JudikaturBVwG

W252 2280766-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
22. Januar 2024

Spruch

W252 2280766-1/5Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Elisabeth SCHMUT LL.M. als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen Dr.in Claudia ROSENMAYR-KLEMENZ und Mag.a Adriana MANDL als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , XXXX (mitbeteiligte Partei: XXXX ) gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom 08.09.2023, GZ XXXX in einer datenschutzrechtlichen Angelegenheit, in nichtöffentlicher Sitzung, beschlossen:

A) Das Verfahren wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-416/23 über das Ersuchen des Verwaltungsgerichtshofs vom 27.06.2023, Ra 2023/04/0002 ausgesetzt.

B) Die Revision ist nicht zulässig.

Text

Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Eingabe vom 10.01.2023 erhob der Beschwerdeführer (in Folge: BF) – ursprünglich sowohl in eigenem Namen, als auch stellvertretend für sein minderjähriges Kind – eine Datenschutzbeschwerde. Die mitbeteiligte Partei habe ihn in ihrem Recht auf Auskunft und in seinem Recht auf Geheimhaltung verletzt, indem sie den diesbezüglichen Anträgen nicht entsprochen habe.

2. Mit Bescheid vom 17.01.2023, GZ XXXX lehnte die belangte Behörde die Behandlung der Beschwerde ab. Mit Erkenntnis vom 14.04.2023, GZ W211 2267466-1/9E behob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid und trug der belangten Behörde die Fortsetzung des Verfahrens hinsichtlich der Datenschutzbeschwerde des Beschwerdeführers auf. Die Beschwerde im Namen des minderjährigen Sohnes des Beschwerdeführers wurde mangels Vertretungsbefugnis als unzulässig zurückgewiesen.

3. Mit gegenständlichem Bescheid vom 08.09.2023 lehnte die belangte Behörde die Behandlung der Datenschutzbeschwerde ab. Die Verfahrensführung sei aufgrund des sich wiederholenden und rechtsmissbräuchlichen Charakters der Eingaben des BF als exzessiv einzustufen und die Behandlung daher abzulehnen. Das Verlangen einer „angemessenen Gebühr“ sei im vorliegenden Fall nicht zweckmäßig, da die Verfahrensführung unverhältnismäßig nachteilige Folgen für die mitbeteiligte Partei bedeute und sich der BF in einer prekären Vermögenssituation befinde.

4. Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF vom 05.10.2023. Die belangte Behörde gehe unrichtig von einer exzessiven Verfahrensführung aus und das Verfahren sei fortzuführen.

5. Die belangte Behörde legte die Beschwerde mit Schriftsatz vom 07.11.2023, hg eingelangt am 07.11.2023, vor und beantragte – unter Verweis auf die Begründung des angefochtenen Bescheids – sowie Darlegung des Umfangs der Eingaben des BF,10 die Beschwerde abzuweisen.

Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den Verwaltungs- und Gerichtsakt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 27.06.2023, Ra 2023/04/0002 folgende Fragen an den EuGH, dort anhängig unter C-416/23, zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1. Ist der Begriff "Anfragen" oder "Anfrage" in Art. 57 Abs. 4 der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO) dahin auszulegen, dass darunter auch "Beschwerden" nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO zu verstehen sind?

Falls die Frage 1 bejaht wird:

2. Ist Art. 57 Abs. 4 DSGVO so auszulegen, dass es für das Vorliegen von "exzessiven Anfragen" bereits ausreicht, dass eine betroffene Person bloß innerhalb eines bestimmten Zeitraums eine bestimmte Zahl von Anfragen (Beschwerden nach Art. 77 Abs. 1 DSGVO) an eine Aufsichtsbehörde gerichtet hat, unabhängig davon, ob es sich um unterschiedliche Sachverhalte handelt und/oder die Anfragen (Beschwerden) unterschiedliche Verantwortliche betreffen, oder bedarf es neben der häufigen Wiederholung von Anfragen (Beschwerden) auch einer Missbrauchsabsicht der betroffenen Person?

3. Ist Art. 57 Abs. 4 DSGVO so auszulegen, dass die Aufsichtsbehörde bei Vorliegen einer "offenkundig unbegründeten" oder "exzessiven" Anfrage (Beschwerde) frei wählen kann, ob sie eine angemessene Gebühr auf der Grundlage der Verwaltungskosten für deren Bearbeitung verlangt oder deren Bearbeitung von vornherein verweigert; verneinendenfalls welche Umstände und welche Kriterien die Aufsichtsbehörde zu berücksichtigen hat, insbesondere ob die Aufsichtsbehörde verpflichtet ist, vorrangig als gelinderes Mittel eine angemessene Gebühr zu verlangen, und erst im Fall der Aussichtslosigkeit einer Gebühreneinhebung zur Hintanhaltung offenkundig unbegründeter oder exzessiver Anfragen (Beschwerden) berechtigt ist, deren Bearbeitung zu verweigern?“.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen hinsichtlich der dem VwGH vorgelegten Fragen ergeben sich aus dem Beschluss des VwGH vom 27.06.2023, Ra 2023/04/0002, sowie einer Nachschau auf der Website des EuGH (curia.europa.eu), auf der das Vorabentscheidungsersuchen mit der entsprechenden Verfahrenszahl aufscheint.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

3.1. Gemäß § 38 AVG, der gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden ist, kann eine Behörde ein Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage, die als Hauptfragen von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten zu entscheiden wären, aussetzen, wenn die Vorfrage schon den Gegenstand eines anhängigen Verfahrens bei ua dem zuständigen Gericht bildet oder ein solches Verfahren gleichzeitig anhängig gemacht wird.

3.2. Eine Hauptfrage in diesem Sinne kann auch eine Vorlagefrage eines beim EuGH anhängigen Vorabentscheidungsverfahren sein. Sie berechtigt zur Aussetzung nach § 38 AVG, wenn sie für das verwaltungsgerichtliche Verfahren präjudiziell ist (vgl zB VwGH 13.12.2011, 2011/22/0316). Präjudiziell ist eine Rechtsfrage dabei auch zu einer "bloß" ähnliche Rechtsfrage, und zwar auch dann, wenn nicht dieselbe gesetzliche Regelung desselben Gesetzgebers betroffen ist (vgl VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0068).

3.3. Im vorliegenden Fall sind die vom Verwaltungsgerichtshof an den Europäischen Gerichtshof herangetragenen Vorlagefragen für die Behandlung der hier zu klärenden Rechtsfragen, ob die gegenständliche Datenschutzbeschwerde als „Anfrage“ iSd Art 57 Abs 4 DSGVO zu qualifizieren ist, welche Voraussetzungen für die Beurteilung „Exzessivität“ von Anfragen gelten und wie die belangte Behörde mit derartigen Anfragen umzugehen hat, maßgeblich. Die vorgelegten Rechtsfragen sind den im gegenständlichen Verfahren zu lösenden Rechtsfragen im Sinne der oben angeführten Judikatur jedenfalls ähnlich und auch präjudiziell. Die vorgelegten Fragen sind für das gegenständliche Verfahren relevant, um den Umfang der Ablehnungsbefungis bzw der Gebühreneinhebung der belangten Behörde beurteilen zu können.

3.4. Es wird daher die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens – mit nicht bloß verfahrensleitenden Beschluss (vgl VwGH 20.12.2017, Ra 2017/12/0119) – bis zur Vorabentscheidung durch den EuGH in der Rechtssache C-416/23 beschlossen.

3.5. Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Hinsichtlich der Anwendung des § 38 AVG konnte sich das erkennende Gericht auf eine – jeweils zitierte – gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs stützten. Die Beurteilung, dass die gegenständliche – bei einem anderen Gericht (dem EuGH) anhängige – Rechtsfrage, für das hiergerichtliche Verfahren präjudiziell bzw „ähnlich“ ist, erfolgte anhand der vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Grundsätze und ist als einzelfallbezogene Beurteilung nicht reversibel (vgl VwGH 13.09.2017, Ra 2017/12/0068).

Rückverweise