JudikaturBVwG

L502 2265584-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
11. Januar 2024

Spruch

L502 2265584-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Nikolas BRACHER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Jordanien, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.12.2022, FZ. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.09.2023 zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte im Gefolge seiner illegalen Einreise in das Bundesgebiet am 29.01.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Noch am selben Tag erfolgte seine Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In weiterer Folge wurde das Verfahren zugelassen.

3. Mit Parteiengehör vom 11.05.2022 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) aufgefordert, vorab Fragen zu seinem Antrag auf internationalen Schutz zu beantworten. Eine Stellungnahme des BF blieb aus.

4. Am 11.07.2022 wurde er vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dessen legte er mehrere Dokumente, darunter medizinische Befunde und Internetberichte über Jordanien, vor. Am 22.07.2022 reichte er weitere Unterlagen nach.

5. Mit dem im Spruch genannten Bescheid des BFA vom 13.12.2022 wurde sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Jordanien (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Jordanien zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise gewährt (Spruchpunkt VI.).

6. Mit Information des BFA vom 13.12.2022 wurde ihm von Amts wegen gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren beigegeben.

7. Gegen den am 16.12.2022 zugestellten Bescheid wurde mit Schriftsatz seiner zugleich bevollmächtigten Vertretung vom 12.01.2023 fristgerecht Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

8. Die Beschwerdevorlage langte am 16.01.2023 beim Bundesverwaltungsgericht (BVwG) ein und wurde das Beschwerdeverfahren der Gerichtsabteilung L502 zugewiesen.

9. Das BVwG erstellte aktuelle Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), dem Betreuungsinformationssystem, dem Strafregister, dem AJ-Web sowie dem Zentralen Melderegister (ZMR).

10. Am 26.09.2023 wurde beim BVwG eine mündliche Verhandlung in der Sache des BF in dessen Anwesenheit sowie der seines Vertreters und eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch durchgeführt.

11. Mit Eingabe seiner Vertretung vom 10.10.2023 wurde eine Kopie einer Beschäftigungsbewilligung zu Gunsten des BF nachgereicht.

12. Am 19.10.2023 legte der BF Screenshots aus sozialen Netzwerken vor.

13. Am 13.11.2023 langte die vom BVwG veranlasste Übersetzung dieser Beweismittel ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der oben wiedergegebene Verfahrensgang steht fest.

1.2. Die Identität des BF steht nicht fest. Er ist jordanischer Staatsangehöriger, gehört der arabischen Volksgruppe an und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig und kinderlos.

Er wurde in XXXX geboren und lebte vor seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Familie in einer Eigentumswohnung in Amman. In Jordanien besuchte er für 12 Jahre die Schule und arbeitete von 2015 bis 2020 in der jordanischen Armee als Berufssoldat. Zuletzt vor seiner Ausreise arbeitete er in einem Geschäft für Fruchtsäfte. Anfang des Jahres 2021 verließ er Jordanien und reiste spätestens am 29.01.2022 in das Bundesgebiet ein.

Seine Eltern sowie seine zwei Brüder und zwei Schwestern leben nach wie vor in Amman. Sein Vater arbeitet an einer Universität, ein Bruder ist Küchenchef in einem Restaurant und eine Schwester ist Konditorin.

Er verfügt in Österreich über keine familiären oder maßgeblichen privaten Anknüpfungspunkte.

Er bezog bis Mai 2023 Leistungen der staatlichen Grundversorgung.

Vom 17.06.2022 bis zum 20.06.2022 war er ohne gültiges Arbeitsmarktdokument bei einer Supermarktkette beschäftigt. Für das Dienstverhältnis vom 16.08.2022 bis zum 27.10.2022 beim selben Arbeitgeber lag eine Beschäftigungsbewilligung vor. Von März 2023 bis März 2024 wurde zu seinen Gunsten eine Beschäftigungsbewilligung als Kommissionierer erteilt. Seit Anfang April 2023 ist er als Lagermitarbeiter in einem Supermarkt beschäftigt.

Er ist in Österreich keiner ehrenamtlichen Tätigkeit nachgegangen.

Er hat an einem Alphabetisierungskurs teilgenommen und sich für einen A1-Kurs angemeldet, hat jedoch noch keine Sprachprüfungen abgelegt. Er kann sich in gebrochenem Deutsch verständigen. Seine Muttersprache ist Arabisch.

Bei ihm wurden in der Vergangenheit Schlafstörungen und eine Anpassungsstörung diagnostiziert bzw. die Verdachtsdiagnose Posttraumatische Belastungsstörung gestellt. Aktuell nimmt er keine Medikamente ein. Er leidet aktuell an keiner gravierenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung und ist voll erwerbsfähig.

Er ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.3. Er hat Jordanien nicht aufgrund individueller Verfolgung durch staatliche Organe oder durch Dritte verlassen und ist auch bei einer Rückkehr dorthin nicht der Gefahr einer solchen ausgesetzt.

Er ist bei einer Rückkehr nach Jordanien auch nicht aus sonstigen individuellen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort einer maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt und findet dort eine hinreichende Existenzgrundlage vor.

1.4. Zur aktuellen Lage im Jordanien werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten Quellen getroffen:

Politische Lage

Jordanien ist eine konstitutionelle Erbmonarchie (AA 3.2.2022a; vgl. AA 3.2.2022b) und als Zentralstaat mit zwölf Gouvernements organisiert (AA 3.2.2022b). Staatsoberhaupt ist König Abdullah II (AA 3.2.2022b; vgl. USDOS 12.4.2022). König Abdullah II regiert das Land seit 1999, als er seinem Vater, König Hussein, der Jordanien 47 Jahre lang regiert hatte, auf den Thron folgte. Die königliche Familie der Hashemiten beruft sich auf die Abstammung vom Propheten Mohammed (CRS 14.4.2022). König Abdullah II gilt als quasi-neutrale Autorität, die die Einheit Jordaniens gewährleistet. Obwohl die königliche Familie weder zu den transjordanischen Stämmen noch zur Mehrheitsgesellschaft gehört, die aus den palästinensischen Gebieten nach Jordanien geflohen ist, wird sie akzeptiert (Deutschlandfunk Kultur 20.1.2022). Der Islam ist Staatsreligion (FH 28.2.2022). Die Staats- und Amtssprache ist Arabisch (BMEIA 19.7.2022).

Formal sind Exekutive, Legislative und Judikative unabhängig. Faktisch ist die Gewaltenteilung außer Kraft gesetzt, da der König über weitreichende Kompetenzen verfügt (AA 3.2.2022b). Die jordanische Verfassung verleiht dem König weitreichende Exekutivbefugnisse: Er ernennt den Premierminister und kann ihn entlassen. Er hat auch die alleinige Befugnis, den Kronprinzen, hochrangige Militärs, Richter des Verfassungsgerichts und alle 75 Mitglieder des Senats sowie die Minister des Kabinetts zu ernennen. Die Verfassung ermöglicht es dem König, beide Kammern des Parlaments aufzulösen und die Wahlen zum Unterhaus um zwei Jahre zu verschieben. Der König kann das Parlament durch einen Verfassungsmechanismus umgehen, der es dem Kabinett erlaubt, vorläufige Gesetze zu erlassen, wenn das Parlament nicht tagt oder aufgelöst wurde (CRS 14.4.2022). Die jüngsten jordanischen Verfassungsänderungen im Jahr 2022 konzentrieren die Macht des Königs noch stärker in der Exekutive. Die umstrittenste der vom Parlament verabschiedeten umfangreichen Änderungen ist diejenige, die es dem König erlaubt, wichtige Ernennungen per königlichem Dekret vorzunehmen, ohne den Ministerrat zu konsultieren. Der jordanische Monarch kann nun den Obersten Richter, den Vorsitzenden des Scharia-Rates, den Großmufti, den Vorsitzenden des Königlichen Gerichtshofs, den Minister des Gerichtshofs und die Berater des Königs ernennen und entlassen. Obwohl der König in der Praxis immer das letzte Wort bei all diesen Entscheidungen hatte, sehen Oppositionsgruppen diese neuen Änderungen als einen Versuch, verfassungswidrige Verstöße zu legalisieren. Sie befürchten, dass die „parlamentarische Monarchie“, die in der Verfassung von 1952 verankert ist, ausgehebelt wird (Carnegie 1.3.2022).

Das jordanische Parlament besteht aus zwei Kammern, dem vom Volk gewählten Repräsentantenhaus (Majlis al-Nuwwab) und einem vom König ernannten Senat (Majlis al-Ayan) (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Wahlen sind ein Merkmal des jordanischen politischen Systems. Die Mitglieder der Gemeinderäte, der Gouverneursräte sowie des Repräsentantenhaus werden in freien Wahlen bestimmt (BS 23.2.2022). Die Wahlen werden von der Unabhängigen Wahlkommission (IEC) geleitet, die von internationalen Beobachtern in Bezug auf die technische Durchführung im Allgemeinen positiv bewertet wird, obwohl immer wieder von Unregelmäßigkeiten berichtet wird. Die Mitglieder der IEC werden per königlichem Dekret ernannt (FH 28.2.2022). Die Mitglieder des Repräsentantenhauses werden in 23 Wahlbezirken mit mehreren Mitgliedern gewählt, wobei 15 Sitze für weibliche Spitzenkandidaten reserviert sind, die in den Bezirken keinen Sitz erringen konnten. Zwölf Bezirkssitze sind für religiöse und ethnische Minderheiten reserviert (FH 28.2.2022). Bürger palästinensischer Herkunft machen die Mehrheit der Gesamtbevölkerung aus (FH 28.2.2022), sind aber politisch unterrepräsentiert (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Die Wahlbezirke sind so gestaltet, dass ländliche Gebiete gegenüber städtischen Gebieten bevorzugt werden, wodurch die Vertretung von Gebieten, die stark von Jordaniern palästinensischer Herkunft bewohnt werden, die einen großen Teil der 10,5 Millionen Einwohner des Landes ausmachen, beeinträchtigt wird. Die städtischen Gebiete sind auch Hochburgen der Muslimbruderschaft, die den Großteil ihrer Unterstützung aus der palästinensischen Bevölkerung bezieht (KAS 2.2021). Darüber hinaus begünstigt das Wahlsystem stammesverbundene Unabhängige gegenüber politischen Parteien mit spezifischen Ideologien und Programmen, was auch für die auf Klientelismus basierende politische Kultur gilt (FH 28.2.2022).

Die letzte Wahl, die inmitten der COVID-19-Pandemie am 10. November 2020 stattfand, hatte mit 29,88 % der Wahlberechtigten die niedrigste offizielle Wahlbeteiligung seit Jahrzehnten. Obwohl es Vorwürfe über unseriöses Verhalten gab, wird der Ablauf des Wahltages insgesamt als Erfolg gewertet. Die Beibehaltung des vorgesehenen Wahlzyklus war zwar ein positives Zeichen für die Demokratie, doch die dahinter stehenden Abläufe unterstrichen das anhaltende Fehlen von politischen Wettbewerb. Die niedrige Wahlbeteiligung ist zum einen auf die Besorgnis der Gesellschaft über das Coronavirus zurückzuführen, aber auch auf das mangelnde Vertrauen in das etablierte Wahlverfahren, ein Parlament hervorzubringen, das im Gegensatz zu persönlichen und familiären Interessen ein breites bürgerliches Spektrum vertritt (BS 23.2.2022).

Parteiunabhängige Abgeordnete, von denen viele Stammesangehörige und Geschäftsleute sind, die als loyal gegenüber der Monarchie gelten, gewannen 133 Sitze. Das politische System - einschließlich der Überrepräsentation ländlicher Wähler - schränkt die Möglichkeiten einer parteibasierten Opposition signifikante Gewinne zu erzielen ein. Die Islamische Aktionsfront (IAF) und ihr Verbündeter, die Islah-Allianz, errangen bei den Wahlen im November 2020 zusammen 8,7 % der Sitze im Repräsentantenhauses (FH 28.2.2022).

In den Wahlen wurde kein Premierminister und keine Regierung gewählt. Stattdessen ernannte der König Bisher al-Khasawneh zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Zusammenstellung eines Kabinetts (BS 23.2.2022). Die verfassungsrechtliche Autorität der Monarchie führt dazu, dass keine Oppositionskraft die Kontrolle über die Exekutive allein mit demokratischen Mitteln gewinnen kann. Der bereits 2016 beobachtete Stimmenkauf wurde bei der Wahl im November 2020 häufiger, was teilweise auf die durch die Pandemie verursachte schlechte wirtschaftliche Lage zurückzuführen ist (FH 28.2.2022).

Frauen haben gleiche politische Rechte, und weibliche Kandidaten haben in der Vergangenheit Sitze außerhalb der gesetzlichen Quoten für das Parlament und die subnationalen Räte gewonnen, aber kulturelle Vorurteile sind in der Praxis weiterhin ein Hindernis für die volle Beteiligung von Frauen. Bei den Wahlen im November 2020 gewann keine Frau einen zusätzlichen Sitz im Parlament, der über die Quote von 15 Sitzen hinausgeht (FH 28.2.2022).

Die jordanische Regierung hat die Bemühungen um eine dauerhafte Beendigung des israelisch-palästinensischen Konflikts seit langem als eine ihrer höchsten Prioritäten bezeichnet. Im Jahr 1994 unterzeichneten Jordanien und Israel einen Friedensvertrag. Fast 28 Jahre nach der Unterzeichnung des jordanisch-israelischen Friedensvertrags stellt der anhaltende israelisch-palästinensische Konflikt nach wie vor eine große Herausforderung für Jordanien dar. Die Frage der Rechte der Palästinenser hallt in weiten Teilen der Bevölkerung nach und der Konflikt hat die Bemühungen um eine Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen Jordaniern und Israelis beeinträchtigt (CRS 14.4.2022). Auf internationaler Ebene ist Jordanien nach wie vor eines der wichtigsten Aufnahmeländer für Flüchtlinge aus dem Irak, Syrien und (in geringerem Maße) dem Jemen. Sowohl in politischer und wirtschaftlicher, als auch in sozialer Hinsicht stellen die Flüchtlinge aus den benachbarten Konfliktländern, die Jordanien aufnimmt, eine große Belastung für die jordanische Bevölkerung dar (BS 23.2.2022).

Sicherheitslage

Laut den Sicherheits- und Reiseinformationen des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland besteht insbesondere aufgrund der Lage in Syrien und im Irak landesweit die Gefahr von Terroranschlägen in Jordanien und eine Sicherheitsgefährdung, auch an Orten, die von Ausländern besucht werden. Die jordanischen Behörden haben daher ihre Sicherheitsvorkehrungen an diesen Orten entsprechend erhöht (AA 14.7.2022). An den Grenzen zu Syrien und dem Irak kommt es wiederholt zu Zwischenfällen und vereinzelten Auseinandersetzungen. Das syrisch-jordanische und das irakisch-jordanische Grenzgebiet sind militärisches Sperrgebiet (AA 14.7.2022; vgl. BMEIA 14.7.2022).

Terroristische Anschläge stellen weiterhin eine Bedrohung für die physische Sicherheit dar. Im November 2019 erklärten die jordanischen Behörden, sie hätten Anfang des Jahres einen Anschlag auf US-amerikanische und israelische Ziele im Land vereitelt; zwei Verdächtige, die sich angeblich von der militanten Gruppe Islamischer Staat (IS) inspirieren ließen, standen damals vor Gericht (FH 28.2.2022).

Es kommt sowohl in der Hauptstadt Amman als auch in anderen Städten und Ortschaften des Landes vor allem an den Wochenenden nach dem Freitagsgebet des Öfteren zu Demonstrationen und Protestaktionen, in denen verschiedene Bevölkerungsgruppen ihre wirtschaftlichen, sozialen und politischen Forderungen artikulieren. In der Folge kann es zu Verkehrsbeeinträchtigungen und auch vereinzelten gewaltsamen Auseinandersetzungen kommen (AA 14.7.2022).

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz sieht eine unabhängige Justiz vor, was laut US-amerikanischem Außenministerium im Allgemeinen auch respektiert wird (USDOS 12.4.2022). Laut der NGO Freedom House wird die Unabhängigkeit der Justiz allerdings auch eingeschränkt und ordnungsgemäße Verfahren können häufig nicht gewährleistet werden. Nach den Verfassungsänderungen von 2016 ernennt der König einseitig das gesamte Verfassungsgericht und den Vorsitzenden des Justizrates, der die Richter für das Zivilgerichtssystem benennt und sich überwiegend aus hochrangigen Mitgliedern der Justiz zusammensetzt. Die Richter, sowohl des Zivilgerichts als auch des Scharia-Gerichts (islamisches Recht), die sich mit Personenstandsangelegenheiten von Muslimen befassen, werden per königlichem Erlass formell ernannt. Das Jusitzministerium ist befugt, die Richter zu überwachen, sie zu befördern und ihre Gehälter festzulegen, was die Autonomie der Richterschaft schwächt (FH 28.2.2022).

Per Gesetz sind alle Zivilgerichtsverhandlungen und Verhandlungen zu staatssicherheits-relevanten Fällen öffentlich, es sei denn das Gericht beschließt, dass es für den Schutz der Allgemeinheit notwendig ist, die Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit abzuhalten. Es gilt die Unschuldsvermutung (USDOS 12.4.2022). Die Polizei kann Verdächtige bis zu sechs Monate festhalten, ohne formelle Anklage zu erheben, und die Gouverneure sind befugt, Verwaltungshaft bis zu einem Jahr zu verhängen. In der Praxis ignorieren die Behörden oft die verfahrensrechtlichen Schutzvorkehrungen gegen willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen und halten Personen ohne Kontakt zur Außenwelt oder über die gesetzlichen Fristen hinaus fest. Angeklagte haben in der Regel vor Prozessbeginn keinen Zugang zu einem Rechtsbeistand, was ihre Möglichkeiten zur Verteidigung beeinträchtigt. Trotz eines verfassungsrechtlichen Verbots akzeptieren Gerichte unter Folter erzwungen Geständnisse (FH 28.2.2022). Angeklagte haben das Recht auf einen Rechtsbeistand, der – im Fall von Anklagen für Verbrechen, die mit der Todesstrafe bzw. lebenslänglicher Haft bestraft werden – bedürftigen Personen auf Staatskosten zur Verfügung gestellt wird (USDOS 12.4.2022). Jedoch haben in der Praxis viele Angeklagte in strafrechtlichen Fällen vor und während des Verfahrens keinen Rechtsbeistand (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Die Behörden missachten das Recht der Angeklagten auf frühzeitige und detaillierte Information über ihre Anklagepunkte, auch wurde ihnen oft keine angemessene Zeit zur Vorbereitung des Gerichtsprozesses zur Verfügung gestellt. Ausländische Einwohner, insbesondere Gastarbeiter, die nicht arabisch sprechen, erhielten zum Teil keine Übersetzungen bzw. keinen Rechtsbeistand. Angeklagte können Einspruch erheben. In Zusammenarbeit mit der jordanischen Anwaltskammer und einer Menschenrechts-NGO richtete das Justizministerium eine Stelle ein, die, wie es das Gesetz vorsieht, Zeugen und Angeklagten Rechtsbeistand leisten soll (USDOS 12.4.2022).

Gegen alle Urteile des Staatssicherheitsgerichts (SSC) wird automatisch Berufung beim höchsten Gericht des Landes, dem zivilen Kassationsgerichtshof, eingelegt, der für die Überprüfung von Sach- und Rechtsfragen zuständig ist (USDOS 12.4.2022).

Die Behörden hielten weiterhin Verdächtige nach dem Verbrechensverhütungsgesetz von 1954 fest, das Haftstrafen von bis zu einem Jahr ohne Anklage, Gerichtsverfahren oder andere Rechtsmittel zuließ (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Lokalen und Internationalen NGOs zufolge nahmen die Behörden routinemäßig Frauen in „Schutzhaft“ (eine Art informeller Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren), um Fälle von außerehelichem Geschlechtsverkehr über Abwesenheit von zu Hause bis hin zur sexuellen Gewalt zu bearbeiten, die Frauen dem Risiko sogenannter „Ehrenverbrechen“ aussetzen könnten. Seit 2018 werden Frauen, die von geschlechtsspezifischer Gewalt und „Ehren“-Verbrechen bedroht sind, an Schutzeinrichtungen des Ministeriums für soziale Entwicklung verwiesen. Nach Angaben des Ministeriums für soziale Entwicklung wurden zwischen Oktober 2020 und September 2021 etwa 103 Frauen für unterschiedliche Zeiträume in die Unterkünfte des Ministeriums überwiesen (USDOS 12.4.2022).

Die Zivilgesellschaft in Jordanien hat ihre Wurzeln im Stammessystem, das tief in der Gesellschaft verankert ist und neben dem formellen Rechtssystem funktioniert. Die Stämme in Jordanien spielen eine politische Rolle, bieten ein alternatives Rechtssystem und erbringen Dienstleistungen für die Gemeinschaften. Das formelle Rechtssystem, das die Gesellschaften definiert, beseitigt das Stammeskonzept der Familien nicht (ICNL 15.4.2022). Stammestribunale und Stammesrechtsbräuche (z.B. „Jalwa“, die Verbannung von Großfamilien als kollektive Bestrafung für die verurteilten Verbrechen eines Familienmitglieds) können in die reguläre Gerichtsbarkeit einfließen (BS 23.2.2022).

Sicherheitsbehörden

Das Direktorat für öffentliche Sicherheit (PSD, Public Security Directorate) ist für die Strafverfolgung zuständig und untersteht dem Innenministerium (USDOS 12.4.2022). Das PSD und das GID (General Intelligence Department, Anm.: der Geheimdienst, arabisch "Mukhaabaraat") teilen sich die Verantwortung für die Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit. Das GID berichtet in der Praxis direkt dem König. Die Streitkräfte unterstehen verwaltungstechnisch dem Verteidigungsminister und haben eine unterstützende Funktion für die innere Sicherheit. Es gibt kein separates Verteidigungsministerium; der Premierminister fungiert auch als Verteidigungsminister. Die zivilen Behörden halten eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Es gab glaubwürdige Berichte, dass Angehörige der Sicherheitskräfte einige Übergriffe begangen haben (USDOS 12.4.2022).

Der König ernennt eigenmächtig die Leitung der Streitkräfte, des Geheimdienstes und der Gendarmerie (FH 28.2.2022). Polizeibeamte müssen sich vor Polizeigerichten verantworten, wenn sie entweder strafrechtlich oder verwaltungsrechtlich bestraft werden sollen. Das National Center for Human Rights (NCHR) und mehrere Nichtregierungsorganisationen (NGOs) forderten wiederholt, dass Polizeibeamte, die grober Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, vor unabhängigen Zivilgerichten und nicht vor Polizeigerichten verurteilt werden sollten. Da diese dem Innenministerium unterstehen und nach Ansicht der NGOs als weniger unabhängig gelten. Die NGOs beklagten sich häufig darüber, dass sie keinen Zugang zu Informationen über die Ergebnisse der Verfahren erhalten haben (USDOS 12.4.2022).

Es gab keine Berichte über willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen durch Sicherheitskräfte. Es gab Entwicklungen in Bezug auf Todesfälle in Gewahrsam aus den Vorjahren. Beispielsweise äußerte eine NGO ihre Besorgnis darüber, dass nach dem Tod einer namentlich nicht genannten Person in einem Krankenhaus in Irbid, nicht genügend Informationen öffentlich zugänglich seien, um eine willkürliche oder unrechtmäßige Tötung durch Sicherheitskräfte auszuschließen (USDOS 12.4.2022).

Folter und unmenschliche Behandlung

Die Verfassung verbietet Folter, einschließlich psychischer Schäden, durch Amtsträger und sieht Strafen von bis zu drei Jahren Freiheitsentzug für ihre Anwendung vor, bei schweren Verletzungen bis zu 15 Jahre (USDOS 12.4.2022). Während das Gesetz solche Praktiken verbietet, berichten internationale und lokale NGOs weiterhin über Folter und Misshandlungen in Polizei- und Sicherheitsgefängnissen (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Laut der NGO Freedom House werden solche Praktiken häufig angewandt (FH 28.2.2022).

Laut Angaben des PSD wurden zwischen Oktober 2020 und September 2021 81 Beschwerden gegen Beamte wegen angeblicher Schädigung (ein geringerer Vorwurf als Folter, bei dem kein Vorsatz nachgewiesen werden muss) gemeldet; 64 Beschwerden wurden an die Gerichte weitergeleitet. Das Büro für Menschenrechte und Transparenz meldete, dass im selben Zeitraum 12 Anschuldigungen wegen Folter und Misshandlung in Gefängnissen und Rehabilitationszentren eingegangen seien (USDOS 12.4.2022).

Korruption

Der Corruption Perception Index von Transparency International liegt im Fall von Jordanien bei 49/100 (0 für sehr korrupt, 100 für nicht korrupt). Jordanien belegt damit im Ranking den 58sten von 180 Plätzen (TI 2022; vgl. TI 25.1.2022). Die geringe Gewaltenteilung zwischen der Exekutive und dem Parlament begünstigt die Korruption ebenso wie das Hinauszögern der seit Jahren versprochenen demokratischen Reformen (TI 25.1.2022).

Während der COVID-19-Pandemie hat die Regierung Berichten zufolge Sicherheitsmaßnahmen missbraucht, um die Versammlungs- und Redefreiheit zu verletzen. Das Cybersicherheitsgesetz von 2019 war ein entscheidendes Instrument zur Einschränkung dieser Rechte und zur Beschränkung des Zugangs zu Informationen. Die Regierung hat auch auf die Verhaftung und Inhaftierung von Journalisten zurückgegriffen, die die staatliche Reaktion auf die Pandemie kritisiert haben (TI 25.1.2022). Aktivisten und Journalisten fanden es schwierig, Zugang zu staatlichen Berichten und Statistiken zu erhalten. Sie führten den mangelnden Zugang auf die ineffiziente Aktenführung und die Vorenthaltung von Informationen durch die Regierung zurück (USDOS 12.4.2022).

Die Regierung hat Bemühungen unternommen, um die weitverbreitete Korruption zu bekämpfen. Die Integrity and Anticorruption Commission (JIACC) ist als Antikorruptionsbehörde zuständig für die Untersuchung von Korruptionsvorwürfen. Erfolgreiche strafrechtliche Verfolgung bleibt allerdings selten, vor allem wenn es sich um hochrangige Beamte handelt (FH 28.2.2022). Die Behörden zeigten in den letzten Jahren eine zunehmende Bereitschaft, Ermittlungen wegen Korruption im öffentlichen Dienst einzuleiten. Gerichte verurteilten im Laufe des Jahres einen ehemaligen Minister für öffentliche Arbeiten und Wohnungsbau, den Generaldirektor der Zollbehörde und mehrere lokale Mandatsträger in getrennten Verfahren. Die Nutzung von familiären, geschäftlichen und anderen persönlichen Verbindungen zur Förderung persönlicher wirtschaftlicher Interessen ist weit verbreitet (USDOS 12.4.2022).

„Wasta“-Netzwerke - oder die Bevorzugung durch persönliche Beziehungen - sind in Jordanien weit verbreitet und führen zu Vetternwirtschaft, die Unternehmen und Sektoren dazu veranlasst, Mitarbeiter innerhalb ihrer eigenen Teilgemeinschaften einzustellen. Die Regierung war bislang nicht in der Lage, das Erbe der mit der Elite verbundenen Privilegien und Wasta-Netzwerke zu überwinden und gleichzeitig Sparmaßnahmen zu ergreifen. Da die Korruption in Jordanien immer stärker wahrgenommen wird, fühlen sich große Teile der jordanischen Gesellschaft von der herrschenden Klasse und der von ihr gesteuerten Wirtschaftspolitik entfremdet (FES 10.2020). Auch dem Justizsystem mangelt es an Unabhängigkeit, was dazu führt, dass ein ordnungsgemäßes Verfahren wird häufig nicht gewährleistet werden kann (FH 28.2.2022).

NGOs und Menschenrechtsaktivisten

Eine Reihe von nationalen und internationalen Menschenrechtsgruppen sind mit einigen Einschränkungen im Land tätig. Das Gesetz gibt der Regierung die Möglichkeit, die inneren Angelegenheiten der NGOs zu kontrollieren, einschließlich der Annahme ausländischer Gelder (USDOS 12.4.2022). Zwar können viele lokale und internationale NGOs im Land tätig sein, doch gibt es erhebliche Beschränkungen für die Zivilgesellschaft. Das Ministerium für soziale Entwicklung verfügt über weitreichende Aufsichtsbefugnisse über die Tätigkeit der NGOs. Es ist befugt, die Registrierung und die Beantragung ausländischer Mittel zu verweigern und kann Organisationen auflösen, die es für bedenklich hält. Die Vorstandsmitglieder von NGOs müssen von staatlichen Sicherheitsbeamten überprüft werden. In der Praxis werden diese Vorschriften auf undurchsichtige und willkürliche Weise angewandt (FH 28.2.2022).

In Jordanien sind NGOs im Allgemeinen in der Lage, Menschenrechtsverletzungen zu untersuchen und öffentlich darüber zu berichten, obwohl Regierungsbeamte nicht immer kooperativ sind. Eine Rechtshilfeorganisation berichtete, dass Anwälte weiterhin schikaniert werden, wenn sie gewisse Fälle verfolgen. Ihnen wurde von der jordanischen Anwaltskammer der Ausschluss aus der Anwaltschaft angedroht (USDOS 12.4.2022). Viele formelle zivilgesellschaftliche Organisationen in Jordanien konzentrierten sich zunächst auf karitative Aktivitäten. Nach dem Beitritt Jordaniens zu internationalen Übereinkommen wie beispielsweise dem UN-Übereinkommen über bürgerliche und politische Rechte wurden einige Organisationen gegründet, um die Öffentlichkeit für die Menschenrechte, einschließlich des Versammlungs- und Vereinigungsrechts, zu sensibilisieren (ICNL 15.4.2022).

Das Gesetz verlangt, dass der Gouverneur mindestens 48 Stunden vor der Abhaltung von Sitzungen oder Veranstaltungen lokaler oder internationaler NGOs darüber informiert wird. Mehrere NGOs berichteten, dass Hotels vor der Durchführung von Schulungen, privaten Treffen oder öffentlichen Konferenzen von ihnen die Vorlage eines entsprechenden Genehmigungsschreibens des Gouverneurs verlangten, wobei derartige Genehmigungen durchaus auch verweigert wurden. Ohne Genehmigungsschreiben der Regierung wurden die Veranstaltungen und Schulungen von den Hotels abgesagt. In einigen Fällen verlagerten NGOs die Veranstaltungen und Schulungen in private Büros. NGOs konnten ihre Aktivitäten freier durchführen, wenn sie Videokonferenzsoftware verwendeten, da die Behörden diese Online-Plattformen nicht zensieren konnten (USDOS 12.4.2022).

Wehrdienst und Rekrutierungen

Mit 17 Jahren kann dem freiwilligen Militärdienst beigetreten werden. Die anfängliche Dienstdauer beträgt zwei Jahre, mit der Option sich für weitere 18 Jahre zu verpflichten. Die Wehrpflicht wurde 1991 abgeschafft. 2020 kündigte die jordanische Regierung die Wiedereinführung der Wehrpflicht für arbeitslose Männer zwischen 25 und 29 Jahren an, mit eine Dienstdauer von 12 Monaten (CIA 5.7.2022), um die Arbeitslosigkeit im Land zu bekämpfen (Arab News 9.9.2020). Die Vereinbarung sieht vor, dass die Männer eine dreimonatige militärische Ausbildung absolvieren und alle Wehrpflichtigen in den verbleibenden neun Monaten ihres Dienstes in der Privatwirtschaft ausgebildet und eingesetzt werden. Die Armee zahlt den Wehrpflichtigen 100 Dinar (141 US-Dollar) pro Monat und übernimmt ihre Gehälter bis zu einem Mindestlohn von 220 Dinar, wenn sie eine Stelle in einem Privatunternehmen antreten (Arab News 9.9.2020).

2019 wurde ein freiwilliger viermonatiger Wehrdienst für Männer und Frauen im Alter von 18 bis 25 Jahren, die seit mindestens sechs Monaten arbeitslos sind, angekündigt. Der Dienst würde einen Monat militärische Ausbildung und die restlichen drei Monate berufliche Ausbildung in den Bereichen Bauwesen und Tourismus umfassen (CIA 5.7.2022).

Frauen können sich freiwillig zum Dienst in militärischen Positionen außerhalb des Kampfes im Frauenkorps der Königlichen Jordanischen Arabischen Armee melden (CIA 5.7.2022).

Allgemeine Menschenrechtslage

Die jordanische Verfassung garantiert grundlegende bürgerliche Freiheitsrechte (USDOS 12.4.2022). Dennoch sind wichtige Grundrechte und -freiheiten nach wie vor Gegenstand staatlicher Eingriffe, wobei sich die Regierung auf den Schutz der nationalen Sicherheit beruft (ICNL 15.4.2022). Die Regierung stützt sich bei Straftaten im Zusammenhang mit der Meinungsfreiheit und der freien Meinungsäußerung regelmäßig auf das Gesetz zur Terrorismusbekämpfung, was zur Verhaftung und strafrechtlichen Verfolgung einer Reihe von Journalisten führte (OHCHR 31.12.2021).

Die jordanische Verfassung überträgt alle Fragen des Personenstandsrechts von Muslimen an spezielle Gerichte, die familienbezogene Fälle auf der Grundlage der Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia, behandeln. Scharia-Gerichte behandeln Frauen vor dem Gesetz nicht als gleichgestellt (Aljazeera 18.2.2022).

Jordanien verfügt in Übereinstimmung mit den einschlägigen UN-Konventionen über ein staatlich gelenktes nationales Menschenrechtszentrum, das National Center for Human Rights (NCHR) (USDOS 12.4.2022). Das Zentrum hat ein umfassendes Menschenrechtsmandat und befasst sich mit Fällen von Menschenrechtsverletzungen, Beschwerden, Aufklärung und Förderung, Überwachung und Integration der Menschenrechte in die jordanische Gesetzgebung und Praxis (APF o.D.). Darüber hinaus existieren auch mehrere unabhängige Organisationen, die sich auf verschiedene Weise für die Einhaltung der Menschenrechte und für die Menschenrechtsbildung im Land einsetzen (CSO o.D.).

Laut U.S. Department of State gehören zu den bedeutenden Menschenrechtsproblemen glaubwürdige Berichte über: Folter oder grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Bestrafung in staatlichen Einrichtungen; willkürliche Verhaftung und Inhaftierung; politische Gefangene oder Häftlinge; willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre; schwerwiegende Einschränkungen der Meinungs- und Medienfreiheit, einschließlich der Existenz von Gesetzen zur strafrechtlichen Verleumdung und Zensur; schwerwiegende Einschränkungen der Internetfreiheit; erhebliche Eingriffe in die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, einschließlich übermäßig restriktiver Gesetze über die Organisation, Finanzierung oder Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und Organisationen der Zivilgesellschaft; fehlende Untersuchung von und Rechenschaftspflicht für geschlechtsspezifische Gewalt, einschließlich, aber nicht beschränkt auf häusliche oder intime Partnergewalt, sexuelle Gewalt und andere schädliche Praktiken; Gewaltverbrechen oder Gewaltandrohungen, die sich gegen lesbische, schwule, bisexuelle, transgender, queere oder intersexuelle Personen richten; und erhebliche Einschränkungen der Vereinigungsfreiheit von Arbeitnehmern (wie Drohungen gegen Gewerkschaftsaktivisten) (USDOS 12.4.2022).

Es kommt zu Menschenrechtsverletzungen im Umgang mit Arbeitsmigranten. Jordanien beherbergte im Jahr 2021 schätzungsweise 70.000 ausländische Hausangestellte, vor allem aus den Philippinen, Sri Lanka und Indonesien. NGOs verwiesen Hausangestellte, die mehrfach missbraucht worden waren, an die Ermittler des Arbeitsministeriums. Zu den Missbräuchen zählte die Nichtzahlung von Löhnen, unsichere Arbeitsbedingungen, lange Arbeitszeiten, die Beschlagnahme von Dokumenten sowie körperlicher, verbaler und sexueller Missbrauch (HRW 13.1.2022).

Die Straffreiheit bei Menschenrechtsverletzungen blieb bestehen, obwohl die Regierung einige begrenzte Schritte unternahm, um gegen Beamte, die Menschenrechtsverletzungen begangen hatten, zu ermitteln, sie strafrechtlich zu verfolgen und zu bestrafen. Informationen über die Ergebnisse dieser Maßnahmen waren nicht für alle Fälle öffentlich zugänglich (USDOS 12.4.2022).

Im Gegensatz zu den Vorjahren berichteten lokale und internationale NGOs nicht von routinemäßigen schweren körperlichen Misshandlungen von Häftlingen durch Mitarbeiter der Drogenbekämpfungseinheit. Dennoch meldeten NGOs einzelne Fälle von Misshandlungen. Im Laufe des Jahres 2021 gab es Beschwerden über Misshandlungen durch das GID. Örtliche NGOs berichteten, dass es immer wieder zu Misshandlungen kam, die Bürger diese jedoch aus Angst vor Repressalien nicht meldeten. Die Behörden beschränkten den Zugang zu Informationen über die Untersuchungsergebnisse von Folter- oder Misshandlungsfällen (USDOS 12.4.2022).

Sowohl das quasi-staatliche Zentrum für Menschenrechte NCHR, als auch einige NGOs forderten, dass Polizeibeamte, die grober Menschenrechtsverletzungen beschuldigt werden, vor unabhängigen Zivilgerichten statt vor Polizeigerichten gestellt werden, die dem Innenministerium unterstehen und nach Ansicht mehrerer NGOs als weniger unabhängig gelten. Die NGOs beklagten sich häufig darüber, dass sie keinen Zugang zu Informationen über die Ergebnisse der Verfahren hatten (USDOS 12.4.2022).

Jordanien begann im Januar 2021 mit der Verteilung des Covid-19-Impfstoffs und war nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR eines der ersten Länder, das kostenlose Impfungen für alle, auch für Flüchtlinge und Asylbewerber, anbot (AI 29.3.2022). Allerdings nutzte die jordanische Regierung die Notstandsbefugnisse und den auf Grund von Covid-19 verhängten Ausnahmezustand aus, um in die bürgerliche Freiheit einzugreifen und politische Interessen durchzusetzen. Am 16. Juli 2020 löste der Kassationsgerichtshof des Landes die Muslimbruderschaft auf, eine Organisation, die seit 1945 in Jordanien tätig war. Noch im selben Monat wurde das Lehrersyndikat, dessen 140 000 Mitglieder gegen die Regierung protestiert hatten, aufgelöst und einige seiner Vorstandsmitglieder verhaftet. Im Dezember 2020 löste das Strafgericht Amman das Syndikat auf, das erst 2011 nach jahrelanger Lobbyarbeit gegründet worden war (BS 23.2.2022).

Meinungs- und Pressefreiheit

Das jordanische Recht kriminalisiert Äußerungen, die als kritisch gegenüber dem König, dem Ausland, Regierungsbeamten und -institutionen (HRW 13.1.2022; vgl USDOS 12.4.2022), dem Islam und dem Christentum gelten oder als diffamierend wahrgenommen werden (HRW 13.1.2022). Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Die Regierung schränkte die Möglichkeit von Einzelpersonen ein, die Regierung zu kritisieren, indem sie mehrere Aktivisten wegen politischer Äußerungen verhaftete. Die Behörden griffen auf Gesetze gegen Verleumdung von Amtsträgern zurück, um die öffentliche Diskussion einzuschränken, und von der Medienkommission verbreitete Erlasse der Staatsanwaltschaft, um die Pressefreiheit zu beschneiden (USDOS 12.4.2022).

Alle Medien bzw. Publikationen benötigen Lizenzen der Regierung. Die Regierung beeinflusste die Berichterstattung und die Kommentare durch politischen Druck auf die Redakteure und die Kontrolle über wichtige redaktionelle Positionen in regierungsnahen Medien. Einheimische und ausländische Journalisten, die im Land tätig sind, sahen sich weiterhin zunehmenden Beschränkungen ihrer Berichterstattung in Form von Nachrichtensperren, Schikanen durch Sicherheitskräfte und der Verweigerung von Genehmigungen zur Berichterstattung ausgesetzt. (USDOS 12.4.2022).

Journalisten sind nur selten mit ernsthafter Gewalt oder erheblichen Haftstrafen für ihre Arbeit konfrontiert, üben aber häufig Selbstzensur. Journalisten waren im Rahmen der Covid-19-Maßnahmen starken Einschränkungen ausgesetzt. Im März 2020 stellte das Kabinett das Erscheinen aller Zeitungen für zwei Wochen ein. Im April erließ die Regierung einen vage formulierten Erlass, der die Verbreitung von Informationen über die Pandemie verbietet, die „Panik auslösen“ würden (FH 28.2.2022).

Die Regierung verfügt über die Mehrheit der Sitze im Aufsichtsrat der führenden halbamtlichen Tageszeitung al-Rai und über einen Teil der Sitze im Aufsichtsrat der Tageszeitung ad-Dustour. Nach Angaben von Verfechtern der Pressefreiheit muss die Medienabteilung des GID die Chefredakteure der regierungsnahen Zeitungen genehmigen. Medienbeobachter stellten fest, dass das staatliche jordanische Fernsehen und Radio und die jordanische Nachrichtenagentur bei der Berichterstattung über kontroverse Themen nur den Standpunkt der Regierung wiedergaben (USDOS 12.4.2022).

Es gab laut US-amerikanischem Außenministerium glaubwürdige Berichte, dass die Regierung die private Online-Kommunikation ohne entsprechende rechtliche Befugnisse überwacht hat. Das Gesetz schreibt die Lizenzierung und Registrierung von Online-Nachrichten-Websites vor, macht Redakteure für die Leserkommentare auf ihren Websites verantwortlich, verlangt von den Website-Besitzern, dass sie der Regierung die persönlichen Daten ihrer Nutzer zur Verfügung stellen, und schreibt vor, dass Chefredakteure Mitglieder des jordanischen Presseverbandes (JPA) sein müssen. Das Gesetz gibt den Behörden ausdrücklich die Befugnis, Webseiten zu blockieren und zu zensieren. Das Presse- und Veröffentlichungsgesetz erlaubt es dem Medienbeauftragten, Webseiten ohne Gerichtsbeschluss zu sperren (USDOS 12.4.2022).

Nach der Gesetzgebung zur Cyberkriminalität können Internetnutzer mit Geld- oder Gefängnisstrafen von bis zu drei Monaten bestraft werden, wenn sie wegen Verleumdung von Online-Kommentaren verurteilt werden. Mehrere Aktivisten und Demonstranten, die in den Jahren 2020 und 2021 verhaftet wurden, wurden wegen Vergehen im Zusammenhang mit Beiträgen in sozialen Medien angeklagt, in denen sie die Regierung kritisiert hatten (FH 28.2.2022).

Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Opposition

Die Verfassung gewährt Versammlungsfreiheit (USDOS 12.4.2022), aber die Regierung beschränkt dieses Recht in der Praxis (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022).

Öffentliche Versammlungen und Demonstrationen müssen seit einem im März 2011 geänderten Gesetz nicht mehr von der Regierung genehmigt werden. Es ist aber weiterhin eine Genehmigung des Innenministeriums oder des Allgemeinen Nachrichtendienstes einzuholen (HRW 13.1.2022). Das Innenministerium hat geplante öffentliche Veranstaltungen ohne Vorankündigung oder Erklärung abgesagt. Verstöße gegen das Versammlungsgesetz können mit Geld- und Haftstrafen geahndet werden. Die Sicherheitskräfte sind dafür bekannt, dass sie gewaltsam gegen Demonstranten vorgehen (FH 28.2.2022).

Die Regierung hat das Versammlungsrecht als Reaktion auf die anhaltende Covid-19-Pandemie weiter eingeschränkt, selbst nachdem andere Maßnahmen im Juni 2020 zurückgenommen wurden. Bei einer Demonstration in Amman, die mehrere Tage nach der Schließung des Lehrersyndikats Ende Juli 2021 stattfand, wurden mehrere Dutzend Demonstranten verhaftet. Einige Demonstranten wurden von der Polizei körperlich angegriffen, andere wurden später unter Androhung hoher Geldstrafen zur Unterzeichnung von Verpflichtungserklärungen gedrängt, sich weiterer Aktivitäten zu enthalten (FH 28.2.2022).

Die Verfassung sieht das Recht auf Vereinigungsfreiheit vor, aber in der Praxis wurde diese Freiheit durch die Regierung beschränkt. Laut Gesetz steht mehreren Ministerien das Recht zu, Anträge für die Registrierung einer Organisation oder für den Erhalt ausländischer Finanzierung aus beliebigen Gründen abzulehnen. Außerdem verbietet das Gesetz, Vereinigungen zur Stärkung politischer Organisationen zu nutzen. Das Gesetz gewährt den Ministerien außerdem signifikante Kontrolle über das interne Management von Vereinigungen, darunter das Recht, die Vereinigung aufzulösen, neue Vorstände zu ernennen und Regierungsvertreter zu den Vorstandstreffen zu senden. Vereinigungen sind verpflichtet, das Ministerium für soziale Entwicklung über Vorstandssitzungen zu informieren, die Namen aller Mitglieder preiszugeben und alle Vorstandsentscheidungen dem Ministerium zur Genehmigung vorzulegen. Vorstandsmitglieder benötigen eine Sicherheitsfreigabe des Innenministeriums. Das Gesetz sieht Sanktionen, einschließlich Geldstrafen, für Verstöße gegen diese Vorschriften vor. Das Ministerium für soziale Entwicklung ist gesetzlich befugt, in die Aktivitäten von NGOs einzugreifen und bei Verstößen gegen das Gesetz Verwarnungen auszusprechen. In der Bevölkerung ist der Verdacht weit verbreitet, dass die Regierung zivilgesellschaftliche Organisationen, politische Parteien und Menschenrechtsorganisationen unterwandert und dass die Sicherheitsdienste politische und zivilgesellschaftliche Konferenzen und Treffen überwachen (USDOS 12.4.2022).

Politische Parteien, die auf ethnischer Zugehörigkeit, Rasse, Geschlecht oder Religion basieren, sind in Jordanien verboten. Parteien müssen vom Ministerium für politische und parlamentarische Angelegenheiten genehmigt werden. Berichten zufolge haben die Behörden Personen eingeschüchtert, die versuchten, politische Parteien zu gründen. Die Islamic Action Front (IAF, Anm.: eine wichtige Oppositionspartei) wird zwar geduldet, leidet aber unter der Fehlverteilung im Wahlsystem, die sich auf ihre Unterstützerbasis in den Städten auswirkt. Ihre Mutterorganisation, die Muslimbruderschaft, wurde 2015 aus dem Register gestrichen, als die Regierung ihre Ablegergruppe, die Muslim Brotherhood Society (MBS), zuließ. Die Büros der Muslimbruderschaft wurden 2016 gewaltsam geschlossen, nachdem das Regime sie an der Durchführung interner Wahlen gehindert hatte, was die bereits bestehenden Spaltungen verschärfte und die Organisation politisch schwächte. Im Juli 2020 verlor die Organisation einen Einspruch gegen die Übertragung ihrer Büros an die MBS, woraufhin der Kassationsgerichtshof ihre Auflösung anordnete. Die Muslimbruderschaft versprach, Berufung einzulegen, und die IAF nahm trotz des Urteils an den Wahlen im November 2020 teil (FH 28.2.2022).

Haftbedingungen

Die Bedingungen in den 18 Gefängnissen des Landes sind unterschiedlich: alte Einrichtungen weisen schlechte Bedingungen auf, während neue Gefängnisse internationalen Standards entsprechen. Internationale Nichtregierungsorganisationen und Rechtshilfeorganisationen wiesen auf Probleme wie Überbelegung, begrenzte medizinische Versorgung, unzureichende Rechtshilfe für die Insassen und begrenzte soziale Betreuung der Insassen und ihrer Familien hin. Obwohl in allen Haftanstalten eine medizinische Grundversorgung zur Verfügung steht, beklagte das medizinische Personal, dass es in den Haftanstalten im ganzen Land an angemessenen medizinischen Einrichtungen, Material und Personal mangelt. Gefangene beklagten sich über Einzelhaft, Isolation und lange Untersuchungshaft von bis zu sechs Monaten. Lokale und internationale NGOs erhielten Berichte über Misshandlungen, Missbrauch und Folter in den Hafteinrichtungen des GID (USDOS 12.4.2022).

Lokale Gouverneure nutzten weiterhin die Bestimmungen des Gesetzes zur Verbrechensverhütung von 1954, um Personen unter Umgehung des Strafverfahrensrechts bis zu einem Jahr in Verwaltungshaft zu nehmen. Im März 2021 setzten die jordanischen Behörden die Inhaftierung von Personen, die ihre Schulden nicht zurückzahlen konnten, bis Ende des Jahres aus. Diese Ankündigung erfolgte kurz nach der Veröffentlichung eines Berichts von Human Rights Watch, in dem die harte Behandlung von Menschen in Jordanien, die ihre Schulden nicht zurückzahlen können, dokumentiert wurde (HRW 13.1.2022).

Die Behörden haben Schritte unternommen, um Alternativen zu Gefängnisstrafen für gewaltlose Straftäter zu nutzen. Das Justizministerium hat bis Oktober 2021 264 Straftäter in alternative Strafverfahren eingewiesen (USDOS 12.4.2022).

Todesstrafe

Das jordanische Strafrecht beinhaltet die Todesstrafe (AA 11.7.2022), die auch weiterhin verhängt wird (AA 11.7.2022; vgl. AI 29.3.2022). Bis November 2021 hatten die Behörden im Jahr 2021 keine Hinrichtungen vollstreckt (HRW 13.1.2022; vgl. AI 29.3.2022). In Jordanien befinden sich 219 Verurteilte in der Todeszelle, darunter 22 Frauen (Arab News 5.7.2022).

Religionsfreiheit

Die Bevölkerung besteht offiziell zu 97,1 % aus (vorwiegend) sunnitischen Muslimen und 2,1 % Christen. Buddhisten und Hindus sowie andere Religionen sind mit weniger als einem Prozent vertreten (CIA 5.7.2022).

Die Verfassung erklärt den Islam zur Staatsreligion (USDOS 2.6.2022; vgl. FH 28.2.2022), garantiert aber die freie Ausübung aller Formen des Glaubens und religiöser Rituale, sofern diese mit der öffentlichen Ordnung und Moral vereinbar sind. Die Verfassung sieht vor, dass es keine Diskriminierung aufgrund der Religion geben darf (USDOS 2.6.2022).

Die Scharia ist vorrangig zu beachten, was beispielsweise für Muslime ein Konversionsverbot zu anderen Religionen mit sich bringt. Dennoch berichtet USDOS weiterhin von Konversionen von Muslimen. Die Verfassung lässt religiöse Gerichte zu, darunter Scharia-Gerichte für Muslime und kirchliche Gerichte für von der Regierung anerkannte christliche Konfessionen. Angelegenheiten, die den persönlichen und familiären Status von Muslimen betreffen, fallen in die Zuständigkeit der Scharia-Gerichte (USDOS 2.6.2022). Die Regierung überwacht weiterhin Predigten in Moscheen und verlangt, dass Prediger auf politische Kommentare verzichten und sich an genehmigte Themen und Texte halten (USDOS 2.6.2022; vgl. FH 28.2.2022). Ein offizieller Ausschuss unter dem Vorsitz des Großmuftis regelt, welche islamischen Geistlichen Fatwas erlassen dürfen (USDOS 2.6.2022)

Viele christliche Gruppen sind als religiöse Konfessionen oder Vereinigungen anerkannt und können ihre Religion frei ausüben. Die Missionierung unter Muslimen ist jedoch verboten (FH 28.2.2022).

Einige Konvertiten zum Christentum berichten über Ausgrenzung sowie körperlichen und verbalen Missbrauch und, dass Sicherheitsbeamte sie nach der Konversion weiterhin über ihre religiösen Überzeugungen und Praktiken befragen. Manche von ihnen beten aufgrund des sozialen Stigmas, mit dem sie als Konvertiten konfrontiert sind, weiterhin heimlich (USDOS 2.6.2022). Die Regierung verfolgt Konvertiten aus dem Islam zwar nicht wegen Apostasie (USDOS 2.6.2022; vgl. FH 28.2.2022), Betroffene berichten aber zum Teil von anhaltenden und glaubwürdigen Drohungen von Familienmitgliedern, die mit dem Schutz der traditionellen Ehre argumentieren (USDOS 2.6.2022) oder davon bürokratischen Hürden und Belästigungen ausgesetzt zu sein (FH 28.2.2022). Nach dem Personenstandsgesetz sind gemäß der Auslegung der Scharia Eheschließungen zwischen einer muslimischen Frau und einem nicht-muslimischen Mann nicht zulässig; der Mann muss zum Islam konvertieren, damit die Ehe als rechtmäßig gilt (USDOS 2.6.2022).

Die Regierung verwehrt weiterhin einigen religiösen Gruppen, darunter den Baha’is und den Zeugen Jehovas, die offizielle Anerkennung (USDOS 2.6.2022). Nicht registrierte Gruppen können ihren Glauben ausüben, sind aber aufgrund ihres illegalen Status einer Reihe von Nachteilen ausgesetzt (FH 28.2.2022). So hatten die Mitglieder dieser Gemeinschaften weiterhin Probleme bei der Registrierung ihrer Ehen und der religiösen Zugehörigkeit ihrer Kinder (USDOS 2.6.2022).

Es wird über eine Zunahme von Online verbreiteten Hassreden gegen religiöse Minderheiten und Gemäßigte berichtet. Der Hass und die Beleidigungen im Internet und in den sozialen Medien richteten sich besonders auch gegen die jüdische Bevölkerung (USDOS 2.6.2022).

Minderheiten

Zwischen 95 und 97 % der Jordanier sind Araber (WPR o.D.). Zu den ethnischen Minderheiten in Jordanien gehören Tscherkessen, Tschetschenen, Armenier, Assyrer, Bani Murra (jordanische/syrische „Roma“, die in der Region als „Dom“ bekannt sind) sowie die syrische, irakische, jemenitische und sudanesische Flüchtlingsbevölkerung (USDOS 12.4.2022; vgl. MRG 6.2020). Die Minority Rights Group International berichtete, dass die Bani Murra in der gesamten Region mit weit verbreiteten Vorurteilen und Feindseligkeiten konfrontiert sind, unter einer hohen Armutsquote leiden und nur begrenzten Zugang zu Bildung, Beschäftigung und staatlichen Dienstleistungen haben (USDOS 12.4.2022).

Die Staatsbürgerschaft bleibt ein umstrittenes Thema. Dies liegt weniger an der Spaltung der jordanischen Gesellschaft in Transjordanien und Palästina, sondern vielmehr an der zunehmenden Klassenspaltung und dem ungleichen Zugang der verschiedenen Nationalitäten zu den Möglichkeiten in Jordanien. Zwei Themen (Wahrnehmung ethnischer Unterschiede und sozioökonomische Chancen) verschmelzen also miteinander und prägen zunehmend die Lebenserfahrungen der Jordanier (BS 23.2.2022).

Die meisten Jordanier, einschließlich eines Teils der großen palästinensischen Flüchtlingsbevölkerung, stammen von Beduinen oder Stammesangehörigen ab (MRG 6.2020). Schätzungsweise 60 % der Bevölkerung Jordaniens sind palästinensischer Herkunft (BESA 12.9.2021), davon sind 2,3 Millionen bei UNRWA (United Nations Relief and Works Agency for Palestine Refugees in the Near East) registrierte Palästina-Flüchtlinge (UNRWA 6.9.2021). Weiters zählt UNHCR 675.000 offiziell registrierte syrische Flüchtlinge (UNHCR 30.6.2022), wobei die jordanische Regierung insgesamt von rund 1,3 Millionen syrischen Flüchtlingen ausgeht (CNN 25.7.2021). Flüchtlinge aus Palästina, Syrien und dem Irak machen fast die Hälfte der Gesamtbevölkerung Jordaniens aus (BS 23.2.2022). Bürger palästinensischer Herkunft waren auf allen Ebenen der Regierung und des Militärs unterrepräsentiert. Gleichzeitig sind laut Gesetz drei Sitze im Repräsentantenhaus für die ethnischen Minderheiten der Tscherkessen und Tschetschenen reserviert, was eine Überrepräsentation dieser Minderheiten bedeutet. Neun Sitze sind für Christen reserviert (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022).

Palästinenser

Schätzungsweise 60 % der Bevölkerung Jordaniens sind palästinensischer Herkunft (BESA 12.9.2021), davon sind fast die Hälfte, rund 2,3 Millionen, bei UNRWA registrierte Palästina-Flüchtlinge (Anm.: die UNRWA ist eine für die Unterstützung von palästinensischen Flüchtlingen zuständige UN-Hilfsorganisation) (UNRWA 6.9.2021). In der Vergangenheit wurden Jordanier palästinensischer Herkunft in Bezug auf die Beschäftigung diskriminiert, insbesondere in den oberen Rängen des Militärs, der Sicherheitsdienste und des öffentlichen Sektors (BS 23.2.2022).

Die meisten palästinensischen Flüchtlinge sind im Besitz der vollen jordanischen Staatsbürgerschaft (UNRWA o.D.). Bis Ende der 1980er Jahre erhielt die Mehrheit der Palästinenser automatisch die jordanische Staatsbürgerschaft, doch seitdem sind Tausende von Palästinensern staatenlos geworden (MRG 6.2020). In Jordanien gibt es zehn offizielle palästinensische Flüchtlingslager, in denen mit fast 370.000 Menschen in etwa 18 % der insgesamt in Jordanien lebenden Palästinenser leben (UNRWA o.D.). Zehntausende palästinensische Flüchtlinge aus Syrien haben um die Unterstützung der UNRWA in Jordanien angesucht. Die Mehrheit dieser Flüchtlinge dürfte laut UNRWA in bitterer Armut leben und über einen unsicheren rechtlichen Status verfügen (UNRWA o.D.).

Vier verschiedene Gruppen von Palästinensern leben in Jordanien, ausgenommen sind Palästinensische Flüchtlinge aus Syrien. Zum einen handelt es sich um Palästinenser und ihre Kinder, die nach dem arabisch-israelischen Krieg von 1948 in das Land und in das von Jordanien kontrollierte Westjordanland eingewandert waren. Sie erhielten die volle Staatsbürgerschaft. Das Gleiche galt für Palästinenser, die nach dem Krieg von 1967 in das Land einwanderten und keine Aufenthaltsgenehmigung für das Westjordanland besaßen. Palästinenser und ihre Kinder, die nach dem Krieg von 1967 noch einen Wohnsitz im Westjordanland hatten, hatten keinen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft, konnten jedoch befristete Reisedokumente ohne nationale Identifikationsnummer erhalten, sofern sie nicht auch ein Reisedokument der Palästinensischen Behörde mit sich führten. Diese Personen hatten Zugang zu einigen staatlichen Dienstleistungen; sie zahlten in Krankenhäusern 80 % des Tarifs für nicht versicherte Ausländer und in Bildungseinrichtungen und Ausbildungszentren den Tarif für Nicht-Staatsangehörige. Flüchtlinge und ihre Kinder, die nach dem Krieg von 1967 aus dem Gazastreifen geflohen waren, hatten keinen Anspruch auf die Staatsbürgerschaft, und die Behörden stellten ihnen befristete Reisedokumente ohne nationale Nummern aus. Diese Flüchtlinge hatten keinen Zugang zu staatlichen Dienstleistungen und waren fast vollständig von der UNRWA abhängig (USDOS 12.4.2022).

Palästinenser sind im Parlament sowie in höheren Regierungsämtern und Positionen im Militär unterrepräsentiert, ebenso wie bei Universitätszulassungen. Auch ist der Zugang zu Universitätsstipendien eingeschränkt. Im privaten Sektor hingegen sind sie gut vertreten (USDOS 12.4.2022). Jordanier palästinensischer Herkunft, die die Staatsbürgerschaft besitzen, laufen Gefahr, dass ihnen die Staatsbürgerschaft oder die Papiere willkürlich entzogen werden, und sind häufig von Stellen im öffentlichen Sektor und bei den Sicherheitskräften ausgeschlossen, die von Stämmen aus Transjordanien dominiert werden (FH 28.2.2022).

Relevante Bevölkerungsgruppen

Frauen

Die Verfassung sieht die Gleichberechtigung von Männern und Frauen vor (USDOS 12.4.2022). Frauen sind sowohl rechtlichen als auch faktischen Diskriminierungen ausgesetzt, v.a. in Bereichen, die der Rechtsprechung der Schariagerichte unterliegen. Auch hinsichtlich bestimmter Sozialleistungen werden Frauen benachteiligt (FH 28.2.2022), weiters in Erbschafts-, Scheidungs-, Sorgerechts- und Staatsbürgerschaftsangelegenheiten, am Arbeitsplatz und unter gewissen Umständen auch was das Gewicht ihrer Aussage vor Schariagerichten betrifft, da Zeugenaussagen von Männern teils mehr wiegen als die von Frauen (USDOS 12.4.2022). Die persönlichen sozialen Freiheiten werden durch die konservative Kultur und die spezifischen Gesetze des Landes eingeschränkt (FH 28.2.2022). Die Regierung erkennt Eheschließungen zwischen muslimischen Frauen und nicht-muslimischen Männern nicht an (FH 28.2.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Angelegenheiten wie Eheschließung und Scheidung werden von religiösen Gerichten behandelt, die Frauen und Konvertiten aus dem Islam benachteiligen und einige interreligiöse Ehen einschränken (FH 28.2.2022).

Im Laufe des Jahres 2021 wurden keine Fälle von Zwangsverheiratung als Alternative zu einem potentiellen „Ehrenmord“ gemeldet. NGOs stellten allerdings fest, dass einige wenige Fälle von Zwangsverheiratung kurz nach einer Vergewaltigungsbeschuldigung auf Grund von familiärem und gesellschaftlichem Druck erfolgten, bevor ein formelles Verfahren eingeleitet wurde. Beobachter wiesen darauf hin, dass eine Frau, die ihren Vergewaltiger heiratet, nach landesüblichem Glauben von ihren Familienmitgliedern nicht getötet werden muss, um „die Familienehre zu bewahren“, obwohl das entsprechende Gesetz zu dieser Strafmilderungsmöglichkeit aufgehoben wurde. Dennoch stellten NGOs fest, dass dieses Gesetz dazu beigetragen hat, derartige Fälle zu verringern und mehr Frauen zu ermutigen, Vergewaltigungen anzuzeigen, insbesondere seit der Einrichtung eines Frauenhauses. Die Gouverneure verwiesen potenzielle Opfer von „Ehren“-Verbrechen an das Frauenhaus des Ministeriums für soziale Entwicklung. Von Anfang bis Oktober des Jahres 2021 hatte das in Amman ansässige Frauenhaus 268 Frauen aufgenommen. Dennoch nutzten einige Provinzgouverneure das Gesetz zur Verbrechensverhütung, um Frauen zu ihrem Schutz in Verwaltungshaft zu nehmen (USDOS 12.4.2022).

Artikel 98 des 2017 geänderten jordanischen Strafgesetzbuchs, besagt, dass eine Verteidigung wegen eines „Wutausbruches“ nicht für Täter von Verbrechen gegen Frauen geltend gemacht werden kann, und diese auch keine mildernden Strafen erhalten können. Richter verhängten allerdings weiterhin mildere Strafen gemäß Artikel 99, wenn Familienmitglieder der Opfer die Verfolgung ihrer männlichen Familienmitglieder nicht unterstützten. Solche diskriminierenden Gesetze setzen Frauen der Gewalt aus. Der jordanische Oberste Bevölkerungsrat meldete im Oktober einen „dramatischen Anstieg“ der häuslichen Gewalt im Jahr 2020 mit insgesamt 54.743 Fällen, von denen 82 % von Ehemännern gegen ihre Ehefrauen verübt wurden (HRW 13.1.2022). Emotionale und körperliche Gewalt, die häufig von einem Intimpartner oder einem Familienmitglied ausgeübt wurde, ist die häufigste Form der Gewalt (USDOS 12.4.2022). Tadamon (Sisterhood is Global Institute Jordan – SIGI) berichtete, dass zwischen Januar und Oktober 2021 14 Frauen durch häusliche Gewalt getötet wurden (HRW 13.1.2022 vgl. AI 29.3.2022).

Laut Arabbarometer gab im März 2021 die Hälfte der jordanischen Bevölkerung an, dass die geschlechtsspezifische Gewalt als Folge der Covid-19-Pandemie zugenommen hat. Was die Hindernisse für die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit von Frauen angeht, so nannte die Mehrheit der Jordanier fehlende Kinderbetreuung (81 %), niedrige Löhne (66 %), fehlende Transportmöglichkeiten (65 %) und die Bevorzugung von Männern (59 %) als die größten Hindernisse (Arabbarometer 15.3.2021).

Im August 2021 gab der Nationale Rat für Familienangelegenheiten (NCFA), Leitlinien für die Reaktion auf häusliche Gewalt gegen Frauen und Kinder heraus. Frauen können bei bestimmten NGOs oder direkt bei den Justizbehörden Anzeige wegen Vergewaltigung oder körperlicher Misshandlung erstatten. Aufgrund gesellschaftlicher Tabus und einer erniedrigenden Behandlung auf den Polizeistationen wurden geschlechtsspezifische Straftaten jedoch häufig nicht angezeigt (USDOS 12.4.2022).

Eine Verfassungsänderung steht im Einklang mit dem offiziellen Ziel der Regierung, die Gleichstellung der Geschlechter bis 2030 zu erreichen. Im Januar 2022 billigte der Senat die Änderung von Artikel 6. Offiziell heißt es nun in der Verfassung: „Jordanische Männer und Frauen sind vor dem Gesetz gleich. Sie dürfen in ihren Rechten und Pflichten nicht aufgrund ihrer Rasse, Sprache oder Religion diskriminiert werden“. Im vorherigen Artikel hieß es einfach „Jordanier“ ohne weitere Angaben. Frauenaktivistinnen befürchten, dass die neue Änderung mehr ein Lippenbekenntnis als ein wirklicher Fortschritt sein könnte (DW 3.2.2022).

Kinder

Bildungssystem und Infrastruktur

Schulpflicht besteht für Kinder im Alter von sechs Jahren bis 16 Jahren; bis zum Alter von 18 Jahren ist der Schulbesuch kostenlos. Es gibt keine Gesetze, die die Schulpflicht durchsetzen oder die Vormunde bei Verletzung der Schulpflicht bestrafen. Kinder ohne legalen Wohnsitz stoßen bei der Anmeldung an öffentlichen Schulen auf Hindernisse (USDOS 12.4.2022).

Frühe Heirat/Zwangsheirat

Das Mindestalter für die Heirat ist 18 Jahre. Mit der Zustimmung eines Richters und eines Vormunds kann ein Kind im Alter von 16 Jahren verheiratet werden (USDOS 12.4.2022). Richter haben die Befugnis zu entscheiden, ob die Heirat von Mädchen zwischen 16 und 18 Jahren „in ihrem besten Interesse“ ist, und über den Ehevertrag zu entscheiden (USDOS 12.4.2022; vgl. UNICEF 6.2021). Nach den 2017 eingeführten Vorschriften kann eine Ausnahme vom gesetzlichen Mindestalter von 18 Jahren für die Eheschließung gewährt werden, wenn der Altersunterschied zwischen dem Mädchen und dem Mann nicht mehr als 15 Jahre beträgt, der Mann keine anderen Frauen hat und die Ehe das Mädchen nicht daran hindert, seine Ausbildung fortzusetzen (UNICEF 6.2021).

Eine lokale NGO meldete im Laufe des Jahres 2021 höhere Raten von Kinderehen. Die Zahl der Früh- und Zwangsverheiratungen in der Flüchtlingsbevölkerung ist nach wie vor hoch. Im Laufe des Jahres wurde vielen Quellen zufolge bei einer großen Zahl von Eheschließungen von Syrern im Land eine minderjährige Braut verheiratet. Lokalen und internationalen Organisationen zufolge haben einige syrische Flüchtlingsfamilien ihre Töchter früh verheiratet, um den Armutsdruck zu mildern (USDOS 12.4.2022).

Laut UNICEF besteht eine Wahrscheinlichkeit, dass die Covid-19-Pandemie negative Auswirkungen auf die Bekämpfung schädlicher Praktiken wie der Kinderheirat hat. Die Pandemie führte zu einer Zunahme von Kinderehen in Flüchtlingslagern in Jordanien. Im Juli 2020 waren im Lager Zaatari 37 von 65 Eheschließungen Kinderehen. Insgesamt lag die Rate der Kinderehen im Jahr 2019 bei 58 % und im Juli 2020 bei 60 % (UNICEF 6.2021).

Am 14. Januar 2020 veröffentlichte Jordanien einen Gesetzesentwurf über die Rechte von Kindern (ARDD 7.2020), der am 17.4.2022 vom Kabinett gebilligt wurde (Jordan News 20.4.2022). Der Entwurf ist Teil der neuen Verfassungsänderungen, die die Notwendigkeit betonen, Kinder zu schützen, indem Gesetze geschaffen werden, die die Behandlung von Kindern regeln. Das Gesetz soll die Rechte in rechtsverbindliche Artikel umsetzen, die für die Betroffenen verbindlich sind. Zu diesen Artikeln gehören die medizinische Grundversorgung für alle Kinder, das Recht auf Bildung, die Qualität und die Verpflichtung zur Bildung, die Rolle der Eltern gegenüber ihren Kindern, die Bestrafung von Eltern, deren Kinder betteln oder die Schule abbrechen, und der Schutz vor Gewalt. Der Gesetzentwurf muss noch vom Repräsentantenhaus verabschiedet werden (Jordan News 20.4.2022).

Sexuelle Minderheiten

Obwohl einvernehmliche gleichgeschlechtliche sexuelle Handlungen unter Erwachsenen nicht kriminalisiert werden, ist die gesellschaftliche Diskriminierung von LGBTI Personen weit verbreitet und schließt die Androhung von Gewalt ein (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). LGBTI Personen sind häufig Ziel von Gewalt und Missbrauch, einschließlich Vergewaltigung, und hatten kaum rechtliche Möglichkeiten, gegen die Täter vorzugehen. Transgender-Personen laufen besonders der Gefahr, Opfer von Gewalttaten und sexuellen Übergriffen zu werden, und die Behörden boten ihnen keinen rechtlichen Schutz (USDOS 12.4.2022). Das jordanische Recht verbietet keine Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022).

Behörden können LGBTI Personen wegen angeblicher Verletzung der öffentlichen Ordnung oder des öffentlichen Anstandes verhaften. Mitglieder der LGBTI-Community bestätigten, dass es ihnen im Allgemeinen an sicheren Räumen fehlte, und berichteten, dass sie von der Polizei ins Visier genommen wurden, wenn sie eine der wenigen mit der Gemeinschaft verbundenen Einrichtungen verließen. Die staatlichen Vorschriften über die Registrierung von NGOs, sowie die Finanzierung aus dem Ausland hinderten zivilgesellschaftliche Gruppen weitgehend daran, an Aktivitäten mit vermeintlichen Verbindungen zur LGBTI-Community zu arbeiten (USDOS 12.4.2022). Die Behörden haben NGOs, die sich für die Gleichberechtigung von LGBTI Menschen einsetzen, die Registrierung verweigert (FH 28.2.2022).

LGBTI Personen berichteten außerdem über Diskriminierung in den Bereichen Wohnen, Beschäftigung, Bildung und Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Einzelpersonen berichteten, dass ihnen aufgrund ihrer LGBTI-Identität gekündigt oder berufliche Chancen verweigert wurden. Einige wurden mit Erpressung und der Drohung konfrontiert, sie würden entlassen, enterbt, verleugnet, verhaftet oder strafrechtlich verfolgt werden. Mehrere LGBTI Personen fanden es aufgrund ihrer LGBTI-Identität unmöglich, im Land zu leben und verließen daher das Land oder waren dabei, dies zu tun. Viele fürchteten um ihr Leben oder Missbrauch durch Familienmitglieder oder Behörden. Eltern konnten bei den Sicherheitsdiensten informelle „Haftbefehle“ für Kinder, einschließlich erwachsener Kinder, beantragen, um ihre Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes auszusetzen, Reisen ins Ausland zu verhindern oder von den Behörden zu verlangen, dass sie zwangsweise in Gewahrsam der Familie zurückgebracht werden, selbst wenn Familienmitglieder zuvor das Leben der Person bedroht hatten (USDOS 12.4.2022).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz erlaubt im Allgemeinen Freizügigkeit im Inland und im internationalen Reiseverkehr, obwohl einige internationale Flüge aufgrund von Gesundheitsmaßnahmen, die die Ausbreitung von COVID-19 verhindern sollen, eingeschränkt wurden (FH 28.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Zu den Einschränkungen der Freizügigkeit aufgrund von Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie gehörten auch vorübergehende Reisebeschränkungen zwischen den Regierungsbezirken (USDOS 12.4.2022).

IDPs und Flüchtlinge

Jordanien hat die Flüchtlingskonvention von 1951 nicht unterzeichnet (UNO Flüchtlingshilfe o.D.). Die Gesetze des Landes bieten kein Recht auf Gewährung des Asyl- oder Flüchtlingsstatus und die Regierung hat kein formales System zum Schutz von Flüchtlingen vorgesehen (USDOS 12.4.2022). Jordanien unterzeichnete jedoch 1998 eine Vereinbarung mit dem UNHCR, in der die Zusammenarbeit zwischen der Regierung und dem UNHCR in der Flüchtlingspolitik für Nicht-Palästinenser betont wird. Jordanien verpflichtet sich außerdem zur Einhaltung des „Grundsatzes der Nichtzurückweisung“ (IOM 15.2.2022; vgl. USDOS 12.4.2022). Außerdem erlaubt die Vereinbarung anerkannten Flüchtlingen einen Aufenthalt von maximal einem Jahr, währenddessen der UNHCR eine dauerhafte Lösung für sie finden muss (USDOS 12.4.2022).

Jordanien ist eines der am stärksten von der Syrien-Krise betroffenen Länder und beherbergt den zweithöchsten Anteil an Flüchtlingen pro Kopf der Bevölkerung weltweit (UNHCR 9.2021). Die Regierung gewährt [geflüchteten] Personen vorübergehenden Schutz. Die Grenzübergänge des Landes zu Syrien blieben für neu ankommende Flüchtlinge allerdings geschlossen. Syrer dürfen ohne vorherige Genehmigung des Innenministeriums oder eine gültige Aufenthaltsgenehmigung in einem Drittland nicht nach Jordanien einreisen. Syrer, die sich als Flüchtlinge in Jordanien aufhalten, können Syrien offiziell für einen kurzen Zeitraum besuchen, ohne ihren Status in Jordanien zu verlieren, wenn sie im Voraus eine Genehmigung des Innenministeriums für die Wiedereinreise nach Jordanien einholen (USDOS 12.4.2022).

Syrische Flüchtlinge, die zwischen 2017 und 2021 freiwillig aus Jordanien nach Syrien zurückkehrten, sahen sich laut Human Rights Watch schweren Menschenrechtsverletzungen und Verfolgung durch die syrische Regierung und ihr nahestehende Milizen ausgesetzt. Obwohl Jordanien kein formelles Wiedereinreiseverbot für syrische Flüchtlinge verhängt hat, erklärten jordanische Grenzbeamte, dass sie drei bis fünf Jahre lang nicht wieder nach Jordanien einreisen dürften (HRW 13.1.2022). Laut den NGOs Freedom House und Human Rights Watch wurden syrische Flüchtlinge zuweilen gewaltsam in Gebiete gebracht, in denen sie Gefahr laufen, zurückgewiesen zu werden, wie z. B. in das Lager Rubkan nahe der syrischen Grenze (FH 28.2.2022; vgl. HRW 13.1.2022). Bei einer Zurückweisung bessteht für sie die Gefahr von Folter, Vergewaltigung und weiterer körperlicher Gewalt (FH 28.2.2022).

Über 85 % der nach Jordanien geflüchteten Syrer lebten außerhalb der Flüchtlingslager. Die Behörden setzten weiterhin einen Beschluss vom Januar 2019 durch, der es dem UNHCR verbietet, Personen als Asylsuchende zu registrieren, die offiziell zum Zweck der medizinischen Behandlung, des Studiums, des Tourismus oder der Arbeit in das Land eingereist sind. Dadurch wird die Anerkennung von Nicht-Syrern als Flüchtlinge effektiv verhindert, was dazu führt, dass viele Personen ohne UNHCR-Dokumente oder Zugang zu Dienstleistungen bleiben (HRW 13.1.2022). Bis September 2021 betraf der Registrierungsstopp mehr als 5.500 Personen (USDOS 12.4.2022).

Die Regierung toleriert den verlängerten Aufenthalt vieler Iraker und anderer Flüchtlinge über den Ablauf der Besuchserlaubnis hinaus (USDOS 12.4.2022).

Jordanien beherbergt neben den über 2 Millionen palästinensischen Flüchtlingen weiterhin rund 670.000 syrische Flüchtlinge und mehr als 87.000 geflüchtete Personen anderer Nationalitäten (UNHCR 9.2021; vgl. FH 28.2.2022). Die jordanischen Behörden schoben 2021 mindestens sechs beim UNHCR registrierte jemenitische Asylbewerber ab und erließen Abschiebungsanordnungen gegen weitere, die Asylanträge gestellt hatten (HRW 13.1.2022).

Die Behörden setzten die Umsetzung des Jordan Compact Plans fort, der darauf abzielt, die Lebensbedingungen syrischer Flüchtlinge durch die Gewährung neuer legaler Arbeitsmöglichkeiten und die Verbesserung des Bildungssektors zu verbessern (HRW 13.1.2022). Die Regierung gewährte syrischen Flüchtlingskindern weiterhin Zugang zu kostenloser Grund- und Sekundarschulbildung. Bis zum Ende des Schuljahres 2020-21 blieben jedoch schätzungsweise 50.650 Syrer und 21.540 Nicht-Syrer ohne Schulbildung. Nicht-syrische Flüchtlinge müssen für den Besuch von staatlichen Schulen bezahlen (USDOS 12.4.2022). Formelle Arbeit für UNHCR-registrierte nicht-syrische Flüchtlinge ist nicht erlaubt. Nicht-syrische Flüchtlinge, die eine Arbeitserlaubnis beantragen wollten, müssen auf ihre Registrierung beim UNHCR verzichten. Der informelle Arbeitsmarkt ist weiterhin der wichtigste Beschäftigungssektor für Flüchtlinge. Syrische Flüchtlinge sind hauptsächlich im informellen Sektor beschäftigt, da nur eine begrenzte Anzahl von gebührenfreien Arbeitserlaubnissen zur Verfügung steht und die Sektoren, in denen Flüchtlinge arbeiten durften, begrenzt sind. Seit 2016 hat die Regierung mehr als 239.000 Arbeitserlaubnisse für vom UNHCR registrierte syrische Flüchtlinge ausgestellt, davon 94,5 % für Männer. Die meisten dieser Arbeitserlaubnisse, die Zugang zu Sektoren gewähren, die für ausländische Arbeitskräfte offen sind, sind nicht mehr gültig. Die Erteilung von neuen Arbeitserlaubnissen ging im Laufe des Jahres weiter zurück, was zum Teil auf die COVID-19-Maßnahmen zurückzuführen ist (USDOS 12.4.2022).

Jordanien setzte seine differenzierte Politik in Bezug auf die Staatsangehörigkeit der Flüchtlinge fort: Seit Oktober 2012 verweigert Jordanien allen Palästinensern die Einreise aus Syrien - bis dahin waren etwa 7.000 Palästinenser nach Jordanien eingereist. Viele wurden entweder nach Syrien zurückgeschickt oder in Einrichtungen wie dem CyberCity-Flüchtlingslager untergebracht, das sie nur verlassen konnten, um nach Syrien zurückzukehren, außer sie fanden einen jordanischen Bürgen (MAGYC 4.2022).

Der Zugang zu grundlegenden Behördendiensten, einschließlich der Erneuerung von Ausweispapieren und der Registrierung von Eheschließungen, Todesfällen und Geburten, war für palästinensische Flüchtlinge aus Syrien (PRS - Palestinian Refugees from Syria) weiterhin äußerst kompliziert. Diese Schwachstellen setzten Flüchtlinge ohne Papiere einem zusätzlichen Risiko des Missbrauchs durch Dritte wie Arbeitgeber und Vermieter aus (USDOS 12.4.2022).

Langjährige palästinensische Flüchtlinge, meist aus dem Gaza-Streifen stammend und ohne jordanische Staatsbürgerschaft, leiden unter starker Benachteiligung unter anderem bei der Arbeitssuche (Aljazeera 18.12.2021). Für PRS mit jordanischer Staatsbürgerschaft blieb der mögliche Entzug dieser Staatsbürgerschaft ein Problem. Dem Hilfswerk der Vereinten Nationen für Palästinaflüchtlinge (UNRWA) waren mindestens 50 Fälle bekannt, in denen die Staatsbürgerschaft seit Beginn des Syrienkonflikts im Jahr 2011 entzogen wurde. In den meisten Fällen machten die Behörden keine Angaben zu den Gründen für den Entzug. Einige PRS mit legalen Papieren berichteten darüber hinaus von Verzögerungen von bis zu vier Jahren bei der Erneuerung ihrer Papiere (USDOS 12.4.2022). Einige PRS und andere Flüchtlinge wohnen im König-Abdullah-Park (KAP), einem ungenutzten, eingezäunten öffentlichen Raum, der seit 2016 für die Unterbringung von PRS, gemischten syrischen PRS-Familien und einigen Personen anderer Nationalitäten, die aus Syrien kamen, genutzt wurde. Die Flüchtlinge im Park waren einer ganzen Reihe von Problemen ausgesetzt, unter anderem Überbelegung und Platzmangel. Das Lager entspricht nicht den internationalen Standards und es fehlt an mehreren wichtigen Einrichtungen. Die dort untergebrachten PRS waren nicht in der Lage, die Aufenthaltsgebühren an das Innenministerium zu zahlen, um einen legalen Status zu erhalten, ohne den sie keinen Zugang zu formalen Lebensunterhaltsmöglichkeiten hatten. Viele PRS, die keinen legalen Status in Jordanien haben, schränken ihre Bewegungsfreiheit selbst ein, um nicht in Kontakt mit den Behörden zu kommen (USDOS 12.4.2022).

Die Behörden ließen keine Hilfslieferungen aus Jordanien an Zehntausende Syrer in Rukban zu, einem inoffiziellen Lager an der jordanischen Grenze zu Syrien. Die Behörden haben darüber hinaus im Jahr 2020 Syrer nach Rukban abgeschoben, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, ihre Abschiebung anzufechten (HRW 13.1.2022).

Es gab auch Berichte über Zwangsumsiedlungen straffälliger syrischer Flüchtlinge in das Azraq-Flüchtlingslager, darunter viele in das beschränkte/gesperrte Dorf von Azraq (Village 5), als Alternative zur Abschiebung (USDOS 12.4.2022).

Die Regierung schränkte die Bewegungsfreiheit von registrierten syrischen Flüchtlingen und Asylbewerbern innerhalb des Landes ein. Bewohner von Flüchtlingslagern mussten eine Genehmigung beantragen, wenn sie das Lager für Familienbesuche oder zum Arbeiten verlassen wollten, was ihre Bewegungsfreiheit einschränkte. Durch die Pandemie sank die Wahrscheinlichkeit, eine solche Genehmigung zu erhalten, erheblich. Die Papiere von PRS und anderen Flüchtlingen wurden von den Behörden während ihres Aufenthalts im Lager einbehalten, und die Bewohner mussten eine Ausreise beantragen, um das Lager verlassen zu können (USDOS 12.4.2022).

Grundversorgung und Wirtschaft

Ein großes Problem in Jordanien ist vor allem der Mangel an natürlichen Ressourcen (GIZ 31.12.2021).

Ende Februar dieses Jahres hat die Regierung den Gesamthaushaltsplan für 2022 mit einem Ausgabenvolumen von mehr als 12 Mrd. JD gebilligt. Dieser sieht einen Zuwachs der Staatsausgaben vor, während Maßnahmen zur Erhöhung der Einnahmen fehlen. Das hohe Haushaltsdefizit im Jahr 2022 wird Jordanien weiterhin von ausländischen Zuschüssen und der Aufnahme von Krediten bei Banken und Finanzmärkten abhängig machen. Die Staatsverschuldung lag Ende des Jahres 2021 bei 101,9 % des BIP (WKO 4.2022a).

Im November 2021 haben hunderte Jordanier gegen steigende Preise und die Verteidigungsgesetze protestiert, die der Regierung außerverfassungsmäßige Befugnisse einräumen. In Jordanien kommt es nur noch selten zu Protesten, da die zunehmenden autoritären Maßnahmen der Regierung die Demonstranten abschrecken. Die Wut über die wirtschaftlichen Bedingungen und die als hart empfundenen Verteidigungsgesetze haben jedoch zu einer der seltenen öffentlichen Aktionen geführt (TNA 12.11.2021).

Die jordanische Wirtschaft wurde von der Covid-19-Pandemie schwer getroffen (TNA 12.11.2021; vgl. WKO 4.2022a) und die Auswirkungen der regionalen Krisen sind anhaltend spürbar. Nach einem Wirtschaftsabschwung von 1,6 % im Jahr 2020 erholte sich die Wirtschaft 2021 mit einem Wachstum von 2,5 % (WKO 4.2022a). Mit dem niedrigen Wachstum geht eine hohe Arbeitslosenquote von, im Jahr 2020, fast einem Viertel der Erwerbsbevölkerung einher (TNA 12.11.2021; vgl. WKO 4.2022a). Im Jahr 2021 konnte Jordanien diese Zahl auf 22 % senken (WKO 4.2022a), wobei die tatsächliche Arbeitslosenquote wahrscheinlich höher ist, da eine erhebliche Anzahl von Menschen in Jordanien im informellen Sektor arbeitet (TNA 12.11.2021). Die Inflationsrate (Veränderung des Preisindex) ist von 0,4 % im Jahr 2020 auf 1,3 % im Jahr 2021 gestiegen (WKO 4.2022b), was auf die weltweit steigenden Lebensmittel- und Ölpreise zurückzuführen ist. Ein schwächer werdender US-Dollar, an den der jordanische Dinar gekoppelt ist, erzeugt weiterhin einen gewissen importbedingten Inflationsdruck (WKO 4.2022a).

Der Mindestlohn für jordanische Arbeitnehmer ist derzeit auf 260 JD (c.a. 365 Euro, für Ausländer 230 JD/323 Euro) festgelegt (ILO 3.2021; vgl. TJT 25.1.2022). Aufgrund der negativen Auswirkungen der Pandemie auf viele Sektoren hat der dreigliedrige Arbeitsausschuss beschlossen, die für 2022 geplante Erhöhung des Mindestlohns auf das nächste Jahr zu verschieben (TJT 25.1.2022). Der netto Durchschnittslohn liegt bei 480,96 JD (ca. 674 Euro) (GTAI 5.2022). Dabei werden Arbeitnehmerrechte wie Löhne, Überstunden, Sicherheits- und andere Standards oft nicht eingehalten (USDOS 12.4.2022; vgl. FH 28.2.2022). Einige ausländische Arbeitnehmer sehen sich gefährlichen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen ausgesetzt (USDOS 12.4.2022), insbesondere in bestimmten Sektoren wie der Landwirtschaft und dem Baugewerbe sowie bei Arbeitsmigranten. Syrische Flüchtlinge sind besonders gefährdet, ausgebeutet zu werden, und da viele von ihnen keine Arbeitserlaubnis haben, arbeiten sie oft im informellen Sektor zu niedrigen Löhnen (FH 28.2.2022). Rund ein Drittel der jordanischen Bevölkerung lebt weiterhin in relativer Armut, und Frauen sind in ihrer wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung gegenüber Männern benachteiligt (GIZ 31.12.2021).

Die jordanische Bevölkerung ist sehr jung: Knapp 33 % der 10,2 Millionen Einwohner sind unter 15 Jahre alt (WKO 4.2022b). Der jungen Bevölkerung mangelt es an produktiven Einkommensmöglichkeiten (GIZ 31.12.2021). Dies führt dazu, dass die Jugendarbeitslosenquote bei den 15 bis 24-Jährigen bei über 40 % liegt (WKO 4.2022b), andere Quellen schätzen sie sogar auf über 50 % (DGVN 21.12.2021; vgl. TNA 12.11.2021). Die Erwerbsquote der Frauen liegt trotz eines etwas höheren Anteils an gebildeten Frauen im Vergleich zu Männern unter 14 % (WKO 4.2022b).

Neben der Syrienkrise liegt die größte Herausforderung für Jordanien weiterhin in der langfristigen Wasser- und Energieversorgung des Landes. Jordanien zählt zu den wasserärmsten Ländern der Welt und die jährlichen erneuerbaren Wasserressourcen Jordaniens liegen bei etwa 88 m3 pro Person, was als einer der niedrigsten Werte der Welt gilt und unter der globalen Grenze für absolute Wasserknappheit von 500 m3 liegt. Durch die Corona-Krise ist der Wasserverbrauch um etwa 10 % gestiegen. Heute liegt das Wasserdefizit bei 30-35 % (WKO 4.2020a). Darüber hinaus ist die Industrie in Jordanien schwach ausgeprägt, das Bevölkerungswachstum hingegen mit 2,6 % (Stand 2017) hoch. Ein Großteil der Bevölkerung lebt in Städten (GIZ 31.12.2021), die Einwohner des Gouvernorates Amman machen schätzungsweise allein 42 % der jordanischen Bevölkerung aus (DOS 2021).

Mit dem Zustrom von bis zu 1,2 Millionen Syrern zu Beginn des Arabischen Frühlings und des syrischen Bürgerkriegs bis Mitte 2018, als Jordanien seine Grenzen schloss, gehörte Jordanien zu den Staaten, die an erster Stelle mit der Großen Anzahl an den Flüchtlingen zu tun hatten. Die Schätzungen der Flüchtlingszahlen reichen von 671.000 beim UNHCR registrierten Flüchtlingen bis zu 1,2 Millionen nach Schätzungen der jordanischen Regierung (FES 10.2020). Die hohe Anzahl an Flüchtlingen verstärkt zusätzlich den Druck auf knappen natürlichen Ressourcen des Landes (v.a. Wasser) (GIZ 31.12.2021). 33.000 Flüchtlingsfamilien in Jordanien erhalten vom UNHCR direkte finanzielle Hilfe. Der Bedarf ist aber wesentlich höher, über 80 % der Geflüchteten leben unterhalb der Armutsgrenze (DGVN 21.12.2021).

Laut einer ILO-Umfrage berichteten 95 % der syrischen Flüchtlings-Haushalte in Jordanien von Einkommensverlusten nach dem Ausbruch von Covid-19 (TNA 12.11.2021).

Medizinische Versorgung

Das Versorgungsniveau ist in Amman sehr gut. Hier sind besonders die beiden großen Privatkrankenhäuser der Maximalversorgung, das Al-Khalidi Medical Center und das Arab Medical Center, zu nennen. Außerhalb der Hauptstadt ist mit starken Einschränkungen zu rechnen, v.a. auch hinsichtlich des Rettungsdienstes bei Unfällen (AA 14.7.2022). Jordanien ist regional führend im Medizintourismus, wobei Staatsangehörige aus den Nachbarländern und den Ländern des Golfkooperationsrates (GCC) sich in Jordanien behandeln lassen (ITA 25.10.2021).

Der medizinische Standard in den öffentlichen Krankenhäusern ist gut, die Krankenpflege entspricht nicht immer europäischem Niveau. Privatkliniken haben einen besseren Standard. Medikamente sind ausreichend erhältlich. Die medizinische Versorgung in öffentlichen Krankenhäusern entspricht nicht oder nur mit Einschränkungen westeuropäischem Standard. Private Krankenhäuser sind besonders im Raum Amman zahlreich und mit westeuropäischem Standard größtenteils vergleichbar (BMEIA 14.7.2022).

Kinder unter 6 Jahren, Personen im Alter von ≥ 70 Jahren und Bürger, die in den am wenigsten begünstigten und abgelegenen Gebieten wohnen, wurden von den Nutzungsgebühren für die in den Einrichtungen des Gesundheitsministeriums erbrachten Gesundheitsdienstleistungen befreit (EMHR 24.2.2020). Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei rund 75 Jahren (WKO 4.2022b).

Die Regierung gewährte Männern großzügigere Sozialversicherungsleistungen als Frauen. Bei Hinterbliebenenpensionen unterscheidet sich z.B. der ausgezahlte Betrag je nach Geschlecht des Empfängers. Die Gesetze und Verordnungen über die Krankenversicherung für Beamte erlauben es Frauen, ihren Krankenversicherungsschutz auf Familienangehörige oder Ehepartner auszudehnen (USDOS 12.4.2022). Das Zivilversicherungsprogramm ist ein halbautonomer Fonds, der vom Gesundheitsministerium verwaltet wird und 41,7 % der formal krankenversicherten Jordanier eine Krankenversicherung bietet. Das Zivilversicherungsprogramm deckt alle Staatsbediensteten und ihre Angehörigen für die Versorgung in Einrichtungen des Gesundheitsministeriums und in anderen öffentlichen und privaten Einrichtungen ab, auf der Grundlage eines nach Dienstgrad und Dienstjahren gestaffelten Systems (EMHR 24.2.2020).

Die Hälfte der Flüchtlinge in Jordanien gilt laut Vereinten Nationen als medizinisch vulnerabel Der UNHCR unterstützt weiterhin eine Reihe von Maßnahmen der primären, sekundären und tertiären Gesundheitsversorgung (UN 4.8.2020). Syrischen Flüchtlingen, die außerhalb von Lagern leben – laut UNO Flüchtlingshilfe c.a. 83 % (UNO Flüchtlingshilfe o.D.), wird der Zugang zur subventionierten Gesundheitsversorgung versagt (FH 28.2.2022). Flüchtlinge, die in Städten leben, haben Schwierigkeiten Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen zu erhalten (EC 10.5.2022).

Rückkehr

Informationen zum Umgang mit Rückkehrern stehen nicht zur Verfügung.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den gg. Verfahrensakt unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des BF, des bekämpften Bescheides, des Beschwerdeschriftsatzes und der von ihm vorgelegten Beweismittel, die Heranziehung von länderkundlichen Informationen, die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung aktueller Auszüge aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister, dem Zentralen Melderegister, dem AJ-Web, dem Betreuungsinformationssystem und dem Strafregister.

2.2. Mangels Vorlage nationaler Identitätsdokumente im Original war die Identität des BF nicht feststellbar.

Die Feststellungen zur Zugehörigkeit zur arabischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionszugehörigkeit, den sozialen und wirtschaftlichen Verhältnissen des BF vor der Ausreise sowie in Österreich im Gefolge derselben, zum Bezug von Leistungen der Grundversorgung, zu seiner Erwerbstätigkeit, zu seiner strafgerichtlichen Unbescholtenheit und zu seinen sonstigen Integrationsbemühungen ergeben sich in unstrittiger Weise aus einer Zusammenschau seiner persönlichen Angaben im Verlauf des gg. Verfahrens, dem Inhalt der von ihm vorgelegten Unterlagen sowie aus den vom BVwG eingeholten Informationen der genannten Datenbanken.

Die Feststellungen zu seinen familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat ergeben sich ebenfalls aus seinen dahingehend gleichlautenden Angaben im Verfahren. Vor dem erkennenden Gericht behauptete er zuletzt, dass er seit ca. 8 oder 9 Monaten keinen Kontakt mehr zu seiner Familie habe, da sein Vater wegen den politischen Aktivitäten des BF nicht mehr mit ihm spreche. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum auch die Mutter und die Geschwister den Kontakt seither gänzlich eingestellt haben sollen, zumal der BF vor der belangten Behörde das Verhältnis mit seiner Familie noch als sehr gut beschrieb. Zudem bestätigte er, dass selbst sein Vater im Herkunftsstaat aktuell keine Probleme wegen der Aktivitäten des BF habe (AS 111, 117). Ein gänzlicher Kontaktabbruch zu seiner Familie konnte somit nicht festgestellt werden.

Dass er zeitweise ohne gültiges Arbeitsmarktdokument beschäftigt war, ergibt sich aus der E-Mail des Arbeitsmarktservice XXXX vom 10.02.2023 und der Mitteilung der Finanzpolizei vom 06.07.2023 (OZ 3).

Mangels Vorlage entsprechender Nachweise war festzustellen, dass er bislang noch keine Sprachprüfungen abgelegt hat und bisher keiner ehrenamtlichen Tätigkeit im Bundesgebiet nachgegangen ist. Anhand der vorgelegten Bestätigungen war aber festzustellen, dass er vom 27.02.2023 bis zum 04.05.2023 an einem Alphabetisierungskurs teilgenommen hat und für einen A1-Deutschkurs vom 27.11.2023 bis zum 30.01.2024 angemeldet war. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung konnte sich das erkennende Gericht zudem einen persönlichen Eindruck von den Deutschkenntnissen des BF machen.

Er legte im Verfahren vor dem BFA zwei medizinische Befunde vor: Im ambulanten Arztbrief des XXXX vom 31.01.2022 wurde die Verdachtsdiagnose Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) gestellt. Laut psychiatrischen Befundbericht vom 07.05.2022 wurde eine Anpassungsstörung mit Insomnie diagnostiziert und wurden dem BF mehrere Medikamente verschrieben. Auch geht aus dem Schreiben hervor, dass er schon in Jordanien Medikamente gegen Schlafstörungen und Panikattacken bekommen habe. In der Beschwerdeverhandlung gab der BF zuletzt an, gesund zu sein, keine Krankheiten zu haben und seit 10 Monaten keine Medikamente mehr einzunehmen (Seite 3 des Verhandlungsprotokolls). Daher war auch die Feststellung zu treffen, dass er an keiner gravierenden oder lebensbedrohlichen Erkrankung leidet. Es sind auch keine Hinweise auf eine Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit hervorgekommen, zumal er in einem erwerbsfähigen Alter ist und aktuell erwerbstätig ist.

Der gg. Verfahrensgang stellte sich im Lichte des vorliegenden Akteninhaltes als unstrittig dar.

2.3. Zu seinem Fluchtgrund befragt gab der BF bei seiner Erstbefragung am 29.01.2022 an, dass er während seiner Tätigkeit in der königlichen Nationalgarde aufgrund seiner palästinensischen Herkunft mehrmals vom Geheimdienst einvernommen und dabei für 17 Tage in Einzelhaft genommen worden sei. Außerdem sei er nach dem Scheitern des Putschversuchs am jordanischen König fälschlicherweise beschuldigt worden, gemeinsam mit dem Prinzen Hamza an dessen Planung beteiligt gewesen zu sein. Da sein Leben daraufhin in Gefahr gewesen sei, habe er sich zur Flucht entschlossen. Bei einer Rückkehr befürchte er ins Gefängnis zu kommen.

Anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme am 11.07.2022 gab der BF an, dass seine Probleme im Herkunftsstaat schon im Jahr 2017 begonnen hätten. Damals habe er gegenüber dem Leiter der königlichen Garde preisgegeben, dass er Palästinenser sei. Zwar habe er den Dienst weiter ausführen können, sei jedoch für zwei Wochen angehalten, befragt und gefoltert worden. Es sei ihm vorgeworfen worden, dass er den Islamischen Staat unterstützen würde und dass er sich für Spionagetätigkeiten in die Garde eingeschleust habe. Es sei zu weiteren Befragungen und zu mehreren Versetzungen im Dienst gekommen und habe er 2020 schlussendlich gekündigt. 2019 habe es zudem einen Vorfall gegeben, bei dem er mit einem Messer verletzt worden sei. 2021 seien dann Probleme mit Prinz Hamza aufgetaucht, den der BF als Teil der Leibgarde mehrmals begleitet habe. Außerdem stehe auch sein Vater im Herkunftsstaat unter Druck, da der BF seine Kritik über soziale Netzwerke verbreitet habe.

Im angefochtenen Bescheid führt die belangte Behörde beweiswürdigend aus, dass der BF keine glaubhafte Bedrohungs- bzw. Verfolgungsgeschichte vorbringen konnte. Es sei nicht plausibel, dass er den jordanischen Prinzen trotz Spionageverdachts bei Dienstreisen und Veranstaltungen begleitet habe und nicht längst des Dienstes verwiesen worden sei. Zudem habe er Jordanien auf legalem Wege verlassen können. Zum Messerangriff wurde angemerkt, dass sich der Angreifer inzwischen in Haft befinde, was wiederum die Schutzfähigkeit und -willigkeit des jordanischen Staates zeige. Weiter wurde auf die widersprüchlichen und wenig detailreichen sowie unschlüssigen Angaben des BF hingewiesen, dessen Person nach Ansicht der Behörde als nicht glaubwürdig einzustufen sei.

In der Beschwerde vom 12.01.2023 wurde das Vorbringen im Wesentlichen wiederholt und insbesondere auf die Strafbarkeit von Kritik gegenüber dem König und den Regierungsbeamten und -institutionen im jordanischen Recht hingewiesen. Die Behörde habe nicht ermittelt, inwieweit Rückkehrer, die im Ausland regimekritische Äußerungen veröffentlicht haben, mit Repressalien zu rechnen hätten. Zudem seien dem BF nicht näher konkretisierte „Ungereimtheiten“ vorgehalten worden, obwohl seine vorgebrachte Verfolgung den sich aus den Länderberichten ergebenden Tatsachen in Jordanien entspreche. So dürfen Palästinenser in Jordanien etwa keine höheren militärischen Ämter bekleiden.

2.4. Zur Frage allfälliger individueller Verfolgung des BF vor der Ausreise bzw. der Gefahr einer solchen pro futuro hat das erkennende Gericht wie folgt erwogen:

Der BF begründete behauptete Repressalien während seines Militärdienstes ursprünglich damit, dass er palästinensischer Herkunft sei, wobei diesbezüglich jedoch im Verfahren erhebliche Widersprüche aufkamen.

Führte er bei der Erstbefragung zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch Palästinenser an, gab er eingangs vor dem BFA an, dass in Serbien fälschlicherweise von einer palästinensischen Herkunft des BF ausgegangen worden sei, obwohl er dies nicht angegeben hatte (AS108). Im Laufe der behördlichen Einvernahme bejahte er zwar, über einen jordanischen Reisepass zu verfügen, betonte aber mehrmals seine palästinensische Abstammung. In der mündlichen Verhandlung verneinte er dies hingegen wieder zur Gänze (vgl. Seite 14 des Verhandlungsprotokolls):

„Rl: Warum haben Sie nicht angegeben, dass Sie Palästinenser sind?

P: Ich bin ja kein Palästinenser, ich bin Jordanier.

Rl: Es gibt keine Palästinensische Staatsangehörigkeit, sondern nur eine Volksgruppenzugehörigkeit. Gehören Sie dieser Volksgruppe an?

P: Ich bin jordanischer Staatsbürger und in Jordanien geboren. Mein Großvater stammte aus Palästina.

Rl: Woher aus Palästina?

P: Aus Jericho.

Rl: Ist Ihre Familie in Jordanien beim UNO-Hilfswerk für Palästinensische Flüchtlinge registriert?

P: Nein, weil wir als Jordanier gelten und nicht als Palästinenser.

Rl: Sie hatten also auch kein Identitätsdokument und keinen Reisepass für Palästinenser?

P: Nein.

Rl: In keinem Ihrer Dokumente befindet sich ein Vermerk, dass Sie Palästinenser sind?

P: Nein.“

Unschlüssig ist in diesem Zusammenhang auch, weshalb die zuvor noch behauptete palästinensische Herkunft des Beschwerdeführers erst im Jahr 2017 ein Problem für das jordanische Militär geworden sein soll, habe er dies laut Vorbringen immerhin schon am Beginn seiner militärischen Karriere im Jahr 2015 bekannt gegeben. Die anschließenden Rechtfertigungsversuche vor dem BFA, seine Mappe sei für zwei Jahre „unter Verschluss“ gewesen oder man hätte einfach auf ihn vergessen (AS 118), sind alleine schon deshalb nicht plausibel, da es laut BF ein strenges Auswahlverfahren für die königliche Garde gegeben habe, bei denen mehrere Faktoren berücksichtigt und am Ende nur 135 von 1000 Bewerbern rekrutiert worden seien. Schließlich beantwortete er in der Beschwerdeverhandlung die Frage des erkennenden Richters, welchen Sinn es hätte, ihn über drei Jahre hinweg bloß mit dem Vorwurf zu befassen, Palästinenser zu sein, lediglich mit den Worten: „Ich weiß es selbst nicht.“ (vgl. Seite 9 des Verhandlungsprotokolls).

Ähnlich inkonsistent gestalteten sich auch die weiteren vorgebrachten Gründe für seine Probleme im Herkunftsstaat. So sei ihm unterstellt worden, den Islamischen Staat zu unterstützen bzw. diesem anzugehören und für diesen zu spionieren.

Wie schon von der belangten Behörde aufgezeigt wurde, ist es nicht glaubhaft, dass der BF trotz einer solchen Anschuldigung weiterhin den Dienst beim jordanischen Militär verrichten und sogar als Leibwache für den Kronprinzen bei Dienstreisen und öffentlichen Auftritten tätig sein durfte. Seinen Angaben zufolge sei er insgesamt dreimal befragt und dabei sogar für mehrere Tage festgehalten und gefoltert worden. Weder vor dem BFA noch vor dem erkennenden Gericht konnte er schlüssig darlegen, weshalb er jedes Mal wieder auf freien Fuß gesetzt worden sei und weiter seinen Dienst habe ausführen können bzw. warum es überhaupt zu drei Einvernahmen gekommen sei.

Sämtliche Angaben des BF waren – vor allem in zeitlicher Hinsicht – auffallend ungenau und teilweise widersprüchlich, was seiner persönlichen Glaubwürdigkeit abträglich war. Beispielsweise datierte er die drei Verhöre durch das Militär bzw. den Geheimdienst in der Einvernahme vor dem BFA mit April 2017, September/Oktober 2017 und 2018. In der Beschwerdeverhandlung gab er hingegen an, diese hätten jeweils in den Jahren 2017, 2018 und 2019 stattgefunden. Neben solchen Widersprüchen gab er mehrmals ausweichende Antworten bzw. änderte seine Angaben im Laufe der Befragung, wie etwa folgende Passage aus dem behördlichen Einvernahmeprotokoll demonstriert (AS 117f):

„F: Wieso durften ausgerechnet Sie den Prinzen bei den Dienstreisen bzw. Veranstaltungen begleiten, wo Ihnen doch steht’s vorgeworfen worden ist, ein Spion der IS bzw. DAESH zu sein?

A: Ich war beim Prinzen Hamza bis 2018 tätig. Dann wurde ich versetzt in die Ingenieurseinheit.

F: Ihnen wurde aber bereits im Jahr 2017 vorgeworfen ein Spion zu sein. Was sagen Sie dazu?

A: Seit 2017 haben sie mich versetzt.

F: Wann wurden Sie jetzt versetzt, war das bevor Ihnen vorgeworfen worden ist, dass Sie Spion der DAESH bzw. IS sind oder erst danach?

A: Das war danach.

F: Wie lange haben Sie nun für Prinz Hamza direkt gearbeitet, sprich Ihn begleitet?

A: Das war Ende 2017.

F: Das passt zeitlich aber nicht zusammen. Sie haben gesagt, dass Sie bereits im April 2017 befragt worden sind und Ihnen diese Sachen vorgeworfen worden sind. Was sagen Sie dazu?

A: Ich weiß es nicht mehr. Aber irgendwann im Oktober 2017.

F: Ich habe Sie doch gerade gefragt, ob Sie mit dem Prinzen Hamza zusammengearbeitet haben bevor Ihnen dies mit den DAESH und IS vorgeworfen worden ist, und Sie meinten, dies alles sei davor passiert. Was sagen Sie dazu?

A: Im Jahr 2018 habe ich den Militärdienst bei der königlichen Garde niedergelegt. Aber ich habe den Prinzen Hamza trotzdem fast täglich beim Palast gesehen.“

Dasselbe Bild zeichnete sich auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung ab, als der Beschwerdeführer den im behördlichen Verfahren vorgebrachten Putschversuch zuerst gänzlich unerwähnt ließ und sich auf Nachfrage des erkennenden Richters nur mehr ausweichend dazu äußerte (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls):

„Rl: Gab es sonst andere Anschuldigungen Ihnen gegenüber?

P: Nein.

Rl: Schon bei Ihrer Erstbefragung haben Sie aber behauptet, dass man Ihnen vorgeworfen habe, in einem Putschversuch des Kronprinzen Hamza verwickelt gewesen zu sein?

P: Ja, das habe ich gesagt, aber nicht nur ich wurde deshalb beschuldigt, sondern auch andere.

Rl: Warum haben Sie dann vorhin auf meine Frage, ob es gegen Sie andere Vorwürfe gegeben hat, nein gesagt?

P: Ja, Sie haben Recht. Aber ich möchte angeben, dass diese Einvernahmen von verschiedenen Behörden durchgeführt wurden und ich dachte, Sie haben nur die eine Behörde gemeint, vor der ich einvernommen wurde.

Rl: Von welchen verschiedenen Behörden reden Sie?

P: Zum einen vom Militärischen Geheimdienst und zum anderen vom Staatlichen Geheimdienst.“

In weiterer Folge behauptete der Beschwerdeführer, dass ihm die Beteiligung am Putschversuch vom staatlichen Geheimdienst vorgeworfen worden sei und dass es deshalb im Jahr 2020 zu einer weiteren Einvernahme gekommen sei. Dies stellt jedoch abermals einen Widerspruch dar, gab er doch vor dem BFA noch an, der Putsch und die damit verbundenen Probleme mit den Prinzen hätten sich erst im Jahr 2021 ereignet, als er Jordanien bereits verlassen hatte und in der Türkei aufhältig war (AS 113).

Tatsächlich wurden laut den im Akt befindlichen Informationen des BFA im April 2021 mehrere Beschuldigte aufgrund der angeblichen Planung eines Putsches festgenommen und wurde dabei auch der Kronprinz Hamza unter Hausarrest gestellt (AS 67). Warum der BF deswegen schon im Jahr 2020 beschuldigt worden sein sollte, konnte er jedoch nicht plausibel erklären. Zudem bestätigte er vor dem BFA auch, dass alle seine Kollegen, die in diesem Zusammenhang verhaftet worden seien, inzwischen wieder auf freiem Fuße seien.

Weiter erwähnte der BF einen Übergriff im Jahr 2019, bei dem er mit einem Messer attackiert worden sei und anschließend im Krankenhaus behandelt werden musste. Diesbezüglich brachte er zwei Befunde aus dem Herkunftsstaat in Vorlage, wobei aus dem ärztlichen Schreiben vom 04.03.2019 hervorgeht, dass der Patient eine Stichwunde aufweise. Jedoch steht dieser Vorfall weder mit seinem eigentlichen Fluchtvorbringen noch mit seiner Ausreise 2021 im direkten Zusammenhang. Auch gab er selbst zu, dass der Angreifer nach einer Gerichtsverhandlung inhaftiert worden sei, was im Ergebnis – wie von Behörde richtigerweise aufgezeigt wurde – auch die Schutzfähigkeit und –willigkeit des jordanischen Staates zeigte.

Maßgeblich war schließlich noch, dass der BF im Verlauf der mündlichen Verhandlung seine bisher vorgebrachten Fluchtgründe relativierte und schlussendlich eingestand, dass es weder wegen seiner Herkunft noch wegen des Putschversuches Konsequenzen für ihn gegeben habe.

Vielmehr habe er das Land verlassen, weil er politische Aktivitäten gesetzt habe, die entdeckt worden seien. Auf genauere Nachfrage zu diesen Aktivitäten brachte er jedoch nur oberflächlich vor, er habe über die königliche Familie recherchiert und kritische Berichte verfasst. Im Gegensatz dazu gab er vor dem BFA noch an, dass er erst nach seiner Ankunft in Österreich angefangen habe, seine Kritik über die sozialen Medien zu posten. Konfrontiert mit diesem Widerspruch antwortete er vor dem erkennenden Gericht abermals ausweichend (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls):

„Rl: Sie haben eben gesagt, dass Sie im Internet Beiträge gepostet haben seit Sie nach Österreich gekommen sind. Vorhin haben Sie aber gesagt. Sie waren schon vor der Ausreise politisch aktiv. Was haben Sie mit diesen Aktivitäten vor der Ausreise gemeint?

P: Ich habe kritische Beiträge auf Facebook und Twitter verfasst.

Rl: Aber bei Ihrer Einvernahme haben Sie ausdrücklich angegeben, dass Sie damit nach Ihrer Ankunft nach Österreich begonnen haben.

P: Ich habe diese Aktivitäten bereits in Jordanien begonnen, aber der Inhalt meiner Beiträge war ein anderer als jener die ich in Österreich verfasst habe. Meine Beiträge in Jordanien habe ich so gestaltet, dass man mich nicht identifizieren konnte.

Rl: Abgesehen davon, dass Sie wie schon erwähnt ausdrücklich angegeben haben, erst nach der Ankunft nach Österreich überhaupt in sozialen Medien aktiv zu sein, welche Beiträge hätten Sie denn in Jordanien gepostet, wenn Sie sagen, die waren anders als jene in Österreich?

P: Wenn ich die Freiheit gehabt hätte schon in Jordanien meine wahre Meinung über die Situation dort zu äußern, dann hätte ich das getan, aber ich habe die Sanktionen gefürchtet.

Rl: Demnach haben Sie also vor der Ausreise keine kritischen Beiträge im Internet publiziert?

P: Ich habe meine Beiträge so verfasst, dass man unmöglich auf mich als Person stoßen konnte.“

Dass der jordanische Geheimdienst bei tatsächlichem Interesse an seiner Person dennoch seine Identität hätte herausfinden können, wurde vom BF in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt. Auch sonst war nicht erkennbar, dass er ein derart auffälliges Profil aufweist, dass er damit die Aufmerksamkeit der jordanischen Sicherheitsbehörden auf sich und seine politischen Aktivitäten im Herkunftsstaat gelenkt hätte.

So behauptete er zwar, dass er ein Mitglied der Partei ‚Nationale Rettung‘ sei und dass die meisten anderen Mitglieder in Haft seien. Vor der belangten Behörde bestätigte er jedoch auch, dass es sich dabei um eine legale Partei handle, er selbst nur einfaches Mitglied gewesen sei und er in Jordanien deswegen weder bedroht noch verfolgt worden sei (AS 119). Einen Mitgliedsausweis konnte er ebenso nicht vorlegen. Insgesamt erstattete er sohin zu seinen politischen Tätigkeiten in Jordanien kein substantiiertes Vorbringen, das Rückschlüsse auf eine außergewöhnliche Exponiertheit erlauben würde.

In der Beschwerde vom 12.01.2023 wurde vor allem auf die behauptete regimekritische Postings des BF in sozialen Medien und eine deswegen drohende Verfolgung im Herkunftsstaat hingewiesen. Den Länderberichten war auch zu entnehmen, dass das jordanische Recht Äußerungen kriminalisiert, die als kritisch gegenüber dem König, dem Ausland, Regierungsbeamten und -institutionen wahrgenommen werden (HRW 13.1.2022; vgl. USDOS 12.4.2022).

Um feststellen zu können, ob die strafrechtliche Verfolgung wegen eines auf politischer Überzeugung beruhenden Verhaltens des Asylwerbers einer Verfolgung im Sinne der GFK gleichkommt, kommt es somit entscheidend auf die angewendeten Rechtsvorschriften, aber auch auf die tatsächlichen Umstände ihrer Anwendung und die Verhältnismäßigkeit der verhängten Strafe an (vgl. VwGH 27.5.2015, Ra 2014/18/0133, mwN). Dass gegen den Beschwerdeführer wegen seinen politischen Aktivitäten oder Online-Beiträgen jemals ein Strafverfahren im Herkunftsstaat anhängig gewesen wäre, wurde im Verfahren nicht behauptet. Ebenso verneinte er vor dem BFA, dass ein Haftbefehl gegen ihn bestehen würde oder dass es konkrete Beweise für eine drohende Haftstrafe im Fall seiner Rückkehr geben würde (AS 122). Zudem wurde weder in der Beschwerdeschrift noch in einer der mündlichen Verhandlung näher dargelegt, welche konkrete Kritik vom BF in den sozialen Medien geäußert worden sei.

So gab er zum Inhalt seiner Beiträge vor dem BVwG nur oberflächlich an, er habe über das Vermögen der königlichen Familie geschrieben und Bilder aus amerikanischen Medien verbreitet, die nicht für jordanische Medien bestimmt waren. Als ebenso vage gestalteten sich seine diesbezüglichen Angaben vor der belangten Behörde (AS 117): „Ich habe mehrere Postings gemacht. Ich habe zum Beispiel geschrieben, dass es keine arabische NATO geben sollte, ich habe bei BBC die Interviews kritisiert. Ich habe gesagt, dass Sie einen Krieg befürworten.“

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurden mehrere Screenshots in Vorlage gebracht, die Postings des BF auf sozialen Plattformen in arabischer Sprache zeigen. Zudem wurde mittels Beweismittelvorlage vom 19.10.2023 ein weiterer Screenshot aus dem sozialen Netzwerk „X“ (vormals Twitter) vorgelegt und dazu ausgeführt, dass der BF öffentlich von einem Mann bedroht worden sei, indem dieser eines seiner Videos geteilt und darunter das Profil der jordanischen Polizei verlinkt habe (OZ 13). Nicht konkret erläutert wurde jedoch, um wem es sich bei dieser Person handle, die den Beitrag geteilt hat bzw. welchen Inhalt das geteilte Video überhaupt habe.

Eine vom BVwG in Auftrag gegebene Übersetzung der vorgelegten Auszüge seiner Beiträge durch einen Dolmetscher brachte das Ergebnis, dass seine Postings vor allem auf diverse – öffentlich zugängliche – Presseartikel bezogen waren. Auch berichtete er über jordanische Aktivisten und über die königliche Hochzeit. Laut Übersetzung bezeichnete er in einem Beitrag eine Vorladung seines Vaters durch den jordanischen Geheimdienst als „beschämend und bedauerlich“. Konkrete regimekritische Äußerungen des BF konnten ansonsten nicht erkannt werden (OZ 15).

Bei der Beurteilung der Gefährdungssituation von "Rückkehrern", die sich im Ausland exilpolitisch betätigt haben, kommt es in Bezug auf den geltend gemachten Nachfluchtgrund darauf an, ob der Asylwerber infolge seiner exilpolitischen Betätigung in das Blickfeld der für die Staatssicherheit zuständigen Behörden seines Herkunftsstaates geraten konnte. Zur Beantwortung dieser Frage sind zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen, einerseits, ob der Asylwerber auffällig "regimekritisch" in Erscheinung getreten ist, andererseits, ob er aus der Sicht der Behörden des Herkunftsstaates als Gefahr für das Regime eingeschätzt werden konnte (vgl. das E vom 22. Mai 2001, Zl. 2000/01/0076). Dabei ist entscheidend, wie die exilpolitische Tätigkeit von den Behörden des Herkunftsstaates bewertet würde und welche Konsequenzen sie für den Asylwerber hätte (VwGH 17.9.2003, 2002/20/0562; vgl. ferner VwGH 8.9.2015, Ra 2015/18/0080).

Zwar war sein Profil auf der Social Media Seite „X“ öffentlich zugänglich, jedoch ist anzumerken, dass sämtliche Postings nicht unter seinem vollen Klarnamen, sondern unter dem Namen " XXXX “ bzw. XXXX “ veröffentlicht wurden und dass er lediglich 136 Follower aufwies. Ein Zusammenhang zwischen seinen Veröffentlichungen und seiner Person kann sohin nicht ohne weiteres hergestellt werden. Auf Facebook ist er öffentlich unter dem Namen „ XXXX “ aktiv und verfügt über 3.825 Follower (Stand jeweils 05.01.2024). Festzuhalten ist außerdem, dass mehrere Profile unter diesem Namen existieren.

Selbst wenn das Profil der jordanischen Polizei unter einem geteilten Beitrag – bei dem der BF nicht namentlich genannte wurde – verlinkt wurde, kann dennoch nicht davon ausgegangen werden, dass deshalb schon Ermittlungstätigkeiten aufgenommen worden wären. Es ist jedenfalls auch nicht schlüssig, dass der jordanische Staat jegliche (Online-)Tätigkeit seiner Staatsbürger verfolgen bzw. beobachten würde. Vielmehr wird der Fokus auf Personen liegen, die etwa aufgrund ihrer exponierten Stellung oder ihres Einflusses eine potentielle Gefahr für das Regime darstellen. Dass der Beschwerdeführer aus Sicht der Behörden des Herkunftsstaats als Gefahr für das Regime eingeschätzt werden könnte, ist nicht zu erkennen. Es gab keine konkreten Hinweise, dass er aufgrund seiner veröffentlichten Beiträge bereits im Fokus der jordanischen Ermittlungsbehörden stünde. Seiner Behauptung vor dem erkennenden Gericht, der jordanischen Geheimdienst habe ihn einmal vorgeladen und mit seinen Veröffentlichungen konfrontiert, war keinen Glauben zu schenken. Einerseits widersprach er damit seinen vorherigen Ausführungen, er habe die Beiträge in Jordanien noch so verfasst, dass man unmöglich auf ihn als Person stoßen könne. Andererseits ließ er die erneute Vorladung durch den Geheimdienst bis zu diesem Zeitpunkt im Verfahren gänzlich unerwähnt.

Aus den Angaben des BF und den vorgelegten Postings ergab sich für das Gericht somit im Ergebnis, dass er bei einer Rückkehr nach Jordanien wegen behaupteter exilpolitischer Tätigkeit nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Gefahr polizeilicher oder justizieller Maßnahmen ausgesetzt sein wird. Es konnte somit nicht festgestellt werden, dass er im Falle seiner Rückkehr nach Jordanien festgenommen und gegen ihn wegen seiner Auslandsaktivitäten ein gerichtliches Strafverfahren geführt werde.

2.5. Insgesamt betrachtet fehlte sohin dem Vorbringen des BF zu den von ihm geäußerten Fluchtgründen bzw. Rückkehrbefürchtungen eine substantiierte Tatsachengrundlage. Eine individuelle Verfolgung vor der Ausreise oder die Gefahr einer solchen bei einer Rückkehr konnte er damit nicht glaubhaft darlegen.

2.6. Die Annahme, dass der BF bei einer Rückkehr auch insoweit keiner maßgeblichen Gefährdung ausgesetzt wäre, als er etwa in wirtschaftlicher Hinsicht in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde, stützt sich darauf, dass es sich bei ihm um einen mobilen, jungen, gesunden und arbeitsfähigen Mann mit Schulbildung und Berufserfahrung handelt. Er verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte in Jordanien und konnte dort für seinen Lebensunterhalt aufkommen. Den herangezogenen Länderinformationen war auch kein Hinweis auf eine unzureichende allgemeine Wirtschafts- und Versorgungslage in der Hauptstadt Amman zu entnehmen, wo der BF vor seiner Ausreise gemeinsam mit seiner Familie lebte. Dass er in seiner Heimat bei einer Rückkehr eine neue Lebensgrundlage findet, war im Lichte dessen als maßgeblich wahrscheinlich anzusehen.

Die allgemeine Sicherheitslage in Jordanien war nicht dergestalt einzuschätzen, dass schon mit der bloßen Anwesenheit für jeden Zurückkehrenden das reale Risiko verbunden wäre, Opfer eines Terroranschlags oder sonstiger gewaltsamer Auseinandersetzungen zu werden. Dass es aktuell in Jordanien keinen landesweiten bewaffneten Konflikt gibt, unter dem die Zivilbevölkerung in einer Weise zu leiden hätte, dass ein Aufenthalt ebendort jeden, sohin auch den BF, in eine maßgebliche Gefahrenlage bringen würde, war ebenso als notorisch anzusehen wie dies aus den länderkundlichen Informationen zu gewinnen war.

Aus dem Gesagten war die Feststellung zu treffen, dass eine Rückkehr des Beschwerdeführers nach Jordanien somit nicht automatisch dazu führt, dass er einer wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein wird. Auch ist er angesichts der weitgehend stabilen Sicherheitslage nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

2.7. Die vom BVwG getroffenen Feststellungen zur allgemeinen Lage in Jordanien stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA zu Jordanien vom 27.07.2022. Die Länderfeststellungen stellen sich in den für die gg. Entscheidung wesentlichen Aspekten als ausreichend und tragfähig dar. In der Beschwerde fand sich kein entgegenstehendes substantielles Vorbringen. Auch in der mündlichen Verhandlung wurde den herangezogenen Länderinformationen nicht entgegengetreten.

2.8. Zu den diagnostizierten Krankheiten des BF ist festzuhalten, dass er zuletzt in der mündlichen Verhandlung angab, gesund zu sein und seit 10 Monaten keine Medikamente mehr einzunehmen. Auch ergibt sich aus dem vorgelegten Befundbericht vom 17.05.2022, dass er bereits im Herkunftsstaat Medikamente gegen Schlafstörungen und Panikattacken bekommen habe. Dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Jordanien eine Behandlung nicht möglich wäre, wurde vom BF nicht vorgebracht.

3. Rechtliche Beurteilung:

Mit Art. 129 B-VG idF BGBl. I 51/2012 wurde ein als Bundesverwaltungsgericht (BVwG) zu bezeichnendes Verwaltungsgericht des Bundes eingerichtet.

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das BVwG über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden.

Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z. 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet.

Gemäß Art. 135 Abs. 1 B-VG iVm § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) idF BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde als gegeben findet, den angefochtenen Bescheid und die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, 1. wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Mit Datum 1.1.2006 ist das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl in Kraft getreten (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 221/2022.

Mit BFA-Einrichtungsgesetz (BFA-G) idF BGBl. I Nr. 68/2013, in Kraft getreten mit 1.1.2014, wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) eingerichtet.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG idgF sowie § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Zu A)

1.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK droht. Darüber hinaus darf keiner der in § 6 Abs. 1 AsylG genannten Ausschlussgründe vorliegen, andernfalls der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ohne weitere Prüfung abgewiesen werden kann.

Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG 2005 ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder – im Falle der Staatenlosigkeit – der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).

Im Hinblick auf die Neufassung des § 3 AsylG 2005 im Vergleich zu § 7 AsylG 1997 wird festgehalten, dass die bisherige höchstgerichtliche Judikatur zu den Kriterien für die Asylgewährung in Anbetracht der identen Festlegung, dass als Maßstab die Feststellung einer Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK gilt, nunmehr grundsätzlich auch auf § 3 Abs. 1 AsylG 2005 anzuwenden ist.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung (vgl. VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen (vgl. VwGH 21.09.2000, Zl. 2000/20/0241; VwGH 14.11.1999, Zl. 99/01/0280). Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 19.04.2001, Zl. 99/20/0273; VwGH 22.12.1999, Zl. 99/01/0334). Relevant kann darüber hinaus nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. VwGH 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; VwGH 09.03.1999, Zl. 98/01/0318).

1.2. Das erkennende Gericht kam auf der Grundlage seiner Beweiswürdigung und der darauf gestützten Feststellungen zum Ergebnis, dass der BF die von ihm behaupteten Fluchtgründe nicht glaubhaft machen konnte.

1.3. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher als unbegründet abzuweisen.

2.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

2.2. Zu den Kriterien für die allfällige Zuerkennung von subsidiärem Schutz hat sich der Verwaltungsgerichtshof zuletzt in seinem Erkenntnis vom 26.06.2019, Ra 2019/20/0050 bis 0053-10, unter Bezugnahme auf seine vorgehende Judikatur in grundsätzlicher Weise geäußert.

Hatte er zuvor in seinem Erkenntnis vom 6. November 2018, Ra 2018/01/0106, näher dargelegt, dass der Gesetzgeber mit der Bestimmung des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Weiteren kurz: StatusRL) betreffend den Status des subsidiär Schutzberechtigten im Sinn der Auslegung der Bestimmung des Art. 15 lit. b iVm Art. 3 StatusRL entgegen der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) und somit fehlerhaft umgesetzt hat (siehe Rn. 45 der Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses), und in diesem Erkenntnis auch darauf verwiesen, dass zur Erfüllung dieser Verpflichtung es der Grundsatz der unionskonformen Auslegung von den mit der Auslegung des nationalen Rechts betrauten nationalen Gerichten verlangt, unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles zu tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Unionsrecht verfolgten Ziel im Einklang steht, so stellte er dem gegenüber, dass die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt des Unionsrechts heranzuziehen, ihre Schranken in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen findet und nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen darf (Rn. 47 ff. der Entscheidungsgründe).

Im zitierten Erkenntnis Ra 2018/01/0106 hat der VwGH sodann die Frage, ob § 8 Abs. 1 AsylG 2005 einer dem Unionsrecht (im Sinn der zu Art. 15 StatusRL ergangenen Rechtsprechung des EuGH) Genüge tuenden Auslegung zugänglich ist, ausdrücklich dahingestellt gelassen (Rn. 60 der Entscheidungsgründe). Auch im Beschluss vom 21. November 2018, Ra 2018/01/0461, wurde lediglich darauf hingewiesen, dass es der StatusRL widerspreche, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen.

Den genannten Entscheidungen war somit - ungeachtet des jeweils vorhandenen Hinweises auf die Unionsrechtswidrigkeit des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 - nicht zu entnehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof damit seine bisherige zum Umfang des Anwendungsbereiches des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ergangene Rechtsprechung als nicht mehr beachtlich angesehen hätte.

Zwischenzeitig hat sich der Verwaltungsgerichtshof mit der Frage, ob in Bezug auf den Status des subsidiären Schutzes eine unionsrechtskonforme Lösung gefunden werden kann (und allenfalls das Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung in Erwägung zu ziehen sein wird), in seinem Erkenntnis vom 21. Mai 2019, Ro 2019/19/0006, beschäftigt. Er ist dort zum Ergebnis gelangt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der StatusRL in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der StatusRL zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben.

Infolge dessen ist an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten.

2.3. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung einer möglichen Verletzung des Art. 3 EMRK eine Einzelfallprüfung vorzunehmen, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht. Es bedarf einer ganzheitlichen Bewertung der möglichen Gefahren, die sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen hat. Die Außerlandesschaffung eines Fremden in den Herkunftsstaat kann auch dann eine Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten, wenn der Betroffene dort keine Lebensgrundlage vorfindet, also die Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz (bezogen auf den Einzelfall) nicht gedeckt werden können. Eine solche Situation ist nur unter exzeptionellen Umständen anzunehmen. Die bloße Möglichkeit einer durch die Lebensumstände bedingten Verletzung des Art. 3 EMRK reicht nicht aus. Vielmehr ist es zur Begründung einer drohenden Verletzung von Art. 3 EMRK notwendig, detailliert und konkret darzulegen, warum solche exzeptionellen Umstände vorliegen.

Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung festgehalten, dass, wenn im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage herrscht, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vorliegen, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können nur besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaats im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen.

Eine schwierige Lebenssituation, insbesondere bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht, die ein Fremder im Fall der Rückkehr in sein Heimatland vorfinden würde, reicht nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für sich betrachtet nicht aus, um die Verletzung des nach Art. 3 EMRK geschützten Rechts mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit annehmen zu können oder um eine innerstaatliche Fluchtalternative zu verneinen (vgl. zum Ganzen VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung).

Weiters hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (vgl. VwGH 23.3.2017, Ra 2017/20/0038 bis 0040; 6.11.2018, Ra 2018/01/0106, jeweils mwN).

2.2. Aus dem oben festgestellten Sachverhalt ergab sich schlüssig, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 für den BF nicht vorlagen:

Stichhaltige Hinweise darauf, dass dieser im Fall seiner Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, kamen im Rahmen des Ermittlungsverfahrens nicht hervor.

Vor dem Hintergrund der Feststellungen des Gerichts oben liegen im gegenständlichen Fall auch keine stichhaltigen Anhaltspunkte für die Annahme einer die physische Existenz des BF nur unzureichend sichernden Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl. VwGH 21.08.2001, 2000/01/0443; 13.11.2001, 2000/01/0453; 18.07.2003, 2003/01/0059), vor. Dies zum einen angesichts seiner eigenen Selbsterhaltungsfähigkeit, die aus seiner Arbeitsfähigkeit, seiner Schulbildung und seinen bereits erworbenen Berufserfahrungen resultiert, zum anderen in Anbetracht seiner familiären Anknüpfungspunkte in Jordanien. Seinem Vorbringen zu den Lebensumständen vor der Ausreise konnte nicht entnommen werden, dass diese von einer fehlenden Lebensgrundlage geprägt gewesen wären.

Es kam auch keine gravierende Erkrankung des BF hervor. Ein, die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigendes Krankheitsbild liegt daher nicht vor.

Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat würde er somit nicht in seinen Rechten nach Art. 2 und 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (Europäische Menschenrechtskonvention – EMRK), BGBl. Nr. 210/1958 idgF, oder ihren relevanten Zusatzprotokollen Nr. 6 über die Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. Nr. 138/1985 idgF, und Nr. 13 über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe, BGBl. III Nr. 22/2005 idgF, verletzt werden.

Auch konkrete Anhaltspunkte dahingehend, dass eine Rückführung in den Herkunftsstaat für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, sind nicht hervorgekommen.

2.3. Vor diesem Hintergrund erwies sich letztlich die Annahme des Bundesamtes, es lägen im gegenständlichen Fall keine stichhaltigen Gründe für die Annahme des realen Risikos einer Gefährdung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG vor, als mit dem Gesetz in Einklang stehend, und geht auch das Bundesverwaltungsgericht in der Folge von der Zulässigkeit der Abschiebung des BF nach Jordanien aus.

2.4. Insoweit war auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.1. § 10 AsylG 2005 lautet:

„(1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. …

2. …

3. der Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

4. …

5. …

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird.

(2) …“

§ 57 AsylG 2005 lautet:

„(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zu erteilen:

1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382c EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) …“

§ 58 AsylG 2005 lautet:

„(1) Das Bundesamt hat die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 von Amts wegen zu prüfen, wenn

1. …

2. der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. …“

§ 52 FPG lautet:

„(1) …

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. …

2. dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,

3. …

4. …

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.“

§ 9 BFA-VG lautet:

„(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Absatz eins, auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß Paragraph 52, FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (Paragraph 45, oder Paragraphen 51, ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 100 aus 2005,) verfügen, unzulässig wäre.“

Art. 8 EMRK lautet:

„(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.

(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.“

§ 55 FPG lautet:

„(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) …

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) …“

3.2. Der gegenständliche Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz wurde vom BFA zu Recht gemäß §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom heutigen Tag als unbegründet abgewiesen. Die Einreise des BF in das Bundesgebiet ist nicht rechtmäßig erfolgt. Ein sonstiger Aufenthaltstitel des drittstaatsangehörigen Fremden ist nicht ersichtlich und wurde auch kein auf andere Bundesgesetze gestütztes Aufenthaltsrecht behauptet. Der Aufenthalt des BF stützte sich zunächst bloß auf die Bestimmungen des AsylG, weshalb das BFA im Entscheidungszeitpunkt grundsätzlich zurecht eine auf § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG gestützte Rückkehrentscheidung erließ.

Es liegen keine Umstände vor, dass dem BF allenfalls von Amts wegen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz) zu erteilen gewesen wären und wurde diesbezüglich in der Beschwerde auch nichts dargetan, weshalb die Beschwerde auch hinsichtlich dieses Spruchpunktes abzuweisen war.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 war die Entscheidung daher mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

3.3. Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob sie einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Rechts des BF auf Achtung seines Privat- und Familienlebens in Österreich darstellt.

Das Recht auf Achtung des Familienlebens iSd Art 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR Kroon, VfGH 28.06.2003, G 78/00).

Der Begriff des Familienlebens ist jedoch nicht nur auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein; maßgebend ist beispielsweise das Zusammenleben eines Paares, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder auf andere Weise (EGMR Marckx, EGMR 23.04.1997, X ua).

Wie der Verfassungsgerichtshof in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

die Bindungen zum Heimatstaat,

die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00).

In Ergänzung dazu verleiht weder die EMRK noch ihre Protokolle das Recht auf politisches Asyl (EGMR 30.10.1991, Vilvarajah ua., Zl. 13163/87 ua.; 17.12.1996, Ahmed, Zl. 25964/94; 28.02.2008 [GK] Saadi, Zl. 37201/06).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

Aufenthaltsbeendende Maßnahmen beeinträchtigt das Recht auf Privatsphäre eines Asylantragstellers dann in einem Maße, der sie als Eingriff erscheinen lässt, wenn über jemanden eine Ausweisung verhängt werden soll, der lange in einem Land lebt, eine Berufsausbildung absolviert, arbeitet und soziale Bindungen eingeht, ein Privatleben begründet, welches das Recht umfasst, Beziehungen zu anderen Menschen einschließlich solcher beruflicher und geschäftlicher Art zu begründen (Wiederin in Korinek/Holoubek, Bundesverfassungsrecht, 5. Lfg., 2002, Rz 52 zu Art 8 EMRK).

Nach der Rechtssprechung des EGMR (vgl. aktuell SISOJEVA u.a. gg. Lettland, 16.06.2005, Bsw. Nr. 60.654/00) garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (zB. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht (wie im Fall SISOJEVA u.a. gg. Lettland) oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. dazu BAGHLI gg. Frankreich, 30.11.1999, Bsw. Nr. 34374/97; ebenso die Rsp. des Verfassungsgerichtshofes; vgl. dazu VfSlg 10.737/1985; VfSlg 13.660/1993).

3.4. Der BF hat in Österreich keine Verwandten und führt keine Beziehung. Er unterhält daher keine familiäre Nahebeziehung iS der Rechtsprechung des EGMR zu Art. 8 EMRK, weshalb im gg. Fall lediglich das bisher entstandene Privatleben des BF zu beachten war.

Er hält sich seit seiner unrechtmäßigen Einreise, spätestens am 29.01.2022, bis dato faktisch in Österreich auf. Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zu (vgl. VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191). Ihm kam seither auch nur ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht nach dem AsylG zu. Das Gewicht dieses bisherigen nur kurzen Aufenthalts in Österreich war auch dadurch abgeschwächt, dass er seinen Aufenthalt durch einen unberechtigten Antrag auf internationalen Schutz zu legalisieren versuchte, er konnte alleine durch die Stellung seines Antrages nicht begründeter Weise von der zukünftigen dauerhaften Legalisierung des Aufenthalts ausgehen.

Im gegenständlichen Verfahren waren im Übrigen auch keine unverhältnismäßig langen Verfahrensgänge festzustellen, die dem BFA oder dem BVwG zur Last zu legen wären. Von einer maßgeblichen Integration bzw. Verfestigung seiner Interessen angesichts einer erheblichen Aufenthaltsdauer war daher nicht auszugehen.

Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende außergewöhnliche Integration in sprachlicher oder gesellschaftlicher Sicht waren nicht feststellbar.

Er hat an einem Alphabetisierungskurs teilgenommen und kann sich lediglich in gebrochenem Deutsch verständigen. Er hat noch keine Deutschprüfungen abgelegt und betätigt sich im Bundesgebiet auch nicht ehrenamtlich.

Demgegenüber ist er seit April 2023 als Lagermitarbeiter in einem Supermarkt beschäftigt. Zudem war er schon vom 16.08.2022 bis zum 27.10.2022 legal erwerbstätig. Es war daher zwar zu seinen Gunsten von einer begonnenen beruflichen Integration auszugehen, wiewohl diese alleine nicht hinreichend war um von einem Überwiegen seiner privaten Interessen an einem weiteren Aufenthalt in Österreich ausgehen zu können. Zu bedenken war außerdem, dass er vom 17.06.2022 bis zum 20.06.2022 ohne gültige Beschäftigungsbewilligung und somit illegal erwerbstätig war.

Er hat demgegenüber den weitaus überwiegenden Teil seines Lebens im Herkunftsstaat verbracht, wurde dort sozialisiert und spricht Arabisch als Mehrheitssprache seiner Herkunftsregion auf muttersprachlichem Niveau. Ebenso war festzustellen, dass er dort Bezugspersonen in Form seiner Eltern, seiner zwei Brüder und seiner zwei Schwestern hat. Er verfügt über eine gute Schulbildung und über mehrere Jahre Berufserfahrung im Herkunftsstaat. Es kann daher auch seine Selbsterhaltungsfähigkeit in Jordanien angenommen werden. Es deutet nichts darauf hin, dass es ihm im Falle einer Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht möglich wäre sich in die dortige Gesellschaft erneut zu integrieren.

Der sohin nur sehr schwachen Rechtsposition des BF im Hinblick auf einen weiteren Verbleib in Österreich stehen die öffentlichen Interessen des Schutzes der öffentlichen Ordnung, insbesondere in Form der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen gegenüber.

3.5. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG war daher davon auszugehen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des unrechtmäßigen Aufenthalts des BF im Bundesgebiet dessen persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet jedenfalls überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht bewirkt wird. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht vorgebracht worden, die im gegenständlichen Fall den Ausspruch, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei, rechtfertigen würden.

4. Schließlich sind im Hinblick auf § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG keine konkreten Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass eine Abschiebung des BF nach Jordanien unzulässig wäre (vgl. oben die Erwägungen und Feststellungen zur Frage der Gewährung subsidiären Schutzes).

5. Da alle gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung nach Jordanien vorlagen, war auch die Beschwerde gegen die Spruchpunkte III, IV und V des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

6.1. Die festgelegte Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung entspricht § 55 Abs. 2 erster Satz FPG. Ein der diesbezüglichen behördlichen Entscheidung entgegenstehendes Vorbringen wurde vom BF nicht erstattet.

6.2. Die Beschwerde war sohin auch hinsichtlich Spruchpunkt VI. als unbegründet abzuweisen.

7. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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