JudikaturBVwG

W252 2278993-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
02. April 2024

Spruch

W252 2278993-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Syrien, vertreten durch die BBU Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.08.2023, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A) Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in Folge: „BF“), ein männlicher Staatsangehöriger Syriens, stellte am 06.09.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Am darauf folgenden Tag fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die Erstbefragung des BF statt. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe seine Heimat wegen dem Krieg verlassen.

3. Am 25.07.2023 fand eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt statt. Dabei gab er an, dass er Syrien bereits als Kind wegen dem IS verlassen habe. Wenn er zurückkehre, werde er von der syrischen Armee, den kurdischen Milizen, oder irgendeiner anderen Gruppierung zum Militärdienst eingezogen. Er wolle für niemanden kämpfen oder getötet werden.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 29.08.2023 wies das Bundesamt den Antrag des BF auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Es erteilte dem BF den Status des subsidiär Schutzberechtigten und eine befristete Aufenthaltsberechtigung für ein Jahr (Spruchpunkt II. und III.).

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF nicht glaubhaft machen konnte, dass er seinen Heimatstaat aus Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Es gebe keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen dem Verlassen des Herkunftsstaats und der Asylantragstellung in Österreich. Da der BF nie ein (vermeintlich) oppositionelles Verhalten gezeigt habe, bestehe keine Gefahr der Verfolgung durch das syrische Regime.

5. Der BF erhob gegen Spruchpunkt I. des Bescheides fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass er mittlerweile im wehrfähigen Alter sei und bei einer Rückkehr sowohl durch die kurdischen Gruppierungen, als auch durch die syrische Regierung zwangsrekrutiert werde.

6. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 27.02.2024 eine mündliche Verhandlung durch. Im Zuge der Verhandlung sowie mit Parteiengehör vom 12.03.2024 (OZ 8) wurde den Parteien das einschlägige Länderberichtsmaterial vorgehalten und die Möglichkeit gegeben, eine Stellungnahme abzugeben.

7. Mit Schreiben vom 18.03.2024 wurde den Parteien das Länderinformationsblatt Version 10 vom 14.03.2024 zum Parteiengehör übermittelt.

Beweis wurden aufgenommen durch: Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt des BF sowie insbesondere durch die mündliche Einvernahme des BF.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX . Er ist syrischer Staatsangehöriger, sunnitischer Moslem und spricht Kurmanji als Muttersprache. Der BF ist Angehöriger der Volksgruppe der XXXX . Er ist ledig und hat keine Kinder (AS 7 f; 40, 42 f; OZ 7, S 7).

Der BF wuchs in XXXX auf und lebte dort bis zu seiner Ausreise am 2014. Er absolvierte in Syrien eine Schulbildung von fünf Jahren und arbeitete als Erntehelfer (AS 7 ff; AS 41 ff; OZ 7, S 7 f).

Der BF hat zwei Brüder in Österreich, der Rest seiner Familie lebt in der Türkei (AS 9, 43, 51 ff; OZ 7, S 8). Der BF hat regelmäßig Kontakt zu seiner Familie (OZ 7, S 8).

Der BF stellte am 06.09.2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Mit Bescheid vom 29.08.2023 wurde dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt (AS 7 ff, 67 ff).

Der BF ist gesund (AS 40 f; OZ 6, S 6).

Der BF ist strafgerichtlich unbescholten (OZ 5).

1.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

XXXX befindet sich unter Kontrolle der XXXX .

Das syrische Regime bzw dessen Sicherheitsbehörden haben in XXXX keinen Zugriff auf den BF und können dort weder Verhaftungen, noch Zwangsrekrutierungen durchführen.

Es ist möglich, dass der BF bei einer Rückkehr zum kurdischen Selbstverteidigungsdienst eingezogen und dort im Nachschub oder Objektschutz eingesetzt wird. Der BF ist nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zur Beteiligung an Kampfhandlung verpflichtet und muss sich auch nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit an der Begehung von Menschenrechtsverletzungen beteiligen.

Der BF hat keine oppositionelle Gesinnung gegenüber den XXXX , möchte aber nicht kämpfen. Personen, die den Selbstverteidigungsdienst verweigern oder sich diesem entziehen werden nicht gefoltert oder Misshandelt. Die Wehrdienstverweigerung hat auch keinen Einfluss auf die Behandlung des eingezogenen Wehrdienstverweigerers.

Im Falle der Rückkehr nach Syrien droht dem BF keine Lebensgefahr und kein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die kurdischen Milizen.

Dem BF ist eine Rückkehr in seinen Heimatort über den Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur möglich, ohne dabei Gebiete unter Regimekontrolle zu durchqueren.

1.3. Zur maßgeblichen Situation in Syrien:

Aus den ins Verfahren eingeführten Länderinformationen:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, Version 10 vom 14.03.2024

ACCORD: Anfragebeantwortung zu Syrien: Wehrdienstverweigerung und Desertation, 08.09.2022

ACCORD: Anfragebeantwortung zu Syrien: Voraussetzungen für die Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka – Faysh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak [a-11859-1] 06.05.2022

UNHCR Richtlinien

UNHCR – Erwägungen zum Schutzbedarf von Personen, die aus der Arabischen Republik Syrien fliehen, 03.2021

EUAA (EASO) Leitlinien

EUAA – Country Guidance: Syria 2023 – 02.2023

Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front a-12188] 18.08.2023

Auszug der Syria-Live-Map

ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat ( XXXX , Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197], vom 24.08.2023

ergibt sich Folgendes:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Syrien, Version 9 vom 17.07.2023

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Rechtliche Bestimmungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022).

Rekrutierung von Personen aus Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle

Nach dem Abkommen zwischen den Syrian Democratic Forces (SDF) und der syrischen Regierung Mitte Oktober 2019, das die Stationierung von Truppen der syrischen Regierung in zuvor kurdisch kontrollierten Gebieten vorsah, wurde berichtet, dass syrische Kurden aus dem Gebiet in den Irak geflohen sind, weil sie Angst hatten, in die SAA eingezogen zu werden (Rechtsexperte 14.9.2022). Die Absolvierung des "Wehrdiensts" gemäß der "Demokratischen Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien" [Autonomous Administration of North and East Syria (AANES)] befreit nicht von der nationalen Wehrpflicht in Syrien. Die syrische Regierung verfügt über mehrere kleine Gebiete im Selbstverwaltungsgebiet. In Qamishli und al-Hassakah tragen diese die Bezeichnung "Sicherheitsquadrate" (al-Morabat al-Amniya), wo sich verschiedene staatliche Behörden, darunter auch solche mit Zuständigkeit für die Rekrutierung befinden. Während die syrischen Behörden im Allgemeinen keine Rekrutierungen im Selbstverwaltungsgebiet durchführen können, gehen die Aussagen über das Rekrutierungsverhalten in den Regimeenklaven bzw. "Sicherheitsquadraten" auseinander - auch bezüglich etwaiger Unterschiede zwischen dort wohnenden Wehrpflichtigen und Personen von außerhalb der Enklaven, welche die Enklaven betreten (DIS 6.2022). Ein befragter Rechtsexperte der ÖB Damaskus berichtet, dass die syrische Regierung in den Gebieten unter Kontrolle der Selbstverwaltung dort rekrutieren kann, wo sie im "Sicherheitsquadrat" im Zentrum der Gouvernements präsent ist, wie z. B. in Qamishli oder in Deir ez-Zor (Rechtsexperte 14.9.2022). Dies wird auch von SNHR bestätigt, die ebenfalls angeben, dass die Rekrutierung durch die syrischen Streitkräfte an deren Zugriffsmöglichkeiten gebunden ist (ACCORD 7.9.2023). Ein befragter Militärexperte gab dagegen an, dass die syrische Regierung grundsätzlich Zugriff auf die Wehrpflichtigen in den Gebieten unter der Kontrolle der PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat] hat, diese aber als illoyal ansieht und daher gar nicht versucht, sie zu rekrutieren (BMLV 12.10.2022). Männer im wehrpflichtigen Alter, die sich zwischen den Gebieten unter Kontrolle der SDF und der Regierungstruppen hin- und herbewegen, können von Rekrutierungsmaßnahmen auf beiden Seiten betroffen sein, da keine der beiden Seiten die Dokumente der anderen Seite [z.B. über einen abgeleisteten Wehrdienst, Aufschub der Wehrpflicht o. Ä.] anerkennt (EB 15.8.2022).

Das Gouvernement Idlib befindet sich außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung, die dort keine Personen einberufen kann (Rechtsexperte 14.9.2022), mit Ausnahme einiger südwestlicher Sub-Distrikte (Nahias) des Gouvernements, die unter Regierungskontrolle stehen (ACLED 1.12.2022; vgl. Liveuamap 17.5.2023). Die syrische Regierung kontrolliert jedoch die Melderegister des Gouvernements Idlib (das von der syrischen Regierung in das Gouvernement Hama verlegt wurde), was es ihr ermöglicht, auf die Personenstandsdaten junger Männer, die das Rekrutierungsalter erreicht haben, zuzugreifen, um sie für die Ableistung des Militärdienstes auf die Liste der "Gesuchten" zu setzen. Das erleichtert ihre Verhaftung zur Rekrutierung, wenn sie das Gouvernement Idlib in Richtung der Gebiete unter Kontrolle der syrischen Regierung verlassen (Rechtsexperte 14.9.2022).

Die Syrische Nationale Armee (Syrian National Army, SNA) ist die zweitgrößte Oppositionspartei, die sich auf das Gouvernement Aleppo konzentriert. Sie wird von der Türkei unterstützt und besteht aus mehreren Fraktionen der Freien Syrischen Armee (Free Syrian Army, FSA). Sie spielt nach wie vor eine wichtige Rolle in Nordsyrien, wird aber von politischen Analysten bisweilen als türkischer Stellvertreter gebrandmarkt. Die SNA hat die Kontrolle über die von der Türkei gehaltenen Gebiete (Afrin und Jarabulus) in Syrien und wird von der Türkei geschützt. Die syrische Regierung unterhält keine Präsenz in den von der Türkei gehaltenen Gebieten und kann keine Personen aus diesen Gebieten für die Armee rekrutieren, es sei denn, sie kommen in Gebiete, die von der syrischen Regierung kontrolliert werden (Rechtsexperte 14.9.2022). Auch mit Stand Februar 2023 hat die syrische Armee laut einem von ACCORD befragten Syrienexperten keine Zugriffsmöglichkeit auf wehrdienstpflichtige Personen in Jarabulus (ACCORD 20.3.2023).

Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien

Wehrpflichtgesetz der "Demokratischen Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien"

Auch aus den nicht vom Regime kontrollierten Gebieten Syriens gibt es Berichte über Zwangsrekrutierungen. Im Nordosten des Landes hat die von der kurdischen Partei PYD [Partiya Yekîtiya Demokrat, Partei der Demokratischen Union] dominierte "Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien" [Autonomous Administration of North and East Syria, AANES] 2014 ein Wehrpflichtgesetz verabschiedet, welches vorsah, dass jede Familie einen "Freiwilligen" im Alter zwischen 18 und 40 Jahren stellen muss, der für den Zeitraum von sechs Monaten bis zu einem Jahr in den YPG [Yekîneyên Parastina Gel, Volksverteidigungseinheiten] dient (AA 2.2.2024). Im Juni 2019 ratifizierte die AANES ein Gesetz zur "Selbstverteidigungspflicht", das den verpflichtenden Militärdienst regelt, den Männer über 18 Jahren im Gebiet der AANES ableisten müssen (EB 15.8.2022; vgl. DIS 6.2022). Am 4.9.2021 wurde das Dekret Nr. 3 erlassen, welches die Wehrpflicht auf Männer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren beschränkt. Zuvor war das Alterslimit - bis 40 Jahre - höher. Der Altersrahmen für den Einzug zum Wehrdienst ist nun in allen betreffenden Gebieten derselbe, während er zuvor je nach Gebiet variierte. So kam es in der Vergangenheit zu Verwirrung, wer wehrpflichtig war (DIS 6.2022). Mit Stand September 2023 war das Dekret noch immer in Kraft (ACCORD 7.9.2023).

Die Wehrpflicht gilt in allen Gebieten unter der Kontrolle der AANES, auch wenn es Gebiete gibt, in denen die Wehrpflicht nach Protesten zeitweise ausgesetzt wurde [Anm.: Siehe weiter unten]. Es ist unklar, ob die Wehrpflicht auch für Personen aus Afrin gilt, das sich nicht mehr unter der Kontrolle der "Selbstverwaltung" befindet. Vom Danish Immigration Service (DIS) befragte Quellen machten hierzu unterschiedliche Angaben. Die Wehrpflicht gilt nicht für Personen, die in anderen Gebieten als den AANES wohnen oder aus diesen stammen. Sollten diese Personen jedoch seit mehr als fünf Jahren in den AANES wohnen, würde das Gesetz auch für sie gelten. Wenn jemand in seinem Ausweis als aus Hasakah stammend eingetragen ist, aber sein ganzes Leben lang z.B. in Damaskus gelebt hat, würde er von der "Selbsverwaltung" als aus den AANES stammend betrachtet werden und er müsste die "Selbstverteidigungspflicht" erfüllen. Alle ethnischen Gruppen und auch staatenlose Kurden (Ajanib und Maktoumin) sind zum Wehrdienst verpflichtet. Araber wurden ursprünglich nicht zur "Selbstverteidigungspflicht" eingezogen, dies hat sich allerdings seit 2020 nach und nach geändert (DIS 6.2022; vgl. NMFA 8.2023).

Ursprünglich betrug die Länge des Wehrdiensts sechs Monate, sie wurde aber im Jänner 2016 auf neun Monate verlängert (DIS 6.2022). Artikel zwei des Gesetzes über die "Selbstverteidigungspflicht" vom Juni 2019 sieht eine Dauer von zwölf Monaten vor (RIC 10.6.2020). Aktuell beträgt die Dauer ein Jahr und im Allgemeinen werden die Männer nach einem Jahr aus dem Dienst entlassen. In Situationen höherer Gewalt kann die Dauer des Wehrdiensts verlängert werden, was je nach Gebiet entschieden wird. Beispielsweise wurde der Wehrdienst 2018 aufgrund der Lage in Baghouz um einen Monat verlängert. In Afrin wurde der Wehrdienst zu drei Gelegenheiten in den Jahren 2016 und 2017 um je zwei Monate ausgeweitet. Die Vertretung der "Selbstverwaltung" gab ebenfalls an, dass der Wehrdienst in manchen Fällen um einige Monate verlängert wurde. Wehrdienstverweigerer können zudem mit der Ableistung eines zusätzlichen Wehrdienstmonats bestraft werden (DIS 6.2022).

Nach dem abgeleisteten Wehrdienst gehören die Absolventen zur Reserve und können im Fall "höherer Gewalt" einberufen werden. Diese Entscheidung trifft der Militärrat des jeweiligen Gebiets. Derartige Einberufungen waren den vom DIS befragten Quellen nicht bekannt (DIS 6.2022).

Einsatzgebiet von Wehrpflichtigen

Die Selbstverteidigungseinheiten [Hêzên Xweparastinê, HXP] sind eine von den SDF separate Streitkraft, die vom Demokratischen Rat Syriens (Syrian Democratic Council, SDC) verwaltet wird und über eigene Militärkommandanten verfügt. Die SDF weisen den HXP allerdings Aufgaben zu und bestimmen, wo diese eingesetzt werden sollen. Die HXP gelten als Hilfseinheit der SDF. In den HXP dienen Wehrpflichtige wie auch Freiwillige, wobei die Wehrpflichtigen ein symbolisches Gehalt erhalten. Die Rekrutierung von Männern und Frauen in die SDF erfolgt dagegen freiwillig (DIS 6.2022).

Die Einsätze der Rekruten im Rahmen der "Selbsverteidigungspflicht" erfolgen normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz (z.B. Bewachung von Gefängnissen wie auch jenes in al-Hasakah, wo es im Jänner 2022 zu dem Befreiungsversuch des sogenannten Islamischen Staats (IS) mit Kampfhandlungen kam). Eine Versetzung an die Front erfolgt fallweise auf eigenen Wunsch, ansonsten werden die Rekruten bei Konfliktbedarf an die Front verlegt, wie z. B. bei den Kämpfen gegen den IS 2016 und 2017 in Raqqa (DIS 6.2022).

Rekrutierungspraxis

Die Aufrufe für die "Selbstverteidigungspflicht" erfolgen jährlich durch die Medien, wo verkündet wird, welche Altersgruppe von Männern eingezogen wird. Es gibt keine individuellen Verständigungen an die Wehrpflichtigen an ihrem Wohnsitz. Die Wehrpflichtigen erhalten dann beim "Büro für Selbstverteidigungspflicht" ein Buch, in welchem ihr Status bezüglich Ableistung des Wehrdiensts dokumentiert wird - z. B. die erfolgte Ableistung oder Ausnahme von der Ableistung. Es ist das einzige Dokument, das im Zusammenhang mit der Selbstverteidigungspflicht ausgestellt wird (DIS 6.2022). Das Wehrpflichtgesetz von 2014 wird laut verschiedenen Menschenrechtsorganisationen mit Gewalt durchgesetzt. Berichten zufolge kommt es auch zu Zwangsrekrutierungen von Jungen und Mädchen (AA 2.2.2024).

Wehrdienstverweigerung und Desertion

Es kommt zu Überprüfungen von möglichen Wehrpflichtigen an Checkpoints und auch zu Ausforschungen (ÖB Damaskus 12.2022). Die Selbstverwaltung informiert einen sich dem Wehrdienst Entziehenden zweimal bezüglich der Einberufungspflicht durch ein Schreiben an seinen Wohnsitz, und wenn er sich nicht zur Ableistung einfindet, sucht ihn die "Militärpolizei" unter seiner Adresse. Die meisten sich der "Wehrpflicht" entziehenden Männer werden jedoch an Checkpoints ausfindig gemacht (DIS 6.2022).

Die Sanktionen für die Wehrdienstverweigerung ähneln denen im von der Regierung kontrollierten Teil (ÖB Damaskus 12.2022). Laut verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das "Selbstverteidigungspflichtgesetz" auch mit Gewalt durchgesetzt (AA 2.2.2024), während der DIS nur davon berichtet, dass Wehrpflichtige, welche versuchen, dem Militärdienst zu entgehen, laut Gesetz durch die Verlängerung der "Wehrpflicht" um einen Monat bestraft würden - zwei Quellen zufolge auch in Verbindung mit vorhergehender Haft "für eine Zeitspanne". Dabei soll es sich oft um ein bis zwei Wochen handeln, um einen Einsatzort für die Betreffenden zu finden (DIS 6.2022). Ähnliches berichteten ein von ACCORD befragter Experte, demzufolge alle Wehrdienstverweigerer nach dem Gesetz der Selbstverteidigungspflicht gleich behandelt würden. Die kurdischen Sicherheitsbehörden namens Assayish würden den Wohnort der für die Wehrpflicht gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (ACCORD 6.9.2023). Die ÖB Damaskus erwähnt auch Haftstrafen zusätzlich zur [Anm.: nicht näher spezifizierten] Verlängerung des Wehrdiensts. Hingegen dürften die Autonomiebehörden eine Verweigerung nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung sehen (ÖB Damaskus 12.2022). Einem von ACCORD befragten Syrienexperten zufolge hängen die Konsequenzen für die Wehrdienstverweigerung vom Profil des Wehrpflichtigen ab sowie von der Region, aus der er stammt. In al-Hasakah beispielsweise könnten Personen im wehrpflichtigen Alter zwangsrekrutiert und zum Dienst gezwungen werden. Insbesondere bei der Handhabung des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht gegenüber Arabern in der AANES gehen die Meinungen der Experten auseinander. Grundsätzlich gilt die Pflicht für Araber gleichermaßen, aber einem Experten zufolge könne die Behandlung je nach Region und Zugriffsmöglichkeit der SDF variieren und wäre aufgrund der starken Stammespositionen oft weniger harsch als gegenüber Kurden. Ein anderer Experte wiederum berichtet von Beleidigungen und Gewalt gegenüber arabischen Wehrdienstverweigerern (ACCORD 6.9.2023).

Bei Deserteuren hängen die Konsequenzen abseits von einer Zurücksendung zur Einheit und einer eventuellen Haft von ein bis zwei Monaten von den näheren Umständen und eventuellem Schaden ab. Dann könnte es zu einem Prozess vor einem Kriegsgericht kommen (DIS 6.2022).

Eine Möglichkeit zur Verweigerung des Wehrdienstes aus Gewissensgründen besteht nicht (DIS 6.2022; vgl. EB 12.7.2019).

Aufschub des Wehrdienstes

Das Gesetz enthält Bestimmungen, die es Personen, die zur Ableistung der "Selbstverteidigungspflicht" verpflichtet sind, ermöglichen, ihren Dienst aufzuschieben oder von der Pflicht zu befreien, je nach den individuellen Umständen. Manche Ausnahmen vom "Wehrdienst" sind temporär und kostenpflichtig. Frühere Befreiungen für Mitarbeiter des Gesundheitsbereichs und von NGOs sowie von Lehrern gelten nicht mehr (DIS 6.2022). Es wurden auch mehrere Fälle von willkürlichen Verhaftungen zum Zwecke der Rekrutierung dokumentiert, obwohl die Wehrpflicht aufgrund der Ausbildung aufgeschoben wurde oder einige Jugendliche aus medizinischen oder anderen Gründen vom Wehrdienst befreit wurden (EB 12.7.2019). Im Ausland (Ausnahme: Türkei und Irak) lebende, unter die "Selbstverteidigungspflicht" fallende Männer können gegen eine Befreiungsgebühr für kurzfristige Besuche zurückkehren, ohne den "Wehrdienst" antreten zu müssen, wobei zusätzliche Bedingungen eine Rolle spielen, ob dies möglich ist (DIS 6.2022).

Proteste gegen die "Selbstverteidigungspflicht"

Im Jahr 2021 hat die Wehrpflicht besonders in den östlichen ländlichen Gouvernements Deir ez-Zour und Raqqa Proteste ausgelöst. Lehrer haben sich besonders gegen die Einberufungskampagnen der SDF gewehrt. Proteste im Mai 2021 richteten sich außerdem gegen die unzureichende Bereitstellung von Dienstleistungen und die Korruption oder Unfähigkeit der autonomen Verwaltungseinheiten. Sechs bis acht Menschen wurden am 1.6.2021 in Manbij (Menbij) bei einem Protest getötet, dessen Auslöser eine Reihe von Razzien der SDF auf der Suche nach wehrpflichtigen Männern war. Am 2.6.2021 einigten sich die SDF, der Militärrat von Manbij und der Zivilrat von Manbij mit Stammesvertretern und lokalen Persönlichkeiten auf eine deeskalierende Vereinbarung, die vorsieht, die Rekrutierungskampagne einzustellen, während der Proteste festgenommene Personen freizulassen und eine Untersuchungskommission zu bilden, um diejenigen, die auf Demonstranten geschossen hatten, zur Rechenschaft zu ziehen (COAR 7.6.2021). Diese Einigung resultierte nach einer Rekrutierungspause in der Herabsetzung des Alterskriteriums auf 18 bis 24 Jahre, was später auf die anderen Gebiete ausgeweitet wurde (DIS 6.2022). Im Sommer 2023 kam es in Manbij zu Protesten gegen die SDF insbesondere aufgrund von Kampagnen zur Zwangsrekrutierung junger Männer in der Stadt und Umgebung (SO 20.7.2023).

Rekrutierung für den nationalen syrischen Wehrdienst

Die Absolvierung des "Wehrdiensts" gemäß der Selbstverwaltung befreit nicht von der nationalen Wehrpflicht in Syrien (DIS 6.2022). Männer im wehrpflichtigen Alter, die sich zwischen den Gebieten unter Kontrolle der SDF und der Regierungstruppen hin- und herbewegen, können von Rekrutierungsmaßnahmen auf beiden Seiten betroffen sein, da keine der beiden Seiten die Dokumente der anderen Seite [z. B. über einen abgeleisteten Wehrdienst, Aufschub der Wehrpflicht o.ä.] anerkennt (EB 15.8.2022).

Laut mehreren von ACCORD für eine Anfragebeantwortung interviewten Experten gibt es de facto keine Möglichkeit des syrischen Regimes, in den von den SDF kontrollierten Gebieten zu rekrutieren, obwohl es teilweise Patrouillen des syrischen Regimes in der AANES gibt. Lediglich in jenen Gebieten, die von den Regierungstruppen kontrolliert werden, können die Personen auch rekrutiert werden (ACCORD 24.8.2023). Ebenso gibt der Syrienexperte van Wilgenburg an, dass die Kontrollpunkte der syrischen Armee nicht die Befugnis haben, Menschen in den Städten zu kontrollieren, sondern der Abschreckung der Türkei dienen (van Wilgenburg 2.9.2023). Dem widerspricht SNHR, das ebenfalls von ACCORD befragt wurde mit der Angabe, dass das syrische Regime an Checkpoints und Kontrollpunkten sehr wohl auf vom Regime gesuchte Wehrpflichtige zugreifen könnte und würde und diese in die von der Regierung kontrollierten Gebiete eskortieren würde (ACCORD 24.8.2023).

ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197], vom 24.08.2023

Möglichkeit der syrischen Behörden in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat (Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen

Es konnten als Teil der Onlinerecherche keine Informationen darüber gefunden werden, ob die syrischen Behörden in den genannten Gebieten Personen für den Reservedienst einziehen.

Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, syrische Armee, syrische Regierung, Checkpoints, Personenkontrollen, Wehrpflicht, Reservedienst, einberufen, Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Grenzregion Türkei, Nordsyrien, Provinz Aleppo, Provinz Hasaka

Laut einem von ACCORD kontaktierten Syrienexperten sehe die allgemeine Realität in Nordostsyrien wie folgt aus: Die Regierung sei in kleinen Teilen der Stadt al-Qamischli und in zahlreichen Dörfern südlich der Stadt sowie in kleinen Teilen der Stadt al-Hasaka stark vertreten. Außerhalb dieser Gebiete sei die Kontrolle der Regierung locker und umstritten. Die Regierung sei daher nicht in der Lage, die Wehrpflicht durchzusetzen oder Oppositionelle zu verhaften. Die Gebiete in und um Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat und an der türkischen Grenze würden sich zwar durch Präsenz einiger Regierungstruppen auszeichnen, die SDF (Syrian Democratic Forces) seien jedoch nach wie vor der Hauptakteur in der Region. Die SDF hätten der Regierung lediglich erlaubt, Truppen einzusetzen, um eine mögliche türkische Militäroperation in Nordsyrien zu verhindern. Daher seien die Regierungstruppen zwar präsent, allerdings beschränke sich diese Präsenz auf die Durchführung von Patrouillen, meist zusammen mit der russischen Militärpolizei. Zurzeit seien die SDF der wichtigste Kontrollakteur, der die Möglichkeit habe, die Lokalbevölkerung zu rekrutieren und zu verhaften (Syrienexperte, 17. August 2023).

Fabrice Balanche, Associate Professor und Forschungsdirektor an der Universität Lyon 2, erklärt in einer E-Mail an ACCORD vom August 2023, dass das Gebiet an der türkischen Grenze in der Provinz Hasaka (östlich von Ras Al-Ain) unter der Kontrolle der SDF stehe. Es gebe ein paar syrische Militärposten, doch diese seien isoliert und symbolischer Natur. Die syrische Armee könne in dieser Gegend nichts unternehmen (Balanche, 23. August 2023).

Wladimir van Wilgenburg[1] legt in einer E-Mail-Auskunft an ACCORD dar, dass die syrischen Behörden in den Gebieten um Manbij, Ain Al-Arab und in der Nähe der türkischen Grenze nicht in der Lage seien, Reservepersonal einzuziehen. In Tal Rifaat sei die Situation eine andere als in den anderen Gebieten. Van Wilgenburg könne aus diesem Grund nicht sagen, ob die Regierung in Tal Rifaat Personen zum Reservedienst einziehen könne oder nicht. Die Kurden würden es allgemein nicht gestatten, dass die Regierung Personen in den von ihnen kontrollierten Gebieten zum Militärdienst einziehe (Van Wilgenburg, 17. August 2023).

Das Syrian Network for Human Rights (SNHR), eine 2011 gegründete unabhängige Menschenrechtsorganisation, die Menschenrechtsverletzungen in Syrien beobachtet und dokumentiert, schreibt in einer E-Mail-Auskunft an ACCORD vom August 2023, dass die Rekrutierung von Wehrpflichtigen und Reservisten durch die syrischen Regierung an die Zugriffsmöglichkeiten gebunden sei. Dies bedeute, dass wenn junge Menschen, die für den Militärdienst benötigt würden, einen Checkpoint unter der Kontrolle der Regierungskräfte in der Nähe von Manbij oder Ain Al-Arab, oder in den Vierteln der Stadt Al-Hasaka, passieren würden und für den Militärdienst gesucht würden, zur Wehrpflicht eskortiert würden (SNHR, 21. August 2023).

Das Danish Immigration Service (DIS) veröffentlicht im Juni 2022 einen Bericht über Rekrutierung durch die syrische Armee in der Provinz Hasaka (die spezifische Situation von Reservisten wird im Bericht jedoch nicht behandelt, Anmerkung ACCORD). Laut DIS rekrutiere die syrische Regierung keine Wehrpflichtigen in von der Autonomen Administration von Nord- und Ostsyrien (AANES) kontrollierten Gebieten. Es sei unklar, ob und in welchem Umfang Rekrutierung für die syrische Armee in von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten in Qamischli stattfinde (DIS, Juni 2022, S. 1). DIS befragte im Jänner und Februar 2022 vier Expert·innen sowie drei Bewohner·innen der Provinz Hasaka zur Rekrutierung Wehrpflichtiger durch die syrische Armee in der Provinz:

Laut Fabrice Balanche würde eine Person, die sich dem Militärdienst der syrischen Armee entzogen habe oder desertiert sei, verhaftet, wenn sie die von der syrischen Regierung kontrollierten Gebiete in der Provinz betrete. Aus diesem Grund benötige eine solche Person Hilfe von Familienmitgliedern oder einem gesetzlichen Vertreter, wenn sie sich von einer staatlichen Stelle Dokumente ausstellen lassen wollte. Personen, die in den von der syrischen Regierung kontrollierten sogenannten „Sicherheitsbereichen“ („security squares“/ „Al-Morabat Al-Amniya“) in Qamischli oder Hasaka leben, müssten in der syrischen Armee dienen. Südlich von Qamischli gebe es zwölf arabische Dörfer, die zum regierungstreuen Tay-Stamm gehörten und die unter der Kontrolle der syrischen Regierung stünden. Die Bewohner dieser Dörfer müssten in der syrischen Armee dienen, würden allerdings in ihren eigenen Dörfern und nicht in anderen Gegenden Syriens eingesetzt. Die syrische Armee verfüge über Rekrutierungsbüros in Qamischli und Hasaka (DIS, Juni 2022, S. 44).

Ein kurdischer Journalist und Autor aus Qamischli, der zum Zeitpunkt des Interviews in Erbil lebte, erklärt gegenüber DIS; dass die syrische Regierung nicht in der Lage sei, Personen gewaltsam zu rekrutieren, die in von der AANES kontrollierten Gebieten wohnen würden. Auch Personen, die in den „Sicherheitsbereichen“ wohnen, würden nicht rekrutiert. Es sei möglich, der syrischen Armee freiwillig beizutreten. Wenn jedoch eine Person für den Militärdienst der syrischen Armee gesucht werde und einen der „Sicherheitsbereiche“ betrete, könne diese Person festgenommen werden. Der Journalist kenne dementsprechende Fällen aus Qamischli und Hasaka. Südlich von Qamischli gebe es eine Reihe von Dörfern, die von Stämmen bewohnt würden, die mit der syrischen Regierung sympathisieren und die AANES nicht anerkennen würden. Einzelpersonen aus diesen Dörfern könnten der syrischen Armee freiwillig beitreten (DIS, Juni 2022, S. 50).

Laut einem politischen Analysten sei die Wahrscheinlichkeit hoch, dass ein Araber, der zum Wehrdienst eingezogen werden soll und ein von der syrischen Regierung kontrolliertes Gebiet in Qamischli oder Hasaka betrete, festgenommen werde. Bei einer Person kurdischer Herkunft sei die Situation eine andere (DIS, Juni 2022, S. 54).

Die Vertretung der AANES in der Autonomen Region Kurdistan im Irak gibt gegenüber DIS an, dass die Wahrscheinlichkeit hoch sei, dass eine Person, die zum Wehrdienst eingezogen werden soll und ein von der syrischen Regierung kontrolliertes Gebiet in Nordost-Syrien betrete, festgenommen werde. Wenn die syrischen Behörden eine gesuchte Person in Qamischli festnehmen würden, werde die Person daraufhin in andere Gebiete unter Kontrolle der syrischen Regierung geschickt, wie zum Beispiel nach Damaskus. Es werde der Person nicht gestattet, ihren Militärdienst in Qamischli abzuleisten. Die Sicherheitskräfte der AANES würden in solchen Fällen gelegentlich eingreifen (DIS, Juni 2022, S. 58-59).

Drei Bewohner von Gebieten unter Kontrolle der AANES in der Provinz Hasaka bestätigen gegenüber DIS, dass ihres Wissens nach eine Person, die von der syrischen Regierung wegen des Militärdienstes oder aus einem anderen Grund gesucht werde, und die von der Regierung kontrollierten Gebiete in Qamischli oder Hasaka betrete, einem hohen Risiko ausgesetzt sei, von den syrischen Behörden festgenommen zu werden. Die Sicherheitskräfte der AANES hätten sich in manchen Fällen um eine Freilassung der betreffenden Person bemüht. Laut den drei Bewohnern sei dies jedoch in der Regel nur der Fall, wenn die von der syrischen Regierung festgenommene Person enge Verbindungen zur AANES habe, zum Beispiel für die AANES tätig sei (DIS, Juni 2022, S. 65).

Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen

Es konnten als Teil der Onlinerecherche keine Informationen dazu gefunden werden, ob die syrischen Behörden in den genannten Gebieten Personenkontrollen durchführen und/oder Regierungskritiker·innen festnehmen.

Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, syrische Armee, syrische Regierung, Checkpoints, Personenkontrollen, Verhaftung, Aufgriff, Regimekritiker, Zivilisten, Manbij, Ain Al-Arab, Tal Rifaat, Grenzregion Türkei, Nordsyrien, Provinz Aleppo, Provinz Hasaka

Laut Wladimir van Wilgenburg könnten die syrischen Behörden in den genannten Gebieten im allgemeine keine Personenkontrollen durchführen, die eine Festnahme von Regimekritiker·innen ermöglichen würden. Die meisten (von der Regierung besetzten) Checkpoints würden keine Kontrollen durchführen. In den Sicherheitsbereichen in den Städten Al-Hasaka und Qamischli oder am Flughafen [von Qamischli] könne die Situation eine andere sein. Van Wilgenburg habe schon lange nicht mehr von Verhaftungen von Regierungskritiker·innen im Nordosten Syriens gehört (Van Wilgenburg, 17. August 2023).

SNHR antwortet in seiner E-Mail-Auskunft auf die Frage, ob die syrischen Behörden in den genannten Gebieten Personenkontrollen durchführen würden, die zu Festnahmen führen könnten, dass während des Prozesses zum Einzug in den Wehrdienst die Identität der Männer überprüft werde. Wenn sie von einer Sicherheitsbehörde gesucht würden, würden sie aufgegriffen und der Behörde, von der sie gesucht würden, übergeben (SNHR, 21. August 2023).

Als Teil der Onlinerecherche konnten folgende Informationen über die Art der Präsenz der syrischen Regierungstruppen in den genannten Gebieten gefunden werden:

Kurdistan 24 berichtet im Juli 2022, dass laut ihrem Oberbefehlshaber die SDF (Syrian Democratic Forces) die Verstärkung einiger Posten in Ain Al-Arab (auch Kobane genannt), Manbij und im Grenzgebiet durch die syrische Armee akzeptiert habe, mit dem Ziel, die syrischen Grenzen zu schützen (Kurdistan 24, 16. Juli 2022).

Al-Monitor fasst ebenfalls im Juli 2022 mehrere syrische Medienberichte über eine verstärkte Präsenz der syrischen Armee in Gebieten unter kurdischer Kontrolle zusammen. Laut der syrischen staatlichen Nachrichtenagentur SANA (Syrian Arab News Agency) habe die syrische Regierung Mitte Juli Verstärkung in die Städte Ain Issa (Provinz Raqqa), Manbij und Ain Al-Arab (Provinz Aleppo) entsandt. Die regierungsfreundliche Nachrichtenwebseite Al-Watan habe von militärischer Verstärkung durch die syrische Armee im nördlichen und nordöstlichen Umland von Aleppo, unter anderem am Stadtrand von Manbij berichtet. Auch Medienquellen aus den unter kurdischer Verwaltung stehenden Gebieten hätten gegenüber Al-Monitor bestätigt, dass die syrische Armee vor allem in Ain al-Arab, Manbij sowie Tell Abyad (im Norden von Raqqa) präsent sei. Den Quellen zufolge würden diese Einsätze dutzende Militär- und Panzerfahrzeuge, sowie schwere Artillerie und mehr als 400 Truppen der syrischen Armee umfassen. Laut einer anonymen Quelle gebe es militärische Checkpoints der syrischen Armee an den Demarkationslinien der (von der Türkei unterstützten) SNA (Syrian National Army). Die Regierungstruppen hätten Zementblöcke im Dorf Zaibat und am Rande des Dorfes Bozekeeg, nördlich von Manbij, errichtet. Die SDF hätten die Flagge der Regierung über Militärgebäuden in der Stadt Manbij gehisst (Al-Monitor, 20. Juli 2022).

Asharq al-Awsat schreibt in einem Artikel vom Juni 2023, dass die syrische Armee an Militärcheckpoints in der Nähe der türkischen Grenze in der Provinz Hasaka stationiert sei (Asharq Al-Awsat, 27. Juni 2023).

Kurdistan 24 berichtet im August 2023, dass Berichten zufolge ein Militärposten der syrischen Regierung in der Nähe von Manbij von einer türkischen Drohne angegriffen worden sei (Kurdistan 24, 13. August 2023).

ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188-v2], vom 06.09.2023

Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften (Tod, Folter, Freiheitsentzug)

Das Rojava Information Center (RIC) veröffentlicht im Juni 2020 eine englische Übersetzung des Militärdienstgesetzes von Nord- und Ostsyrien (Autonomous Administration of North and East Syria, AANES). Laut Artikel 13 werde jede Abwesenheit mit einer Verlängerung der Dienstzeit um einen Monat bestraft. Ein Wehrpflichtiger gelte als abwesend, wenn die Person kein Selbstverteidigungsdienstbuch erhalten habe und/oder nicht binnen 60 Tagen ab Datum des Einzugs in den Selbstverteidigungsbüros vorstellig geworden sei (RIC, Juni 2020).

Das Danish Immigration Service (DIS) veröffentlicht im Juni 2022 einen Bericht über militärische Rekrutierung in der Provinz Hasaka. Für den Bericht führte DIS im Jänner und Februar 2022 fünfzehn Interviews mit Expert·innen und Informanten, die unter anderem über die Situation von Personen, die sich dem Selbstverteidigungsdienst entziehen, befragt wurden. Laut einem kurdisch-syrischen Journalisten und Autoren aus Qamischli, sowie Wladimir van Wilgenburg (Journalist, politischer Analyst und Autor mehrerer Bücher über Kurd·innen in Syrien) sei Kriegsdienstverweigerung für Wehrpflichtige in der AANES keine Option (DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 70).

Fabrice Balanche, Associate Professor an der Universität von Lyon 2, ein/e Expert·in der International Crisis Group, der genannte syrisch-kurdische Journalist und Autor, ein syrisch-kurdischer politischer Analyst, ein/e Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan Irak und ein syrisch-kurdischer Universitätsprofessor im Irak bestätigen gegenüber DIS, dass eine Person, die den Selbstverteidigungsdienst verweigere oder sich ihm entziehe („draft evader“), wenn sie aufgegriffen werde, direkt in ein Trainingslager überstellt werde, um ihren Dienst anzutreten (DIS, Juni 2022, S. 42; DIS, Juni 2022, S. 45; DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 57; DIS, Juni 2022, S. 66).

Laut Fabrice Balanche und drei lokalen Bewohnern der Provinz Hasaka könnten gefasste Wehrpflichtige, die sich dem Dienst entzogen hätten, von den Behörden festgehalten werden, bis ihr Status geklärt sei (DIS, Juni 2022, S. 42) oder ein geeigneter Ausbildungsort für sie gefunden werde (DIS, Juni 2022, S. 61). Laut Fabrice Balanche könnten Wehrpflichtige aus diesem Grund für ein bis zwei Tage (DIS, Juni 2022, S. 42), laut den Bewohnern von Hasaka ein bis zwei Wochen (DIS, Juni 2022, S. 61) inhaftiert werden. Beide Quellen hätten nicht von Misshandlungen während der Haftzeit gehört (DIS, Juni 2022, S. 42; DIS, Juni 2022, S. 62).

Der/Die Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan Irak habe gegenüber DIS angegeben, dass es keine Strafe für Personen gebe, die sich der Selbstverteidigungspflicht entzogen hätten (DIS, Juni 2022, S. 57). Fabrice Balanche habe erwähnt, dass Wehrdienstverweigerer weder eine Geldstrafe noch eine Gefängnisstrafe erhalten würden (DIS, Juni 2022, S. 42; siehe auch: DIS, Juni 2022, S. 49). Laut dem/r Experten/in der International Crisis Group gebe es keine Strategie zur Inhaftierung von Wehrdienstverweigerern (DIS, Juni 2022, S. 45). Der syrisch-kurdische Journalist und Autor erklärt gegenüber DIS, dass Wehrdienstverweigerer ihren Selbstverteidigungsdienst einen Monat länger als die anderen Rekruten ableisten müssten. Er habe nicht von Misshandlungen von Wehrdienstverweigerern während ihres Dienstes aufgrund ihres Entzugs vom Wehrdienst gehört (DIS, Juni 2022, S. 49-50). Auch die drei Bewohner von Hasaka hätten berichtet, dass ihrer Erfahrung nach die Wehrdienstverweigerung keinen Einfluss auf die Behandlung des eingezogenen Wehrdienstverweigerers habe (DIS, Juni 2022, S. 62). Der syrisch-kurdische politische Analyst habe erklärt, dass es Wehrdienstverweigerern, die gefasst würden, nicht gestattet sei, nach Hause zu gehen, um ihre Sachen zu holen oder sich von ihrer Familie zu verabschieden. Die Person könne um Erlaubnis bitten, während ihres Dienstes ihre Familie zu besuchen. Sollten die Behörden jedoch vermuten, dass die Person bei einer Freistellung desertieren könnte, werde die Genehmigung nicht erteilt. Nach Beendigung der Dienstzeit werde die Person entlassen und ihre ursprüngliche Weigerung habe keinen Einfluss auf die Dauer der Dienstzeit (DIS, Juni 2022, S. 53-54). Laut dem syrisch-kurdischen Journalisten würden Wehrdienstverweigerer in ein Gebiet weit von ihrem Wohnort entfernt geschickt und mit schwierigen Aufgaben betraut. Sie würden keine Geldstrafe erhalten (DIS, Juni 2022, S. 59).

Ein von ACCORD kontaktierter Syrienexperte gibt in einer E-Mail-Auskunft vom August 2023 an, dass die Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften vom Profil des Wehrpflichtigen und der Region, aus der er stamme, abhingen. Je strenger die kurdische Kontrolle, desto höher sei die Wahrscheinlichkeit, dass Rekruten nicht das Risiko eingehen würden, offen Einwände gegen den Selbstverteidigungsdienst zu zeigen. In Hasaka beispielsweise könnten Personen im dienstfähigen Alter verhaftet und zum Dienst gezwungen werden (Syrienexperte, 15. August 2023).

Muhsen Al-Mustafa, Forscher am Omran Center for Strategic Studies, schreibt in einer E-Mail an ACCORD vom September 2023, dass alle Wehrdienstverweigerer unter die Bestimmungen des Gesetzes zur Selbstverteidigungspflicht fallen würden und dem Gesetz entsprechend behandelt würden. Die Asayish (kurdische Sicherheitsbehörde, Anmerkung ACCORD) würde den Wohnort von zum Dienst gesuchten Personen durchsuchen, an Checkpoints Rekrutierungslisten überprüfen und die Gesuchten verhaften. Nach dem Gesetz werde jede Person, die dem Dienst fernbleibe, verhaftet und mit einer Verlängerung des Dienstes um einen Monat bestraft (Al-Mustafa, 1. September 2023).

Konsequenzen für Angehörige

Die Interviewpartner·innen von DIS stimmen darin überein, dass eine Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften keine Konsequenzen für Angehörige habe (DIS, Juni 2022, S. 43; DIS, Juni 2022, S. 45; DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 54; DIS, Juni 2022, S. 64; DIS, Juni 2022, S. 66). Laut Fabrice Balanche könnten Behörden Familienmitglieder nach dem Aufenthaltsort des Verweigerers fragen, doch die Familie würde nicht unter Druck gesetzt oder anderweitig belästigt (DIS, Juni 2022, S. 43). Laut dem/r Experten/in der International Crisis Group würden keine Hausdurchsuchungen stattfinden, um Wehrdienstverweigerer zu finden und Familienmitglieder würden auch nicht schikaniert (DIS, Juni 2022, S. 45). Der politische Analyst habe berichtet, dass fünf seiner Geschwister sich dem Dienst entzogen hätten. Die Behörden hätten das Haus seiner Mutter einmal durchsucht, seine Familie jedoch nicht weiter belästigt (DIS, Juni 2022, S. 54). Laut der Gruppe lokaler Einwohner gebe es die Möglichkeit, dass die Behörden Hausdurchsuchungen durchführen würden. Familienmitglieder würden jedoch ihrer Erfahrung nach niemals mitgenommen („they will […] never take family members“) (DIS, Juni 2022, S. 64). Im Gegensatz dazu habe der syrisch-kurdische Journalist erklärt, dass Familienmitglieder durch Hausdurchsuchungen und Fragen über den Wehrdienstverweigerer von der Militärpolizei psychologisch unter Druck gesetzt würden. Sollte die Militärpolizei mit den Antworten der Familienmitglieder unzufrieden sein, würden sie versuchen, eine andere Art von Druck auszuüben. Der Journalist habe jedoch nicht spezifiziert, um welche Art von Druck es sich dabei handle (DIS, Juni 2022, S. 59).

Situation von Arabern

Ein Universitätsprofessor in Erbil habe gegenüber DIS im Jänner 2022 ausgesagt, dass er davon ausgehe, dass Araber, die sich dem Dienst in den Selbstverteidigungskräften entzogen hätten, nicht im gleichen Ausmaß zum Beitritt gezwungen würden wie Kurden (DIS, Juni 2022, S. 66).

Fabrice Balanche erklärt in einer E-Mail an ACCORD vom August 2023, dass Araber und Kurden, die keinen Selbstverteidigungsdienst leisten, vor dem Gesetz gleichbehandelt würden. Es gebe eine Verhaftung und Zwangsbeitritt in die Selbstverteidigungskräfte. Laut Balanche zeige man in der AANES jedoch mehr Flexibilität gegenüber Arabern, um einen Aufstand zu vermeiden. Arabische Stammesführer hätten lokal die Macht und würden für bestimmte junge Araber Ausnahmen und Aufschiebungen erwirken (Balanche, 9. August 2023).

Laut dem Syrienexperten seien die speziellen Konsequenzen für Araber von Region zu Region unterschiedlich. Nicht alle von den SDF kontrollierten Gebiete würden unter derselben Art von Kontrolle stehen. In den vornehmlich arabisch besiedelten Stammesregionen von Deir Ezzour hätten die SDF beispielsweise nicht die Kapazität, eine direkte Rekrutierung wie in der Provinz Hasaka durchzusetzen (Syrienexperte, 15. August 2023).

Auf die Frage, ob arabische Wehrdienstverweigerer anders behandelt werden als kurdische, antwortet Al-Mustafa im September 2023, dass die Konsequenzen des Fernbleibens für alle gleich seien, jedoch könnten arabische Wehrdienstverweigerer bei der Festnahme anders behandelt werden und Beleidigungen und Gewalt ausgesetzt sein. Es sei anzumerken, so Al-Mustafa, dass sich die meisten kurdischen jungen Männer freiwillig bei den SDF [Syrian Democratic Forces, Demokratische Kräfte Syriens] melden würden und daher von der Selbstverteidigungspflicht befreit seien (Al-Mustafa, 1. September 2023).

Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern (als Gegner/ Oppositionelle)

Es konnten online keine Informationen über die Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern, gefunden werden. Gesucht wurde auf Arabisch, Deutsch und Englisch mittels ecoi.net, Factiva und Google nach einer Kombination aus folgenden Suchbegriffen: Syrien, AANES, Rojava, Selbstverteidigungsdienst, Selbstverteidigungspflicht, Selbstverteidigungskräfte, verweigern, weglaufen, verstecken, Wahrnehmung, Probleme, Gegner, Oppositionelle, Anfeindung, Gesellschaft, Araber, Kurden, Stämme, Behörden

Fabrice Balanche schreibt in seiner E-Mail an ACCORD, dass Kurden Arabern im Allgemeinen nicht vertrauen und annehmen würden, dass sie gegen die AANES seien. Araber, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern würden, würden nicht als Terroristen wahrgenommen, sondern eher als Feiglinge und Gegner der AANES. Die Kurden seien pragmatisch und es sei ihnen lieber, Araber, die den Dienst verweigern, nicht in der Armee zu sehen, weil sie sich unter Umständen als Verräter entpuppen könnten (Balanche, 9. August 2023).

Laut dem von ACCORD kontaktierten Syrienexperten würden Araber, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern würden, als Gegner der kurdischen Hegemonie im Nordosten Syriens wahrgenommen (Syrienexperte, 15. August 2023).

Al-Mustafa erklärt in seiner E-Mail-Auskunft vom September 2023, dass arabische Wehrdienstverweigerer als Verräter der AANES angesehen werden könnten, die ihrer Pflicht nicht nachkommen würden, die von den SDF kontrollierten Gebiete zu schützen. Es könne ihnen vorgeworfen werden, Mitglieder des Islamischen Staates zu sein oder ausländische Kräfte zu unterstützen. Eine Quelle vor Ort habe Al-Mustafa berichtet, dass einige Personen während ihrer Verhaftung (weil sie der Pflicht des Selbstverteidigungsdienstes nicht nachgekommen seien) ihr Leben verloren hätten. Laut einer anderen Quelle gebe es in manchen Gebieten mit Stammeseinfluss mehr Flexibilität bei der Anwendung der Selbstverteidigungspflicht. SDF-Beamte würden jedoch bei jedem Meeting an die Notwendigkeit erinnert werden, dass alle, und insbesondere Araber, sich dem Selbstverteidigungsdienst anzuschließen hätten. Araber würden die Selbstverteidigungspflicht im Allgemeinen ablehnen und die SDF lediglich als „De-facto-Autorität“ betrachten (Al-Mustafa, 1. September 2023).

Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front

Laut RIC würden Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht normalerweise nicht an aktiver Front kämpfen. Sie würden in der Regel eine ideologische und militärische Ausbildung absolvieren, bevor sie an Checkpoints oder Straßensperren stationiert und logistische Unterstützung für freiwillige Streitkräfte leisten würden (RIC, Juni 2020).

Laut der syrisch-kurdischen Nachrichtenagentur North Press Agency (NPA) würden Rekruten des Selbstverteidigungsdienstes dazu eingesetzt, Militärgebäude zu bewachen und würden an Militäreinsätzen gegen den Islamischen Staat (IS) teilnehmen (NPA, 23. Februar 2022).

Die Interviewpartner·innen von DIS hätten übereinstimmend berichtet, dass die Wehrpflichtigen der Selbstverteidigungskräfte allgemein nicht an der Front eingesetzt würden (DIS, Juni 2022, S. 37; DIS, Juni 2022, S. 49; DIS, Juni 2022, S. 57; DIS, Juni 2022, S. 60; DIS, Juni 2022, S. 63; DIS, Juni 2022, S. 67; DIS, Juni 2022, S. 71) Der Universitätsprofessor habe gegenüber DIS erklärt, dass der ideologische Zweck der Selbstverteidigungspflicht darin bestehe, die Jugend auf Sicherheitsnotsituationen vorzubereiten. Die Wehrpflichtigen würden hauptsächlich für Aufgaben der inneren Sicherheit in den Städten eingesetzt (DIS, Juni 2022, S. 67). Der/die Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan Irak habe angegeben, dass die Aufgabe der Selbstverteidigungspflichtigen darin bestehe, das Sicherheitsvakuum in Nordostsyrien zu füllen. In städtischen Gebieten seien sie für die Bewachung der öffentlichen Gebäude und der AANES-Institutionen verantwortlich. Wehrpflichtige könnten auch an der Front eingesetzt werden, um professionelle Kräfte, die an vorderster Front kämpfen, zum Beispiel durch Logistik und Bewachung der eroberten Gebiete etc. zu unterstützen (DIS, Juni 2022, S. 57). Laut Aram Hanna, Sprecher der SDF, würden die Selbstverteidigungspflichtigen zum Schutz von befreiten Gebieten, nicht jedoch zum Kampf in selbigen, eingesetzt (DIS, Juni 2022, S. 37-38). Laut Wladimir von Wilgenburg sei es die Hauptaufgabe von Wehrpflichtigen, Versorgungswege im Hintergrund zu schützen (DIS, Juni 2022, S. 71). Zwei lokale Bewohner hätten gegenüber DIS erklärt, dass es als Rekruten der Selbstverteidigungspflicht ihre Aufgabe gewesen sei, die Straße zwischen dem Al-Omar-Ölfeld und dem Al-Tanak-Ölfeld in der Provinz Deir Ezzour zu schützen und zu sichern. Andere hätten die drei Hauptstaudämme in Syrien, die sich in den von der AANES kontrollierten Gebieten befinden, geschützt (DIS, Juni 2022, S. 63). Drei der Interviewpartner·innen hätten gegenüber DIS angegeben, dass die Wehrpflichtigen dafür eingesetzt würden, Checkpoints zu sichern (DIS, Juni 2022, S. 43; DIS, Juni 2022, S. 46; DIS, Juni 2022, S. 71). Laut Fabrice Balanche gebe es Fälle, bei denen Rekruten an Checkpoints getötet worden seien (DIS, Juni 2022, S. 43). Laut dem/r Experten/in der International Crisis Group würden Wehrpflichtige meist in ihren eigenen Provinzen eingesetzt. Araber hätten sich darüber beschwert, dass die Provinzen, in denen sie dienen, weniger sicher seien, da es dort mehr IS-Angriffe gebe als in anderen Gebieten Nordostsyriens (DIS, Juni 2022, S. 46). Der Journalist und Autor habe angemerkt, dass es angesichts der Tatsache, dass es sich beim Selbstverteidigungsdienst um einen Militärdienst handle, möglich sei, dass Militärkommandanten entscheiden würden, Rekruten auch für Kämpfe einzusetzen (DIS, Juni 2022, S. 49-50). Auch der syrisch-kurdische Journalist habe angegeben, dass Wehrpflichtige der Selbstverteidigungspflicht in Konfliktzeiten zum Kampf eingesetzt werden könnten (DIS, Juni 2022, S. 60). Laut des politischen Analysten sowie dem/r Repräsentant·in der AANES in der Region Kurdistan sei es möglich, dass Wehrpflichtige freiwillig kämpfen würden (DIS, Juni 2022, S. 53; DIS, Juni 2022, S. 57). Die drei lokalen Bewohner hätten angegeben, dass es Situation gegeben habe, in denen die Behörden die Selbstverteidigungskräfte für Kämpfe eingesetzt hätten, wie zum Beispiel während der Operation in Raqqa im Jahr 2017 und beim Gefängnisaufstand in Hasaka im Jänner 2022 (DIS, Juni 2022, S. 63).

Fabrice Balanche merkte in seiner E-Mail-Auskunft an ACCORD an, dass es im Gebiet der AANES seit Oktober 2019 keine aktive Front mehr gebe. Wehrpflichtige würden nicht an die Front geschickt. Sie könnten jedoch durch Terroranschläge hinter der Frontlinie getötet werden. Es gebe gefährliche Gebiete, wie beispielsweise südöstlich der Provinz Deir Ezzour und Wehrpflichtige würden regelmäßig bei Patrouillen oder an Straßensperren getötet (Balanche, 9. August 2023).

Auch der kontaktierte Syrienexperte gab in seiner E-Mail an, dass ihm keine Fälle bekannt seien, in denen Rekruten an die Front geschickt würden. Die aktuelle Phase des Konflikts zeichne sich durch eingefrorene Frontlinien und einem Konflikt von geringer Intensität aus (Syrienexperte, 15. August 2023).

Laut Al-Mustafa könnten Rekruten an die Front geschickt werden. Einige von ihnen seien beim Einsatz an der Front getötet worden (Al-Mustafa, 1. September 2023).

ACCORD - Anfragebeantwortung zu Syrien: Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak [a-11859-1], vom 06.05.2022

Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordost-Syrien

Ein Syrienexperte, der im Auftrag von ACCORD mit lokalen Quellen vor Ort, inklusive Beamten der Provinz Al-Hasaka und der Autonomen Region Kurdistan Irak, sowie Fahrern, die am Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur arbeiten, gesprochen hat, gibt an, dass es nur Syrer·innen, die aus Gebieten unter Kontrolle der SDF/YPG stammen, gestattet sei, von außerhalb in die Region Nordostsyrien einzureisen. Dies bedeute, dass eine Person innerhalb der von den SDF kontrollierten Gebiete registriert sein müsse, um von außerhalb einreisen zu können. Selbst wenn eine Person zum Beispiel 50 Jahre in Al-Hasaka gelebt habe, jedoch ihr Personenstandsregister in Deir Ezzor registriert sei, gelte die Person nicht als aus Al-Hasaka stammend (Syrienexperte, 25. April 2022).

Die Expat-Karte

Al-Monitor beschreibt in einem Artikel vom Jänner 2022, dass intern vertriebene Araber·innen in von den SDF kontrollierten Gebieten um eine sogenannten Expat-Karte ansuchen müssten, um in die Gebiete einreisen oder dort bleiben zu dürfen. Die Anforderungen seien von Region zu Region unterschiedlich, jedoch müsse in allen Fällen ein lokal wohnhafter Bürge vorhanden sein und der Personalausweis sowie ein Mietvertrag vorgelegt werden. Die Expat-Karte sei für sechs Monate gültig (Al-Monitor, 12. Jänner 2022). JFL (Justice for Life Organization) präzisiert im Februar 2022, dass auch Einwohner der SDF-Gebiete, die in Gebieten unter Kontrolle der Regierung gemeldet seien, um eine Expat-Karte ansuchen müssten (JFL, Februar 2022, S. 5).

Laut des genannten Syrienexperten müssten Antragsteller·innen bei der Antragstellung der Expat-Karte persönlich anwesend sein. Es sei aus diesem Grund nicht möglich, dass Syrer·innen von außerhalb der SDF-Gebiete mit syrischen Reisedokumenten aus Europa direkt in die SDF-Gebiete einreisen würden, da es ihnen nicht möglich sei, außerhalb des Landes eine Bewilligung zu erhalten. Es sei ihnen folglich nicht gestattet, den Semalka-Grenzübergang zu überqueren. Von ihm kontaktierte Fahrer hätten angegeben, dass Personen aus Damaskus und Homs aus diesem Grund die Einreise am Grenzübergang Semalka verweigert worden sei. Der Syrienexperte wisse auch von Fällen, in denen sich potenzielle Bürgen an die kurdischen Sicherheitsbehörden (Asayish) gewandt hätten, um in Abwesenheit des Expats die Beantragung der Expat-Karte einzuleiten. Die Anträge seien abgelehnt worden. In andere Fällen hätten die Bürgen, um ein Dokument vom Komin (die Person, die die Angelegenheiten der Nachbarschaft organisiert, wie ein Mukhtar) angesucht, in dem stehe, dass eine Person aus dem Ausland zu Besuch nach Al-Hasaka käme. Der Bürge habe in Semalka auf den Expat gewartet und das Dokument den Grenzbeamten übergeben. In einigen Fällen hätte der Expat einreisen können, in anderen sei die Person an der Grenze abgelehnt und die Einreise verweigert worden. Laut des Syrienexperten seien Korruption und Bestechung gang und gäbe an der Grenze (Syrienexperte, 25. April 2022).

Legale Einreise aus der Türkei

ANHA (Hawar News Agency) schreibt in einem Artikel vom April 2021, dass die Türkei alle Grenzübergänge mit dem Nordosten Syriens seit 2014 für Personen- und Güterverkehr geschlossen habe (ANHA, 12. April 2021).

Legale Einreise aus dem Irak

Der genannte Syrienexperte gibt an, dass es keinen Flugverkehr in die von den SDF kontrollierten Gebiete gebe. Die einzige Möglichkeit den Nordosten Syriens direkt von Europa kommend zu erreichen, sei nach Erbil (Autonome Region Kurdistan Irak) zu fliegen und von dort zum Grenzübergang Semalka- Faysh Khabur zu fahren. Syrer·innen, die mit syrischen Reisedokumenten reisen, müssten zunächst ein Visum der irakischen Autonomen Region Kurdistan beantragen und erhalten (Syrienexperte, 25. April 2022).

Einreise in den Irak für syrische Staatsbürger·innen

Die Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak in Österreich schreibt auf ihrer Webseite, dass alle Staatsbürger·innen, die keine Staatsbürgerschaft eines europäischen Landes oder der Länder Australien, Brasilien, China, Iran, Japan, Kanada, Katar, Kuwait, Neuseeland, Südkorea, Türkei, USA oder den Vereinigten Arabischen Emiraten haben, vor Reiseantritt ein Visum beantragen müssten, welches 110.000 irakische Dinar (68 Euro[1]) koste und für 90 Tage gültig sei (Regionalregierung Kurdistan-Irak - Vertretung in Österreich, 17. April 2019).

Laut der Vertretung der Regionalregierung Kurdistan-Irak in Großbritannien müssten Antragsteller·innen einen Reisepass vorlegen, dessen Gültigkeit nicht weniger als sechs Monate betrage. Weiters werde eine Farbkopie des Reisepasses oder des Reisedokuments benötigt, ein Passfoto, das ausgefüllte Visumsformular, Name und Adresse des Hotels, in dem die Person in der Region Kurdistan übernachten werde, beziehungsweise Name, Telefonnummer, Adresse und E-Mail-Adresse, wenn der/die Antragsteller·in bei einer Privatperson übernachten werde, sowie die Antragstellungsgebühr (Kurdistan Regional Government - Representation in the United Kingdom, ohne Datum).

Grenzübergänge Irak-Nordostsyrien und ihre Verwaltung

Enab Baladi schreibt in einem Artikel vom März 2022, dass sich die Grenze der Autonomen Verwaltung von Nordostsyrien zum Irak über 150 Kilometer erstrecke. Es gebe vier Grenzübergänge und Einreisepunkte: Rabia-Yarubiyah, Semalka- Faysh Khabur, Al-Waleed und Al-Faw.

Der Rabia-Yarubiyah-Grenzübergang sei 2020 durch ein russisches Veto im UN-Sicherheitsrat geschlossen worden (Enab Baladi, 9. März 2022). CEIP (Carnegie Endowment for International Peace) erklärt, dass von den vier Grenzübergängen nur Rabia-Yarubiyah von der irakischen und syrischen Regierung als formeller Grenzübergang anerkannt sei. Beide Regierungen hätten jedoch den Zugang dazu verloren und er sei seit 2013 geschlossen (CEIP, 30. März 2021).

Der Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur liege zwischen der Stadt Faysh Khabur am Ostufer des Tigris in der Provinz Duhok auf irakischer Seite und dem Ort Semalka im Distrikt Malikiya auf syrischer Seite. Der Übergang sei zwischen er irakischen Zentralregierung und der kurdischen Regionalregierung umstritten, und die Regierung in Bagdad erkenne ihn nicht offiziell an. Derzeit verwalte die Demokratische Partei Kurdistan (KDP) die irakische Seite und die SDF würden die syrische Seite kontrollieren (CEIP, 30. März 2021). Laut Enab Baladi hänge die Öffnung beziehungsweiße Schließung des Grenzüberganges von den politischen Spannungen zwischen der Regionalregierung Kurdistans und der Autonomen Verwaltung Nordostsyriens ab (Enab Baladi, 9. März 2022).

Der Al-Waleed-Übergang befinde sich im umstrittenen Unterbezirk Zummar in der Nähe der Provinz Duhok im Irak. Er werde von der Regionalregierung Kurdistans (KRG) auf irakischer Seite und der Autonomen Verwaltung auf syrischer Seite kontrolliert. Im Jahr 2013 habe die KRG den Übergang vorübergehend geöffnet, nachdem der Semalka-Faysh Khabur-Grenzübergang geschlossen worden sei. Die Benutzung des Grenzübergangs sei auf Personen beschränkt gewesen, die vom Irak nach Syrien hätten ziehen wollen. 2017 sei der Grenzübergang für Handel genützt worden. 2019 hätten die US-Truppen den Grenzübergang bei ihrem Abzug aus Syrien genützt (CEIP, 30. März 2021).

Al-Faw sei ein informeller Übergang, der laut lokalen Quellen vor allem von der PKK genützt werde (CEIP, 30. März 2021).

Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur

Der kontaktierte Syrienexperte erklärt gegenüber ACCORD den Ablauf ab Einreise in der Region Kurdistan bis zur Ankunft in Syrien für Personen, die im Gebiet der Autonomen Verwaltung gemeldet sind:

Vom Flughafen Erbil brächten Taxis oder Minibusse Reisende zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur, welcher der einzige offene Grenzübergang zwischen der Autonomen Region Kurdistan Irak und Nordostsyrien sei. Die Transportkosten vom Flughafen Erbil nach Semalka-Faysh Khabur betrügen in etwa 50 US-Dollar pro Person in einem geteilten Minibus oder etwa 100 US-Dollar für ein privates Taxi. Die Fahrt dauere ca. 2,5 Stunden. Am Grenzübergang angekommen, gehe der/die Reisende ein kurzes Stück zu Fuß, um dann Grenzbeamt·innen Ausweispapiere und etwaige andere Dokumente, nach denen in manchen Fällen gefragt werde, wie den Personalausweis, das Familienbuch, das Personenstandsregister und ähnliches vorzulegen. Wenn es der Person erlaubt wird zu passieren, nehme sie auf syrischer Seite des Grenzüberganges ein neues Auto mit Fahrer, um nach Al-Hasaka zu gelangen. Es sei für Reisende nicht möglich, die Grenze mit einem Auto zu passieren. Fahrer von beiden Seiten würden sich jedoch oft kennen und zusammenarbeiten. Die Fahrt vom Grenzübergang nach Al-Hasaka koste in etwa 50 US-Dollar und dauere circa zwei Stunden.

Der Grenzübergang sei momentan montags, freitags und samstags geöffnet. Laut dem Syrienexperten seien logistische Hürden, um die Grenze passieren zu können, ein Problem. Der Grenzübergang sei häufig geschlossen und seine betrieblichen Regeln und Vorschriften würden sich häufig ändern (Syrienexperte, 25. April 2022).

Schließungen des Semalka - Faysh Khabur Grenzübergangs

NPA (North Press Agency) berichtet am 16. Dezember 2021 von der Schließung des Grenzübergangs für jeglichen Transitverkehr sowie Handel. In den vergangenen Jahren sei der Übergang mehrmals geschlossen worden, unter anderem für eine Woche im Juni 2021 (NPA, 16. Dezember 2021).

Laut VOA (Voice of America) sei der Grenzübergang von Seiten der Regionalregierung Kurdistans im Irak Im Dezember 2021 auf unbestimmte Zeit geschlossen worden, aufgrund von Zusammenstößen zwischen Demonstranten der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD) und Sicherheitskräften der irakischen Regionalregierung Kurdistans. Auch frühere Schließungen seien das Resultat politischer Dispute gewesen. Die Grenzschließung verhindere nicht nur den Reiseverkehr, sondern auch den Warentransport, was Befürchtungen aufkommen lasse, dass dies zu einer Verknappung der Grundversorgung in Syrien führen könnte (VOA, 22. Dezember 2021).

NPA schreibt am 24. Jänner 2022, dass der Grenzübergang nach über einem Monat wieder teilweise geöffnet worden sei. Güterverkehr sei wieder gestattet sowie limitierter Personenverkehr bestimmter Gruppen (NPA, 24. Jänner 2022).

Laut dem irakisch-kurdischen Nachrichtensender Kurdistan 24 sei der Grenzübergang am 27. Jänner 2022 wieder vollständig geöffnet worden. Laut irakischer Seite habe es während der Zeit der Schließung Ausnahmen für bestimmte Personen gegeben, denen das Passieren erlaubt gewesen sei (Kurdistan 24, 28. Jänner 2022).

Enab Baladi beschreibt die Schließung des Grenzübergangs im Dezember/Jänner, als schwerwiegend, da der Grenzübergang für Privatpersonen, wie auch Handel geschlossen worden sei und auch der zehn Kilometer südlich gelegene Al-Waleed Grenzübergang nicht geöffnet worden sei. Dies habe zu einer Wirtschaftskrise in den von der SDF-kontrollierten Gebieten in Nordostsyrien geführt, die stark von der Autonomen Region Kurdistan im Irak abhängig seien, insbesondere im Hinblick auf den Handel und die Sicherung von Rohstoffen und Industrieerzeugnissen (Enab Baladi, 9. März 2022).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zur Person des BF:

Die Feststellungen zum Namen des BF ergeben sich aus den dahingehend übereinstimmenden und stringenten Angaben des BF im gesamten gegenständlichen Verfahren. Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität des BF (Namen und Geburtsdatum) getroffen wurden, gelten diese ausschließlich zur Identifizierung des BF im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, Religionszugehörigkeit, Muttersprache, Volksgruppenzugehörigkeit und Familienstand des BF gründen sich auf seinen diesbezüglich glaubhaften und gleichbleibenden Angaben in der Erstbefragung, vor dem Bundesamt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (AS 7 f; 40, 42 f; OZ 7, S 7).

Die Angaben des BF zu seinem Heimatort, dem Datum seiner Ausreise, seiner Schulausbildung und seiner Berufserfahrung resultieren auf seinen diesbezüglich nachvollziehbaren Aussagen in der Erstbefragung, vor dem Bundesamt, sowie in der mündlichen Verhandlung (AS 7 ff; AS 41 ff; OZ 7, S 7 f). Hinsichtlich seines Heimatortes gab der BF in der mündlichen Verhandlung überzeugend an, dass er stets in XXXX gewohnt habe (OZ 7, S 7). In der Erstbefragung im Jahr 2022 gab der BF zwar an, seinen Heimatort „vor 6 Jahren“ verlassen zu haben (AS10), dennoch war die sowohl vor der belangten Behörde, als auch in der mündlichen Verhandlung getätigte Angabe, dass er Syrien bereits 2014 verlassen habe glaubhaft (AS 43; OZ 7, S 8). Da der Kimlik des BF das Registrierungsdatum XXXX aufweist, erschien eine Ausreise aus Syrien im Jahr 2014 plausibel (AS 65). Da der BF damals erst elf Jahre alt war, ist es nachvollziehbar, dass er sich an das genaue Datum nicht erinnern kann.

Die Feststellungen hinsichtlich des derzeitigen Wohnorts seiner Familie resultieren aus seinen jüngst im Rahmen der mündlichen Verhandlung getätigten und mit den Angaben vor der belangten Behörde übereinstimmenden Angaben, wonach die Familie Großteils in der Türkei lebe. Diese Angaben bestätigten sich durch die Vorlage der türkischen Kimliks seine Familie (AS 9, 43, 51 ff; OZ 7, S 8). Dass der BF weiterhin Kontakt zu seiner Familie hat, beruht auf seinen glaubwürdigen diesbezüglichen Angaben, wonach er mit diesen telefoniere. Es war deshalb auch davon auszugehen, dass der BF diesbezüglich auf dem aktuellen Stand ist (OZ 7, S 8).

Das Datum der gegenständlichen Antragstellung sowie die Gewährung von subsidiärem Schutz ergibt sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt (AS 7 ff, 67 ff).

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF resultieren aus seinen Angaben vor der belangten Behörde, wonach er gesund sei. In der mündlichen Verhandlung bestätigten sich diese Angaben (AS 40 f; OZ 6, S 6).

Die Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug (OZ 5).

2.2. Zu den Feststellungen zum Fluchtvorbringen des BF:

Zur Gebietskontrolle:

Dass sich die Heimatregion des BF unter der Kontrolle der XXXX befindet, ergibt sich aus der Einsichtnahme in die Syria Live Map (https://syria.liveuamap.com/) zum Entscheidungszeitpunkt unter Berücksichtigung der eingebrachten Länderinformationen und den damit übereinstimmenden Angaben des BF vor der belangten Behörde, wonach sein Heimatort unter Kontrolle der kurdischen Milizen steht (AS 45). In der mündlichen Verhandlung gab der BF an, dass er nicht wisse, unter wessen Kontrolle sein Heimatort stehe, da er sich mit Politik nicht auskenne (OZ 7, S 8). Anhand der eindeutigen und aktuellen Länderinformationen besteht allerdings kein Zweifel an den vorliegenden Machtverhältnissen am Heimatort des BF.

Zur Gefahr der Inhaftierung bzw Einziehung zum Wehrdienst des syrischen Regimes:

Wie der BF selbst vor der belangten Behörde angab, steht sein Heimatort unter Kontrolle der kurdischen Milizen (AS 45). Aus den Länderberichten geht ebenso hervor, dass das syrische Regime bzw das syrische Militär keine Möglichkeit hat, Personen, die sich in Gebieten außerhalb ihrer Kontrolle befinden, für den Militärdienst zu rekrutieren. Ausnahmen können hier allenfalls sogenannte „Sicherheitsquadrate“/Regierungsenklaven darstellen, was auch der BF in seiner Bescheidbeschwerde betonte (vgl AS 283). Auf der Syria Live Map sind allerdings im und um den Heimatort des BF keine derartigen Sicherheitsquadrate ersichtlich. Darüber hinaus wird im LIB angeführt, dass erst gar nicht versucht werde Personen von Gebieten außerhalb der Regimekontrolle zu rekrutieren, da diese als illoyal angesehen werden (siehe LIB, Kapitel Die Syrischen Streitkräfte – Wehr- und Reservedienst, Rekrutierung von Personen aus Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle).

Wie aus den Länderberichten hervorgeht, zeichnen sich die Gebiete in und um XXXX durch die Präsenz einiger Regierungstruppen aus. Dennoch ist die SDF klar, der Hauptakteur in der Region. Die Regierungstruppen werden dort bloß zur Abwehr einer möglichen türkischen Militäroperation in Nordsyrien geduldet. Somit seien Regierungstruppen zwar präsent, aber nicht in der Lage Rekrutierungen – weder zum Militär- noch zum Reservedienst – durchzuführen. Generell könnten die syrischen Behörden in den genannten Gebieten im allgemeinen keine Personenkontrollen durchführen, die eine Festnahme von Regimekritiker:innen ermöglichen (vgl ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Möglichkeit der syrischen Behörden, in den kurdisch kontrollierten Gebieten, in denen die Regierung Präsenz hat ( XXXX , Tal Rifaat, Landstreifen entlang der türkischen Grenze) Personen für den Reservedienst einzuziehen; Personenkontrollen in diesen Gebieten, die einen Aufgriff von Regierungskritiker·innen ermöglichen [a-12197], vom 24.08.2023). Dieser Bericht bezieht sich zwar grundsätzlich auf die Einziehung von Reservisten bzw den Aufgriff von Regierungskritiker: innen, ist aber dennoch auf die Situation des BF übertragbar, denn auch die Verhaftung bzw Zwangskrekrutierung von Wehrdienstverweigerern – wie dem BF – ist auf die (nicht vorhandenen) Zugriffsmöglichkeiten des Regimes auf Personen aus Gebieten außerhalb der Regierungskontrolle gebunden.

Die Ausführungen in den Länderberichten, wonach eine Rekrutierung bei der Durchquerung von Regierungscheckpoints „in der Nähe von XXXX oder XXXX , oder in den Vierteln der Stadt XXXX “ möglich sei, ist nicht weiter ungewöhnlich, da das Regimegebiet bloß 20km von XXXX entfernt ist bzw es sogenannte „Sicherheitsquadrate“ in XXXX gibt. Der Heimatort des BF ist dahingegen über 75km vom Regimegebiet entfernt und in der Syria Live Map sind keine Sicherheitsquadrate ersichtlich. Somit besteht im Heimatort des BF selbst keine Gefahr seitens des syrischen Regimes. Es kamen auch keine Anhaltspunkte hervor, dass der BF regelmäßig in das Regimegebiet reisen müsste, schließlich gab er selbst an, dass er immer nur an seinem Heimatort gelebt habe (OZ 7, S 7).

Es konnte daher die Feststellung getroffen werden, dass das syrische Regime keinen Zugriff auf den BF an seinem Heimatort hat und ihn insbesondere nicht verhaften oder zwangsrekrutieren kann.

Zur Gefahr der Einziehung zum Wehrdienst der kurdischen Milizen:

Grundsätzlich kann eine Einziehung des BF zur sogenannten „Selbstverteidigungspflicht“ nicht ausgeschlossen werden. Der männliche und gesunde BF fällt mit seinen 21 Jahren und 2 Monaten in die Kriterien für Rekruten der SDF (Syrian Democratic Forces; 18 bis 24 Jahre). Dieser „Wehrdienst“ dauert in der Regel ein Jahr (vgl LIB, Kapitel Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen, Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien). Bereits aufgrund des Alters des BF erscheint eine Rekrutierung des BF durchaus möglich.

Entgegen dem Vorbringen des BF, wonach er geflohen sei, da er nicht kämpfen wolle (OZ 7, S 9), werden Rekruten im Rahmen der „Selbstverteidigungspflicht“ lediglich in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz eingesetzt. Der BF hat auch keine besonderen militärisch relevanten Qualifikationen vorzuweisen, die eine Verlegung an die Front wahrscheinlich erscheinen lassen. Die bisherige Berufserfahrung des BF als Erntehelfer qualifiziert ihn keinesfalls für einen Kampfeinsatz. Eine Versetzung an die Front erfolge fallweise auf eigenen Wunsch, welchen der BF im Verfahrensverlauf aber nicht geäußert hat. Das unspezifische und allgemein gehaltene Vorbringen des BF in der mündlichen Verhandlung, wonach ihn beide Seiten in den Krieg schicken würden, konnte die Länderberichte, wonach ein Fronteinsatz nicht wahrscheinlich ist, nicht entkräften (OZ 7, S 10). Der Einsatz im Nachschub und Objektschutz in Zusammenschau mit den Fähigkeiten des BF lässt eine Beteiligung an Kampfhandlungen oder gar Menschenrechtsverletzungen – entgegen den Befürchtungen des BF (AS 298, 301) – nicht als maßgeblich wahrscheinlich erscheinen.

Im Übrigen gab der BF in seiner Bescheidbeschwerde an, dass eine Verweigerung der Rekrutierung durch die kurdischen Milizen gerade für sunnitische Araber zu einer Verfolgung führe (AS 299). Der BF ist allerdings XXXX , weshalb auch dieses Qualifikationsmerkmal entfällt.

Der BF verneinte glaubhaft Probleme mit der Polizei oder gerichtliche Verurteilungen. Darüber hinaus brachte er vor, dass er weder an Demonstrationen teilgenommen habe, noch politisch tätig sei, weshalb er nie oppositionell gegenüber den XXXX in Erscheinung getreten ist (OZ 7, S 8 f). In der mündlichen Verhandlung gab der BF an, sich mit Politik nicht gut auszukennen, was vor dem Hintergrund, dass er bereits als Kind Syrien verlassen hat nachvollziehbar war (OZ 7, S 8). Wie der BF vor der belangten Behörde bereits angab, stand die Ausreise der Familie des BF aus Syrien im Zusammenhang mit dem Vormarsch des IS (vgl AS 44). Es ergaben sich somit auch aus der konkreten Situation des BF (er war damals noch ein Kind) keine Anhaltspunkte, dass das Verlassen des Heimatstaats in einem Zusammenhang mit dem Wehrdienst bei den kurdischen Milizen stand. Es kamen somit keine Anhaltspunkte hervor, dass der BF eine oppositionelle Gesinnung gegenüber den XXXX hat, bzw dass ihm von den XXXX eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird.

Eine Verweigerung des „Wehrdienstes“ wird von den kurdischen Autonomiebehörden grundsätzlich nicht als Ausdruck einer bestimmten politischen Gesinnung gesehen. Allerdings geht aus den Länderberichten durchaus hervor, dass Araber, die den Selbstverteidigungsdienst verweigern, zwar nicht als Terroristen wahrgenommen, sondern eher als Feiglinge und Gegner der AANES gesehen werden können. Dennoch werden diese vor dem Gesetz gleichbehandelt. Wie bereits ausgeführt, ist der BF XXXX , weshalb unter Berücksichtigung dieser Länderberichte keine Gefahrenerhöhung eintritt. Unter Umständen kann dem BF bei einem Entzug eine Verhaftung, berichtsweise von ein bis zwei Tagen bis zu ein bis zwei Wochen, drohen, sowie eine Verlängerung des Wehrdienstes um einen Monat. Es gibt keine Berichte über Misshandlungen während dieser Haftzeit. Insbesondere gibt es keine Hinweise darauf, dass der BF entweder Opfer von menschenrechtsverletzenden Handlungen werden könnte oder solche begehen müsste (siehe das LIB, Kapitel Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen, Demokratische Selbstverwaltung für Nord- und Ostsyrien; sowie ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188-v2], vom 06.09.2023).

Laut den Länderberichten führt eine Verweigerung weder zu einer anderen Behandlung während des Wehrdienstes, noch zu einer Schikanierung der Familie. Im Übrigen seien die XXXX pragmatisch und es sei ihnen lieber, Araber, die den Dienst verweigern, nicht in der Armee zu sehen, weil sie sich unter Umständen als Verräter entpuppen könnten (vgl ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Konsequenzen bei Verweigerung des Dienstes in den Selbstverteidigungskräften; Konsequenzen für Angehörige; Wahrnehmung von Personen, die den Dienst in den Selbstverteidigungskräften verweigern; Situation von Arabern; Einsatz von Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht an der Front [a-12188-v2], vom 06.09.2023). Wenn nicht einmal wehrdienstverweigernden Arabern eine Misshandlung oder ähnliches Droht, ist nicht ersichtlich, weshalb dies für den BF, als XXXX , denen die kurdischen Milizen wohlgesinnter sind, anders sein sollte.

Da die Familie des BF bereits das Land verließ, bevor der BF, oder einer seiner Brüder wehrpflichtig hinsichtlich der Selbstverteidigungspflicht waren (einer hat studiert, die anderen waren noch zu jung; OZ 7, S 8), war eine Sippenhaftung bzw Reflexverfolgung ebenfalls auszuschließen (AS 304 f, 313)

Zusammenfassend war daher festzustellen, dass dem BF keine Lebensgefahr oder ein Eingriff in seine körperliche Integrität, seitens der kurdischen Milizen droht.

Zur Rückkehr des BF in seinen Heimatort:

Die Feststellung, dass der BF im Fall einer hypothetischen Rückkehr über den Grenzübergang Semalka-Faysh Khabur einreisen könnte, ohne mit dem Regime in Kontakt zu treten ergibt sich aus den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten.

Demnach ist es Personen – wie dem BF –, die aus Gebieten unter Kontrolle der SDF/YPG stammen, gestattet, von außerhalb in die Region Nordostsyrien über den durch die SDF kontrollierten Grenzübergang einzureisen. Der BF benötigt – entgegen dem Vorbringen in der Bescheidbeschwerde (AS 302) – daher auch keine so genannte „Expat-Karte“. Die Möglichkeit der Einreise ist grundsätzlich abhängig von den – unregelmäßigen – Öffnungszeiten dieses Grenzüberganges und die Modalitäten für eine Einreise über den Irak können je nach aktueller (politischer) Lage durchaus variieren. Den Länderinformationen lässt sich aber insgesamt entnehmen, dass eine solche Einreise jedenfalls möglich und zumutbar ist (vgl ACCORD Anfragebeantwortung zu Syrien: Voraussetzungen für Einreise syrischer Staatsangehöriger in Gebiete unter Kontrolle der SDF/YPG in Nordostsyrien; Legale Einreise aus dem Irak bzw. der Türkei; Informationen zum Grenzübergang Semalka - Faysh Khabur; Kontrolle der Grenzübergänge zwischen Nordostsyrien und der Türkei/dem Irak [a-11859-1], vom 06.05.2022).

Dem Beschwerdeführer wäre es nach rechtskräftig negativem Abschluss des Verfahrens unter hypothetischer Annahme einer Einreise in den Irak auch grundsätzlich möglich und zumutbar, sich bei syrischen Vertretungsbehörden einen Reisepass ausstellen zu lassen und damit ein irakisches Visum zu erhalten bzw bei Unzumutbarkeit sich als subsidiär Schutzberechtigter einen Fremdenpass nach § 88 FPG ausstellen zu lassen.

Es ist nicht ersichtlich inwiefern das Vorbringen des BF, dass „alle Hauptverbindungsrouten nach XXXX über Checkpoints bzw. Regimegebiete führen“ von Relevanz wäre (AS 303). Der BF stammt aus XXXX und nicht aus XXXX in der Region Deir Ez-Zor.

Da das Gebiet zwischen dem Grenzübergang und dem (tatsächlichen) Heimatort des BF – mit Ausnahme vereinzelter Regierungsenklaven/Sicherheitsquadrate, die allerdings leicht umgangen werden können – durchgehend unter kurdischer Kontrolle ist, war festzustellen, dass der BF dabei nicht Gefahr läuft in Kontakt mit den syrischen Behörden zu kommen.

2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.1.1. § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, (AsylG) lautet auszugsweise:

Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat. […]

Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Gemäß § 3 Abs 1 AsylG liegt es am BF, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung iSd Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Erlassung der Entscheidung vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der "Asylentscheidung" immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl zuletzt VwGH 29.06.2023, Ra 2022/01/0285, mwN; sowie jüngst unter Hinweis auf diese Entscheidung VfGH 27.2.2023, E 3307/2022).

Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl VwGH 19.04.2023, Ra 2022/14/0056).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention zum Zeitpunkt der Entscheidung an (Hinweis B vom 24. Juni 2014, Ra 2014/19/0046, mwN). In diesem Zusammenhang ist die Frage, ob eine aktuelle Verfolgungsgefahr vorliegt, eine Einzelfallentscheidung, die grundsätzlich - wenn sie, wie vorliegend, auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel ist (Hinweis B vom 28. April 2015, Ra 2015/18/0026, mwH) (VwGH 22.01.2021, Ra 2020/01/0492).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung nämlich nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten (siehe dazu VwGH 23.2.2017, Ra 2016/20/0089 uvm).

In seiner Rechtsprechung zur Rechtslage nach dem AsylG 1997 hat der VwGH in Fällen, in denen Asylwerber nicht aufgrund eines eigenen Entschlusses, sondern unter Zwang aufgrund einer Vertreibung ihren dauernden Aufenthaltsort innerhalb des Herkunftsstaates gewechselt hatten und an dem neuen Aufenthaltsort nicht Fuß fassen konnten (Zustand innerer Vertreibung), den ursprünglichen Aufenthaltsort als Heimatregion angesehen (vgl VwGH 25.05.2020, Ra 2019/19/0192).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und Sanktionen – wie etwa der Anwendung von Folter – jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe eine asylrelevante Verfolgung darstellen (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, Rn 19, mwN; siehe auch VwGH 19.06.2019, Ra 2018/18/0548), wonach es für die Frage eines möglichen Asylanspruchs entscheidend ist, ob einem Beschwerdeführer bei Rückkehr in seinen Herkunftsstaat angesichts des in den Länderfeststellungen ausgewiesenen erhöhten Rekrutierungsdrucks der syrischen Armee und der besonderen Gefährdung von einreisenden Männern im wehrfähigen Alter mit maßgebender Wahrscheinlichkeit eine Einziehung zum Wehrdienst droht (vgl. überdies VwGH 03.05.2022, Ra 2021/18/0250, mit Verweis auf VwGH 21.02.2017, Ra 2016/18/0203; sowie zuletzt VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108, Rn. 27 ff.; siehe auch EuGH 19.11.2020, C 238/19, wonach im Kontext des Bürgerkriegs in Syrien eine starke Vermutung dafürspricht, dass die Weigerung, dort Militärdienst zu leisten, mit einem Grund in Zusammenhang steht, der einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begründen kann; darauf Bezug nehmend zuletzt auch VfGH 20.09.2022, E 1138/2022 und VwGH 26.01.2023, Ra 2022/20/0358; vgl. auch EUAA, Country Guidance: Syria 2023, 74 f).

3.1.2. Wie in der Beweiswürdigung unter Punkt II.2.2 (unter Heranziehung der entsprechenden Länderberichte) dargestellt, ist es dem BF nicht gelungen, glaubhaft zu machen, dass ihm im Falle der Rückkehr nach Syrien, konkret in die Demokratische Selbstverwaltung Nord- und Ostsyrien, Eingriffe in seine körperliche Integrität, eine Verfolgung, Gewalt, oder Lebensgefahr drohen. Er hat keine konkrete und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursachen in einem der in der GFK genannten Gründe hat, glaubhaft machen können.

Zur Verfolgung durch das syrische Regime:

Wie bereits ausgeführt, ist das syrische Regime, aufgrund der kurdischen Kontrolle des Herkunftsortes des BF, nicht dazu in der Lage ihn zum Wehrdienst zu rekrutieren. Der BF kommt auch bei einer hypothetischen Rückkehr nicht mit dem Regime in Kontakt. Mangels Zugriff auf den BF kommen auch den übrigen vorgebrachten Befürchtungen des BF, aufgrund seiner Herkunft aus einem vermeintlich regierungsfeindlichen Gebiet (AS 290, 293), als Rückkehrer (AS 304 f), seiner illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung im Ausland (AS 306 f), seiner familiären Abstammung (AS 316, 318) bzw der damit einhergehenden (nicht durchsetzbaren) Verhaftung/Bestrafung durch das Regime keine Bedeutung zu.

Zur Verfolgung durch die kurdischen Milizen:

Die „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ ist ein de facto autonomes Gebiet im Nordosten von Syrien, das jedoch nicht anerkannt ist. Bereits aus diesem Grund, liegt gegenständlich – mangels Militärdienstes eines souveränen Staates – im Hinblick auf die „Selbstverteidigungspflicht“ in der „Demokratische Selbstverwaltung für Nord und Ostsyrien“ der Tatbestand einer Verfolgungshandlung gemäß Art. 9 Abs. 2 lit. e der Statusrichtlinie nicht vor.

Von einer – nicht asylrelevanten – Zwangsrekrutierung durch einen nichtstaatlichen Akteur ist jene Verfolgung zu unterscheiden, die an die tatsächliche oder nur unterstellte politische Gesinnung anknüpft, die in der Weigerung, sich den Rekrutierenden anzuschließen, gesehen wird. Auf das Auswahlkriterium für die Rekrutierung selbst kommt es in einem solchen Fall nicht an. Dabei ist entscheidend, mit welchen Reaktionen auf Grund der Weigerung, sich dem Willen der Rekrutierenden zu beugen, zu rechnen ist und ob in dem Verhalten eine – sei es auch nur unterstellte – politische oder religiöse oppositionelle Gesinnung erblickt wird (vgl. zum Ganzen VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0079, Rz 15 mwN; auch VfGH 25.02.2019, E4032/2018, Pkt. 2.1., mwN).

Die EU-Asylagentur geht grundsätzlich davon aus, dass die „Selbstverteidigungspflicht“ als Maßnahme einer „Zwangsrekrutierung“ anzusehen sei (vgl. EUAA, Country Guidance Syria 2023, 4.6.).

Für den BF bedeutet das:

Wie festgestellt, ist eine Rekrutierung des BF zur Selbstverteidigungspflicht der XXXX durchaus möglich. Ein Zusammenhang zwischen der Rekrutierungshandlung und einem der in Art 1 Abschnitt A Z 2 genannten Gründe der GFK ist allerdings nicht zu erkennen:

Zum einen ist den Länderberichten zu entnehmen, dass eine Verweigerung des kurdischen Wehrdienstes grundsätzlich nicht als politisch oppositionelle Gesinnung gesehen wird, erst recht nicht bei XXXX , wie dem BF. Darüber hinaus trat der BF bisher nie oppositionell in Erscheinung.

Selbst im Fall einer Verweigerung kamen im Verfahren keine Hinweise auf eine, auf Konventionsgründen beruhende und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende, unverhältnismäßige, Bestrafung des BF hervor. Der UNHCR nennt in seinen Leitlinien aus 2021 lediglich Einzelfälle von Tötungen oder Misshandlungen (vgl FN 649 mit zwei Quellen aus 2019 und 2020) und die aktuelle Berichtslage geht von keinen Misshandlungen aus.

Für das erkennende Gericht besteht somit keine Verbindung zum Konventionsgrund der politischen Gesinnung und den Reaktionen der kurdischen Behörden auf eine Wehrdienstverweigerung. Die (bloß) allgemeine Furcht, sich den Gefahren auszusetzen, die die Ableistung eines Militärdienstes im Kontext eines bewaffneten Konflikts mit sich bringt, findet keine Deckung in den Verfolgungsgründen von Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK (vgl. VwGH 04.07.2023, Ra 2023/18/0108).

Für das erkennende Gericht ist im gegenständlichen Zusammenhang auch bedeutsam, dass die Rekruten im Rahmen der Selbstverteidigungspflicht normalerweise in Bereichen wie Nachschub oder Objektschutz, also nicht in bewusstem Kampfeinsatz, verwendet werden. Auch dies unterscheidet sich von der Einsatzstrategie der syrischen Regierung, wo es durchaus wahrscheinlich ist, dass es auch zu einem Fronteinsatz kommt.

Eine konkrete und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität durch die XXXX , welche ihre Ursachen in einem der in der GFK genannten Gründe hat, konnte der BF somit ebenfalls nicht glaubhaft machen.

Die Durchsicht der aktuellen Länderberichte zur Heimatregion des BF erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Eine aktuelle und maßgebliche Verfolgungsgefahr aus einem Grund, wie sie in der Genfer Flüchtlingskonvention taxativ aufgezählt sind, kann daher nicht angenommen werden.

Dem Vorbringen, wonach der BF bei einer Rückkehr in einem Flüchtlingslager leben müsste, wurde bereits mit der Gewährung von subsidiärem Schutz (siehe Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides) Rechnung getragen (AS 313).

Die Beschwerde betreffend die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten war daher gemäß § 3 Abs 1 AsylG als unbegründet abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor, zumal der vorliegende Fall vor allem im Bereich der Tatsachenfragen anzusiedeln ist. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

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