-BIP flachte ab, was auf geld- und wechselkurspolitische Verzerrungen, steigende Haushaltsdefizite aufgrund der geringeren Ölproduktion und eines kostspieligen Kraftstoffsubventionsprogramms, zunehmenden Handelsprotektionismus und externe Schocks wie die COVID-19-Pandemie zurückzuführen war. Die geschwächten wirtschaftlichen Fundamentaldaten führten dazu, dass die anhaltende Inflation des Landes im August 2023 mit 25,8 Prozent einen 17-Jahres-Höchststand erreichte, was in Verbindung mit dem schleppenden Wachstum Millionen von Nigerianern in Armut stürzt. Es wird erwartet, dass die Wirtschaft zwischen 2023 und 2025 um durchschnittlich 3,4 Prozent wachsen wird, wobei die eingeleiteten Reformen, die Erholung in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor sowie der mit der Zeit wachsende Spielraum für staatliche Entwicklungsausgaben von Nutzen sein werden (WB 2.10.2023).
Nigeria leidet, ebenso wie andere ressourcenreiche Entwicklungsländer, unter dem sogenannten Erdöl-Fluch. Dieser hat in den letzten 40 Jahren zur Vernachlässigung vieler anderer Wirtschaftszweige geführt und die Importabhängigkeit des Landes in vielen Bereichen sehr groß werden lassen. Der Erdölsektor erwirtschaftet über 95 Prozent der Exporteinnahmen und über 60 Prozent der Staatseinnahmen Nigerias. Er stagnierte während der letzten Jahre jedoch in seiner Entwicklung und trägt lediglich ca. acht Prozent zum BIP bei. Die große Abhängigkeit von Erdöl und Erdgas im Bereich des Exports und damit der Einnahme von Devisen war die grundlegende Ursache der nigerianischen Wirtschaftskrisen der Jahre 2016, 2017 und 2020. Gleichzeitig stellt der Import von raffinierten Erdölprodukten den größten Ausgabeposten bei den Importen dar. Dies ist einerseits durch die mangelnde Funktionstüchtigkeit der vier großen staatlichen nigerianischen Raffinerien zu erklären, andererseits aber auch dadurch, dass die Stromversorgung von Produktionsbetrieben und Infrastruktureinrichtungen sowie von wohlhabenderen Haushalten zum Großteil auf den Betrieb von Dieselgeneratoren beruht. Eine deutliche Verbesserung der Situation sollte sich aus den Ergebnissen der Turn-Around-Wartungsarbeiten an den großen staatlichen Raffinerien sowie aus der Inbetriebnahme der weltgrößten Einstrang-Ölraffinerie durch die private Dangote Group ergeben (ÖB 10.2023).
Die Verarmung des Großteils der nigerianischen Bevölkerung wird sich fortsetzen. Das Fehlen wirtschaftlicher Chancen bei gleichzeitig hohem Bevölkerungswachstum gilt als Hauptantrieb für Migration. Sozio-ökonomisch betrachtet gehören die Migranten eher zur wachsenden gebildeten unteren Mittelklasse und kommen oft aus Städten des Südens und Südwestens Nigerias (vor allem aus dem Bundesstaat Edo). Dort gibt es seit Jahrzehnten eine hohe Mobilität landwirtschaftlicher Arbeitskräfte, Schmuggel- und Menschenhandelsnetzwerke, eine prekäre Arbeitssituation und kaum Aussicht für Jugendliche, das angestrebte Lebensziel zu verwirklichen. Sozio-kulturelle Zwänge sowie ein von sozialen Medien falsches kolportiertes Bild von Europa sind weitere Push-Faktoren (ÖB 10.2023).
Stärken der nigerianischen Wirtschaft: Reiche Erdöl- und Gasvorkommen; relativ breit aufgestellte Industrie in Lagos; größter Verbrauchermarkt Afrikas mit mehr als 220 Millionen Einwohnern; großer Pool an motivierten Arbeitskräften. Schwächen: schlechte Infrastruktur; Korruption und Vetternwirtschaft in der öffentlichen Verwaltung; hohe Standortkosten und steigende Sicherheitskosten; Großteil der Bevölkerung mit rückläufiger Kaufkraft (ABG 8.2023). Nigeria verfügt durch in den 1950er bzw. 1970er-Jahren entdeckte umfangreiche Öl- und Gasvorkommen, weitreichend unerschlossene Bodenschätze, eine ausreichende Agrarbasis, ein relativ günstiges Klima und fruchtbare Böden, eine vergleichsweise gut ausgebaute, jedoch unzureichend instandgehaltene Infrastruktur und einen Binnenmarkt von mehr als 200 Millionen Menschen über deutlich bessere Entwicklungschancen als die meisten anderen Staaten Westafrikas (ÖB 10.2023).
Nigeria ist im Bereich der Landwirtschaft keineswegs autark, sondern auf Importe, vor allem von Reis, angewiesen. Historisch war Lebensmittelknappheit in fast ganz Nigeria aufgrund des günstigen Klimas und der hohen agrarischen Tätigkeit so gut wie nicht existent. In einzelnen Gebieten im äußersten Norden (Grenzraum zu Niger) gestaltet sich die Landwirtschaft durch die fortschreitende Desertifikation allerdings schwierig. Aufgrund der Wetterbedingungen, aber auch wegen der Vertriebenenbewegungen als Folge der Attacken durch Boko Haram und ISWAP, herrschen lang andauernde Hungerperioden in den nördlichen, insbesondere nordöstlichen Bundesstaaten (ÖB 10.2023).
Die Inflation bei Lebensmitteln in Nigeria erreichte im Juli 2022 22 Prozent und verursachte große Probleme, da die Familien darum kämpfen, sich Lebensmittel leisten zu können. Im Juni 2022 gab die Bundesregierung bekannt, dass 2 Millionen Haushalte von ihrem Conditional Cash Transfer (CCT) Programm profitieren (HRW 12.1.2023). Präsident Bola Tinubu hat Medienberichten zufolge am 13.7.2023 den Ausnahmezustand für die Ernährungssicherheit ausgerufen, um steigende Lebensmittelpreise und -knappheit zu bekämpfen. Mit dem Ziel, Engpässen bei der Nahrungsmittelversorgung entgegenzuwirken, habe die Regierung sofortige, mittel- und langfristige Interventionen konzipiert. Diese reichen von der Bereitstellung von Düngemitteln und Getreide bis hin zur Übertragung der Verantwortung für Nahrung und Wasser an den Nationalen Sicherheitsrat (National Security Council) und weiteren Maßnahmen. Auch sollen ärmere Haushalte finanzielle Zuwendungen erhalten. Laut Medienberichten hat auch der Internationale Währungsfonds vor steigenden Nahrungsmittelpreisen in Nigeria gewarnt. Zu den vielen Ursachen zählen demnach Überschwemmungsfolgen und hohe Düngemittelkosten (BAMF 17.7.2023).
Obwohl Nigeria die größte Wirtschaft und Bevölkerung Afrikas hat, bietet es den meisten seiner Bürger nur begrenzte Möglichkeiten. Ein Nigerianer, der im Jahr 2020 geboren wurde, wird voraussichtlich nur 36 Prozent so produktiv sein, wie er es sein könnte, wenn er uneingeschränkten Zugang zu Bildung und Gesundheit hätte - der siebentniedrigste Humankapitalindex der Welt. Die schwache Schaffung von Arbeitsplätzen und die schwachen unternehmerischen Aussichten erschweren die Aufnahme von 3,5 Millionen Nigerianern, die jedes Jahr ins Erwerbsleben eintreten, in den Arbeitsmarkt, und viele Arbeitnehmer entscheiden sich auf der Suche nach besseren Möglichkeiten für die Auswanderung (WB 2.10.2023). Die Einkommen sind in Nigeria höchst ungleich verteilt. Etwa 60 Prozent der geschätzten 200 Millionen Menschen leben in absoluter Armut (BS 23.2.2022). Gemäß Schätzungen der Weltbank leben ca. 40 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze von 1,9 US-Dollar pro Tag, 30 Prozent (ca 71 Millionen Menschen) in extremer Armut (ÖB 10.2023). Nach Schätzungen der Weltbank leben über 95 Millionen Nigerianer in Armut und müssen mit etwa 1,90 US-Dollar pro Tag auskommen. Eine Untersuchung von Human Rights Watch aus dem Jahr 2021 ergab, dass Nigeria über kein funktionierendes Sozialschutzsystem verfügt, das die Bürger vor wirtschaftlichen Schocks schützt (HRW 12.1.2023).
Der gesetzlich vorgesehene nigerianische Mindestlohn liegt bei NGN 30.000,- (EUR 36) und kann den Mindestnahrungsbedarf einer erwachsenen Person im Monat nicht decken, da der Wert von Grundnahrungsmitteln für ein gesundes Leben eines Erwachsenen in einem Monat Anfang 2023 bei NGN 48.120 (EUR 59) lag. Dies entspricht einem Anstieg von 17,42 Prozent im Vergleich zum Jahresbeginn 2022. Weitere Steigerungen können aufgrund der hohen Inflation und Abschaffung des staatlich gestützten Wechselkurses und der Treibstoffsubvention erwartet werden. Im landwirtschaftlichen sowie im privaten (Haushaltshilfen) Bereich und im Kleingewerbe sind nach wie vor viel kleinere monatliche Zahlungen der Regelfall. Im ländlichen Bereich arbeiten Dienstnehmer zum Teil auch nur für Kost und Logis bzw. werden für Erntearbeit in Naturalien entlohnt (ÖB 10.2023).
Laut dem National Bureau of Statistics in Nigeria betrug die Arbeitslosigkeit im Q1 2023 4,1 und 5,3 Prozent im Q2. Diese sehr niedrigen Zahlen sind auf eine Änderung der Methodik im August 2023 zurückzuführen, laut der jene Personen als erwerbstätig gelten, die innerhalb der letzten Woche zumindest eine Stunde einer bezahlten Arbeit nachgingen (WKO 10.2023).
Die letzten offiziellen Zahlen des nigerianischen National Bureau of Statistics (NBS) [Anm.: vor Änderung der Methodik] die Arbeitslosigkeit betreffend stammen aus dem 4. Quartal 2020. Demnach waren Ende 2020 56,1 Prozent der arbeitsfähigen nigerianischen Bevölkerung entweder arbeitslos (33,3 Prozent) oder unterbeschäftigt (22,8 Prozent). Damit hat sich die Arbeitslosigkeit laut offiziellen Daten innerhalb von fünf Jahren mehr als vervierfacht. Zumindest jeder zweite erwerbsfähige nigerianische Bürger ist völlig ohne Arbeit oder unterbeschäftigt (ÖB 10.2023; vgl. WKO 10.2023). Verschiedene Programme auf Ebene der Bundesstaaten aber auch der Zentralregierung zielen auf die Steigerung der Jugendbeschäftigung ab (ÖB 10.2023; vgl. BS 23.2.2022).
Nur Angestellte des öffentlichen Dienstes, des höheren Bildungswesens sowie von staatlichen, teilstaatlichen oder großen internationalen Firmen genießen ein gewisses Maß an sozialer Sicherheit. Eine immer noch geringe Anzahl von Nigerianern (acht Millionen) ist im Pensionssystem (Contributory Pension Scheme) registriert (BS 23.2.2022).
Die Großfamilie unterstützt beschäftigungslose Angehörige (ÖB 10.2023). Generell wird die Last für Alter, Krankheit, Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung vom Netz der Großfamilie und vom informellen Sektor getragen (BS 23.2.2022). Allgemein kann festgestellt werden, dass auch eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit findet, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2023).
Die täglichen Lebenshaltungskosten differieren regional zu stark, um Durchschnittswerte zu berichten. Der Durchschnittspreis für Reis, das wichtigste Grundnahrungsmittel in Nigeria, stieg im Jahresvergleich um 24 Prozent auf 555 NGN (EUR 0,67) im Mai 2023 gegenüber 447 NGN (EUR 0,54) im Mai 2022 (ÖB 10.2023).
Verdienstmöglichkeiten für Rückkehrerinnen: Eine der Berufsmöglichkeiten für Rückkehrerinnen ist die Eröffnung einer mobilen Küche für "peppersoup", "garri" oder "pounded yam", für die man lediglich einen großen Kochtopf und einige Suppenschüsseln benötigt. Die Grundausstattung für eine mobile Küche ist für einen relativ geringen Betrag erhältlich. Hauptsächlich im Norden ist auch der Verkauf von bestimmten Holzstäbchen zur Zahnhygiene eine Möglichkeit, genügend Einkommen zu erlangen. In den Außenbezirken der größeren Städte und im ländlichen Bereich bietet auch "mini-farming" eine Möglichkeit, selbstständig erwerbstätig zu sein. Schneckenfarmen sind auf 10 m² Grund einfach zu führen und erfordern lediglich entweder das Sammeln der in Nigeria als "bushmeat" gehandelten Wildschnecken zur Zucht oder den Ankauf einiger Tiere. Ebenso werden nun "grasscutter" (Bisamratten-ähnliche Kleintiere) gewerbsmäßig in Kleinkäfigen als "bushmeat" gezüchtet. Großfarmen bieten Tagesseminare zur Aufzucht dieser anspruchslosen und sich rasch vermehrenden Tiere samt Verkauf von Zuchtpaaren an. Rascher Gewinn und gesicherte Abnahme des gezüchteten Nachwuchses sind gegeben. Schnecken und "grasscutter" finden sich auf jeder Speisekarte einheimischer Lokale. Für handwerklich geschickte Frauen bietet auch das Einflechten von Kunsthaarteilen auf öffentlichen Märkten eine selbstständige Erwerbsmöglichkeit. Für den Verkauf von Wertkarten erhält eine Verkäuferin wiederum pro 1.000 Naira Wert eine Provision von 50 Naira. Weiters werden im ländlichen Bereich Mobiltelefone für Gespräche verliehen; pro Gespräch werden zehn Prozent des Gesprächspreises als Gebühr berechnet (ÖB 10.2021).
Wachstumshemmend wirkten sich bis vor Kurzem, neben einer Reihe anderer Faktoren, die hohen Subventionszahlungen des nigerianischen Staates für die Stützung des Benzinpreises aus. Zuletzt entsprachen sie etwa einem Drittel der gesamten Steuereinnahmen. Der seit Ende Mai amtierende Präsident Bola Tinubu schaffte am Tag seines Amtsantritts die Subvention des Benzinpreises, ein jahrzehntealtes Goldenes Kalb der nigerianischen Politik, ersatzlos ab. Durch das Einschalten der Justiz gelang es ihm, Massenproteste zu verhindern. Der Benzinpreis hat sich dadurch verdreifacht. Das hat nicht nur die direkten Transportkosten massiv erhöht, sondern auch die Kosten für Lebensmittel und andere Güter des täglichen Bedarfs und trug damit erheblich zur hohen Inflation bei (WKO 10.2023).
Infolge massiver Überschwemmungen im September und Oktober 2022 sind nach Einschätzung der Vereinten Nationen (UN) in Nigeria mittlerweile mehr als 2,5 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Dazu zählen demnach 1,5 Millionen Kinder, die durch sich ausbreitende Krankheiten, Hunger oder Ertrinken bedroht sind. Es handelt sich um die schlimmsten Überflutungen der vergangenen zehn Jahre. 34 der insgesamt 36 Bundesstaaten sind von den Überschwemmungen betroffen. Mehr als 600 Menschen sind ums Leben gekommen, mehr als 200.000 Einwohnerinnen und Einwohner haben ihr Zuhause verloren (TS 22.10.2022). Extreme Wetterereignisse wie Überschwemmungen und Hitze haben an Intensität und Häufigkeit zugenommen, insbesondere in den nördlichen Teilen des Landes. Diese Klimarisiken haben bereits zu einem Rückgang der Pro-Kopf-Nahrungsmittelproduktion beigetragen, sodass der Anteil der Bevölkerung, der von Unterernährung betroffen ist, von 6,5 Prozent im Jahr 2004 auf 12,7 Prozent im Jahr 2020 gestiegen ist (WB 31.3.2023).
Im Nordosten Nigerias benötigen UN-Angaben vom 28.6.2023 zufolge rund sechs Millionen Menschen humanitäre Hilfe. In den Bundesstaaten Borno, Adamawa und Yobe sind 4,3 Millionen Menschen in den kommenden Monaten unmittelbar von Hunger bedroht. 700.000 Kinder unter fünf Jahren sind akut von lebensgefährlicher Unterernährung bedroht – doppelt so viele wie 2022 und viermal so viele wie 2021. Ursachen sind die schwierige Wirtschaftslage Nigerias mit hoher Inflation und die jahrelange Sicherheitskrise aufgrund der Bedrohungslage durch die islamistischen Gruppierungen Boko Haram und Islamic State West Africa Province (ISWAP). Die Unsicherheit hindert viele Menschen daran, Landwirtschaft zu betreiben oder ein Einkommen zu erzielen. Das UN-Nothilfeprogramm hat die Weltgemeinschaft dazu aufgefordert, eingeplante Hilfsgelder auszuzahlen (BAMF 4.7.2023).
Quellen:
ABG - Africa Business Guide (8.2023): Länderprofil Wirtschaft in Nigeria, https://www.africa-business-guide.de/de/maerkte/nigeria, Zugriff 9.11.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (17.7.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw29-2023.pdf?__blob=publicationFile v=5, Zugriff 9.11.2023
BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge [Deutschland] (4.7.2023): Briefing Notes, https://www.bamf.de/SharedDocs/Anlagen/DE/Behoerde/Informationszentrum/BriefingNotes/2023/briefingnotes-kw27-2023.pdf?__blob=publicationFile v=4, Zugriff 5.7.2023
BS - Bertelsmann Stiftung (23.2.2022): BTI 2022 - Nigeria Country Report, https://bti-project.org/fileadmin/api/content/en/downloads/reports/country_report_2022_NGA.pdf , Zugriff 3.10.2022
HRW - Human Rights Watch (12.1.2023): World Report 2023 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2085483.html, Zugriff 18.1.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2021): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2066259/NIGR_%C3%96B-Bericht_2021-10.pdf, Zugriff 4.10.2022
TS - Tagesschau / NDR (22.10.2022): Überschwemmungen in Nigeria - 2,5 Millionen Menschen brauchen humanitäre Hilfe, https://www.tagesschau.de/ausland/afrika/nigeria-ueberschwemmungen-un-101.html, Zugriff 9.11.2022
WB - World Bank (2.10.2023): Nigeria - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/nigeria/overview, Zugrifff 9.11.2023
WB - World Bank (31.3.2023): Nigeria - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/nigeria/overview, Zugrifff 27.6.2023
WKO - Wirtschaftskammer Österreich (10.2023): Wirtschaftsbericht Nigeria, https://www.wko.at/wien/aussenwirtschaft/nigeria-wirtschaftsbericht.pdf, Zugriff 9.11.2023
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung 2023-11-21 16:31
Nigeria verfügt über ein pluralistisches Gesundheitssystem, in dem die Gesundheitsfürsorge gemeinsam vom öffentlichen und privaten Sektor sowie durch moderne und traditionelle Systeme erbracht wird. Die Verwaltung des nationalen Gesundheitssystems ist dezentralisiert in einem dreistufigen System zwischen Bundes-, Landes- und Lokalregierungen (EUAA 4.2022). Die medizinische Versorgung in den Haupt- und größeren Städten in Nigeria sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor hat sich verbessert. So ist mittlerweile insbesondere für Privatzahler eine medizinische Versorgung für viele Krankheiten und Notfälle erhältlich. Trotzdem ist die Gesundheitsversorgung - vor allem auf dem Land - mangelhaft (AA 24.11.2022). Die Bundesregierung gibt weniger für Gesundheit und Bildung aus als fast jedes andere Land der Welt (0,6 Prozent des BIP für Gesundheit) (ÖB 10.2023).
Obwohl die durchschnittliche Lebenserwartung bei der Geburt gestiegen ist (54,7 Jahre laut Human Development Report 2020), hat die Verbesserung des Zugangs zu einer angemessenen Gesundheitsversorgung in Nigeria keine hohe Priorität. Aufgrund von Konflikten, Terroranschlägen, sozioökonomischen Bedingungen, Unterernährung, Klimawandel, Zugang zu Wasser, sanitären Einrichtungen und Hygiene gibt es nach wie vor große Unterschiede im Gesundheitszustand zwischen den Bundesstaaten und geopolitischen Zonen (ÖB 10.2023).
Es gibt sowohl staatliche als auch zahlreiche privat betriebene Krankenhäuser. Rückkehrer finden in den Großstädten eine medizinische Grundversorgung vor, die im öffentlichen Gesundheitssektor allerdings in der Regel unter europäischem Standard liegt. Der private Sektor bietet hingegen in einigen Krankenhäusern (z. B. in Abuja, Ibadan, Lagos) westlichen Medizinstandard (AA 24.11.2022).
Wie die meisten afrikanischen Länder leidet auch Nigeria unter einem kritischen Mangel an Fachkräften beim Gesundheitspersonal (HRH). Obwohl das Land einen der größten Bestände an Gesundheitspersonal hat, ist die Dichte an Ärzten, Krankenschwestern und Hebammen unzureichend (1,95 pro 1.000). Nach Schätzungen der Weltbank kamen im Jahr 2018 etwa 0,4 Ärzte auf 1.000 Einwohner während die Zahl der Krankenschwestern und Hebammen im Jahr 2019 auf 1,5 pro 1.000 Einwohner geschätzt wurde. Weitere Herausforderungen im Bereich der Humanressourcen sind die ungleiche Verteilung des Gesundheitspersonals auf die Bundesstaaten, Finanzierungslücken und Abwanderung von qualifiziertem Gesundheitspersonal in andere Länder (EUAA 4.2022).
Es existiert kein mit westlichen Standards vergleichbares Psychiatriewesen (AA 24.11.2022). Es gibt so gut wie keine Dienste für die psychische Gesundheit (ÖB 10.2023). Im ambulanten Bereich gibt es in Einzelfällen in den größeren Städten qualifizierte Psychiater, die nicht einweisungspflichtige Patienten mit klassischen Psychosen und Persönlichkeitsstörungen behandeln können (AA 24.11.2022). Es gibt weniger als 300 Psychiater für eine Bevölkerung von mehr als 200 Millionen Menschen, und angesichts der geringen Kenntnisse über psychische Störungen in der Primärversorgung sind die Familien in den ländlichen Gebieten auf sich allein gestellt, wenn es darum geht, ihre betroffenen Familienmitglieder zu versorgen. Auch die Zahlen für psychosoziale Fachkräfte sind niedrig, denn die Gesamtzahl der Fachkräfte im Bereich der psychischen Gesundheit liegt bei 0,9 pro 100.000 Einwohner, aufgeschlüsselt (jeweils pro 100.000 Einwohner) in 0,70 Krankenschwestern, 0,02 Psychologen, 0,10 Psychiater, 0,04 Sozialarbeiter und 0,01 Ergotherapeuten (EUAA 4.2022). Das in Lagos befindliche Federal Neuro Psychiatric Hospital Yaba bietet sich als erste Anlaufstelle für die Behandlung psychisch kranker Rückkehrer an. Die Kosten für den Empfang durch ein medizinisches Team des Krankenhauses direkt am Flughafen sollten im Einzelfall vorher erfragt werden. Die Behandlungskosten sind je nach Schwere der Krankheit unterschiedlich (AA 24.11.2022).
Es gibt eine allgemeine Kranken- und Rentenversicherung, die allerdings nur für Beschäftigte im formellen Sektor gilt. Die meisten Nigerianer arbeiten jedoch im informellen Sektor (AA 24.11.2022). Die Krankenversicherung hat in Nigeria, was die prozentuale Abdeckung der Bevölkerung angeht, kaum an der Oberfläche gekratzt. 97 Prozent der nigerianischen Bevölkerung sind in keiner Weise krankenversichert (Dataphyte 24.12.2021). Die drei Prozent der Bevölkerung (Dataphyte 24.12.2021; vgl. TL 11.2022) im Alter von 15-49 Jahren (TL 11.2022), die krankenversichert sind, werden durch die Krankenversicherung der Arbeitnehmer abgedeckt. Von diesen drei Prozent sind 56,7 Prozent Männer und 43,3 Prozent Frauen. Der Zugang zu einer erschwinglichen Gesundheitsversorgung bleibt für die meisten Nigerianer unerreichbar, insbesondere für diejenigen, die keine formelle Beschäftigung haben. Trotz der Einführung verschiedener Krankenversicherungsprogramme ist es dem National Health Insurance Scheme (NHIS) nicht gelungen, diejenigen zu erfassen, die nicht in einem Beschäftigungsverhältnis stehen. Die kumulierte Deckungsrate dieser anderen Programme lag bei weniger als einem Prozent der Krankenversicherten. Die Alternative zur Krankenversicherung sind enorme individuelle Ausgaben für die Gesundheit, und im Jahr 2018 war Nigeria das Land mit den dritthöchsten privat getätigten Ausgaben für die Gesundheit. 76,6 Prozent der Gesundheitsausgaben in dem Land wurden aus eigener Tasche bezahlt (Dataphyte 24.12.2021).
Apotheken und in geringerem Maße private Kliniken verfügen über essenzielle Medikamente. Die staatliche Gesundheitsversorgung gewährleistet keine kostenfreie Medikamentenversorgung. Für Medikamente muss man selbst aufkommen. Das Preisniveau ist insgesamt uneinheitlich, selbst Generika können bisweilen durchaus teurer als in, zum Beispiel, deutschen Apotheken sein (AA 24.11.2022). Die Kosten medizinischer Behandlung und Medikamente müssen im Regelfall selbst getragen werden; die Kosten für Medikamente sind hoch und für die meisten Nigerianer unerschwinglich. Medikamente gegen einige weitverbreitete Infektionskrankheiten wie Malaria und HIV/AIDS können teilweise kostenlos in Anspruch genommen werden, werden jedoch nicht landesweit flächendeckend ausgegeben (ÖB 10.2023). Gemäß einer weiteren Quelle werden Medikamente für sogenannte vorrangige Krankheiten in staatlichen Gesundheitseinrichtungen kostenlos zur Verfügung gestellt, darunter antiretrovirale Medikamente sowie Medikamente gegen Tuberkulose und multiresistente Tuberkulose. Probleme in der Versorgungskette haben zur Bildung informeller Arzneimittelmärkte geführt. Die Medikamentenpreise variieren in den nördlichen und südlichen Regionen; sie sind im Norden höher, weil die Verteilung von den südlichen Häfen in die nördlichen Regionen kostenintensiver ist (EUAA 4.2022).
Die Qualität der Produkte auf dem freien Markt ist zweifelhaft, da viele gefälschte Produkte vertrieben werden (bis zu 25 Prozent aller verkauften Medikamente), die nur eingeschränkt wirken (AA 24.11.2022). Der unerlaubte Verkauf von Medikamenten und die schlechte Qualität von gefälschten Arzneimitteln sind weitere große Herausforderungen (ÖB 10.2023).
Gerade im ländlichen Bereich werden „herbalists“ und traditionelle Heiler aufgesucht (ÖB 10.2023).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
Dataphyte (24.12.2021): Health Insurance in Nigeria - Only 3% of Nigerians are Covered, https://www.dataphyte.com/latest-reports/development/health-insurance-in-nigeria-only-3-of-nigerians-are-covered/, Zugriff 21.10.2022
EUAA - European Union Agency for Asylum (4.2022): Report on medical care Nigeria (political context; economy; socio-cultural features; organisation of the health system; healthcare human resources; pharmaceutical sector; patient pathways; insurance; cost; treatments; mental healthcare; selected medicines price list), https://www.ecoi.net/en/file/local/2071828/2022_04_EUAA_MedCOI_Report_Nigeria.pdf, Zugriff 21.10.2022
TL - The Lancet (11.2022): Nigeria's mandatory health insurance and the march towards universal health coverage, https://www.thelancet.com/journals/langlo/article/PIIS2214-109X(22)00369-2/fulltext, Zugriff 28.6.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
Rückkehr
Letzte Änderung 2023-11-22 08:03
Zum Zeitpunkt der Berichtslegung kann kein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen festgestellt werden, welcher geeignet wäre, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die allgemein herrschende Situation in Nigeria stellt keine Bedrohung i.S.v Art. 2 MRK, 3 MRK oder des Protokolls Nr. 6 oder 13 der EMRK dar. Außerdem kann allgemein festgestellt werden, dass eine nach Nigeria zurückgeführte Person, die in keinem privaten Verband soziale Sicherheit finden kann, keiner lebensbedrohlichen Situation überantwortet wird. Sie kann ihre existenziellen Grundbedürfnisse aus selbstständiger Arbeit sichern, insbesondere dann, wenn Rückkehrhilfe angeboten wird (ÖB 10.2023).
Die Österreichische Botschaft in Abuja unterstützt regelmäßig die Vorbereitung und Durchführung von Joint Return Operations (JRO) gemeinsam mit FRONTEX und anderen EU-Mitgliedstaaten. Nach der COVID-19 bedingten Suspendierung der Repatriierungsflüge wurden diese im März 2022 wieder aufgenommen und Landegenehmigungen erteilt (ÖB 10.2023).
Erkenntnisse darüber, ob abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Nigeria allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben, liegen nicht vor. Verhaftung aus politischen Gründen oder andere außergewöhnliche Vorkommnisse bei der Einreise von abgeschobenen oder freiwillig rückkehrenden Asylwerbern sind nicht bekannt. Abgeschobene Personen werden im Allgemeinen nach ihrer Ankunft in Lagos von der zuständigen Behörde (Nigerian Immigration Service), manchmal auch von der NDLEA (National Drug Law Enforcement Agency) befragt und können danach das Flughafengelände unbehelligt verlassen (AA 24.11.2022). Die Rückgeführten verlassen nach einer erkennungsdienstlichen Behandlung durch die nigerianischen Behörden das Flughafengebäude und steigen zumeist in ein Taxi oder werden von ihren Familien abgeholt. Es kann aufgrund von fehlenden Erfahrungen jedoch nicht mit gänzlicher Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die abgeschobenen Personen keine weiteren Probleme mit den Behörden zu gewärtigen haben. Das fehlende Meldesystem in Nigeria lässt allerdings darauf schließen, dass nach Verlassen des Flughafengeländes eine Ausforschung Abgeschobener kaum mehr möglich ist (ÖB 10.2023).
Wegen Drogendelikten im Ausland verurteilte Nigerianer werden nach Rückkehr an die NDLEA überstellt. Ein zweites Strafverfahren in Nigeria wegen derselben Straftat haben diese Personen jedoch trotz anderslautender Vorschriften im "Decree 33" nicht zu befürchten (AA 24.11.2022). Aus menschenrechtlichen Erwägungen wird gegenüber nigerianischen Behörden als Grund für Abschiebungen stets "overstay" angegeben, da dieser kein strafrechtliches Delikt darstellt (ÖB 10.2023).
Staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für zurückkehrende unbegleitete Minderjährige sind in Lagos und anderen Landesteilen grundsätzlich vorhanden. Sie sind jedoch in schlechtem Zustand, sodass z. B. die Angebote nicht bekannt sind oder eine ausreichende Versorgung dort nicht ohne Weiteres gewährleistet ist. Internationale Akteure betreiben Rückkehrer- bzw. Migrationsberatungszentren. Eine entsprechende Einrichtung von IOM in Benin-City, Edo State, wurde 2018 eröffnet. IOM ist ebenfalls in Abuja und Lagos vertreten. Gleichermaßen haben im Herbst 2018 in Lagos, Abuja und Benin City Migrationsberatungszentren der GIZ ihren Betrieb aufgenommen. Gemeinsam mit dem nigerianischen Arbeitsministerium wird dort über berufliche Perspektiven in Nigeria informiert und es werden Aus- oder Weiterbildungsprojekte angeboten (AA 24.11.2022).
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
Dokumente, Staatsbürgerschaft, Meldewesen
Letzte Änderung 2023-11-22 08:04
In der National Identity Database (NID), einer Datenbank für nigerianische und ausländische Personen, die in Nigeria wohnhaft sind, sind Zeitungsberichten zufolge etwa 10-15 Prozent der Bevölkerung registriert [Anm.: Bei einer geschätzten Einwohnerzahl von 210 Millionen wären das 21 bis 31,5 Millionen Menschen] (AA 24.11.2022). Gemäß anderen Angaben hat sich die Anzahl der registrierten Personen 2021 und 2022 stark erhöht, es sind inzwischen (Stand 28.11.2022) 92,63 Millionen Menschen registriert. Im Zuge dieser Registrierung wird die National Identity Number (NIN) vergeben. Die Registrierung erfolgt durch die National Identity Management Commission (NIMC). In Nigeria gibt es keine Ausweispflicht, und es werden in der Praxis keine Bußgelder verhängt, wenn jemand keinen Ausweis bei sich trägt (MBZ 1.2023). Wird die Vorlage einer Geburtsurkunde verlangt, so leisten zwei Personen für den Antragsteller eine eidesstattliche Erklärung („Affidavit“), die die Geburt bezeugt, wann auch immer diese stattgefunden haben mag. Lediglich darauf basierend wird eine Geburtsurkunde ausgestellt und in weiterer Folge sämtliche anderen Dokumente, auch der neue biometrische Reisepass (ÖB 10.2023).
Die NIN ist Voraussetzung für den Erhalt von Dokumenten. Die NIN muss laut Gesetz bei der Beantragung verschiedener Dokumente, z. B. eines Reisepasses oder eines Führerscheins, angegeben. In der Praxis wird die NIN nur bei der Beantragung eines "erweiterten elektronischen Reisepasses" verlangt. Die NIN wird auch für den Zugang zu verschiedenen öffentlichen und privaten Dienstleistungen, wie z. B. die Eröffnung eines Bankkontos, die Eintragung von Grundbesitz oder der Zugang zu Gesundheitsversorgung benötigt (MBZ 1.2023).
Mit der Einführung des biometrischen Passes im Jahr 2007 haben die Behörden einen wichtigen Schritt unternommen, die Dokumentensicherheit zu erhöhen. Es sind auch so gut wie keine gefälschten nigerianischen Pässe im Umlauf, da es keinerlei Problem darstellt, einen echten Pass unter Vorlage gefälschter Dokumente oder Verwendung falscher Daten zu erhalten. Es ist aufgrund des nicht vorhandenen Meldewesens, verbreiteter Korruption in den Passbehörden sowie Falschangaben der Antragsteller ohne Weiteres möglich, einen nigerianischen Reisepass zu erhalten, der zwar echt, aber inhaltlich falsch ist (AA 24.11.2022). Mangels eines geordneten staatlichen Personenstandwesens ist die Überprüfung der Echtheit von Dokumenten durch nigerianische Behörden mit einem großen Aufwand verbunden. Angesichts der in Nigeria allgemein nicht gegebenen Dokumentensicherheit ist die bloß formale Bestätigung der Echtheit einer Unterschrift oder eines Siegels eines nigerianischen Ministeriums nicht dazu geeignet, eine Beglaubigung unter Einhaltung der gesetzlichen notariellen Sorgfaltspflicht und im Einklang mit den völkerrechtlichen Verpflichtungen vorzunehmen (ÖB 10.2023).
Gefälschte Dokumente (Geburts- und Heiratsurkunden, Zeugnisse von Schulen und Universitäten etc.) sind in Lagos und anderen Städten ohne Schwierigkeiten zu erwerben. Sie sind professionell gemacht und von echten Dokumenten kaum zu unterscheiden. Inhaltlich unwahre, aber von den zuständigen Behörden ausgestellte (Gefälligkeits-)Bescheinigungen sowie Gefälligkeitsurteile in Familiensachen kommen vor. Fälschungstypische Fehler sind dabei in der Natur der Sache nicht immer aufzeigbar. Vorgelegte angebliche Fahndungsersuchen nigerianischer Sicherheitsbehörden sind in der Form oft fehlerhaft oder enthalten falsche Darstellungen behördlicher Zuständigkeiten und sind dadurch als Fälschungen zu erkennen. Aufrufe von Kirchengemeinden – z. B. genannten Asylbewerbern Zuflucht und Schutz zu gewähren – sind oft gefälscht (AA 24.11.2022). Trotz Maßnahmen zur Bekämpfung der Dokumentenfälschung, wie der Einführung des Nationalen Identitätsmanagementsystems und der Erfassung biometrischer Daten in der Datenbank, ist Dokumentenfälschung in Nigeria immer noch weit verbreitet. Zu den häufig gefälschten Dokumenten gehören Geburtsurkunden, Heiratsurkunden, Pässe und internationale Führerscheine. In Nigeria gibt es mehrere Unternehmen und Privatpersonen, die leicht und kostengünstig gefälschte Dokumente ausstellen, die unter anderem für die Beantragung von Pässen verwendet werden (MBZ 1.2023).
Kinder leiten ihre Staatsbürgerschaft von ihren Eltern ab (USDOS 20.3.2023). Geburten werden insbesondere im ländlichen Raum, in dem mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt, kaum registriert (ÖB 10.2023). Es gibt keine Vorschrift zur Registrierung von Geburten. Der Großteil der Geburten wird nicht registriert; Daten zeigen, dass landesweit nur bei 42 Prozent der Kinder unter fünf Jahren die Geburt ordnungsgemäß registriert ist (USDOS 12.4.2022).
Zur Ausstellung von Reisepässen von nigerianischen Staatsbürgern in Wien: Die Botschaft stellt gemäß E-Mail Auskunft nigerianischen Staatsbürgern mit Wohnsitz in Wien Pässe aus. Die detaillierten Anforderungen für die Ausstellung von Reisepässen und alle anderen konsularischen Dienstleistungen können über die offizielle Website der Botschaft unter http://www.nigeriaembassyvienna.com/consular/ abgerufen werden (NBW 26.4.2022). Aus der angegebenen Webpage der nigerianischen Botschaft in Wien geht hervor, dass kein Dokument über die Meldung oder Wohnadresse benötigt wird. Es ist somit davon auszugehen, dass nigerianischen Staatsbürgern unabhängig von ihrem Wohnsitz Pässe ausgestellt werden (NBW o.D.).
Nach der nigerianischen Verfassung vom 5.5.1999 soll der Verzicht auf die nigerianische Staatsangehörigkeit nach Artikel 29 durch Abgabe einer formgebundenen Verzichtserklärung und durch die anschließende Registrierung des Verzichtes eintreten (AA 24.11.2022). Demzufolge ist die einzig zuständige Behörde betreffend Zurücklegung der nigerianischen Staatsangehörigkeit das nigerianische Innenministerium. Bei Genehmigung eines derartigen Antrages stellt das nigerianische Innenministerium ein „Certificate of Renunciation“ aus. Allfällige Bestätigungen nigerianischer Vertretungsbehörden über das erfolgte Ausscheiden aus dem nigerianischen Staatsverband entfalten folglich keine Rechtswirkung (BMEIA 7.8.2019; vgl. BMEIA 8.5.2020). Die genaue Vorgehensweise zur Zurücklegung lautet: Der Antragsteller richtet ein Schreiben an den „Permanent Secretary, Federal Ministry of Interior, Abuja“. Dem Schreiben sind folgende Dokumente beizufügen:
Antrag (siehe z. B. Webseite der nigerianischen Botschaft Berlin unter: https://nigeriaembassygermany.org/Forms---Fees.htm)
Lichtbild
Geburtsurkunde
Die ersten fünf Seiten des nigerianischen Reisepasses (inklusive der Datenseite)
Eidesstattliche Erklärung des Antragstellers, wonach dieser die nigerianische Staatsangehörigkeit zurücklegen möchte.
Erklärung der zuständigen österreichischen Einbürgerungsbehörde, dass bei Zurücklegung der nigerianischen Staatsangehörigkeit, die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden kann.
Abstammungsurkunde der örtlichen Landesregierung mit einem weiteren Lichtbild
Bestätigung des „Sekretärs“ der entsprechenden nigerianischen Landesregierung.
Gleichzeitig mit der persönlichen Antragstellung z. B. bei der zuständigen nigerianischen Botschaft, muss auch eine Antragstellung online erfolgen. Dazu muss sich der Antragsteller auf der Webpage des nigerianischen Innenministeriums registrieren (https://ecitibiz.interior.gov.ng/account/Register/) und der Antrag samt Beilagen muss auf die Webpage hochgeladen werden. Die Konsulargebühren betragen: - 30.000 Naira Antragsgebühr (zahlbar bei Antragstellung) - 50.000 Naira Genehmigungsgebühr (zahlbar bei Genehmigung) (ÖB 15.5.2019)
Quellen:
AA - Auswärtiges Amt [Deutschland] (24.11.2022): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Nigeria (Stand Oktober 2022), https://www.ecoi.net/en/file/local/2083020/Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_Nigeria_%28Stand_Oktober_2022%29%2C_24.11.2022.pdf, Zugriff 9.1.2023
BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (8.5.2020): Nigeria, Staatsbürgerschaft: Anfrage der MA 35 zu Entlassungsverfahren, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
BMEIA - Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten [Österreich] (7.8.2019): Nigeria, Ausscheiden aus dem nigerianischen Staatsverband, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
MBZ - Ministry of Foreign Affairs of the Netherlands [Niederlande] (1.2023): Country of origin information report Nigeria, https://www.government.nl/binaries/government/documenten/directives/2023/01/31/general-country-of-origin-information-report-nigeria-january-2023/Country+of+Origin+Information+Report+Nigeria+January+2023.pdf, Zugriff 6.11.2023
NBW - Nigerianische Botschaft Wien [Nigeria] (26.4.2022): Antwort der nigerianischen Botschaft, übermittelt via E-Mail vom 26.4.2022, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
NBW - Nigerianische Botschaft in Wien [Nigeria] (o.D.): Konsularische Informationen, http://www.nigeriaembassyvienna.com/consular/, Zugriff 24.10.2022
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (10.2023): Asylländerbericht Nigeria, https://www.ecoi.net/en/file/local/2098176/NIGR_%C3%96B-Bericht_2023_10.pdf, Zugriff 31.10.2023
ÖB - Österreichische Botschaft Abuja [Österreich] (15.5.2019): STB; Prüfung Staatsbürgerschaft, Quelle liegt bei der Staatendokumentation auf.
USDOS - U.S. Department of State [USA] (20.3.2023): Country Report on Human Rights Practices 2022 - Nigeria, https://www.ecoi.net/de/dokument/2089140.html, Zugriff 15.5.2023
2. Beweiswürdigung:
Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz, in die zitierten Länderberichte zu Nigeria sowie in die seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Beweismittel.
Auszüge aus dem Informationsverbund zentrales Fremdenregister, dem zentralen Melderegister, dem Hauptverband österreichischer Sozialversicherungsträger, der Betreuungsinformation (Grundversorgung) und dem Strafregister wurden ergänzend zum vorgelegten Verwaltungsakt eingeholt.
Überdies wurde Beweis aufgenommen durch die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 27.06.2024, der der Beschwerdeführer gänzlich unentschuldigt fernblieb.
Der unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichts.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Die Feststellungen zu seiner Staatsangehörigkeit, seinen Lebensumständen, seiner Glaubens- und Volksgruppenzugehörigkeit und seinen Sprachkenntnissen gründen auf den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt.
Die Feststellung zu seiner Herkunft und seiner beruflichen Tätigkeit in Nigeria ergibt sich aus seinen Angaben vor dem Bundesamt und in dem Beschwerdeschriftsatz.
Die Feststellung, dass zumindest seine Schwester in Nigeria lebt, basiert auf den Angaben in der Erstbefragung, welche mit den Angaben vor dem Bundesamt übereinstimmen. Zu seinem Vater und seiner Mutter sowie zu seinem angeblichen Sohn oder anderen Familiengehörigen konnten keine näheren Feststellungen getroffen werden, zumal das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers für den erkennenden Richter nicht glaubhaft erscheint und der Beschwerdeführer hinsichtlich seines Sohnes selbst nicht weiß, ob er der Vater ist.
Dass der Beschwerdeführer im September 2022 ein Touristenvisum für Spanien beantragt hat, welches ihm auch bewilligt wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.
Dass er in Österreich über keine Familienangehörigen verfügt, nicht Vereinsmitglied ist, aber Freunde und eine soziale Integration vorweist sowie in einem Fußballverein Fußball spielt und sich in der Gemeinde XXXX vielfältig engagiert, gründet auf seinen Angaben vor dem Bundesamt und den von ihm vorgelegten Unterlagen.
Aus dem Sozialversicherungsdatenauszug zur Person des Beschwerdeführers und aus seinen Angaben vor dem Bundesamt ergibt sich, dass er keiner Erwerbstätigkeit nachgeht, aus dem Auszug aus dem Betreuungsinformationssystem, dass er Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung bezieht.
Eine berufliche, soziale und private Integration scheitert an der relativ kurzen Aufenthaltsdauer, der mangelnden Erwerbstätigkeit und dem Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung, den noch nicht ausgeprägten Deutschkenntnissen und dem Umstand, dass er die von ihm gesetzten Integrationsschritte zu einer Zeit tätigte, in der sein Aufenthaltsstatus ungewiss war.
Die Feststellungen zu den Deutschkenntnissen gründen auf den Angaben des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt. Befragt danach, wie er seine Deutschkenntnisse einschätzen würde, gab er zu Protokoll: „Ich lerne Deutsch. Ein bisschen.“
Aus einem Strafregisterauszug ergibt sich die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers.
Da der Beschwerdeführer der Beschwerdeverhandlung unentschuldigt fernblieb, konnten seine persönlichen Umstände nicht weiter erörtert werden. Das Bundesamt führte jedenfalls bereits ein umfangreiches Ermittlungsverfahren durch. Der Beschwerdeführer verletzte seine Mitwirkungspflicht, da er der Beschwerdeverhandlung aufgrund mangelnder Sorgfalt fernblieb. Er brachte vor, dass er aufgrund eines Irrtums in den falschen Bus gestiegen sei und es somit nicht rechtzeitig zur Verhandlung schaffen hat können. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass alleine aus einer mangelnden Sorgfalt kein triftiger Grund für sein Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung vorliegt, weswegen die Verhandlung in seiner Abwesenheit durchzuführen war. Liegen keine anderen Beweisergebnisse zum jeweiligen Beweisthema vor und ist es dem Verwaltungsgericht nicht möglich, sich amtswegig von den relevanten Umständen Kenntnis zu verschaffen, so kann dies auch eine Negativfeststellung zu den im Rahmen der Mitwirkungspflicht von der ausgebliebenen Partei unter Beweis zu stellenden Umständen rechtfertigen (vgl. VwGH 26.03.2021, Ra 2019/03/0128, mwN).
2.2. Zum Fluchtvorbringen und einer Rückkehrgefährdung des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer gibt im gegenständlichen Verfahren einerseits an, dass er aufgrund eines Vorfalles mit einem Sohn eines (ehemaligen) Ministers und andererseits aufgrund seiner Mitgliedschaft bzw. Tätigkeit für die IPOB verfolgt werde.
Nach Sichtung des Aktes, der Beschwerde und der vorgelegten Unterlagen schließt sich das erkennende Gericht den Ausführungen des Bundesamtes an und stimmt dessen Beweiswürdigung dahingehend zu, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers in einer Gesamtschau die Glaubhaftigkeit abzusprechen ist. Der Beschwerdeführer blieb der Beschwerdeverhandlung fern, weshalb er seine Mitwirkungspflicht verletzt hat.
Eingangs ist bereits zu erwähnen, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung eine Alias-Identität verwendete, weshalb bereits aufgrund dieses Umstandes die Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers leidet. Wenn in der Beschwerde ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor den nigerianischen Behörden in der Erstbefragung eine andere Identität angab, ist auszuführen, dass nicht nur die Verwendung einer Alias-Identität vorliegt, sondern das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers in sich nicht stimmig ist und Widersprüche aufweist. Des Weiteren gab der Beschwerdeführer auch in der Einvernahme – trotz vorheriger Belehrung, dass seine Angaben im Asylverfahren vertraulich behandelt werden und nicht an die nigerianischen Behörden weitergegeben werden - anfangs noch an, dass er den Name XXXX trage und am XXXX geboren worden sei. Somit kann den Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz jedenfalls nicht gefolgt werden und ist ersichtlich, dass der Beschwerdeführer bewusst über seine Identität täuschen wollte bzw. seine Identität zu verschleiern versuchte. Erst nach Vorhalt des Leiters der Amtshandlung, dass ihm im Jahr 2020 auf einen anderen Namen ein Reisepass ausgestellt worden sei und er ein Visum für Spanien beantragt habe, gab er zu, den im gegenständlichen Verfahren angeführten Namen zu führen. Auch die Erklärung vor dem Bundesamt, weshalb er über seine Personalien und seinen Ausreisezeitpunkt nicht die Wahrheit gesagt habe, ist nicht überzeugend, zumal der Beschwerdeführer – wie bereits ausgeführt – schon am Anfang der Einvernahme darüber belehrt wurde, dass seine Angaben nicht an sein Heimatland weitergeleitet werden. Somit ist seine Erklärung als reine Schutzbehauptung zu werten.
In der Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass er Teil BIAFRA Bewegung sei, welche in Nigeria für die Freiheit der Gruppierung BIAFRA gegen den Staat kämpfe. Er habe mit seinen Leuten gegen die Soldaten gekämpft, jedoch hätten diese gewonnen. Seine Freunde und Kollegen seien umgebracht worden, weshalb er flüchten hätte müssen. Seine Mutter und sein Vater seien von Banditen umgebracht worden. Der Staat hätte sie nicht schützen können, weshalb er der BIAFRA Bewegung beigetreten sei. Weitere Fluchtgründe habe er nicht.
Hinsichtlich der Erstbefragung hat der VwGH zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen erhoben, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat (vgl. etwa VwGH vom 14.6.2017, Ra 2017/18/0001, mwN). Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen. Nichts Anderes kann auch dann gelten, wenn der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen in der Erstbefragung abweichend schildert. Unter Berücksichtigung der vorgenannten Judikatur ist es insbesondere nicht plausibel, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung noch angab, er habe mit seinen Leuten gegen die Soldaten gekämpft, jedoch hätten diese gewonnen und in der Einvernahme ausführte, dass er nie für die IPOB gekämpft habe, sondern sich lediglich um die Wäsche und andere Tätigkeiten in dem Camp von der IPOB gekümmert habe. Völlig anders schilderte er in der Einvernahme auch seinen Beweggrund, weshalb er der IPOB beigetreten sei. So gab er in der Erstbefragung noch an, dass er der IPOB beigetreten sei, da seine Mutter und sein Vater von Banditen getötet worden seien. In der Einvernahme jedoch gab er an, dass er aufgrund eines Vorfalles mit einem Sohn eines (ehemaligen) Ministers, welcher ihn für mehrere Monate in einem Privatgefängnis festhielt, der IPOB beigetreten sei, da er gedacht habe, dass diese ihm Schutz bieten könne. Dass seine Eltern von Banditen umgebracht worden seien, erwähnte der Beschwerdeführer in der Einvernahme jedenfalls nicht mehr.
Widersprüchlich sind zudem seine Angaben über den Zeitpunkt seiner Ausreise. Sowohl in der Erstbefragung als auch noch anfangs in der Einvernahme vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, dass er im Jahr 2020 aus Nigeria ausgereist sei. In der Einvernahme konkretisiert er noch das Monat (September). Erst nach dem Vorhalt des Leiters der Amtshandlung, dass er im September 2022 in Nigeria ein Touristenvisum für Spanien beantragt habe, gab der Beschwerdeführer als Ausreisezeitpunkt den September 2022 an. Somit versuchte der Beschwerdeführer anfangs auch über seinen Ausreisezeitpunkt zu täuschen. Auch dieser Umstand lässt massiv an der Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers zweifeln.
Würde man den Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und seinen noch anfänglich getätigten Angaben in der Einvernahme vor dem Bundesamt über seinen Ausreisezeitpunkt folgen, so wäre es unmöglich, dass sich der Vorfall zwischen der IPOB und der nigerianischen Polizei im August 2021 zugetragen habe. Bereits aus diesem Umstand ist seinem Fluchtvorbringen die Glaubhaftigkeit zu versagen. Wenn man nun den späteren Angaben des Beschwerdeführers folgt, in welcher er angab, dass er im September 2022 ausgereist sei, so ist auszuführen, dass zwischen dem Vorfall 2021 und seiner Ausreise – wie auch das Bundesamt in seiner Beweiswürdigung ausführte - der zeitliche Konnex fehlen würde. Es ist nicht davon auszugehen, dass eine Person, welche Angst um ihr Leben hat, noch länger als ein Jahr mit der Ausreise zuwartet und dann ein Touristenvisum beantragt und dessen Ausgang abwartet. Dass er mit dem Flugzeug aus Nigeria nach Spanien ausgereist ist, lässt ebenso eine Verfolgung durch die nigerianische Regierung nicht als wahrscheinlich erachten. Die Angabe des Beschwerdeführers, dass er sich aufgrund von Problemen mit der Regierung einen Reisepass ausstellen hat lassen, ist wenig nachvollziehbar, zumal er – wenn er Verfolgung durch die nigerianische Regierung bzw. nigerianische Behörden befürchte – sich nicht an die nigerianischen Behörden wenden würde, um einen Reisepass zu beantragen.
Auch der Vorfall mit einem Sohn eines (ehemaligen) Ministers, welcher ihn zu vergewaltigen versuchte, ist vage und nicht konkret gehalten. So gab er zuerst auf Nachfrage des Leiters der Amtshandlung, wann dieser Vorfall gewesen sei, an: „Das war 2019. Nein es war 2021. Nein es war 2020. Ich erinnere mich nicht.“ Im Laufe der weiteren Einvernahme und auf Nachfragen des Leiters der Amtshandlung gab er an, dass es im Jahr 2020 gewesen sei, er sich jedoch nicht mehr an den Monat erinnern könne. Nicht nachvollziehbar ist, dass der Beschwerdeführer anfangs noch drei verschiedene Jahre angab, in welchen sich der Vorfall ereignet habe, ehe er weiter ausführte, sich nicht mehr zu erinnern, jedoch im weiteren Verlauf der Einvernahme angab, dass es im Jahr 2020 gewesen sei. Für den erkennenden Richter erweckt es den Eindruck, als würde der Beschwerdeführer versuchen, beliebig sein Fluchtvorbringen anzupassen. Dass es sich um einen tatsächlich zugetragenen Vorfall handelt, kann nicht angenommen werden, zumal eine versuchte Vergewaltigung ein einprägsames Erlebnis darstellt und in Erinnerung bleibt. Auch sind seine Angaben hinsichtlich der Nachfrage, weshalb er gewusst habe, dass es sich um einen (ehemaligen) Minister handle, nicht plausibel. So gab er anfangs noch an, dass ihm die Leute, welche ihn gefangen hätten, gesagt hätten, dass es sich um den Sohn eines ehemaligen Ministers handle. Wenig später führte er in der Einvernahme vor dem Bundesamt aus, dass Männer, welche ihn gefangen hätten, gar nichts gesagt hätten. Er habe von den Leuten, welche ihm das Essen brachten, erfahren, dass es sich um den (ehemaligen) Minister handle. Kurz zuvor gab er jedoch widersprüchlich an, dass er den (ehemaligen) Minister an seiner Stimme erkannt habe. Wie ersichtlich, sind die Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich des Vorfalles im Privatgefängnis nicht stimmig. Für den erkennenden Richter erweckt es vielmehr den Eindruck, als ob sich der Beschwerdeführer ein Fluchtgrund zu konstruieren versuchte.
Abschließend lässt der Umstand, dass er in der Erstbefragung noch angab, dass er ein Reisepass besäße, jedoch in der Einvernahme anfangs noch anführte nie einen Reisepass besäßen zu haben, bevor er wenig später doch angab, dass er einen Reisepass besäßen habe, den Beschwerdeführer als Person unglaubwürdig erscheinen.
Insgesamt konnte der Beschwerdeführer sein Fluchtvorbringen nicht stimmig schildern. Zudem gab er eine Alias-Identität an, machte widersprüchliche Angaben zum Zeitpunkt zu seiner Ausreise und bezgl. seines Reisepasses.
In der Gesamtsicht dieser Erwägungen gelangt daher das erkennende Gericht in Übereinstimmung mit dem Bundesamt zum Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, eine konkrete, gegen seine Person gerichtete Verfolgung bzw. Verfolgungsgefahr glaubhaft zu machen. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich somit den tragenden Erwägungen des Bundesamtes an.
Nicht zuletzt bleibt noch zu betonen, dass der Beschwerdeführer selbst der am 27.06.2024 anberaumten Beschwerdeverhandlung ohne triftigen Grund gänzlich unentschuldigt fernblieb (vgl. Punkt II. 2.1.), wobei auch die qualifizierte Verletzung der Mitwirkungspflicht durch die Partei, die zur Abweisung des Asylantrages führen kann, die Annahme rechtfertigen muss, der Asylantrag entbehre eindeutig jeder Grundlage (vgl. VwGH 23.11.2006, 2005/20/0409, mwN).
Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich auch den tragenden Erwägungen des Bundesamtes hinsichtlich der Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten an. Es ergaben sich im Verfahren keinerlei Umstände, die nahelegen würden, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Er ist erwerbsfähig und sind somit keine Gründe ersichtlich, weshalb er im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat nicht durch die Aufnahme einer Tätigkeit, selbst wenn es sich dabei um eine Hilfstätigkeit handelt, in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt aus eigenem zu bestreiten. Auch wenn er aufgrund seiner mehrjährigen Abwesenheit keine familiäre Unterstützung erfahren sollte, so wird er dennoch in der Lage sein können, sich ein Grundeinkommen zu sichern. Die Grundversorgung der Bevölkerung ist in Nigeria weitgehend gewährleistet und verweist das Länderinformationsblatt sogar explizit auf unterschiedliche Verdienstmöglichkeiten für RückkehrerInnen (vgl. Punkt II.1.3.). In Anbetracht dieser Umstände kann letztlich nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat automatisch in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.
Ganz allgemein besteht in Nigeria derzeit auch keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht wäre. Zwar zeigt das aktuelle Länderinformationsblatt auf, dass fast jeder Landesteil aktuell zu unterschiedlichem Grad von Gewalt und Kriminalität betroffen ist (vgl. Punkt II.1.3.), jedoch kann in Anbetracht der dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat bereits aufgrund seiner bloßen Präsenz dort wahrscheinlich Opfer eines Anschlages werden würde, zumal er auch keiner besonders gefährdeten Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört.
Eine Rückkehr nach Nigeria führt somit im Falle des Beschwerdeführers nicht automatisch dazu, dass er einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Auch ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage in Nigeria nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht und waren daher die entsprechenden Feststellungen zu treffen.
2.3. Zur Lage im Herkunftsstaat:
Zu den zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nicht-staatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH 04.04.2001, 2000/01/0348, mwN).
Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.1. Zum Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1, Abschnitt A, Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich in Folge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.3. bereits dargestellt, war dem Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers aus den angeführten Gründen die Glaubhaftigkeit zu versagen bzw. konnte der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren keine begründete Furcht vor einer asylrelevanten Verfolgung darlegen bzw. glaubhaft machen.
Es ist zudem nicht ableitbar, dass dieser zum gegenwärtigen Zeitpunkt bzw. in Zukunft in seinem Herkunftsstaat Nigeria konkrete Verfolgungsmaßnahmen von gewisser Intensität zu befürchten hätte.
Dem Beschwerdeführer ist es sohin nicht gelungen, eine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, darzulegen. Für den Beschwerdeführer war dementsprechend auch keine Furcht vor Verfolgung aus den Gründen, die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannt sind, fassbar.
Es entspricht der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs, dass das Bestehen einer innerstaatlichen Fluchtalternative iSd § 11 Abs. 1 AsylG nur dann zu prüfen ist, wenn glaubhaft ist, dass einem Asylwerber in der Herkunftsregion seines Herkunftsstaats Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht bzw. die Voraussetzungen für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten iSd § 8 Abs. 1 AsylG vorliegen (siehe VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106-12). Diesen Anforderungen konnte der Beschwerdeführer - wie zuvor dargelegt - jedoch nicht gerecht werden.
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Lage wird zusammengefasst ausgeführt, dass eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung darstellt (vgl. etwa VwGH 14.03.1995, 94/20/0789; 17.06.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 09.05.1996, 95/20/0161; 30.04.1997, 95/01/0529; 08.09.1999, 98/01/0614). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gewinnung - zusammenhängt. Derartiges hat der Beschwerdeführer ebenfalls nicht glaubhaft behauptet.
Die Voraussetzungen für die Erteilung von Asyl sind daher nicht gegeben. Aus diesem Grund war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß
3.2. Zum Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten einem Fremden zuzuerkennen, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Gemäß § 8 Abs. 2 leg. cit. ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.
Es kann auf Basis der Länderfeststellungen nicht davon ausgegangen werden, dass generell jeder im Falle einer Rückkehr nach Nigeria mit existentiellen Nöten konfrontiert ist. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK ist nicht ausreichend. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen (vgl. VwGH 25.04.2017, Ra 2016/01/0307, mwN).
Es wurden im Verfahren auch unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers keine exzeptionellen Umstände aufgezeigt, wonach im Falle seiner Rückkehr nach Nigeria die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz im konkreten Fall nicht gedeckt werden könnten (vgl. Punkt II.2.2.). Der Umstand, dass sein Lebensunterhalt in Nigeria möglicherweise bescheidener ausfallen mag als er in Österreich sein könnte, rechtfertigt nicht die Annahme, ihm wäre im Falle seiner Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die "Schwelle" des Art. 3 EMRK überschritten (vgl. VfGH 24.02.2020, E 3683/2019; zur "Schwelle" des Art. 3 EMRK vgl. VwGH 16.07.2003, 2003/01/0059).
Beim Beschwerdeführer selbst handelt es sich um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann, der über eine schulische Ausbildung und bereits über Arbeitserfahrung verfügt, weshalb davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr seinen Lebensunterhalt durch Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit, wenn auch Hilfstätigkeit, finanzieren können wird. Zudem ergeben sich aufgrund seiner Hauptsozialisierung in Nigeria sowie seinen vorhandenen Sprachkenntnissen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Beschwerdeführer bei seiner Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen werden würde, selbst wenn er sich auf kein familiäres Hilfsnetz stützen könnte.
Es ist letztlich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria nicht automatisch in eine existenzbedrohende Lage geraten würde und besteht dort derzeit auch keine solche Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht wäre. Zwar zeigt das aktuelle Länderinformationsblatt auf, dass fast jeder Landesteil aktuell zu unterschiedlichem Grad von Gewalt und Kriminalität betroffen ist, jedoch kann in Anbetracht der dargestellten Gefahrendichte nicht erkannt werden, dass der Beschwerdeführer in seinem Herkunftsstaat bereits aufgrund seiner bloßen Präsenz dort wahrscheinlich Opfer eines Anschlages werden würde, zumal er auch keiner besonders gefährdeten Berufs- oder Bevölkerungsgruppe angehört.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.3. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird. Die formellen Voraussetzungen des § 57 AsylG 2005 sind allerdings nicht gegeben und werden in der Beschwerde auch nicht behauptet. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz war dem Beschwerdeführer daher nicht zuzuerkennen.
Die Beschwerde war daher auch hinsichtlich Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen.
3.4. Zur Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides):
Gemäß § 58 Abs. 2 AsylG 2005 hat das Bundesamt einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 von Amts wegen zu erteilen, wenn eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig auf Dauer unzulässig erklärt wurde. Es ist daher zu prüfen, ob eine Rückkehrentscheidung auf Basis des § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG für unzulässig zu erklären ist.
Der mit "Schutz des Privat- und Familienlebens" betitelte § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet wie folgt:
„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.“
Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes und verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.
Im gegenständlichen Fall verfügt der Beschwerdeführer über kein iSd Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben in Österreich oder auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten.
Zu prüfen wäre somit ein etwaiger Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers. Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva u.a. gg Lettland, EuGRZ 2006, 554).
Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessensabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff).
Der Beschwerdeführer hält sich seit etwa einem Jahr und acht Monaten durchgehend in Österreich auf und ist hier mit Hauptwohnsitz gemeldet. Der seit 26.10.2022 andauernde Aufenthalt des Beschwerdeführers beruhte dessen ungeachtet auf einer vorläufigen, nicht endgültig gesicherten rechtlichen Grundlage, weshalb dieser während der Dauer des Aufenthaltes in Österreich nicht darauf vertrauen durfte, dass er sich in Österreich auf rechtlich gesicherte Weise bleibend verfestigen kann.
Das Gewicht seiner etwaigen privaten Interessen wird daher dadurch gemindert, dass sie in einem Zeitpunkt entstanden, in dem er sich seines unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst war (vgl. VwGH 10.04.2019, Ra 2019/18/0049; VwGH 19.02.2009, 2008/18/0721).
Wie bereits ausgeführt, führt der Beschwerdeführer keine Lebensgemeinschaft oder eine „familienähnliche“ Beziehung in Österreich. Der Beschwerdeführer hat im gegenständlichen Verfahren das Bestehen eines Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht behauptet und stellt somit die Ausweisungsentscheidung schon aus dieser Erwägung keine Verletzung des Art. 8 EMRK dar (AsylGH 03.12.2009, A2 253.985-0/200853).
Unter Berücksichtigung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479 zu einem dreijährigen Aufenthalt im Bundesgebiet oder auch Erkenntnis vom 15.12.2015, Ra 2015/19/0247 zu einem zweijährigem Aufenthalt in Verbindung mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet war), des Verfassungsgerichtshofes (29.11.2007, B 1958/07-9, wonach im Fall eines sich seit zwei Jahren im Bundesgebiet aufhältigen Berufungswerbers die Behandlung der Beschwerde wegen Verletzung des Art. 8 EMRK abgelehnt wurde; ebenso 26.04.2010, U 493/10-5 im Falle eines fünfjährigen Aufenthaltes) und des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (vgl. etwa EGMR, 08.04.2008, Nnyanzi v. UK, 21878/06) muss angesichts des ungefähr zwanzigmonatigen Inlandsaufenthaltes des Beschwerdeführers davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes das Interesse an der Achtung seines Privat- und Familienlebens überwiegt.
Der Beschwerdeführer hat in seinem Herkunftsstaat, in dem er aufgewachsen ist und den Großteil seines bisherigen Lebens verbracht hat, sprachliche und kulturelle Verbindungen; er ist in Nigeria aufgewachsen, hat dort seine Sozialisierung erfahren und bis zu seiner Ausreise gelebt, die Schule besucht sowie berufliche Erfahrungen gesammelt. Er spricht nach wie vor seine Muttersprache und ist mit den regionalen Gebräuchen und Eigenheiten der nigerianischen Kultur vertraut. Es wird dem Beschwerdeführer daher ohne unüberwindliche Probleme möglich sein, sich wieder in die nigerianische Gesellschaft zu integrieren, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und für seinen Lebensunterhalt aufzukommen. Allfällige mit der Rückkehrentscheidung verbundene Schwierigkeiten bei der Gestaltung seiner Lebensverhältnisse sind im öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen und an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit hinzunehmen (vgl. VwGH 29.06.2017, Ra 2016/21/0338).
Abgesehen von den üblichen alltäglichen Kontakten und seinem Asylverfahren weist der Beschwerdeführer allerdings keine relevanten privaten Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet auf. Er hat kaum Deutschkenntnisse und auch noch keine Deutschprüfung abgelegt. Es liegen auch keine Hinweise vor, dass der Beschwerdeführer in Österreich im Hinblick auf seine Aufenthaltsdauer einen derart maßgeblichen Grad an Integration erlangt hätte, der seinen persönlichen Interessen ein entscheidendes Gewicht verleihen würde. Auch seine verschiedenen Tätigkeiten für die Gemeinde XXXX sowie das Fußballspielen beim SC XXXX oder auch sein Mitwirken beim Aufbau des Projektes „ XXXX “ verleihen seinem Aufenthalt nicht ein entscheidendes Gewicht. Der erkennende Richter verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer durchaus bemüht ist, sich in die Gesellschaft zu integrieren, jedoch stehen den privaten Interessen das öffentliche Interesse am Vollzug des geltenden Migrationsrechts gegenüber, wonach Personen, welche ohne Aufenthaltstitel im Bundesgebiet aufhältig sind – gegebenenfalls nach Abschluss eines allfälligen Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz – auch zur tatsächlichen Ausreise verhalten werden. Würde sich ein Fremder nunmehr generell in einer solchen Situation wie der Beschwerdeführer erfolgreich auf sein Privat- und Familienleben berufen können, so würde dies dem Ziel eines geordneten Fremdenwesens und dem geordneten Zuzug von Fremden zuwiderlaufen. Überdies würde dies dazu führen, dass Fremde, die die fremdenrechtlichen Einreise- und Aufenthaltsbestimmungen beachten, letztlich schlechter gestellt wären, als Fremde, die ihren Aufenthalt im Bundesgebiet lediglich durch ihre illegale Einreise und durch die Stellung eines unbegründeten oder sogar rechtsmissbräuchlichen Asylantrages erzwingen, was in letzter Konsequenz zu einer verfassungswidrigen unsachlichen Differenzierung der Fremden untereinander führen würde (zum allgemein anerkannten Rechtsgrundsatz, wonach aus einer unter Missachtung der Rechtsordnung geschaffenen Situation keine Vorteile gezogen werden dürfen, vgl. VwGH 11.12.2003, 2003/07/0007; VfSlg. 19.086/2010, in dem der VfGH auf dieses Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Bezug nimmt und in diesem Zusammenhang explizit erklärt, dass "eine andere Auffassung sogar zu einer Bevorzugung dieser Gruppe gegenüber den sich rechtstreu Verhaltenden führen würde."). Bei einer Gesamtbetrachtung wiegt unter diesen Umständen das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der Durchsetzung der geltenden Bedingungen des Einwanderungsrechts und an der Befolgung der den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften, denen aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechthaltung der öffentlichen Ordnung – und damit eines von Art 8 Abs 2 EMRK erfassten Interesses – ein hoher Stellenwert zukommt (vgl zB VwGH 30.04.2009, 2009/21/0086), schwerer als die privaten Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.
Darüber hinaus hat sowohl der Verwaltungsgerichthof (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055), als auch der Verfassungsgerichtshof (26.04.2010, U 493/10-5, VfGH 12.06.2013, U485/2012), bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt.
Auch ist es dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall durchaus zumutbar, den Kontakt zu seinen in Österreich neu gewonnen Freunden über moderne Kommunikationsmittel oder wechselseitige Besuchsaufenthalte aufrecht zu erhalten.
Abschließend kann noch ausgeführt werden, dass im vorliegenden Fall kein Einreiseverbot gegen ihn verhängt wurde, weshalb es ihm naturgemäß nicht verwehrt ist, bei Erfüllung der allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Regelungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) in das Bundesgebiet zurückzukehren.
Durch die Rückkehrentscheidung wird Art 8 EMRK damit im Ergebnis nicht verletzt und ist im Sinne von § 9 Abs 2 BFA-VG nicht als unzulässig anzusehen, weshalb auch die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG nicht in Betracht kommt.
Die sonstigen Voraussetzungen einer Rückkehrentscheidung nach § 10 Abs 1 Z 3 AsylG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG sind erfüllt. Sie ist auch sonst nicht (zB vorübergehend nach Art 8 EMRK, vgl § 9 Abs 3 BFA-VG und VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146) unzulässig. Der Beschwerdeführer verfügt auch über kein sonstiges Aufenthaltsrecht.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich ihres Spruchpunktes IV. gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG und § 52 Abs 2 Z 2 FPG als unbegründet abzuweisen war.
3.5. Zur Zulässigkeit der Abschiebung (Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides):
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde zudem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria zulässig ist.
Diesbezüglich ist darauf zu hinzuweisen, dass ein inhaltliches Auseinanderfallen der Entscheidungen nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz) und nach § 52 Abs. 9 FPG (zur Frage der Zulässigkeit der Abschiebung) ausgeschlossen ist. Damit ist es unmöglich, die Frage der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat im Rahmen der von Amts wegen zu treffenden Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG neu aufzurollen und entgegen der getroffenen Entscheidung über die Versagung von Asyl und subsidiärem Schutz anders zu beurteilen (vgl. VwGH 27.04.2021, Ra 2021/19/0082, mwN).
Die Abschiebung ist auch nicht unzulässig iSd § 50 Abs. 2 FPG, da dem Beschwerdeführer keine Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Weiters steht der Abschiebung keine Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR iSd § 50 Abs. 3 FPG entgegen.
Die Beschwerde erweist sich daher insoweit als unbegründet, sodass sie auch hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
3.6. Zur Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides):
Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt nach § 55 Abs. 2 FPG 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer von der belangten Behörde vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
Derartige „besondere Umstände“ wurden vom Beschwerdeführer nicht dargetan und sind auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht hervorgekommen.
Das Bundesamt hat ihm daher zu Recht eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt.
Die Beschwerde erweist sich folglich insoweit als unbegründet, dass sie auch hinsichtlich des Spruchpunktes VI. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG abzuweisen war.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.