JudikaturBVwG

W208 2279018-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
29. November 2023

Spruch

W208 2279018-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde und den Verfahrenshilfeantrag von XXXX , geboren XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Präsidentin des Oberlandesgerichtes WIEN vom 18.09.2023, Zl Jv 52524-33a/23, betreffend Stundung und Nachlass von Gerichtsgebühren zu Recht erkannt:

A)

I. Der Antrag auf Verfahrenshilfe wird gemäß § 8a VwGVG abgewiesen.

II. Der im angefochtenen Bescheid getroffene Ausspruch über die Stundung der im Grundverfahren zu XXXX des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen XXXX vorgeschriebenen Gerichtsgebühren iHv € 156.759,00 wird wegen Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos behoben. Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen, sodass der Spruch des Bescheides nunmehr zu lauten hat:

„Dem Antrag der zahlungspflichtigen Partei XXXX , geb. XXXX , die im Grundverfahren XXXX des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen XXXX vorgeschriebenen Gerichtsgebühren in einer Gesamthöhe von € 156.759,00 nachzulassen, wird gemäß § 9 Abs 2 GEG nicht stattgegeben.“

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. In einem zivilgerichtlichen Verfahren vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen XXXX (im Folgenden: LG) zu XXXX wurden der beschwerdeführenden Partei (im Folgenden: bP) Gerichtsgebühren in einer Gesamthöhe von € 156.759,00 mit Zahlungsauftrag vom 03.08.2023, zu XXXX – vorgeschrieben (OZ 2).

2. Mit Schreiben vom 11.08.2023 brachte die bP ein als Nachlass- und irrtümlicherweise auch als Stundungsantrag gemäß § 9 Abs 1 und 2 GEG gewertetes Schreiben beim LG ein, welches vom Gericht des Grundverfahrens an die belangte Behörde - die Präsidentin des Oberlandesgerichtes WIEN (OLG) - zur Entscheidung weitergeleitet wurde (OZ 1).

Begründet war der Antrag im Wesentlichen damit, dass das LG vergessen habe auszuführen, aus welchem Verfahren sich die Gebühren/Kosten ableiten würden. Es könne kein gebührenpflichtiger Antrag eingebracht worden sein, zumal der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe vom Oberlandesgericht XXXX zurückgewiesen worden sei. Es bestehe daher gar kein gebührenpflichtiger Antrag, da im Hinblick auf die Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages, gar kein Antrag auf Amtshaftungs- bzw Feststellungsklage eingebracht worden sei.

3. Die belangte Behörde führte ein Ermittlungsverfahren durch und holte eine Auskunft des Sozialversicherungsträgeres ein, wonach die bP seit 01.01.2019 Pensionsbezüge bezieht und die Beitragsgrundlage zuletzt im August 2023 € 1.937, 71 betrug.

4. Mit dem im Spruch angeführten Bescheid der belangten Behörde wurde dem Antrag der bP auf Nachlass in eventu auf Stundung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren nicht stattgegeben.

Begründend wurde darin zur Versagung des Nachlasses ausgeführt, dass es die bP in ihrem Gesuch versäumt habe, die für den Nachlass erforderliche besondere Härte, insbesondere die Bekanntgabe ihrer Einkommens- und Vermögensverhältnisse darzulegen. Weiter sei im Verfahren betreffend Nachlass der Gerichtsgebühren kein Raum dafür, die Richtigkeit der Gebührenbemessung aufzurollen (VwGH 2005/16/0025). Die Argumentation der bP, es bestehe keine Gebührenpflicht, da der Antrag auf Verfahrenshilfe abgewiesen worden sei und daher auch keine Klage eingebracht worden sei, gehe somit ins Leere. Hinsichtlich des Stundungsantrages wurde darauf hingewiesen, dass die bP im gegenständlichen Fall weder eine gemäß § 9 Abs 1 GEG erforderliche Sicherheitsleistung angeboten habe, noch ein Vorbringen erstattet hätte, warum die Einbringung im gegenständlichen Fall nicht gefährdet sei. Es fehle somit im gegenständlichen Fall neben der erforderlichen besonderen Härte, an der für eine Stundung unabdingbaren zweiten Voraussetzung, dass entweder eine Sicherheit geleistet werde, oder der Gebührenschuldner darlegen könne, warum die Einbringung in dieser Sache gerade nicht gefährdet sei.

5. Gegen diesen Bescheid (zugestellt am 25.09.2023) erhob die bP am 26.09.2023 Beschwerde, brachte gleichzeitig einen Antrag auf Verfahrenshilfe zur Erhebung dieser Beschwerde ein und legte ein Vermögensbekenntnis bei. Begründend wiederholte sie im Wesentlichen das Vorbringen im Nachlassantrag, wonach im Hinblick auf die Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages im Grundverfahren kein gebührenpflichtiger Antrag eingebracht worden sein könne und beanstandete darüber hinaus, dass die belangte Behörde über eine Stundung abgesprochen habe, die sie nicht beantragt habe.

6. Mit Schriftsatz vom 03.10.2023 (eingelangt am 05.10.2023) legte die belangte Justizverwaltungsbehörde – ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen – die Beschwerde und den Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem unter I. 1.-3. festgestellten Verfahrensgang und Sachverhalt ausgegangen.

Insbesondere wird festgestellt, dass die bP eine monatliche Pension iHv € 1.281,00 (14-mal jährlich) bezieht. Die mittels Sozialversicherungsdatenauszug festgestellte Beitragsgrundlage betrug im August 2023 € 1.937,71.

Die vorgeschriebenen Gebühren von in Summe € 156.759,00, deren Nachlass begehrt wurde, wurden mit Zahlungsauftrag vom 03.08.2023, zu XXXX (OZ 2), vorgeschrieben.

Die bP lebt in einer Mietwohnung und trägt monatlich folgende Kosten: € 590,00 - € 600,00 (Miete und Betriebskosten), € 85,00 für Strom und Internet, € 10,00 für Telefon, € 50,00 für einen Web-ERV Dienst, € 25,00 für Fahrtkosten und € 20,00 für Versicherungen. Sie hat Kreditschulden bei der Bank iHv ca. € 18.000,00 und tilgt davon monatliche Raten iHv € 485,00. In Summe hat die bP aufgrund verschiedener Zahlungen monatliche Kosten iHv € 1.265 zu bestreiten.

Sie hat weitere private Schulden bei 6 verschiedenen Privatpersonen (€ 12.000,0, € 7.000,00, € 6.000,00, € 15.000,00, € 12.000,00).

Die bP verfügt über kein Vermögen und weist per 26.09.2023 einen Kontostand auf ihrem Girokonto iHv € 1.017,02 auf.

Aufgrund der monatlichen Pension von iHv € 1.281,00 (14x) ist der notwendige Unterhalt der bP gesichert.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen sich auf die Angaben der bP in ihrem Antrag, der Beschwerde und im ausgefüllten Fragebogen zum Vermögensverzeichnis (Aktenseite 31ff) vom 26.09.2023, sowie auf das Auskunftsverfahren des Sozialversicherungsträgers (OZ 3 – 5).

Dass lediglich der Nachlass und nicht die Stundung der Gebühren von in Summe € 156.759,00, begehrt wurde, ergibt sich aus dem Antrag der bP vom 11.08.2023 (OZ 1).

Unstrittig ist, dass die bP eine monatliche Pension iHv € 1.281,00 (14-mal jährlich) bezieht. Die Feststellungen zu den Wohnkosten und sonstigen Kosten der bP sind ebenfalls unstrittig.

Die Schulden der bP ergeben sich aus ihren eigenen Angaben im Vermögensverzeichnis zum Verfahrenshilfeantrag (Aktenseite 31ff).

Es wird nicht verkannt, dass es im gegenständlichen Fall um einen hohen aushaftenden Betrag von € 156.759,00 geht. Diese Zahlungspflicht vermag dennoch keine existenzgefährdenden Schwierigkeiten für die bP zu begründen, zumal eine Abstattung in – wenn auch kleinen und über viele Jahre andauern – Raten möglich ist und der notwendige Unterhalt – wie oben festgestellt – bei einer allfälligen Exekution durch Rücksichtnahme auf die Höhe des Bezuges gesichert ist.

Daran vermag auch das fortgeschrittene Alter der bP mit 74 Jahren nichts zu ändern, da wie oben ausgeführt, die bP eine regelmäßige Pension bezieht.

Die bP hat in ihrem Nachlassantrag angegeben, dass kein gebührenpflichtiger Antrag eingebracht worden sein könne, zumal der entsprechende Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (im Grundverfahren) zurückgewiesen worden sei. Damit ist für sie nichts gewonnen, zumal diese Argumentation betreffend die Richtigkeit der Gebührenbemessung im Grundverfahren für das gegenständliche Nachlassverfahren keine Relevanz hat (Näheres dazu unter 3.4.).

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit des Verfahrens

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG vier Wochen. Die Beschwerde wurde fristgerecht eingebracht und ist auch sonst zulässig.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels entsprechender Sonderregelung im GEG liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 27 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hat das Verwaltungsgericht - soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet - den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs 1 Z 3 und 4) zu überprüfen. Von Amts wegen hat das Bundesverwaltungsgericht jedoch Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der den angefochtenen Bescheid erlassenden Behörde aufzugreifen; ebenso kann es eine relevante Verletzung der Verfahrensvorschriften von Amts wegen aufgreifen (siehe Eder/Martschin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte 2013, § 27, K2).

Gemäß § 28 VwGVG hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (Abs 1). Über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn 1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Abs 2).

Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht - ungeachtet eines Parteienantrags, der hier ohnehin nicht vorliegt - von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen. Im gegenständlichen Fall geht der Sachverhalt eindeutig aus den Akten hervor. Wie der Verwaltungsgerichtshof ausführte ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Verfahren zur Vorschreibung und Einbringung von Gerichtsgebühren mangels Vorliegens von „civil rights" unter dem Blickwinkel des Art 6 EMRK nicht erforderlich (VwGH 26.06.2003, 2000/16/0305; 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Auch ist nicht ersichtlich, warum nach Art 47 der EU Grundrechte-Charta eine Verhandlung erforderlich sein soll.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG entfallen, da der Sachverhalt aufgrund der Aktenlage feststeht und die Rechtsfragen nicht derart komplex waren, dass es deren Erörterung in einer Verhandlung bedürfte.

Zu A. I.) Abweisung des Verfahrenshilfeantrages

3.2. Gegenständlich wurde der Verfahrenshilfeantrag eingebracht, damit die bP gegen die Abweisung des Antrages auf Nachlass durch den Bescheid der Präsidentin des OLG WIEN Beschwerde erheben kann.

§ 8a Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) regelt seit 01.01.2017 die Gewährung von Verfahrenshilfe vor dem BVwG außerhalb von Verwaltungsstrafverfahren.

Voraussetzung dafür ist, dass die Gewährung von Verfahrenshilfe auf Grund des Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr 210/1958, oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr C 83 vom 30.03.2010, 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat, fallen Angelegenheiten der Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 EMRK (vgl VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Gerichtsgebühren sind Bundesabgaben, weshalb ihre Vorschreibung keine Entscheidung über "civil rights" iSd Art 6 EMRK ist (VwGH 24.09.2009, 2008/16/0051).

Gegenständlich wird der Verfahrenshilfeantrag abgewiesen, da die Eintreibung von Gerichtsgebühren nicht in den Anwendungsbereich des Art 6 EMRK fällt, weil keine "civil rights" betroffen sind und auch Art 48 GRC nicht anwendbar ist, weil kein Bezug zu Regelungen der Europäischen Union vorliegt.

Da somit bereits diese Voraussetzung des § 8a VwGVG nicht erfüllt ist, und alle darin genannten Voraussetzungen gemeinsam (kumulativ) vorliegen müssen, erübrigt sich eine diesbezüglich weitere Prüfung.

Im Übrigen sehen auch das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG), das Gerichtliche Einbringungsgesetz (GEG) und das Gerichtsgebührengesetz (GGG) keine Rechtsgrundlage für die Gewährung von Verfahrenshilfe vor.

Der Antrag auf Gewährung von Verfahrenshilfe ist daher spruchgemäß abzuweisen.

Zu A. II.) Erledigung der Beschwerde

3.3. Rechtsgrundlagen

Gebühren und Kosten können gemäß § 9 Abs 2 GEG nachgelassen werden, wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre oder wenn der Nachlass im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Bei der Bestimmung des § 9 Abs 2 GEG handelt es sich nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH) um eine Ermessensvorschrift, doch ist das Recht der Behörde von diesem Ermessen Gebrauch zu machen, vom Vorliegen einer der beiden im Gesetz genannten Alternativvoraussetzungen abhängig. In diesem Zusammenhang kommt sowohl eine besondere Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung als auch eine solche infolge Vorliegens individueller Gründe in Betracht, die die Einbringung der gesetzmäßig vorgeschriebenen Gerichtsgebühren als besondere Härte erscheinen ließen. Diese Voraussetzung hat die Justizverwaltungsbehörde in rechtlicher Gebundenheit zu beurteilen (VwGH 25.06.2013, 2009/17/0164).

Zwar hat ein Antragsteller alle jene Umstände, auf die er sein Ansuchen stützt, einwandfrei und unter Ausschluss jeglicher Zweifel darzulegen. Jedoch hat die Behörde über den Antrag ein entsprechendes Ermittlungsverfahren einzuleiten und die vom Antragsteller geltend gemachten Gründe zu prüfen. Dabei hat die Behörde in der Begründung ihres Bescheides Feststellungen über den entscheidungsrelevanten Sachverhalt zu treffen (VwGH 24.09.2009, 2008/16/0130, mwN). Insbesondere ist es Aufgabe der Behörde, im Einzelfall bezogen auf die persönlichen Verhältnisse des Nachsichtwerbers jene Feststellungen zu treffen, die es ermöglichen, die Entscheidung zu überprüfen, dass die Voraussetzungen für den Nachlass im gegebenen Fall nicht vorliegen (VwGH 09.09.1993, 92/16/0119; VwGH 16.10.2014, 2011/16/0232).

Im Verfahren betreffend den Nachlass von Gerichtsgebühren und Kosten ist kein Raum dafür, allfällige Versäumnisse, die im Vorschreibungsverfahren unterlaufen sind, nachzuholen und (nochmals) die Frage der Richtigkeit der Gebührenbemessung aufzurollen (VwGH 28.04.2005, 2005/16/0025; 23.11.2005, 2005/16/0197; 14.03.2016, Ra 2016/16/0011, VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132). Selbst die Einbringung einer zwar rechtskräftigen, materiell gesehen aber zu Unrecht vorgeschriebenen Gebühr (schon allein wegen ihres Unrechtsgehalts) führt nicht zu einer „besondere Härte" für den Zahlungspflichtigen (vgl VwGH 29.01.1996, 95/16/0306; VwGH 19.12.2017, Ra 2016/16/0039).

Die Gewährung eines Nachlasses setzt voraus, dass sowohl die Entrichtung zu einem späteren Zeitpunkt als auch die Entrichtung in – allenfalls sehr kleinen – Monatsraten noch immer eine besondere Härte darstellen würden, sodass nur mehr die endgültige Erlassung die Härte beseitigt. Wirtschaftliche Schwierigkeiten vorübergehender Natur rechtfertigen zwar eine Stundung (Ratengewährung), aber keinen Nachlass (VwGH 28.03.1996, 96/16/0020, mwN; 27.05.2014, 2011/16/0241).

Eine Unbilligkeit kann nicht nur persönlich, sondern auch sachlich bedingt sein. Eine persönliche Unbilligkeit liegt vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlage des Nachsichtswerbers (und seiner Familie) gefährdet. Eine sachliche Unbilligkeit ist dementsprechend anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus persönlichen Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Eine tatbestandsmäßige Unbilligkeit im Einzelfall ist dann nicht gegeben, wenn lediglich eine Auswirkung der allgemeinen Rechtslage festzustellen ist, die alle von dem betreffenden Gesetz erfassten Abgabepflichtigen in gleicher Weise trifft (VwGH 10.04.1986, 85/17/0147, 0148; 05.11.2003, 2003/17/0253).

3.4. Anwendung auf den konkreten Fall

Die bP führt in ihrer Beschwerde zusammengefasst an, dass im Hinblick auf die Zurückweisung des Verfahrenshilfeantrages (im Grundverfahren) kein gebührenpflichtiger Antrag eingebracht worden und daher keine Gerichtsgebühr entstanden sein könne. Darüber hinaus wurde moniert, dass die belangte Behörde über eine Stundung abgesprochen habe, die nicht beantragt worden sei.

3.4.1. Zur Stundung gemäß § 9 Abs 1 GEG

Hinsichtlich des in der Beschwerde erstatteten Vorbringens, wonach die belangte Behörde über eine Stundung abgesprochen habe, die nicht beantragt worden sei, ist der bP beizupflichten. Dem Antrag der bP ist nämlich weder dem Wortlaut nach noch sinngemäß ein derartiger Antrag auf Stundung zu entnehmen.

Da es sich im Verfahren auf Stundung und Nachlass gemäß § 9 Abs 1 und 2 GEG um antragsgebundene Verfahren handelt, war die belangte Behörde nicht berechtigt in ihrem Bescheid über eine nicht beantragte Stundung abzusprechen.

Die Unzuständigkeit ist von Amts wegen in jeder Lage des Verfahrens wahrzunehmen (VwGH 27.10.1988, 88/16/0127).

Es besteht jedenfalls keine Beschränkung der Prüf- und Entscheidungsbefugnis der VwG bei einer zulässigen Beschwerde, wenn es um Fragen der Zuständigkeit geht (vgl VwGH 25.05.2016, Ra 2015/06/0095, mwN). Die Unzuständigkeit, die auch darin liegen kann, dass ein für eine Entscheidung notwendiger Antrag fehlt, sodass keine behördliche Zuständigkeit zu einer Entscheidung über den vermeintlichen „Antrag" gegeben ist, ist von Amts wegen und ungeachtet einer Möglichkeit der Verletzung sonstiger subjektivöffentlicher Rechte wahrzunehmen (vgl VwGH 09.10.2014, 2013/05/0014).

Da die belangte Behörde somit für den im Spruch des angefochtenen Bescheides getroffenen Ausspruch betreffend die Stundung der im Grundverfahren zu XXXX angefallenen Gerichtsgebühren iHv € 156.759,00 mangels Vorliegen eines entsprechenden Antrages nicht zuständig war, hat sie diesen Teil des Spruches mit Rechtswidrigkeit belastet.

Dass ein Bescheid erlassen wurde, obwohl der Behörde die sachliche Zuständigkeit dazu fehlte, hat im Beschwerdeverfahren zur ersatzlosen Behebung des Bescheides zu führen (vgl VwGH 14.9.2022, Ro 2022/01/0012). Bei Unzuständigkeit der Behörde nur für einen Teilbereich ist der die Zuständigkeit der Behörde überschreitende Teil ersatzlos zu beheben, im Übrigen aber - soweit nicht mit Aufhebung und Zurückverweisung nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 vorzugehen ist - eine die Grenzen der Zuständigkeit wahrende Sachentscheidung des VwG zu erlassen (VwGH 31.01.2023, Ra 2022/08/0033).

Es war daher die Unzuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen und der im Spruch des angefochtenen Bescheides getroffene der Ausspruch betreffend die Stundung ersatzlos zu beheben. Im Übrigen, war – wie nunmehr ab 3.4.2. ersichtlich – eine Sachentscheidung betreffend den Nachlassantrag der bP zu treffen.

3.4.2. Zum Nachlass gemäß § 9 Abs 2 GEG

Aufgrund des Ermittlungsverfahrens und der im Verfahrenshilfeantrag getroffenen Angaben wurde festgestellt, dass die bP eine monatliche Pensionsleistung von iHv € 1.281,00 (14x) erhält und damit regelmäßige Einkünfte aufweist. Etwaige Bank- bzw Privatschulden wurden zwar geltend gemacht, haben jedoch als freiwillig eingegangene Verpflichtungen, denen offenkundig entsprechende Sicherheiten (regelmäßige Pensionsleistungen) gegenüberstehen iSd der höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Nachlassverfahren grundsätzlich bei der Beurteilung einer Existenzgefährdung als Voraussetzung einer Nachlassgewährung außer Betracht zu bleiben (VwGH 26.06.1997 97/16/0192).

Aufgrund dieser festgestellten wirtschaftlichen Situation erfüllt die bP nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Nachlass.

Die bP moniert in ihrer Beschwerde im Wesentlichen, dass im Hinblick auf die Zurückweisung ihres Verfahrenshilfeantrages im Grundverfahren kein gebührenpflichtiger Antrag eingebracht worden sei und daher keine Gerichtsgebühr entstanden sein könne. Da jedoch im Verfahren betreffend den Nachlass von Gerichtsgebühren und Kosten die Frage der Richtigkeit der Gebührenbemessung nicht aufgerollt werden kann (vgl die oben unter 3.4. zitierte Judikatur des VwGH), führt das diesbezügliche Vorbringen der bP ins Leere.

Es wurden keine außergewöhnlichen Umstände dargelegt, aufgrund derer von einer ungleichen, unbilligen Betroffenheit der bP von der Gebührenvorschreibung und somit vom Vorliegen einer besonderen – sachlich begründeten – Härte im Sinne des § 9 Abs 2 GEG auszugehen wäre, vielmehr liegen Umstände vor, die jede in gleicher Situation befindliche Person (klagende Partei in einem Zivilverfahren) treffen, nämlich die Vorschreibung der gesetzlich vorgesehenen Pauschalgebühr nach dem GGG.

In Ermangelung des Bestehens einer besonderen Härte infolge einer sachlichen Unbilligkeit der Einbringung, könnte die Eintreibung der vorgeschriebenen Gerichtsgebühren eine besondere Härte aufgrund des Vorliegens individueller (insbesondere wirtschaftlicher) Gründe darstellen. Diesbezüglich ist auf die ständige Rechtsprechung des VwGH hinzuweisen, wonach es in einem Verfahren über den Nachlass von Gerichtsgebühren Sache des Antragstellers ist, einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen aller jener Umstände darzutun, auf die der Nachlass gestützt werden kann (erhöhte Mitwirkungspflicht).

Mit den aus dem Verfahrenshilfeantrag entnommenen Angaben zur wirtschaftlichen Situation der bP konnte keine „besondere Härte“ bei der Bezahlung von Gerichtsgebühren iHv € 156.759,00 im Sinne der oben genannten Rechtsprechung bescheinigt werden, zumal sie in Pension ist und regelmäßige Einkünfte iHv monatlich € 1.281,00 (14x) bezieht.

Da bei einer allfälligen Exekution auf die Höhe des Bezuges Rücksicht genommen wird, wäre auch keine Existenzgefährdung zu befürchten und ist eine geringe Zahlung in kleinen Raten über einen langen Zeitraum möglich.

Daher ist nicht von einer besonderen Härte, im Sinne der zitierten Rechtsprechung des VwGH auszugehen, welche einen Nachlass rechtfertigen würde.

Der bP steht die Beantragung einer Verlängerung der Zahlungsfrist bzw der Zahlung in Raten (Stundung) gemäß § 9 Abs 1 GEG nach wie vor offen. Die relevante Gesetzesbestimmung lautet:

„§ 9. (1) Auf Antrag kann die vorgeschriebene Zahlungsfrist verlängert oder die Entrichtung in Teilbeträgen gestattet werden (Stundung), wenn die Einbringung mit besonderer Härte für den Zahlungspflichtigen verbunden wäre und entweder die Einbringlichkeit durch die Stundung nicht gefährdet oder Sicherheit geleistet wird. Wird eine Rate nicht oder verspätet bezahlt, so wird die Stundung wirkungslos (Terminverlust).

[…]

(3) Ein Stundungs- oder Nachlassantrag hat keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat, wenn sonst der Zweck der Entscheidung ganz oder teilweise vereitelt werden könnte, auf Antrag oder von Amts wegen die Einbringung bis zur Entscheidung über das Stundungs- oder Nachlassbegehren aufzuschieben, wenn das Begehren einen ausreichenden Erfolg verspricht und nicht die Einbringlichkeit gefährdet wird.

(4) Über Anträge nach Abs. 1 bis 3 entscheidet der Präsident des Oberlandesgerichts Wien im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid; er kann den Leiter oder andere Bedienstete der Einbringungsstelle ermächtigen, diese Angelegenheiten in seinem Namen zu erledigen und zu unterfertigen. Bei Beträgen über 30 000 Euro bedarf die Gewährung einer Stundung oder eines Nachlasses der Zustimmung des Bundesministeriums für Justiz. Über Anträge auf Stundung und Nachlass von Beträgen aus Grundverfahren beim Bundesministerium für Justiz entscheidet die Bundesministerin für Justiz. Auf das Verfahren in Stundungs- und Nachlassangelegenheiten sind § 6b, § 7 Abs. 3 bis 7 sinngemäß anzuwenden. […]“

Der Antrag wäre bei der belangten Behörde einzubringen und wären die gesamten aktuellen Vermögensverhältnisse (Wohnverhältnisse, Erspartes, sonstige Vermögenswerte, Unterhaltspflichten) offen zu legen und eine Ratenhöhe anzubieten.

Die Anerkennung als besondere Härte im Wege des Nachlasses im vorliegenden Fall, würde eine Überwälzung von Gerichtsgebühren auf die Allgemeinheit bedeuten, welche vom Gesetz nicht gedeckt ist und käme seinem Wesen nach der Schaffung einer neuen, im Gesetz nicht vorgesehenen Gebührenbefreiung bzw Gebührenbegünstigung gleich.

Das im § 9 Abs 2 GEG erwähnte öffentliche Interesse muss - um einen Nachlass zu rechtfertigen - im Einzelfall so gewichtig sein, dass es jenes allgemein bestehende öffentliche Interesse an der Einhebung der Gebühren eindeutig überwiegt (VwGH 31.10.1991, 90/16/0227). Dass ein solches Interesse bestünde hat die bP nicht behauptet und ist es auch sonst nicht ersichtlich, da dieses nicht schon durch das subjektive Interesse der bP an einer Entlastung von diesen Gebühren erfüllt ist (VwGH 11.01.2016, Ra 2015/16/0132).

An der Einhebung von Gerichtsgebühren – wie bei der Einhebung von Abgaben – besteht ein gewichtiges öffentliches Interesse, da ohne diese dem Staat die Mittel zur Erfüllung seiner Aufgaben fehlen würden.

Aus diesen Gründen kann die Entscheidung der belangten Behörde, der bP den Nachlass der Gebührenschuld zu versagen, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Da dem angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Versagung des Nachlasses gemäß § 9 Abs 2 GEG vor diesem Hintergrund keine Rechtswidrigkeit im Sinne des Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG anzulasten ist, ist die Beschwerde in diesem Umfang gemäß § 9 Abs 2 GEG spruchgemäß abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Auf die oben dargestellten grundlegenden Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird verwiesen.

Rückverweise