Spruch
W208 2285083-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Fachinspektor XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. Dr. Martin DERCSALY, Landstraßer Hauptstraße 146/6/B2, 1030 WIEN, gegen Spruchpunkt I. des Disziplinarerkenntnisses der Bundesdisziplinarbehörde vom 01.12.2023, GZ 2022-0.056.313-45, mit dem die Disziplinarstrafe der Geldbuße verhängt wurde, zu Recht erkannt:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG Folge gegeben, der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben und der BF auch von dem in Spruchpunkt I. erhobenen Tatvorwurf freigesprochen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer und Beschuldigte (BF) steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und wurde seit 04.12.2018 als Gerichtsvollzieher beim Oberlandesgericht XXXX (OLG) mit einem Vollzugsgebiet im Sprengel des Bezirksgerichts (BG) XXXX verwendet.
2. Am 29.09.2021 erstattete der Präsident des OLG als Dienstbehörde Disziplinaranzeige, Zl Jv 8204/21a-11b, und verfügte gleichzeitig die vorläufige Suspendierung des BF (ON 1).
3. Die Bundesdisziplinarbehörde (BDB) sprach am 02.11.2021, GZ 2021-0.688.741-5, die Suspendierung des BF aus (ON 5).
4. Am 02.11.2021 fasste die BDB einen Einleitungsbeschluss (EB), GZ 2021-0.688.741-6 (zugestellt an den BF am 04.11.2021) (ON 6).
5. In der Folge fasste die BDB am 24.11.2021 aufgrund der bei der BDB am 02.11.2021 und am 03.11.2021 eingelangten Nachtragsanzeigen vom 22.10.2021 (ON 7) und 25.10.2021 (ON 8) einen zweiten EB, GZ 2021-0.688.741-11, (zugestellt an den BF am 30.11.2021) (ON 11).
6. Ein zwischenzeitlich aufgrund der Anzeige der Dienstbehörde bei der Staatsanwaltschaft XXXX eingeleitetes Ermittlungsverfahren wegen § 302 Abs 1 StGB zu XXXX wurde am 11.11.2022 gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt (ON 14) und der daraufhin gestellte Antrag auf Fortführung gemäß § 195 StPO mit Beschluss vom 30.06.2023 zu XXXX abgewiesen (ON 18).
7. Am 21.09.2023 fand eine mündliche Verhandlung vor der BDB statt, die mit folgendem Disziplinarerkenntnis endete (Auszug aus der schriftlichen Ausfertigung datiert mit 01.12.2023, dem Rechtsvertreter des BF am 14.12.2023 zugestellt, ON 45):
„I. [Der BF] ist schuldig, er hat im Zeitraum Februar bis August 2021 in XXXX als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes XXXX eine stark verminderte Arbeitsleistung erbracht.
[Der BF] hat hiedurch gegen § 43 Abs 1 BDG 1979, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, schuldhaft verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 Abs 1 BDG begangen.
Über [den BF] wird deswegen gemäß § 126 Abs 2 iVm § 92 Abs 1 Z 2 BDG 1979 die Disziplinarstrafe der Gelbuße in der Höhe eines Monatsbezuges verhängt.
II. [Der BF] wird von den gegen ihn erhobenen Disziplinarvorwürfen, er habe im Zeitraum Juli 2019 bis zu seiner vorläufigen Suspendierung am 29.09.2021 in XXXX als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes XXXX
1. in 65 Fällen fingierte Vollzugsberichte erstattet und „Schreibtischvollzüge“ vorgenommen, also die Vornahme von Vollzugshandlungen zur Erlangung von Vergütungen und Fahrtkosten behauptet, ohne sie tatsächlich gesetzt zu haben.
2. im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 an 20 Arbeitstagen keine Arbeitsleistungen sowie an weiteren 67 Tagen eine teils erheblich unter 4 Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht,
3. in 398 Fällen Vollzugshandlungen entgegen § 30 Abs 2 EO an Samstagen, Sonn- und Feiertagen bzw. in der Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr vorgenommen,
4. die Änderung seines Wohnortes im November 2020 entgegen § 53 Abs 2 Z 4 BDG 1979 nicht gemeldet,
5. in den Verfahren XXXX u.a. (Beilage ./C1), XXXX (./C3), XXXX (./C4) und XXXX (./C5) sich Vermögensverzeichnis-Formulare von den verpflichteten Parteien „auf Vorrat“ unterfertigen lassen um diese dann – wenn es in seine Vollzugstour passt – zu datieren und die Aufnahme des Vermögensverzeichnisses in den Vollzugsberichten vorzuspiegeln, ohne die Vollzugsorte zum Berichtszeitpunkt aufgesucht oder die Verpflichteten zu diesem Zeitpunkt gesehen zu haben,
6. im Verfahren XXXX (Beilage ./C2) des BG XXXX das am 30.07.2019 vom Verpflichteten abgegebene Vermögensverzeichnis, das am Schreibtisch des Beschuldigten vorgefunden wurde, unterdrückt, zumal die Abgabe des Vermögensverzeichnisses weder in der VJ erfasst noch die betreibende Partei darüber verständigt wurde und auch kein entsprechender Vollzugsbericht des Beschuldigten in der VJ dazu vorliegt,
gemäß § 126 Abs 2 BDG 1979 freigesprochen. [...].“
8. Mit Bescheid der BDB vom 21.09.2023, GZ 2022-0.056.313-32, wurde die Suspendierung des BF gemäß § 112 Abs 6 BDG 1979 aufgehoben (ON 32).
9. Mit Schriftsatz vom 19.12.2023 brachte der BF durch seinen Rechtsvertreter gegen Spruchpunkt I. des oben angeführten Disziplinarerkenntnisses innerhalb offener Frist Beschwerde ein und beantragte den angefochtenen Spruchpunkt ersatzlos aufzuheben sowie das Disziplinarverfahren einzustellen (ON 47). Eine Beschwerde des Disziplinaranwaltes erfolgte nicht.
10. Mit Schreiben vom 19.01.2024 (eingelangt beim BVwG am 24.01.2024) wurden die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – dem BVwG zur Entscheidung vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des BF
Der am XXXX geborene BF steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und wurde seit 04.12.2018 als Gerichtsvollzieher beim OLG mit einem Vollzugsgebiet im Sprengel des BG XXXX verwendet.
1.2. Zum Sachverhalt
Es steht fest, dass aufgrund des EB vom 02.11.2021 (ON 6) ein Disziplinarverfahren gegen den BF eingeleitet wurde. Dieser enthält folgende Vorwürfe:
„[Der BF] steht im Verdacht, er habe im Zeitraum Juli 2020 bis August 2021 in XXXX als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes XXXX
1. in 65 Fällen fingierte Vollzugsberichte erstattet und „Schreibtischvollzüge“ vorgenommen, also die Vornahme von Vollzugshandlungen zur Erlangung von Vergütungen und Fahrtkosten behauptet, ohne sie tatsächlich gesetzt zu haben.
2. im Zeitraum Juli bis Dezember 2020 an 20 Arbeitstagen keine Arbeitsleistungen sowie an weiteren 67 Tagen eine teils erheblich unter 4 Stunden liegende Arbeitsleistung erbracht,
3. in 398 Fällen Vollzugshandlungen entgegen § 30 Abs 2 EO an Samstagen, Sonn- und Feiertagen bzw. in der Nachtzeit von 22 bis 6 Uhr vorgenommen,
4. die Änderung seines Wohnortes im November 2020 entgegen § 53 Abs 2 Z 4 BDG 1979 nicht gemeldet.
[Der BF] steht im Verdacht hiedurch gegen
§ 43 Abs 1 BDG 1979, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen,
§ 43 Abs 2 BDG 1979, wonach der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgabe erhalten bleibt sowie
§ 53 Abs 2 Z 4 BDG 1979, wonach der Beamte die Dienstbehörde die Änderung seines Wohnsitzes zu melden hat,
schuldhaft verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 Abs 1 BDG begangen zu haben.“
Weiters wurde aufgrund der Nachtragsanzeigen vom 22.10.2021 (ON 7) und 25.10.2021 (ON 8) der zweite Einleitungsbeschluss vom 24.11.2021 (ON 11) erlassen, mit welchem dem BF folgende Verfehlungen vorgeworfen wurden:
„[Der BF] steht im Verdacht, er habe im Zeitraum Juli 2019 bis zu seiner vorläufigen Suspendierung am 29.09.2021 in XXXX als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes XXXX
„1. in den Verfahren XXXX u.a. (Beilage ./C1), XXXX (./C3), XXXX (./C4) und XXXX (./C5) sich Vermögensverzeichnis-Formulare von den verpflichteten Parteien „auf Vorrat“ unterfertigen lassen um diese dann – wenn es in seine Vollzugstour passt – zu datieren und die Aufnahme des Vermögensverzeichnisses in den Vollzugsberichten vorzuspiegeln, ohne die Vollzugsorte zum Berichtszeitpunkt aufgesucht oder die Verpflichteten zu diesem Zeitpunkt gesehen zu haben,
2. im Verfahren XXXX (Beilage ./C2) des BG XXXX das am 30.07.2019 vom Verpflichteten abgegebene Vermögensverzeichnis, das am Schreibtisch des Beschuldigten vorgefunden wurde, unterdrückt, zumal die Abgabe des Vermögensverzeichnisses weder in der VJ erfasst noch die betreibende Partei darüber verständigt wurde und auch kein entsprechender Vollzugsbericht des Beschuldigten in der VJ dazu vorliegt“
[Der BF] steht im Verdacht hiedurch gegen seine Dienstpflichten nach
§ 43 Abs 1 BDG 1979, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen,
§ 43 Abs 2 BDG 1979, wonach der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgabe erhalten bleibt,
schuldhaft verstoßen zu haben und damit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 Abs 1 BDG 1979 begangen zu haben.“
Fest steht, dass der BF in Spruchpunkt II. des gegenständlichen Disziplinarerkenntnisses (vgl Verfahrensgang I.7.) von sämtlichen gegen ihn eingeleiteten Verdachtsmomenten freigesprochen wurde. Die Punkte II. 1.-4. decken sich mit den Vorwürfen im Einleitungsbeschluss vom 02.11.2021 (Punkte 1.-4.), die Punkte und 5. und 6. mit den Vorwürfen im Einleitungsbeschluss vom 24.11.2021 (Punkte 1. und 2.). Spruchpunkt II. wurde nicht angefochten und ist in Rechtskraft erwachsen.
Der in Spruchpunkt I. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses getroffene Schuldspruch „[Der BF] ist schuldig, er hat im Zeitraum Februar bis August 2021 in XXXX als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes XXXX eine stark verminderte Arbeitsleistung erbracht.“ hat keine Grundlage. Zu diesem Vorwurf wurde kein Disziplinarverfahren eingeleitet.
2. Beweiswürdigung:
Die oa Feststellungen ergeben sich im Wesentlichen aus der Aktenlage, insbesondere aus dem ersten EB vom 02.11.2021 (ON 6) und dem zweiten EB vom 24.11.2021 (ON 11) sowie aus dem angefochtenen Disziplinarerkenntnis (ON 45).
Der Inhalt der EB ist unstrittig.
Auf die vom BF dargelegten – inhaltlichen – Argumente in seiner Beschwerde, braucht aufgrund der rechtlichen Beurteilung nicht näher eingegangen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Verfahren und Zuständigkeit
Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde beim BVwG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht. Gründe für eine Unzulässigkeit der Beschwerde sind nicht ersichtlich.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 135a BDG hat die Entscheidung des BVwG in Disziplinarverfahren durch einen Senat zu erfolgen, wenn
1. die Auflösung eines Dienstverhältnisses durch Entlassung erfolgt (Abs 1 verweist auf § 20 Abs 1 Z 3 BDG).
2. gegen ein Erkenntnis, mit dem der Verlust aller aus dem Dienstverhältnis fließenden Rechte und Ansprüche verhängt wurde, Beschwerde erhoben wurde (Abs 3 Z 1) oder
3. die Disziplinaranwältin oder der Disziplinaranwalt gegen ein Erkenntnis der Bundesdisziplinarbehörde Beschwerde erhoben hat,
a) in dem eine strengere Strafe als eine Geldbuße ausgesprochen wurde oder
b) in dem eine Geldbuße ausgesprochen wurde und der Einzelrichter nach Prüfung der Angelegenheit zu der Auffassung gelangt, dass die Disziplinarstrafe der Entlassung verhängt werden könnte (Abs 3 Z 2).
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Der Verfahrensgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens wird durch die Begründung und das darin enthaltene Begehren in der Beschwerde begrenzt, es besteht kein Neuerungsverbot (vgl. Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017, § 27, K2). Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften als auch allfällige inhaltliche Rechtswidrigkeit (die nicht ausdrücklich in der Beschwerde geltend gemacht wurde) von Amts wegen aufgreifen; Grundsatz der Amtswegigkeit (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte, 2. Auflage, 2017 § 27, K3).
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit erheblicher Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Abs 2 VwGVG hat das BVwG über Beschwerden nach Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht.
Wie oben bereits ausgeführt, steht der in der Angelegenheit maßgebliche Sachverhalt aufgrund der Aktenlage fest.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte trotz Antrag des BF gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG Abstand genommen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.
Zu A)
3.2. Gesetzliche Grundlagen und Judikatur (Auszug, Hervorhebungen durch BVwG)
Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat ua folgende einschlägige Aussagen getroffen:
Gegenstand und Grundlage eines Disziplinarerkenntnisses dürfen nur die Anschuldigungspunkte sein, die im EB dem Beamten als Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt wurden. Angesichts dieser Bedeutung des EB für den Gegenstand und die Entscheidungsgrundlagen des Disziplinarerkenntnisses kommt der „bestimmten" Darstellung der Tatsachen, in denen eine Dienstpflichtverletzung erblickt wird, rechtserhebliche Bedeutung zu: Der vorgeworfene Sachverhalt muss der Eigenart der Dienstpflichtverletzung entsprechend substantiiert dargestellt sein, also schlüssig alle Einzelumstände enthalten, die Voraussetzung für die Annahme der Schuld und der Erfüllung des Tatbestandes der vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung und für die Strafbemessung sind. Er muss eine so hinreichende Substantiierung enthalten, dass dem Beamten eine sachgerechte Verteidigung möglich und die - an den Inhalt und Umfang der Anschuldigung gebundene - Disziplinarkommission in der Lage ist, den in bestimmter Hinsicht erhobenen Vorwürfen nachzugehen, ohne genötigt zu sein, aus einem allgemeinen Sachverhalt das herauszufiltern, was als konkrete Verletzung der Dienstpflichten in Betracht kommt (vgl 27.04.1989, 88/09/0004; 18.03.1998, 96/09/0145; 01.07.1998, 97/09/0365; 17.11.2004, 2001/09/0035; 09.10.2006, 2003/09/0016; VwGH 31.01.2022, Ra 2020/09/0011).
Die dem Einleitungsbeschluss in einem Disziplinarverfahren zukommende rechtliche Bedeutung ist in erster Linie darin gelegen, dem wegen einer Dienstpflichtverletzung beschuldigten Beamten gegenüber klarzustellen, hinsichtlich welcher Dienstpflichtverletzung ein Disziplinarverfahren innerhalb der Verjährungsfrist eingeleitet wurde. Es darf keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist. Für die Einleitung des Verfahrens reicht es aus, wenn im Umfang der Disziplinaranzeige und auf deren Grundlage genügende Verdachtsgründe gegen den Beamten vorliegen, welche die Annahme einer konkreten Dienstpflichtverletzung rechtfertigen. Es muss die Disziplinarbehörde bei Fällung eines Einleitungsbeschlusses noch nicht völlige Klarheit darüber haben, ob der Beamte eine Dienstpflichtverletzung begangen hat; dies ist erst in dem der Einleitung des Verfahrens nachfolgenden Ermittlungsverfahren aufzuklären. In dieser Phase des Verfahrens ist zu klären, ob die Voraussetzungen für die Einleitung gegeben sind oder ob keine genügenden Verdachtsgründe vorliegen und hingegen allenfalls offenkundige Gründe für die Einstellung des Disziplinarverfahrens gegeben sind. Ebenso wenig muss im Einleitungsbeschluss das dem Beamten zur Last gelegte Verhalten bereits abschließend rechtlich gewürdigt werden. Es besteht keine Bindung an die rechtliche Würdigung der Taten im Einleitungsbeschluss (vgl VwGH 18.11.2020, Ra 2019/09/0165; VwGH 21.09.1995, 93/09/0449; VwGH 24.01.2018, Ra 2017/09/0047; 28.03.2017, Ra 2017/09/0008; VwGH 21.12.2020, Ra 2020/09/0056).
Die Umschreibung des vorgeworfenen Verhaltens im Disziplinarerkenntnis muss einem höheren Grad an Bestimmtheit genügen als die bloß im Verdachtsbereich erfolgende Darstellung des präsumtiven Fehlverhaltens im Einleitungsbeschluss oder auch im Verhandlungsbeschluss. Ob ein Anschuldigungspunkt in diesem Sinne ausreichend genau umschrieben ist, ist in jedem einzelnen Fall anhand der konkret vorgeworfenen Dienstpflichtverletzung danach zu beurteilen, ob der Beschuldigte dadurch in die Lage versetzt ist, sich im Rechtsmittelverfahren sowohl mit auf den konkreten Tatvorwurf bezogenen rechtlichen Argumenten als auch mit Beweisanboten zur Wehr zu setzen, und davor geschützt wird, wegen desselben Vorwurfes nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (VwGH 22.2. 2006, 2005/09/0147; siehe Fellner, BDG § 126 BDG E 10, Stand 01.02.2020, rdb.at).
Eine teilweise Verurteilung bei teilweisem Freispruch lässt das Gesetz in Ansehung eines als Einheit anzusehenden Verhaltens nicht zu. Deshalb ist es rechtens ausgeschlossen, dass etwa hinsichtlich einer Dienstpflichtverletzung ein Schuldspruch und ein Freispruch wegen teilweise erfolgter unrichtiger rechtlicher Qualifikation erfolgen könnte. Ein Freispruch kann nur mit Rücksicht auf die im Verhandlungsbeschluss [nunmehr EB] abgegrenzte Tat, nicht aber mit Rücksicht auf ihre rechtliche Beurteilung gefällt werden. Der Freispruch von einer bloßen Qualifikation innerhalb derselben Dienstpflichtverletzung ist – ebenso wie im allgemeinen Strafrecht – rechtens unzulässig (VwGH 03.09.2002, 99/09/0152. siehe Fellner, BDG § 126 BDG E 17, Stand 01.02.2020, rdb.at).
Mit einem die Sache abschließenden Freispruch sind die Anschuldigungspunkte des Verhandlungsbeschlusses verbraucht (VwGH 3.9.2002, 99/09/0152; siehe Fellner, BDG § 126 BDG E 20, Stand 01.02.2020, rdb.at).
Über eine dem Beschuldigten zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung, die nicht gem § 124 Abs 2 im Verhandlungsbeschluss [nunmehr Einleitungsbeschluss] bezeichnet wurde, dürfen die (an diesen gebundenen) Disziplinarbehörden nicht urteilen. Dies ergibt sich aus § 126 Abs 2, wonach das Disziplinarerkenntnis auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten hat. VwGH 17. 11. 2004, 2001/09/0035 (VwGH 03.09.2002, 99/09/0152; siehe Fellner, BDG § 126 BDG E 23, Stand 01.02.2020, rdb.at).
3.3. Beurteilung des konkreten Falles
Das gegenständlichen Disziplinarverfahren erfolgte aufgrund der EB vom 02.11.2021 und 24.11.2021, mit dem Ergebnis, dass der BF von sämtlichen ihm darin vorgeworfenen Verhaltensweisen rechtskräftig freigesprochen wurde (vgl Spruchpunkt II. des gegenständlichen Disziplinarerkenntnisses).
In dem nunmehr angefochtenen Spruchpunkt I. des Disziplinarerkenntnisses wurde der BF schuldig gesprochen, „im Zeitraum Februar bis August 2021 in XXXX als Gerichtsvollzieher des Oberlandesgerichtes XXXX eine stark verminderte Arbeitsleistung erbracht“ zu haben und hiedurch gegen § 43 Abs 1 BDG 1979, wonach der Beamte verpflichtet ist, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen, schuldhaft verstoßen und damit Dienstpflichtverletzungen gemäß § 91 Abs 1 BDG begangen zu haben.
Wie oben festgestellt, wurde zu diesem – im Übrigen gänzlich unbestimmten und pauschalen – Vorwurf jedoch kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Da Gegenstand und Grundlage eines Disziplinarerkenntnisses nur die Anschuldigungspunkte sein dürfen, die im Einleitungsbeschluss dem Beamten als Dienstpflichtverletzungen zur Last gelegt wurden, wurde der gegenständlich bekämpfte Schuldspruch zu Unrecht erlassen.
Dass die in Spruchpunkt II. Punkt 1.-6. wiedergegebenen Verhaltensweisen konkrete Tatvorwürfe u.a. betreffend die Arbeitsleistung des BF (Punkte 1.-2. und 5.-6.) darstellen, vermag daran nichts zu ändern, zumal der BF von sämtlichen Vorwürfen aufgrund derer ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde (vgl Einleitungsbeschlüsse vom 02.11.2021 und 24.11.2021) freigesprochen wurde, sodass gemäß der Judikatur des VwGH die Anschuldigungspunkte des Einleitungsbeschlusses bereits verbraucht sind (VwGH 3.9.2002, 99/09/015).
Vor dem Hintergrund der oben dargestellten Judikatur des VwGH, wonach keine Disziplinarstrafe wegen eines Verhaltens ausgesprochen werden darf, das nicht Gegenstand des durch den Einleitungsbeschluss in seinem Umfang bestimmten Disziplinarverfahrens ist und der BF hinsichtlich aller eingeleiteten Vorwürfe freigesprochen wurde, bleibt auch kein zu beurteilendes Verhalten mehr übrig, welches zu einer – in Spruchpunkt I. dennoch stattgefundenen – Verurteilung führen konnte.
Da gemäß § 126 Abs 2 BDG 1979 das Disziplinarerkenntnis auf Schuld- oder Freispruch zu lauten hat, wird der Beschwerde stattgegeben und Spruchpunkt I. des angefochtenen Disziplinarerkenntnisses dahingehend abgeändert, dass der BF von dem dort dargestellten Tatvorwurf freigesprochen wird.
Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die dargestellte Judikatur darf verwiesen werden.