JudikaturBVwG

W284 2274568-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
19. Oktober 2023

Spruch

W284 2274568-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. WAGNER-SAMEK als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. Syrien, vertreten durch die Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen – BBU GmbH, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.05.2023, Zl. 1310980606/221845839, wegen § 3 AsylG 2005, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.08.2023, zu Recht:

A)

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.06.2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Es erfolgte am 12.06.2022 eine Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes.

2. Am 11.01.2023 wurde der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA) niederschriftlich einvernommen. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme legte der Beschwerdeführer medizinische Unterlagen vor.

3. Mit angefochtenem Bescheid vom 11.05.2023 wies das BFA den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab (Spruchpunkt I.). Ihm wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Syrien zuerkannt (Spruchpunkt II.) und eine befristete Aufenthaltsberechtigung gem. § 8 Abs. 4 AsylG für 1 Jahr erteilt (Spruchpunkt III.).

5. Am 18.10.2023 legte der Beschwerdeführer 28 fremdsprachige Dokumente vor.

6. Mit Eingabe vom 11.08.2023 brachte der Beschwerdeführer weitere medizinische Unterlagen sowie eine Integrationserklärung und eine Teilnahme- und Kursanmeldebestätigung des Österreichischen Integrationsfonds in Vorlage.

6. Am 16.08.2023 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt und dem Beschwerdeführer als Partei die Möglichkeit gegeben, seine Fluchtgründe darzulegen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an der Verhandlung und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der XXXX geborene und demnach XXXX -jährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Syrien, sunnitischer Moslem und Zugehöriger der Volksgruppe der Araber. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer stammt aus der Provinz Dara’a. Der Herkunftsort des Beschwerdeführers befindet sich derzeit unter der Kontrolle des syrischen Regimes.

Der Beschwerdeführer besuchte zwölf Jahre die Schule und schloss diese mit Matura ab. Anschließend arbeitete er als Fliesenleger.

Der Beschwerdeführer ist geschieden und kinderlos. Seine Exfrau lebt unbehelligt in Dara’a. Sein Vater, seine Mutter und seine fünf Geschwister leben ebenfalls in Syrien.

Der Beschwerdeführer ist nicht lebensbedrohlich erkrankt und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

In Syrien besteht ein verpflichtender Wehrdienst für männliche Staatsbürger ab dem Alter von 18 Jahren. Syrische männliche Staatsangehörige können bis zum Alter von 42 Jahren zum Wehrdienst eingezogen werden. Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht dem Risiko ausgesetzt, zum syrischen Militärdienst einberufen zu werden:

Der Beschwerdeführer leistete seinen Militärdienst im Bereich der Krankenpflege ab, von Oktober 2010 bis Mai 2012, somit noch vor Ausbruch des Bürgerkrieges in Syrien. Dass er „desertiert“ wäre, trifft nicht zu. Bei einer Rückkehr in sein Herkunftsgebiet in Syrien besteht daher für den Beschwerdeführer nicht die Gefahr, wegen Desertion verhaftet oder bestraft zu werden.

Der Beschwerdeführer weist diverse körperliche Einschränkungen auf, deren Herkunft weder zeitlich noch der Art nach festgestellt werden können. Fest steht dagegen, dass der Beschwerdeführer kurz vor seiner Ausreise aus Syrien von syrischen Behörden einen Behindertenausweis ausgestellt erhielt. Das syrische Regime hat kein Interesse daran, den Beschwerdeführer (als Reservist) zum Wehrdienst heranzuziehen.

Der Beschwerdeführer hat auch nicht an Demonstrationen teilgenommen. Dieses Vorbringen erstattete er zudem erst in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfahrens. Er wird nicht wegen oppositioneller Gesinnung vom syrischen Regime verfolgt.

Bloß aufgrund seiner illegalen Ausreise oder der Asylantragstellung in Österreich, droht dem Beschwerdeführer keine Gefahr mit der Anwendung von physischer und/oder psychischer Gewalt bedroht zu werden.

1.3. Zur Lage in Syrien:

Zur aktuellen Situation in Syrien (Auszug aus der Länderinformation der Staatendokumentation vom 17.07.2023):

Südsyrien

Die Lage im Süden und Südwesten Syriens, in den Gouvernements Quneitra, Dara‘a und Suweida, die nominell unter Kontrolle des syrischen Regimes und seiner Verbündeten stehen, blieb volatil. Trotz des im September 2021 von Russland vermittelten Waffenstillstands zählt die Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) für den Zeitraum Januar bis Juni 2022, mit einem Höhepunkt im April 2022, mehr als 100 durch Gewalt getötete Personen. Darunter befinden sich zahlreiche Zivilistinnen und Zivilisten. In vielen Fällen wird die tatsächliche Kontrolle auf lokaler Ebene von unterschiedlichen Gruppierungen ausgeübt. Selbst in formal ausschließlich vom Regime kontrollierten Gebieten wie dem Südwesten des Landes (Gouvernements Dara’a, Suweida) sind die Machtverhältnisse mitunter komplex und können sich insofern von Ort zu Ort, von Stadtviertel zu Stadtviertel unterscheiden. Auch Überschneidungen sind möglich (v. a. Nordwesten und Nordosten). Die tatsächliche Kontrolle liegt lokal häufig ganz oder in Teilen bei bewaffneten Akteuren bzw. traditionellen Herrschaftsstrukturen (AA 29.3.2023).

Bereits in den Jahren 2020 und 2021 verschlechterte sich die Sicherheitslage. Es kam zu einer Reihe von Zwischenfällen bewaffneter Gewalt zwischen der Vielzahl miteinander konkurrierender bewaffneter Akteure (UNCOI 14.8.2020; vgl. ORSAM 16.8.2021). De facto sind die Regimetruppen vor Ort mit Ausnahme von Eliteeinheiten personell und technisch unzureichend aufgestellt, sodass die tatsächliche Hoheit häufig bei lokal verwurzelten bewaffneten Gruppierungen liegt. Eine stabile politische und wirtschaftliche Lage ist nicht vorhanden: Mangelhafte Grundversorgung, fehlende öffentliche Gelder für medizinische Versorgung und für Bildung, eine äußerst eingeschränkte Stromversorgung und Korruption sind verbreitete Probleme (AA 29.11.2021). Im Süden/Südwesten Syriens kam es in den Jahren 2020 und 2021 aufgrund großer Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem syrischen Regime, vor allem aufgrund fehlender Grundversorgung, nicht eingehaltener Abmachungen im Rahmen von "Versöhnungsabkommen" und einer Zunahme an anhaltenden Verhaftungswellen, Gewaltausübung und gezielten Tötungen vermehrt zu Demonstrationen, Unruhen sowie bewaffneten Auseinandersetzungen, Anschlägen und gezielten Tötungen (AA 4.12.2020; vgl. UNCOI 14.8.2020, ORSAM 3.2021). Auch im Zeitraum August bis September 2022 meldete der UN-Sicherheitsrat in den Gouvernements Quneitra, Dara‘a und Suweida anhaltende Sicherheitsbedrohungen, darunter Angriffe mit improvisierten Sprengsätzen, gezielte Tötungen, Entführungen, Schusswechsel und kleinere Zusammenstöße (UNSC 19.10.2022). Die Sicherheitsbedrohungen führen zu anhaltender Gewalt und Belagerungen von Städten durch die Streitkräfte der syrischen Regierung, insbesondere im Gouvernement Dara'a (CC 3.11.2022). Ein Grund für die steigende Gewalt im südlichen Syrien ist der Drogenschmuggel, der zugenommen hat. Auch ist der sogenannte Islamische Staat nicht völlig aus Syrien verschwunden und operiert in verstreuten Gebieten wie z.B. Dara'a und in der Syrischen Wüste (TSO 4.7.2023). Zu Jahresende 2023 litt der Süden Syriens außerdem unter der schlimmsten Treibstoffknappheit seit Langem, nachdem das Regime die Treibstoffzuteilungen für die Gemeinden im Süden gekürzt hatte. Die sich verschärfenden Engpässe brachten den Verkehr in der Provinz praktisch zum Erliegen (Etana 2.12.2022) [Anm.: für allgemeine Informationen zur Versorgungslage siehe Kapitel Grundversorgung und Wirtschaft].

Die Provinz Dara'a

Das Gouvernement Dara'a, wo 2011 die ersten Proteste gegen die Assad-Regierung begannen, spielte als Hochburg der Opposition eine wichtige Rolle in dem Konflikt (EUAA 9.2022). Im Juli 2017 wurde dort eine Deeskalationszone eingerichtet, dennoch startete die syrische Regierung im Juni 2018 eine Offensive zur Rückeroberung der Provinzen Quneitra und Dara'a (DS 5.7.2018). Im Rahmen dieser Offensive erlaubten die Regierungen Syriens und Russlands einigen Oppositionskämpfern sogenannte 'Versöhnungsabkommen' zu treffen (CC 3.11.2022; vgl. HRW 10.2021). Diese Abkommen erlaubten es den meisten regierungsfeindlichen Kämpfern, ihre leichten Waffen zu behalten, sahen einen Überprüfungsprozess vor, um Personen von Anschuldigungen durch die Geheimdienste freizusprechen, und setzten die Wehrpflicht für diejenigen, die noch zum Militärdienst verpflichtet waren, um sechs Monate aus (HRW 10.2021). Tausende von Kämpfern, die früher mit der bewaffneten Opposition in Verbindung standen, durften daher aktiv bleiben, mussten aber theoretisch die Herrschaft der Regierung über das Gouvernement akzeptieren (CC 3.11.2022). Anderen Kämpfern und Zivilisten wurde die Möglichkeit gegeben, in von oppositionellen Gruppen kontrollierte Gebiete im Norden Syriens zu ziehen (TG 31.7.2018). Die Regelung des Status ist zwar eine nominelle Begnadigung, garantiert aber in der Praxis nicht die Sicherheit der Betroffenen vor dem Regime. Trotz dieser Regelungen sind die Menschen in Dara'a willkürlichen Verhaftungen und Entführungen ausgesetzt. Durch die Einberufung von sogenannten 'versöhnten' Personen kann das Regime unerwünschte ehemalige Oppositionelle aus Dara'a entfernen, und so die künftige Opposition schwächen. In der Vergangenheit wurden 'versöhnte' Personen oft auf die gefährlichsten Posten an die Front in Syrien geschickt (TNA 24.9.2021).

Die Bevölkerung im Gouvernement Dara'a lehnte das Ergebnis der Präsidentschaftswahl vom Mai 2021 ab (HRW 13.1.2022). In der Zeit vor den Präsidentschaftswahlen im Mai 2021 kam es vermehrt zu Attentaten und Mordversuchen. Die allgemeine Zunahme der Gewalt ging mit der Weigerung mehrerer Gemeinschaften einher, an den Wahlen teilzunehmen. In Tafas, Dara'a al-Balad und Busra ash-Sham wurde nicht gewählt, um gegen die Regierung zu protestieren und den Wunsch nach Halbautonomie im Gouvernement zu unterstreichen (EUAA 9.2022). Die Regierung schränkte daraufhin die Mobilität in der Stadt Dara'a ein, reduzierte die Stromversorgung in den Gebieten, in denen Versöhnungsabkommen geschlossen wurden, und widerrief die Reisegenehmigung für 'versöhnte' Kämpfer (COAR 7.6.2021). In Folge kam es in und um die Provinzhauptstadt Dara’a im Juli und August 2021 zu den schwersten Auseinandersetzungen seit 2018 zwischen Regimetruppen sowie Iran-nahen Milizen einerseits und lokalen bewaffneten Gruppierungen (sogenannte versöhnte Rebellen) andererseits (AA 29.11.2021). Zwischen Juni und September 2021 führten die syrischen Streitkräfte und mit ihnen verbündete Milizen Dutzende willkürliche Angriffe auf bewohnte Gebiete in Dara'a aus, während die gegnerischen Kämpfer Gebiete unter Regimekontrolle angriffen, was dort zivile Opfer verursachte. Bei den Kämpfen wurde ein Gebiet mit 55.000 Einwohnern belagert und mehr als 38.000 Menschen vertrieben (HRW 13.1.2022). Vom 24.6. bis zum 9.9.2021 wurde Dara'a al-Balad von der syrischen Regierung und russischen Streitkräften belagert, die den Zugang zu Lebensmitteln und anderen lebensnotwendigen Gütern blockierten und zeitweise Strom und Wasser abschalteten (COAR 5.7.2021; vgl. Al Jazeera 29.7.2021, NMFA 5.2022). Am 29.7.2021 begann das syrische Regime eine Bodenoffensive gegen Dara'a al-Balad und versuchte, das Viertel durch Aushungern und Beschuss zu unterwerfen. In den folgenden Wochen kam es zu schweren Kämpfen zwischen den beiden Seiten (TNA 24.9.2021; vgl. NFMA 5.2022). Die Belagerung führte zu Engpässen bei Lebensmitteln, Treibstoff und Medikamenten (AM 13.8.2021; vgl. Enab 11.7.2021). Am 8.9.2021 wurde ein 'Versöhnungsabkommen' in Dara'a erzielt (NFMA 5.2022; vgl HRW 13.1.2022). Dutzende Syrer, welche dies verweigerten, wurden nach Idlib transferiert. Die Garantien in den 'Versöhnungsabkommen' bieten nicht den nötigen Schutz für die Betroffenen (HRW 13.1.2022). Nach dem Versöhnungsabkommen wurden die Regierungstruppen und die Kontrollpunkte verstärkt, die Meinungsfreiheit weiter eingeschränkt, und mehrere ehemalige Oppositionskämpfer und Zivilisten verhaftet. In den Monaten nach der Versöhnungsvereinbarung gab es mehrere Berichte über Repressalien gegen Zivilisten und andere Personen, einschließlich derer, die sich geweigert hatten, sich an der Versöhnungsvereinbarung zu beteiligen. Diese Repressalien bestanden aus Drohungen, Verhaftungen und Mord (NMFA 5.2022).

Im Juli 2022 kam es im Gouvernement Dara’a erneut zum Beschuss von zivilen Gebieten durch Regimetruppen, darunter die Orte Tafas und al-Yadouda. Laut Berichten lokaler Organisationen forderte dies Todesopfer in zweistelliger Höhe (AA 29.3.2023). Der Ort Tafas wurde Ziel des Einsatzes schwerer Waffen durch Regimetruppen, was einen Exodus aus der Stadt zur Folge hatte. Nach einem Waffenstillstandsabkommen zog sich zwar das Regime aus Tafas zurück, aber initiierte weiterhin militärische Eskalationen gegen vormals oppositionelle Ortschaften im Westen des Gouvernements und belegte die Stadt Jasim mit einer Blockade. Im August drohte das Regime auch mit einer Militäroperation, falls gesuchte Personen in der Stadt Dara'a ihm nicht innerhalb von 48 Stunden übergeben würden. Nach gescheiterten Verhandlungen brachen Kämpfe aus (USDOS 20.3.2023).

Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte (SOHR) beobachtete im Oktober 2022 eine Verschlechterung der Sicherheitslage in der Provinz Dara'a, weil es dort zu einer Eskalation von Ausschreitungen kam. In diesem Zusammenhang haben Aktivisten der SOHR zwischen dem 1.10. und dem 31.10.2022 55 Angriffe in verschiedenen Gebieten der Provinz Dara'a dokumentiert (SOHR 6.11.2022). Mitte Oktober 2022 kam es zu einem Gefecht in dem südlichen Dorf Jasim in Dara'a, bei dem syrische "versöhnte" Rebellen eine Gruppe von IS-Kämpfern töteten (AP 30.11.2022; vgl. MEI 5.12.2022). Bei diesem Einsatz wurde auch der ehemalige IS-Anführer Abu al-Hassan al-Hashimi al-Quraishi getötet (MEI 5.12.2022).

Die Spannungen zwischen der ehemaligen Opposition und den Streitkräften der Regierung halten an, was zu einer Vielzahl von Morden durch nicht identifizierte Akteure geführt hat (CC 3.11.2022; vgl. HRW 10.2021). Befragte aus Dara'a berichteten Human Rights Watch, dass Mitglieder der syrischen Sicherheitskräfte, regierungsnahe Milizen und Oppositionsgruppen an gezielten Tötungen und Entführungen beteiligt waren (HRW 10.2021). Obwohl die Täter nicht bekannt sind, beschuldigen sich die Regierungstruppen und die ehemaligen Oppositionsvertreter gegenseitig der Anschläge (CC 3.11.2022). Während des Zeitraums von Juli bis September 2022 kam es zu einer starken Zunahme von mindestens 119 Angriffen auf ehemalige Oppositionskämpfer und Soldaten der Regierung im Süden Syriens durch nicht identifizierte Täter. 103 Angriffe (86 Prozent) fanden im Gouvernement Dara'a statt (CC 3.11.2022).

Wehr- und Reservedienst und Rekrutierungen

Die syrischen Streitkräfte - Wehr- und Reservedienst

Rechtliche Bestimmungen

Für männliche syrische Staatsbürger ist im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren die Ableistung eines Wehrdienstes von zwei Jahren gesetzlich verpflichtend (ÖB Damaskus 12.2022). Laut Gesetzesdekret Nr. 30 von 2007 Art. 4 lit b gilt dies vom 1. Januar des Jahres, in dem das Alter von 18 Jahren erreicht wird, bis zum Überschreiten des Alters von 42 Jahren (PAR 12.5.2007). Polizeidienst wird im Rahmen des Militärdienstes organisiert. Eingezogene Männer werden entweder dem Militär oder der Polizei zugeteilt (AA 29.3.2023). In der Vergangenheit wurde es auch akzeptiert, sich, statt den Militärdienst in der syrischen Armee zu leisten, einer der bewaffneten regierungsfreundlichen Gruppierung anzuschließen. Diese werden inzwischen teilweise in die Armee eingegliedert, jedoch ohne weitere organisatorische Integrationsmaßnahmen zu setzen oder die Kämpfer auszubilden (ÖB Damaskus 12.2022). Wehrpflichtige und Reservisten können im Zuge ihres Wehrdienstes bei der Syrischen Arabischen Armee (SAA) auch den Spezialeinheiten (Special Forces), der Republikanischen Garde oder der Vierten Division zugeteilt werden, wobei die Rekruten den Dienst in diesen Einheiten bei Zuteilung nicht verweigern können (DIS 4.2023). Um dem verpflichtenden Wehrdienst zu entgehen, melden sich manche Wehrpflichtige allerdings aufgrund der höheren Bezahlung auch freiwillig zur Vierten Division, die durch die von ihr kontrollierten Checkpoints Einnahmen generiert (EB 17.1.2023). Die 25. (Special Tasks) Division (bis 2019: Tiger Forces) rekrutiert sich dagegen ausschließlich aus Freiwilligen (DIS 4.2023).

Ausnahmen von der Wehrpflicht bestehen für Studenten, Staatsangestellte, aus medizinischen Gründen und für Männer, die die einzigen Söhne einer Familie sind. Insbesondere die Ausnahmen für Studenten können immer schwieriger in Anspruch genommen werden. Fallweise wurden auch Studenten eingezogen. In letzter Zeit mehren sich auch Berichte über die Einziehung von Männern, die die einzigen Söhne einer Familie sind (ÖB Damaskus 12.2022).

Die im März 2020, Mai 2021 und Jänner 2022 vom Präsidenten erlassenen Generalamnestien umfassten auch einen Straferlass für Vergehen gegen das Militärstrafgesetz, darunter Fahnenflucht. Die Verpflichtung zum Wehrdienst bleibt davon unberührt (ÖB Damaskus 12.2022).

Binnenvertriebene sind wie andere Syrer zur Ableistung des Wehrdienstes verpflichtet und werden rekrutiert (FIS 14.12.2018). Auch geflüchtete Syrer, die nach Syrien zurückkehren, müssen mit Zwangsrekrutierung rechnen (AA 29.3.2023). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 29.3.2023; vgl. ICWA 24.5.2022).

Die Umsetzung

Bei der Einberufung neuer Rekruten sendet die Regierung Wehrdienstbescheide mit der Aufforderung, sich zum Militärdienst anzumelden, an Männer, die das wehrfähige Alter erreicht haben. Die Namen der einberufenen Männer werden in einer zentralen Datenbank erfasst. Männer, die sich beispielsweise im Libanon aufhalten, können mittels Bezahlung von Bestechungsgeldern vor ihrer Rückkehr nach Syrien überprüfen, ob sich ihr Name in der Datenbank befindet (DIS 5.2020). Laut Gesetz sind in Syrien junge Männer im Alter von 17 Jahren dazu aufgerufen, sich ihr Wehrbuch abzuholen und sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen. Im Alter von 18 Jahren wird man einberufen, um den Wehrdienst abzuleisten. Wenn bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem festgestellt wird, wird man entweder vom Wehrdienst befreit oder muss diesen durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, ableisten. Wenn eine Person physisch tauglich ist, wird sie entsprechend ihrer schulischen bzw. beruflichen Ausbildung eingesetzt. Die Rekruten müssen eine 45-tägige militärische Grundausbildung absolvieren. Männer mit niedrigem Bildungsstand werden häufig in der Infanterie eingesetzt, während Männer mit einer höheren Bildung oft in prestigeträchtigeren Positionen eingesetzt werden. Gebildetere Personen kommen damit auch mit höherer Wahrscheinlichkeit in Positionen, in denen sie über andere Personen Bericht erstatten oder diese bestrafen müssen (STDOK 8.2017).

Obwohl die offizielle Wehrdienstzeit etwa zwei Jahre beträgt, werden Wehrpflichtige in der Praxis auf unbestimmte Zeit eingezogen (NMFA 5.2022; vgl. AA 29.3.2022), wobei zuletzt von einer "Verkürzung" des Wehrdienstes auf 7,5 Jahre berichtet wurde. Die tatsächliche Dauer richtet sich laut UNHCR Syrien jedoch nach Rang und Funktion der Betreffenden (ÖB Damaskus 12.2022). Personen, die aufgrund ihrer besonderen Fachkenntnisse von großem Wert für die Armee und nur schwer zu ersetzen sind, können daher über Jahre hinweg im Militärdienst gehalten werden. Personen, deren Beruf oder Fachwissen in der Gesellschaft sehr gefragt ist, wie z.B. Ärzte, dürfen eher nach Ablauf der offiziellen Militärdienstzeit ausscheiden (NMFA 5.2022).

Seit März 2020 hat es in Syrien keine größeren militärischen Offensiven an den offiziellen Frontlinien mehr gegeben. Scharmützel, Granatenbeschuss und Luftangriffe gingen weiter, aber die Frontlinien waren im Grunde genommen eingefroren. Nach dem Ausbruch von COVID-19 und der Einstellung größerer Militäroperationen in Syrien Anfang 2020 verlangsamten sich Berichten zufolge die militärischen Rekrutierungsmaßnahmen der SAA. Die SAA berief jedoch regelmäßig neue Wehrpflichtige und Reservisten ein. Im Oktober 2021 wurde ein Rundschreiben herausgegeben, in dem die Einberufung von männlichen Syrern im wehrpflichtigen Alter angekündigt wurde. Auch in den wiedereroberten Gebieten müssen Männer im wehrpflichtigen Alter den Militärdienst ableisten (EUAA 9.2022). Der Personalbedarf des syrischen Militärs bleibt aufgrund von Entlassungen langgedienter Wehrpflichtiger und zahlreicher Verluste durch Kampfhandlungen unverändert hoch (AA 29.3.2023).

Rekrutierungspraxis

Junge Männer werden an Kontrollstellen (Checkpoints) sowie unmittelbar an Grenzübergängen festgenommen und zwangsrekrutiert (AA 29.3.2023; vgl. NMFA 5.2022), wobei es in den Gebieten unter Regierungskontrolle zahlreiche Checkpoints gibt (NMFA 5.2022; vgl. NLM 29.11.2022). Im September 2022 wurde beispielsweise von der Errichtung eines mobilen Checkpoints im Gouvernement Dara'a berichtet, an dem mehrere Wehrpflichtige festgenommen wurden (SO 12.9.2022). In Homs führte die Militärpolizei gemäß einem Bericht aus dem Jahr 2020 stichprobenartig unvorhersehbare Straßenkontrollen durch. Die intensiven Kontrollen erhöhen das Risiko für Militärdienstverweigerer, verhaftet zu werden (EB 6.3.2020). Im Jänner 2023 wurde berichtet, dass Kontrollpunkte in Homs eine wichtige Einnahmequelle der Vierten Division seien (EB 17.1.2023).

Rekrutierungen finden auch in Ämtern statt, beispielsweise wenn junge Männer Dokumente erneuern wollen, sowie an Universitäten, in Spitälern und an Grenzübergängen, wo die Beamten Zugang zur zentralen Datenbank mit den Namen der für den Wehrdienst gesuchten Männer haben. Nach Angaben einer Quelle fürchten auch Männer im wehrfähigen Alter, welche vom Militärdienst laut Gesetz ausgenommen sind oder von einer zeitweisen Amnestie vom Wehrdienst Gebrauch machen wollen, an der Grenze eingezogen zu werden (DIS 5.2020). Lokale Medien berichteten, dass die Sicherheitskräfte der Regierung während der Fußballweltmeisterschaft der Herren 2022 mehrere Cafés, Restaurants und öffentliche Plätze in Damaskus stürmten, wo sich Menschen versammelt hatten, um die Spiele zu sehen, und Dutzende junger Männer zur Zwangsrekrutierung festnahmen (USDOS 20.3.2023).

Während manche Quellen davon ausgehen, dass insbesondere in vormaligen Oppositionsgebieten (z. B. dem Umland von Damaskus, Aleppo, Dara‘a und Homs) immer noch Rekrutierungen mittels Hausdurchsuchungen stattfinden (DIS 5.2020; vgl. ICG 9.5.2022, EB 6.3.2020), berichten andere Quellen, dass die Regierung nun weitgehend davon absieht, um erneute Aufstände zu vermeiden (DIS 5.2020). Das Gesetz verbietet allerdings die Publikation jeglicher Informationen über die Streitkräfte (USDOS 20.3.2023).

Unbestätigten Berichten zufolge wird der Geheimdienst innerhalb kurzer Zeit informiert, wenn die Gründe für einen Aufschub nicht mehr gegeben sind, und diese werden auch digital überprüft. Früher mussten die Studenten den Status ihres Studiums selbst an das Militär melden, doch jetzt wird der Status der Studenten aktiv überwacht (STDOK 8.2017). Generell werden die Universitäten nun strenger überwacht und sind verpflichtet, das Militär über die An- oder Abwesenheit von Studenten zu informieren (STDOK 8.2017; vgl. FIS 14.12.2018). Berichten zufolge wurden Studenten trotz einer Ausnahmegenehmigung gelegentlich an Kontrollpunkten rekrutiert (FIS 14.12.2018).

Die Regierung hat in vormals unter der Kontrolle der Oppositionskräfte stehenden Gebieten, wie zum Beispiel Ost-Ghouta, Zweigstellen zur Rekrutierung geschaffen. Wehrdienstverweigerer und Deserteure können sich in diesen Rekrutierungszentren melden, um nicht länger von den Sicherheitskräften gesucht zu werden. In vormaligen Oppositionsgebieten werden Listen mit Namen von Personen, welche zur Rekrutierung gesucht werden, an lokale Behörden und Sicherheitskräfte an Checkpoints verteilt (DIS 5.2020). Anfang April 2023 wurde beispielsweise von verstärkten Patrouillen der Regierungsstreitkräfte im Osten Dara'as berichtet, um Personen aufzugreifen, die zum Militär- und Reservedienst verpflichtet sind (ETANA 4.4.2023). Glaubhaften Berichten zufolge gab es Zwangsrekrutierungen junger Männer durch syrische Streitkräfte auch unmittelbar im Kampfgebiet (AA 4.12.2020).

Während manche Quellen berichten, dass sich die syrische Regierung bei der Rekrutierung auf Alawiten und regierungstreue Gebiete konzentrierte (EASO 4.2021), berichten andere, dass die syrische Regierung Alawiten und Christen nun weniger stark in Anspruch nimmt (ÖB Damaskus 12.2022; vgl. EASO 4.2021). Da die Zusammensetzung der syrisch-arabischen Armee ein Spiegelbild der syrischen Bevölkerung ist, sind ihre Wehrpflichtigen mehrheitlich sunnitische Araber, die vom Regime laut einer Quelle als "Kanonenfutter" im Krieg eingesetzt wurden. Die sunnitisch-arabischen Soldaten waren (ebenso wie die alawitischen Soldaten und andere) gezwungen, den größeren Teil der revoltierenden sunnitisch-arabischen Bevölkerung zu unterdrücken. Der Krieg forderte unter den alawitischen Soldaten bezüglich der Anzahl der Todesopfer einen hohen Tribut, wobei die Eliteeinheiten der SAA, die Nachrichtendienste und die Shabiha-Milizen stark alawitisch dominiert waren (Al-Majalla 15.3.2023).

Im Rahmen sog. lokaler "Versöhnungsabkommen" in den vom Regime zurückeroberten Gebieten sowie im Kontext lokaler Rückkehrinitiativen aus Libanon hat das Regime Männern im wehrpflichtigen Alter eine sechsmonatige Schonfrist zugesichert. Diese wurde jedoch in zahlreichen Fällen, auch nach der Einnahme des Südwestens, nicht eingehalten. Sowohl in Ost-Ghouta als auch in den südlichen Gouvernements Dara‘a und Quneitra soll der Militärgeheimdienst dem Violations Documentation Center zufolge zahlreiche Razzien zur Verhaftung und zum anschließenden Einzug ins Militär durchgeführt haben (AA 29.3.2023).

Reservedienst

Gemäß Artikel 15 des Gesetzesdekrets Nr. 30 von 2007 bleibt ein syrischer Mann nach Beendigung des Pflichtwehrdienstes, wenn er sich gegen einen Eintritt in den Militärdienst als Berufssoldat entscheidet, Reservist und kann bis zum Alter von 42 Jahren in den aktiven Dienst einberufen werden. Es liegen einzelne Berichte vor, denen zufolge die Altersgrenze für den Reservedienst erhöht wird, wenn die betreffende Person besondere Qualifikationen hat (das gilt z. B. für Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung) (STDOK 8.2017). Reservisten können laut Gesetz bis zum Alter von 42 Jahren mehrfach zum Militärdienst eingezogen werden. Die syrischen Behörden ziehen weiterhin Reservisten ein (NMFA 5.2022). Die Behörden berufen vornehmlich Männer bis 27 ein, während ältere sich eher auf Ausnahmen berufen können. Dennoch wurden die Altersgrenzen fallweise nach oben angehoben, sodass auch Männer bis zu einem Alter von 55 Jahren eingezogen wurden bzw. Männer nach Erreichen des 42. Lebensjahres die Armee nicht verlassen können (ÖB Damaskus 12.2022). Die Altersgrenze hängt laut Experten eher von lokalen Entwicklungen und den Mobilisierungsbemühungen der Regierung ab als von allgemeinen Einberufungsregelungen. Generell hat sich das Maß der Willkür in Syrien im Zuge des Konfliktes erhöht (FIS 14.12.2018). Manche Quellen berichten, dass ihnen keine Fälle von Rekrutierungen Über-42-Jähriger nach 2016 bzw. 2018 bekannt seien. Gemäß anderen Quellen soll es jedoch zu Einberufungen von über-42-jährigen Rückkehrern aus dem Libanon und Jordanien als Reservisten gekommen sein, wobei es sich nicht um Zwangsrekrutierungen handelte (DIS 5.2020). Das niederländische Außenministerium berichtet unter Berufung auf vertrauliche Quellen, dass Männer über 42 Jahre, die ihren Wehrdienst abgeleistet hatten, Gefahr laufen, verhaftet zu werden, um sie zum Reservedienst zu bewegen. Männer, auch solche über 42 Jahren, werden vor allem in Gebieten, die zuvor eine Zeit lang nicht unter der Kontrolle der Behörden standen, als Reservisten eingezogen. Dies soll eine Form der Vergeltung oder Bestrafung sein. Personen, die als Reservisten gesucht werden, versuchen, sich dem Militärdienst durch Bestechung zu entziehen oder falsche Bescheinigungen zu erhalten, gemäß derer sie bei inoffiziellen Streitkräften, wie etwa regierungsfreundlichen Milizen, dienen (NMFA 5.2022).

Rekrutierungsbedarf und partielle Demobilisierung

Die syrische Regierung hat das syrische Militärdienstgesetz während des Konflikts mehrfach geändert, um die Zahl der Rekruten zu erhöhen (DIS 10.2019). Mit der COVID-19-Pandemie und der Beendigung umfangreicher Militäroperationen im Nordwesten Syriens im Jahr 2020 haben sich die groß angelegten militärischen Rekrutierungskampagnen der syrischen Regierung in den von ihr kontrollierten Gebieten jedoch verlangsamt (COAR 28.1.2021), und im Jahr 2021 hat die syrische Regierung damit begonnen, Soldaten mit entsprechender Dienstzeit abrüsten zu lassen. Nichtsdestotrotz wird die syrische Armee auch weiterhin an der Wehrpflicht festhalten, nicht nur zur Aufrechterhaltung des laufenden Dienstbetriebs, sondern auch, um eingeschränkt militärisch operativ sein zu können. Ein neuerliches "Hochfahren" dieses Systems scheint derzeit [Anm.: Stand 16.9.2022] nicht wahrscheinlich, kann aber vom Regime bei Notwendigkeit jederzeit wieder umgesetzt werden (BMLV 12.10.2022).

In Syrien besteht seit 2011 de facto eine unbefristete Wehrpflicht (AA 29.3.2023), nachdem die syrische Regierung die Abrüstung von Rekruten einstellte. Als die Regierung große Teile des Gebiets von bewaffneten Oppositionellen zurückerobert hatte, wurde mit der Entlassung der ältesten Rekrutenklassen begonnen, welche seit 2011 im Dienst waren (DIS 5.2020). Mitte Oktober 2018 berichteten regierungsnahe Medien, dass etwa 800.000 Männer nicht mehr für den Reservedienst benötigt werden. Eine Reihe Syrer kehrten daraufhin nach Syrien zurück, wobei manche über Beziehungen in der Heimat ihren Wehrdienststatus überprüfen ließen und sich versicherten, dass sie tatsächlich nicht mehr gesucht werden. Zumindest manche der Rückkehrer wurden wenige Wochen später eingezogen, nachdem das Verteidigungsministerium im Dezember 2018 neue Einberufungslisten für den Reservedienst veröffentlichte, und so die vorherige Entscheidung aufhob. Die Gründe für diese Verkettung von Ereignissen ist jedoch laut International Crisis Group schwer zu ermitteln (ICG 13.2.2020). Zuletzt erließ der syrische Präsident einen ab Oktober 2022 geltenden Verwaltungserlass mit Blick auf die unteren Ebenen der Militärhierarchie, der die Beibehaltung und Einberufung von bestimmten Offizieren und Reserveoffiziersanwärtern, die für den obligatorischen Militärdienst gemeldet sind, beendete. Bestimmte Offiziere und Offiziersanwärter, die in der Wehrpflicht stehen, sind zu demobilisieren, und bestimmte Unteroffiziere und Reservisten dürfen nicht mehr weiterbeschäftigt oder erneut einberufen werden (TIMEP 17.10.2022; vgl. SANA 27.8.2022). Ziel dieser Beschlüsse ist es, Hochschulabsolventen wie Ärzte und Ingenieure dazu zu bewegen, im Land zu bleiben (TIMEP 17.10.2022). Zahlreiche Männer leisten ihren Wehrdienst jedoch weiterhin über den verpflichtenden Zeitraum hinaus ab (DIS 5.2020, vgl. NMFA 5.2022).

Einsatz von Rekruten im Kampf

Grundsätzlich vermeidet es die syrische Armee, neu ausgebildete Rekruten zu Kampfeinsätzen heranzuziehen, jedoch können diese aufgrund der asymmetrischen Art der Kriegsführung mit seinen Hinterhalten und Anschlägen, wie zuletzt beispielsweise in Dara'a, trotzdem in Kampfhandlungen verwickelt werden (BMLV 12.10.2022). Neue Rekruten aus ehemaligen Oppositionsbastionen sollen in der Vergangenheit an die vorderste Front geschickt worden sein (AA 29.3.2023). Alle Eingezogenen können dagegen laut EUAA (European Union Agency for Asylum) unter Berufung auf einen Herkunftsländerbericht vom April 2021 potenziell an die Front abkommandiert werden. Ihr Einsatz hängt vom Bedarf der Armee für Truppen sowie von den individuellen Qualifikationen der Eingezogenen und ihrem Hintergrund oder ihrer Kampferfahrung ab. Eingezogene Männer aus "versöhnten" Gebieten werden disproportional oft kurz nach ihrer Einberufung mit minimaler Kampfausbildung als Bestrafung für ihre Illoyalität gegenüber dem Regime an die Front geschickt. Reservisten werden in (vergleichsweise) kleinerer Zahl an die Front geschickt (EUAA 2.2023). [Anm.: In welcher Relation die Zahl der Reservisten zu den Wehrpflichtigen steht, geht aus dem Bericht nicht hervor.]

Amnestien im Allgemeinen und im Zusammenhang mit folgendem Militärdienst

Rechtssicherheit

In Syrien vorherrschend und von langer Tradition ist eine Diskrepanz zwischen dem geschriebenen Recht und der Implementierung der Gesetze in der Praxis. Die in den letzten Jahren noch zugenommene und weit verbreitete Korruption hat diese Diskrepanz noch zusätzlich verstärkt. Rechtsstaatlichkeit ist schwach ausgeprägt, wenn nicht mittlerweile gänzlich durch eine Situation der Straffreiheit untergraben, in der Angehörige von Sicherheitsdiensten ohne strafrechtliche Konsequenzen und ohne jegliche zivile Kontrolle operieren können (ÖB Damaskus 12.2022).

Regelmäßig vom Regime verkündete Amnestien verringern ausgesprochene Todesurteile zum Teil auf lebenslange harte Strafarbeit oder stellen eine Freilassung in Aussicht. In der Rechtspraxis kommen die Amnestien aufgrund großzügig ausgelegter Ausnahmetatbestände und prozeduralen Hindernissen jedoch nur in Einzelfällen zur Anwendung (AA 29.3.2023), dabei oftmals infolge der Zahlung hoher Bestechungsgelder an Amtsträger im Justiz- und Sicherheitswesen (AA 29.3.2023; vgl. EB 9.6.2022).

Amnestien allgemein

Seit März 2011 [Anm.: bis Oktober 2022] hat der syrische Präsident 21 Amnestiedekrete erlassen [Ende Dezember 2022 folgte ein weiteres Amnestiedekret, s. weiter unten], wobei in den meisten dieser Dekrete die Strafen der Begnadigten für die verschiedenen Verbrechen und Vergehen ganz oder teilweise aufgehoben wurden (SNHR 16.11.2022). Der syrische Präsident hat dabei für Mitglieder bewaffneter oppositioneller Gruppen, Wehrdienstverweigerer und Deserteure eine Reihe von Amnestien erlassen, die Straffreiheit vorsahen, wenn sie sich innerhalb einer bestimmten Frist zum Militärdienst melden (STDOK 8.2017; vgl. SNHR 16.11.2022, MED 10.2021). Über die Umsetzung und den Umfang der Amnestien für Wehrdienstverweigerer und Deserteure ist nur sehr wenig bekannt (DIS 5.2020; vgl. SNHR 16.11.2022). Menschenrechtsorganisationen und Beobachter haben die Amnestien wiederholt als intransparent sowie unzureichend kritisiert (STDOK 8.2017; vgl. EB 3.4.2020, MED 10.2021) und als ein Propagandainstrument der Regierung bezeichnet (DIS 5.2020; vgl. MED 10.2021).

Die Amnestiedekrete resultierten im Allgemeinen nur in der Entlassung einer begrenzten Anzahl von gewöhnlichen Kriminellen, und nicht von jenen, deren Verhaftung politisch motiviert ist (USDOS 20.3.2023). Der Ausschluss von politischen Gefangenen von den Amnestien ist der Haft- und Gerichtspraxis in Syrien teilweise inhärent. Willkürlich Verhaftete werden in der Regel ohne Anklage für längere Zeit festgehalten, und die Inhaftierten werden oft nicht über die gegen sie erhobenen Vorwürfe informiert (MED 10.2021; vgl. USDOS 20.3.2023). Die Amnestien schlossen Gefangene aus, die nicht eines Verbrechens angeklagt wurden (USDOS 20.3.2023).

Erhebungen der Menschenrechtsorganisation Syrian Network for Human Rights (SNHR) ergaben, dass im Zeitraum März 2011 bis Oktober 2022 rund 7.350 Personen im Rahmen von 21 Amnestiedekreten aus diversen Zivil- und Militärgefängnissen der syrischen Regierung sowie aus Haftanstalten unterschiedlicher Zweigstellen des Sicherheitsapparats entlassen wurden. Darunter befanden sich rund 6.100 Zivilisten und 1.250 Militärangehörige. Dem stellt SNHR eine Anzahl von rund 123.300 Personen gegenüber, die in zeitlicher Nähe zu den Amnestien verhaftet wurden oder gewaltsam verschwanden (SNHR 16.11.2022).

Eine begrenzte Anzahl von Gefangenen kam im Zuge lokaler Beilegungsabkommen mit dem Regime frei. Während des Jahres 2022 verstießen Regimekräfte gegen frühere Amnestieabkommen, indem sie Razzien und Verhaftungskampagnen gegen Zivilisten und frühere Mitglieder der bewaffneten Oppositionsgruppen in Gebieten durchführten, in denen zuvor Beilegungsabkommen mit dem Regime unterzeichnet worden waren (USDOS 20.3.2023).

Einer Quelle zufolge respektiert die syrische Regierung Amnestien nun eher als früher (DIS 5.2020). Durch verschiedene Amnestien für Deserteure und Wehrdienstverweigerer werden Strafen zwar zumindest stellenweise erlassen, der zwangsweise Einzug in den Militärdienst wurde durch die Amnestien jedoch nicht beendet und wird unverändert fortgesetzt (AA 29.3.2023; vgl. USDOS 20.3.2023, NMFA 5.2022, MED 10.2021). Nach Einschätzung von Human Rights Watch nutzt das Regime Schlupflöcher in den Amnestiedekreten aus, um Rückkehrer unmittelbar nach Einreise wieder auf Einberufungslisten zu setzen (AA 29.3.2023). Das Narrativ der Amnestie oder der milden Behandlung ist höchst zweifelhaft: Es spielt nicht nur eine Rolle, ob zum Beispiel Familienmitglieder für die FSA (Freie Syrische Armee) oder unter den Rebellen gekämpft haben, sondern das Regime hegt auch ein tiefes Misstrauen bezüglich des Herkunftsgebiets. Es spielt eine große Rolle, woher man kommt, ob man aus Gebieten mit vielen Demonstrationen oder Rebellenaktivitäten geflohen ist, zum Beispiel Ost-Ghouta, Damaskus oder Homs (Üngör 15.12.2021). Ein Syrien-Experte merkte in diesem Zusammenhang auch an, dass die Durchsetzungsfähigkeit des Präsidenten bei den Amnestiedekreten vor Ort angezweifelt werden kann, und Vergeltung ein weitverbreitetes Phänomen ist (Balanche 13.12.2021).

Kürzlich erlassene Amnestien

Präsident Assad erließ am 21.12.2022 mit dem Legislativdekret Nr. 24 eine Generalamnestie, die unter anderem für die Tatbestände "interne und externe Desertion" gilt, so diese vor dem Inkrafttreten des Erlasses begangen wurden (SANA 21.12.2022). Die Amnestie ist an die Bedingung geknüpft, dass sich Deserteure, die in Syriens leben, innerhalb von drei Monaten, und Deserteure, die außerhalb Syriens leben, innerhalb von vier Monaten den Behörden stellen (MEMO 22.12.2022).

Im Mai 2022 hat Präsident Assad mit dem Gesetzesdekret Nr. 7/2022 eine Generalamnestie für "terroristische Verbrechen" erlassen, welche von Syrern vor dem 30.4.2022 begangen wurden, mit Ausnahme derjenigen Straftaten, die zum Tod eines Menschen geführt haben und die im Antiterrorismusgesetz Nr. 19 von 2012 und im Strafgesetzbuch, das durch das Gesetzesdekret Nr. 148 von 1949 und dessen Änderungen erlassen wurde, festgelegt sind (SO 3.5.2022). "Terrorismus" ist ein Begriff, mit dem die Regierung die Aktivitäten von Rebellen und oppositionellen Aktivisten beschreibt (MEE 2.5.2021). Nach dem Militärstrafgesetzbuch geahndete Vergehen fallen nicht unter diese Amnestie. Laut SNHR wurden mindestens 586 Personen im Zusammenhang mit dem Amnestiedekret aus der Haft entlassen (SNHR 16.11.2022). Das Amnestiedekret wurde laut Human Rights Watch (HRW) allerdings willkürlich und ohne Transparenz umgesetzt und führte nur zur dokumentierten Freilassung einer kleinen Zahl von Inhaftierten, gemessen an den Tausenden von Personen, die nach wie vor verschwunden sind, viele davon seit 2011, ohne dass es Informationen über ihren Verbleib gibt (HRW 12.1.2023).

Am 25.1.2022 erließ Präsident Assad mit Gesetzesdekret Nr. 3/2022 eine Generalamnestie für "interne" und "externe Desertion", die vor diesem Datum begangen wurde (SANA 25.1.2022). Die Amnestie umfasst Straftaten nach Artikel 100 ("interne Desertion") und 101 ("externe Desertion") des Militärstrafgesetzbuchs (Gesetzesdekret Nr. 61 von 1950) (SO 27.1.2022; vgl. SNHR 16.11.2022), schließt jedoch die Artikel 102 ("Flucht zum Feind, Flucht vor dem Feind") und 103 ("Flucht durch Verschwörung und Flucht in Kriegszeiten") aus (SO 27.1.2022). Die Amnestie ist an die Bedingung geknüpft, dass sich Deserteure, die in Syriens leben, innerhalb von drei Monaten, und Deserteure, die außerhalb Syriens leben, innerhalb von vier Monaten den Behörden stellen (SNHR 16.11.2022).

Amnestien in Gebieten außerhalb der Kontrolle der syrischen Regierung

Am 10.10.2020 erließ die sog. "Selbstverwaltung" in Nordost-Syrien eine "Generalamnestie" für Strafgefangene (AA 4.12.2020; vgl. NPA 10.10.2020). Bereits am 15.10.2020 sollen 631 Häftlinge auf Grundlage des Dekrets entlassen worden sein, darunter auch mutmaßliche IS-Sympathisanten. Strafen für bestimmte Vergehen sollen zudem halbiert werden (AA 4.12.2020). Das Amnestiedekret Nr. 7 des syrischen Präsidenten vom 30.4.2022 fand beispielsweise keine Anwendung in Raqqa, das unter der Kontrolle der Autonomous Administration of North and East Syria (AANES) steht (EB 9.6.2022).

Am 2.4.2022 erließ die Hay'at Tahrir ash-Sham (HTS) nahestehende "Syrische Heilsregierung" im Gouvernement Idlib ein Dekret, mit dem sie Berichten zufolge eine "Amnestie" für Urteile gewährte, die sie aus Gründen des öffentlichen Rechts verhängt hatte, und die Hälfte der Strafe von Gefangenen "umwandelte", die ein Urteil oder eine ähnliche Strafe erhalten hatten. Nach Angaben von SNHR bezog sich die Amnestie nicht auf Gefangene, die wegen Kritik an der HTS inhaftiert worden waren (USDOS 20.3.2023).

Wehrdienstverweigerung / Desertion

Als der syrische Bürgerkrieg 2011 begann, hatte die syrische Regierung Probleme, Truppen bereitzustellen, um bewaffneten Rebellengruppen entgegentreten zu können. Die Zahl der Männer, die den Wehr- oder Reservedienst verweigerten, nahm deutlich zu. Eine große Zahl von Männern im wehrfähigen Alter floh entweder aus dem Land, schloss sich der bewaffneten Opposition an, oder tauchte unter (DIS 5.2020). Zwischen der letzten Hälfte des Jahres 2011 bis zum Beginn des Jahres 2013 desertierten Zehntausende Soldaten und Offiziere, flohen oder schlossen sich bewaffneten aufständischen Einheiten an. Seit der zweiten Hälfte des Jahres 2013 sind jedoch nur wenige Fälle von Desertion bekannt und vergleichsweise wenige wurden nach diesem Zeitpunkt deswegen verhaftet (Landinfo 3.1.2018).

In Syrien besteht keine Möglichkeit der legalen Wehrdienstverweigerung. Auch die Möglichkeit eines (zivilen) Ersatzdienstes gibt es nicht. Es gibt in Syrien keine reguläre oder gefahrlose Möglichkeit, sich dem Militärdienst durch Wegzug in andere Landesteile zu entziehen. Beim Versuch, sich dem Militärdienst durch Flucht in andere Landesteile, die nicht unter Kontrolle des Regimes stehen, zu entziehen, müssten Wehrpflichtige zahlreiche militärische und paramilitärische Kontrollstellen passieren, mit dem Risiko einer zwangsweisen Einziehung, entweder durch die syrischen Streitkräfte, Geheimdienste oder regimetreue Milizen. Männern im wehrpflichtigen Alter ist die Ausreise verboten. Der Reisepass wird ihnen vorenthalten und Ausnahmen werden nur mit Genehmigung des Rekrutierungsbüros, welches bescheinigt, dass der Wehrdienst geleistet wurde, gewährt (AA 29.3.2023).

Der verpflichtende Militärdienst führt weiterhin zu einer Abwanderung junger syrischer Männer, die vielleicht nie mehr in ihr Land zurückkehren werden (ICWA 24.5.2022). Laut Berichten und Studien verschiedener Menschenrechtsorganisationen ist für zahlreiche Geflüchtete die Gefahr der Zwangsrekrutierung neben anderen Faktoren eines der wesentlichen Rückkehrhindernisse (AA 29.3.2023).

Haltung des Regimes gegenüber Wehrdienstverweigerern

In dieser Frage gehen die Meinungen zum Teil auseinander: Manche Experten gehen davon aus, dass Wehrdienstverweigerung vom Regime als Nähe zur Opposition gesehen wird. Bereits vor 2011 war es ein Verbrechen, den Wehrdienst zu verweigern. Nachdem sich im Zuge des Konflikts der Bedarf an Soldaten erhöht hat, wird Wehrdienstverweigerung im besten Fall als Feigheit betrachtet und im schlimmsten im Rahmen des Militärverratsgesetzes (qanun al-khiana al-wataniya) behandelt. In letzterem Fall kann es zur Verurteilung vor einem Feldgericht und Exekution kommen oder zur Inhaftierung in einem Militärgefängnis. Ob die Entrichtung einer "Befreiungsgebühr" wirklich dazu führt, dass man nicht eingezogen wird, hängt vom Profil der Person ab. Dabei sind junge, sunnitische Männer im wehrfähigen Alter am stärksten im Verdacht der Behörden, aber sogar aus Regimesicht untadelige Personen wurden oft verhaftet (Üngör 15.12.2021). Loyalität ist hier ein entscheidender Faktor: Wer sich dem Wehrdienst entzogen hat, hat sich als illoyal erwiesen (Khaddour 24.12.2021). Der Syrien-Experte Fabrice Balanche sieht die Haltung des Regimes Wehrdienstverweigerern gegenüber als zweischneidig, weil es einerseits mit potenziell illoyalen Soldaten, die die Armee schwächen, nichts anfangen kann, und sie daher besser außer Landes sehen will, andererseits werden sie inoffiziell als Verräter gesehen, da sie sich ins Ausland gerettet haben, statt "ihr Land zu verteidigen". Wehrdienstverweigerung wird aber nicht unbedingt als oppositionsnahe gesehen. Das syrische Regime ist sich der Tatsache bewusst, dass viele junge Männer nach dem Studium das Land verlassen haben, einfach um nicht zu sterben. Daher wurde die Möglichkeit geschaffen, sich frei zu kaufen, damit die Regierung zumindest Geld in dieser Situation einnehmen kann. Hinzu kommen Ressentiments der in Syrien verbliebenen Bevölkerung gegenüber Wehrdienstverweigerern, die das Land verlassen haben und sich damit "gerettet" haben, während die verbliebenen jungen Männer im Krieg ihr Leben riskiert bzw. verloren haben (Balanche 13.12.2021).

Gesetzliche Lage

Wehrdienstentzug wird gemäß dem Militärstrafgesetzbuch bestraft. In Art. 98-99 ist festgehalten, dass mit einer Haftstrafe von einem bis sechs Monaten in Friedenszeiten und bis zu fünf Jahren in Kriegszeiten bestraft wird, wer sich der Einberufung entzieht (AA 29.3.2023; vgl. Rechtsexperte 14.9.2022).

Desertion wird von Soldaten begangen, die bereits einer Militäreinheit beigetreten sind, während Wehrdienstverweigerung in den meisten Fällen von Zivilisten begangen wird, die der Einberufung zum Wehrdienst nicht gefolgt sind. Desertion wird meist härter bestraft als Wehrdienstverweigerung. Das Militärstrafgesetzbuch unterscheidet zwischen "interner Desertion" (farar dakhelee) und "externer Desertion" (farar kharejee). Interne Desertion in Friedenszeiten wird begangen, wenn sich der Soldat sechs Tage lang unerlaubt von seiner militärischen Einheit entfernt. Ein Soldat, der noch keine drei Monate im Dienst ist, gilt jedoch erst nach einem vollen Monat unerlaubter Abwesenheit als Deserteur. Interne Desertion liegt außerdem vor, wenn der reisende Soldat trotz Ablauf seines Urlaubs nicht innerhalb von 15 Tagen nach dem für seine Ankunft oder Rückkehr festgelegten Datum zu seiner militärischen Einheit zurückgekehrt ist (Artikel 100/1/b des Militärstrafgesetzbuchs). Interne Desertion wird mit einer Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren bestraft, und wenn es sich bei dem Deserteur um einen Offizier oder einen Berufsunteroffizier handelt, kann er zusätzlich zu der vorgenannten Strafe mit Entlassung bestraft werden (Artikel 100/2). In Kriegszeiten können die oben genannten Fristen auf ein Drittel verkürzt und die Strafe verdoppelt werden (Artikel 100/4). Eine externe Desertion in Friedenszeiten liegt vor, wenn der Soldat ohne Erlaubnis die syrischen Grenzen überschreitet und seine Militäreinheit verlässt, um sich ins Ausland zu begeben. Der betreffende Soldat wird in Friedenszeiten nach Ablauf von drei Tagen seit seiner illegalen Abwesenheit und in Kriegszeiten nach einem Tag als Deserteur betrachtet (Artikel 101/1) (Rechtsexperte 14.9.2022). Externe Desertion wird mit einer Freiheitsstrafe von fünf bis zehn Jahren bestraft (Artikel 101/2) (Rechtsexperte 14.9.2022; vgl. AA 29.3.2023). Die Haftstrafen können sich bei Vorliegen bestimmter Umstände noch erhöhen (z. B. Desertion während des Dienstes, Mitnahme von Ausrüstung) (Rechtsexperte 14.9.2022). Die Todesstrafe ist gemäß Art. 102 bei Überlaufen zum Feind und gemäß Art. 105 bei geplanter Desertion im Angesicht des Feindes vorgesehen (AA 29.3.2023).

Neben anderen Personengruppen sind regelmäßig auch Deserteure (DIS 5.2020) und Wehrdienstverweigerer Ziel des umfassenden Anti-Terror-Gesetzes (Dekret Nr. 19/2012) der syrischen Regierung (AA 4.12.2020; vgl. DIS 5.2020).

Syrische Männer im wehrpflichtigen Alter können sich nach syrischem Recht durch Zahlung eines sogenannten Wehrersatzgeldes von der Wehrpflicht freikaufen. Diese Regelung findet jedoch nur auf Syrer Anwendung, die außerhalb Syriens leben (AA 29.3.2023). Das syrische Wehrpflichtgesetz (Art. 97) ermöglicht es, das Vermögen von Männern zu beschlagnahmen, die sich bis zum Erreichen des 43. Lebensjahres (Altersgrenze zur Einberufung) der Wehrpflicht entzogen haben und sich weigern, ein Wehrersatzgeld in Höhe von 8.000 USD zu entrichten. Das Gesetz erlaubt die Beschlagnahme des Vermögens nicht nur von Männern, die nicht im Militär gedient haben, sondern auch von deren unmittelbaren Familienangehörigen, einschließlich Ehefrauen und Kindern (AA 29.3.2023; vgl. Rechtsexperte 14.9.2022).

Handhabung

Die Gesetzesbestimmungen werden nicht konsistent umgesetzt (Landinfo 3.1.2018), und die Informationslage bezüglich konkreter Fälle von Bestrafung von Wehrdienstverweigerern und Deserteuren ist eingeschränkt, da die syrischen Behörden hierzu keine Informationen veröffentlichen (Rechtsexperte 14.9.2022). Manche Quellen geben an, dass Betroffene sofort (DIS 5.2020; vgl. Landinfo 3.1.2018) oder nach einer kurzen Haftstrafe (einige Tage bis Wochen) eingezogen werden, sofern sie in keinerlei Oppositionsaktivitäten involviert waren (DIS 5.2022). Andere geben an, dass Wehrdienstverweigerer von einem der Nachrichtendienste aufgegriffen und gefoltert oder "verschwindengelassen" werden können. Die Konsequenzen hängen offenbar vom Einzelfall ab (Landinfo 3.1.2018).

Es gibt verschiedene Meinungen darüber, ob Wehrdienstpflichtige zurzeit sofort eingezogen, oder zuerst inhaftiert und dann eingezogen werden: Laut Balanche ist der Bedarf an Soldaten weiterhin hoch genug, dass man wahrscheinlich nicht inhaftiert, sondern mit mangelhafter oder ohne Ausbildung direkt an die Front geschickt wird (Balanche 13.12.2021). Die Strafe für das Sich-Entziehen vom Wehrdienst ist oft Haft und im Zuge dessen auch Folter. Während vor ein paar Jahren Wehrdienstverweigerer bei Checkpoints meist vor Ort verhaftet und zur Bestrafung direkt an die Front geschickt wurden (als "Kanonenfutter"), werden Wehrdienstverweigerer derzeit laut Uğur Üngör wahrscheinlich zuerst verhaftet. Seit die aktivsten Kampfgebiete sich beruhigt haben, kann das Regime es sich wieder leisten, Leute zu inhaftieren (Gefängnis bedeutet immer auch Folter, Wehrdienstverweigerer würden hier genauso behandelt wie andere Inhaftierte oder sogar schlechter). Selbst für privilegierte Personen mit guten Verbindungen zum Regime ist es nicht möglich, als Wehrdienstverweigerer nach Syrien zurückzukommen - es müsste erst jemand vom Geheimdienst seinen Namen von der Liste gesuchter Personen löschen. Auch nach der Einberufung ist davon auszugehen, dass Wehrdienstverweigerer in der Armee unmenschliche Behandlung erfahren werden (Üngör 15.12.2021). Laut Kheder Khaddour würde man als Wehrdienstverweigerer wahrscheinlich ein paar Wochen inhaftiert und danach in die Armee eingezogen (Khaddour 24.12.2021).

Es gibt jedoch Fälle von militärischer Desertion, die dem Militärgericht übergeben werden (Rechtsexperte 14.9.2022). Eine Quelle berichtet, dass Deserteure zwar in früheren Phasen des Krieges exekutiert wurden, jedoch habe die syrische Regierung ihre Vorgehensweise in den vergangenen Jahren geändert und aufgrund des vorherrschenden Bedarfs an der Front festgenommene Deserteure zum Teil zu kurzen Haftstrafen verurteilt (DIS 5.2020). Repressalien gegenüber Familienmitgliedern können insbesondere bei Familien von "high profile"-Deserteuren der Fall sein, also z.B. solche Deserteure, die Soldaten oder Offiziere getötet oder sich der bewaffneten Opposition angeschlossen haben (Landinfo 3.1.2018). Weitere Einflussfaktoren sind der Rang des Deserteurs, Wohnort der Familie, der für dieses Gebiet zuständige Geheimdienst und zuständige Offizier sowie die Religionszugehörigkeit der Familie (DIS 5.2020).

Der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen berichtete im zweiten Halbjahr 2022 weiterhin von willkürlichen Festnahmen und Inhaftierungen durch die Regierungskräfte, darunter auch von Personen, die sich zuvor mit der Regierung "ausgesöhnt" hatten. Andere wurden vor der am 21.12.2022 angekündigten Amnestie für Verbrechen der "internen und externen Desertion vom Militärdienst" aufgrund von Tatbeständen im Zusammenhang mit der Wehrpflicht inhaftiert (UNHRC 7.2.2023).

Syrische Rückkehrende aus Europa

Eine sichere Rückkehr Geflüchteter kann laut deutschem Auswärtigen Amt für keine Region Syriens und für keine Personengruppe gewährleistet, vorhergesagt oder gar überprüft werden. Auch UNHCR und andere Menschenrechtsorganisationen haben keinen freien und ungehinderten Zugang zu Rückkehrenden in Syrien, sodass eine Nachverfolgung und Überwachung des Rückkehrprozesses sowie des Schicksals der Rückkehrenden nicht möglich ist. UNHCR kann unverändert weder ein umfassendes Monitoring zur Lage von zurückgekehrten Binnenvertriebenen und Flüchtlingen sicherstellen, noch einen Schutz ihrer Rechte gewährleisten. Dennoch bemüht sich UNHCR, Beispiele von Rechtsbrüchen zu sammeln, nachzuverfolgen und gegenüber dem Regime zu kommunizieren (AA 29.3.2023).

Die verfügbaren Informationen über SyrerInnen, die aus Europa nach Syrien zurückkehren, sind begrenzt (Rechtsexperte 14.9.2022, DIS 5.2022). Zur Situation von rückkehrenden Flüchtlingen aus Europa gibt es auch aufgrund deren geringer Zahl keine Angaben (ÖB Damaskus 12.2022): Im Jahr 2020 kehrten 137 syrische Flüchtlinge freiwillig und mit Unterstützung der dänischen Behörden aus Dänemark nach Syrien zurück. Im selben Jahr suchten zehn SyrerInnen bei den niederländischen Behörden um Hilfe für eine Rückkehr nach Syrien an. In Dänemark leben rund 35.000 Syrer und Syrerinnen, in den Niederlanden ca. 77.000 (EASO 6.2021). Nach Angaben des deutschen Innenministeriums kehrten von 2017 bis Juni 2020 über 1.000 SyrerInnen mit finanzieller Unterstützung Deutschlands aus Deutschland nach Syrien zurück (Daily Sabah 15.6.2020). Die meisten syrischen Flüchtlinge in der EU erwägen nicht, in (naher) Zukunft nach Syrien zurückzukehren, wie Umfragen aus verschiedenen europäischen Staaten illustrieren. Diejenigen, die nicht nach Syrien zurückkehren wollten, wiesen auf verschiedene Hindernisse für eine Rückkehr hin, darunter das Fehlen grundlegender Dienstleistungen (wie Bildung, Gesundheitsversorgung und soziale Sicherheit) und die derzeitige syrische Regierung, die an der Macht geblieben ist (Rechtsexperte 14.9.2022).

Die meisten Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die Europäische Union selbst sowie der UN High Commissioner for Refugees (UNHCR), bleiben bei ihrer Einschätzung, dass Syrien nicht sicher für eine Rückkehr von Flüchtlingen ist. Im Juli 2022 entschied das Netherlands Council of State, dass syrische Asylsuchende nicht automatisch nach Dänemark transferiert werden dürften angesichts der dortigen Entscheidung, Teile Syriens für 'sicher' zu erklären (HRW 12.1.2023). Auch die United Nations Independent International Commission of Inquiry on the Syrian Arab Republic (CoI) kommt zum Schluss, dass die Bedingungen für eine sichere Rückkehr in Würde nicht gegeben sind, auch angesichts von Fällen von Rückkehrverweigerungen, willkürlichen Verhaftungen und der Verhinderung der Rückkehr zu ihren Heimen in Regierungsgebieten (UNCOI 7.2.2023). Das deutsche Auswärtige Amt weist darauf hin, dass UNHCR, das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) und die International Organization for Migration (IOM) unverändert die Auffassung vertreten, dass die Bedingungen für eine freiwillige Rückkehr von Geflüchteten nach Syrien in Sicherheit und Würde angesichts der unverändert bestehenden, signifikanten Sicherheitsrisiken in ganz Syrien nicht erfüllt sind. UNHCR bekräftigte, dass sich seine Position und Politik nicht geändert hätten. Im Einklang mit dieser Einschätzung führt laut deutschem Auswärtigem Amt weiterhin kein Mitgliedsstaat der Europäischen Union Rückführungen nach Syrien durch (AA 29.3.2023). Auch der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte, Volker Türk, sieht nicht die menschenrechtlichen Voraussetzungen für Abschiebungen nach Syrien gegeben (Die Presse 5.6.2023).

[…]“

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Identität des Beschwerdeführers konnte mangels Vorlage unbedenklicher nationaler Identitätsdokumente nicht festgestellt werden, weshalb lediglich Verfahrensidentität vorliegt.

Die Feststellungen zur Volksgruppenzugehörigkeit, Religion, Herkunft und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers stützen sich auf seine diesbezüglich nachvollziehbaren Aussagen im Verfahren.

Die festgestellte Gebietskontrolle ergibt sich aus den Länderinformationen sowie der Einsicht in die tagesaktuelle Karte zu Syrien (vgl. https://syria.liveuamap.com/).

Die Feststellungen zur Schuldbildung des Beschwerdeführers stützen sich auf seine unbedenklichen und unstrittigen Angaben im Rahmen der Erstbefragung (vgl. AS 3) und in der Einvernahme vor dem BFA (vgl. AS 154), welche er in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen wiederholte (vgl. Verhandlungsniederschrift S. 4). Die Feststellungen zu seiner beruflichen Tätigkeit stützen sich ebenfalls auf seine glaubwürdigen und wiederholenden Angaben im gesamten Verfahren.

Dass der Beschwerdeführer geschieden ist, ergibt sich aus seiner glaubhaften und plausiblen Angabe in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsniederschrift S. 8). Dass er kinderlos ist, hat er sowohl im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (vgl. AS 152) als auch in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsniederschrift S. 8 f) glaubhaft dargelegt. Die Feststellung zum Verbleib seiner Exfrau stützt sich auf seine diesbezüglich unbedenkliche und unstrittige Angabe in der mündlichen Verhandlung (vgl. Verhandlungsniederschrift S. 9). Die Feststellungen zum Verbleib seiner Familie stützen sich auf seine gleichbleibenden und sohin glaubhaften Angaben im gesamten Verfahren.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer nicht lebensbedrohlich erkrankt ist, ergibt sich aus seinen diesbezüglich glaubwürdigen Angaben bzw. ist nichts Gegenteiliges im Verfahren hervorgekommen.

Die Unbescholtenheit des Beschwerdeführers geht aus einem amtswegig eingeholten Strafregisterauszug hervor.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Dass der Beschwerdeführer seinen Militärdienst von Oktober 2010 bis Mai 2012 als Krankenpfleger absolvierte, ergibt sich aus seinen gleichbleibenden Angaben im Verfahren. Die Angaben des Beschwerdeführers lassen sich auch mit den Länderberichten in Einklang bringen, wonach in Fällen, bei denen bei der medizinischen Untersuchung ein gesundheitliches Problem (vgl. den dem Beschwerdeführer ausgestellten Behindertenausweis) festgestellt wird, entweder eine Befreiung vom Wehrdienst greift oder dieser durch Tätigkeiten, die nicht mit einer Teilnahme an einer Kampfausbildung bzw. -einsätzen verbunden sind, abzuleisten ist.

Die Feststellungen zum verpflichtenden Wehr- und Reservedienst gründen auf dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation. Dementsprechend sind männliche syrische Staatsbürger im Alter zwischen 18 bis 42 Jahren grundsätzlich gesetzlich verpflichtet einen Wehrdienst im Ausmaß von zwei Jahren abzuleisten. Ferner ziehen syrische Behörden, entsprechend der Länderinformationen, vornehmlich Männer bis zum Alter von 27 Jahren ein, während sich Ältere eher auf Ausnahmen berufen können. Der mittlerweile 32-jährige Beschwerdeführer hat die Altersgrenze somit bereits überschritten. Das Gericht verkennt dabei nicht, dass Reservisten grundsätzlich über diese Altersgrenze hinaus bis zum Alter von 42 Jahren eingezogen werden können und fallweise auch Männer bis zum Alter von 55 oder sogar 62 Jahren eingezogen werden. Allerdings trifft dies laut Länderberichten vorwiegend Personen mit besonderen Qualifikationen (zB Ärzte, Panzerfahrer, Luftwaffenpersonal, Artilleriespezialisten und Ingenieure für Kampfausrüstung) und ist abhängig von ihrem Rang. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer über keine derartigen Fähigkeiten verfügt. Der Beschwerdeführer behauptete zwar in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eine Ausbildung an der Waffe absolviert zu haben, allerdings waren seine Aussagen derart widersprüchlich, dass sie als nicht glaubhaft zu qualifizieren waren. So gab der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA an, lediglich eine zweimonatige Einschulung an der Waffe absolviert zu haben (vgl. AS 157). In der mündlichen Verhandlung behauptete er hingegen, er wäre am Gewehr, Maschinengewehr und am Sniper ausgebildet worden (vgl. Verhandlungsprotokoll S. 5), worin eine massive Steigerung liegt, welche den Beschwerdeführer nicht glaubhaft erscheinen lässt. Da jedoch seine Angaben betreffend die Absolvierung eines Krankenpflegedienstes gleichblieben, wird festgestellt, dass er von Oktober 2010 bis Mai 2012 als Krankenpfleger seiner Pflichterfüllung nachgekommen ist.

Auch die Behauptung des Beschwerdeführers, er wäre desertiert und würde deshalb vom syrischen Regime verfolgt, erscheint im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer noch fünf Jahre nach seiner vermeintlichen Desertion in seiner Herkunftsregion in Syrien aufhältig war und in dieser Zeit keine wie auch immer gearteten Probleme im Zusammenhang mit seiner Desertion auftraten, als unwahrscheinlich. Es ist nicht vorstellbar, dass er, hätte er sich der Ableistung seines verbleibenden Wehrdienstes tatsächlich entzogen, fünf Jahre problemlos, im Heimatort hätte leben können. Sein Vorbringen ist nicht nur wenig plausibel, es steht vor allem in krassem Widerspruch zu dem grundsätzlich rigorosen Vorgehen, welches seitens des syrischen Regimes an den Tag gelegt wird, hätte dieses tatsächlich Interesse an bestimmten Personen gehabt. Es kann, nach Durchsicht des Länderberichtmaterials, nicht unterstellt werden, dass das syrische Regime über einen derart langen Zeitraum von fünf Jahren nicht in der Lage gewesen wäre, der Person des Beschwerdeführers habhaft zu werden, hätten sie dies gewollt. Der Beschwerdeführer muss sich darüber hinaus auch seine völlig unbeteiligte Erzählweise im Rahmen der mündlichen Verhandlung anlasten lassen, wodurch bei der verhandlungsführenden Richterin nicht der Eindruck entstand, dass der Beschwerdeführer eine tatsächliche Heranziehung (als Reservist) durch das syrische Regime befürchtet. Auch im Hinblick darauf, dass seine Exfrau nach wie vor unbehelligt in Dara’a, der Herkunftsregion des Beschwerdeführers, aufhältig ist, kann nicht angenommen werden, dass es sich beim Beschwerdeführer um einen seitens der Militärbehörden Gesuchten handelt. Zudem haben die syrischen Behörden dem Beschwerdeführer vier Monate vor seiner Ausreise einen Behindertenausweis ausgestellt. Die Ausstellung von Dokumenten durch die syrischen Behörden spricht klar dagegen, dass ein Interesse daran besteht, den Beschwerdeführer zwangsweise zum Militärdienst verpflichten zu wollen. Nach Nennung dieser Erwägungen, welche eine Heranziehung des Beschwerdeführers nicht nahelegen, sei zudem erwähnt, dass der augenscheinlich körperlich beeinträchtigte Beschwerdeführer (dem etwa – aus welchen Gründen auch immer – linksseitig die Ohrmuschel fehlt) auch deswegen vom Regime nicht vordergründig zum Dienst an der Waffe herangezogen würde. Die Ausstellung eines Behindertenausweises durch die syrischen Behörden steht einem Interesse daran, den Beschwerdeführer an die Front zu schicken, bereits entgegen.

Ferner gewährt ein Erlass des syrischen Präsidenten syrischen Männern, die sich dem Militärdienst entzogen haben oder desertiert sind, Amnestien. Aus solchen Amnestieerlässen wird das Interesse des Regimes deutlich und gibt es einen differenzierten Umgang des syrischen Regimes mit Wehrdienstentziehern einerseits und Oppositionellen andererseits. Während der Gruppe der bloßen Wehrdienstverweigerern im Regelfall lediglich die Einziehung zum Militärdienst droht, haben die Angehörigen der zweiten Gruppe vielfach mit Haft, Folter und sogar dem Tod zu rechnen (vgl. Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien Version 9 vom 17.07.2023, Amnestien im Allgemeinen und im Zusammenhang mit folgendem Militärdienst). Zum anderen könnten sich im Ausland aufhaltende Wehrpflichtige durch Zahlung eines Wehrersatzgeldes vom Wehrdienst freikaufen (vgl. Länderinformation der Staatendokumentation zu Syrien, Version 9 vom 17.07.2023, Wehrdienstverweigerung/Desertion). Konkrete Hinweise, dass die syrischen staatlichen Stellen den Amnestie-Erlass bei einer für den syrischen Staat weiterhin günstigen militärischen Lage nicht beachten würden, liegen nicht vor.

Soweit der Beschwerdeführer vorbrachte, auch in Zusammenhang mit seiner Teilnahme an Demonstrationen in seiner Herkunftsregion der Gefahr der Verfolgung durch das syrische Regime ausgesetzt zu sein, ist zunächst darauf zu verweisen, dass er eine solche in der Erstbefragung sowie in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA nicht einmal erwähnte. Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA wurde der Beschwerdeführer sogar direkt gefragt, ob er sich jemals politisch betätigt hat und verneinte er dies. Ebenso verneinte er die Frage, ob er sich jemals politisch geäußert oder seine politische Einstellung bzw. Meinung öffentlich kundgetan hat (vgl. AS 156).

Aufgrund der allgemeinen Lebenserfahrung wäre zu erwarten gewesen, dass eine um Asyl ansuchende Person auch die Gesamtheit ihrer Fluchtgründe – zumindest ihrem Wesen nach – auch bei erster Gelegenheit vorträgt, um einen entsprechenden Schutzstatus erhalten zu können. Schon aus diesem Grund war der Wahrheitsgehalt der später stark gesteigerten Angaben des Beschwerdeführers stark anzuzweifeln.

Außerdem blieb der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in seinen diesbezüglichen Ausführungen einer ausreichend detaillierten Darstellung hinsichtlich einer allfällig bestehenden politischen Motivation für die angegebene Teilnahme an Demonstrationen in Syrien schuldig. Sein Vorbringen blieb zusammengefasst vage und sehr allgemein gehalten. Der Beschwerdeführer führte aus, dass ihn das syrische Regime aufgrund seiner Demonstrationsteilnahmen angegriffen hätte und ihm dadurch mehrere Verletzungen zugefügt worden seien. Allerdings waren seine Schilderungen zu den Verletzungen nicht schlüssig und unglaubwürdig. Der Beschwerdeführer konnte die Hergänge der Verletzungen nur schemenhaft beschreiben und war es ihm auch nicht möglich, zu allen behaupteten Verletzungen medizinische Unterlagen beizubringen. Betreffend eine Schussverletzung aus 2017, konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass diese auf einen gezielten Angriff auf seine Person zurückzuführen ist. Diesbezüglich ist zunächst hervorzuheben, dass der Beschwerdeführer bei den Schilderungen zum Hergang seiner Verletzung in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht lachte. Zudem ist auch dem vorgelegten Befund nichts zum Hergang der Verletzung zu entnehmen. Der Beschwerdeführer konnte bei der Anamnese nur spärliche Angaben machen, erschien ohne Dolmetscher (vgl. AS 165) und hat es auch seither unterlassen, weitere Schritte zu setzen. Außerdem gab der Beschwerdeführer an, dass seine Verletzung in Israel behandelt worden sei. Die Frage der erkennenden Richterin, ob er in Israel einen Asylantrag gestellt habe, verneinte der Beschwerdeführer (vgl. Verhandlungsprotokoll S. 9). Vielmehr sei er nach erfolgter Behandlung erneut nach Syrien eingereist. Es ist für das erkennende Gericht nicht nachvollziehbar, weshalb eine Person, die angibt vom syrischen Regime aufgrund ihrer politischen Gesinnung bedroht zu werden, nicht die erste Schutzmöglichkeit die sich ihr bietet, wahrnimmt. Auch konnte der Beschwerdeführer weitere Fragen, etwa zur angeblichen Wiedereinreise nach Syrien nach der behaupteten Schussverletzung, nicht zufriedenstellend beantworten und hinterließ er nicht den Eindruck, Geschehnisse (zudem solch dramatischer Natur) wahrheitsgemäß wiederzugeben, weshalb seinen Schilderungen nicht zu folgen war. Seine Angaben waren nicht ausreichend, um eine insbesondere aktuelle, bzw. unmittelbar drohende Verfolgung oder Gefährdung des Beschwerdeführers in Syrien glaubhaft zu machen.

Auch hätte sich der Beschwerdeführer, wenn er tatsächlich in Syrien an regimekritischen Demonstrationen teilgenommen hätte und somit ins Visier der syrischen Regierung geraten wäre, Sanktionen sicherlich nicht entziehen können. Es ist auch an dieser Stelle darauf hinzuweisen, dass sich der Beschwerdeführer nach der Teilnahme an regimekritischen Demonstrationen in Syrien weiterhin unbehelligt im Herkunftsstaat aufhalten konnte und auch keine individuell-konkreten Vorfälle in Bezug auf ihn unmittelbar betreffende Verfolgungshandlungen seitens des syrischen Regimes in seiner Herkunftsregion nennen konnte. Dass er trotz behaupteter Teilnahme an Demonstrationen weiterhin unbehelligt in Syrien verblieb, entzieht den weiteren Fluchtgründen den Nährboden.

Dass dem Beschwerdeführer eine Verfolgung aufgrund seiner Ausreise und seiner Asylantragstellung in Österreich bzw. einer ihm hierdurch allfällig unterstellten oppositionellen Haltung droht, ist anhand der aktuellen Länderberichte nicht anzunehmen. Aus den Länderinformationen ergibt sich auch nicht, dass jedem Rückkehrer, der im Ausland einen Asylantrag gestellt hat, eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird (vgl. auch VwGH 11.11.2020, Ra 2020/18/0147).

2.3. Zur Lage in Syrien:

Die fallbezogenen Feststellungen zur Lage in Syrien stützen sich auf das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 17.07.2023 (Version 9), welches wiederum auf einer Vielzahl von jeweils angeführten verschiedenen, voneinander unabhängigen Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruht. In ihrer Kernaussage bieten diese Dokumentationen ein stimmiges und einheitliches Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche und besteht daher für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der darin getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).

Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. etwa VwGH 14.07.2021, Ra 2021/14/0066, mwN).

Nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person ist als „Verfolgung“ im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (vgl. Art. 9 Abs. 1 der Statusrichtlinie). Ob dies der Fall ist, haben die Asylbehörde bzw. das BVwG im Einzelfall zu prüfen und in einer die nachprüfende Kontrolle ermöglichenden Begründung darzulegen (vgl. VwGH 16.12.2021, Ra 2021/18/0387, mwN).

Das Asylverfahren bietet nur beschränkte Möglichkeiten, Sachverhalte, die sich im Herkunftsstaat des Asylwerbers ereignet haben sollen, vor Ort zu verifizieren. Hat der Asylwerber keine anderen Beweismittel, so bleibt ihm lediglich seine Aussage gegenüber den Asylbehörden, um das Schutzbegehren zu rechtfertigen. Dabei hat der Asylwerber im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht nach § 15 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 alle zur Begründung des Antrags auf internationalen Schutz erforderlichen Anhaltspunkte über Nachfrage wahrheitsgemäß darzulegen. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009, mwN).

Schon nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Voraussetzung für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ist also, dass die begründete Furcht einer Person vor Verfolgung in kausalem Zusammenhang mit einem oder mehreren Konventionsgründen steht (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, mwN).

Die Beurteilung des rechtlichen Begriffs der Glaubhaftmachung ist auf der Grundlage positiv getroffener Feststellungen von Seiten des erkennenden VwG vorzunehmen, aber im Fall der Unglaubwürdigkeit der Angaben des Asylwerbers können derartige positive Feststellungen vom VwG nicht getroffen werden (vgl. VwGH 13.01.2022, Ra 2021/14/0386, mwN).

Für die Asylgewährung kommt es auf die Flüchtlingseigenschaft im Sinn der GFK zum Zeitpunkt der Entscheidung an. Es ist demnach für die Zuerkennung des Status der Asylberechtigten zum einen nicht zwingend erforderlich, dass ein Asylwerber bereits in der Vergangenheit verfolgt wurde, zum anderen ist auch eine bereits stattgefundene Verfolgung ("Vorverfolgung") für sich genommen nicht hinreichend. Selbst wenn der Asylwerber daher im Herkunftsstaat bereits asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt war, ist entscheidend, ob er im Zeitpunkt der Entscheidung (der Behörde bzw. – des Verwaltungsgerichts) weiterhin mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen müsste (vgl. VwGH 03.09.2021, Ra 2021/14/0108, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 18.03.2021, Ra 2020/18/0450, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes bzw. der bei seiner Verweigerung drohenden Bestrafung im Allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung dar, sondern könnte nur bei Vorliegen eines Konventionsgrundes Asyl rechtfertigen. Wie der Verwaltungsgerichtshof zur möglichen Asylrelevanz von Wehrdienstverweigerung näher ausgeführt hat, kann auch der Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung asylrechtliche Bedeutung zukommen, wenn das Verhalten des Betroffenen auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht oder dem Betroffenen wegen dieses Verhaltens vom Staat eine oppositionelle Gesinnung unterstellt wird und den Sanktionen - wie etwa der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Unter dem Gesichtspunkt des Zwanges zu völkerrechtswidrigen Militäraktionen kann auch eine „bloße“ Gefängnisstrafe asylrelevante Verfolgung sein (vgl. VwGH 21.05.2021, Ro 2020/19/0001, Rn. 19, mwN).

Wie bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargestellt, kam dem konkreten Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen keine Glaubhaftigkeit zu. Dem Beschwerdeführer ist es deshalb entgegen den Ausführungen in der Beschwerde nicht gelungen, eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität, welche ihre Ursache in einem der in der GFK genannten Gründe hätte, darzutun.

Im gegenständlichen Fall sind somit die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben. Auch die Durchsicht der aktuellen Länderberichte erlaubt es nicht anzunehmen, dass gegenständlich sonstige mögliche Gründe für die Befürchtung einer entsprechenden Verfolgungsgefahr vorliegen. Sohin kann nicht erkannt werden, dass dem Beschwerdeführer aus den von ihm ins Treffen geführten Gründen im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung droht.

Auch sonst haben sich im Verfahren keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung des Beschwerdeführers aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen. Die allgemeine Lage in Syrien ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste.

Zu Spruchteil B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind somit weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen, zumal im vorliegenden Fall vornehmlich die Klärung von Sachverhaltsfragen maßgeblich für die zu treffende Entscheidung war.

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